politikorange Götterspeise

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GÖTTERSPEISE JULI 2017

UNABHÄNGIGES MAGAZIN ZUM 14. JUGENDMEDIENWORKSHOP IM DEUTSCHEN BUNDESTAG, HERAUSGEGEBEN VON DER JUGENDPRESSE DEUTSCHLAND E.V.


Foto, Titelfoto: Johannes Kolb

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DEINE GANZ PERSÖNLICHE GÖTTERSPEISE

30 TEILNEHMENDE DES JUGENDMEDIENWORKSHOPS HABEN SICH AUF DIE SPUREN EINES SPANNENDEN PHÄNOMENS BEGEBEN: DEM GLAUBEN. DABEI SIND SIE AUF ANTWORTEN UND AUCH AUF NEUE FRAGEN GESTOSSEN. VON LAURA MEYER UND MAREK WALDE

GÖTTERSPEISE – FÜR MANCHE EIN LEIBGERICHT

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ie ist bunt und sie ist beliebt. Götterspeise weckt ganz unterschiedliche Assoziationen in unseren Köpfen. Mit der Religion verhält es sich ähnlich. ­Auch sie ist in den meisten Teilen der Erde beliebt. Allein in Deutschland gehören etwa 66 Prozent der Menschen, zumindest auf dem Papier, einer Glaubensgemeinschaft an. Doch das Thema Religion betrifft uns nicht nur hier in Deutschland. Es ist eine gewaltige, eine große Frage, die die Menschen schon seit Tausenden von Jahren beschäftigt. Auch wenn der Vergleich zunächst weit hergeholt wirken mag, gibt es zwischen Religion und Götterspeise mehr Gemeinsamkeiten, als sich auf den ersten Blick vermuten lässt. Götterspeise gibt es in mehreren Geschmacksrichtungen, von Himbeere bis Waldmeister. Bei der Religion reichen die „Sorten“ von „Judentum“ und „Islam“ bis hin zu Ersatzreligionen wie Fußball. Auch haben dieses Dessert und der Glaube nicht nur Freunde.

FRAGEN ÜBER FRAGEN Doch was haben wir mit Religion zu tun? Warum ist diese wichtig für uns? Müssen wir uns heutzutage überhaupt noch mit Religion auseinandersetzen oder ist sie out? All dies sind Fragen, die uns, dreißig Teilnehmende des Jugendmedienworkshops im Deutschen Bundestag, eine Woche lang beschäftigt haben. Welche Bedeutung hat Religion für einen jungen Menschen? Was ist eigentlich Religion? Für den einen Menschen

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Foto: Johannes Kolb

bedeutet Religion Hoffnung. Sie verheißt die Möglichkeit auf eine bessere Zukunft, auf Glück oder auch darauf, eine gute Zensur zu haben. Für andere Menschen ist Glaube blindes Vertrauen oder der Ausdruck religiöser Überzeugung. Es handelt sich hierbei um eine Frage, auf die man nicht beim ersten Überlegen eine Antwort findet und auf die es auch keine pauschale Antwort geben kann.

RELIGION LÄSST SICH NICHT DEFINIEREN Bei diesem Thema entstehen Gräben zwischen Menschen, doch gleichzeitig werden auch viele Gräben durch Religionen überwunden. Bei unseren Recherchen, Interviews und Gesprächen ist uns klargeworden, dass die Antworten auf die Frage, was Religion für die Menschen überhaupt bedeutet, unterschiedlicher kaum ausfallen könnten. Auf der einen Seite stehen die Menschen, für die Religion den Lebensmittelpunkt bildet. Sie richten ihr Leben nach Gott aus und verbringen oft viel Zeit in der Kirche, der Moschee, der Synagoge oder an einem anderen religiösen Treffpunkt einer Glaubensrichtung. Wieder andere Menschen leben atheistisch und glauben an keinen Gott. Diese Personen richten sich beispielsweise nur nach Fakten. Was sie sehen, was sie lesen, was sie erfahren. Das prägt ihr Leben. Diese Ausgabe des Lehrmagazins politikorange handelt von „Glaube“ und „Religion“, doch was verstehen wir eigentlich unter Religion, und was unter Glaube? Religion bedeutet für uns nicht nur Mono-

theismus, Polytheismus oder Atheismus, sondern auch Pantheismus. Religion lässt sich nicht definieren, sie ist für jeden einzelnen Menschen mit seiner oder ihrer eigenen Identität eine eigene, vor allem persönliche Entscheidung. Glaube wiederum bedeutet für uns an etwas zu glauben. Sei es an einen, oder mehrere Götter, an den Fußball oder an etwas ganz Anderes. Auch hier entscheidet jeder Mensch für sich selbst und definiert den Begriff des Glaubens anders. Am Ende des Workshops können wir sagen: Wir wollen uns nicht anmaßen, über die Religion anderer zu urteilen oder jemandem Glauben schmackhaft zu machen. Deine Religion ist genau deshalb deine ganz persönliche Götterspeise. Du allein entscheidest darüber, was dir schmeckt und was du willst.

EDI TOR I A L Liebe Leserinnen und Leser, 500 Jahre ist es her, seit Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg angeschlagen haben soll. Ein halbes Jahrtausend hatten die Religionsgemeinschaften seitdem Zeit, ihre Glaubensgrundsätze dem aktuellen Zeitgeist und den Bedürfnissen der Menschen anzupassen, so wie Luther es damals versucht hat. Das haben die meisten Religionen auch in Angriff genommen – mehr oder weniger erfolgreich. 30 Nachwuchsjournalistinnen und Nachwuchsjournalisten haben sich Anfang März 2017 beim Jugendmedienworkshop im Deutschen Bundestag in der Hauptstadt damit beschäftigt, welchen Stellenwert Religion und Glaube heute noch für junge Menschen haben. Ihr Weg durch Berlin zur Beantwortung dieser Fragen führte sie in den Bundestag, in verschiedene Hauptstadtredaktionen und zu Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern, die die Texte in dieser Ausgabe der politikorange mit Leben füllen. Herausgekommen ist eine Mischung aus verschiedenen „Zutaten“, die für den Glauben in der Gesellschaft wichtig sind – kurz gesagt eine journalistisch vielfältige „Götterspeise“. Bei ihren Recherchen ist die Redaktion immer wieder auf neue Begriffe rund um die Themen Glaube und Religion gestoßen. Was sie bedeuten, erfahrt ihr im Glossar auf Seite 30. Wir wünschen euch einen guten LeseHunger! Vanessa Reiber, Julia Fedlmeier, Leonie Schlick und Tristan Reitter (Chefredaktion und Redaktionsleitung)

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Privatsache Johannes Singhammer, Vizepräsident des Deutschen Bundestags, spricht über Religion. Seite 10

Humor Mit witzigen Videos wollen die Datteltäter Mauern in den Köpfen einreißen. Seite 13

Fußballgott Laura Meyer 17, Saarbrücken Marek Walde 16, Coesfeld-Lette … finden, dass das Thema zu komplex ist, um es in nur einem Heft zu bearbeiten.

Über himmlisches Wetter und teuflische Spieler und Spielerinnen auf dem Rasen. Seite 21


LUTHERJAHR IST NICHT GLEICH JA ZU LUTHER

VOR 500 JAHREN VERÖFFENTLICHT MARTIN LUTHER 95 THESEN. DIE REFORMATION BEGINNT. EIN JAHR SPÄTER DER KETZERPROZESS, IRGENDWANN HETZT LUTHER SELBST. DELIA KORNELSENS VERSUCH, DIESEN WEG ZU VERSTEHEN.

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ie „Bibel-Thesen-Propaganda“-Ausstellung, die von Februar bis Mai in der Staatsbibliothek zu Berlin zu sehen war, zeigt Luthers Reformschriften, Bibelübersetzungen und Comics für Kinder, in denen der Reformator heroisch den Betrug der großen Kirchen aufdeckt. Erst auf den zweiten Blick lässt sich ein Propagandablatt entdecken, in dem ein Türke und der Papst als Reptilien dargestellt werden – und irgendwo ziert der Titel „Von den Juden und ihren Lügen“ ein kleines Büchlein. Autor: Martin Luther. Dass Luther es neben verschiedensten Menschengruppen wie Frauen, Landwirtschaftbetreibenden und Autoritäten, besonders auf das Judentum abgesehen hat, ist kein Geheimnis. Was dennoch merkwürdig erscheint, ist sein Kurswechsel hin zur Ablehnung der Menschen jüdischen Glaubens. „Der Wandel fand auf erschreckende Weise statt“, stellt Martin Germer, evangelischer Pfarrer der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche fest. Notfallseelsorger Justus Münster stimmt ihm zu: „Luther war zu Beginn durchaus offen gegenüber dem Judentum.“

Mission „Missionierung“ bleibt erfolglos. Luthers Bedeutung für den evangelischen Glauben ist unbestreitbar, selbst nach einem halben Jahrtausend lassen sich seine Gedanken auf das Leben im 21. Jahrhundert übertragen. „Auch heute stellen wir uns die Frage, wie wir angenommen werden und uns Liebe verdienen können, sei es von Gott oder anderen Menschen“, sagt Pfarrer Germer. Nach wie vor gelte aber der revolutionäre Gedanke Luthers.

ANTISEMIT ODER KEIN ANTISEMIT? Dennoch sagt Staatsbibliothekar Wittenberg, dass Luther weder ein Idol noch ein Heiliger gewesen sei, sondern „schlicht ein Mensch, der sich fatal irren konnte“. War Luther also ein Antisemit? „Betrachtet man die Schriften aus heutiger Sicht eins zu eins, dann ja“, sagt Münster. Es sei jedoch zu bedenken, dass der Begriff „Antisemitismus“ im 19. Jahrhundert entstand und auf die Vorstellung zurückgeht, dass Jüdinnen und Juden eine eigene Rasse darstellten. Das Denken in „Rassen“ war 1540 noch fremd. Luthers religiös geprägter Antijudaismus kann also als Vorform des Antisemitismus gesehen werden. Dennoch wurden und werden seine Schriften seither genutzt, um antisemitische Theorien zu stützen. Auch Ideologinnen und Ideologen des Nationalsozialismus benutzten Aussagen des Reformators, wie „Man sollte ihre Synagogen und Schulen mit Feuer anstecken“, um ihre Gräueltaten zu legitimieren.

WENN HOFFNUNG IN HASS UMSCHLÄGT Ungefähr um 1525 fordert Luther noch die bedingungslose Duldung von Jüdinnen und Juden. Damit stellt er sich einmal mehr den Bischöfen seiner Zeit in den Weg. Eine scheinbare Geste der Weltoffenheit erweist sich jedoch vielmehr als Versuch des Theologieprofessors Luther, Jüdinnen und Juden zu bekehren. Ihm habe ihre Konversion zum Christentum, sein Christentum, am Herzen gelegen, wie Andreas Wittenberg, Bibliothekar in der Staatsbibliothek Berlin, erläutert. Luthers letzte Reise, rund zwanzig Jahre später, führte ihn zurück in seine Heimatstadt Eisleben. Unter anderem wollte er den Mansfelder Grafen seine Maßnahmen für die Ausgrenzung des Judentums nahelegen. Mittlerweile sieht er in Personen jüdischen Glaubens Feinde, eine Gefahr für das christliche Zusammenleben. Die Umstände seiner Zeit: Die jüdische Bevölkerung im deutschen Raum wächst, da sie in anderen Ländern vertrieben wird. Ihre Verfolgung wird durch die Kirche gerechtfertigt, sie gilt als Strafe Gottes für die Kreuzigung Christi, die den Jüdinnen und Juden angelastet wird. Auch in Deutschland werden ihnen Rechte und Ansprüche verwehrt, sie leben isoliert von den christlichen Einwohnerinnen und Einwohnern. Dieser Antijudaismus (siehe Glossar Seite 30), der ohnehin schon im Christentum verbreitet ist, erreicht durch den

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DER UMGANG MIT LUTHERS SCHWIERIGEM ERBE Germer hält an dieser Stelle eine Reflexion im Glauben für wichtig. Mit einigen Kirchengästen führte er vor Kurzem eine Gesprächsrunde über Luthers „dunkle Seite“. Interesse bestehe, die Menschen würden verstehen wollen und würden sich von diesem Weltbild distanzieren. Heute sei ein Ziel der evangelischen Kirche, unterschiedliche Menschen zusammenzuführen, statt sie gegeneinander aufzubringen. „Das hätte sich Luther niemals träumen lassen“, sagt Germer.

IMPOSANT: DAS LUTHERDENKMAL VOR DER BERLINER ST. MARIENKIRCHE

Foto: Johannes Kolb

Buchdruck eine breitere Masse. Luther – obwohl Luther kaum persönliche Beist empört darüber, dass Anhängerinnen gegnungen mit Jüdinnen und Juden hatund Anhänger des Judentums trotz der te – und die Angst vor ihnen zu seinem Reformation an ihrer Religion festhalten. Repertoire an Gründen gegen die ReliDaneben könnten schlechte Erfahrungen gionsgemeinschaft gezählt werden. Die

Delia Kornelsen 18, Bielefeld ... möchte auch noch in 500 Jahren gefeiert werden, gefällt These Nr. 95, Antisemitismus aber gar nicht.


WIE EINE WG DER RELIGIONEN

AN EINEM WELTWEIT EINZIGARTIGEN PROJEKT WIRD DERZEIT IN BERLIN GEARBEITET. DAS „HOUSE OF ONE“ SOLL SPÄTER EIN ORT FÜR ALLE DREI GROSSEN MONOTHEISTISCHEN RELIGIONEN SEIN. THERESA MÜLLER BERICHTET ÜBER DEN AUSTAUSCH ZWISCHEN MENSCHEN UNTERSCHIEDLICHEN GLAUBENS.

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in Platz, der gleichzeitig Traditionen wahrt und neue Orte der Begegnung schafft, ohne die eigene Religion aufgeben zu müssen, klingt nach einer Herausforderung. Als 2008 das Gelände am Berliner Petriplatz von der evangelischen Kirche neu gestaltet werden sollte, entschied diese sich gegen einen Wiederaufbau der Ruine der Petrikirche. Die Gemeinde wollte etwas Zeitgemäßes schaffen. Pfarrer Gregor Hohberg fasste den Entschluss, an diesem Ort ein Gebets- und Lehrhaus ins Leben zu rufen. Gemeinsam mit Imam Kadir Sanci und Rabbiner Tovia Ben-Chorin startete er das Projekt „House of One“. Für Sanci ist das Projekt „nicht nur eine Aufgabe, sondern eine Leidenschaft“. Im Zentrum des Hauses soll ein zentraler Begegnungsraum gestaltet werden. Dieser hat das Ziel, dass ihn jede Besucherin und jeder Besucher durchqueren muss, um in die jeweiligen Gebetsräume der drei großen monotheistischen Weltreligionen zu gelangen. Der „süße Zwang“, wie ihn der Imam nennt, soll aus Fremden Freundinnen und Freunde machen und eine neue Form des Austauschs ermöglichen. „In diesem Dialog soll man die anderen Religionen verstehen lernen, Hemmschwellen abbauen, aber auch kontrovers diskutieren können“, so Sanci.

richtungen und auch Atheistinnen und Atheisten anspreche und gegen religiöse Abschottung wirke. Ein Großteil der Gelder für den 41,5 ­Millionen Euro teuren Bau bezieht die Stiftung des „House of One“ aus Spenden, die aus der ganzen Welt eintreffen. Dadurch entstehe eine Institution von allen für alle, so das Ziel. Deswegen wurde der englische Name „House of One“ gewählt. Der Baubeginn ist für 2019 angesetzt. Der leitende Sprecher der Senatsverwaltung für Kultur und Europa in Berlin sagt, dass die Konzeption dazu geeignet sei „ein weltweites Vorbild für ein tolerantes und friedliches Miteinander der Religionen in einer pluralen Stadt zu werden und ein Symbol für den interreligiösen Dialog darstellen kann“. NOCH EINE BAUSTELLE: 2018 SOLL HIER DAS HOUSE OF ONE ERÖFFNEN

Foto: Johannes Kolb

Er vergleicht das Haus mit einer WG, in SPENDEN AUS DER der jeder „Bewohner“ und jede „Bewoh- GANZEN WELT Die Onlineplattform „3ALOG“, die sich nerin“ ein eigenes Zimmer habe, aber die Küche ein zentraler Raum des Austauschs seit Jahren mit der Beantwortung religisei. Die universellen Werte der Charta, öser Fragen auseinandersetzt, unterstützt also der „Hausordnung“ des „House of das Projekt als Partner. Florian Volm von One“, würden von allen drei Religionen „3ALOG“ betont die Einmaligkeit des Proanerkannt. Gleichberechtigung, Gewalt- jektes und die Bedeutung des interrelilosigkeit und Respekt stehen im Vorder- giösen Austausches für die Gesellschaft. Er hoffe, dass das Projekt alle Glaubensgrund.

Theresa Müller 18, Oberheimbach … sieht den interreligiösen Dialog als Chance für mehr Toleranz.

FRUCHTFLEISCH GLAUBEN SIE AN DAS LEBEN NACH DEM TOD?

Fotos: Johannes Kolb

DESTINATION PARADIES

ISMAT, 58 ICH BIN MUSLIM. NACH MEINEM TOD ENTSCHEIDET ALLAH, OB ICH MIT DER SÜNDE IN DIE HÖLLE ODER MIT DER MENSCHLICHKEIT IN DAS PARADIES GEHE.

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PRIORITÄT AUF LEBEN

MARKUS, 52 ICH GLAUBE, DASS ES SCHON SCHWIERIG GENUG IST, DAS LEBEN VOR DEM TOD SO ZU GESTALTEN, DASS MAN ES LEBEN NENNEN KANN. WAS DANACH KOMMT, DARÜBER HABE ICH MIR, EHRLICH GESAGT, NOCH NIE GEDANKEN GEMACHT. ICH SETZE DIE PRIORITÄT AUF DIESES LEBEN.

DIE SEELE BLEIBT

JOSEPHINE, 17 ICH GLAUBE NICHT DARAN, DASS MAN ALS TIER ODER ÄHNLICHES WIEDERGEBOREN WIRD, ABER, DASS MAN AUF JEDEN FALL NOCH EXISTIERT. ICH DENKE, DASS MAN DANN NICHT MEHR ALS KÖRPER EXISTIERT, ABER DIE SEELE IM RAUM BLEIBT.


AUF DER SUCHE NACH NÄCHSTENLIEBE IN BERLIN TREFFEN LINDA GÖTTNER UND MAREIKE DIERKES AUF EINEN AUSSERGEWÖHNLICHEN ORT DER BEGEGNUNG. IN EINER WG IN DER NAUNYNSTRASSE WERDEN BARMHERZIGKEIT UND EMPATHIE GELEBT.

