Freischwimmer

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Frei

schwimmer

JUNI 2010

Unabh채ngiges Magazin zuM sch체lerzeitungswettbewerb der l채nder 2010 HERAUSGEGEBEN von der Jugendpresse DEUTSCHLAND


inhalt

JournaliSmus in schönschrift?…S.04-05

Unsere Autorin Conny Wippich zeigt ihrem GroSSvater eine moderne Schülerzeitung. Der ist irritiert und erzählt von früher.

„Kritik ist nicht zensur“…S.06-07

Uwe Vorkötter ist der Chefredakteur der Berliner Zeitung. Politikorange hat mit ihm über Pressefreiheit an Schülerzeitungen gesprochen.

überleben im haifischbecken…S.08-09

Machen wir uns nichts vor: Der Redakteursjob ist hart. Poltikorange gibt deshalb Tipps, um im Kampf gegen Deadlines und Platzmangel zu bestehen.

Rebellion aus dem dixi-klo!...S.10-11

Die Redakteure von „Sophies Unterwelt“ haben den Kampf für Pressefreiheit in Schülerzeitungen eröffnet. Ausgetragen ist er noch lange nicht.

die bildersätze...S.12

An der Mosaikschule in Frankfurt machen behinderte Jugendliche eine Schülerzeitung. Statt Wörter benutzen sie Bilder.

fruchtfleisch...S.12 was bedeutet gewinn für dich?

anlauf nehmen und abspringen…S.13

Gewinnen macht süchtig, findet Charlotte alder. Eine Glosse über Alphatiere und Endorphinjunkies.

„originalität und leseanreiz“...S.14

Marco Heuer, 35, ist freier Journalist und unter anderem für den WDR und Radio Bremen tätig. Beim Schülerzeitungswettbewerb 2010 ist er der journalistische Berater der Jury. politikorange traf ihn bei der Preisverleihung im Bundesrat.

Mit Buntstift in die Recherche...S.14

Wenn Kinder Zeitung machen, geht es nicht darum, journalistische Kunststücke zu vollbringen. Sinnlos sind Grundschülerzeitungen deshalb längst nicht.

aufregung im bundesrat...S.14 In Berlin werden Deutschlands beste Schülerzeitungen ausgezeichnet.

die besten zum schluss...S.15

23 Zeitungen waren der jury eine auszeichnung wert. unsere besten seht ihr hier.


E di t o ri a l Schwimmen kann man lernen. Erst übst du mit den Eltern. Im Urlaub, am Badesee. Getragen von den Armen eines Erwachsenen, genervt von dessen Befehlen. Gleichmäßiger – und jetzt die Beine – gleichmäßig sag‘ ich, hör‘ doch zu! Den halben See hast du verschluckt, ehe du das erste Mal den Schwimmerbereich betrittst und dir dein Seepferdchen auf die Badekappe kleben darfst. Schreiben kann man lernen. Zunächst die Grundlagen; Alphabet, Satzbau und Grammatik – stundenlang sitzt du mit der Oma oder den älteren Geschwistern am Küchentisch, um das zu kapieren. Schmier nicht so, sagen sie, und es wird eine Zeit dauern bis du merkst, dass es beim Schreiben nicht ums Aussehen geht.

„fehler haben wir damals mit tipp-ex korrigiert!“

Nach dem Seepferdchen kommt der Freischwimmer, oder, wie das Abzeichen seit ein paar Jahren heißt: der „Jugend-Schwimmpass“. Wer ihn will, muss die Baderegeln beherrschen, 15 Minuten Dauerschwimmen und sich trauen, vom Ein-Meter-Brett zu springen. Wer ihn hat, ist mutig, ausdauernd und: ein guter Schwimmer.

Der Freischwimmer ist längst kein Leistungs-Schwimmpass. Manche werden vergessen, dass sie ihn je bestanden haben. Einige werden sich vielleicht erinnern, wie stolz sie damals waren. Aber vielleicht wirst du in zehn Jahren sagen, dass das der erste Schritt war. Dein erster Schritt auf dem Weg, Journalist zu werden.

I nfo k a s t e n Schülerzeitungen sind das Sprachrohr der Schülerinnen und Schüler. Die Schülerpresse ist ein wesentliches Element demokratischer Schulkultur. Sie kontrolliert, indem sie die Schülerschaft informiert. Schülerzeitungen zu publizieren ist mit erheblichem Zeitaufwand, Durchhaltevermögen und Engagement verbunden. Seit 2004 veranstaltet die Jugendpresse Deutschland gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz den bundesweiten Schülerzeitungswettbewerb der Länder. Über die Qualifikation auf Landesebene schaffen es die Schülerpublikationen in den Ausscheid. Die besten der einzelnen Bundesländer werden jährlich zur Preisverleihung in den Bundesrat eingeladen und mit einer Auszeichnung belohnt. 101 junge Schreiber waren es in diesem Jahr. Bei 30°C fand die Verleihung mit leckerem Essen, anerkennendem Applaus und Workshops im STATTBAD Wedding statt. Das ehemalige Stadtbad, das heute als Kultur- und Veranstaltungsort fungiert, bot mit seinem rauen Charme einen guten Kontrast zum seriösen Bundesrat. Mit 200 Liter Capri-Eis versüßten den Tag zusätzlich.

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Journalismus in Schönschrift

Unsere Autorin Conny Wippich zeigt ihrem GroSSvater eine moderne Schülerzeitung. Der ist irritiert und erzählt von früher. Ich halte die letzte Ausgabe unserer Schülerzeitung in den Händen. Als ich die ersten Seiten durchblättere, weht mir der Geruch von frischer Druckerschwärze um die Nase. Der Leitartikel, eine Reportage über Kenia, und dann das Faschingsspecial der Lehrer in Kostümen. Die ist wirklich perfekt geworden, denke ich.

„Es war damals wirklich mühsam, die Schülerzeitung zu produzieren“, sagt mein Opa. Zuerst seien die Artikel mit der Hand geschrieben worden, danach mit der Schreibmaschine abgetippt. Bei Rechtschreibfehlern mussten die Redakteure alles noch mal abtippen. „Manchmal haben wir Fehler in Artikeln auch einfach mit Tipp-Ex ausgebessert.“

Mein Opa sitzt mit am Küchentisch, als ich meiner Familie die Zeitung zeige. Er runzelt die Stirn, greift nach der Zeitung und sagt: „Sieht ja ganz schön aus, aber bei uns waren die Schülerzeitungen damals noch viel mehr Handarbeit!“

Die neusten Exemplare der deutschen Schülerzeitungen zeigen, dass heute sehr viel mehr Wert auf die äußere Form, auf das Layout der Texte gelegt wird. Die Zeit, die man früher in das Abtippen der Artikel mit der Schreibmaschine investiert hat, wird heute meist dazu genutzt, Bilder mit Photoshop zu bearbeiten oder die Zeitung zu gestalten. Digital natürlich. Jedes Jahr kommen neue Programme auf den Markt, wie etwa Adobe InDesign, die die Arbeit am Layout einfacher machen. Einige Redaktionen rücken deshalb schon von dem Schreibprogramm „Word“ ab und arbeiten mit den professionellen Programmen, die auch die Augsburger Allgemeine oder die Redaktion des „abi>>“ Magazins der Bundesagentur für Arbeit benutzen.

