politikorange Anders

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ANDERS MAI 2014

UNABHÄNGIGES MAGAZIN ZUM WORKSHOP „INKLUSION - GESELLSCHAFT BEWEGT SICH“, HERAUSGEGEBEN VON DER JUNGEN PRESSE BERLIN E.V.


Fotos: Henry W. Laurisch und Kristoffer Schwetje

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\\ TITEL


INKLUSION

– WAS IST DAS EIGENTLICH? „INTEGRATION“ FÄLLT DABEI VIELEN ALS VERMEINTLICHES SYNONYM EIN ODER, DASS INKLUSION MENSCHEN MIT BEHINDERUNG BETRIFFT. IST INKLUSION ALSO NUR DIE INTEGRATION VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNG? NEIN! DER VERSUCH EINER BEGRIFFSKLÄRUNG VON MONA KEMNITZ

EXKLUSION

INTEGRATION

SEPARATION

INKLUSION

*UDƂN +HQULN 1ÙUQEHUJHU

I

nklusion von Menschen mit Behinde- recht. Fast schon Konsens ist: Der Mensch ist nicht per se behindert, er wird durch rung – ein Ideal, das noch lange nicht umgesetzt ist. Bereits der Begriff wird sein Umfeld daran gehindert, ein freies oft missverstanden und mit „Integration“ und selbstbestimmtes Leben mit gesellgleichgesetzt – aber das ist falsch: Inte- schaftlicher Teilhabe zu führen – durch gration geht von einer kleinen Gruppe aus, Barrieren. Neben den klassischen Trepdie in eine größere Gruppe gefügt wird, penstufen für Rollstuhlfahrer gibt es Kommunikationsbarrieren für seh-, hör- und also das Etablieren von Minderheiten in der Mehrheitsgesellschaft. Menschen mit sprachbehinderte Menschen, kognitive Behinderung, aber auch Menschen mit Barrieren durch fehlende Übersetzung in Migrationshintergrund oder nicht-hetero- „leichte Sprache“ und bürokratische Barsexuelle Menschen können aber integriert rieren. Chancengleichheit auf Teilhabe besein, ohne dass dadurch automatisch von Inklusion die Rede sein kann – denn In- ginnt in der Schulbildung und heißt gemeinsames Lernen von Kindern mit und klusion bedeutet die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaft- ohne Behinderung statt Förderschulen lichen Leben. Keine homogene Gruppe, oder „IntegrationsschülerInnen“ in den sondern jeder einzelne Mensch steht im weiterführenden Schulen. Ein umstrittenes Unterrichtsmodell - schließlich, so Mittelpunkt. Inklusion statt Integration muss das Ziel sein, meinen Experten wie die Angst vieler Eltern, seien die Kinder der Sonderpädagoge Dr. Frank Müller, in all ihrer Unterschiedlichkeit auch unterschiedlich lernstark und würden sich denn „Inklusion wird dem Spektrum an menschlicher Individualität und Vielfalt gegenseitig beim Lernen hindern. Ulla Schmidt, Vizepräsidentin des Deutschen besser gerecht“. Bundestages und Bundesvorsitzende der Lebenshilfe e.V., entgegnet: „Am Ende WO UND WIE ZEIGT SICH profitieren alle von Inklusion. Kinder in INKLUSION? heterogenen Gruppen stärken ihr SoziEtabliert hat sich der Begriff Inklusion im alverhalten, die eigene Kreativität, das Rahmen der UN-Behindertenrechtskon- Bewusstsein für Vielfalt und den Umgang vention, die 2006 verabschiedet wurde. mit eigenen Stärken und Schwächen“. In der Konvention verpflichten sich die ratifizierenden Staaten, Menschen mit GESELLSCHAFTLICHE Behinderung dieselben Chancen auf ge- AUFGABE sellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen wie Menschen ohne Behinderung. Ge- Doch Bildung ist nur ein Bereich: Inklusisellschaftliche Teilhabe ist ein Menschen- on betrifft die ganze Gesellschaft. Arbeits-

markt. Kultur. Politik. Alltag. Auch hier ist das Ideal der Inklusion keinesfalls erreicht. Die Tatsache, dass viele Menschen nicht mal ein genaues Verständnis davon haben, was Inklusion bedeutet, offenbart fehlendes Bewusstsein für die Aufgabe, vor der die Gesellschaft steht. Um dem entgegenzuwirken, müssen die Chancen von Inklusion erkannt werden.

VIELFALT IST NORMALITÄT Denn eine inklusive Gesellschaft schließt niemanden aus, erkennt Vielfalt auf Augenhöhe an und bietet jedem dieselben Rechte und Chancen der Teilhabe, Mitgestaltung und individueller Selbstentfaltung. Die Idee: „Normal“ ist nicht, heterosexuell zu sein oder eine bestimmte Herkunft zu haben, normal ist nicht, keine Behinderung zu haben. Normal ist es, dass Menschen verschieden sind.

EDITO RIA L Liebe Leserinnen und Leser, im Umgang mit Menschen mit Behinderung ist die Inklusion zum konsensfähigen Ziel geworden. Doch immer, wenn es um die praktische Umsetzung geht, bleiben viele Fragen offen: Es gibt Unsicherheiten, Vorbehalte, es werden eher die Grenzen als die Chancen betont – und oft wird sogar gänzlich kapituliert. Vielen ist zudem nicht klar, was der Begriff Inklusion genau bedeutet. 22 Nachwuchsredakteurinnen und -redakteure haben sich für diese Ausgabe der politikorange auf Spurensuche begeben: Nach Definitionen und nach praktischen Beispielen, nach Zusammenhängen, wo Inklusion versucht wird, wo sie gelingt und wo es noch Baustellen gibt. Die Bandbreite der Artikelthemen zeigt auf, wie komplex das Bestreben nach Inklusion ist. Denn Inklusion ist kein abgeschlossenens Feld, sondern greift über in viele Bereiche des Lebens: Ob im Arbeitsmarkt, in der Bildung, im Engangement und der politischen Beteiligung, im praktischen Alltag und im Sport – überall muss Inklusion mitgedacht werden. Mit unserem Titel „Anders“ wollen wir auch ein wenig provozieren. Wir wollen anregen, über die eigenen Vorstellungen nachzudenken von dem, was als „normal“ und als davon abweichend, eben als „anders“, begriffen wird, um letztlich doch festzustellen, dass Vielfalt Normalität ist. Und genau darin sind wir dann wieder alle gleich: Jeder Mensch hat Eigenheiten und Bedürfnisse, auf die sich einre offene und tolerante Gesellschaft einstellen muss. Die Inklusion von Menschen mit Behinderung ist dabei ein wichtiger Schritt. Viele Erkenntnisse beim Lesen wünschen, Jasmin Bartels und Johanna Kleibl

IN HA LT

»Erstreiten« Erfahrungen vom zähen Kampf um Leistungen mit Kassen und Ämtern: Seite 5

»Erarbeiten« Ausbeutung oder Chance? Ein Artikel über das ambivalente Bild von Behindertenwerkstätten: Seite 8

»Ermöglichen« Die Teilhabe an Wahlen muss auch für Behinderte gewährleistet sein. Wie das umgesetzt wird: Seite 21

Mona Kemnitz 20, Berlin ...kann jetzt unbefangener das Wort Inklusion benutzen.

WORUM ES GEHT //

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DAS VERSPRECHEN

MIT IHREN KONKRETEN FORDERUNGEN WIRD DIE UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION VON ALLEN SEITEN GELOBT. AM BILDUNGSSYSTEM ZEIGT SICH ALLERDINGS, DASS SICH DEUTSCHLAND IN DER UMSETZUNG NOCH SCHWER TUT. VON REBECCA FREITAG

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as die Vereinigten Nationen entscheidet, bringt meistens Vorteile für die Betroffenen. Auch in puncto Behindertenrechte kamen die UN 2006 zu einer Einigung – die Behindertenrechtskonvention (BRK) – die viele Vorteile mit sich bringt: Gleichbehandlung der Menschen mit Behinderungen, gleiche Rechte, Mitbestimmung in der Politik, keine Ausnutzung, keine unmenschlichen Behandlungen, Recht auf privaten Raum, gleiche Bildung, genug Geld zum Leben, Sicherung eines Arbeitsplatzes, Zugänglichkeit, Selbstständigkeit, aber auch „Kleinigkeiten“, wie die Gebärdensprache im Fernsehen oder Weiterbildungen zum Umgang mit Behinderten für Ärzte und Pfleger.

DIE B EHI N DERTEN R ECH TS KO NV EN TION IM ÜB ER BL I CK Hintergrund: 10 Prozent der Weltbevölkerung sind behindert, in Deutschland fast 12 Prozent. Das ist die größte Minderheit. 'HƂQLWLRQ: Was gilt überhaupt als behindert? In der UN-Konvention sind das nicht nur körperliche Behinderungen, sondern auch langfristige Beeinträchtigungen der Psyche, des Geistes und der Sinne.

Was sich für viele als selbstverständlich erweist, ist in einigen Kulturkreisen nicht üblich. In vielen Ländern bedeutet behindert zu sein, am Rande der Gesellschaft zu leben und kann vermutlich zu Armut führen, denn den betroffenen Menschen ist oft der Zugang zu Bildung verwehrt. So sind 90 Prozent der Kinder mit Behinderung in Entwicklungsländern vom Bildungswesen ausgeschlossen. Allgemein sind deren Menschenrechte am meisten gefährdet. Aus diesem Grund waren allgemeingültige Rechte für Menschen mit Behinderung bitternötig. Nachdem sich die Staaten der UN auf einen Vertragstext geeinigt und diesen unterschrieben haben, muss dieser von dem jeweiligen Staat ratifiziert werden, damit es gültiges Nationalrecht wird. Danach beginnt in Deutschland der Prozess der Transformation, in der der Staat überprüft, inwieweit sein bestehendes Recht mit dem Vertragsrecht übereinstimmt oder kollidiert. Dementsprechend werden rechtliche Bestimmungen angepasst. Von den 158 Unterzeichnerstaaten haben 138 Länder die Konvention bereits ratifiziert. Doch auch die Ratifizierung ist kein Garant, dass der Vertragstext zu 100 Prozent in das nationale Recht umgesetzt wird. Denn die einzelnen Staaten haben die Möglichkeit, Vorbehalte zu äußern – das sind Einschränkungen der Auslegung bestimmter Passagen des Vertragstextes. Vor allem muslimisch geprägte Länder machten davon Gebrauch. Schließlich gibt auch die Möglichkeit, den Vertrag überhaupt nicht zu ratifizieren, wie es zum Beispiel die USA getan haben.

DEUTSCHLAND TUT SICH NOCH SCHWER Deutschland hat die Konvention 2009 ratifiziert. Auch vorher war Deutschland nicht untätig, was die Stärkung der Rechte von Behinderten angeht. Im Grundgesetz wurde 1994 der Zusatz aufgenommen, dass auch Behinderte von Diskriminierung und Benachteiligung

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Fotos: Henry W. Laurisch und Kristoffer Schwetje

INTERNATIONALE PERSPEKTIVE

'LH .RQYHQWLRQ besteht aus 50 Artikeln; Ziel ist die gleichberechtigte Teilhabe der Menschen mit Behinderung, unter anderem durch Nichtdiskriminierung, Chancengleichheit, Inklusion, Zugang zur Justiz und vielen weiteren Bereichen. Sie präzisiert die einzelnen Lebensweisen von Menschen mit Behinderungen. Konkret wird zum Beispiel Barrierefreiheit oder Wahlfreiheit des Wohnortes vorgeschrieben. 5DWLƂ]LHUXQJ: 2006 einigten sich die Vetragsstaaten der UN auf einen VerWUDJVWH[W UDWLƂ]LHUWH 'HXWVFKland diese Konvention, insgesamt sind es bisher 138 Staaten. Handlungsbedarf in Deutschland wird vor allem bei der Barrierefreiheit beim Transport, der freien Arztwahl oder der Bildung für junge Menschen mit Behinderung gesehen.

INS LICHT GERÜCKT: DIE UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION.

ausgeschlossen werden müssen. 2002 wurde ein Gesetz zur Gleichstellung im öffentlichen Dienst erlassen. Und im Sozialgesetzbuch wird die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geregelt. Diese Gesetze genügen jedoch nicht für eine vollständige Gleichberechtigung, denn Menschen mit Behinderung sind teilweise ausgeschlossen vom Wahlrecht oder haben eine Vermögensgrenze von 2600 Euro monatlich. Ein Schwerpunkt der Konvention ist Artikel 24 über die inklusive Bildung. Ziel ist es, dass 80 bis 90 Prozent der Schüler mit Behinderung eine Regelschule anstelle einer Förderschule besuchen. Ein ambitioniertes Ziel: Ungefähr 28 Prozent der Schüler mit Förderbedarf besuchen in Deutschland im Moment eine Regelschule. Damit hat sich die Anteil in den vergangenen vier Jahren um 10 Prozent erhöht. Doch hat sich gleichzeitig – und dies mag verwundern – der Anteil von Kindern an Förderschulen nur geringfügig verringert, nämlich von 4,9 auf 4,8 Prozent. Grund dafür ist, dass immer mehr Schülern ein besonderer Förderbedarf attestiert wird. Die vermehrte Inklusion an Regelschulen kann deshalb nicht darüber hinwegtäuschen, dass Förderschulen

\\ POLITIK UND PRAXIS

in ihrer Präsenz kaum verloren haben. An einer vollständigen Inklusion im Bildungssystem ist Deutschland somit noch weit entfernt.