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itten in Kreuzberg über einer Kneipe bietet sich in dem fahlen Licht eines Altbaus Einblick in ein alternatives Wohnkonzept. An der Wohnungstür im zweiten Stock wartet eine zierliche, grauhaarige Frau namens Iris Weiss, die Kaffee im bunt gestrichenen Wohnzimmer mit einem alten Kachelofen bereitgestellt hat. In einem Sammelsurium verschiedener Möbelstücke und Stilrichtungen finden sich Relikte aus vergangenen Zeiten. Als Ansprechpartnerin der WG öffnet Iris Weiss jedem Menschen die Tür, der sich in einer Notsituation befindet, ein Dach über dem Kopf sucht oder einfach jemanden zum Reden braucht. Die Klientel ist dabei ganz unterschiedlich: von psychisch angeschlagenen Personen über Geflüchtete bis hin zu gut situierten Berlinern und Berlinerinnen – jeder ist willkommen. „Dies ist ein offener Ort, wo wir Gastfreundschaft leben“, sagt sie mit ruhiger, aber klarer Stimme.

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Diese Gastfreundschaft könne jede oder jeder empfangen, ohne etwas mitzubringen. Für Weiss sei die Gesellschaft geprägt von hohen Erwartungen und Ansprüchen, die in der WG vor der Tür bleiben sollen. Hierher kämen Menschen, wie sie seien, ob mit schwerem Gepäck oder nur auf der Suche, darunter Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Glaubens.

MIT OFFENEN AUGEN DURCH DIE WELT GEHEN In Kreuzberg erfährt das Projekt großen Zuspruch von unterschiedlichen Seiten: Beispielsweise habe eine Frau vor kurzem 14 Paar nagelneue Markenturnschuhe vorbeigebracht und einigen ärmeren Gästen der WG zur Verfügung gestellt. „So etwas sind Glücksmomente, bei denen ich weiß, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin“, sagt

Foto: Johannes Kolb

„ICH WOLLTE NUR MENSCH SEIN“

Weiss. Die Wohngemeinschaft sei ein klärt er, dass dieses Haus einst die ReGeben und Nehmen, niemand werde sidenz des Industriellen Friedrich Krupp hier vergessen. An der Wand sticht eine im Zweiten Weltkrieg gewesen sei. Collage verstorbener Bewohner, Bewohnerinnen, Freunde und Freundinnen der MENSCHEN AUS SIEBZIG Gemeinschaft ins Auge. VERSCHIEDENEN LÄNDERN Der Jesuit Christian Herwartz, der vor 40 Jahren die WG gründete, spricht Materialismus sei für ihn unbedeutend. mit ähnlich bedächtiger Stimme über „Man muss über die Grenzen gehen, zu die Besonderheit der einfach lebenden denen, die nicht gesehen werden“, sagt Gemeinschaft der Naunynstraße: „Näch- Herwartz. Er betont mit einer Ernsthaftigkeit in der Stimme, aber auch mit strahstenliebe ist Menschwerden.“ Für ihn lenden Augen, dass es ihm egal sei, welbedeute dies, immer offen für andere zu bleiben. Nach seinem Auszug im che Lebensgeschichte Notleidende oder Suchende haben. So lange in der KomJahre 2016 reiste er viel und besuchte die Menschen, die ihn und sein Projekt mune eine Matratze frei sei, werde jedem unterstützten. Heute lebt er in einer Je- Menschen dort Heimat geboten, egal ob suitenkommunität im Bezirk Tiergarten ehemaligen Häftlingen, papierlosen oder zwischen hochgesicherten Botschaftsge- obdachlosen Personen. Nur eine Frage bäuden und nagelneuen weißen Appar- werde nie gefragt: „Woher kommst du?“ Regeln gibt es in der WG aber dentementhäusern, die hinter hohen Hecken hervorragen. Auf dem Weg in sein eher noch. Auf einem selbst gestalteten Plakat spartanisch eingerichtetes Zimmer er- an der Wand stehen die Bedingungen:


Gewaltlosigkeit, Gleichberechtigung, To- Wohnzimmers mit einem selbstgemalten Rande der Gesellschaft leben würden. leranz und Solidarität. In verschiedenen Bauernhof. Jahrelang habe sie sehnlich Jedes Exerzitium bringe unterschiedliche Sprachen unterzeichnet, verdeutlicht das von einem eigenen Bauernhof geträumt, Antworten hervor, da jede und jeder mit die Internationalität der WG. Christian auf dem sie mit ihrem Mann und Kindern einer anderen Sehnsucht unterwegs sei. Herwartz hat bisher Personen aus siebzig Solche träumerischen Erzählungen leben könnte. „Ihre Sehnsucht hat sich verschiedenen Ländern empfangen. erfüllt“, sagt Weiss mit einem Lächeln im erwecken das Bild von einer guten Welt. Auch Religiosität ist Teil der Nau- Gesicht. An das Gute im Menschen glaube der nyn-WG: an den Wänden hängen unterPater ohnehin. Dafür müsse man offenschiedlichste Jesusbilder. Aufgrund der „JESUS ‚GUTEN TAG‘ SAGEN“ bleiben und Grenzen einreißen. Für die Gründung durch drei Jesuitenbrüder folgt „unmenschliche ‚Ist-mir-egal‘-Stimmung“ die Wohngemeinschaft einem religiösen Herwartz, der ein großes Dornbusch- in Deutschland habe er kein Verständnis. Ursprung und wird auch weiterhin von Tattoo trägt, erscheint nicht wie ein ty- „Mauern sind das Gegenteil von dem, was pischer Geistlicher. Seine großen Hände den Jesuiten finanziert. Katholizismus ich mir wünsche“, sagt der 73-Jährige im ist aber nicht zentral. Vielmehr treffen scheinen für handfeste Arbeit gemacht Hinblick auf die aktuelle Flüchtlingssituzu sein. Genauso stark betont er Eigen- ation. Wenn man sich engagiere, müsse unterschiedliche Glaubensrichtungen wie Christentum, Judentum und Buddhismus ständigkeit in der Religion, auch wenn man auf die Barrikaden gehen. aufeinander. Nach dem wöchentlichen diese manchmal Konflikte hervorrufe. Es Die ständig wechselnden Personen Samstagsfrühstück können alle Bewoh- sei zwar schwierig für viele, über eigene der Naunynstraße sowie Christian Herner und Bewohnerinnen, die möchten, Konflikte zu reden, aber dies gehöre zum wartz und auch Iris Weiss wählten in an einem Gottesdienst teilnehmen. Kon- Menschwerden dazu und sei essenziell ihrem Leben nie den einfachen Weg und forme Religiosität ist aber weniger von für die Bewohner und Bewohnerinnen wollen für jene da sein, die ausgestoßen Bedeutung als die Entdeckung der ei- der Naunyn-WG. Gemeinsam mit die- sind. Es geht um „die, die nicht gesehen genen Sehnsucht und die Erfüllung des ser veranstaltet er einmal im Monat ein werden“. Erst in der Interaktion mit anLebens. Weiss erzählt gerührt eine Ge- Straßenexerzitium, eine geistliche Übung, deren und vor allem fremden Menschen schichte von einer ehemaligen Mitbewoh- am Gendarmenmarkt. Als Christ glaube lerne man sich selbst kennen: „Man nerin. Sie verewigte sich an der Wand des er, dass Jesus unter denen sei, die am muss sich nur trauen, jemandem ent-

gegenzugehen und Freude am anderen finden. Ein kaltes Herz möchte ich nicht haben“, so Herwartz. Nächstenliebe existiere zwar in der Gesellschaft, werde aber zu wenig gewürdigt, sagt er. Dem Wunsch nach Begegnung bleiben die WG und Herwartz auch weiterhin treu und inspirieren auch ihr Umfeld. Nicht umsonst folgen seit 40 Jahren Menschen der Idee der Kreuzberggemeinschaft.

Linda Göttner 20, Hamm Mareike Dierkes 17, Warburg … fanden den brennenden Dornbusch in Berlin.

„EIN PRINZIP, DAS UNSERE WELT BESSER MACHT“

LEHRREDAKTIONEN VON POLITIKORANGE BIETEN NICHT NUR MÖGLICHKEITEN, DAS JOURNALISTISCHE SCHREIBEN AUSZUPROBIEREN. UNSER REPORTER JAWAD AHMAD DAUDZAI IST MIT DEM MIKROFON LOSGEZOGEN UND HAT DIE MENSCHEN IN BERLIN NACH NÄCHSTENLIEBE IM ALLTAG BEFRAGT. WELCHE SPANNENDEN ANTWORTEN ER BEKOMMEN HAT, KÖNNT IHR EUCH AUF UNSEREM BLOG ANHÖREN ...

https://jpd.li/jmws17-1

Jawad Ahmad Dauadzai 17, Fulda … hat zum ersten Mal eine Umfrage gemacht.

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GLAUBE IN OR OUT?

INTERESSIEREN SICH JUGENDLICHE NOCH FÜR DEN CHRISTLICHEN GLAUBEN? IST KIRCHE NOCH AKTUELL? MIRIAM ORTNER UND EVELINE LEIER KOMMENTIEREN, OB IN DER GENERATION SNAPCHAT ÜBERHAUPT NOCH PLATZ FÜR RELIGIOSITÄT IST.

onntägliche Kirchen- schieht das immer öfter außerhalb der „GLAUBE HAT DIE FUNKTION, WERTORIENTIERUNG ZU GEbesuche sind nicht Kirche. Glaube werde von Jugendlichen mehr selbstverständlich, mehr denn je nur noch im privaten Be- BEN“ Bibeln verstauben in den reich ausgelebt und auch immer weniger Bücherregalen und an zum Gesprächsthema gemacht – das er- Zahlreiche Einrichtungen wie beispielsOstern wird nur noch der gab 2016 eine Studie des Sinus-Instituts. weise jene der Caritas, in denen JuOsterhase gefeiert. ,,Es Zudem würden Jugendliche zunehmend gendarbeit geleistet wird, brauchen die Unterstützung von Seiten der Politik. Es hat ein Traditionswech- religiöse Rituale ablehnen. Bindungen sel stattgefunden, die an Glaubensgemeinschaften würden in wird zwar nicht über das Desinteresse an kirchlichen Einrichtungen und steigende wenigsten werden zum den Hintergrund rücken. Dabei war eine Glauben gedrängt. Es kirchliche Institution eine der Auftragge- Zahlen von Kirchenaustritten debattiert, gibt viel mehr Freiraum berinnen der Studie: der Bund der Deut- aber Religion ist trotzdem Thema im Bunzu wählen“, sagt der schen Katholischen Jugend (BDKJ). Ziel destag. Der Vorsitzende des Auschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Religionswissenschaft- sei es gewesen, herauszufinden, welche Paul Lehrieder (CDU/CSU), sagt: „Glaube ler Fatih Demircan, der Themen Jugendliche interessieren, um so darf nicht in den privaten Bereich verbei der Bundeszentrale die Angebote zu optimieren. bannt werden.“ Auch sein Kollege Peter für politische Bildung Meiwald von der Fraktion Bündnis 90/ arbeitet. Jugendliche „NATÜRLICH MUSS KIRCHE ETDie Grünen, der lange Zeit christliche können also entschei- WAS ÄNDERN“ Jugendarbeit geleistet hat, findet, dass den, ob sie den Gottesdienst besuchen oder Der evangelische Pfarrer Jürgen Quandt Kirche „mitten ins Leben gehen“ sollte. sich nach christlichen erkannte schon in den Siebzigerjahren, Zwar sollten die Politikerinnen und Politiker ihre Bibeln nicht in den Plenarsaal Ritualen richten wollen. dass die kirchliche Jugendarbeit einen mitbringen, trotzdem sei Glaube nach Meist entscheiden sie Wandel braucht. So setzte er in seinem sich dagegen. Seit Jahren Pfarrbezirk in Gropius-Stadt, einem Orts- wie vor in der Gesellschaft verankert und teil von Berlin-Neukölln, mehrere neue viele seiner Kolleginnen und Kollegen scheint in Deutschland das Interesse von Teena- Konzepte um und versuchte, so mehr hielten es für wichtig, christliche, wertgern an Religion zu sin- Jugendliche zu erreichen. Beispielsweise orientierte Einrichtungen zu unterstützen. baute er einen Spielplatz und eröffnete „Kirche muss offen und frei sein“, ken. Einer Umfrage des Markforschungsinstituts einen Jugendkeller, um einen Treffpunkt wünschen sich viele junge Menschen YouGov zufolge befür- für die dort lebenden Kinder und Jugend- aus dem Jugendkeller. Mit dem durch worten mehr als zwei lichen zu schaffen. Seiner Meinung nach die Sinus-Studie neu erworbenen Wissollte Kirche sich mehr mit gesellschafts- sen möchte der Bund der Deutschen Drittel der Deutschen die Abschaffung des Religi- politischen Themen auseinandersetzen Katholischen Jugend nun vermehrt auf onsunterrichts. In Berlin und durch ihre Angebote Gemeinschaft junge Leute zugehen und sich in den schaffen und stärken. Diese Idee setzt „Mittelpunkt der Gesellschaft“ begeben. wurde der verpflichtende So möchte der Verband seine Offenheit Religionsunterricht aus auch der passionierte Pfarrer Michael den Stundenplänen ge- Reinke mit seinen Jugendlichen während zum Ausdruck bringen. Dieses Umdenstrichen und stattdessen und nach der Konfirmationszeit um. Zu- ken scheint teilweise sogar schon bei den ein verpflichtendes Al- sammen mit jungen Teamern und Tea- Jugendlichen angekommen zu sein. Ein merinnen, die früher den Konfirmations- regelmäßiger Besucher des Jugendkellers ternativangebot in Form ist optimistisch: „Die Kirche ist auf einem von Ethikunterricht ein- unterricht besucht haben und nun eine geführt. Die Landesregie- begleitende Rolle für die Jüngeren ein- guten Weg“. rung begründet dies da- nehmen, unterstützt er die Konfirmanmit, dass angesichts der dinnen und Konfirmanden auf dem Weg kulturellen Vielfalt der ins Erwachsenenalter. Nach der KonfirMetropole ein gemein- mationszeit bietet der Jugendkeller von sames ethisches Funda- Pfarrer Reinke den Jugendlichen in erster ment gelegt werden solle. Linie einen Treffpunkt und Raum, um über Glaube und gesellschaftspolitische Themen zu diskutieren. Im Mittelpunkt GLAUBEN stehe auch die Persönlichkeitsbildung. DEUTSCHLANDS Dabei sei es den Teamerinnen und TeaJUGENDLICHE mern wichtig, darauf zu achten, dass NOCH? trotz siebzig Konfirmandinnen und KonWer jetzt denkt, junge firmanden jährlich „keiner hinten runterEveline Leier Deutsche interessieren fällt“. Das umzusetzen schaffen sie nach 19, Oldenburg sich nicht mehr für das eigener Einschätzung auch, obwohl die Miriam Ortner Thema „Glaube“, liegt Anmeldezahl im Vergleich zum vorhe19, Tübingen falsch. Tatsächlich setzen rigen Jahr um etwa vierzig Teilnehmende sich Jugendliche nach gestiegen ist. Das Konzept geht auf. Der … wären nach dem Workshop am liebsten wie vor intensiv mit Re- Jugendkeller boomt und für die Konfirin Berlin geblieben. ligiosität und Sinnfragen mationszeit muss man wohl bald eine auseinander, jedoch ge- Wartenummer ziehen.

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JUNGE MENSCHEN SIND IN DER KIRCHE EINE SELTENHEIT GEWORDEN

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Foto: Johannes Kolb


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WARUM ICH NICHT RELIGIÖS BIN

ES GIBT VIELE RELIGIONEN. SOPHIA KALETA DENKT DARÜBER NACH, WARUM SIE KEINER VON IHNEN ANGEHÖREN MÖCHTE.

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m Christentum gibt es einen Gott, der die belohnt, die nach den zehn Geboten gut handeln und die bestraft, die Sünden begehen. Es gibt aber doch auch Menschen, die eine schlechte Tat begehen und trotzdem Glück haben und andere, die viele gute Dinge tun, aber dafür nicht belohnt werden oder denen gar ein Unglück passiert. Wieso verhindert dieser angeblich so gute Gott diese Ungerechtigkeit nicht? Einige der klügsten Köpfe der Geschichte versuchten, die Existenz eines Gottes nachzuweisen. Anselm von Canterbury probierte das schon im Jahr 1000, der Mathematiker Kurt Gödel erst im letzten Jahrhundert. Da es aber, mei-

ner Meinung nach, keiner Wissenschaftlerin und keinem Wissenschaftler bisher gelang, kann ich nicht an einen Gott glauben. Es gibt sehr viele biblische Geschichten und natürlich sollen diese eine Botschaft vermitteln. Einige davon sind jedoch sehr brutal, beispielsweise erschlug Kain seinen Bruder Abel aus Neid. Ich denke, dass diese Brutalität sich eher negativ auf die Vermittlung von positiven Werten auswirkt. Außerdem dauerte es sehr lange, bis Frauen und Männer zumindest in einigen Ländern der Welt weitgehend gleichberechtigt waren, was nicht zuletzt an der hohen Stellung der Religionen lag. In

einigen arabischen Ländern wird Gleichberechtigung von Mann und Frau mit Bezug auf religiöse und traditionelle Argumente verhindert. So etwas sollte es in unserer heutigen Gesellschaft eigentlich nicht mehr geben, aber es wird an den schon seit Jahrhunderten bestehenden Ansichten festgehalten. Natürlich gibt es viele Werte und Leitbilder, die eine Religion vermittelt. Ich denke jedoch, dass diese Ideen auch ohne die Kirche an die Menschen herangetragen werden können und es in unserer heutigen Gesellschaft andere Orientierungsmöglichkeiten gibt. Auch das von den Gemeinden erzeugte Gemeinschaftsgefühl kann man durch die Schule, den

Freundeskreis und Freizeitaktivitäten erhalten. Wenn jemand einer Religionsgemeinschaft angehört und ihm das gefällt, ist das sehr gut, jedoch denke ich, dass dies in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr nötig ist.

Sophia Kaleta 17, Weimar … hat gelernt, wie vielfältig Glaube eigentlich sein kann.