Die gute alte Handarbeit

War früher alles besser? Die erste Schülerzeitung in Deutschland hieß „Hilf mit!“. Eher war sie ein Propaganda-Organ der Hitlerjugend, als eine unabhängige Schülerzeitung. Günther Grass wurde von dieser Zeitung zum Schreiben angeregt, wie er in seinem Buch „Beim Häuten der Zwiebel“ erklärt. Die erste parteiunabhängige Schülerzeitschrift war „Der Punkt“ von der Gaußschule in Braunschweig. Die erste Ausgabe erschien im September 1948. Bei uns am Holbein-Gymnasium Augsburg gibt es seit 1958 eine Schülerzeitung. Sie hieß damals noch „Tüte“ als mein Opa Redakteur war. Ich denke über die Bemerkung meines Opas nach. Reichen doch Stift und Papier, um guten Schuljournalismus zu machen? Im Keller meiner Schule finde ich die allererste Ausgabe der „Tüte“. Auf dem Titelbild: Selbst gezeichnete Schüler in Clip-Artform, die auf eine große Tür, vermutlich die Schultür, zu rennen. Bilder im Innenteil sind oft mit der Hand gezeichnet, die Texte mit Schreibmaschine abgetippt, die Überschriften sind mit der Hand geschrieben.

Die gute Story

Doch machen einzelne Computerprogramme wirklich auch eine bessere Qualität bei den Schülerzeitungen aus? Gibt es Unterschiede? Ich lese in zahllosen Ausgaben aus den Jahren 1959 und 1960. Ich bin erstaunt: Ähnliche Themen wie in den aktuellen Zeitungen. „Im Laufe der Zeit stellt wohl jeder einmal fest, dass man in der Schule mehr lernt, als man eigentlich wissen will.“ („Tüte“, April 1960) oder ein Artikel zu dem Thema „Wie werde ich ein erfolgreicher Schüler?“. „Die Anti-Sex Liga“ („Tüte“, Februar 1959) heißt eine andere Überschrift. Es ist ein Streitgespräch zwischen einer Schülerin und einem Schüler, die über die intellektuellen Fä-

higkeiten des weiblichen Geschlechts diskutieren. Der Schüler ist der Meinung: „Mädchen und Denken! Schön und dumm müssen sie sein, dass man seine Freude daran haben kann, vom Denken kriegen sie nichts als Falten!“ Neu sind für mich Artikel, die die damalige Zeit widerspiegeln. Ich lese beispielsweise einen Text über die Debatte, ob die Note 6 wirklich eingeführt werden müsse. Haben wir ja längst hingenommen und hinterfragen nicht mehr. Der Autor damals jedoch argumentierte: Die neue Note sei lediglich zur Unterteilung der Note 5 gedacht, um innerhalb der schlechteren Schüler eine weitere Abstufung zu ermöglichen. Nach einer ausführlichen Erörterung der Vor- und Nachteile lautet das abschließende Ergebnis: „Welche Motive die Herren im Ministerium dazu bewogen haben, die Note 6 einzuführen, ist uns Schülern schleierhaft.“ Bei meiner Schülerzeitung ist bald wieder Druckschluss der nächsten Ausgabe. Drucken, fällt mir auf, ist heute beinahe schon Old School: Einige Schülerzeitungen haben eine eigene Internetseite, auf der man die Artikel online lesen oder das Heft als PDF downloaden kann. Die Zeitung „Innfloh“ des Ruperti-Gymnasium Mühldorf nutzt sogar den Kurznachrichtendienst Twitter um die neuesten Schulgeschichten in Umlauf zu bringen. Ich frage mich, wie ich das meinem Opa erklären soll.

Conny Wippich 19 Jahre, Augsburg Conny ist Chefredakteurin der IRRATIONAL! und froh ohne Schreibmaschine texten zu können.

Weder damals noch heute: Druckplatinen mussten die wenigsten Schülerzeitungen selber setzen.

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Foto: Julia Kneuse

Statt in Schönschrift schreibst du bald in Times New Roman. Wie sonst sollen deine Worte in die Zeitung gelangen? Das Handbuch des Journalismus hast du gelesen, Bericht und Kommentar kannst du auseinander halten. Manchmal feilst du stundenlang an deinem Artikel oder drehst und wendest jeden Satz. Am Ende verteilen du und deine Schulkameraden eine Zeitung, die all deine Energie für sich beansprucht hat. Du bist Redakteur, Teil der Schülerzeitung.


„kritik ist nicht zensur!“

Uwe Vorkötter ist der Chefredakteur der Berliner Zeitung. Politikorange hat mit ihm über Pressefreiheit und Schülerzeitungen gesprochen. Von Christina Kufer Herr Vorkötter, große Medien schreiben über große Themen, Schülerzeitungen schreiben vorwiegend über ihre Lehrer und Schüler. Braucht es da überhaupt Pressefreiheit? Natürlich. Schülerzeitungen haben genau wie alle Medien die Aufgabe, kritische Fragen zu stellen und den Leuten auf die Füße zu treten. Deshalb müssen die Redakteure frei und unabhängig arbeiten dürfen.

Deutschland. Glauben Sie, dass eine solche Instanz auch an Schulen realisierbar wäre? Das ist durchaus denkbar. Als Beispiel ließe sich ein Gremium aus Vertretern von Schülern, Eltern und Lehrern einrichten. Sollte sich ein Lehrer persönlich angegriffen fühlen oder es zu ähnlichen Konfliktfällen kommen, könnte das Gremium eine Lösung suchen. Aber jede Schule ist für sich verantwortlich – gesetzlich halte ich das für nicht machbar.

Mal angenommen, eine Schulleitung gewährt keine Pressefreiheit, was würde mit der Schülerzeitung passieren? Medien sollen ihre Leser informieren und dabei immer kritisch und objektiv bleiben. Ohne Recht auf Pressefreiheit würden sie zu Organen der Propaganda. Die Schülerzeitung würde also zum Medium der Schulleitung.