EIN ABGESCHOTTETER REST Zu denken gibt auch die Frage, was mit den übrigen 10 bis 20 Prozent passieren soll, die keine Regelschule besuchen können. Es müssten folglich Förderschulen für jene Schüler bestehen bleiben, die „nicht integrierbar“ erscheinen. Sollen diese erst recht abgeschottet werden? Sie würden unter sich bleiben, ohne jegliche motorische oder sprachliche Vorbilder, von denen sie lernen könnten. Der Lehrer Dr. Frank Müller, der über dieses Thema seine Doktorarbeit geschrieben hat, sieht die Lösung in einer grundsätzlichen Veränderung des Schulsystems. „Unter anderem müssten das Bewertungssystem und die Dreigliedrigkeit des Schulsystems abgeschafft werden“. Dass noch einiges getan werden muss, damit Inklusion nicht ein reformiertes Integrationskonzept bleibt, sieht auch die Vorsitzende der Lebenshilfe e.V. und ehemalige Bundesministerin für Gesundheit, Ulla Schmidt. Vor allem müsse

die Pädagogik im Bildungssystem verändert werden. „Wir brauchen eine Unterrichtsorganisation, in der individuelle Förderung das Grundprinzip des Lernens ist“. Auch ein durchgängiges Unterrichtssystem mit zwei Lehrern sei notwendig. Trotzdem geht sie nicht davon aus, dass das Bildungssystem vollständig verändert werden muss, denn „das Bildungssystem zu verändern ist dasselbe, wie in Deutschland eine Revolution zu starten“. Gesetze bilden die Grundlage für ein gerechtes und gleichberechtigtes Leben für Menschen mit Behinderung. Doch unabdingar davon, braucht es ebenso engagierte Organisationen und alltägliche Berührungspunkte der Bürger. Nur mit ihnen kann eine wirklich inklusive Gesellschaft geschaffen werden.

Rebecca Freitag 21, Berlin ...ist dankbar, dass die Konvention keinen Paragraphendschungel, sondern konkrete Handlungsrichtlinien beinhaltet.


Foto: Kristoffer Schwetje

WIRD SCHNELL ZUM AKTENKRIEG: DER KAMPF UM ZUSTEHENDE LEISTUNGEN VON SOZIALÄMTERN UND KRANKENKASSEN.

BÜROKRATIEBARRIERE

AUF DEN GESETZLICHEN LEISTUNGSANSPRUCH BEHINDERTER MENSCHEN, FOLGT OFTMALS EIN ZÄHER KAMPF – UND DAS IN DER REGEL ÜBER MEHRERE JAHRE. VON FRIEDERIKE STRIETZEL

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aum hat sie das Abitur erfolgreich abgeschlossen, möchte Liliane Müller* mit einer Ausbildung beginnen. Die junge, selbstbewusste Frau plant außerdem, in eine eigene Wohnung zu ziehen. Ein ganz normaler Wunsch für jemanden, der gerade 22 Jahre alt ist. Doch das Sozialamt gesteht es ihr nicht zu. Denn sie lebt mit einer Behinderung. Sie hat einen Elektro-Rollstuhl und muss mehrere Stunden am Tag und die ganze Nacht beatmet werden. Die Ausbildung will sie von zu Hause aus absolvieren. Liliane schreibt einen Antrag auf „Hilfe zur Pflege“, damit sie eine persönliche Assistenz bekommt. Erste Ablehnung. Statt Liliane eine eigene Wohnung zu ermöglichen, will das Sozialamt sie in ein Pflegeheim einweisen. Nur durch eine persönliche Assistenz hat Liliane aber die Möglichkeit, sich jederzeit frei zu bewegen. Ihre letzte Hoffnung: ihr Rechtsanwalt. Weitere Ablehnungen folgen.

UND WAS SAGT DAS DEUTSCHE RECHT? Nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) IX § 1 hat ein Mensch mit Behinderung das Recht auf Selbstbestimmung. Auch in der UN-Behindertenrechtskonvention ist im Artikel 19 festgeschrieben, dass der Mensch nicht in seiner Freiheit eingeschränkt werden darf. Dennoch wird dieses Recht in Deutschland begrenzt. Beispielsweise durch § 9 Absatz 2 im SGB XII, der besagt, dass bei unverhältnismäßigem Kostenaufwand die Sozialhilfe

von der Aufgabe befreit ist, bestimmte Leistungen zu erfüllen. „Höhere Kosten“ werden dabei nicht weiter definiert. Auf diesen Paragraphen bezieht sich Lilianes Sozialamt, obwohl es ein Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention und das Menschenrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit darstellt.

ZÄHER KAMPF MIT DEN KASSEN Auch die Krankenkassen legen Menschen mit Behinderung mitunter Steine in den Weg. So zum Beispiel dem 25-jährigen Julian Mann*. Er hat zerebrale Bewegungsstörung (ICP). Durch diese Behinderung ist er in seinen Bewegungen so stark eingeschränkt, dass er auf einen ElektroRollstuhl angewiesen ist. Dieser ist mittlerweile schon veraltet und seinen Bedürfnissen nicht mehr angemessen. Also stellt Julian einen Antrag an seine Krankenkasse und bekommt die Zusage für einen neuen Rollstuhl – jedoch ohne eine dringend notwendige Hubvorrichtung, die es ihm ermöglichen würde, die Höhe des Rollstuhls zu verstellen. Dies schränkt Julian in vielen Tätigkeiten im Alltag ein, zum Beispiel beim Einkaufen. Die Krankenkasse lehnt seinen Antrag auf die unterstützende Vorrichtung ab, begründet durch das Hilfsmittelverzeichnis. Dieses ist eine Einigung von Krankenkassen, die festlegt, bei welcher Behinderung welche Hilfsmittel beantragt werden können. Selbst nach einer ausführlichen, schriftlichen Erläuterung seiner Ergotherapeu-

tin fordert die Kasse eine amtsärztliche Untersuchung. Für diese muss Julian mit einem Fahrdienst in einen anderen Ort fahren. „Julian ist kein Einzelfall“, berichtet seine Ergotherapeutin Simone Berglein*. Sie vermutet, dass die Kassen oftmals die Anträge nicht genügend prüfen und selten nachgefragte Hilfsmittel oft erst einmal ablehnen. Alexander Westheide von der Aktion Mensch e.V. erläutert: „Je höher die Kosten für den jeweiligen Träger – die Krankenkasse oder das Sozialamt –, desto aufwendiger ist es, Hilfsmittel oder eine Assistenz zu beantragen. So kommt es häufiger vor, dass die Antragssteller bis vor Gericht gehen müssen, um die Leistung zu bekommen, die ihnen die Teilhabe an der Gesellschaft und damit Inklusion ermöglicht“. Ein wichtiger Grund dafür sei, dass die Krankenkassen gewinnorientiert arbeiten würden und es somit zu einem Zielkonflikt komme. Dabei haben die Krankenkassen keinen Grund zu sparen: Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung haben die gesetzlichen Krankenkassen 2013 ihre Reserven auf 16,4 Milliarden Euro erhöht.

DURCHHALTEVERMÖGEN ERFORDERLICH

werden, dabei umfasst die Untersuchung nur eine mündliche Befragung und einen Stehtest. Das gesamte Verfahren dauert seinen Angaben zufolge fast eineinhalb Jahre. Liliane muss vor das Sozialgericht gehen, da die vielen Briefe ihres Anwalts an das Sozialamt zuvor keine Wirkung hatten. Im Eilverfahren spricht das Gericht Liliane schließlich vorläufig Recht zu. Das Sozialamt legt zunächst den Rechtsstreit nieder. Andernfalls wäre der endgültige Rechtsspruch erst in drei bis fünf Jahren zu erwarten gewesen. Julians und Lilianes Erfahrungen sind nur Einzelfälle vieler Betroffener. Dazu sagt Alexander Westheide von der Aktion Mensch: „Erst durch grundlegende Änderungen in den dafür verantwortlichen Sozialgesetzbüchern kann das System verändert werden.“ Erst danach könne auch die UN-Behindertenrechtskonvention erfolgreich umgesetzt werden. *Name geändert

Friederike Strietzel 22, Heidelberg

Julian bekommt nach dem zweiten Widerspruch und einer amtsärztlichen Untersuchung die benötigte Hubvorrichtung. Für einen Arztbesuch muss er mit einem Fahrdienst in einen anderen Ort gebracht

...wünscht allen Menschen, die wie Liliane und Julian um ihre Rechte kämpfen, viel Durchhaltevermögen.

POLITIK UND PRAXIS //

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Foto: Kristoffer Schwetje

GEMEINSAM LERNEN: ZU BESUCH IN EINER INKLUSIONSSCHULE.

GEMEINSAM LERNEN

WÄHREND IN DEUTSCHLAND KONTROVERS ÜBER DIE UMSETZUNG DER INKLUSION DISKUTIERT WIRD, MACHT DIE COMENIUS-SCHULE VOR, WIE ES FUNKTIONIEREN KANN. VON ARIANE GROTE UND LUCIA SCHULTHEISS

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inder sitzen am Tisch und sind in ihren Aufgaben vertieft. Einige lachen, die anderen zanken sich – wie in jeder Grundschule. Doch dies ist eine Inklusionsklasse. Das 15+5-Modell steht hier im Mittelpunkt. Das heißt, dass 15 Kinder ohne Behinderung mit fünf Kindern mit Behinderung in einer Klasse zusammen lernen. Die Comenius-Schule in Berlin Wilmersdorf legt ihren Förderschwerpunkt im Bereich Autismus. Pro Klasse stehen den 20 Grundschülern zwei Lehrer und eine Schulhelferin zur Verfügung. In der Klasse in der wir hospitieren dürfen, erzeugen zwei Stehlampen in den Ecken und die selbstgebastelten Bilder der Kinder einen sehr einladenden Eindruck im Klassenraujm.

SELBSTSTÄNDIGES LERNEN In der Doppelstunde befassen sich die Kinder mit einer besonderen Lernmethode: dem sogenannten Werkstattunterricht für den Förderschwerpunkt „Lernen“, bei dem die Kinder in einer festgelegten Zeit an unterschiedlichen Inhalten arbeiten. Susanne Reinhardt, eine der beiden Lehrkräfte, erklärt die Einteilung der verschiedenen Differenzierungsstufen. Je nach dem Themengebiet gibt es vier oder fünf Schwierigkeitsgrade. Die Kinder entscheiden selbst, mit welchem Inhalt sie beginnen möchten. „Das fördert das selbstständige Lernen, die zeitorientierte Einteilung der verschiedenen Aufgabenkomplexe und das soziale Miteinander“,

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\\ BILDUNG

so Reinhardt. Das Lehrpersonal hat dabei vielerlei Möglichkeiten, die Lernwege der Schüler zu beobachten und zu fördern.

UMGANG MIT KONFLIKTEN Kinder mit Autismus bemerken oftmals jede kleine Veränderung im Unterrichtsplan. Um den Kindern dennoch zu ermöglichen, dass sie einen Überblick über die Unterrichtsabläufe bewahren können, wird der Unterrichtsplan an der Tafel festgehalten. Somit kann Irritationen vorgebeugt werden. Dennoch ist es auch in der ComeniusSchule normal, dass der Unterricht durch Konflikte zwischen den Kindern gestört wird. Susanne Reinhardt berichtet von Streitigkeiten, bei denen es auch mal zu körperlichen Auseinandersetzungen kommen kann. Der Unterricht wird dann unterbrochen und es werden Pausen eingelegt, um über das Problem zu reden. „Das pädagogische Team setzt sich wöchentlich mit den Lehrkräften zusammen, um zukünftige Maßnahmen für die Förderkinder zu besprechen“, berichtet uns die Schulhelferin. So verbringt zum Beispiel eines der Kinder mit Autismus die Hofpausen oben im Raum, um das Chaos auf dem Schulhof zu meiden und sich zu erholen.

MITEINANDER IM MITTELPUNKT Die Umsetzungsmaßnahmen für inklusiven Unterricht mit individueller Förde-

rung bestehen darin, die Lehrerausbildung mit der besonderen pädagogischen Ausbildung zusammenzuführen. Gerade im Umgang mit Lernproblemen ist die hohe pädagogische Kompetenz und Einfühlsamkeit der Lehrer wichtig für den Erlfolg der Inklusion. Fehler zu machen ist natürlich und unabhängig davon, ob ein Schüler psychisch oder physisch beeinträchtigt ist oder nicht. Damit die Inklusionsklassen funktionieren, steht das soziale Miteinander der Kinder im Mittelpunkt. Es wird von den Schülern erwartet, dass sie ihr Wissen mit den anderen teilen und sich gegenseitig unterstützen. Hierzu ist es notwendig, dass die Lehrer den Überblick über die Klasse haben und auch individuell auf die Kinder eingehen können. Drei Pädogogen pro Klasse bieten an den Comenius-Schulen diese Möglichkeit. Das Team ist gut besetzt: Wenn eine Lehrperson einmal ausfallen sollte, kann eine andere einspringen.. Für die Schüler ist es wichtig, so früh wie möglich auf eine Inklusionsschule wie die Comenius-Schule zu kommen, denn ein zu später Übergang von der Förderschule bereitet Schwierigkeiten wie überfordernden Leistungsdruck. An der Comenius-Schule werden die Kinder schrittweise an höhere Anforderungen gewöhnt. So wird erst ab der fünften Klasse anhand von Noten bewertet. In den Klassenstufen davor wird den Schülern verbal ihr Leistungsstand vermittelt – Schritt für Schritt zum Erfolg.

STUF EN ZUR I N KL USION 6WXIH e,QNOXVLRQ OLJKWq Nur die Förderschüler mit einer guten Lernprognose wechseln zum inklusiven Unterricht, alle anderen verbleiben an den Förderschulen. Das Ideal von Inklusion wird hier nicht wirklich erfüllt. Stufe 2: Förderkurse Alle Kinder lernen an einer Schule, für die Förderschüler gibt es Förderkurse, die eine zeitlich befristete, speziell zugeschnittene Unterstützung anbieten. Stufe 3: Förderung in der Klasse Ein Sonderpädagoge unterstützt den Fachlehrer, dadurch werden Schüler individuell unterstützt. Ein Beispiel ist hier die Berliner Comenius-Schule. Stufe 4: Offener Unterricht Das bisherige System mit Schulklassen wird aufgelöst. Jüngere und ältere Schüler aus drei Jahrgängen lernen abwechselnd in gemischten Lerngruppen, die für jeden den passenden Unterricht anbieten. Für alle Kinder gibt es einen individuellen Lehrplan.