ZWISCHENMENSCHLICHER DRAHT

DEM PFARRBERUF FEHLT DER NACHWUCHS. DABEI HAT DER JOB VIELE SPANNENDE SEITEN: IN SCHWEREN ZEITEN EINE STÜTZE SEIN ODER DAFÜR SORGEN, DASS SICH MENSCHEN NICHT ALLEINE FÜHLEN. SOPHIA TENSING HAT EINE JUNGE FRAU GETROFFEN, DIE MIT DEM GEDANKEN SPIELT, PFARRERIN ZU WERDEN.

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heila Marie Steckhan sieht nicht gerade wie das Klischeebild einer Klosterschülerin aus. Sie studiert evangelische Theologie und Religion sowie Ethik auf Lehramt in Göttingen und Kassel. Nach ihrem Studium bleibt der 27-Jährigen die Wahl: ihren Traumberuf Pfarrerin zu ergreifen oder Lehrerin zu werden. Eine Verbindung zum Glauben hatte Sheila schon früh. Irgendetwas sei für sie immer da gewesen, etwas das „sieht“, „sich kümmert“ und vor allem „wacht“. Nachdem sie sich intensiv mit ihrem Glauben auseinandergesetzt hat, ist sie heute von der Existenz Gottes überzeugt: „In meinen Augen ist Gott übermächtig und wundervoll, was nicht mit sprachlichen Mitteln definierbar ist.“

DER WEG IN DIE GEMEINDE Während ihrer Konfirmandenzeit inspirierte ein Pfarrer Sheila zu ihrem ersten Praktikum in der Kirchengemeinde. In dieser Zeit entstand auch ihr Wunsch, Menschen zu helfen und Pfarrerin zu werden. Sie erhielt Einblicke in die Notfallseelsorge, war in der Kinder- und Jugendarbeit tätig oder unterstützte die Gottesdienste und den Pfarrer bei religiösen Zeremonien. Gerade die Beerdigungen seien für sie sehr berührende Erlebnisse gewesen.

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Lehrerin kann ich die Jugendlichen direkter erreichen“, sagt sie. Die intensive Arbeit sorge für einen besseren zwischenmenschlichen Draht, den sie als Pfarrerin nicht immer ausbilden könne. Generell solle im Pfarramtsstudium mehr Wert auf Pädagogik gelegt werden, fordert sie. Immerhin werde sie sich direkt danach im Vikariat um die Probleme und Sorgen der Gemeindemitglieder kümmern. Eine endgültige Entscheidung habe sie noch nicht getroffen. Der Wunsch, den gesellschaftlichen Wandel des Pfarrberufes anzutreiben und mehr Transparenz zur Außenwelt zu schaffen, sei jedoch fest in ihr verankert: „Egal, wie ich mich entscheide, religiös und sozial wird es auf jeden Fall!“

Ihre Empathie empfand sie dabei immer als Vorteil: „Ich kann den Menschen mehr helfen, wenn ich sie und ihre Gefühle nachempfinden kann.“ Die Gemeinschaft der Kirchengemeinde erfuhr Sheila schon früh selbst. Nach Todesfällen in ihrer eigenen Familie fragte sie sich nach dem Sinn des Lebens. In dieser schweren Zeit half ihr die Arbeit in der Kirche, in der sie einen besonderen Zusammenhalt erlebte.

NOCH NICHT ENTSCHIEDEN Sheila lehrt neben ihrem Studium Religion und Ethik an einer Förderschule für geistig behinderte Kinder und Jugendliche. „Als

Sophia Tensing 17, Oldenburg … findet Sheilas Interpretation des Pfarramts schön, aber hat für sich selbst andere Pläne. SHEILA MARIE STECKHAN ÜBERLEGT, DEN PFARRBERUF ZU ERGREIFEN

Foto: Johannes Kolb


Z UR PERS O N J O HAN N ES SI NGHA MMER wurde 1953 in MĂźnchen geboren. 1994 zog er das erste Mal fĂźr die CSU in den Deutschen Bundestag ein. Der Jurist und Vater von sechs Kindern hat seitdem in jeder Wahlperiode im Bundestag gesessen.

Foto: Johannes Kolb

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»HEUTZUTAGE IST RELIGION PRIVATSACHE« JOHANNES SINGHAMMER

(CSU) IST VIZEPRÄSIDENT DES DEUTSCHEN BUNDESTAGS UND SCHIRMHERR DES DIESJÄHRIGEN JUGENDMEDIENWORKSHOPS. MIT TOBIAS BAYER UND PHILIP SCHÖNFELD SPRACH ER ÜBER SEINEN GLAUBEN UND DIE DEUTSCHE POLITIK, GOTTESLÄSTERUNG UND SEINE ZUKUNFT.

HERR SINGHAMMER, IN EINEM GASTBEITRAG FÜR DEN „FOCUS“ HABEN SIE KÜRZLICH DAS „AUFEINANDERZUGEHEN” ALS „GEBOT UNSERER STUNDE“ BEZEICHNET. AUF WEN SIND SIE ZULETZT ZUGEGANGEN? Zuletzt bin ich auf einer Reise nach Ägypten auf den Großscheich Ahmed al-Tayyeb der renommierten Al-Azhar Universität zugegangen. Ich habe mit ihm über das Verhältnis zwischen Islam und Christentum gesprochen. Was mich besonders freut: Er ist auch auf mich zugegangen.

AUFEINANDER ZUGEHEN IST NICHT ZULETZT EINE CHRISTLICHE TUGEND. SIE SELBST SIND RÖMISCH-KATHOLISCH. WIE WIRKT SICH IHR GLAUBE AUF IHRE POLITIK AUS? Es ist wichtig für mich als Christ, ein Koordinatensystem zu haben. Wichtig für mein Handeln ist dabei ein Zitat von Franz-Josef Strauß (Anm. d. R.: langjähriger bayerischer Ministerpräsident): „Wir dürfen nie den Anspruch erheben, christliche Politik zu machen, sondern nur Politik aus christlicher Verantwortung zu gestalten.“

IN DEM CSU-PAPIER „AUFRUF ZU EINER LEITKULTUR“ IST AUCH DIE REDE VON EINEM „VORRANG FÜR ZUWANDERER AUS CHRISTLICH-ABENDLÄNDISCHEN KULTURKREISEN“. BEZIEHT SICH DAS CHRISTLICHE GEBOT DER NÄCHSTENLIEBE NICHT AUF ALLE MENSCHEN? Das bezieht sich sicherlich auf alle gleichermaßen. Es ist aber für Christinnen und Christen zum Beispiel aus Syrien sehr schwierig, eine neue Heimat in der muslimisch geprägten Region oder überhaupt eine Möglichkeit zu finden, ihren Glauben zu praktizieren. Deshalb ist es wichtig, ihnen besonders zu helfen und sie aufzunehmen.

WAS IST IHRE MEINUNG ZU DER AUSSAGE DES FRÜHEREN BUNDESPRÄSIDENTEN CHRISTIAN WULFF, DER ISLAM GEHÖRE ZU DEUTSCHLAND? Ich halte diesen Satz nicht für richtig, da zu kurz formuliert. Das zeigt auch ein Blick in die Geschichtsbücher. Der Islam hat keinen vergleichbaren Beitrag

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für die europäische und die deutsche Geschichte gehabt wie Christentum und Judentum. Meine politischen Freundinnen und Freunde von der CSU und ich haben es immer anders formuliert: Bei uns lebende Muslime gehören zu Deutschland.

IM JAHR 2012 WOLLTEN SIE DEN BLASPHEMIE-PARAGRAFEN VERSCHÄRFEN. DIESER IST ALLGEMEIN UMSTRITTEN UND SOLLTE NACH MEINUNG EINIGER POLITIKERINNEN UND POLITIKER SOGAR ABGESCHAFFT WERDEN. WIE STEHEN SIE HEUTE DAZU? Eine Präzisierung wäre richtig gewesen, da ich glaube, dass der Paragraf dem inneren Frieden in Deutschland dient. Allerdings gibt es dafür keine Mehrheit im Deutschen Bundestag. Ich habe zugleich festgestellt, dass von den christlichen Kirchen weniger dafür geworben wird. Das war vor etwa 15 Jahren anders. Da war es eine dezidierte Forderung der christlichen Kirchen, den Paragrafen zu präzisieren.

IN DEUTSCHLAND SIND IM JAHR 2015 KNAPP 400 000 MENSCHEN AUS DER KIRCHE AUSGETRETEN. WORAN LIEGT DAS?

WAS SIND DANN IHRE ZUKUNFTSPLÄNE? Ich habe vor, meine Kontakte in die Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika einzubringen. Afrika ist unser Schicksalsnachbarkontinent. Wenn es den Menschen dort schlecht geht, dann wird es auch den Menschen in Europa nicht dauerhaft gut gehen können. Wir sind aufeinander angewiesen. Deswegen sollten wir mit den Staaten in Afrika kooperieren, ohne aber zu glauben, dass wir die Welt retten können. Doch unseren Beitrag dazu können wir leisten. Und das möchte ich auch gerne weiter tun.

WOLLEN SIE ETWA VERHINDERN, DASS DIE MENSCHEN AUS AFRIKA ZU UNS KOMMEN? Es macht Sinn, dass die Menschen, die tüchtig sind, auch in Afrika ihre Perspektiven finden. Natürlich kann es nicht in unserem Interesse sein – und es kann auch nicht im Interesse Afrikas sein – dass die, die eine Chance haben wegzukommen, weil sie Geld besitzen oder gut ausgebildet sind, nach Europa gehen und dann in Afrika fehlen.

Es gibt ein Bündel von Ursachen, etwa unterschiedliche Auffassungen von Religion. In arabischen Ländern werden Glaube und Religionszugehörigkeit als etwas Prägendes für alle Lebensumstände verstanden. Das ist ein Unterschied zu Europa. In früheren Jahrhunderten war in Europa manches vergleichbar. Heute ist Religion Privatsache.

SIE HABEN ANGEKÜNDIGT, ZUR NÄCHSTEN BUNDESTAGSWAHL NICHT MEHR ANZUTRETEN. WAS HAT SIE ZU DIESER ENTSCHEIDUNG BEWOGEN? Zum einen hat das familiäre Gründe. Ich denke aber auch, dass 23 Jahre im Deutschen Bundestag eine lange Zeit sind. Demokratie heißt immer, dass man für eine Wahlperiode ein Amt bekommt. Und es gehört auch zur Demokratie, dann selbst zu entscheiden, ob man erneut antritt. Ich habe mich dagegen entschieden.

UND WAS MACHEN SIE ALS NÄCHSTES, GEHEN SIE INS KLOSTER? (Lacht) Nein, dafür bin ich, glaube ich, etwas ungeeignet.

Tobias Bayer 19, Aschaffenburg Philip Schönfeld 17, Westerkappeln ... haben gemerkt, dass der Vizepräsident des Deutschen Bundestages auch nur ein Mensch ist.


ES IST (K)EIN GRÄUEL

WIE FÜHLT ES SICH AN, CHRISTLICH UND HOMOSEXUELL ZU SEIN? WO LIEGEN DIE UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DER EVANGELISCHEN UND DER KATHOLISCHEN KIRCHE? CHRISTIANE S. MUÑOZ FRAGT NACH.

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n vielen gesellschaftlichen Bereichen ist die Akzeptanz von Homosexuellen in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Gleichgeschlechtlich zu lieben und seinen christlichen Glauben in einer Gemeinde zu praktizieren – für viele Menschen ist das trotzdem noch immer problematisch. „Manche Gemeindemitglieder verstehen das als Provokation, mehrheitlich habe ich jedoch Solidarität erlebt“, erzählt der Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann (CDU). Er ist katholisch und lebt in einer eingetragenen Partnerschaft.

Manne liegen wie bei einer Frau; es ist ein Gräuel”, heißt es in dem Bibeltext. Markus Gutfleisch ist überzeugt: „Intern wird die strenge Verurteilung ausgelebter Homosexualität hinterfragt.“ Dass ein katholischer Amtsträger seine Sexualität zukünftig offen ausleben dürfe, sei aufgrund des allgemein geltenden Zölibats ohnehin nicht umsetzbar.

LANGSAME ENTWICKLUNG

LIBERAL TRIFFT KONSERVATIV Unterstützung finden gläubige Homosexuelle wie Kaufmann in der ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK), eine Organisation, die sich für die Gleichstellung von LGBTQI, also Lesben, Schwulen, Transgender, queeren Personen, Inter- und Bisexuellen, einsetzt. Kaufmann selbst ist kein Mitglied, findet deren Arbeit aber wichtig. Markus Gutfleisch, Pressesprecher der HuK, findet, diese habe in den letzten 40 Jahren durch Sichtbarkeit und Beharrlichkeit wesentlich zur besseren Stellung Homosexueller beigetragen. Dabei gebe es nach wie vor große Unterschiede zwischen der katholischen und evangelischen Kirche.

DER GANG ZWEIER MÄNNER ZUM ALTAR IST IM KATHOLIZISMUS UNDENKBAR

Die Protestanten und Protestantinnen seien mit der Gleichberechtigung weiter. So dürften Amtsträger und Amtsträgerinnen offen mit ihrer sexuellen Identität leben. Allerdings sei auch hier die Situation für den einzelnen Pfarrer oder die Pfarrerin je nach Region anders, sagt Pfarrerin Anne Hensel aus der Luisengemeinde in Berlin-Charlottenburg. Zudem sei in den meisten evangelischen Landeskirchen die kirchliche Eheschließung

Foto: Johannes Kolb

Dennoch hoffen Stefan Kaufmann und Markus Gutfleisch auf eine langsame aber positive Entwicklung hin zu mehr Gleichberechtigung Homosexueller in der katholischen Kirche. Kaufmann baut vor allem auf die Kirchenbasis, die sich in Befragungen offener zeige als zum Beispiel der Papst im Vatikan.

für homosexuelle Paare möglich. Das ist keine Selbstverständlichkeit: Im Vorfeld habe es heftige Diskussionen gegeben, sagt Pfarrerin Anne Hensel. In der katholischen Kirche hingegen ist es nicht akzeptiert, die eigene Homosexualität als Amtsträgerin oder Amtsträger und als Gläubige oder Gläubiger auszuleben. Das geht unter anderem auf die Auslegung des Buches Levitikus zurück: „Du sollst nicht bei einem

Christiane S. Muñoz 18, Frankfurt a. M. … findet, dass Belange von LGBTQI sehr wichtig sind.

„GOTT MÖCHTE NICHT, DASS WIR DIE WELT ZERSTÖREN“

EISBÄREN AUF SCHMELZENDEN EISSCHOLLEN STEHEN SYMBOLISCH FÜR DEN KLIMAWANDEL. WELCHE ROLLE SPIELT GOTT, WENN DIE MENSCHEN DEN LEBENSRAUM ZERSTÖREN? LINDA GÖTTNER SUCHT NACH DER ANTWORT DES CHRISTENTUMS.

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Foto: Johannes Kolb

er Klimawandel ist ein heikles Thema und unmittelbar verbunden mit der christlichen Perspektive auf die Schöpfung. Der kritische Punkt sei die unnatürlich schnelle Entwicklung, sagt der Klimaforscher Wilfried Endlicher von der Humboldt-Universität zu Berlin. „Die Forschung liefert sehr belastbare Ergebnisse und das schon lange“, so Endlicher. Dennoch konnte der Klimawandel bis-

lang nicht abgewendet werden und die Folgen sind deutlich spürbar. Die Erdtemperatur ist in den letzten Jahrzehnten um 0,8 Grad gestiegen. Das ist eine beunruhigende Entwicklung. Der Weltklimarat fordert deshalb, dass sich die Erdtemperatur nur um 2 Grad erhöhen darf. Laut Endlicher seien Folgen des Klimawandels vor allem das Artensterben, das Schmelzen der Gletscher und der Anstieg des Meeresspiegels. Verursacht würPARADOX: GOTT SOLL DIE ERDE GESCHAFFEN HABEN, den diese besonders durch DIE MENSCHEN ZERSTÖREN SIE MIT ABGASEN den starken Ausstoß von Treibhausgasen. Grundlage hierfür seien der Abbau fossiler Energieträger, Verkehr und intensive Landwirtschaft. Dabei stehen die Verursacher eindeutig fest: „Der Klimawandel ist menschengemacht“, so Endlicher. Aus christlicher Perspektive jedoch schenkte Gott den Menschen die

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Erde und damit auch die Verantwortung für sie. Klaus Breyer, Theologe und Leiter des Instituts für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche in Westfalen, sagt: „Es gibt einen Schöpfungsauftrag in der Bibel, die Erde zu bebauen und sie zu bewahren. Daher ist die Nachhaltigkeit ein Grundsatz.“ Die Realität sehe laut Endlicher aber anders aus: Das Umweltsystem sei bereits aus der Balance geraten und das sei nicht mehr umkehrbar.

DIE ANTWORT DER KIRCHE Wie steht ein möglicher Gott dazu? Als christliche Antwort auf den Klimawandel formuliert Breyer: „Gott möchte nicht, dass wir die Welt zerstören.“ Er gebe Kraft, die Ressourcen zu schützen und die Energiewende voranzutreiben. Der Glaube beinhalte die große Verheißung von gerechtem Himmel und Erde. Daher müsse die Kirche helfen, dem Wandel entgegenzuwirken und Betroffene zu unterstützen. Diese seien vor allem Bewoh-

nerinnen und Bewohner ärmerer Länder, obwohl maßgebliche Verursacher reiche Industrieländer seien. Besonders beim Thema Klimawandel müsse die Kirche handeln, um glaubwürdig zu bleiben. „Man kann nicht im Gottesdienst predigen und nichts tun“, sagt Breyer. So sei die Kirche zum Beispiel in der Politik als Interessengruppe vertreten und entwickele alternative Energienutzungskonzepte in Gemeinden. Hier entfalte sich letztlich der Wunsch nach aktivem Handeln für eine Erde, auf der alle Lebewesen würdig leben.

Linda Göttner 20, Hamm … wünscht sich den Weltfrieden und möchte auch in Zukunft Eisbären auf der Welt erleben.


„ZEIT FÜR MEHR HUMOR“

AUF IHREM YOUTUBE-KANAL HALTEN DIE „DATTELTÄTER“ DER GESELLSCHAFT EINEN SPIEGEL VOR UND RECHNEN HUMORVOLL MIT DEM ZUSAMMENLEBEN DER RELIGIONEN AB. WIE SIE DIE MAUERN IM KOPF ZUM EINSTURZ BRINGEN WOLLEN, HAT HANNA SCHMID HERAUSGEFUNDEN.