Ein guter Text geht durch tausend Hände und das letzte Wort hat stets der Chefredakteur. An welcher Stelle greifen Sie ein? Ich greife ständig ein, so wie es von einem Chefredakteur erwartet wird. In erster Linie bin ich schließlich bestrebt, ein gutes Blatt zu machen. Ohne Kritik an den Texten ginge das nicht. Aber Kritik ist nicht automatisch Zensur. Neulich sollte ein Artikel sehr präsent in die Zeitung kommen. Wir spürten allerdings als Redaktion beim Redigieren, dass der Text so nicht ausrecherchiert und damit nicht druckbar war. Deshalb schickten wir den verantwortlichen Redakteur noch mal los und druckten die Story ein paar Wochen später.

Aber woran erkennt man Zensur? Zensur ist immer ein Eingriff von außen. Ein Chefredakteur zum Beispiel kann nicht zensieren, er ist Teil der Redaktion. Trotzdem wird er hin und wieder einen Text überarbeiten und verändern. In seiner Funktion kann er nämlich nur das drucken, was er auch verantworten kann. Solange es der Chefredakteur verantworten kann, genießen Redakteure also Freiheit – auch Narrenfreiheit? Nein. Die Redakteure müssen sich natürlich an journalistischethische Grundsätze halten. Wenn die Persönlichkeitsrechte zum Beispiel eines Lehrers verletzt werden, würde das gegen den Pressekodex verstoßen. Der Hüter des Pressekodex ist der Presserat. Der Verbund großer Verleger und Journalisten-Verbände gilt als Gremium der freiwilligen Selbstkontrolle der Presse in

Im Gegensatz zu vielen Ihrer Kollegen waren Sie nie bei einer Schülerzeitung. Warum nicht? An meiner Schule gab es keine Zeitung und ich muss auch sagen, dass ich erst etwas später begann, mich dafür zu interessieren. Manche Journalisten wissen bereits als Zehnjährige, dass sie diesen Job machen wollen. Ich wusste das damals noch nicht. Haben Sie einen Tipp für Schülerzeitungs-Redakteure, die sich in ihrer Pressefreiheit eingeschränkt fühlen? Die Schüler sollten versuchen, die Situation im Guten zu klären. Ich halte ein Gespräch mit der Schulleitung oder Schü-

Nachschauen, was die Konkurrenz so macht: Uwe Vorkötter, Chefredakteur der Berliner Zeitung.

lersprechern für sinnvoll. Auch könnte so ein Gremium (siehe oben) helfen, zu schlichten. Aber ich rate Schülerzeitungen davon ab, bis zum Äußersten zu gehen: Ein Gang vor Gericht ist keine gute Idee.

Christina Kufer 19 Jahre, Abiturientin Mit ihrer Schülerzeitung “Innfloh” wurde Christina mehrmals ausgezeichnet, unter anderem mit dem SPIEGEL-Preis für die beste Schülerzeitung 2009 und 2010.

Grü SS e von R ügen ! Die BILD-Zeitung bekommt oft Post vom Deutschen Presserat. Über 100 so genannter Rügen wurden dem Boulevard-Blatt in den vergangenen 25 Jahren erteilt. Das ist Rekord. Bestehend aus Vertretern der Journalisten-Verbänden und großen Zeitungs-Verlage will der Presserat so die ethisch und moralischen Grundsätze des Journalismus retten. Einhaltung der Persönlichkeitsrechte ist dabei genauso wichtig die der Schutz der Pressefreiheit. Möglichkeiten, rechtliche Schritte einzuleiten, hat das Gremium allerdings nicht. Der Presserat kümmert sich eher um das gute Gewissen der Journaille - seine Rügen sind wie Urlaubspostkarten von der Ostsee.

Foto: Marco Herzog

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magazin.jugendfotos.de \\ 6

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Überleben im Haifischbecken

Machen wir uns nichts vor: Der Redakteursjob ist hart. Poltikorange gibt deshalb Tipps, um im Kampf gegen Deadlines und Platzmangel zu bestehen.

Koffeinhaltige Limonade in den Mund oder unter den Tisch War ja klar, ein Text kommt immer zu spät. Der Layouter oder sein Rechner oder beide streiken. – Das wird eine Nachtschicht, Schokolade und Cola muss her, damit der Druck doch noch rechtzeitig stattfindet. Doch Vorsicht: die Übermüdung erfindet die besten Körperbewegungen, der Kopf hat die linke Hand nicht mehr unter Kontrolle und die offene Flasche mit dem Zuckerwasser läuft über den Tisch. Wunderbar: Tisch und Laptop sind verklebt, der Seitenplan nicht mehr erkennbar und die Cola auch noch alle. Also: die Nervennahrung gehört unter den Tisch oder verschlossen, ansonsten bringt sie nur mehr Nachteile als aufputschende Vorteile.

Musik ist immer nur so gut, wie die Stimmung im Redaktionsraum

zu viele köche verderben den brei

Dein Kopf ist genauso leer wie das Blatt, das du gleich abgeben musst. Jetzt hilft nur eins: Zähne zusammenbeißen. Eigentlich sollte es ja ein Konzept für den Artikel geben, wo ist das nur? Du hast gar keins gemacht? Dann aber los. Relevante Zitate notieren, Bogen spannen, Informationen sortieren. Die restlichen Sätze schreiben sich schon fast von alleine. Den Pulitzer- Preis wirst du mit diesem Text nun wohl nicht mehr gewinnen. Aber darum geht’s ja auch nicht. Die Cheffe wartet auf dein Werk, manchmal kann sie noch etwas richten. Wenn nicht, gibt es bei der nächsten Blattkritik diesmal eben ein paar Zeilen mehr, die du dir hinter die Ohren schreiben kannst. Dank denen wirst du die nächste Blockade dafür aber schneller überstehen.

Flache Hierarchien in der Leistungsgesellschaft, mehr Basisdemokratie dank Web 2.0 – als Text-Themen funktionieren unkonventionelle Organisationsprinzipien wunderbar. Aber als Vorbild für die eigene Redaktion? Kaum empfehlenswert. Wenn 20 Redakteure einen Artikel in die Mangel nehmen, ist das, wie wenn die gesamte Küchencrew an einer Suppe würzt: Zeitund Energieverschwendung. So wie der Gast auf sein Essen wartet, will der Leser seine Zeitung lesen. Deshalb gibt es den Posten des Küchenchef, oder in diesem Fall den des Chefredakteur: Er hat das letzte Wort und ist der einzige, der dir in die Suppe spucken darf. Basta.