Ariane Grote 17, Berlin Lucia Schultheiß 16, Berlin ...sind glücklich zu sehen, dass, entgegen manchen Kritikern, Inklusionsklassen funktionieren können.


DEBATTE

FLÄCHENDECKENDE INKLUSION AN SCHULEN

- SO DAS IDEAL UND ERKLÄRTE ZIEL DER UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION. ES GILT ALSO, KEINE ZEIT ZU VERLIEREN. ODER SIND WIR NOCH NICHT BEREIT FÜR EINE UMSETZUNG DER VOLLSTÄNDIGEN INKLUSION AN DEN SCHULEN? ARGUMENTE VON JOHANN STEPHANOWITZ UND DANIEL RICK

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Es ist immer wieder verwunderlich, warum eine so große Unsicherheit in der Gesellschaft im Umgang mit Menschen mit Behinderung herrscht. Viele wollen nicht auf deren individuelle Bedürfnisse eingehen, teilweise herrscht sogar Angst. Inklusion an Schulen gilt als Lösungsansatz und dafür gibt es gute Gründe. Zuerst einmal lernen die Kinder, mit Menschen mit Behinderungen aller Art umzugehen und sehen diese als nichts Außergewöhnliches mehr an. Dies ist wichtig für die weitere gesellschaftliche Inklusion von Menschen mit Behinderung. Denn nur, wer mit behinderten Menschen zu tun hat, kann sie in die Gesellschaft inkludieren – ganz so, wie es die UN-Behindertenrechtskonvention fordert. Doch nicht nur den Schülern, sondern auch den Lehrern tut Inklusion an Schulen gut: Durch Teamarbeit im Unterricht wird die Krankheitsrate des Lehrpersonals deutlich gesenkt. So hat die ComeniusSchule im Berliner Bezirk CharlottenburgWilmersdorf eine der niedrigsten Lehrerausfallquoten Berlins, was laut Schulleiter Bernd Sörensen vermutlich auf die entspannte Arbeitsatmosphäre zurückzuführen ist. Viele Eltern haben Angst, dass ihre Schützlinge durch Förderschüler vom Lernen abgelenkt werden. Doch das stimmt nicht, wie eine Studie der Universität Rostock gezeigt hat. In allen zwölf Rügener Grundschulen wurden Kinder mit und ohne Behinderung zusammen unterrichtet, was bei den ehemaligen Förderschülern zu deutlichen Lernerfolgen geführt hat. Und bei den anderen nicht – wie befürchtet – zu Defiziten.

nisse anhand von Schulnoten vorzeigen kann, hat weniger Chancen auf einen guten Abschluss und damit einen Platz auf dem ersten Arbeitsmarkt.

KEINE ZEIT VERLIEREN: UMSETZUNG JETZT WAGEN Bevor deutsche Schulen bereit für den inklusiven Gedanken sind, muss aber zuerst der Weg für diesen geebnet werden. Auch die Politik hat dieses Problem erkannt und versucht, etwas zu tun. „Man kann Kinder mit Behinderung nicht einfach so in die Regelschulen stecken“, erläutert die Bundestagsvizepräsidentin und Vorsitzende der Lebenshilfe e.V. Ulla Schmidt (SPD) und zeichnet damit das Kernproblem auf. , erläutert die Bundestagsvizepräsidentin und Vorsitzende der Lebenshilfe e.V. Ulla Schmidt (SPD) und zeichnet damit das Kernproblem auf. Denn an den Regelschulen muss viel verändert werden, um Menschen mit Behinderung erfolgreich unterrichten zu können: Die Barrierefreiheit muss gewährleistet und zusätzliche Lehrer und Sonderpädagogen ausgebildet werden – hierbei kann sehr wohl auf Ressourcen der Sonderschulen zurückgegriffen werden. Unser langfristiges Ziel muss die Abschaffung des starren dreigliedrigen Schulsystems und das Verschmelzen von Förder- und Regelschulen sein. Denn laut der UN sollen 80 bis 90 Prozent der Förderkinder eine Regelschule besuchen. Dieses Ziel erreichen wir nur, wenn wir schon jetzt mit der Umsetzung beginnen.

ANDERE LÄNDER ZUM VORBILD NEHMEN Steckt Inklusion bei uns noch in den Startlöchern, so ist sie in unseren EU-Nachbarländern längst Standard: In Italien ist bereits seit den 70er Jahren etabliert, dass Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam unterrichtet werden. In Schweden werden die Lernerfolge der Kinder erst ab der 8. Klasse benotet, trotzdem hat das Land eines der besten PISA-Ergebnisse. Es mag am fehlenden Leistungsdruck der schwedischen Schüler liegen, denn wer in der Bundesrepublik ab der 5. Klasse keine ordentlichen Ergeb-

Johann Stephanowitz 16, Berlin ...hat herausgefunden, dass schulische Inklusion in Deutschland immer noch eine große Baustelle ist.

CONTRA}

Die UNBehindertenrechtskonvention, die vor gut fünf Jahren von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet wurde, unterstellt uns einer Verantwortung. Die Verantwortung, alle Menschen ungeachtet ihrer Fähigkeit gleichberechtigt einzubeziehen. Doch eine politische Reform erfordert die Unterstützung der Bevölkerung. Diese Gesellschaft als Ganzes ist aber noch nicht bereit, alle zu inkludieren. So lockt etwa der Berliner Senat Schulleitungen, sich mit ihren Schulen als Piloteinrichtungen für Inklusion zu bewerben, indem er diesen zusätzliche Ressourcen verspricht. Der Gedanke, der sich hinter dem Begriff Inklusion verbirgt, ist ihnen allerdings oft fern. Für sie bedeutet das zusätzlich bereitgestellte Personal zuerst einmal Entlastung, sie merken jedoch erst spät, dass sie mit den „ach so normabweichenden Kindern“ maßlos überfordert sind. Dabei bleiben die individuellen Bedürfnisse eines jeden Menschen oft unbeachtet. So braucht etwa ein autistisches Kind eine möglichst ruhige Atmosphäre. Dieses in eine laute Werkstatt zu setzen, wird dem Anspruch auf Förderung nach dessen individuellen Bedürfnissen keineswegs gerecht. Inklusion ist also vor allem freiwillig. Mit Anreizen oder Zwang kann sie keineswegs herbeigeführt werden.

SCHULSYSTEM ALS HINDERNIS Allein das gewohnte Schulsystem bietet wenige Möglichkeiten zur individuellen Entfaltung: Lehrpläne schreiben in strikten Mustern vor, wer was wann wie zu lernen hat. Das widerspricht dem Gedanken der individuellen Förderung und damit auch der Idee von Inklusion. Letztlich zeigt auch das Festklammern an Schulabschlüssen, wie sehr exkludierend wir denken. Abschlüsse dienen in erster Linie der Differenzierung und schließen jene von vielen weiteren Bildungsangeboten aus, die den „leistungsorientierten“ Ansprüchen nicht gerecht werden. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Bildungsressourcen bewusst knapp gehalten werden und diese können eben nur denen zukommen, die in das Raster dieser Normgesellschaft passen. Die Selektion von Schüler*innen durch Prüfungen und Abschlüsse steht aber einem ganzheitlichen Ideal von Inklusion

entgegen. Denn damit wird das Recht auf Bildung für alle beschränkt.

ZWANG ZUR INKLUSION WIRKT KONTRAPRODUKTIV Derzeit versucht Politik zwanghaft, Inklusion in die Gesellschaft zu tragen, vergisst dabei aber, dass diese Idee zunächst eine Sensibilisierung aller Menschen erfordert. Erst diese schafft einen Rahmen, in dem dann auch die praktische Umsetzung folgen kann. Eine entsprechende Auseinandersetzung mit und zwischen den Menschen und eine Mentalität frei von jeglichem Egozentrismus und Ängsten ist Voraussetzung. Denn schließlich haben auch Eltern Ängste. Zum einen fürchten sie, ihre „gesunden“ Kinder würden durch normabweichende Kinder aufgehalten. Zum anderen haben viele Eltern jener „Normabweichenden“ Sorge, ihre Kinder würden in den künftigen Regelschulen untergehen. Dieses konkurrierende Denken steht in keinem Verhältnis zu einem inklusiven Miteinander, bei dem vor allem die Erfüllung jedes Einzelnen im Vordergrund stünde. Zurzeit liegt dieser Fokus auf wirtschaftliche Interessen, der Produktion von „qualifizierten“ Arbeitskräften. Was wir brauchen, ist Offenheit. Wir dürfen vor dem Miteinander keine Angst mehr haben, dürfen aber auch nicht versuchen, hartnäckig durch Verordnungen eine inklusive Gesellschaft zu erzwingen. Wir können es aber schaffen, indem jede*r Einzelne von uns beginnt ihre/seine bisherige Denkweise zu hinterfragen und sich all unseren Mitmenschen zu öffnen. Weg mit den Schranken!

Daniel Rick 24, Berlin ...hält Inklusion derzeit für illusionär, weil viele Menschen sich dieser gegenüber verschließen. Aufklärung ohne Zeigefinger ist die Devise!

BILDUNG //

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CHANCE ODER ENDSTATION?

LAUT SOZIALGESETZBUCH SOLLEN WERKSTĂ„TTEN FĂœR BEHINDERTE MENSCHEN DIE VERMITTLUNG DER BESCHĂ„FTIGTEN IN DEN ERSTEN ARBEITSMARKT SEIN. OB DAS GELINGT? EIN EINBLICK VON TASNIM RĂ–DDER

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iele der insgesamt 682 Behinderten- ren im Verwaltungsbereich der Ăśkologisch In den Räumen der faktura herrscht werkstätten in Deutschland gleichen -kreativen Werkstatt faktura GmbH arbei- eine angenehme Atmosphäre. Jeder der gesellschaftlich akzeptierten und vom tet. Nach einem Autounfall und langem Beschäftigten ist freiwillig dort, es gibt Staat gefĂśrderten Parallelwelten. Die Rehabilitationsaufenthalt arbeitete er bei vielfältige Betätigungsfelder, von der Angestellten leben in Wohngemeinschaf- einem Immobilienunternehmen, in wel- Bonbonproduktion bis zum IT-Bereich. ten nahe der Werkstatt ganz unter sich. chem sein Arbeitsplatz fĂźr zwei Jahre Ein groĂ&#x;es Manko sei die fehlende TransOfďŹ ziell werden die Mitarbeiter einer vom Staat bezuschusst wurde. Nach die- parenz vieler Behindertenwerkstätten, Werkstatt fĂźr behinderte Menschen nur sen zwei Jahren mobbte das Unterneh- meint Ronny Dix. „Alteingesessene Werk„Beschäftigte“ genannt. Das liegt wahr- men ihn raus. Als „billige Arbeitskraft“ stätten mĂźssen sich Ăśffnen und transpascheinlich daran, dass eine Entlohnung beschreibt Regel seinen frĂźheren Posten. renter werden“, ďŹ ndet er. von 75 Euro Mindestlohn im Monat der Die Arbeit in der faktura gefällt im dageBezeichnung „Angestellte/r“ nicht ge- gen sehr. Dreimal die Woche arbeitet er ZWISCHEN SOZIALANSPRUCH recht wird. „So viel kriegt heutzutage sogar extern in einer Marketingagentur. UND WETTBEWERBSDRUCK jeder Viertklässler“, sagt Andi Weiland, Das Beispiel der faktura zeigt, dass Pressesprecher von der Organisation So- die Idee „Behindertenwerkstatt“ Poten„Wir wollen die Leute nicht betreuzialhelden e.V., die sich fĂźr die Sensibi- tial hat. Das 2007 gegrĂźndete Unterneh- en, sondern mit ihnen arbeiten“, stellt lisierung der Menschen fĂźr gesellschaft- men ist eine junge, innovative Werkstatt. Ronny Dix klar. Essentiell ist dafĂźr die liche Probleme einsetzt. Wo bleibt da Die faktura beschäftigt 120 Menschen, gemeinsame Arbeit mit dem nichtbehindie versprochene Gleichberechtigung des 80 Prozent von ihnen haben psychische derten Personal. Ganz besonderen Wert nationalen Aktionsplans, den Ursula von Beeinträchtigungen. Viele leben mit Schi- legt die faktura auf die Jobs auĂ&#x;erhalb der Leyen 2009 ins Leben rief? zophrenie, Psychosen oder Depression. der Werkstatt. Der Malerbetrieb arbeitet beispielsweise fast ausschlieĂ&#x;lich extern. „Besonders die kreative Arbeit tut diesen Beschäftigten gut“, meint Ronny Dix, der AuĂ&#x;erdem bietet die faktura mehrere AuGEFAHR DER AUSBEUTUNG Ă&#x;enarbeitsplätze an, wie zum Beispiel im Werkstattleiter der faktura. „Wir haben NICHT AUSGESCHLOSSEN Bioladen „Bio Deli“ in Berlin. Dort kämpft mehrere Abteilungen, wo die Bewerber je Immer mehr gemeinnĂźtzige Unterneh- nach Beeinträchtigung und nach Abspra- die Geschäftsleiterin Claudia Klauck oft men geraten unter den Druck der Markt- che eingeteilt werden.“ Die Wahl bleibt zwischen den Fronten, hin- und hergewirtschaft. Viele Unternehmen sind aber allerdings bei den Angestellten, die sich rissen zwischen dem Auftrag, „andere“ auch nicht bereit dazu, den vermeint- fĂźr die faktura entscheiden. „Wunsch- Menschen zu beschäftigen und in den lichen Mehraufwand aufzubringen, um und Wahlrecht der Menschen mit Be- Strudel der Marktwirtschaft zu geraten. Menschen mit Behinderung einzustel- hinderung fĂźr ihre Beschäftigung sind „Es ist eine Sache der UnmĂśglichkeit, aus len. Zwar unterstĂźtzt die UN-Konvention Voraussetzung“, meint Ulla Schmidt, Vi- der Leistung eines beeinträchtigten Besolche Einstellungen mit Subventionen zepräsidentin des Deutschen Bundestages schäftigten 80 Euro im Monat zu erwirtund versucht den Markt durch Quoten und Vorsitzende der Lebenshilfe e.V.. Lei- schaften“, meint auch Ronny Dix. Inkluzu regeln, dennoch gibt es LĂźcken und der geht dieses Grundrecht oftmals unter, sion und Marktwirtschaft vertragen sich Gefahren der Ausbeutung. Wie im Falle wie mehrere Skandale in der Vergangen- nicht gut. Besonders der Zeitfaktor macht von Andreas Regel, der seit sieben Jah- heit zeigen. da den Unterschied. Kunden und Auftrag-

geber mĂźssen exibler und geduldiger als bei herkĂśmmlichen Dienstleistern sein. So weit scheint unsere Gesellschaft einfach noch nicht. Trotz allem – oder gerade deswegen – sind Claudia Klauck und Ronny Dix mit ihrer Arbeit glĂźcklich. Die eigentliche Funktion der Behindertenwerkstätten als BrĂźcke zum ersten Arbeitsmarkt wird in der Realität oft verworfen. Noch nicht einmal zehn Prozent schaffen den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt, in der faktura sind es sogar nur knapp drei Prozent. Ganz offen entgegnet Ronny Dix, dass es nicht das einfachste Ziel sei, die Beschäftigten weiterzuvermitteln. Ganz nach dem Motto: „Ist man behindert oder wird man behindert?“, sollte man sich fragen: Sind nun die Menschen mit Behinderung der StĂśrfaktor auf dem Arbeitsmarkt oder behindert der Arbeitsmarkt die Inklusion behinderter Menschen?