POLITIKORANGE-REPORTERIN HANNA IM GESPRÄCH MIT „DATTELTÄTER“ MARCEL SONNECK

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raditionell ist die Dattel das erste, das Menschen den Kanal zu etwas AußergeMusliminnen und Muslime essen, wöhnlichem machen. Rund 23  000 Abonnentinnen und wenn der Fastenmonat Ramadan endet. „Attentäter sind wir, weil unsere Videos Abonnenten erreichen die Youtuberinnen sowohl ein Attentat auf die Lachmuskeln und Youtuber mit ihrem Kanal, den sie als auch auf das Gehirn sind“, sagt Mar- vor eineinhalb Jahren als Reaktion auf die cel Sonneck. Aus diesen beiden Begriffen wachsende Pegida-Bewegung gründeten. setzt sich der Name des Youtube-Kanals „Mit dem aufkommenden Antiislamismus und Rechtspopulismus hatten wir das Gezusammen, für den sich der 27-Jährige engagiert: „Datteltäter“. Dort ist er der fühl, dem etwas Positives entgegensetzen zu müssen“, so Sonneck. Zudem sei es „Quoten-Christ“. Das erklärte Ziel der fünf Youtu- „dringend Zeit für mehr Humor“. berinnen und Youtuber ist die Errichtung eines „Satire-Kalifats“. Das heißt YOUTUBE ALS zu zeigen, dass Islam und Humor sich BILDUNGSPLATTFORM nicht ausschließen. Die Videos haben aber auch einen ernsten Hintergrund. Die meisten Zuschauerinnen und ZuSie sollen Vorurteile abbauen, auf die schauer der Videos sind zwischen 20 und bestehenden Hindernisse für Menschen 24 Jahren alt. Den „Datteltätern“ ist bemuslimischen Glaubens in Deutschland wusst, dass sie Einfluss auf die Ansichten aufmerksam machen und das gegensei- des jungen Publikums nehmen können. tige Verständnis stärken. „Menschen ha- Sonneck ist wichtig, dass die Videos „zum Nachdenken anregen, aber keine vorgeben meistens Angst vor Dingen, die sie nicht kennen. Wenn sie keinen Kontakt fertigte Meinung aufzwingen“. Dennoch zu Fremden oder Andersdenkenden ha- halte er es in diesen unruhigen politischen ben, entstehen Missverständnisse“, sagt Zeiten für erforderlich, dem Rechtspopulismus entschieden entgegenzutreten. Sonneck. Die „Datteltäter“ stellen junge Das stößt nicht immer auf BegeisteMusliminnen und Muslime und ihr Leben in Deutschland in den Mittelpunkt. rung. Auf anonymen Internetplattformen So wollen sie das Bild des Islams in der ist die Hemmschwelle für antiislamische und rassistische Beleidigungen besonders Gesellschaft verbessern. niedrig. Immer wieder setzen Kommentierende den Islam mit extremistischem ANTIISLAMISMUS ALS Islamismus gleich. Bei den Kommentaren AUSLÖSER sind auch krude Theorien zum Frauenbild Sonneck sagt, dass das Konzept des You- oder zum Umgang mit Kindern im Islam tube-Kanals durch die enge Verknüpfung zu finden. Zudem sei jeder terroristische von Satire und Islam einzigartig sei. Zu- Anschlag, der vermeintlich im Namen des dem würden die verschiedenen Migrati- Islam begangen werde, „ein Rückschlag onshintergründe und Religionszugehö- für uns und Wasser auf den Mühlen der rigkeiten der an den Videos beteiligten Rechtspopulisten“, sagt Sonneck.

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Foto: Samuel Groesch

Er selbst bezeichnet sich als gläubigen deos bestimmen wir aber immer noch allein“, sagt Sonneck. Er sei dankbar für die Christen, der erst im Laufe seines Lebens finanzielle Unterstützung, durch die viele zur Religion gefunden habe. Sein Glaube gebe ihm Kraft und das „Urvertrauen da- Projekte erst realisiert werden könnten. rauf, dass alles, was passiert, Sinn hat“. Dies ermögliche auch eine höhere QuaDass sich immer mehr Menschen von Re- lität der Videos. So gebe es nun bei fast ligionen abwenden, erklärt sich Sonneck allen Videodrehs eine professionelle Kamit der Entwicklung zu einer „Ich-Gesell- merafrau oder einen professionellen Kaschaft“, in der die Gemeinschaft nur noch meramann. eine untergeordnete Rolle spiele. Für den großen Erfolg bei Youtube GROSSER ZUSPRUCH ALS ANbrauche es Ehrgeiz und Ausdauer. Denn SPORN das Angebot der Videos im Internet sei bereits riesig und die Zuschauenden an- Die Reaktionen auf die Videos seien spruchsvoll, so Sonneck. Die „Datteltäter“ trotz einiger ausfallender Hasskomseien aber mit dem Zuwachs an Abon- mentare überwiegend positiv. Die Zunentinnen und Abonnenten sehr zufrie- schauenden bezeichnet Sonneck als „eingeschworene Gemeinschaft“, die den. Für den Erfolg eines Videos sei der eigenständig auf unqualifizierte und beIdentifikationsfaktor wichtig. „Die Zu- leidigende Kommentare reagiere. „Die schauerinnen und Zuschauer wollen das große Unterstützung ist der Motor, der Gefühl haben, dass unsere Videos Men- uns antreibt“, sagt er. Er glaube zwar, schen und Situationen zeigen, die sie dass die politischen Ansichten der Datselbst aus ihrem eigenen Leben kennen“, teltäter und ihres Publikums ohnehin ähnlich seien. „Aber selbst wenn wir sagt Sonneck. nur wenige Menschen zum Nach- und Umdenken bewegen können, lohnt sich IDENTIFIKATION ALS die harte Arbeit für jedes Video.“ ERFOLGSREZEPT Die „Datteltäter“ sind inzwischen Teil von „funk“, dem Onlineangebot von ARD und ZDF, das sich speziell an junge Menschen wendet. Das Netzwerk vereint verschiedene Internetformate und Agierende unter einem Dach. Seit der Zusammenarbeit mit den öffentlich-rechtlichen Sendern sei der Druck größer geworden. Früher produzierten die „Datteltäter“ eher in unregelmäßigen Abständen Videos. Heute muss mindestens ein Video pro Woche veröffentlicht werden. „Den Inhalt der Vi-

Hanna Schmid 20, Halle … freut sich immer noch, dass sie zusammen mit einem der besten Youtuber Kaffee getrunken hat.


WIE IST DAS, AN SCHABBAT IN DER SYNAGOGE? TOBIAS BAYER ERKUNDET DAS JÜDISCHE LEBEN. EINE REPORTAGE ÜBER UNBESCHREIBLICHE GEFÜHLE, DEN GLAUBEN EINER BERLINER JÜDIN UND DEN BESUCH EINES GOTTESDIENSTES.

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s brennt im ganzen Körper, der Atem steht still und ich fühle etwas, das ich nicht kenne. Ein bisschen was von Liebeskummer und Todesangst hat es. Dazu Dankbarkeit und Hoffnung und ganz viel Scham. „Gedenken wir nun den sechs Millionen Jüdinnen und Juden, die der Shoa zum Opfer gefallen sind“, sagt Rabbiner Jonah Sievers. Er sagt das mit einer Besonnenheit und ohne Wut,

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es überfordert mich. Es ist der emotionalste Moment meines ersten Synagogenbesuchs, doch bei Weitem nicht der einzige. Es ist Freitagabend kurz vor 18 Uhr. Der jüdische Schabbat beginnt traditionell mit den ersten drei Sternen am Himmel. Schabbat ist im Judentum der siebte Tag der Woche, an dem die Menschen ruhen und nicht arbeiten sollen. Ich bin

aufgeregt, als ich im Berliner Stadtteil Charlottenburg in die Pestalozzistraße biege. Mein erster Besuch in der Synagoge steht an, viele Fragen stelle ich mir. Als ich ein Polizeiauto vor dem schweren Eisentor, hinter dem sich die liberale Synagoge befindet, sehe, erschrecke ich. Ein Polizist hat mir das scheinbar angemerkt: „Alles cool“, sagt er. „Wir stehen vor allen jüdischen Institutionen – aus Si-

Foto: Johannes Kolb

DAS ERSTE MAL „SCHABBAT SHALOM“

cherheitsgründen.“ Auch wenn ich mich dadurch sicherer fühlen sollte, die Situation ist beklemmend. Der anschließende Sicherheitscheck inklusive Körperscan macht es nicht besser. Trotzdem gehe ich weiter durch ein Labyrinth aus Gängen. Aus einer kleinen Schale nehme ich mir eine schwarze Kippa. Jeder Mann muss das Hütchen aus dünnem Stoff tragen, wenn er eine Synagoge betritt.


EIN ERLEUCHTETER RAUM

tesdienst nicht vornehmlich, um irgendEin paar Schritte später stehe ich in einem wem zuzuhören. Sie möchten gemeinsam hellen, leuchtenden Raum – die eigentliche singen, beten und ihre Freundinnen und Synagoge, in der gleich der Gottesdienst Freunde treffen. Man setzt und stellt sich beginnen wird. Viele Lampen, einige Ker- nebeneinander, tauscht sich aus und lacht zen und die beigen und hellblauen Wände – vor dem Gottesdienst, nach dem Gottessorgen für dieses Strahlen. Die dunkelbrau- dienst und immer wieder auch kurz danen Bänke bilden dazu einen starken Kon- zwischen. trast. Bevor ich mich in einer der hinteren Reihen niederlasse, nehme ich mir noch GEDENKEN AN VERSTORBENE ein Gebetsbuch mit Texten auf Deutsch UND BLICK NACH VORNE und Hebräisch. Im Hebräischen wird von hinten nach vorne geblättert. Das ist für Als der Rabbiner die erhöht liegende Bima mich ebenso ungewohnt wie, dass die betritt, der Platz in der Synagoge, von Frauen an den Seiten und von den Män- der aus die Torah verlesen wird, begrüßt nern getrennt sitzen. Im Gegensatz zu ega- er zuerst die Anwesenden, Gemeindeanlitären Synagogen sei das in liberalen so. gehörige und Gäste. Ich fühle mich willIch erfahre das von einem evangelischen kommen. Während des Gottesdienstes Pfarrer, der mit seiner Konfirmandengrup- werden zum größten Teil komplizierte, pe hinter mir sitzt. Gäste seien hier immer mich überfordernde hebräische Lieder und Gebete gesungen. Federführend sind sehr willkommen, erzählt er. Überhaupt ist die Stimmung in der hier der Kantor auf der Bima und der Chor Synagoge faszinierend locker und aufge- samt Orgel auf der Empore. Der Rabbiner, schlossen. „Beim Liberalen Judentum sind eine Art Lehrer mit Vorbildfunktion, spielt wir nicht für zu viele Regeln, das wären während des Gottesdienstes nur eine unZwänge. Wir wollen gerne etwas für un- tergeordnete Rolle. Lediglich wenn es um seren Glauben tun, aus Überzeugung“, Begrüßung, die kurze Predigt, die Drascha, sagt eine ältere jüdische Dame. Von dem und Organisatorisches geht, tritt er in Ergezwungenen, fest vorgegebenen Ablauf scheinung. Nach dem Gedenken an Verstorbene des Gottesdienstes in der christlichen Kirche ist das weit entfernt. Die Mitglieder geht es weiter mit Blick in die Zukunft. der jüdischen Gemeinde nutzen den Got- Wir wünschen uns gegenseitig einen schö-

nen Schabbat – „Schabbat Shalom“. Der Gottesdienst ist zu Ende. Zeit, um nach Hause zu gehen, denke ich. Doch bevor ich das Gelände verlasse, kommt mir der Duft orientalischer Küche entgegen. Ich folge ihm. Keine Minute später stehe ich inmitten eines großen Raumes. Dort werde ich von einem Buffet mit Falafel und Humus überrascht. Ich erfahre, dass es das üblicherweise nur nach Gottesdiensten an Samstagabenden gibt. Heute sind aber einige Ehrengäste wie Berlins Kultursenator Klaus Lederer anwesend, daher die Ausnahme. Bevor ich mich am Buffet bedienen darf, wird vom Kantor der Segensspruch, der Kiddusch, über Wein und Brot gesprochen. Das Brot wird geschnitten, gesalzen und mit dem Wein an alle verteilt. Ich setze mich zu zwei netten Damen, die in feinstem Berlinerisch plaudern. Das „Ick“ ist nicht zu überhören. Es sind Rut Prosche und ihre Freundin. Prosche ist 70 Jahre alt, sie könnte meine Großmutter sein. Sie ist erst als Jugendliche Jüdin geworden, da nur ihr Vater Jude war. Entscheidend ist beim Judentum die Religion der Mutter. Nur wenn diese Jüdin ist, ist man von Geburt an jüdisch. Wir unterhalten uns weiter. Sie erzählt mir von ihrem Alltag als Jüdin in Berlin. „Ich kann meinen Davidstern offen tragen – in meinem ganzen Leben wurde ich nicht einmal

wegen meiner Religion angefeindet“, sagt Prosche. Ich bin sicher: Mein erstes Mal in der Synagoge wird nicht mein letztes Mal sein. Ich lerne und spüre, dass der Synagogenbesuch am Schabbat mehr ist als der Gang zum Gottesdienst. Es ist eine Zeit der Offenheit, der Freude und des Miteinanders. Als ich gehen will, kommt Prosche noch einmal auf mich zu: “Wir Juden verbringen mehr Zeit mit den schönen Dingen und dem geselligen Zusammensein, weil wir schon immer verfolgt und unterdrückt wurden. Wir genießen unsere Freiheit, wenn wir sie haben. Wir leben intensiver.“

Tobias Bayer 19, Aschaffenburg ... war überrascht von der harmonischen, lockeren Stimmung in der Synagoge.

IST DAS KUNST ODER KANN DAS WEG?

„SATIRE DARF ALLES!“ – SAGTE KURT TUCHOLSKY. IST DAS SO? SPÄTESTENS SEIT DEM ANSCHLAG AUF DAS SATIREBLATT CHARLIE HEBDO WIRD ÜBER RELIGIONSKRITISCHE KUNST DISKUTIERT. ANN KATRIN BLACHNIK UND GRETA SCHENKE HABEN SICH DEM THEMA ANGENÄHERT.

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n Literatur, künstlerischen Installationen oder in satirischen Zeitungen werden religiöse Figuren karikiert, Religion kritisiert und Gläubige provoziert. Ist eine Abbildung des Propheten Mohammed entgegen dem Bilderverbot im Islam eine beleidigende Anmaßung oder legitime Kunst im Rahmen freier Meinungsäußerung?

zu reflektieren und um sich weiterzuentwickeln. „Wenn die Kirche eine selbstkritische Reflektion vernachlässigt, darf man sich nicht wundern, wenn die Kunst dies übernimmt“, sagt Quandt. Allgemein schaffe religionskritische Kunst mehr Kontroverse, wenn sie beispielsweise von Christinnen und Christen am Islam geübt wird, als etwa von Gläubigen innerhalb ihrer eigenen Religions-

gemeinschaft. Erstere Art der religionskritischen Satire sei ihm persönlich lieber, sagt der Titanic-Chefredakteur Tim Wolff.

KUNST SOLL NICHT VERLETZEN Allerdings kann religionskritische Kunst allgemein durch zugespitzte, polemische Äußerungen ein Gefühl der Angegriffenheit und der persönlichen Verletzung her-

EIN HOHES GUT Der Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes garantiert freie und gleiche Meinungsäußerung jeder einzelnen Bürgerin und jedes einzelnen Bürgers und stärkt die Freiheit der Kunst. „Selbst, wenn diese den Überzeugungen einer Gruppe der Gesellschaft widerspricht, ist die Freiheit der Kunst ein wichtiges Gut der offenen Gesellschaft“, sagt der atheistische und religionskritische Publizist Michael Schmidt-Salomon. Ebenso bewertet Jürgen Quandt, evangelischer Pfarrer in Berlin-Mitte, eine Einschränkung der Kunstfreiheit durch religiöse Gesetze als nicht akzeptabel. „Die Kirche muss eine kritisch-künstlerische Auseinandersetzung aushalten“, sagt Quandt. Diese sei sogar notwendig, um eigene Handlungen

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vorrufen. Wolff findet, dass der Vorwurf, durch kritische Kunst religiöse Gefühle zu verletzen, ein Konstrukt der Religionsangehörigen sei, die ihre Weltsicht nicht mit rationalen Argumenten verteidigen könnten. Dennoch sei nicht alles Satire, was sich als solche bezeichnet. Die komplexe Frage nach dem, was als Kunst gilt oder als bloße Geschmacklosigkeit, müsse in jedem einzelnen Fall neu gestellt werden. Der Publizist Schmidt-Salomon sieht das ähnlich: „Ich persönlich äußere mich nur dann religionskritisch, wenn ich beispielsweise Menschenrechtskonventionen oder Erkenntnisse über die Welt durch religiöse Ansichten, wie durch den Kreationismus, untergraben sehe“.

Ann Katrin Blachnik 19, Berlin Greta Schenke 19, Leipzig

Foto: Johannes Kolb

KARIKATUREN VON „CHARLIE HEBDO“ VERÄRGERN MANCHE MUSLIMINNEN UND MUSLIME.

… philosophierten immer über das Thema hinaus …


RELIGION WELTWEIT

BEI DEN UNZÄHLIGEN GLAUBENSRICHTUNGEN GIBT ES AUCH VIELE ORTE MIT BESONDERER RELIGIÖSER BEDEUTUNG. GRETA SCHENKE UND HANNA SCHMID PRÄSENTIEREN EINE AUSWAHL DER WALLFAHRTSORTE UNTERSCHIEDLICHER RELIGIONEN, GRAFISCH UMGESETZT VON SAMUEL GROESCH.

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S T ON E H E N G E A m es b u ry, Ver e i n i g t e s K ö n i g r e i c h

Steingebilde aus der Jungsteinzeit, dessen Zweck nicht abschließend bewiesen ist, möglicherweise handelt es sich um eine religiöse Tempelanlage.

2

PE T E R S D OM R o m , I t a l i en

Eine der größten Kirchen der Welt, in der der Apostel Petrus begraben ist und die unmittelbar mit dem Papsttum in Verbindung gebracht wird. Er ist der Mittelpunkt des unabhängigen Staats der Vatikanstadt.

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C OMMU N AU T É DE TA IZ É Ta i z é, F ra nk rei c h

Internationaler ökumenischer Männerorden, der Treffen für Jugendliche aus allen Nationalitäten und Konfessionen ausrichtet.

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J AK OB S W E G S a nt i a g o d e C o mp o s t e l a , S p a n i e n

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Zielort des berühmtesten christlichen Pilgerwegs und angebliche Grabstätte des Apostels Jakobus.

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TE M P E L D E R M O R M O N E N S a l t L a k e Ci t y, US A

Größter Tempel der Mormonen, die sich nach der Vertreibung aus ihrer Heimat im Osten der USA dort ansiedelten.