Du sollst nicht lügen

Speichern ist die Mutter der Porzellankiste

Viele DJs klagen ein großes Leid: Es gibt immer Partybesucher die meinen, dass sie bessere Musikideen haben. Viele Redakteure klagen ein großes Leid: Es gibt immer Redakteure die meinen, dass sie die besseren DJs sind. Das führt zu folgendem Szenario: Noch keine einzige Seite ist gesetzt und morgen soll das Ding in den Druck. Die Stimmung ist angespannt, weil der Layouter nicht so will wie der Chef oder anders herum. Ein kluger Kopf in der Redaktion kommt natürlich dann auf die Idee, doch mal schnell sein Lieblingsalbum von einer Punk/Rock/ House (entsprechendes ankreuzen) anzumachen, weil er „so besser arbeiten kann“. NEIN so etwas geht nicht. Entweder Kopfhörer oder (r) aus! Der Redaktionsraum ist keine Dorfdisko!

seitenplan ist kein spass „Cheffe, meinen Text musst du unbedingt lesen. Eine grandiose Story über unsere Essenszubereitungen!“ Wie oft kommen die Redakteure an und haben den besten Text den man je gelesen hat. Okay, der eigentliche Text wird nicht geliefert und der neue Text ist nun auch anstatt einer Seite, zwei Seiten lang. Genau wie in der Politik, will aber niemand über Kürzungen sprechen. Also was machen? Einen Seitenplan und dieser sollte wie ein Dogma eingehalten werden. Wenn jetzt jeder kommen würde… Seitenpläne sind keine unsinnige Erfindung, auch keine Einschränkung der journalistischen Freiheit, sondern einfach nur eine große Hilfe für die Chefredaktion und den Layouter und eigentlich jeden Schülerzeitungsbeteiligten. Wie der Seitenplan zu Stande kommt sollte jede Redaktion für sich entscheiden, wie damit umgegangen wird, ist dann ganz einfach: einhalten!

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worstcase: Schreibblockade

Hans-Christian Andersen, die Gebrüder Grimm und der ehemalige NEON-Redakteur Tom Kutter – was ist allen gemein? Sie haben uns schöne Märchen erzählt. Was ist dabei das Problem? Ein Journalist, der seine Geschichten erfindet, ist ein Lügner und kein romantischer Märchenerzähler. Per Definition geht es für uns darum, Informationen zu transportieren und eben die Öffentlichkeit zu informieren. Ein Exklusiv-Interview mit Albert Einstein, oder die Erlebnisreportage über die Begegnung mit dem Schul-Gespenst steigern vielleicht die Auflage. Dem Ruf deiner Zeitung und auch deiner Person schaden sie am Ende aber nur. Und das gewaltig.

Boah, was für eine geile Idee. Ja genau so schreib ich das, wow das geht ja wie ein heißes Messer durch die Butter – au ja das Gleichnis bring ich auch noch unter. Wunderbar schon fast den ganzen Text fertig! Zack, der Strom ist weg. Paul musste seinen alten Kaffeekocher anschließen. Mist, wann habe ich eigentlich das letzte mal gespeichert gehabt? Hatte ich überhaupt schon mal gespeichert? Verdammt, die Antwort lautet: nein. Immer daran denken zu speichern. Für Profis: am besten auch so dass man es wiederfindet. Das Vergessen vom Speichern der Texte ist einer der Gründe für einen der häufigsten Sätze in Redaktion: „Sorry Cheffe, Text kommt doch erst morgen!“ Nichts mit geschnittener Butter.

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schulleiter haben das recht den verkauf zu untersagen

Rebellion aus dem Dixi-Klo

Die Redakteure von „Sophies Unterwelt“ haben den Kampf für Pressefreiheit in Schülerzeitungen eröffnet. Ausgetragen ist er noch lange nicht. Von Christina Kufer Es war im Sommer 2005, als die Schülerzeitungsredakteure von „Sophies Unterwelt“ einen genialen Einfall hatten. Die dritte Ausgabe der Schülerzeitung kam frisch aus der Druckerei und musste an den Mann gebracht werden. Doch die Schulleiterin der katholischen Sophie-Barat-Schule, Schwester Podlesch, hatte den Verkauf des Blattes auf dem Schulgelände untersagt. Wo also hin mit den 400 Exemplaren und dem Verkaufsstand? „Wir haben ein blaues Dixiklo gemietet und vor der Schule als Verkaufsbude aufgestellt“, erzählt Nico Semsrott. Die vierhundert Exemplare von „Sophies Unterwelt“ waren innerhalb einer Stunde verkauft.

Foto: Josefine Fischer/jugendfotos.de

Schülerzeitungen aus dem Dixiklo

Nicos Bruder Arne ging als lebendiger Werbeträger durch die Gänge der Sophie-BaratSchule. Das war zuviel für Schulleiterin Podlesch. Sie habe ihm die Plakate eigenhändig vom Körper gerissen, erzählt der 24-jährige Nico Semsrott.

Mund zu oder raus bist du - Pressefreiheit ist an Schulen keine Selbstverständlichkeit.

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Wenn Schülerzeitungsredakteure unter sich sind und über Pressefreiheit diskutieren, kommt man um die Hamburger Macher von „Sophies Unterwelt“ und ihre Rebellion nicht herum. Fünf Jahre ist es mittlerweile her, dass sich die Redakteure gegen ihre katholische Privatschule auflehnten. Das Thema ist weiter

aktuell: überall werden Schülerzeitungen zensiert, Artikel gestrichen und Fotos verändert. „Sofies Unterwelt“ wird geboren

Eigentlich waren es anfangs Nico Semsrott und die anderen Redakteure der Schülerzeitung „Sophies Welt“, die zensieren wollten. Der Betreuungslehrer der Schülerzeitung „Sophies Welt“ wollte einen Text im Blatt haben, die Schüler nicht. Zu schlecht sei der Artikel, befanden die Redakteure. Doch der Lehrer setzte sich über die Köpfe der Schüler hinweg, der Text wurde gedruckt. Es kam zum Streit und zur Geburt von „Sophies Unterwelt“. Die jungen Redakteure beschlossen, fortan ohne Beratungslehrer weiter zu schreiben. Das werde Konsequenzen haben, warnte Schulleiterin Podlesch. Während des folgenden Jahres habe eine autoritäre, angsteinflößende Stimmung geherrscht, beschreibt der damalige Abiturient Nico Semsrott die Situation. „Das Schulumfeld war die absolute Hölle.“ Man drohte, stritt und rebellierte. Vor allem aber machte Schulleiterin Podlesch den Redakteuren die Arbeit schwer. Sie unterband die Redaktionskonferenz im Büro der Schülervertretung. „Wenn man es so will, war es eine Art Versammlungsverbot“, findet Nico Semsrott fünf Jahre später. Das geplante