Tasnim RĂśdder 19, Berlin ...hat festgestellt, dass man sich super selbst behindern kann, egal in welchem Bereich.

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.$75,1 :(//(5 -$+5( LEHRERIN „GEGEN DAS ERNIEDRIGENDE GEFĂœHL ANZUKOMMEN, ALS HANDBIKERIN EINE ETAGE TIEFER ZU SITZEN ALS DIE RADFAHRER.“

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\\ ARBEIT UND AUSBILDUNG

e.5$1.(19(56,&+(581*q

*8,6(33( 025,778 -$+5( MITARBEITER IM JUGENDAMT „ICH HABE AUFGRUND MEINER BEHINDERUNG GROSSE PROBLEME, EINE PRIVATE KRANKENVERSICHERUNG ZU MEINER VERBEAMTUNG ZU FINDEN.“

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/,6$ 0$17+(< -$+5( LEHRERIN „DA FĂ„LLT MIR NICHTS EIN, ICH FĂœHRE EIN SELBSTBESTIMMES LEBEN.“


STUDIEREN MIT BEHINDERUNG

BEHINDERT IST OFTMALS NUR EIN SAMMELBEGRIFF FÜR ALLE MÖGLICHEN EINSCHRÄNKUNGEN UND ERKRANKUNGEN. UNIVERSITÄTEN UND ÄMTER KÖNNEN ODER WOLLEN OFT NICHT AUF INDIVIDUELLE BEDÜRFNISSE EINGEHEN. DAS STELLT BEHINDERTE STUDIERENDE VOR VIELE PROBLEME. VON MARTIN OSWALD

Fotos: Kristoffer Schwetje

EIN ARBEITSPLATZ FÜR SEHBEHINDERTE AN DER FREIEN UNIVERSITÄT BERLIN: DIE TASTATUR IST IN BRAILLESCHRIFT.

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abine 1 im Lesesaal der zentralen sen Umstand noch zusätzlich verschlimUniversitätsbibliothek der Freien mert, da es für behinderte Studierende Universität Berlin (FU). Die Tastatur des durch die unflexibleren Studienabläufe Computers besitzt eine Art Unterbau, der „viel schwerer geworden sei, das Studium in Brailleschrift anzeigt, was auf dem an ihre Bedürfnisse anzupassen“. Bildschirm zu sehen ist. Brailleschrift ist eine speziell für blinde Menschen entwi- UNTERSCHIEDLICHE ckelte Schrift, die aus Punkten besteht BEDÜRFNISSE und sich erfühlen lässt. Zusätzlich zum normalen Drucker gibt es einen riesigen Am stärksten seien laut Blom hiervon StuBraille-Drucker. Durch diese Hilfsmittel denten mit chronischer und psychischer Erkrankung betroffen, da diese oftmals wird den Studierenden ermöglicht, trotz Sehbeeinträchtigung mit allen im Studi- aufgrund von Krankenhausaufenthalten länger aus dem Studium ausscheiden. um benötigten Dokumenten zu arbeiten. Weiterhin bietet die Servicestelle für Der Leistungs- und Zeitdruck erschwere blinde und sehbehinderte Studierende eine Rückkehr zum Studium enorm. Des an, nur in Papierform vorliegende Bücher Weiteren fällt es den Einrichtungen wezu digitalisieren oder in Brailleschrift zu sentlich schwerer, Studierenden mit eiübertragen. Dies ist jedoch je nach Stu- ner solchen Behinderung entsprechende diengang mitunter sehr mühevoll, ein Hilfen anzubieten. Hier gäbe es „noch reiner Text lässt sich wesentlich ein- viel zu lernen“, da die Bedürfnisse viel facher übertragen als chemische Formeln weniger augenscheinlich sind als bei oder Diagramme. Elisabeth Wunderl von „sichtbaren“ Beeinträchtigungen wie Sehder Servicestelle wünscht sich hier eine oder Gehbehinderung. Dabei ist gerade breitere Unterstützung seitens der Uni- bei jenen Behinderungen der Bedarf an Unterstützung enorm. 2011 befragte das versität: „Aus den Universitätsgremien Deutsche Studentenwerk 15.317 behinund der Politik kümmern sich zu wenige Menschen um die Bedürfnisse behinder- derte oder chronisch erkrankte Studierenter Studenten, die sind alle mit sich selbst de in Deutschland. Demnach haben 45 beschäftigt oder wollen die Kosten auf Prozent psychische Beeinträchtigungen, andere abwälzen.“ Weiterhin bezeichnet gefolgt von chronischen Erkrankungen mit 20 Prozent. Lediglich 5 Prozent haben Wunderl das gesamte Universitätssystem Sehbeeinträchtigungen. Ebenfalls deutals „zu unflexibel, um individuell auf die Bedürfnisse reagieren zu können“. Laut lich werden die Auswirkungen des unAnne Blom, Beschäftigte beim Studenten- flexiblen Studiensystems; für 70 Prozent werk Berlin, hat die Bolognia-Reform die- ergeben sich im Studium Schwierigkeiten

mit zeitlichen Vorgaben der Studien- und Prüfungsordnung. Ein sehr interessantes Ergebnis dieser Umfrage ist, dass nur 24 Prozent der Studierenden eine spezifische Beratung in Ansprung nehmen. 44 Prozent möchten nicht beraten werden, weil ihre Beeinträchtigung nicht preisgeben wollen. 36 Prozent fühlen sich von den Beratungs-angeboten nicht angesprochen. Auch der Faktor der „Unsichtbarkeit“ der Behinderung kommt hier zum Tragen: 63 Prozent der Studierenden mit Behinderung geben an, dass ihre Beeinträchtigung durch Dritte nicht ohne Weiteres wahrnehmbar ist und sie auf ihre Behinderung aufmerksam machen müssen, was eine gezieltere Unterstützung ebenfalls erschwert.

ligen Bundesland und vom Vermögen des Antragsstellers abhängig. Abhilfe soll das Bundesteilhabegesetz schaffen. Dies soll eine für alle Bundesländer einheitliche Regelung beinhalten, die Unterstützung soll zudem vermögensunabhängig erfolgen. Mit diesem Gesetz ist jedoch frühestens 2015 zu rechnen. Anne Blom rät daher allen behinderten Studierenden, selbst aktiv zu werden: „Behinderte müssen lernen, selbstständig auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Sie dürfen nicht auf die Ämter warten, sondern müssen ihre Finanzierung selbst in die Hand nehmen.“ Hierfür sei die Universität ein guten Lernort, denn später im Berufsleben „wird es nicht einfacher mit der finanziellen Unterstützung“.

UNTERSTÜTZUNG JA - NUR KOSTEN SOLL ES NICHTS Finanziert werden die Beratungsstellen und Studienhilfen für behinderte Studierende vom Berliner Senat für Wissenschaft und Forschung, der jährlich einen festen Betrag für die Universitäten zur Verfügung stellt. Weitere Kosten werden unter den Universitäten aufgeteilt. Damit hat Berlin ein einfacheres System als die restlichen Bundesländer, bei denen Unterstützung in der Regel bei den Ämtern für Sozial- und Eingliederungshilfe beantragt werden muss. Dies ist oftmals wesentlich langwieriger. Wie viel Unterstützung ein Antragsteller erhält, ist stark vom jewei-

Martin Oswald 27, Berlin ...ist begeistert, dass sich so viele Einrichtungen Gedanken machen und sich bemühen, Behinderte in das alltägliche Leben einzugliedern.

ARBEIT UND AUSBILDUNG //

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ROLLSTUHL-SELBSTVERSUCH

WIE KOMMEN ROLLSTUHLFAHRER IM ALLTAG ZURECHT? DIESE FRAGE STELLEN SICH DIE „ROLLSTUHLNEULINGE“ KATHLEEN RETZAR UND DANIEL RICK. BEIDE REDAKTEURE STARTETEN DEN SELBSTVERSUCH IM GETÜMMEL DES ÖFFENTLICHEN NAHVERKEHRS VON BERLIN.

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olange man sich in einem modernen, mit Aufzügen ausgestatteten Gebäude befindet, fühlt man sich noch sicher. Auf der Straße sieht es da ganz anders aus. Der Gehweg besteht aus kleinem Kopfsteinpflaster. Es rollt sich schwer darauf. Einmal das Rad andrehen bringt mich nicht weit voran. Dann wird der Fußweg besser. Ich rolle leichter auf dem Weg. So sind meine ersten Erfahrungen im Rollstuhl beim Selbstversuch. Daniel, ebenso nicht gehbehindert, ist mein Begleiter auf der Tour durch Berlin und hilft mir dort, wo ich alleine nicht weiterkomme. Ich werde seine Hilfe noch häufiger in

Anspruch nehmen, als ich zuvor gedacht hatte.

HÜRDE UM HÜRDE Zu einem Treffen mit Freunden durchqueren wir Berlin mit verschiedenen Verkehrsmitteln. Zuerst nehmen wir den Bus. Ich bin nervös. Wie groß ist die Lücke zwischen Bus und Bordsteinkante? Gibt es eine Rampe? Der Bus kommt und hält nah am Gehweg, trotzdem ist die Lücke zu groß und Daniel klappt die Rampe aus. Das Rein- und Rausrollen ist dann kein Problem. Weiter geht es mit

der U-Bahn am Mendelssohn-BartholdyPark. Der Weg dorthin ist schwierig, die Bordsteine sind trotz Absenkung immer noch zu hoch für mich als Rolli-Neuling. Mit zu viel Schwung kippt der Rollstuhl nach vorn – und ich gleich mit. Zum Glück kann ich mich mit meinen Füßen abstützen. Wo wartet die nächste Hürde? Ich fühle mich im Dauerstress. Der U-Bahnhof ist klein und übersichtlich. Wir nehmen den Aufzug nach oben zum Gleis. Als die U-Bahn eintrifft und die Türen sich öffnen, bemerke ich zwar keinen Höhenunterschied, aber eine Lücke. Zuerst versuche ich es selbst, aber

bleibe mit den vorderen, kleinen Rollen hängen. Wieder muss mir Daniel helfen. Am Alexanderplatz steigen wir aus und finden schnell den Aufzug. Der ist jedoch voll und wir müssen warten. Rollstuhlfahrer dürfen wohl nicht ungeduldig sein. An der Straßenbahnhaltestelle verlängert sich die Umsteigezeit für uns erneut. Eine ältere Straßenbahn, Baujahr weit vor unserer Zeit, erreicht die Haltestelle mit drei für uns unüberwindbaren Stufen. Wir müssten auf die nächste Tram warten, rät uns ein Mann freundlich. Ansonsten bemerken wir Reaktionen von Mitmenschen, die wir auch so erwartet haben.

SELBSTVERSUCH: DANIEL - SELBST NICHT AUF DEN ROLLSTUHL ANGEWIESEN - PROBIERTE NEBEN KATHLEEN, WELCHE HÜRDEN DER ALLTAG SO BEREITHÄLT

Einige lächeln mich an, andere werfen mir mitleidige Blicke zu. Generell werde ich auch bei kleineren Hürden zuerst beobachtet - wahrscheinlich, um zu schauen, ob ich alleine klarkomme, bevor mich die Mitmenschen ansprechen. Meist bietet jemand Hilfe an, die ich dann auch dankend annehme. An einem Samstagabend fährt nun Daniel im Rollstuhl zum inklusiven Theater Thikwa in Berlin-Tempelhof. Behinderte und nichtbehinderte Schauspieler agieren dort zusammen auf der kleinen Bühne und nehmen Bezug auf Sonette Shakespeares. „Ich fühle mich in einem inklusiven Theater exkludiert“, sagt Daniel nach dem Besuch des Tanztheaterstücks im Theater Thikwa. „Ich saß mit dem Rollstuhl in der nullten Reihe, hatte keine direkten Sitznachbarn und war da-

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her doch recht separiert.“ Nur die Begleitperson saß hinter ihm. Ist das wirklich inklusives Theater?