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S ONN E NP Y RAM IDE Teo t i h u a c á n, M e x i k o

„Geburtsstätte der Götter“ und Weltkulturerbe, Wallfahrtsort der Azteken.

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DREI FA C H HEI LI GE STA DT J erusalem

Jerusalem ist ein zentraler Ort für die abrahamitischen Religionen. Christliche, jüdische und muslimische Gläubige leben hier auf engstem Raum zusammen. Die Stadt beherbergt Heiligtümer der drei monotheistischen Religionen. Darunter fällt etwa die Klagemauer, ein Teil des zweiten Jerusalemer Tempels und heute Ort des jüdischen Gebets. Heilige Stätten des Islams sind der Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg. Für Christinnen und Christen besonders bedeutsam ist unter anderem der Kreuzweg Christi, die Via Dolorosa, die an der Grabeskirche endet.

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B ETHLEHEM We stjordanland

Der Überlieferung nach der Geburtsort Jesu Christi, für Israeliten der Geburtsort König Davids.

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K A A BA M ekka, Saudi- A rabien

Heiligste Pilgerstätte des Islam und Geburtsort des Propheten Mohammed

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POTA LA - PA LA ST Ti bet, C hina

Ehemaliger Regierungssitz des Dalai Lama

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UL UR U Australien

Heiliger Berg der Aborigines

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CR I STO R EDENTOR Rio de Janiero, Brasilien

Cristo Redentor, also „Christus der Erlöser“, ist die Christusstatue auf dem Berg Corcovado und ein Pilgerort für Christen.

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DEB AT T E

RELIGION IN DER SCHULE?

IST KONFESSIONELL GETRENNTER UNTERRICHT AN STAATLICHEN EINRICHTUNGEN NOCH ZEITGEMÄSS? ODER SOLLTE ER ABGESCHAFFT WERDEN? LISA-MARIE WERNER UND YANNIC WALTHER SIND UNTERSCHIEDLICHER MEINUNG.

G R U N D G E S E T Z F Ü R D I E B UNDE SRE P U BLI K D E U T S C H L A N D - ART IKE L 7

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. (2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. (3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen

Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen. (4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die

privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist. (5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung

ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht. (6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

CONTRA

bundenen Unterrichts haben, lässt sich nicht ausschließen, dass wissenschaftlichen Erkenntnissen zugunsten von religiösen Bekenntnissen das Fundament entzogen wird. Offensichtlich wird das, wenn strenggläubige Lehrbeauftragte im Klassenzimmer die Schöpfungslehre als legitime Alternative zur Evolutionstheorie anpreisen. Eine weltliche Schule muss hier den Rahmen für eine neutrale religionswissenschaftliche Aufklärung schaffen, anstatt mit dem theologischen Religionsunterricht die Offenbarung, Überlieferung und Geschichte beispielsweise der christlichen Religion als wahr vorauszusetzen. Genau diese neutrale Aufklärung über religiöse und nichtreligiöse Weltanschauungen sollte in einem gemeinsamen bekenntnisunabhängigen Unterrichtsfach geschehen. In diesem müssten auch die Sichtweisen der Religionsgemeinschaften zu ethischen Fragen aufgezeigt werden. Aber ihre Normen würden nicht mehr Kindern und Jugendlichen bewusst oder versteckt aufgedrängt werden. Stattdessen würde mit Wissensvermittlung und der Darlegung, wie Werte des Zusammenlebens eigentlich entstehen, eine Grundlage geschaffen werden, auf der Wertvorstellungen gemeinsam hinterfragt werden können. Denn wer könnte besser die Koordinaten unseres zukünftigen Zusammenlebens diskutieren als junge Menschen mit unterschiedlichsten Lebensauffassungen?

IM ARTIKEL 7 DES GRUNDGESETZES IST DER RELIGIONSUNTERRICHT FEST VERANKERT.

PRO

Sture Religionskritike- schaffen, um ihre Weltanschauung zu  Der Religirinnen und -kritiker verbreiten. Auch Lehrerinnen und Lehrer onsunterricht sehen Religionsunterricht an öffent- anderer – vor allem gesellschaftswissen- ist das einzige Schulfach von Verfaslichen Schulen gerne als Pflicht zur schaftlicher – Fächer haben ihre persön- sungsrang. Der Artikel 7 des GrundgeReligionsausübung. Sie werfen dem liche Weltanschauung. Diese geben sie setzes sichert sein Überleben. Mit welt­B ildungssystem vor, dass weniger reli- – zumindest unterbewusst – an ihre Schü- anschaulicher Neutralität hat das nichts giöse Schülerinnen und Schüler in die- lerinnen und Schüler weiter. Religionsleh- zu tun. Schulen sollten verschiedene sem Fach schlechtere Noten bekommen rerinnen und Religionslehrer spielen hier Religionen zwar vorstellen, sie aber nicht würden. Fromme Kirchengängerinnen von Beginn an mit offenen Karten und bewerben, um damit Schülerinnen und und Kirchengänger dagegen hätten animieren trotzdem dazu, eine eigene Schüler aktiv zu beeinflussen. Denn Bilihre Eins sicher. Das ist jedoch gedan- Meinung zu entwickeln. dung muss sich an wissenschaftlichen ken- und fundamentlose Kritik. ReliAllgemeinbildende Schulen haben Maßstäben orientieren, um Grundlagen gionsunterricht in Deutschland ist oft den Auftrag, Schülerinnen und Schüler zu schaffen, auf denen Heranwachsende aufklärerisch und kritisch gegenüber in allen Bereichen zu unterrichten und selbstständig ihre Sicht auf die Welt entdem eigenen Glauben, hinterfragend auf das Leben vorzubereiten. Gerade im wickeln können. und von Diskussionen geprägt. Hier ist Bereich der politischen Meinungsbildung Oftmals wird Kindern Eltern die Rejede Meinung erwünscht, solange die spielt auch der kulturell-religiöse Bereich ligiosität schon bei der Taufe aufgedrängt Schülerinnen und Schüler sie begrün- eine große Rolle. Bundeskanzlerin Angela – so, als ob Vormünder ihrem Spross eine den können. Zur Erziehung einer auf- Merkel sagte im Januar 2017 zum Thema politische Einstellung aufzwängen würgeklärten Gesellschaft mit Menschen, Religionsunterricht, dass „wir von Vo- den, wenn es zum ersten Geburtstag statt die ihre eigene Weltanschauung ver- raussetzungen leben, die wir selber nicht Spielzeug ein Parteibuch gäbe. Im schutreten, ist Religionsunterricht deshalb so schaffen können“. So wird gleichzeitig lischen Religionsunterricht werden dann notwendig. die strikte Trennung von Kirche und Staat, häufig andere Weltanschauungen und Religionsunterricht zwingt keine die für ein Abschaffen des Religionsun- Religionen aus der verengten Perspektive vorgefertigte Meinung auf, sondern regt terrichts an öffentlichen Schulen spre- der eigenen Religion diskutiert. Für die junge Menschen dazu an, ein eigenes chen würde, und ein politischer Wille der Persönlichkeitsbildung der Schülerinnen religiöses oder auch areligiöses Weltbild Bürgerinnen und Bürger gefordert. Unab- und Schüler ist es aber wichtig, verschiezu entwickeln. Religionsfreiheit bedeu- hängig davon, ob eine Bürgerin oder ein dene Blickwinkel kennenzulernen und tet nämlich nicht nur, sich frei für oder Bürger religiösen Thesen zustimmt oder den eigenen Horizont über die Lebensaufgegen eine Religion entscheiden zu dür- diese ablehnt, bildet sie oder ihn die Aus- fassung der Eltern hinaus zu erweitern. fen. Sie bedeutet auch, Informationen einandersetzung damit weiter. Ohne dieGenau dieses Kennenlernen der unzu erlangen, die zu dieser Entscheidung se Bildung ist Demokratie nicht möglich. terschiedlichen Überzeugungen unterbinführen. Viele Kinder werden getauft, aber Daher sind wir auf kirchliche Werte ange- det der Religionsunterricht, wenn er den von ihren Eltern nicht in religiöse Traditi- wiesen. Diese Werte können und müssen Klassenverband nach dem Glauben oder onen eingeführt. Nur durch eine kritische im Religionsunterricht präsentiert, reflek- Nichtglauben der Kinder beziehungsweiReflexion des eigenen Glaubens sind se dem der Eltern aufteilt. Wenn beispielstiert und kritisiert werden. sie dazu in der Lage, sich begründet für weise der Islam im christlichen Konfessioder gegen Konfirmation, Firmung oder onsunterricht behandelt wird, sitzen viel Kirchenaustritt zu entscheiden. Dieses zu häufig die dazugehörigen Gläubigen Wissen über die eigene Religion erlangen im Unterrichtszimmer des alternativen junge Menschen oft nur im schulischen Schulfachs oder lassen sich freistellen. So Religionsunterricht. Es genügt nicht, aus wird ein gemeinsamer Austausch über einem neutralen Ethikunterricht heraus Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Lisa-Marie Werner alle Religionen zu betrachten. Vielmehr Religionen verhindert und das Entstehen 18, Leimen ist es notwendig, die eigene Konfession von Vorurteilen bestärkt. von innen kennenzulernen und aus dieNicht nur Vorurteile können aus … schätzt die vielseiser Position heraus mit anderen Religidem Religionsunterricht resultieren. Er tigen Diskussionen im Religionsunterricht. onen in Dialog zu treten. unterstützt auch den Hang zu unloReligionslehrerinnen und -lehrern gischen Erklärungsmustern. Da Religiwird gerne vorgeworfen, sich mit dem onsgemeinschaften großen Einfluss auf Religionsunterricht eine Plattform zu Inhalt und Lehrende des bekenntnisge-

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Yannic Walther 18, Chemnitz … hatte sowohl Religions- als auch Ethikunterricht.


KONFLIKTSTOFF KOPFTUCH

DER KOPFTUCHSTREIT SPALTET DIE GESELLSCHAFT – TOM PIENDL HAT DIE HINTERGRÜNDE BELEUCHTET. IM GESPRÄCH MIT EINER KOPFTUCHTRÄGERIN HAT ER GEMERKT, DASS DER KONFLIKT NUR GEMEINSAM GELÖST WERDEN KANN.

KOPFTÜCHER SIND NICHT NUR RELIGIÖSE KLEIDUNG, SONDERN KÖNNEN AUCH ALS MODISCHE ACCESSOIRES GETRAGEN WERDEN.

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ein Kopftuch ist für mich ein Identitätsmerkmal und auch ein Glaubensbekenntnis“, sagt die 22-jährige Muslima Merve Kayikci, die seit ungefähr zehn Jahren ein Kopftuch trägt. „Manchmal weht mir dadurch Gegenwind entgegen, aber das macht mich auch stark“, sagt die Studentin. Seit Jahren wird über ein Verbot der umstrittenen Kopfbedeckung in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen diskutiert. Die Bezeichnung als Kopftuchstreit spiegelt die Emotionalität der Debatte wider, die beiden Lager sind tief gespalten: Laut einer Umfrage des kritischen Marktforschungsinstituts YouGov aus dem Jahr 2016 befürwortet jeder zweite Deutsche bzw. jede zweite Deutsche ein Kopftuchverbot an Schulen. „Ganz offensichtlich geht es beim Kopftuchstreit keineswegs bloß um ein Stück Stoff“, schrieb der Theologe Hei-

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ner Bielefeldt bereits im Jahr 2005 auf der Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung. Das Kopftuch besitze einen hohen Symbolwert, wobei es hier schwer sei, zwischen einer bewusst von der Trägerin beabsichtigten und einer von außen unterstellten symbolischen Bedeutung zu trennen. Inwieweit die Frauen und Mädchen das Kopftuch aus freier Entscheidung oder unter dem Druck ihrer Familien tragen, werde zudem sehr unterschiedlich eingeschätzt, so Bielefeldt.

RELIGIONSFREIHEIT VERSUS NEUTRALITÄT Der Konflikt hält an, auch die Gerichte sind sich uneinig: Mehrere Rechte müssen gegeneinander abgewogen werden, wodurch der juristische Konflikt vorprogrammiert ist. „Eine Lehrerin mit Kopftuch kann sich auf ihre Religionsfreiheit

berufen“, erklärt der Kirchen- und Staatsrechtsexperte Christian Waldhoff. „Als Beamtin repräsentiert sie jedoch den Staat, der wiederum zur religiösen Neutralität verpflichtet ist.“ Zahlreiche Prozesse zum Kopftuchstreit führten in den letzten Jahren zu unterschiedlichen Urteilen. Große öffentliche Aufmerksamkeit galt dem Rechtsstreit um die Lehrerin Fereshta Ludin: Sie klagte, nachdem ihr die Einstellung als Lehrerin in Baden-Württemberg aufgrund ihres Kopftuchs verwehrt wurde. Ihre Klage scheiterte 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht. Im Jahr 2015 sprach es jedoch das sogenannte zweite Kopftuchurteil aus, nach dem das Kopftuch Lehrerinnen nur bei konkreter Bedrohung des Schulfriedens untersagt werden darf. Merve Kayikci spricht sich ebenfalls gegen ein generelles Kopftuchverbot aus: „Mit einem pauschalen Verbot werden

Foto: Johannes Kolb

muslimische Frauen zu Unrecht stigmatisiert. Man unterstellt Muslimas, sie seien nicht neutral, begegnet ihnen aber selbst nicht neutral. Es wäre fair, den muslimischen Frauen die Chance zu geben, sich zu beweisen.“

Tom Piendl 16, Telgte … hat gemerkt, dass das Kopftuch nicht „nur ein Stück Stoff“ ist.


MAGISCHER ORT MITTEN IM HERZEN DER POLITIK

SEIT DEN NEUNZIGERJAHREN GIBT ES IM BUNDESTAG EINEN ANDACHTSRAUM. MAREK WALDE HAT SICH DIESEN BESONDEREN ORT ANGESCHAUT.

OHNE VIEL SCHNICKSCHNACK – DER ANDACHTSRAUM IM DEUTSCHEN BUNDESTAG

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s ist Viertel nach acht Uhr morgens, noch ruht der parlamentarische Alltag. Rund um Raum 19 im ersten Stockwerk des Reichstagsgebäudes füllen sich die Gänge. Hier befindet sich ein kleiner Gebetsraum, in dem während der Plenarwochen immer donnerstags und freitags eine kurze Andacht abgehalten wird – für alle Abgeordneten, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für alle Konfessionen. Wenn gerade keine Andacht ist, kann natürlich auch jede Besucherin und jeder Besucher in den Raum kommen. Wer vorbeischaut, kann vor dem stressigen parlamentarischen Alltag noch etwas Energie und Ruhe tanken. In diesem ehrwürdigen Gebäude, in diesem mit Rauputz und Stein gestalteten Raum. Um Abgeordnete aller Fraktionen zur Andacht zu rufen, ertönen kurz vor dem Beginn Aufnahmen der Glocken des Kölner Doms im Reichstagsgebäude. Alle Menschen, die dem Gebet beiwohnen möchten, werden von einer Bundestagsmitarbeiterin persönlich empfangen und in den Raum geführt. „Es ist etwas ganz Besonderes, dass wir hier einen Andachtsraum im Bundestag haben“, sagt der Bundestagsabgeordnete Karl Schiewerling von der CDU. „Mir ist kein anderes Parlament bekannt, das so etwas hat.“ Der Raum wurde Ende der 1990er-Jahre vom Architekten Günther Uecker gestaltet. Er soll überkonfessionell sein, weist dennoch überwiegend christliche Symbole auf. An den Wänden stehen jeweils zwei große Steintafeln. Sie sind deckenhoch, rechteckig und haben

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einen Durchmesser von circa einem halben Meter. „Die Tafeln sind mit Sand, Nägeln und Steinen gestaltet“, erzählt Schiewerling. Er komme regelmäßig zu den morgendlichen Andachten. „Die Nägel stehen für Beschwerlichkeit, aber auch für Zusammenhalt und dafür, etwas fest zu machen“, sagt der Abgeordnete. „Die Steine wiederum symbolisieren die Arbeit und unseren Weg.“ Sie stammen von einem Bahndamm und sind von hinten durch die Kunstwerke durchgeschlagen. Dies soll die zentrale Bedeutung von Arbeit symbolisieren. Das einzige wirklich offensichtlich christliche Symbol hier im Raum ist ein Taufbecken mit Weihwasser. Doch wer genau hinschaut, erkennt ein weiteres Symbol. Jeweils zwei Platten stehen circa einen halben Meter voneinander entfernt. Zieht man Linien zwischen den jeweils gegenüberliegenden Lücken, so ergibt sich ein Kreuz. Religiös sind, zumindest auf dem Papier, die meisten Bundestagsabgeordneten. Von den 432 Mitgliedern des Bundestages, die Angaben zu ihrer Religion gemacht haben, sind 200 evangelisch, und 203 katholisch. Drei Abgeordnete sind Muslime, 23 sind konfessionslos, drei andere sind Atheisten.

DONNERSTAGMORGEN IM ANDACHTSRAUM Im Raum können bis zu 24 Personen Platz nehmen. An diesem Donnerstagmorgen sind die Bänke nicht voll besetzt. Insge-

Foto: Johannes Kolb

samt 17 Bundestagsmitglieder, oder deren Als überkonfessioneller Andachtsraum Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sind bietet dieser nicht nur Christen die Möggekommen. Zusätzlich sind noch ein Or- lichkeit zum Gebet: „Am Rande dieses ganist und eine Küsterin anwesend. Es ist Ortes finden wir eine Gebetskante“, ereine besondere Atmosphäre. Sowohl vor, klärt Schiewerling. „Kniet man sich vor als auch während der Andacht herrscht diese, dann betet man genau Richtung andächtige Stille. Die Andacht beginnt Mekka. Wir haben hier im Raum auch mit „Wie schön leuchtet der Morgen- Gebetsteppiche und für die Christen ein stern“. Anders als man es oft in Kirchen Holzkreuz.“ Zusätzlich finden sich in den erlebt, singen hier die Abgeordneten laut Vitrinen im Eingangsbereich viele Schrifmit. Damit man von der Straße aus nicht ten und Symbole unterschiedlichster Rein den Raum blicken kann, hat der Archi- ligionen. tekt eine weitere Wand gezogen. So kann Nach dem abschließenden Lied nur noch an einer Stelle Licht direkt in „Befehl du deine Wege“ beginnt für die den Raum fallen. Durch das so entstehen- Abgeordneten der stressige parlamende indirekte Licht wird im Raum eine ma- tarische Alltag. Jetzt müssen sie Reden gische Atmosphäre geschaffen. Auf das halten, Ausschüsse besuchen und wichLied folgen ein Psalm und das Vaterunser. tige Termine wahrnehmen.