Gespräch mit dem Architekten des Neubaus platzte – er hatte von der Schulleitung einen Maulkorb bekommen. Auch fünf Interviews mit Lehrern der Schule durften nicht gedruckt werden. Redaktionskonferenz in der Moorweide

Die Hamburger Schüler gaben nicht auf. Sie verlegten ihre Redaktionskonferenzen auf die Moorweide – und luden die Öffentlichkeit dazu ein. MDR und Süddeutsche Zeitung waren live dabei, als Nico und seine Freunde auf einer Wiese über die nächste Ausgabe debattierten. Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen. Die Macher von „Sophies Unterwelt“ starteten bald eine Petition im Netz. Dafür, dass die Privatschulfreiheit nicht so hoch angesiedelt sein darf wie die Pressefreiheit. Denn der Fall aus Hamburg ist deswegen so einzigartig, weil die Sophie-Barat-Schule eine katholische Privatschule ist. Hier stünden sich das Recht auf freie Religionsausübung und das Recht auf Pressefreiheit gegenüber, erläutert Nico Semsrott. Im Herbst 2005 kam der Hamburger Bildungsausschuss überein, dass der Staat den Privatschulen den Umgang mit Schülerzeitungen nicht vorschreiben dürfe. Da Schülerzeitungen Teil der Bildungspolitik sind und die Kultushoheit in Deutschland

bei den einzelnen Ländern liegt, variieren die gesetzlichen Regelungen. In Baden-Württemberg beispielsweise regelt eine Verwaltungsvorschrift, dass der Schulleiter auf Wunsch drei Tage vorm geplanten Erscheinungstermin die Schülerzeitung einsehen darf. Unter Umständen kann er dann die Verteilung auf dem Schulgelände unterbinden. Einschränkungen Trotz Pressegesetz

Im Berliner Schulgesetz hingegen unterliegen Schülerzeitungen dem Grundgesetz und dem Berliner Pressegesetz. Dennoch steht dem Schulleiter auch hier das Recht offen, den Verkauf auf dem Schulgelände zu untersagen. Seit knapp vier Jahren(?) gibt es auch in Bayern eine neue Regelung für Schülerzeitungen: Blattmacher haben in diesem Bundesland die Wahl, die Schülerzeitung vom Direktor oder eigenverantwortlich herausgeben zu lassen. Auch hier kann aber der Verkauf auf dem Schulgelände verboten werden. Nico Semsrott sieht das Kapitel „Sophies Unterwelt“ im Nachhinein als Erfolgsgeschichte. Die Zeit hat sein Bewusstsein geschärft, ihn sensibler gemacht für Pressefreiheit, Zensur und Autoritäten. Die Freude an gutem Journalismus hingegen hat er nicht verloren.

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Anlauf nehmen und abspringen

Die Bildersätze

An der Mosaikschule in Frankfurt machen behinderte Jugendliche eine Schülerzeitung. Statt Wörtern benutzen sie Bilder. Von Yin Tsan und Serdar Agit Boztemur

Gewinnen macht süchtig, findet Charlotte alder. Eine Glosse über Alphatiere und Endorphinjunkies.

Fragezeichen – Hand – Fragezeichen – zwei Männchen mit Partyhütchen. Kleine bunte Bilder aneinander gereiht. Manche sind gezeichnet, andere fotografiert. Eine ganze Seite, ein ganzes Heft ist voll davon. Die Symbole bilden Sätze und erzählen Geschichten. Es ist die Schülerzeitung der Mosaikschule in Frankfurt am Main. Viele der Schüler können nicht lesen. Zumindest keine Buchstaben. Die Mosaikschule ist eine Förderschule für behinderte Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 20 Jahren. Um eine Schülerzeitung zu machen, die alle 247 Schüler lesen können, hatten die Lehrerinnen vor drei Jahren eine Idee: Wenn sie nicht nur mit Buchstaben, sondern auch mit Symbolen Wörter und Sätze bilden, können alle die Zeitung verstehen. Unter den Symbolen steht das Wort – um die, die lesen können, auch zu fördern. Ein tauchendes Männchen steht für das Verb „tauchen.“ Frage zeichen – Hand – Fragezeichen - zwei Männchen mit Partyhütchen, das bedeutet: „Wie haben Sie das Schulfest organisiert?“ Barbara Kretz, Lehrerin an der Mosaikschule und Lei-

terin der Schülerzeitung, sagt: „Manche lesen die Texte und manche erkennen den Inhalt an den Bildern.“ Zusammen mit ihrer Kollegin Gabriele Johann und den Redakteuren hat sie bisher sechs Ausgaben herausgebracht. Jedes halbe Jahr eine. Der 19-jährige Islam Nur ist einer der acht Redakteure der Schülerzeitung „Mosaik.“ Islam wollte lieber schreiben als einen der Sport- oder Handarbeitskurse zu belegen, die an der Mosaikschule zum Wahlfachbereich gehören. „Mir macht es viel Spaß, Geschichten zu erzählen“, sagt Islam. Einmal in der Woche trifft er sich mit seinen Mitschülern und den beiden Lehrerinnen zur Redaktionskonferenz. Dort besprechen sie Themen und bereiten die Texte für die nächste Ausgabe vor. Mit Fotoapparat und Diktiergerät schwärmen die Redakteure dann aus. Sie berichten über Klassenfahrten, Unterrichtsprojekte und Fußball an der Schule. Auch die große Baustelle zur Erweiterung der Schule war Thema der letzten Ausgabe. „Das interessiert alle an unserer Schule,“ glaubt Islam. Die meisten Artikel wer-

den von den Redakteuren geschrieben, aber alle anderen Schüler können auch mitmachen. „So ist die Zeitung lebendig“, findet Islam. Das Schreiben funktioniert anders als bei anderen Zeitungen. Wenn man etwa Namen von Schülern in Buchstaben eintippt oder das Wort „Sonne“, erscheinen die zu den Wörtern vorher gespeicherten Bilder über der Schrift. Das Programm wird auch in anderen Schulfächern, in denen gelesen wird, benutzt. Mithilfe der Bilder und der Schrift erfassen die Schüler die Inhalte – unabhängig davon, wie gut sie lesen können. Daher kommen die meisten Schüler mit der Schreibweise in der Schülerzeitung gut zurecht. Bärbel Beuermann, Fraktionsvorsitzende der Linken im Düsseldorfer Landtag, hat selbst 15 Jahre an einer Förderschule gearbeitet. Sie sagt: „Schülerzeitungen gehören für mich unbedingt zum Schulleben dazu, egal an welcher Schule. Mit einer Schülerzeitung werden Kreativität, Wahrnehmung, Selbständigkeit und das Selbstwertgefühl von Schülern gefördert.“

Die Zeitung an der Mosaikschule bedeutet viel Arbeit. „Die Herausforderungen sind höher als an anderen Schulen, aber es klappt und macht allen Spaß“, sagt die Lehrerin Gabriele Johann. Oft muss sie den Schülern helfen: beim Tippen, bei Interviews, beim Fotografieren und vor allem bei der Organisation. Johann und ihre Kollegin Kratz wollen die Schüler bald noch mehr einbinden: Gerade suchen sie nach einem Layout-Programm, mit dem die Schüler ihre Zeitung auch selbst setzen können.