APPS WEISEN BARRIEREARME ORTE Der Verein Sozialhelden entwickelte 2010 „Wheelmap“ als Website sowie als mobile App. Nach dem Ampelprinzip werden Orte je nach Rollstuhlfreundlichkeit eingestuft. So kann man bereits vorher wissen, ob das Café, Restaurant, Museum oder Denkmal für Gehbehinderte geeignet ist. Zudem programmierten Studenten der Universität Darmstadt die App „Wheelguide“. Diese Karte, bislang nur auf Darmstadt und Rödermark beschränkt, zeigt, wie behindertengerecht die Fußwege und Übergänge in der Stadt

sind – ebenfalls schnell zu erfassen durch das Ampelprinzip. In unserem Selbstversuch sind wir auf vielerlei Hürden gestoßen. Glasscherben sind nicht nur für Radfahrer gefährlich. Auch die Reifen unseres Rollstuhls könnten Schaden nehmen. Ein weiteres Problem: Behindertengerechte Toiletten sind nicht immer vorhanden. Zudem braucht es wohl viel Übung und Armkraft. Ohne die Beinmuskeln anzuspannen, schafften wir es nicht, uns auf den Sitz hinüberzuhieven.

EIN KLEINES FAZIT Überall sehen wir als Anfänger Hindernisse: Bordsteine, zu kurze Ampelphasen, Treppen, fehlende Rampen und Aufzüge. Daniel und ich konnten so im-

Fotos: Kristoffer Schwetje

merhin einen kleinen Eindruck gewinnen, wie Rollstuhlfahrer ihren Alltag meistern, aber auch in bestimmten Situationen verzweifeln können. Unser Handlungstipp: Habt keine Hemmungen gegenüber Rollstuhlfahrern, fragt ruhig nach, ob ihr helfen könnt, aber packt nicht einfach an. Im schlimmsten Fall bekommt ihr ein „Nein, danke!“.

Kathleen Retzar 22, Erfurt ...hat herausgefunden, dass Rollstuhlfahrer ihren Alltag gut strukturieren müssen.


PENDELN ZWISCHEN ZWEI WELTEN

CLARA IST SEIT DER GEBURT GEHĂ–RLOS. WIE SIE DAMIT IHREN ALLTAG BEWĂ„LTIGT UND WAS INKLUSION FĂœR SIE BEDEUTET. EIN PORTRAIT VON LERKE STOLL

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&/$5$ %(/= „ICH BIN GEHĂ–RLOS.“

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Clara ist 17 Jahre alt und besucht eine Gesamtschule in Berlin. Sie ist politisch engagiert, liest gerne und ist oft mit dem Fahrrad unterwegs. Und Clara ist gehĂśrlos. Von Leuten, die sie neu kennenlernen, wird sie häufig gefragt, warum sie so „normal“ sei. Clara hat viele MĂśglichkeiten zu kommunizieren, nur reden kann sie eben nicht. Ihre Erstsprache ist die deutsche Gebärdensprache, bereits als Baby hat sie angefangen einzelne Gebärden zu erlernen. Aufgewachsen ist Clara als einzige GehĂśrlose in einer Patchworkfamilie. Dadurch ist sie von klein auf an den Umgang mit HĂśrenden gewĂśhnt, obwohl ihre Eltern gleichzeitig mit ihr die Gebärdensprache erlernt haben. Auch Lippenlesen kann sie ein wenig, hat aber meistens keine Lust dazu, weil es sehr mĂźhsam ist. Clara betont, dass es ihr wichtig ist, Kontakt zu HĂśrenden zu haben, sie beschreibt es als ein Pendeln zwischen der Welt der GehĂśrlosen und der der HĂśrenden. Mit HĂśrenden, die keine Gebärdensprache kĂśnnen, kommuniziert sie dann meist schriftlich. Denn im persĂśnlichen Gespräch mit einer Freundin ist es schlieĂ&#x;lich peinlich, wenn da ein Gebärdensprachdolmetscher dazwischen steht und jede private Kleinigkeit mitbekommt. Ihre MitschĂźler haben dann die beste Ausrede, warum sie in der Schule das Handy anhaben: „Sie ist doch gehĂśr-

los, wir mĂźssen uns doch per Whatsapp unterhalten!“.

VON DER FĂ–RDERSCHULE IN DIE REGELSCHULE GehĂśrlose haben auf der FĂśrderschule häufig keinen richtigen Unterricht. Ihnen das GefĂźhl gegeben, dass sie wenig Chancen haben, wenn sie nicht sprechen kĂśnnen. Das sind Erfahrungen, die auch Clara gemacht hat. Als sie beispielsweise einen Praktikumsplatz im Bundestag ergattert hat, wollte ihre Lehrerin ihr das nicht einmal glauben. Sie meinte, dass sie als GehĂśrlose kein solches Praktikum machen kĂśnne, da sie dafĂźr ja kommunizieren mĂźsse. Total scheinheilig findet Clara das, wenn die Lehrerin sie fĂśrdern soll, ihr aber Ăźberhaupt nichts zutraut. Doch das, meint sie, habe sie erst richtig angespornt. Mittlerweile besucht Clara die Regelschule. Während Claras Schulunterricht sind Dolmetscher da, die alles in Gebärdensprache Ăźbersetzen. So kĂśnnen sowohl hĂśrende als auch gehĂśrlose SchĂźler gemeinsam lernen. „Ich bin richtig froh, dass ich jetzt diese inklusive Schule besuche, denn auf der FĂśrderschule war ich schlicht unterfordert.“ In ihrer neuen Schule fĂźhlt sie sich zwar inkludiert, Probleme gibt es aber dennoch, wenn der Ăœbersetzer einmal

krank ist. Denn dann kommt keine Vertretung und die gehĂśrlosen SchĂźler sitzen da und haben keine Chance mitzukommen. Auch an Claras Schule ist der inklusive Unterricht in Gefahr, denn die UN-Behindertenrechtskonvention tritt schlieĂ&#x;lich erst 2020 in Kraft und bis dahin hat sie keinen Anspruch auf einen qualifizierten Gebärdensprachdolmetscher an der Regelschule. Das ist wie ein Schlag ins Gesicht, findet Clara.

ALS GEHĂ–RLOSE ETWAS BEWEGEN Seit Kurzem engagiert sich Clara selbst fĂźr Inklusionspolitik bei der GrĂźnen Jugend und leitet die Treffen fĂźr die AG Inklusion. Aber politisch interessiert war sie schon als Kind und hat sich mit ihren MitschĂźlern Ăźber die Parteien gestritten. Als sie mit zwĂślf Jahren angefangen hat die Zeitung zu lesen, begann sie sich fĂźr Umweltpolitik einzusetzen. Es liegt ihr am Herzen, dass die nächste Generation nicht allein dasteht und die Umwelt erhalten bleibt. Im Rahmen ihrer politischen Aktivitäten hat Clara vor allem mit HĂśrenden zu tun, aber das stellt kein Problem fĂźr sie dar.

gefĂźhrt. Dadurch hat es sich angefĂźhlt, als wĂźrden wir chatten. Dabei kann man natĂźrlich weniger auf Mimik und Gestik achten. Doch es gab immer wieder Momente, in denen wir aufgeblickt und gelacht haben. Ich habe Clara als sehr aufgeschlossenes, unkompliziertes und engagiertes Mädchen kennengelernt. Sie ist frĂśhlich und sympathisch und scheint sich sehr gut in einer Welt der gesprochenen Worte zu behaupten. Es war eine anregende Begegnung, die meinen Horizont erweitert und mich nicht nur fĂźr die Probleme, sondern auch die MĂśglichkeiten von gehĂśrlosen Menschen sensibilisiert hat. Mit ihrer mutigen und optimistische Einstellung kann Clara Inklusion selbst verwirklichen, aber auch politisch nach AuĂ&#x;en tragen.

Lerke Stoll 20, Berlin ...mÜchte jetzt gerne Gebärdensprache lernen.

Unser Interview haben wir, mangels eines Dolmetschers, zwar nebeneinander sitzend, aber schriftlich am Computer

ERFAHRUNG // 11 //


DER PFAD ZUR SONNENSEITE

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GEBURT

2

352=(17 '(5 .,1'(5 IN DEUTSCHLAND KOMMEN SCHWERBEHINDERT AUF DIE WELT. PROZENTMIT INKLUDU BISTWEITERE IN EINER5 SCHULE BEKOMMEN IM LAUFE IHRES SIONSANSPRUCH ANGEMELDET. DIE LEBENS EINEREICHEN BEHINDERUNG. KAPAZITÄTEN JEDOCH NICHT AUS. DER PLATZ KANN NICHT AN DICH VERGEBEN WERDEN. AUFGRUND DEINER BEHINDERUNG WIRST DU AUF EINE SONDERSCHULE GESCHICKT UND VON DEINEN KINDERGARTENFREUNDEN GEDIETRENNT: FREIE ÄRZTEWAHL IST VON ANFANG AN VERWEHRT. VIELE ÄRZTE WOLLEN DICH AUS ANGST VOR FEHLERN BEHANDELN. RÜCKT DEINNICHT MITSPIELER

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M EIN UN G

EXKLUSIVE WERBUNG

IN EINER BUNTEN WERBEWELT, IN DER MIT PHOTOSHOP EIN IDEALISIERTES ZERRBILD DES MENSCHEN PRODUZIERT WIRD, IST LEIDER KEIN PLATZ FÜR BEHINDERUNG, MEINT PATRICK GRÜNHAG

F

ür einen richtigen Werbeprofi ist die Sache klar: Behinderte Menschen sind Opfer oder Helden – Blickfänger. Nur nicht „normale“ Menschen. Mit ihnen lassen sich ordentlich Aufmerksamkeit erzeugen und dazu vielleicht noch ein guter Zweck verkaufen: Mit gehbehinderten Werbefiguren kann der Markt so richtig zum Laufen gebracht werden. Auch die tauben Menschen können sich endlich Gehör verschaffen und ihren Interessen in dieser ignoranten Gesellschaft eine Stimme geben. Und Autisten mit Inselbegabung werben für Reiseplattformen im Internet sicher 39865³³²-mal erfolgreicher als ehemalige DFB-Kapitäne.

KEIN PLATZ FÜR BEHINDERUNGEN Doch behinderte Menschen in der Werbung einfach so zeigen, wie sie sind? Als gleichwertig anerkannte Individuen in unserer Gesellschaft, mit all ihren Stärken und Schwächen, Talenten und Fehlern? Da schreit der Werbende: „Ich bin doch nicht blöd!“ Er betreibt lieber weiterhin Profitgier auf dem Rücken der (vermeintlich) Liegengebliebenen. Tiefer geht‘s echt nicht. Oder doch? Denn nicht einmal die „Topmodels“ aus Heidi Klums Schreckenssendung können auch nur ansatz-

weise den hohen – nein, unerreichbaren – Anforderungen der Werbeindustrie genügen. Das kann wohl nicht einmal der berühmt-berüchtigte Chuck Norris. Das ganze Prozedere erinnert eher an Dr. Frankenstein: Mit technischen Hilfsmitteln wie Bildbearbeitungsprogrammen werden die dargestellten Models mit einigen Mausklicks in unnatürliche, anmaßende Erzeugnisse des Schönheits- und Perfektionismuswahns verwandelt. Hellblaue Augen passen besser zum beworbenen Outfit als grau-grüne? Klick. Die Hüfte wirkt auf der Aufnahme etwas zu breit? Klick. Die kleinen Grübchen im Mundwinkel wirken geradezu widerlich menschlich? Klick. Der ganze Spaß geht sogar so weit, dass manch gephotoshoptes Model das eigene Ich in der Werbedarstellung nicht mehr erkennt und sich gegen diese Praxis zur Wehr setzt. So ist es geschehen in den USA, wo die Entertainment-Seite „Buzzfeed“ vier Frauen ein professionelles Fotoshooting ermöglichte und die entstandenen Aufnahmen im Nachhinein von einem Photoshop-Experten retuschieren ließ. Die „Verschönten“ reagierten allesamt schockiert auf die Ergebnisse und kritisierten scharf, dass ihnen liebgewonnene Körpermerkmale wie Sommersprossen und Lachfältchen der Perfektion zum Opfer fielen. Im wahrsten Sinne des

Wortes unschön wird es für Unternehmen immer, wenn die Menschen hinter den Computerbildschirmen bei ihrer Arbeit nachlässig vorgehen und aus Versehen Fehler in den Abbildungen hinterlassen: Die Palette an Peinlichkeiten reicht dabei von gänzlich fehlenden oder zusätzlich hinzugekommenen bis hin zu grotesk verrenkten Gliedmaßen und Extremitäten.

Denn erst wenn eines Tages alle Werbenden auch Menschen mit Behinderung als integrierten Teil der Gesellschaft erkennen und als normale Werbefiguren darstellen, dann, ja nur dann, haben die in diesem Frühjahr zahlreich geschalteten Plakate in Deutschland eine Daseinsberechtigung und „Außenwerbung trifft jeden“.

WERBUNG MUSS SICH MENSCHEN ANPASSEN Dass in der heutigen Werbewelt für Menschen mit Behinderung kein Platz vorgesehen ist, verwundert angesichts dieser Barbie- und Kenifizierung nicht. Wenn die Werbebilder schon für vermeintlich „normale“ Menschen in unerreichbarer Ferne liegen, wie sollen dann die „Anderen“, die „Speziellen“ jemals diesen Darstellungen gerecht werden? Die Antwort lautet: Gar nicht! Denn nicht die Menschen müssen sich der Werbung anpassen, sondern andersrum die Werbung den Menschen! Den Normalos genauso wie den Freaks, den Hell- und Dunkelhäutigen, den Atheisten und Gläubigen, den Gleich- und Andersliebenden, den Männern und Frauen und all denen, die sich keinem Geschlecht zuordnen möchten.

Patrick Grünhag 20, Berlin ...studiert Wirtschaftskommunikation und möchte dazu beitragen, Werbung gerechter, inklusiver und vielfältiger zu gestalten.

BEHINDERT ODER BEHINDERT GEMACHT?