EINMAL AM TAG INNEHALTEN Am heutigen Tag trägt der Bundestagsabgeordnete Josef Rief von der CDU die sogenannten „Gedanken zum Tag“ vor. Er nimmt regelmäßig an den morgendlichen Andachten teil. „Mir ist es wichtig, mich vor dem Tag einmal zu sammeln und mir Gedanken über wichtige Dinge im Leben zu machen“, sagt Rief. Dieser Morgenimpuls biete ihm auch Orientierung in stressigen Zeiten. Auch eine Bundestagsmitarbeiterin kommt aus ähnlichen Gründen oft hierher: „Für mich ist dieser besinnliche Tagesauftakt sehr wichtig“, sagt sie. Sie selbst führe manchmal Konfirmandengruppen aus ihrer Heimat durch den Andachtsraum. „Das macht mir immer große Freude.“

Marek Walde 16, Coesfeld-Lette … ist überzeugt, dass Gummibärchen Gottes Entschädigung für Brokkoli sind.


WENN FRITZ WALTER ZUM FUSSBALLGOTT WIRD

MENSCHEN, DIE AN DEN FUSSBALLGOTT GLAUBEN UND IM STADION EINE MESSE FEIERN? JANA BALLWEBER BEGIBT SICH BEI IHREM EIGENEN HERZENSKLUB, DEM 1. FC KAISERSLAUTERN (FCK), AUF DIE SUCHE NACH IHNEN. Pfarrer Felmberg sieht Assoziationen zu Hölle und Teufel entspannt. Das diene wohl eher Marketingzwecken als dass geglaubt werde, dass der Teufel auf dem Betzenberg wohnt. Spielerische Äußerungen, das Stadion sei eine Hölle, um den Gegner zu verunsichern, betrachtet er nicht als Problem. Ob Gebete zu Fritz Walter dem FCK in wichtigen Spielen helfen, ob das höllische Stadion den Gegner einschüchtert, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Fest steht, dass Fußball im Leben vieler Fans des FCK einen Stellenwert hat, der mit dem einer Religion zu vergleichen

„…es ist so, als ob der Teufel da irgendwo herumspukt…“ Marco van Hoogdalem, FC Schalke 04

DER FUSSBALLPLATZ IST FÜR DIE EINEN HOBBY, FÜR DIE ANDEREN SCHON FAST HEILIG.

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etze unser „Unser Fritz Walter im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Geist komme, dein Wetter geschehe! So auch heute in Hoffenheim!“ So bittet die FCK-Fanseite „Treffpunkt Betze“, benannt nach dem Betzenberg, auf dem das Stadion steht, vor dem Relegationsspiel 2013 um den Bundesliga-Aufstieg gegen die TSG 1899 Hoffenheim das Kaiserslauterer Idol Fritz Walter, Weltmeister von 1954, um Hilfe. Der „alte Fritz“ soll den Regen, das legendäre „Fritz-Walter-Wetter“, schicken und dem FCK so den Aufstieg bescheren. Fußballgötter von Toni Turek bis Bastian Schweinsteiger sind gern gesehene Gäste in allen Stadien. Doch verstorbene Spieler um Hilfe anzuflehen, geht über normale Fanleidenschaft hinaus. Stefan Roßkopf, Pressesprecher beim FCK, sieht bei der Verehrung des Klubs durchaus religiöse Züge. Von einem „FCK-Schrein“ ist die Rede, oder von Fanschals, die als „Reliquien“ behandelt würden. Er glaubt zwar, dass diese Verbindung meist nicht bewusst entstehe, sondern Ausdruck der Wichtigkeit des Vereins im Leben dieser Menschen sei. „Der FCK ist dennoch oft mehr als ein Freizeitvergnügen“, sagt Roßkopf. Und die Fans der „Roten Teufel“ sind nicht die einzigen, die eine religiöse Verbindung zu ihrem Klub pflegen. Bernhard Felmberg, Stadionpfarrer von Hertha BSC Berlin, sieht in vielen großen Stadien Parallelen zu einer Messe: die Gesänge und das Spiel als Predigt oder Fan-Schals als liturgische Gegenstände. „Die Sinn-

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suche löst sich immer mehr von der Institution Kirche, viele Menschen basteln sich ihren Glauben als eine Art Patchwork-Religion zusammen“, sagt Felmberg. Und so gehöre die Leidenschaft für

„Als der Himmel weinte vor Glück, da wusste ich genau, dass da oben einer sitzt, der uns sein Wetter schickt.“ Marcus Sommer und die 12. Männer in „Der Regen“

einen Fußballklub für manche auch direkt zu ihrer Weltanschauung. Umgedichtete Gebete gingen ihm allerdings zu weit, so viel „Pseudoreligiosität“ sei im Fußball nicht angebracht. Ein potenzieller Herrgott sieht das vielleicht ähnlich. Denn das „Betze unser“ nützte dem FCK in diesem Fall nichts, die Relegationsspiele gingen verloren. Doch bei anderer Gelegenheit ist der Fußballgott empfänglicher. Mai 2008, der Verein droht, in die 3. Liga abzusteigen. Eine existenzbedrohende Situation für den chronisch klammen Klub. Am letzten Spieltag ging Stefan Kuntz, der damalige Vorstandsvorsitzende des FCK, auf den Friedhof ans Grab seiner Großeltern. In der Nähe liegt Fritz Walter begraben. In einem Gespräch mit dem Fußballmagazin „11 Freunde“ be-

Foto: Johannes Kolb

richtet Kuntz von flehenden FCK-Fans am Grab des Lauterer Idols. Beim Stand von Null zu Null öffnete sich nach einem Pfostenschuss der Kölner Gegner der Himmel, es fing an zu regnen. Einige Minuten später erzielten die „Roten Teufel“ das erste von drei Toren. Am Ende des Tages war der Verein gerettet und der Mythos „Fritz-Walter-Wetter“ strahlte heller als je zuvor. Für Pressesprecher Roßkopf sind religiöse Bezüge vor allem Übertreibungen der Fans im Wettstreit mit anderen Klubs. Wer findet die leidenschaftlichere Metapher für das, was er für seinen Klub empfindet? Der Verein übernehme dann diese Begriffe, sie würden zur Institution. Das alles geschehe aber immer mit einem Augenzwinkern. Gemeint sei nicht der biblische Teufel, sondern ein gewitztes Wesen, das kämpfe bis zum Umfallen und niemals aufgebe. Doch es gibt auch immer wieder Menschen, die an dieser Art von Identifikation keinen Gefallen finden. Eine Dauerkartenkampagne unter dem Titel „Betze unser – dein Pakt mit den Roten Teufeln“ stieß bei Kirchenvertreterinnen und Kirchenvertretern auf Empörung. Udo Sopp, Pfarrer und ehemaliger Präsident des FCK, sprach von einem „missratenen Umgang mit religiösen Symbolen“. Und Sopps Wort hat beim FCK Gewicht. Roßkopf berichtet von einem Lernprozess des Vereins. Keiner wolle die Kirchen angreifen, deshalb würden deren Reaktionen bei der Planung künftiger Kampagnen berücksichtigt.

ist. Fans pilgern auf den Betzenberg, halten in ihrem Tempel eine Messe ab und werden vom 1. FC Kaiserslautern auch im täglichen Leben begleitet. Ob das begrüßenswert ist, daran werden sich die Geister auch in Zukunft scheiden. Doch schon ein anderer „alter Fritz“, Friedrich der Große, prägte eine Auffassung, die wohl fanatische Fans, Vertreter und Vertreterinnen der Kirchen und neutrale Beobachter vereinen kann: „Jeder soll nach seiner Façon selig werden.“

Jana Ballweber 20, Karlsruhe … glaubt nicht an Gott, aber er ist ihr im Fußballstadion schon mal über den Weg gelaufen.


„DISKRIMINIERT DAS GRUNDGESETZ DEN ISLAM?“

IN DEUTSCHLAND GIBT ES EINE GROSSE RELIGIÖSE VIELFALT. ABER SIND ALLE GLAUBENSGEMEINSCHAFTEN VOR DEM GESETZ GLEICH? TJORVEN LEICHT SPRICHT MIT DEM JURA-PROFESSOR CHRISTIAN WALDHOFF ÜBER DIE AKTUELLE RECHTSLAGE. HERR WALDHOFF, KÖNNEN SIE IN WENIGEN WORTEN ERKLÄREN, WAS DAS STAATSKIRCHENRECHT IST? Das Staatskirchenrecht oder auch Religionsverfassungsrecht gliedert sich in zwei Stränge. Es gibt einmal das Grundrecht der Religionsfreiheit, das den Einzelnen oder die Einzelne in seinem Glauben und in seiner Religion schützt. Und dann gibt es die Regelungen staatlichen Rechts, die Religion als gemeinschaftliche Veranstaltung als Ganzes schützen und regeln. Um das Ganze an einem Beispiel deutlich zu machen: Der oder die Einzelne wird geschützt, wenn sie oder er alleine betet. Aber wenn zum Beispiel die katholische Kirche eine Fronleichnamsprozession veranstaltet, bei der auch gebetet wird, ist das eine Kollektivveranstaltung.

HEUTZUTAGE WIRD DIE SÄKULARISIERUNG SEHR GROSS GESCHRIEBEN. IN DEUTSCHLAND GIBT ES EIN KOOPERATIONSMODELL, DAS KIRCHE UND STAAT ZUMINDEST TEILWEISE VONEINANDER TRENNT. STEHT DAS RELIGIONSVERFASSUNGSRECHT IHRER MEINUNG NACH DER SÄKULARISIERUNG EIN STÜCK WEIT IM WEG?

Das Religionsverfassungsrecht beeinflusst das unmittelbar gar nicht, das dürfte der Staat auch nicht. Wenn sich unsere Gesellschaft immer weiter säkularisiert, ist das erst einmal ein Faktum, das der Staat zur Kenntnis zu nehmen hat. Aber dadurch, dass das Rechtsgebiet der Religion – im Einzelnen wie auch in der Gemeinschaft – zahlreiche Angebote macht und so stark privilegiert ist, könnte man das natürlich als Hemmnis auslegen, auch wenn das momentan nicht zu beobachten ist. Der Staat dürfte das nicht beeinflussen, aber indirekt tut er es natürlich, wenn er Religionen fördert und als Partner auf sie setzt.

2007 BERICHTETE DIE „FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG“, DASS DER DAMALIGE INNENMINISTER WOLFGANG SCHÄUBLE DAVON AUSGING, DASS DER ISLAM LANGFRISTIG ALS KÖRPERSCHAFT DES ÖFFENTLICHEN RECHTS ANERKANNT WERDE. WÜRDEN SIE DAS HEUTE AUCH SO BEURTEILEN? In Hessen haben bereits zwei oder drei islamische Gemeinschaften diesen Körperschaftsstatus erlangt. Ich könnte es mir in der Tat vorstellen, aber das kann meiner Meinung nach noch zwanzig bis dreißig Jahre dauern. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zu sein, setzt voraus, dass die

betroffene Glaubensgemeinschaft sich selbst organisiert und dass es eine gewisse Anzahl von Mitgliedern gibt. Das widerspricht in gewisser Weise dem Selbstverständnis und der Tradition des Islam. Es stellt sich die Frage, ob die Verlockung, den Körperschaftsstatus und die dadurch entstehenden Vorteile zu erlangen so groß ist, dass sich die Religionsgemeinschaft dem Gesetz nach ausreichend organisiert, ohne die religiöse Identität zu verlieren.

DER ISLAM IST IN DEUTSCHLAND ÄHNLICH WIE DAS JUDENTUM MIT SEINEM ZENTRALRAT IN DACHVERBÄNDEN ORGANISIERT. DER ZENTRALRAT DER JUDEN IST ALS KÖRPERSCHAFT ANERKANNT, DIE DACHVERBÄNDE DER MUSLIMAS UND MUSLIME NICHT. IST DAS NICHT EINE DISKRIMINIERUNG? Nein, ich glaube, dass die jüdische Gemeinschaft in Deutschland eine gewisse Sonderbehandlung erfährt, kann aus gegebenen historischen Gründen gerechtfertigt werden. Die Muslimas und Muslime hingegen leben hier erst seit den Siebzigerjahren in größerer Zahl.

ABER DIE MORMONENKIRCHE, EINE RELIGIÖSE MINDERHEIT, IST IN BERLIN ANERKANNT. WO LIEGT DANN DER UNTERSCHIED? Man muss eine Religionsgemeinschaft sein, also die Struktur der Religionsgemeinschaft muss stimmen. Bei den Mormonen ist das im Gegensatz zum Islam der Fall, es ist also von der rechtlichen Seite her keine Diskriminierung gegeben. Ich wünsche mir, dass bestimmte islamische Gruppen langfristig den Körperschaftsstatus erlangen werden.

Tjorven Leicht 19, Leverkusen … hat gestaunt, wo Religion überall mitmischt.

ZU R P E R S ON CH RI S T I A N WA L DHO F F ist Experte für Religionsverfassungsrecht. Seit April 2014 ist er Dekan der juristischen Fakultät an der Humboldt-Universität zu Berlin. Der breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde er als einer der Bevollmächtigten des Bundesrates im NPD-Verbotsverfahren.

CHRISTAN WALDHOFF IM GESPRÄCH MIT REPORTERIN TJORVEN LEICHT

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Foto: Samuel Groesch


DIE „HINKENDE TRENNUNG“

LAUT GRUNDGESETZ HAT DEUTSCHLAND KEINE STAATSKIRCHE. ABER IST ES DESWEGEN SÄKULAR? NOAH KÖGEL GEHT DIESER FRAGE GENAUER NACH.

ie Bundesrepublik trennt Staat und Religion nicht strikt voneinander, sondern räumt religiösen Gemeinschaften Privilegien ein. „Deutschland unterstützt Religionen in einem viel größeren Umfang als andere Staaten, die eigentlich auch säkular aufgebaut sind“, sagt Christian Waldhoff, Professor für öffentliches Recht und Finanzrecht an der HumboldtUniversität zu Berlin. Säkularisierung bedeutet die Trennung von Staat und Religion. Sie hat sich vor allem durch die Französische Revolution 1789 in vielen Teilen Mitteleuropas durchgesetzt. Heutzutage, über 200 Jahre danach, ist sie weiterhin vorherrschend in Europa und im Geburtsland der Revolutionen wird sie durch das Verbot von Religionsunterricht in staatlichen Schulen sogar strenger als anderswo praktikziert. Doch wie ist die Situation in Deutschland? Was sagt das Grundgesetz zur Beziehung von Staat und Religion? Im Wesentlichen sind für dieses Verhältnis zwei Artikel von besonderer Relevanz: Zum einen Artikel 4, der jeder einzelnen Person Religionsfreiheit sichert, und Artikel 140, der Teile der Weimarer Verfassung erhält. Sie entstanden zu einer Zeit, in der das Christentum die Gesellschaft in Deutschland prägte, und sagen aus, dass Deutschland keine Staatskirche hat. Das bedeutet, dass keine Glaubens-

Foto: Johannes Kolb

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„hinkende Trennung“ bezeichnet. Ein Beispiel, an welcher Stelle es hinkt, ist die Kirchensteuer, die durch das Finanzamt von jedem Kirchenmitglied einbehalten wird. Aber warum macht der Staat sich diesen Aufwand? Waldhoff zufolge erhoffe der Staat sich Leistungen, mit denen er selber nicht dienen kann. „Der Staat hat Recht, aber keine Moral“, sagt Waldhoff. Religionsgemeinschaften würden den Kern ihrer Religion besser verstehen und seien daher auch in der Lage diesen zu lehren. Man spreche aufgrund des gegenseitigen Nutzens von Staat und Religion von einem Kooperationsmodell. Wichtige gesellschaftliche Eigenschaften des Zusammenlebens wie Moral und Ethik würden durch Religionen gefördert und diese seien von großer Bedeutung für einen funktionierenden Staat.

WIE GROSS IST DER ABSTAND ZWISCHEN BIBEL UND GRUNDGESETZ WIRKLICH?

gemeinschaft besondere Bevorzugung durch den Staat erhalten darf. Dennoch sichern diese Artikel den Religionsgemeinschaften eine besondere Möglichkeit zu: Sie können durch die Beantragung der Staatskörperschaft des öffentlichen Rechts Beamte einstellen oder Steuern über das Finanzamt einziehen. Dazu müssen aber bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sein. So gilt zu beachten, wie lange die Gemeinschaft schon besteht

und ob sie sich rechtstreu verhält. Wer gegen das Gesetz verstößt, soll verständlicherweise keine Vorteile des Staates in Anspruch nehmen dürfen.

Noah Kögel 18, Werdohl

WO „HINKT“ ES?

… war überrascht, dass das Grundgesetz Religionen als Kooperationspartner fördert.

Die Bundesrepublik gibt den Religionsgemeinschaften also Privilegien. Dieses Verhältnis wird daher seit den 1960er-Jahren durch Staatsrechtler Hans Liermann als

SOCIAL KIRCHE

HEUTZUTAGE VERSUCHEN VIELE KIRCHEN ÜBER SOZIALE MEDIEN JUNGE MENSCHEN ZU ERREICHEN UND FOLLOWER ZU GEWINNEN. WIE ERFOLGVERSPRECHEND DAS IST, UNTERSUCHT LINA STEINBOCK.

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mmer häufiger sind Kirchen in sozialen Medien vertreten und immer mehr Würdenträgerinnen und Würdenträger wie Papst Franziskus haben Accounts auf verschiedenen Plattformen. Die katholische Kirche versucht dadurch, eine Konstante im Leben der Gläubigen zu bleiben und eine persönliche Verbindung herzustellen. Durch ihre lange Geschichte und mitunter konservative Haltung wirkt sie oft wie ein Raumschiff in einer weit entfernten Galaxie.