Yin Tsan 22 Jahre, Berlin studiert ab Oktober Südosteuropastudien und Kulturmanagement in Jena.

FruchtflEisch

„Ansehen“

Fotos: Julia Kneuse

Sozialromantische Spaßverderber könnten jetzt sagen, eine gerechte Gesellschaft, die sich dadurch auszeichnet, dass alle gleich sind. Natürlich. Sieht man schon in Orwells „Farm der Tiere“. Alle Tiere sind gleich. Aber manche sind gleicher.

Gewinnen ist einfach zu schön, um es anderen zu überlassen. Und Gewinnen macht süchtig, nicht nur in Las Vegas. Wer einmal das Gefühl hatte, eine Stufe zum Erfolg zu erklimmen, (ob diese Erfolgstreppe irgendwo ein Dachgeschoss erreicht, ist fraglich), möchte kaum stehenbleiben und überholt werden. Doch wer besonders hoch springt, kann auch besonders tief fallen. Die Alphatiere unter den Gewinnertypen durften das gerade in der Wirtschaftskrise erleben. Und dann ist die Schadenfreude aller Neider gewiss. Das mit dem Gewinnen ist schon so eine Sache. Aber der Mensch ist und bleibt ein Endorphinjunkie. Die Sicherheit, dass fast jeder Sieg auch zu Niederlagen führt, hemmt uns in unserem Ehrgeiz genauso

wenig, wie die durchaus berechtigte Angst vor Enttäuschung uns dauerhaft daran hindert, uns zu verlieben. Und darum werden wir es immer wieder tun: Anlauf nehmen, abspringen und nach dem immer gleichen Höhegefühl streben. In diesem Moment denkt ja ohnehin niemand an den Fall.

Charlotte Adler 17 Jahre, Hamburg würde gerne ein einziges mal im Memory gegen ein Kleinkind gewinnen.

In Berlin werden Deutschlands beste Schülerzeitungen ausgezeichnet. Von Christina Kufer

„Fairness“

Da, wo sonst Politiker sitzen, haben an diesem Vormittag Corinna und Larissa Platz genommen. Gespannt sitzen sie in den ledernen, schwarzen Drehstühlen des Bundesrates. Die beiden gehören keiner Partei an, vertreten kein Gremium. Corinna und Larissa nehmen für ihre Schülerzeitung „Mosaik“ einen Preis beim Schülerzeitungswettbewerb der Länder 2010 entgegen.

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22 Spieler sich als kuschelnde Hippiekommune auf den Rasen legten. Und bei 9live würde nachts um zwei auch niemand mehr anrufen, um ein Tier mit den Buchstaben „S“ und „F“ (zum Beispiel „Seelöfe“) ins Telefon zu krähen. Und was schließlich wären wir ohne Castingshows mit lächerlichen Kandidaten der Extraklasse, die es uns ermöglichen, uns so richtig intellektuell zu fühlen, auch wenn wir höchstens vor Jahren mal im Telefonbuch gelesen haben?

Aufregung im Bundesrat

Was bedeutet gewinn für dich? „Freude“

Gewinner sein, abspringen in die Höhe, eintauchen ins Glück und baden im Erfolg. Das Streben nach Ruhm und Erfolg ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit. Was früher der Krieg um die beste Tonhütte war, nennt man heutzutage wohl Ellenbogengesellschaft. Will nicht jeder überall der Beste und Schnellste sein? Nicht jeder nennt das Ganze lapidar Karriere, aber Erfolg macht bekanntlich sexy und der Loft in Berlin-Mitte ist schlicht cooler als die Zweiraumwohnung in Marzahn. Und darum wollen wir gewinnen, besser sein als andere. Eigentlich egal, ob Pulitzer-Preisträger oder DschungelcampGewinner – im Prinzip ist es das Gefühl, was zählt. Die anderen abzuhängen und Vollgas zu geben macht zwar einsam, aber besser einsam an der Spitze als einsam ganz am Ende, oder? Und mal ehrlich, eigentlich ist dieses Erfolgsstreben doch auch ganz unterhaltsam. Jedes Fußballspiel wäre zum Gähnen, wenn

Josy Musil-Gutsch, 18 Jahre, München

Yunus Arslan, 17 Jahre, Berlin-Neukölln

Mona Erck, 9 Jahre, Nördlingen

Ludwigsgymnasium München

Liebig-Schule

Grundschule Nördlingen Mitte

(Schülerzeitung Louis)

(Schülerzeitung NoName)

(Schülerzeitung Schnelle Zeile)

„Freude, die ich auch dann noch spüre,

„Selbst etwas erreichen und dadurch von

„Sich siegessicher zu fühlen, aber zu denen,

wenn ich abends müde im Bett liege.“

anderen höher angesehen werden.“

die nicht gewonnen haben, nicht unfair zu sein.“

Es herrscht eine geschäftige Atmosphäre im Plenarsaal des Bundesrates an diesem Freitag. Grundschüler rutschen aufgeregt auf ihren Sitzplätzen umher, manches Mädchen streicht ein letztes Mal seinen Rock glatt, bevor es auf die Bühne geht. In der vordersten Reihe gehen Chefs und Ressortleiter vieler deutscher Tages-

zeitungen ihre Laudationes durch, auf den hinteren Plätzen wird erwartungsvoll getuschelt. Auch Corinna und Larissa hat die Vorfreude ergriffen. Zwar wissen die Blattmacherinnen aus Würzburg bereits, dass sie in der Kategorie Realschule den ersten Platz gemacht haben, aber es bleibt ein feierlicher Moment. Wann schließlich bekommt man schon mal einen Preis im Bundesrat überreicht? Kurz bevor der Name ihrer Schülerzeitung aufgerufen wird, schießen Larissa viele Fragen durch den Kopf. „Was antworte ich auf die Fragen des Laudators? Wohin mit meinen Händen, wenn ich vor so vielen Menschen stehe?“