DEN UMGANG MIT DER BEHINDERUNG LERNEN DIE BETROFFENEN MEIST IHR LEBEN LANG. DOCH DIE GESELLSCHAFTLICHEN BARRIEREN ZU NEHMEN, BLEIBT TÄGLICH AUFS NEUE EINE HERAUSFORDERUNG, MEINT NEVAL PARLAK

I

n unserer Gesellschaft hat man bereits eine gewisse Vorstellung vom Begriff „Behinderung“. Der Rollstuhlfahrer, der mühselig versucht, sich durch die Mengen zu rollen und niemanden zu stören. Der Blinde mit seinem Blindenhund. Das geistig beeinträchtigte Kind, das von seiner Mutter an der Hand geführt wird. Typische Beispiele, die wir in unserem Alltag vorfinden können.

IN SCHUBLADEN GESTECKT Das Problem hierbei ist das in unserer Gesellschaft etablierte Idealbild eines Menschen. Ob im Film, in Werbung oder in Zeitschriften – nur selten werden Menschen mit Behinderung gezeigt und wenn doch, dann ist die Behinderung ein zentrales Merkmal dieser Person. Sobald man im Alltag dann doch auf Menschen mit Behinderung stößt, bemitleidet man ihren

\\ 14 \\ MEINUNG

Zustand. Einen Rollstuhlfahrer sieht man als „gefesselt“ an. Wenn sich dann doch ergibt, dass ein körperlich Beeinträchtigter beispielsweise im Bereich Sport einen großen Erfolg erzielt hat, heißt es: „Er hat sein Schicksal überwunden!“ Solche falschen Interpretationen prägen die Gesellschaft und lassen den behinderten Menschen als etwas „Normabweichendes“ dastehen. Die erschreckende Folge davon: die immer größere Exklusion aus der Gesellschaft. Sie gehören nicht dazu. Oder aber, sie werden lediglich über ihre Behinderung charakterisiert. Ist dies nicht letztendlich genau das, was die Menschen mit Behinderung überhaupt erst behindert?

GESELLSCHAFTSBARRIERE Mit ihrer Behinderung umzugehen, lernen die meisten im Laufe des Lebens.

Aber mit den Barrieren, die die Gesellschaft für sie bereithält, umgehen zu können, muss jeden Tag aufs Neue erprobt werden. So sorgt ein defekter Fahrstuhl am Bahnhof oder eine fehlende Rampe am Hauseingang für neue Hürden. Ein dauerhafter Kampf mit den Krankenkassen um Geld oder Unterstützung bedeutet für Personen mit Behinderung weiteren Aufwand. Auch die Exklusion von Schülern in Förderschulen schafft zwischen Menschen mit und ohne Behinderung eine weitere gesellschaftliche Barriere. Letzten Endes kann auch ein Mensch im Rollstuhl im Einkaufszentrum shoppen, ein Kind mit Autismus die Schule besuchen und eine Gehörlose ins Kino gehen. Was solche Möglichkeiten aber voraussetzt, sind gewisse Rahmenbedingungen. Das Einkaufzentrum müsste mit genügend Fahrstühlen ausgestattet werden, die Schule entsprechendes Personal

bereitstellen und die Kinofilme mit Untertiteln versehen werden. Das sind kleine Schritte, die zwar die Behinderung eines Menschen nicht verschwinden lassen, ihm die Teilhabe an einem gesellschaftlichen Leben aber einfacher machen.

Neval Parlak 17, Berlin ...möchte, dass der Umgang mit geistig und körperlich beeinträchtigten Menschen in unserer Gesellschaft vertieft wird.


LEIDMOTIV

ÜBERNATÜRLICHE FÄHIGKEITEN. WUNDERHEILUNG. DAS GROSSE DRAMA. BEHINDERUNGEN WERDEN IM FILM OFT NICHT REALISTISCH DARGESTELLT, SONDERN BEDIENEN BESTIMMTE KLISCHEES. SOPHIA FÖRTSCH ÜBER STEREOTYPEN IM FILM.

Foto: Henry W. Laurisch und Kristoffer Schwetje

E

r ist erfolgreich, Pianist und gut aussehend. Er hat alles, was man sich denken kann. Und plötzlich: ein Unfall. Er sitzt im Rollstuhl, wird depressiv. Für ihn macht das Leben keinen Sinn mehr. Chancen auf Wunderheilung? Vergeblich! Die große Katastrophe und der damit verbundene Rollstuhl ist ein Leitmotiv, dessen sich die Filmemacher, wie in dem Film „Die Zeit, die man Leben nennt“, gerne bedienen. Aber warum? Wissenschaftler und Sonderpädagogen haben sich mit dem Thema behinderte Menschen im Spielfilm auseinandergesetzt und Muster und wiederkehrende Stereotypen analysiert.

GANZ ODER GAR NICHT BEHINDERT Einer Studie von Silke Bartmann von der Universität Dortmund zufolge sollen bei der Auswahl der Behinderung die Kommunikation, die kognitive Leistungsfähigkeit und die äußere Integrität nicht beeinträchtigt sein. Dabei gehen die Filmemacher nach dem Alles-oder-nichtsPrinzip vor. So kann etwa der Protagonist sehen oder er ist blind. Zwischenformen gibt es kaum. In der Realität ist das oft anders. Der Film allerdings braucht klare und abgrenzbare Typen. Die Behinderungen werden auf wenige Merkmale reduziert. Dabei soll aber die Ästhetik und Attraktivität der Protagonisten nicht leiden. So haben die Untersuchungen von Bartmann außerdem ergeben, dass mehr Männer als Frauen im Film körperbehindert sind. Das liege vermutlich

daran, dass die Attraktivität weiblicher Darsteller eine größere Rolle spielt und diese durch eine Behinderung reduziert werden würde.

STEREOTYPE FÜR DIE DRAMATURGIE Die Körperbehinderung ist die im Film am häufigsten dargestellte Beeinträchtigung – damit verbunden der Rollstuhl. Auch in Filmen, in denen es nicht um Behinderung geht, ist der Rollstuhl häufig vertreten. So beispielsweise im Film „Avatar“. Der querschnittsgelähmte Ex-Soldat sieht in seinem Leben keinen Sinn mehr, bis er nach Pandora geschickt wird. Wunderheilung? In diesem Fall schon, denn er geht am Ende komplett in die Avatar-Welt über und kann dort wieder laufen. Obwohl bei Gehbehinderten die Chance, wieder laufen zu können, in der Regel gering ist, erleben sie oft eine überraschende Heilung, die in der Realität kaum möglich wäre. Keine Wunderheilung, dafür aber Wunderfähigkeiten bekommen Blinde im Film zugeschrieben. Sie werden mit übernatürlich ausgeprägten Sinnen dargestellt, auch wenn diese vollkommen unrealistisch sind. Dadurch übernehmen Blinde häufig eine Heldenrolle, wie im Film „Blinde Wut“. Gehörlosigkeit wird im Film oft nicht sofort sichtbar, braucht aber auch keine genaue Einführung. Spätestens, wenn die Figur anfängt über Gestik zu kommunizieren, wird dem Zuschauenden klar, mit welcher Behinderung er konfrontiert ist. Geistig behinderte Figuren im Film

nehmen regelmäßig die Rolle des Schützlings oder des Opfers ein. Sie stehen mit ihrer Behinderung nicht sofort im Mittelpunkt der Handlung, erzeugen aber aufgrund ihrer kognitiven Beeinträchtigung Mitleid. Der Grund dafür ist auch hier dramaturgischen Ursprungs: Jeder Spielfilm hat nur eine bestimmte Dauer, in der die gesamte Handlung erzählt werden muss. Deshalb ist oft wenig Zeit, eine Person genau einzuführen. Die Filmemacher greifen also auf typische Merkmale zurück, die der Zuschauer erfassen kann und die Person schnell beschreibt. So ist der Rollstuhl das Symbol für körperliche Behinderung, der starre Blick oder der Stock und die Brille mit dunklen Gläsern das der Blindheit. Dadurch wird die Behinderung schnell sichtbar. Andere Beeinträchtigungen sind schwieriger schauspielerisch darzustellen.

UNTERSCHIEDLICHE ROLLENBESETZUNG Gehörlose Charaktere werden in der Regel von Schauspielern mit eben dieser Beeinträchtigung dargestellt. Auch in „Jenseits der Stille“ sind die beiden Darsteller tatsächlich gehörlos. Gehörlose sind im Gegensatz zu blinden oder gehbehinderten Menschen flexibler einsetzbar. Denn wenn die Gehörlosigkeit erst im Laufe einer Handlung eintritt, kann das Hören gemimt oder das Sprechen synchronisiert werden. Charaktere mit Down-Syndrom oder geistiger Behinderung werden ebenfalls häufiger von Schauspielern mit dieser Behinderung dargestellt, da

nichtbehinderte Schauspieler dies nicht authentisch rüberbringen können. Im Gegensatz dazu werden bei körperlicher Beeinträchtigung und Blindheit vermehrt Schauspieler eingesetzt, die selbst nicht behindert sind. Ein gutes Beispiel dafür ist auch der Film „Die Zeit, die man Leben nennt“. Der Rollstuhlfahrer wird von Kostja Ullmann gespielt, der selbst nicht gehbehindert ist. Zwar kann der querschnittsgelähmte Pianist auf keine „Wunderheilung“ hoffen, jedoch hilft ihm die Musik, ins Leben zurückzufinden.

F IL M TI PP „9HUUÙFNW QDFK 3DULVq (D 2002) Die Freunde Hilde, Karl und Philip wollen dem öden und frustrierenden Leben in ihrem Behindertenheim entƃLHKHQ :DV DOV NOHLQHU $XVƃXJ EHJLQnt, endet in einem witzigen und charmanten Roadtrip nach Paris.

Sophia Förtsch 21, Berlin ...ist bewusst geworden, dass der Rollstuhl ziemlich oft als Symbol für Behinderung herhalten muss.

KULTUR // 15 //


Z UR PER SON Andi Weiland, 29 Jahre, ist beim Verein Sozialhelden für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Die Gruppe von Aktivisten will mit ihren Projekten auf soziale Missstände aufmerksam machen. Dabei zeigen sie konkrete Lösungsansätze auf: Leidmedien.de gibt Anregungen für die Berichterstattung über Menschen mit Behinderungen. Auf der interaktiven Karte wheelmap.org können Nutzer markieren, welche Orte in einer Stadt rollstuhlgerecht sind und welche nicht. Mit dem Projekt tausendundeinerampe werden Läden und Cafés mit Rampen ausgestattet, um sie allen Menschen zugänglich zu machen.

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\\ 16 \\ INTERVIEW


ÂťEINFACH IST INKLUSION AUF .(,1(1 )$// $%(5 :,&+7,*ˆ DER SOZIALHELD

ANDI WEILAND ENGAGIERT SICH BEI DEN SOZIALHELDEN FĂœR DIE GESELLSCHAFTLICHE TEILHABE VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNG. EIN GESPRĂ„CH ĂœBER INKLUSION, SCHWIERIGE POLITISCHE RAHMENBEDINGUNGEN UND ERSTE ERFOLGE. VON JOHANNA KLEIBL

ALS PRESSESPRECHER DER SOZIAL+(/'(1 81' '(6 352-(.76 e/(,'0(',(1q HĂ„LTST DU VORTRĂ„GE ĂœBER DIE BERICHTERSTATTUNG ĂœBER MENSCHEN MIT BEHINDERUNG. WAS RATEN DIE LEIDMEDIEN JOURNALISTEN? Leidmedien ist ein Informationsportal, wo wir Argumente zusammengetragen haben, warum wir uns eine neutralere Berichterstattung wĂźnschen. Es kann sich jeder informieren, dass man zum Beispiel nicht „er ist an den Rollstuhl gefesselt“ schreibt, weil das eine Opferdarstellung ist. Man macht jemanden zum Opfer, obwohl er sich selbst nicht als Opfer sieht. Wir sagen niemandem, was er schreiben soll, aber präsentieren unsere Meinung zu unterschiedlichen Themen, die sehr viele Menschen mit Behinderung teilen. Wenn du es trotzdem schreibst, dann wundere dich halt nicht, wenn du hinterher von irgendjemanden korrigiert wirst – zum Beispiel Ăźber Twitter.

WIE KANN SICH JEMAND DEM THEMA AN1ÂĄ+(51 '(5 %,6+(5 12&+ .(,1( BERĂœHRUNGSPUNKTE MIT INKLUSION ODER MENSCHEN MIT BEHINDERUNG HAT? Er muss auf jeden Fall erst einmal anfangen, selbst mit Menschen mit Behinderungen zu sprechen. Es ist falsch, bei der Recherche fĂźr einen Artikel Ăźber ein Kind mit Behinderung nur mit den Eltern zu sprechen, mit dem Assistenten oder der Schulleitung. Sprecht mit demjenigen, Ăźber den ihr den Artikel macht. Und zwar so, dass ihr Meinungen zulasst.

'$6 +(,667 '8 08667(67 ',&+ 12&+ SELBST IN DAS THEMA EINARBEITEN? Ja. Meine Schule war nicht barrierefrei, Menschen mit Behinderung gab es dort einfach nicht. Im Studium gab es eine Freundin von mir, die nur ein Bein hat. Ich habe allerdings nie darĂźber nachgedacht, was sie denn fĂźr Barrieren im Alltag hat, sondern es einfach so hingenommen. Erst als ich zu den Sozialhelden gekommen bin, wo mehrere Kollegen einen Rollstuhl nutzen, habe ich gemerkt: Krass, erst mit 27 habe ich zum ersten Mal BerĂźhrungspunkte. Andere haben ihr ganzes Leben lang keine BerĂźhrugspunkte mit Menschen mit Behinderung, aber treffen dann vielleicht Entscheidungen, die das Leben von Menschen mit Behinderung beeinflussen.