KATHOLISCH.DE FACEBOOK 93 0000 FOLLOWER TWITTER 12 000 FOLLOWER INSTAGRAM 4 000 FOLLOWER Katholisch.de ist eine Webseite, die das ändern will. „Wir haben grundsätzlich den Anspruch, ein für alle Altersgruppen ansprechendes Angebot zu machen. Derzeit sind die 14- bis 18-Jährigen bei uns unterdurchschnittlich vertreten, weshalb

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DER PAPST AUF TWITTER

wir intensiver daran arbeiten, auch jüngere Zielgruppen zu erreichen“, sagt Kilian Martin, Redakteur bei katholisch.de. Die Jugendlichen heutzutage seien kaum kirchlich aktiv, durch die Webseite solle Interesse an markanten Themen geweckt werden. Katholisch.de postet neben Beiträgen, die auch in anderen Medien dis-

kutiert werden, auch Videos von Handlungen, die im Gottesdienst stattfinden, wie den Blasiussegen oder die Vergabe des Aschenkreuzes. Seit einiger Zeit ist auch der Papst in den sozialen Medien aktiv. Papst Franziskus hat 3,9 Millionen Follower auf Instagram. Die US-Sängerin Beyoncé hat dagegen etwa 102 Millionen. Das zeigt, dass der Papst, obwohl er auf der ganzen Welt bekannt ist, immer noch nicht so viele Menschen über Instagram erreicht wie Popstars. „Bezogen auf beispielsweise Bischöfe, die auf Social-Media-Kanälen persönlich aktiv sind, ist es sicher wünschenswert, wenn sie ansprechbar sind. Beim TwitterAccount des Papstes ist das aus vielerlei Gründen natürlich nicht möglich; obwohl man den Tweets anmerkt, dass sie viel seiner Persönlichkeit wiedergeben“, so Martin. Die Communauté de Taizé, eine Kloster-Gemeinschaft in Frankreich, zu der im Jahr tausende Jugendliche aus der

ganzen Welt fahren, hat schon vor einigen Jahren den Social-Media-Kanal Snapchat für sich entdeckt. Diese App ermöglicht es, dass die User und Userinnen in Bild und Ton bei verschiedenen Tätigkeiten dabei sind. Ganze Gottesdienste oder Ausschnitte davon werden über dieses Medium übertragen. So können gerade Jugendliche, die nicht in die Kirche gehen, Ausschnitte des Klosterlebens mitbekommen, die sie interessieren.

Lina Steinbock 18, Bad SodenSalmünster … ist eine von 93 000 Followern von katholisch.de auf Facebook.


O MARIA, HILF!

BISHER HAT SICH NOCH KEIN PAPST FÜR DIE WEIHE VON PRIESTERINNEN STARK GEMACHT. NILS SCHNIEDERJANN HAT HERAUSGEFUNDEN, WAS MENSCHEN BEWEGT, TROTZDEM WEITERZUKÄMPFEN.

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ie Gleichberechtigung von Mann und Frau ist in Artikel 3 des Deutschen Grundgesetzes als Grundrecht garantiert. Viele Menschen haben das Gefühl, nicht nur auf dem Papier gleichberechtigt zu sein. Schließlich wird Deutschland seit über einem Jahrzehnt von einer Bundeskanzlerin regiert, Frauen sind heute wesentlich häufiger in Führungspositionen tätig als früher, Kinder und Haushalt sind nicht mehr bloße Frauensache. Dennoch scheint sich die größte Religionsgemeinschaft, die katholische Kirche, der gelebten Gleichberechtigung zu verschließen: Auch heute noch haben Frauen nicht die Möglichkeit, Priesterinnen zu werden. Umso mehr verblüfft eine Broschüre der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 2015 mit dem Namen „Gender katholisch gelesen“. In dieser zeigt sich die katholische Kirche von einer anderen Seite: Offen, realistisch, nah am Leben der Menschen. Forderungen, wie „Maßnahmen für mehr Frauen in Führungspositionen“, lassen erwarten, dass sich die Kirche auch gegenüber Priesterinnen offen zeigt.

stern, die eine theologisch gleiche Ausbildung hinter sich hätten, keine Sakramente spenden dürfe. „Einige Menschen haben mich auch um die Krankensalbung, Trauung oder Taufe ihrer Kinder gebeten“, so Scheffer. Dass sie diese dann enttäuschen müsse, sei unfair. Stefan Förner zufolge nimmt die katholische Kirche keine Vorreiterrolle in der Genderdebatte ein. Er distanziert sich jedoch vom Bild einer rückwärtsgewandten katholischen Kirche: „Im Rahmen unserer Möglichkeiten fördern wir Frauen, wo wir können. Bei gleicher Qualifikation werden Frauen zum Beispiel bevorzugt.“ Lisa Scheffer reicht das aber nicht aus: „An dem Priesteramt hängt ein ganzer hierarchischer Rattenschwanz.“ Nur wer die Priesterweihe erhalten hat, kann Bischof, Kardinal oder sogar Papst werden und in der Kirche mitentscheiden. Förner erklärt, warum die katholische Kirche auch das anders sieht: Wer sich als Frau in Deutschland mit theologischen Fragen beschäftigen möchte, finde genug Möglichkeiten. Auch wenn es bisher keine Statistiken zu dem Thema gebe, hätten viele Universitäten mittlerweile Theologinnen als Dozierende eingestellt.

ALLE APOSTEL WAREN MÄNNLICH Stefan Förner, Pressesprecher des Erzbistums Berlin, stellt allerdings klar: „Frauen können zwar durchaus wichtige Funktionen einnehmen, das Priesteramt bleibt aber nur Männern zugänglich“. Die Begründung der katholischen Kirche: Jesus hat seine zwölf Apostel zu Priestern berufen, diese waren laut Bibel alle männlich. Schon 1994 hat der damalige Papst Johannes Paul II. die Diskussion für beendet erklärt, seine Nachfolger folgten dieser Linie. Ende 2016 berichten zwar unter anderem die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und der „Deutschlandfunk“, dass sich Papst Franziskus offen für die Weihe von Diakoninnen, einer Art Vorstufe zur Priesterweihe, zeige. Der Papst mache jedoch klar: Er habe lediglich eine Kommission einberufen, die klären solle, ob Diakoninnen in der Geschichte der katholischen Kirche eine Rolle gespielt hätten. Diakoninnen wird es nach ihm so schnell also nicht geben – und Priesterinnen erst recht nicht.

TABUTHEMA IM VATIKAN Auch nach Papst Johannes Paul II. Entscheidung ist der Streit um die Priesterinnenweihe also längst nicht beendet. „Natürlich hat eine solche Aussage des Papstes eine gewisse Relevanz“, sagt Förner. Es sei jedoch bisher kein Dogma ausgesprochen worden, die Lehre sei also nicht unumstößlich.“ Für Verfechterinnen und Verfechter der Priesterinnenweihe fühle es sich seitdem dennoch wie ein Redeverbot an, sagt Scheffer. „Natürlich können wir im Privaten darüber sprechen, im Vatikan ist es durch das Apostolische Schreiben aber eher ein Tabuthema geworden“. In einem Punkt sind sich Kirche und Pastoralreferentin zumindest einig: In den kommenden Jahrzehnten wird die Priesterinnenweihe Frauen weiterhin verwehrt bleiben. „Wenn das Zwischenmenschliche stimmt, kann man sich aber auch als Frau in der Kirche wohlfühlen und einbringen“, sagt Scheffer. Den Einsatz für weibliche Priesterinnen werde sie dennoch nicht aufgeben.

PRIESTERINNENWEIHE OHNE KIRCHE Damit geben sich jedoch nicht alle Katholiken und insbesondere Katholikinnen zufrieden. Immer wieder kommt die Debatte auf, immer wieder fordern Frauen die gleichen Rechte in der Kirche wie Männer ein – indem sie sich zum Beispiel von liberalen Bischöfen weihen lassen. Diesen Weg haben 2002 sieben Frauen aus Österreich, Deutschland und den USA eingeschlagen, seitdem sind ihnen weltweit mehr als 120 weitere gefolgt.

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DIE PRIESTERINNENWEIHE BLEIBT FRAUEN NOCH VERSCHLOSSEN.

Der Vatikan war nicht gerade begeistert: 2008 entschied er, dass alle weiblichen Priesterinnen automatisch aus der Glaubensgemeinschaft ausgeschlossen werden. Weniger radikal, aber nicht weniger leidenschaftlich unterstützt Lisa Scheffer, Pastoralreferentin in einer Gemeinde in Nordrhein-Westfalen, seit vielen Jahren

Foto: Johannes Kolb

das Anliegen, Männer und Frauen in der katholischen Kirche gleich zu behandeln. Die Begründung ihrer Kirche, warum Frauen keine Priesterinnen werden dürfen, kann sie nicht nachvollziehen: „Das Wort ‚Priester‘ wird in der Bibel nicht einmal genannt“, sagt Scheffer. Sie verstehe nicht, warum sie im Gegensatz zu Prie-

Nils Schniederjann 18, Hildesheim … findet Feminismus immer noch cool und Diskriminierung eher uncool.


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ABERGLAUBE IST KEIN NEUES PHÄNOMEN. IHN GIBT ES SCHON SO LANGE WIE DIE EINZELNEN RELIGIONEN SELBST. DIE BEGEGNUNG MIT SCHWARZEN KATZEN ODER DAS DATUM „FREITAG, DER 13.“ LASSEN VIELE MENSCHEN ERSCHAUDERN. DOCH WOHER KOMMEN DIESE NEGATIVEN ASSOZIATIONEN MIT ALLTÄGLICHEM? VON LAURA MEYER

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BRINGEN SCHERBEN WIRKLICH GLÜCK?

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as Wort „Aberglaube“ taucht erst- dern auch körperlich und sinnlich in mals im 13. Jahrhundert auf und sich aufnimmt. Die im nordwesteuropästeht gegensätzlich zum Glauben. Der ischen Raum immer seltener werdenden Aberglaube hat allerdings niemanden, „Schluckbildchen“ sollen angeblich gegen der ihn definiert, kein Kirchenoberhaupt, fast alles wirksam sein. sondern wird von Menschen, die ihn abDabei gehören Religion und Aberlehnen, definiert. Daraus lässt sich auch glaube nicht automatisch zusammen. das „Aber“ erklären. Im Gegensatz zur Aber sie haben eine Gemeinsamkeit, sagt Religion, in der man sich selbst einem Professor Becker-Huberti: Beide beschäfoder mehreren Göttern unterordnet, kann tigten sich mit dem Übernatürlichen und man den Aberglauben selbst beeinflussen, suchten dort auch Hilfe. Eine klar defiindem man, so der Theologie-Professor nierbare Grenze zwischen dem AberglauManfred Becker-Huberti, glaubt, „man ben und der Religion gebe es daher nicht, könne sich transzendente Kräfte mit die Sphären verwischten sich. Das sähe Hilfe von Ritualen oder Mitteln gefügig man nicht nur an den Schluckbildchen, machen“. So entstanden im Christen- sondern auch daran, dass sich Rituale tum Traditionen wie die sogenannten wie die kirchliche Trauung mit dem Aber„Schluckbildchen“. Das sind Papierbögen, glauben vermischt hätten. die mit Heiligen bedruckt sind, und die man, wenn man sie braucht, auseinan- ANDERER KULTURKREIS, derfalten kann und hinunterschluckt, um ANDERE SITTEN einen Teil davon in sich zu haben. Das Um dem zukünftigen Ehepaar viel beruht auf der Vorstellung, dass man im Christentum, indem man die Hostie Glück zu wünschen wird – zumindest schluckt, Gott nicht nur seelisch, son- in christlich geprägten Kulturkreisen –

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Foto: Johannes Kolb

Porzellan am sogenannten Polterabend der Zahl 13 zurückzuführen, zum andezerbrochen. In anderen Religionskreisen ren auf das alte Rom und den Orient, wo bringen dagegen andere Bräuche Glück: bereits bestimmte Tage als unglückbrinIm Judentum wird bei einer Hochzeit tra- gend gefürchtet waren. Dazu kommen hiditionell Glas zerbrochen. Vor allem in storische Ereignisse, die am Freitag, den der Türkei verbreitet ist das sogenannte 13. passiert sind – wie zum Beispiel der Nazar-Amulett. Es soll den bösen Blick fatale Börsencrash im Jahr 1929. abwenden und wird hierfür an Türen beAußerdem gibt es noch viele weifestigt oder als Schmuckstück getragen. tere Formen, in denen der Aberglaube In Berlin findet man das Nazar-Amulett uns auch im alltäglichen Leben begegnet in vielen Geschäften oder auch in Döne- – beispielweise in Form von Glücksbrinrimbissen. Mahmoud Abou-Khazne, ein gern oder bestimmen Ritualen vor KlauMitglied des Teams von „Falafel 1000“, suren. sagt jedoch, dass „wer wirklich nach dem Islam lebt, weiß, dass es Schwachsinn ist“. Er vertritt die Meinung, dass man das Amulett nicht braucht, um Glück zu Laura Meyer haben. 17, Saarbrücken Neben dem Glauben, dass bestimme Symbole oder Riten bestimmte Dinge … wurde erst jetzt hervorrufen, wird häufig auch Zahlen bewusst, wie viele verschiedene Arten von eine besondere Bedeutung zugeschrieGlauben es gibt. ben. Weltbekannt ist der Mythos, dass Freitag, der 13. ein Unglückstag sei. Dies ist zum einen auf das schlechte Image


GOTT IST GRÖSSER ALS DIE ANGST DER BEGRIFF „ALLAHU AKBAR“ MACHT VIELEN MENSCHEN ANGST, DIE DEN ISLAM NICHT KENNEN. HANNAH HOFER ERKLÄRT EINE VON DER WESTLICHEN WELT MISSVERSTANDENE FORMEL, DIE ALLTÄGLICHER IST ALS ERWARTET.

„GOTT IST GRÖSSER“ GIBT ES IN VIELEN SPRACHEN.

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Grafik: Johannes Kolb und Julian Kugoth

ngreifer mit Machete am Louvre ruft mit diesen Worten zum ersten Gebet ge‚Allahu Akbar‘“, meldete die Deut- rufen haben. Seitdem beginnt jede Passasche Presse-Agentur nach einem Angriff ge des täglichen Gebets mit „Allahu Akin Paris. bar“. Traditionell erinnern sich Gläubige Durch solche Medienberichte wird durch das Gebet daran, dass es neben der Ausruf von Menschen, die den Islam irdischen Nöten einen weiteren Horizont nicht kennen, häufig mit Terror assoziiert. – Gott – gibt, der größer und wichtiger ist Dabei haben diese Worte im Alltag eine als alles andere. zentrale Bedeutung für praktizierende Musliminnen und Muslime. FRAGE DER SPRACHE „Allahu Akbar“ heißt wörtlich übersetzt „Gott ist größer“. Der Gründervater „Muslimischen Menschen könnte es sinndes Islam, der Prophet Mohammed, soll voll erscheinen, diese Erinnerung an den

weiteren Horizont im Alltag auf andere Situationen zu übertragen“, sagt der Religionswissenschaftler Andreas Feldtkeller. Das erkläre, dass Arabisch sprechende muslimische Studierende nach einer erfolgreichen Klausur „Allahu Akbar!“ ausriefen. Eine muslimische Jugendliche erläutert: „Wenn ich ‚Allahu Akbar‘ umgangssprachlich nutze, dann möchte ich Erstaunen ausdrücken, aber auch kurz Gott gedenken.“ Auch wenn es im Arabischen andere Begriffe gäbe, die in ihrer Übersetzung näher an „Gott sei Dank“ seien, ließe es sich so sinngemäß in die deutsche Praxis übertragen. Auch Arabisch sprechende Christinnen und Christen sagen „Allahu Akbar“, um Freude oder Erstaunen auszudrücken. Türkischsprachige Musliminnen und Muslime dagegen verwenden es neben dem Gebet nicht. Diese Redewendung hat sich bei ihnen im Alltagsgebrauch einfach nicht durchgesetzt.

MISSBRAUCH DES ALLTAGS Trotzdem bleibt die Frage, warum Terroristinnen und Terroristen die alltägliche Formel instrumentalisieren. Feldtkeller verweist auf die europäische Kolonialisie-

rung des arabischen Raums im 20. Jahrhundert: „,Allahu Akbar‘ war antikolonial und gegen westliche Machtansprüche gerichtet. Die Formel verweist darauf, dass Gott größer ist als menschliche Herrscher, die für sich beanspruchen, in einem arabischen Land zu regieren.“ Historisch sei das nachvollziehbar. Damit Gewalt gegen Unbeteiligte zu begründen sei jedoch vollkommen falsch – auch aus der Sicht vieler Musliminnen und Muslime. Der Berliner Imam Kadir Sanci findet einen weiteren Grund: „Terroristen greifen die Worte ‚Allahu Akbar‘ auf, um zu einer Solidarität im Kampf aufzurufen. Ich möchte nicht sagen aller Musliminnen und Muslime, sondern aller Terroristinnen und Terroristen.“

Hannah Hofer 19, Werder/Havel … weiß jetzt, dass „Allahu Akbar“ eher wie „Allahu Äkbär“ ausgesprochen wird.

DANN WAR ICH EINFACH WEG

HINEINGEBOREN IN DIE GEMEINSCHAFT DER ZEUGEN JEHOVAS STIEG SARAH* MIT 17 JAHREN AUS. EINE GESCHICHTE ÜBER KINDHEIT, ERWACHSENWERDEN UND DIE FLUCHT AUS DER WACHTTURM-GESELLSCHAFT. AUFGESCHRIEBEN VON LEA STRATMANN.

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ch bin mit der „Wahrheit“ aufgewachsen. So bezeichnen die Zeuginnen und Zeugen ihre Glaubensinhalte. Eine schöne Kindheit am Stadtrand von München, Anfang der Achtzigerjahre. Grün, idyllisch. Dass meine Freundinnen und Freunde in der Schule kein Geburtstagsständchen für mich sangen und ich keine Weihnachtsgeschenke bekam, störte mich nicht. Schließlich war ich Zeugin – wie meine Eltern. Und deren Eltern. Sie lehrten mich das Stillsitzen: In den ewigen, nicht enden wollenden Versammlungen im „Königreichssaal“ und den privaten Treffen, die wöchentlich in unserem Wohnzimmer stattfanden.