Als die beiden Realschülerinnen dann neben Dr. Klaus Rost, Chefredakteur der Märkischen Allgemeinen Zeitung stehen, merkt man ihnen die Aufregung nicht mehr an. Erleichtert nehmen Larissa und Corinna die Urkunde und die Blumen entgegen. Noch einmal lächeln für den Fotografen, dann ist der große Moment auch schon vorbei. Das Mosaik wurde besonders für seine ausgewogene Heftmelodie gelobt. „Da ist für jeden Geschmack etwas dabei“, erklärt der Laudator. Es gibt ernste Themen, aber auch Unterhaltsames. „Das hat den ersten Preis verdient.“

„Besonders die szenische Lesung fand ich toll“, erzählt Larissa später. Noch besser aber findet sie, dass ihre Schülerzeitung auf Bundesebene gewonnen hat: „Das ist schließlich nicht irgendein Wettbewerb.“ Was die Redaktion mit ihrem Preisgeld von 1000 Euro machen will, steht schon fest - investieren. „Die nächste Ausgabe soll noch besser werden!“ Und wer weiß, vielleicht sind die Blattmacher vom Mosaik beim nächsten Schülerzeitungswettbewerb in Berlin wieder dabei.

Larissa und Corinna können die restliche Preisverleihung entspannt genießen.

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Foto: eva pusteblume/jugendfotos.de

Ein Schüler der Mosaik Schule auf der Suche nach Bildern, die Geschichten erzählen.


f ri s c h , f ru c h ti g , s e l b s t g e p r e s s t - mitmache n @pol iti kora n ge.de

I MPRESS UM Diese Ausgabe von politikorange entstand auf der Preisveranstaltung des Schülerzeitungswettbewerbs der Länder 2010 vom 9. bis 11. Juni 2010, die von der Kultusministerkonferenz, der Jugendpresse Deutschland und dem Bundesrat veranstaltet wird. Herausgeber: Jugendpresse Deutschland e.V.

Als Veranstaltungszeitung, Magazin, Onlinedienst und Radioprogramm erreicht das Mediennetzwerk politikorange seine jungen Hörer und Leser. Krieg, Fortschritt, Kongresse, Partei- und Jugendmedientage – politikorange berichtet jung und frech zu Schwerpunkten und Veranstaltungen. Junge Autoren zeigen die große und die kleine Politik aus einer frischen, fruchtigen, anderen Perspektive.

Warum eigentlich politikorange?

politikorange – Das Multimedium

Wer macht politikorange?

politikorange wurde 2002 als Veranstaltungsmagazin ins Leben gerufen. Seit den Politiktagen gehören Kongresse, Festivals und Jugendmedienevents zum Print und OnlineProgramm. 2004 erschienen die ersten Themenmagazine: staeffi* und ortschritt*. Während der Jugendmedientage 2005 in Hamburg wurden erstmals Infos rund um die Veranstaltung live im Radio ausgestrahlt und eine 60-minütige Sendung produziert.

Junge Journalisten – sie recherchieren, berichten und kommentieren. Wer neugierig und engagiert in Richtung Journalismus gehen will, dem stehen hier alle Türen offen. Genauso willkommen sind begeisterte Knipser und kreative Köpfe fürs Layout. Den Rahmen für Organisation und Vertrieb stellt die Jugendpresse Deutschland. Ständig wechselnde Redaktionsteams sorgen dafür, dass politikorange immer frisch und fruchtig bleibt. Viele erfahrene Jungjournalisten der Jugendpresse stehen mit Rat und Tat zur Seite.

Wie komm’ ich da ran?

Gedruckte Ausgaben werden direkt auf Veranstaltungen, über die Landesverbände der Jugendpresse Deutschland und als Beilagen in Tageszeitungen verteilt. Radiosendungen strahlen wir mit wechselnden Sendepartnern aus. Auf www.politikorange.de berichten wir live von Kongressen und Großveranstaltungen. Dort stehen bereits über 50 politikorange-Ausgaben und unsere Radiosendungen im Archiv zum Download bereit.

In einer Gesellschaft, in der oft über das fehlende Engagement von Jugendlichen diskutiert wird, begeistern wir für eigenständiges Denken und Handeln. politikorange informiert über das Engagement anderer und motiviert zur Eigeninitiative. Und politikorange selbst ist Engagement – denn politikorange ist frisch, fruchtig und selbstgepresst.

Wer heiß aufs schreiben, fotografieren, mitschneiden ist, findet Infos zum Mitmachen und zu aktuellen Veranstaltungen unter www. politikorange.de oder schreibt einfach an mitmachen@politikorange.de. Die frischesten Mitmachmöglichkeiten landen dann direkt in Deinem Postfach.

Redaktion: politikorange – Netzwerk Demokratie offensive, c/o Jugendpresse Deutschland e.V., Wöhlertstraße 18, 10115 Berlin, www.jugendpresse.de Chefredaktion (V.i.S.d.P.): Steffi Hentschke (steffi.hentschke@googlemail.com), Leonie Seifert (leonie.seifert@googlemail.com) Redaktion: Charlotte Adler, Sabrina Balz, Serdar Agit Boztemur, Christina Kufer, Sabine Kurz, Cornelia Wippich, Yin Tsan Bildredaktion: Julia Kneuse (julia@kneuse.de), Marco Herzog, Layout: Mandy Jochmann (mandy@jmmv.de) Projektleitung: Andreas Weiland (a.weiland@ jugendpresse.de) Druck: BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH Auflage: 2.000 Exemplare Ein besonderer Dank für die Unterstützung: geht an die Kultusministerkonferenz, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, die Europäische Kommission Vertretung in Deutschland, die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung.

Mit Buntstift in die Recherche

Ein bisschen SpaSS muss sein: Die Redakteure des „Drachenblatt“ beim Zirkus-Workshop.

„Originalität und Leseanreiz“

Marco Heuer, 35, ist freier Journalist und unter anderem für den WDR und Radio Bremen tätig. Beim Schülerzeitungswettbewerb 2010 ist er der journalistische Berater der Jury. politikorange traf ihn bei der Preisverleihung im Bundesrat. Von Sabine Kurz Herr Heuer, sind die Siegerzeitungen perfekt? Mit dem Wort „perfekt“ gehe ich lieber vorsichtig um. Die Siegerzeitungen sind sehr gut, aber irgendwas kann man immer besser machen. War es denn leicht, die besten Schülerzeitungen zu finden? Nein, die Entscheidungen waren schwierig. Bei der einen Zeitung ist das Layout besser, bei der anderen die Texte. Und wenn man fünf Stunden Schülerzeitungen gelesen hat, bewertet man schon mal schlechter als zum Anfang des Tages. Das ist vielleicht nicht immer ganz fair, aber anders geht es leider nicht immer. Welche Fehler haben sie mehrmals gesehen? Viele Redakteure vermischen Meinung und Kommentar oder schreiben einfach zu lange Texte. Es gibt auch Zeitungen ohne Impressum. In manchen ist der redaktionelle Anteil nicht genug von der Werbung getrennt.