:$6 0(,167 '8 :$580 787 6,&+ ',( POLITIK ZURZEIT NOCH SO SCHWER MIT DER INKLUSION? Inklusion wird besonders im politischen Diskurs als ein neues Konzept gesehen, das irgendwann abgeschlossen ist. Das ist nicht richtig. Inklusion ist eine neue gesellschaftliche Form. Man schafft es nie, Inklusion komplett zu erreichen, man kann immer nur drauf zuarbeiten. Und in politischen Prozessen wird immer gesagt, dass das Konzept der Inklusion erst fertig werden muss und dann erst umgesetzt werden kann. Ich erwidere: Es wird nie ein fertiges Konzept geben, ihr mĂźsst jetzt anfangen! AuĂ&#x;erdem wird sehr viel Ăźber Finanzierungshaushalte diskutiert. Politische Entscheidungen sollten nicht davon abhängig gemacht werden, welche Mittel im Finanzhaushalt fĂźr Inklusion vorgesehen sind. Dabei ist immer klar: Einfach ist Inklusion auf keinen Fall, aber wichtig.

WIE BIST DU EIGENTLICH ZU DEN SOZIALHELDEN GEKOMMEN?

HAST DU IN DEN VERGANGENEN JAHREN VERĂ„NDERUNGEN IN DER Ă–FFENTLICHEN DISKUSSION WAHRGENOMMEN?

Das war Zufall. Ich bin viel im Social Web unterwegs und habe bei Twitter eine Ausschreibung fĂźr einen Job als Webdesigner gesehen. Das kann ich nicht, habe mich dann aber initiativ fĂźr einen Job in der Ă–ffentlichkeitsarbeit beworben und es hat einfach gut gepasst. Ich war immer auf der Suche nach einem Verein, wo ich das GefĂźhl habe, dass ich da vielleicht irgendwas bewegen kann.

Was ich mitbekommen habe, ist, dass die Diskussion zugenommen hat, besonders im Themenfeld Inklusion und Schule. Und dass es dort ein groĂ&#x;es Auseinanderklaffen gibt: Das Erste, was man sich immer vorstellen kann, sind bauliche Veränderungen. Klar, der Rollstuhlfahrer soll Ăźberall reinkommen, das ist ja auch richtig. Also werden eine Rampe oder ein Aufzug gebaut. Das ist angekommen. Aber es gibt ja nicht nur Rollstuhlfahrer oder GehĂśrlose, die einen Gebärdensprachdolmet-

scher brauchen, sondern auch Menschen mit sogenannten „geistigen Behinderungen“. Oft wird argumentiert, dass diese nicht an die Regelschule gehen kĂśnnten. Da fängt es an, dass wir riesengroĂ&#x;e Unterschiede machen. Es gibt den „guten Behinderten“, wo wir nur einen Aufzug brauchen, aber es gibt auch den, wo wir viel mehr Anstrengungen unternehmen mĂźssen. Und diese Diskussion ist verwerflich.

IN WELCHEN BEREICHEN GIBT ES ERFOLGE ZU VERZEICHNEN? Der Üffentlich-rechtliche Rundfunk versucht, seine Programme barrierearmer zu gestalten. So wurde zum Beispiel der Eurovision Song Contest mit Audiodeskription gesendet. Man versucht, immer mehr Gebärdensprache unterzubringen. In Fulda wird jedes neue Üffentliche Gebäude von einer Gruppe von Rollstuhlfahrern auf seine Barrierefreiheit ßberprßft. Auch an manchen Schulen funktioniert die Inklusion, zum Teil schon seit zehn Jahren.

HAST DU EIGENTLICH EINE VISION FĂœR EINE INKLUSIVERE ZUKUNFT DEUTSCHLANDS? Eine Vision ist, dass wir aufhĂśren, ständig Ausreden zu suchen, warum Inklusion nicht funktioniert, sondern einfach damit anfangen, sie zu schaffen. Dass wir Ideen entwickeln und diesen einen gesetzlichen Rahmen geben. Dass in zehn Jahren alle Kinder zusammen lernen, und zwar in kleineren Klassen mit drei Lehrern und individuellerem Unterricht. Und, dass wir endlich aufhĂśren, in exklusiven Welten zu denken. Das ist, glaube ich, das Wichtigste.

Johanna Kleibl 23, Berlin ...findet, dass wir nicht diskutieren sollten, ob Inklusion nĂśtig ist, sondern wie wir sie als Gesellschaft mĂśglich machen kĂśnnen.

INTERVIEW // 17 //


PARADE GEGEN DIE PARALLELGESELLSCHAFT

DIE DISABILITY PRIDE PARADE HAT DEN CRISTOPHER STREET DAY ZUM VORBILD. HIER KOMMT DIE VIELFALT UNSERER GESELLSCHAFT SICHTBAR ZUM AUSDRUCK. ĂœBER DEN LAUTEN KAMPF DER MINDERHEITEN FĂœR EINE GESELLSCHAFT OHNE DISKRIMINIERUNG. VON JULIAN BEST

D

hat. „Hier bin ich, genauso wie ich bin, ie Stimmung ist ausgelassen. Zu elek- Weg bestritt, war es verpĂśnt, anders zu tronischen Beats tanzen bunt geklei- sein“, erinnert sich Kastl und fĂźgt hin- mit meinen Ecken und Kanten, Auffälligzu: „Man muss sich fĂźr das, was man ist, keiten und Eigenarten – und genauso wie dete, aber auch geschminkte, verkleidete ich bin, ist es richtig. Das muss nicht vernicht schämen“. Doch dem Kampf um oder halbnackte Menschen. Männer, die politische und gesellschaftliche Integrati- steckt oder verändert werden“, so Barten. als Frauen auftreten, Flyer verteilen und Personen mit Stickern bekleben. Fast on stellten sich nicht nur Homosexuelle. Knapp 1000 Menschen besuchten die Pasieht es aus wie beim Karneval, dennoch Die Frauenbewegung im 19. Jahrhundert rade. Teilnehmende waren unter anderem mit einem anderen Hintergrund: Poli- wurde nur durch Frauen vorangetrieben, Seh- und HĂśrbehinderte, Rollstuhlfahrer tische Paraden als Statement gegen Aus- die sich zur Wehr setzten und revolutio- und psychisch Erkrankte. grenzung. Jeden Juni tummeln sich hun- näres Denken besaĂ&#x;en. „Nur wer Stärke derttausende Begeisterte auf den StraĂ&#x;en zeigt, kann letztendlich etwas erreichen“, VIELFALT IST NORMALITĂ„T Berlins, um am schrillen Fest der Homo- so Kastl weiter. „Durch die Parade sollen die Teilnehmer sexuellen teilzunehmen. Der Christopher Street Day (CSD) gilt fĂźr viele als Inbegriff e3$5$'( '(5 )5($.6 .5š33(/ die Vielfalt unserer Gesellschaft ausdrĂźcken, mit dieser konfrontiert werden, unfĂźr die Trans-, Bi-, Inter- und Homosexu- 81' 1250$/*(67Âł57(1q tereinander in BerĂźhrung kommen und ellenszene. miteinander BrĂźcken bauen“, so Kastl. Es Doch dahinter stecken nicht nur SpaĂ&#x; Den gleichen Ansatz verfolgt auch Antje und Unterhaltung, sondern ein Kampf fĂźr Barten, Mitorganisatorin der Disability soll in Zukunft egal sein, ob man Hetedie Gleichberechtigung der Minderheiten. Pride Parade. Die Parade, die sich laut ro-, Homo-, Trans-, Bi- oder Intersexuell Robert Kastl, GeschäftsfĂźhrer des Berli- Barten an „Freaks und KrĂźppel, Ver- ist oder eine kĂśrperliche oder psychische ner CSD e.V., plant und organisiert seit rĂźckte und Lahme, Eigensinnige und Einschränkung hat. „Es geht darum zu 14 Jahren die alljährliche CSD-Parade in Blinde, Kranke und NormalgestĂśrte“ rich- zeigen, dass es selbstverständlich ist, so tet, fand 2013 zum ersten Mal in Berlin zu sein, wie man ist“, so Barten. „Man Berlin. „Es ist nicht nur eine Parade, an der man teilnimmt, um SpaĂ&#x; zu haben“, statt. Barten ist selbst auf den Rollstuhl kann einen Blinden nicht sehend, eisagt Kastl. Es ginge vielmehr darum, sich angewiesen und kennt die schiefen Bli- nen Gelähmten nicht laufend und einen in das Bewusstsein der BevĂślkerung zu cke und Vorurteile, die gegen „Normab- Schwulen nicht hetero machen. Jeder ist drängen, denn Homosexualität, sowie weichende“ aufgebracht werden. Haupt- ein Teil der Gesellschaft und sollte nicht sächlich geht es bei der Parade darum, dafĂźr kämpfen mĂźssen, so anerkannt und andere Sexualitäten, sind allgegenwärtig. Menschen zu politisieren, insbesondere akzeptiert zu werden, wie er oder sie ist“, auch von Diskriminierung Betroffene zu fĂźhrt sie aus. Laut Barten hätten viele NICHT UNSICHTBAR BLEIBEN stärken, damit sie selbst fĂźr ihre Rechte Angst, mit etwas in BerĂźhrung zu komkämpfen und laut werden in dem Wissen, men, das sie in ihrem normalen Umfeld „1979, als auch in Berlin der erste CSD mit circa 400 Paradeteilnehmern seinen dass auch ihre Stimme eine Menge Wert nicht kennen, weshalb auf sie zugegan-

gen werden muss, um ihnen zu zeigen, dass Menschen mit Behinderung nicht anders sind als sie. Antje Barten und Robert Kastl sind sich einig: Der CSD wie auch die Disability Pride Parade mĂźssen jährlich stattďŹ nden. Denn hier wird ein Ort geschaffen, an dem jeder stolz darauf sein kann, wie er oder sie ist.

Julian Best 20, Sigmaringen ‌ spĂźrt nun noch mehr, wie wichtig es ist, fĂźr Vielfalt zu kämpfen.

FRUCHTFLEISCH Kannst du deiner Meinung nach gut mit Menschen mit Behinderung umgehen? e6(/%679(567ÂĄ1'/,&+q

/,186 67$'7/(5 -$+5( DESIGN-STUDENT „ENGAGIERTE FAMILIE. INTEGRATIVE GESAMTSCHULE. UND BIS IN DIE ACHTE KLASSE HATTEN 70 % MEINER FREUNDE BEHINDERUNGEN. ICH DENKE ALSO, JA!“

\\ 18 \\ ENGAGEMENT

e1250$/q

-8/,$ $0%526&+ -$+5( PSYCHOLOGIESTUDENTIN „SUPER! WAHRSCHEINLICH AUCH, WEIL ICH DIE MENSCHEN NICHT ALS UNNORMAL ANSEHE.“

e+(5$86)25'(581*q

'5 3(7(5 %$570$11 -$+5( ZENTRUMSLEITER BEI DER DIAKONIE „ES IST NICHT IMMER EINFACH. EINE PSYCHISCH KRANKE FREUNDIN FORDERT MICH SCHON SEHR.“


ENGAGEMENT FÜR ALLE!

FREIWILLIG UND EHRENAMTLICH ETWAS GUTES TUN, DIESEN WUNSCH HABEN MENSCHEN AUS ALLEN GESELLSCHAFTLICHEN BEREICHEN. ENTGEGEN DER OFT EXKLUSIVEN ARBEITSWELT, BIETET DAS FREIWILLIGE ENGAGEMENT NOCH VIEL RAUM FÜR GELEBTE INKLUSION – DENN AUCH MENSCHEN MIT BEHINDERUNG WOLLEN SICH EINBRINGEN. VON CHRISTIANE BANNEITZ ier Millionen? Acht oder 16 Millionen? Oder doch nur 200.000? Fragende Blicke mischen sich mit Verunsicherung, wenn man Gleichaltrige darum bittet, das ehrenamtliche Engagement der Deutschen einzuschätzen. „Auf jeden Fall nicht so viele“, darin sind sich die meisten einig. Die Realität sieht glücklicherweise anders aus: Etwa ein Drittel der Bevölkerung über 14 Jahren engagiert sich über einen längeren Zeitraum freiwillig und unentgeltlich. Laut einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung möchte sich sogar fast die Hälfte aller jungen Menschen gerne noch mehr engagieren.

STÄRKUNG DER INKLUSION IM EHRENAMT Was dabei oft übersehen wird: Auch Menschen mit Behinderung können und wollen ihren Beitrag leisten und sich engagieren. Sie sind nicht automatisch lediglich Empfänger von ehrenamtlichem Engagement, sondern bringen sich bereits deutschlandweit auf vielfältige Weise in die Gesellschaft ein. Die Diakonie Hamburg startete 2010 das Projekt „Selbstständig freiwillig“, das engagierte Menschen mit Behinderung und mögliche Empfänger zusammenbringt. Ob Kaffeeausschenken in der Kirchengemeinde, Hunde ausführen im Tierheim oder Vorlesen in der Einrichtung für Senioren, Hilfe wird an vielen Orten gebraucht. Eine Gesellschaft, die sich Inklusion als Ziel setzt, muss in vielerlei Hinsicht umdenken und bei Menschen mit Behinderung nicht nur die Hilfsbedürftigkeit, sondern auch das Potential sehen. „In diesem Projekt wird ein Perspektivwechsel eingeläutert, der Menschen mit Behinderung ganz selbstverständlich zu Akteuren werden lässt. Das nennen wir Inklusion“, sagt Friedhelm Peiffer, der Bereichsleiter für Förderung der Aktion Mensch, die das Projekt von Anfang an unterstützt hat. „Selbstständig Freiwillig“ hat einen Praxisleitfaden für das Engagement von Menschen mit Behinderung herausgegeben, der auch Arbeitsmaterialien in einfacher Sprache umfasst. So können sich auch Menschen mit Lernschwierigkeiten informieren und den Kontakt suchen. Sich gebraucht fühlen, einen Beitrag leisten - dies ist nicht nur ein Bedürfnis und das Recht eines jeden Menschen, sondern dient laut amerikanischer Studien der eigenen Gesundheit und kann sogar einen geringen Medienkamentenbedarf nach sich ziehen. Doch das Zusammenbringen von Freiwilligen und Einsatzorten ist sowohl bei Menschen mit und ohne Behinderung nicht immer einfach. Menschen mit Behinderung brauchen oftmals, vor allem zu Beginn, einen Begleiter, der das Ehrenamt

EHRENAMTLICHES ENGAGEMENT IN DEUTSCHLAND IN WELCHEN BEREICHEN BIST ODER WARST DU AKTIV ODER KANNST DIR EIN ENGAGEMENT VORSTELLEN?