ÜBER DAS ERWACHSENWERDEN „Ein sensibles Kind muss nicht jedes Mal geschlagen werden“, hieß es damals noch in unserer „Wachtturm-Literatur“. Trotzdem erlebte ich Gewalt: Ohrfeigen für die, die in der Versammlung zappelten, statt zuzuhören. Oder ein „kleiner Klaps“. Eine Selbstverständlichkeit, die mich meine Kindheit und frühe Jugend begleitete und

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Heute bin ich 39 Jahre alt und mein Ausstieg jährt sich zum 23. Mal. Trotzdem weiß ich: Die Ideologie der Zeugen Jehovas wird immer zu meiner Geschichte gehören. Viele „Königreichlieder“ kenne ich immer noch auswendig. Und den Geburtstagen meiner Kinder kann ich DIE „WELTbis heute nichts abgewinnen. Es braucht LICHE“ Zeit, Distanz zu gewinnen. Meinen VerMit 15 ließ ich stand habe ich allerdings nie vor dem mich das erste „Königreichssaal“ abgegeben. „Erkenne Mal beim sozialen die Wahrheit und die Wahrheit wird dich Dienst des Jugend- freimachen“, heißt es nämlich bei den amtes beraten. Da- Zeugen. Wie ironisch – denn ich bin frei. mit festigte sich mein Entschluss: *Name von der Redaktion geändert Ich wollte weg. Foto: Johannes Kolb SARAH WOLLTE FRÜH AUS DER SEKTE AUSTRETEN. Etwa ein halbes erste Zweifel aufkeimen ließ. Viele mei- Jahr vor meinem 18. Geburtstag zog ich ner Fragen konnte mir niemand beant- über Nacht in ein Mädchenhaus. An die Lea Stratmann worten. Ich schämte mich, wenn ich zum Nacht erinnere ich mich nur dunkel – al17, Hildesheim Verkünden unserer Lehren an der Haustür les ging unheimlich schnell. Das Familimeiner Mitschülerinnen und Mitschüler engericht befreite meine Eltern von dem … bewundert den Mut ihrer Protagonistin, sich klingelte oder meiner Biologie-Lehrerin Recht, über meinen Aufenthaltsort zu bebereits in frühen Jahren die „wahre“ Literatur zur Schöpfung stimmen. Es war meine Chance auf ein gegen die eigene Familie überbringen musste. Und inmitten der selbstbestimmtes Leben – und ich nutzte zu stellen. lächerlichen Versammlungen starb ich sie. Geschichtsstudium, Studentenleben, fast vor Langeweile. Im Alter von zwölf Freiheit. Jahren merkte ich, dass es die anderen waren, die ‚falsch‘ sind. Nicht ich.


SO GLAUBT DAS GEHIRN

IM GEHIRN IST EIN SOGENANNTES GOTTESMODUL BEHEIMATET. JIMMY FRANZ VERSUCHT HERAUSZUFINDEN, WAS IM GEHIRN VON GLÄUBIGEN PASSIERT.

GLAUBE UND GEHIRN SIND UNTRENNBAR MITEINANDER VERBUNDEN.

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eligiöser Glaube ist nach wie vor in der Gesellschaft präsent. 64 Prozent der Weltbevölkerung gehören einer der vier größten Religionsgemeinschaften an. Sie sind also entweder katholisch, protestantisch, muslimisch oder hinduistisch. Hierfür könnte es eine wissenschaftliche Begründung geben. Die Neurologie versucht zu erklären, welche Gehirnströme aktiviert werden, wenn ein Mensch glaubt. Oft sind dafür mehrere Gehirnareale zuständig. Die Neurologen Andrew Newberg und Eugene D’Aquili forschten bereits 2004 in München und Zürich im Rahmen der Studie „Der gedachte Gott“, zum Zusammenhang zwischen Religionsausübung und Gehirn. Sie fanden heraus, dass es im Gehirn ein Feld gibt, das die Sinne koordiniert und so die Orientierung möglich macht. Beim Glauben herrsche eine Empfindung, die die Aktivität im Gehirn verändere. Die Symptome seien religionsübergreifend dieselben und würden somit für alle Gläubigen gelten. Das Orientierungszentrum hilft beim Glauben bei der Einordnung von Sinneseindrücken und ist anschließend auch zur Wiedergabe der gewonnenen Erkenntnisse notwendig.

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In einer Studie wurde dies anhand von tibetischen Mönchen herausgearbeitet. Beim Meditieren veränderten sich ihre Gehirnstimulationen: Eindrücke aus der Umgebung und die eigene Persönlichkeit verschwimmen miteinander. Dieser Effekt hält langfristig an und wird durch regelmäßige Meditation gefördert. So ist erkennbar, warum Meditation oder auch ein religiöses Gebet jemanden in eine „andere Welt“ transportieren können. Dick Swaab, ebenfalls Neurowissenschaftler, schreibt in seinem 2011 erschienenen Buch „Wir sind unser Gehirn“ sogar über unterschiedliche Arten von Gehirnaktivität. Es komme darauf an, welche Art von Meditation durchgeführt werde und dabei reagiere das Gehirn dann unterschiedlich. Verantwortlich dafür sei das sogenannte Gottesmodul.

DAS „GOTTESMODUL“ Bei religiösen Praktiken gibt es einen Gehirnbereich, der als „Gottesmodul“ agiert. Villanur Subramanian Ramachandran prägte diesen Begriff. Der Neuropsychologe untersuchte die Gehirnaktivität bei religiösen Praktiken und vermutet, hier das „Zentrum des Glaubens“ gefunden

Foto: Johannes Kolb

zu haben. Im Gehirn geht dabei ein biologischer Prozess vor sich. Wissenschaftler glauben, hier den Grund für eine transzendente Phase gefunden zu haben, denn man wird von seiner Umgebung losgerissen. Wissenschaftlich gesehen kreuzen sich an dieser Stelle die Augennerven. Beim Glauben hilft das „Gottesmodul“ aber, die Orientierung zu behalten. Ramachandran nennt es, aufgrund der Lokalisation im Gehirn, die Schläfenlappen-Persönlichkeit. Sie ist im rechten vorderen Gehirn lokalisiert und speichert moralische und ethische Einstellungen. Dort sitzt also die Persönlichkeit, auf die man beim Glauben zugreift.

das aktiv passiert, denn der Bereich ist nur sehr vage erforscht. Newberg und D’Aquili fanden heraus, dass der Glaube bei gläubigen Menschen eine ständige Rolle in ihrem Gehirn spielt.

NAHTOD-ERFAHRUNGEN Immer wieder berichten Menschen von Dingen, die sie sahen, bevor sie zum Beispiel nach einem Herzstillstand wiederbelebt wurden. Die sogenannten Nahtoderfahrungen hängen oft mit der eigenen praktizierten Religion zusammen. Es sind Erkenntnisse, die so real wirken wie im echten Leben. Neurologische Berichte erklären das mit einem Sauerstoffmangel im Gehirn. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werfen die Frage auf, ob

Jimmy Franz 18, Freudenstadt … weiß jetzt, warum Menschen glauben.


Politik verstehen: mitmischen.de

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„EIN MINENFELD MORALISCHER FETTNÄPFCHEN“

ABTREIBUNG IST EIN TABUTHEMA IN UNSERER GESELLSCHAFT. DAS GESETZ BILLIGT EINEN SCHWANGERSCHAFTSABBRUCH – IN DER KATHOLISCHEN UND EVANGELISCHEN KIRCHE GEHEN DIE MEINUNGEN JEDOCH AUSEINANDER. VON ALISA STIETENROTH

„SCHWANGER“, SAGT DER TEST. WAS NUN?

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nd Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllt die Erde“ – so heißt es in der Bibel. Dennoch entscheiden sich jährlich etwa 100.000 Frauen in Deutschland für einen Schwangerschaftsabbruch. Bei den wenigsten fällt die Entscheidung auf Basis medizinischer Gründe: Das Baby von einem Vergewaltiger austragen? Für viele Frauen unvorstellbar.

Behinderung bestehen, können EINE FRAGE DES GLAUBENS Abtreibungen noch nach der Die katholische Kirche dagegen lehnt 22. Schwangerschaftswoche Abtreibung strikt ab. Sie wird in der kaohne rechtliche Konsequenzen tholischen Kirche sogar mit der Exkomdurchgeführt werden. Doch munikation, also dem zeitweisen oder nicht alles, was Recht ist, ist dauerhaften Ausschluss aus einer relibekanntlich auch richtig. Auch giösen Gemeinschaft, bestraft. In einem Abtreibung ist nicht nur eine Erlass des Papstes von 1965 heißt es: rechtliche Frage, sondern auch „Abtreibung und Töten des Kindes sind verabscheuungswürdige Verbrechen.“ eine moralische. Das Gebot „Du sollst nicht töten“ gilt hier ohne Einschränkung – auch für ein noch EINE FRAGE DER ungeborenes Kind. Denn: Leben beginne VERANTWORTUNG nach Auffassung der katholischen Kirche „Abtreibung ist ein Minenfeld bereits mit der Befruchtung der Eizelle. moralischer Fettnäpfchen“, sagt Ab diesem Zeitpunkt habe der Embryo die Martin Germer, Pfarrer an der gleichen Rechte wie jeder andere Mensch Gedächtniskirche in Berlin. „Le- auch. ben steht unter dem Schutz der Bibel – nicht nur das des Babys, sondern auch das der ungewollt Foto: Johannes Kolb schwangeren Frau“, so Germer. Die Mutter trage schließlich die EINE FRAGE DES RECHTS Verantwortung dafür, ein fürDas Gesetz verlangt keine Begründung sorgliches Umfeld für ihr Kind zu schafAlisa Stietenroth der Schwangeren, aber ein Beratungsge- fen. Wenn sie dieser Verantwortung nicht 17, Hannover spräch, das laut Paragraph 218 des Straf- gewachsen sei, sollte eine Frau ihr Recht gesetzbuchs mindestens drei Tage vor auf Selbstbestimmung nutzen dürfen. Un… findet es auch nach dem Abtreibungstermin erfolgen muss. In ter bestimmten Gesichtspunkten sei es langer Diskussion nicht angemessen, dass Deutschland haben Frauen die Möglich- deshalb nachvollziehbar, ein Kind abzuAbtreibung in Deutschkeit, eine Schwangerschaft innerhalb von treiben, meint Justus Münster, Pfarrer für land laut Gesetz zwölf Wochen nach der Zeugung straffrei Notfallseelsorge an der Landeskirche in rechtswidrig ist. abzubrechen. Sollte die Vermutung einer Berlin.

FRUCHTFLEISCH GLAUBEN SIE AN DAS SCHICKSAL? ZAHLT SICH AUS

CHRISTOPH, 67 JAHRE WAS MAN TUT, ZAHLT SICH WIEDER AUS, UND KOMMT AUF EINEN ZURÜCK. MAN HAT DIE MÖGLICHKEIT ES ZU VERBESSERN, INDEM MAN VERNÜNFTIGE ENTSCHEIDUNGEN TRIFFT UND DIESE UMSETZT.

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KARMA

MARTHA, 15 JAHRE ICH GLAUBE SCHON, DASS ES DAS SCHICKSAL GIBT. ICH BIN SELBER GLÄUBIG UND GLAUBE, DASS KEINE DINGE OHNE GRUND PASSIEREN. ICH GLAUBE SCHON AN ETWAS ÜBERMÄCHTIGES UND KARMA, ICH GLAUBE SCHON, DASS ES JEMANDEN GIBT, DER DARAUF ACHTET, DASS ALLES GENAU IST.

NICHT VORBESTIMMT

NICOLE, 45 JAHRE NEIN, ICH GLAUBE NICHT AN DAS SCHICKSAL. SCHICKSAL IST EHER IM SINNE VON GEGEBENHEITEN, WIE ZUM BEISPIEL WO BIN ICH GEBOREN, WOHER KOMMEN MEINE ELTERN, ES IST WEDER VORBESTIMMT, NOCH ZUFÄLLIG, ES IST WIE ES IST.


GLOSSAR Ambo: Erhöhtes Pult in christlichen Kirchen für gottes-

dienstliche Lesungen (z.b. Evangelium).

Antijudaismus: Traditionelle Form der Judenfeindschaft aufgrund der Religion seit der Antike.

Antisemitismus: Abneigung oder Feindschaft gegenüber Juden als „Rasse“ und nicht nur als Religionsgemeinschaft.

Apostel: Bezeichnung für die Jünger Jesu und urchristliche Missionare, welche die Botschaft Jesu in die Welt hinaustragen sollten. Aschenkreuz: Symbol der Buße und Reinigung das

vom Priester auf die Stirn gezeichnet/ den Kopf gestreut wird, traditionell am Aschermittwoch.

Blasiussegen: Der Märtyrerbischof Blasius soll ein Kind

vor dem Ersticken bewahrt haben. Bei der Erinnerungszeremonie hält der Priester zwei Kerzen überkreuz in der Hand und segnet am 3. Februar die Gläubigen.

Nazar: Im orientalischen Raum verbreitetes augenför-

miges blaues Amulette, das den „bösen Blick“ abwenden soll, also vor Unglück, Pech und Neid anderer schützen soll.

Pastoralreferent/in: Theologin oder Theologe, die/ der hauptberuflich in der Seelsorge eingesetzt wird, ohne eine Weihe empfangen zu haben.

Pantheismus: Lehre, nach der Gott in allen Dingen der Welt existiert bzw. Gott und Weltall identisch sind. Psalm: Eines der im Alten Testament gesammelten religiösen Lieder, Gebete oder Gedichte des jüdischen Volkes. Ramadan: Ist der Fastenmonat des islamischen Kalenders. Das Fasten ist eine der „fünf Säulen des Islam“. In der Zeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang darf weder gegessen noch getrunken werden. Sakramente: Zeichenhafte Handlung im Christentum,

Dogma: Verbindliche, unumstößliche Glaubensaussage.

die in traditionellen Formen vollzogen wird und nach christlichem Glauben dem Menschen in sinnlich wahrnehmbarer Weise die Gnade Gottes übermittelt (z.B. beim christlichen Abendmahl).

Exerzitium: Geistliche Übungen zur inneren Einkehr,

Säkularisierung: Loslösung des Einzelnen, des

um Gott nahe zu sein.

Jesuiten: Katholische Ordensgemeinschaft „Gesellschaft Jesu“, welche neben der missionarischen Arbeit in besonderer Weise mit dem Papst in Verbindung steht. Kafan: Ein aus drei Teilen bestehendes weißes Tuch, das im Islam u.a. als Leichentuch verwendet wird.

Konversion: Übertritt von einer Konfession oder Religion in eine andere.

Kreatitionismus: Festhalten an einer wortwörtlichen

Auslegung des biblischen Schöpfungsberichts, in der Gott die Rolle des alleinigen Schöpfers der Erde und des Lebens einnimmt. Kreationisten lehnen die Evolutionstheorie ab.

Liturgie: Offiziell festgelegte Form des christlichen Got-

tesdienstes.

Quellen: Duden, kath.de, jesuiten.org, renk-magazin.de

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Staates und gesellschaftlicher Gruppen aus den Bindungen an die Kirche bis hin zur vollständigen Trennung zwischen Religion und Staat.

Theologie: Wissenschaftliche Lehre von einer als wahr

vorausgesetzten Religion, ihrer Offenbarung, Überlieferung und Geschichte/ Glaubenslehre.


F R I S CH , F R UC HTIG, S E L BS TGE P R ES S T – M IT M ACHEN @PO LIT IK O RAN G E.DE

I MPR ESSUM Diese Ausgabe von politikorange entstand während des 14. Jugendmedienworkshops im Deutschen Bundestag 2017, der vom 05. bis 11. März in Berlin stattfand. Herausgeber und Redaktion: politikorange c/o Jugendpresse Deutschland e.V., Alt-Moabit 89, 10559 Berlin, www.politikorange.de Chefredaktion (V.i.S.d.P.): Julia Fedlmeier (juliafedlmeier@gmail.com) Vanessa Reiber (v.reiber@web.de)

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rintmagazine, Blog und Videos: politikorange erreicht sein Publikum über viele Kanäle und steht neuen Wegen offen gegenüber. Junge, kreative Köpfe berichten in wechselnden Redaktionsteams aus einer frischen Perspektive. Ob aktuelle Themen aus Politik und Gesellschaft oder die kritische Begleitung von Veranstaltungen – politikorange ist mittendrin.

POLITIKORANGE – DAS MULTIMEDIUM politikorange wurde 2002 als Veranstaltungszeitung ins Leben gerufen. Rund 130 Ausgaben wurden seither produziert. Seit Anfang an gehören Kongresse, Festivals, Parteitage und viele weitere Events zum Programm. 2004 kamen Themenhefte hinzu, die aktuelle Fragen aus einer jugendlichen Sichtweise betrachten. 2009 nahm politikorange Video und Blog ins Portfolio auf und präsentiert spannende Beiträge unter den Labels politikorange TV und blog.politikorange.de.

WO KANN ICH POLITIKORANGE LESEN? Gedruckte Ausgaben werden direkt auf Veranstaltungen und über die Landesverbände der Jugendpresse Deutschland e.V. verteilt. Im Online-Archiv auf politikorange.de können digitalisierte Magazine durchgeblättert und Videos aufgerufen werden. Printausgaben können kostenlos nachbestellt werden – natürlich nur, solange der Vorrat reicht. Für das Stöbern auf dem Blog genügt der Aufruf von blog.politikorange.de.

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Redaktionsleitung: Tristan Reitter (tristan.reitter@gmail.com) Leonie Schlick (leonie-catherine@web.de) Bildredaktion: Johannes Kolb (kolbjohannes@web.de) Layout: Samuel Groesch (samuel@groes.ch) Redaktion: Jana Ballweber, Tobias Bayer, Ann Katrin Blachnik, Julia Brinker, Jawad Ahmad Dauadzai, Mareike Dierkes, Jimmy Franz, Linda Göttner, Hannah Joy Hofer, Sophia Kaleta, Noah Kögel, Delia Kornelsen, Tjorven Leicht, Eveline Leier, Laura Meyer, Theresa Müller, Miriam Ortner, Tom Piendl, Greta Schenke, Hanna Schmid, Nils Schniederjann, Philip Schönfeld, Christiane Seitz Munoz, Lina Steinbock, Alisa Chiara Stietenroth, Lea Stratman, Sophia Tensing, Marek Walde, Yannic Walther, Lisa-Marie Werner Leitung Lehrredaktion politikorange: Jens Moggert, Inga Dreyer und Julian Kugoth Projektbetreuender Vorstand: Jonas Kunze Teilnehmenden-Betreuung: Maja Herzog Projektleitung: Hanja Runge (h.runge@jugendpresse.de) Druck: BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH Auflage: 16 000 Exemplare Ein besonderer Dank gilt den Partnerinnen und Partnern: dem Deutschen Bundestag, insbesondere Dr. Siegfried Gelbhaar, Christoph Grunske, Andrea Kruse, Andrea Arolt, Katerina Bienert, Frederike Kotter und Ramona Stubbe, der Bundeszentrale für politische Bildung, insbesondere Dr. Caroline Hornstein-Tomić, Fatih Demircan, Milena Mushak, Holger Kulick, Imke Dralle und Oleg Stepanov, sowie dem Team der Jugendpresse Deutschland. Nicht zuletzt danken wir den zahlreichen engagierten Abgeordneten.

EINE WOCHE POLITIK: DIE TEILNEHMENDEN DES JUGENDMEDIENWORKSHOPS IM DEUTSCHEN BUNDESTAG 2017

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Foto: Johannes Kolb


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