Foto: Julia Kneuse

Was ist der größte Unterschied zwischen einer richtigen Zeitung und einer Schülerzeitung? Die Sprache in den Artikeln. Man erlebt bei Schülerzeitungen oft, dass man da eine nette Geschichte liest, aber es fehlt einfach noch die Distanz zum Thema. Diesen Erfahrungswert kann man allerdings auch noch gar nicht erwarten. Bei einer richtigen Zeitung hat man ganz andere Möglichkeiten.

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Sabine Kurz 19 Jahre, mag Kommas und Klammern, studiert in Stirling und findet Auszeichnungen gar nicht so überflüssig.

Wenn Kinder Zeitung machen, geht es nicht darum, journalistische Kunststücke zu vollbringen. Sinnlos sind Grundschülerzeitungen deshalb längst nicht. Von CoNNY Wippich und Sabrina Balz Ganz aufgeregt erzählt Jessica von ihrem ersten Interview. Sie sprach mit jemanden der die Geschichte ihres Heimatdorfes Rottenburg erforschte. Jessica ist zehn Jahre alt und führte das Interview für ihre Schülerzeitung „Drachenblatt“. „Der war total nett“, erinnert sie sich. Zusammen mit ihren Mitschülern wurde Jessica für ihre Schülerzeitung mit dem 1. Preis in der Kategorie „Grundschule“ ausgezeichnet. Die Regeln des journalistischen Handwerks beherrschen die Viertklässler meist noch nicht und dass sie den Heimatforscher in die Mangel nehmen, ist eher unwahrscheinlich. Aber darum geht es beim „Drachenblatt“ auch nicht. Die verantwortlichen Lehrerinnen Petra Bürger und Edeltraud Raidt wollen, dass die Kinder in die Medienwelt einsteigen. Die Schule hat die Lokalzeitung im Abo, deren Artikel werden mit den Kindern regelmäßig ausgewertet. Überfordert würden die Schüler dabei jedoch nicht. „Die Themen und Texte werden im Unterricht oder anstelle von Hausaufgaben erarbeitet“, erklärt Petra Bürger. Die Grundschule des Journalimus

Wie sind Sie dazu gekommen, den Schülerzeitungswettbewerb als journalistischer Berater zu unterstützen? Ich kannte die Jugendpresse schon von anderen Projekten wie etwa der youth media convention. Deshalb hat man mich gefragt, ob ich mir eine Mitarbeit in der Jury vorstellen könnte. Wie läuft so eine Jurysitzung ab? Die Jury besteht zu etwa gleichen Teilen aus Vertretern der Länder und der Jugendpresse. Sie müssen die Schülerzeitungen nach verschiedenen Kriterien bewerten. Ich habe ihnen zum Beispiel gesagt, dass sie die Qualität der Recherche bewerten sollen. Vor allem habe ich mich aber mit der Auswahl für den Sonderpreis „Hintergrundrecherche“ beschäftigt. Gibt es Kriterien zur Bewertung, die Sie beim nächsten Mal dazu nehmen wollen? Ja: Originalität und Leseanreiz.

Das Ergebnis ist eine Zeitung, die so munter daher kommt wie ihre Macher: Statt Photoshop reichen Buntstifte um den Drachen für das Cover zu gestalten. Im Heft finden sich Ausflugsberichte, Lehrervorstellungen und Witze, illustriert und ergänzt durch selbst gemalte Bilder. Doch obwohl die Kinder beim Layout durch Schüler der Sekundarschule unterstützt werden: Für ihre Texte nutzen auch die Kleinen den PC. Jessica erzählt, sie würde lieber am Laptop ihres großen Bruders arbeiten, weil der flinker sei als der Rechner ihrer Eltern.. „Da gibt es ja auch ein Rechtschreibprogramm und meine Mama muss kaum noch korrigieren.“ Schwierigkeiten mit dem PC umzugehen hätte zumindest Jessica nicht. Schließlich gäbe dafür auch eine Computer AG an ihrer Schule. Ob neben dem technischen Wissen auch die schreiberischen Fähigkeiten ausgebaut würden, können die Lehrerinnen Müller und Raidt nicht sicher sagen. Aus einer Drei in Deutsch

eine Eins zu machen, stünde für sie auch nicht im Vordergrund. „Es ist beeindruckend, wie motiviert und kreativ die Kinder bei der Sache sind“, berichtet Edeltraud Raidt stolz. Dass die Grundschüler lernen, sich etwas zu zutrauen, Selbstbewusstsein aufzubauen, sei für die Lehrerinnen der entscheidende Lerneffekt beim Zeitungsmachen. Vom Spielplatz ins politische Theater

Die jungen Journalisten sind nur in Begleitung der Lehrerinnen zur Preisverleihung aus Baden-Wüttemberg nach Berlin in den Bundesrat gereist. Mamas oder Papas Hand brauchten sie nicht, um sich in das Abenteuer Großstadt zu stürzen. Jessica sagt, sie sei überwältigt von Berlin. Für sie und ihre Mitschüler ist eine wichtige Erfahrung, so früh selbstständig zu werden. Anstatt ihre Freizeit ausschließlich mit Freunden auf dem Spielplatz zu verbringen, engagieren sich die kleinen Redakteure. Lehrerin Edeltraut Raidt wünscht sich, dass die Kinder auch an weiterführenden Schulen zur Schülerzeitung gehen. Sie erzählt von einem ehemaligen Drachenblattler, der später eine eigene Schülerzeitung gegründet hätte. Ob dieser Schüler plant, das Schreiben zum Beruf zu machen, weiß sie nicht. „Aber es wäre natürlich schön, wenn zumindest ein paar Schüler später Journalisten würden.“ Über die berufliche Zukunft machen sich auch die aktuellen Redakteure vom Drachenblatt keine Gedanken. Jetzt heißt es erstmal: die Buntstifte für die nächste Ausgabe zu spitzen.

Sabine Kurz 18 Jahre, Zweibrücken schreibt für die SZ unszensiert und besucht die 12. Klasse.

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Die besten zum schluss

23 Zeitungen waren der jury eine auszeichnung wert. unsere besten seht ihr hier:

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