FREIZEIT UND GESELLIGKEIT SPORT UND BEWEGUNG

16,0 27,1 4,9 26,6

TIER-, UMWELT- UND NATURSCHUTZ

19,8 22,5

ARMUT UND SOZIALE GERECHTIGKEIT

21,8

SCHULE UND KINDERGARTEN

MENSCHEN OHNE BEHINDERUNG

18,5 19,6

BEHINDERUNG UND TEILHABE

23,5 15,2

KIRCHLICHER UND RELIGIÖSER BEREICH MIGRATION UND ZUSAMMENLEBEN

MENSCHEN MIT BEHINDERUNG

21,0

14,8 14,5 7,4 9,4

QUELLE: AKTION MENSCH: AKTUELLE UMFRAGE - MENSCHEN MIT UND OHNE BEHINDERUNG ENGAGIEREN SICH GLEICHERMASSEN FÜR DIE GESELLSCHAFT (2013).

STATISTISCHE ERHEBUNG DER AKTION MENSCH (2013): BEHINDERTE UND NICHT-BEHINDERTE MENSCHEN UNTERSCHEIDEN SICH IN IHREM ENGAGEMENTFELDERN NICHT WESENTLICH. ES ZEIGT SICH ABER DEUTLICH, DASS SICH BEHINDERTE MENSCHEN VERSTÄRKT FÜR IHRE EIGENE SACHE ENGAGIEREN (BEHINDERUNG UND TEILHABE). VOR ALLEM IN DEN BEREICHEN FREIZEIT UND GESELLIGKEIT SOWIE SPORT UND BEWEGUNG GILT ES NOCH MEHR ZUGANGSMÖGLICHKETEN ZU SCHAFFEN.

erst möglich macht. An diesen mangelt es zur Zeit aber noch vielerorts.

AKTIV WERDEN Oft entsteht die Übernahme eines Ehrenamtes aus Zufällen. „Freunde von mir waren in der Hochschulpolitik engagiert, da bin ich dann mal mitgekommen und war von der Arbeit begeistert!“ So wie der Heidelberger Psychologiestudentin Andrea Kramer geht es vielen. Doch was ist, wenn man sich gerne engagieren möchte, es aber an Möglichkeiten im eigenen Umfeld fehlt? Hier setzen Internetseiten wie www.gute-tat.de an. Interessierte aus Berlin, Hamburg und München finden dort eine Anlaufstelle im Netz. Auch auf den Internetseiten von Kommunen gibt es häufig zahlreiche Angebote. Doch für die Jüngeren wird ihre Minderjährigkeit oft zum Problem und wiederholte Ablehnung bremst den Enthusiasmus. Wer lieber selbst ein Projekt auf die Beine stellen möchte, der kann sich an die Servicestelle Jugendbeteiligung wenden. Der bundesweit agierende Verein un-

terstützt lokale, selbst initiierte Projekte von jungen Menschen, die zwischen 14 und 27 Jahren sind. Hier können also auch Minderjährige Verantwortung übernehmen, sich zu Gruppenleitern ausbilden lassen und werden dabei von den ebenfalls ehrenamtlich Aktiven der Servicestelle unterstützt. „Viele Leute meinen, junge Menschen würden sich nicht engagieren, doch wir erleben hier das Gegenteil!“, stellt der Vorstandsmitglied Marc Ludwig fest. In Deutschland läuft ehrenamtliche Mitarbeit häufig im Rahmen von Vereinen ab. Viele junge Menschen möchten sich jedoch lieber individuell und flexibel einbringen - wie Neval Parlak und Ariane Grote (beide 17 Jahre), die bei einer Sportveranstaltungen für Menschen mit und ohne Behinderung des „FEZ Kinderund Jugendfreizeitzentrum“ am Start motivieren, die Zeit stoppen und Medaillen verteilen. „Uns hat eine Lehrerin auf den Gedanken gebracht. Wir wollten uns gerne engagieren, wussten aber nicht, wo. Sie kam genau zur rechten Zeit“, erzählen die 17-jährigen.

CHANCE FÜR MEHR INKLUSION In den Beispielen wird deutlich, inwiefern Ehrenamt und Engagement zur Inklusion beitragen kann: Ein gemeinsames Miteinander kann Akzeptanz untereinander schaffen und den ungezwungenen Umgang fördern, wenn Menschen verschiedener Herkunft gemeinsam für eine Sache arbeiten. In der Schule, im Studium, Ausbildung oder der Arbeitswelt sind die Barrieren oft größer. Im Engagement hingegen ist jeder willkommen, wenn es darum geht, etwas Gutes zu tun.

Christiane Banneitz 25, Berlin ...mag den altmodischen Begriff „Ehrenamt“ gegenüber „Freiwilligenarbeit“.

ENGAGEMENT // 19 //

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GEMEINSAM AN DEN START GEBRACHT

SPORTEVENTS WIE DIE SPECIAL OLYMPICS MACHEN VOR, WIE INKLUSION AUCH IM SPORT FUNKTIONIEREN KANN. AUSBLICKE VON HENRIK NÜRNBERGER UND RAISSA SCHREINER

*UDƂN +HQULN 1ÙUQEHUJHU

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I

ZUGANG ERMÖGLICHEN

er Sport biete sich an, um den „in- Gleichstellung innerhalb. Der Berliner Inklusiven Gedanken zu fordern“, klusionslauf ist dabei einer der noch wefindet Jochen Gärtner vom Sozialver- nigen Schritte in diese Richtung. Um diesen Gedanken weiterzubrinband Deutschland. Zusammen mit vier Mitstreitern im Verband entwickelte er gen, sieht Jonas Blitz vom Hessischen deshalb das Konzept für den Berliner Special-Olympics-Verband vor allem die Inklusionslauf, der im Juni 2014 zum vielen Sportvereine in der Pflicht sich zu öffnen. „Behinderte Sportler haben ersten Mal ausgetragen werden soll. Die Besonderheit: Statt in abgeschlossenen das Recht, in Regelvereinen teilzuhaben, und sei es nur im Training“, sagt er. Hier Klassen, werden Sportler mit und ohne körperliche Beeinträchtigung zusammen fehlt es vor allem an Vermittlern, die in Teams an den Start gehen. Etwa in ei- Trainer und Übungsleiter in den Sportverner Staffel über 10 Kilometer, immer im einen im Umgang mit Behinderten schuWechsel zwischen Handbikern und Läu- len.“ Selbst kümmert er sich in Hessen fern. „Das gemeinsame Freizeitinteresse als Projektkoordinator um die Unifiedlässt sich hier problemlos auch in einem Laufgruppen, bei denen Behinderte und gemeinsamen Erlebnis bündeln. Für Nicht-Behinderte in Gruppen gemeinsam Sportler ohne Beeinträchtigung ist es wie- trainieren. Nach seiner Einschätzung erderum eine Möglichkeit, Unsicherheiten freuten sich diese vermehrter Nachfrage im Umgang mit Behinderung abzubau- – von beiden Seiten. So hofft auch Jochen Gärtner vom en“, so Gärtner weiter. Sozialverband Deutschland auf viel Zuspruch. Die erste Resonanz zum geGEMISCHTES PRINZIP MIT planten Inklusionslauf war zunächst AUSBAUPOTENZIAL mehr als positiv, jetzt müssen nur noch Gemeinsam trainieren, gemeinsam an die Teilnehmer kommen: Wenn alles den Start – es ist ein simples Prinzip, klappt, werden mindestens 750 Sportler das – mit Ausnahme der Mannschafts- an den Start gehen im Kampf um die sportarten – auf alle Team-Disziplinen Medaillen – ganz egal ob mit oder ohne einfach übertragbar wäre. Dabei bietet Behinderung. derzeit mehr und mehr auch der Spitzensport eine modellhafte Analogie: Die klassische Kategorie männlich/weiblich wird aufgebrochen, indem Frauen und Männer verstärkt in gemischten Teams zusammenkommen. Beispiele bieten hier einige Disziplinen in Wintersportarten wie Biathlon und Rodeln, aber auch das Henrik Nürnberger „gemischte Doppel“ im Tennis mit eben24, Breslau so olympischer Bedeutung. Verglichen ...überlegt, ob auch er dazu fristet der Behindertensport eher beim Berliner Inklusionsdie Existenz einer parallen Sonderklaslauf an den Start geht. se, eine eigene Sportwelt für sich. Unter Eigentlich fehlt nur noch ein Trainingspartner. dem Etikett der Inklusion wird oft nur die Teilhabe am Sport betont, nicht aber die

\\ 20 \\ SPORT

nklusion durch Sport: Das ist das Ideal, das hinter den Special Olympics Deutschland (SOD) steht. Im jährlichen Wechsel zwischen Sommer- und Winterspielen treten Athleten mit geistiger Behinderung und mehrfacher Behinderung gegen- und miteinander an. Bowling, Golf, Leichtathletik, Schwimmen, Judo, Fußball oder Handball, die Auswahl ist vielfältig - und die Teilnahme beliebt. In 19 vorwiegend olympischen Disziplinen finden die diesjährigen Sommerspiele vom 19. bis 23. Mai in Düsseldorf statt, fast 5000 Sportler haben sich angemeldet. Ihren Ursprung hat die Bewegung in den USA, dort gilt sie bereits als Marke und hat den gleichen Bekanntheitsgrad wie Coca-Cola. Der deutsche Ableger wurde Anfang der 90er Jahre gegründet und gewinnt auch hierzulande immer mehr an Aufmerksamkeit.

„Für uns heißt Inklusion, dass Athleten vollkommen die Wahlmöglichkeiten haben, Sport zu treiben, mit wem, wann und wie er oder sie das machen will“, so Sonja Schmeißer, Pressebeauftragte der Special Olympics Deutschland. Darum setzt die Organisation auf Zusammenarbeit mit Vereinen, Einrichtungen und Schulen. Der Ansatz ist lösungsorientiert. Fortbildungen für Kampfrichter, Übungsleiter oder Helfer werden durch die SOD angeboten. Breitensport ist das Ziel, jeder soll Zugang zu Sportangeboten erhalten. „Es geht darum, Selbstbewusstsein aufzubauen und sich mehr zuzutrauen. Jeder Trainer wird bestätigen, dass bei jemandem, der regelmäßig Sport macht, es eine unglaublich positive Wirkung hat, auch bei sehr schwer behinderten Leuten“, so Sonja Schmeißer weiter. Während auf ein flächendeckendes Sportan-

gebot für alle Menschen hingearbeitet wird, fördert die Organisation gleichzeitig auch gemeinschaftliche Sportprogramme. Im Fokus steht das „Unified Sports“-Programm. SOD-Athleten können gemeinsam mit „Partnern“, Sportlern ohne Einschränkungen, trainieren und sich in Teams für die Wettkämpfe der nationalen Special Olympics anmelden. Das Programm gilt nicht nur für Mannschaftssportarten, sondern Disziplinen aller Art und kann weiter bis zu den internationalen Spielen geführt werden. Als weltweit einzige Organisation tragen die Special Olympics, mit Genehmigung des Internationalem Olympischen Komitees, den geschützten Begriff „Olympisch“ im Namen. Düsseldorf bietet dieses Jahr also die Möglichkeit, olympische Luft zu schnuppern.

Raissa Schreiner 25, Berlin ...freut sich live vor Ort bei den Special Olympics dabei zu sein - und nicht nur darüber zu schreiben.


Foto: Kristoffer Schwetje

MIT SEHBEHINDERUNG WÄHLEN: DURCH DIESE SCHABLONE IN BRAILLESCHRIFT IST DAS KEINE HÜRDE.

WÄHLEN OHNE BARRIERE

POLITISCHE MITBESTIMMUNG OHNE WAHLEN IST UNDENKBAR. NACH WIE VOR GIBT ES VIELE HÜRDEN ZU ÜBERWINDEN. ÜBER DEN STEINIGEN WEG ZUR BARRIEREFREIEN WAHL. VON ISABELLA GREENE

W

ählen ist ein zentrales Element der politischen Mitbestimmung des Bürgers. Doch für Teile unserer Gesellschaft ist die Stimmabgabe mit Hürden verbunden. Die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, die Beteiligung von Menschen mit Behinderung an der politischen Willensbildung zu ermöglichen. Deshalb hat Inklusion auch bei Wahlen eine fundamentale Bedeutung.

ZUGÄNGLICHKEIT In den vergangenen zehn Jahren hat sich einiges in der rechtlichen Lage zur barrierefreien Wahl getan. Die gesetzlichen Grundlagen befinden sich in der Bundeswahlordnung in § 57 für die Stimmabgabe behinderter Wähler und § 46 I 1 Barrierefreie Wahlräume sowie in den Durchführungsbestimmungen des Bundeswahlgesetzes Bestimmungen über die Teilhabe Menschen mit Behinderung bei Wahlen. Die Schwierigkeiten fangen bereits bei der Wahlbenachrichtigung in Briefform an. Für Blinde und Menschen mit einer Sehbehinderung ist diese ohne Hilfsmittel nicht lesbar. Dennoch hilft die Wahlbenachrichtigung vielen weiter, da sie über die generelle Barrierefreiheit des zuständigen Wahllokals Auskunft gibt. Stellt sich heraus, dass das zuständige Wahllokal nicht die Anforderungen der Barrierefreiheit erfüllt, kann ein Wahlschein bean-

tragt und ein anderes Lokal innerhalb des Wahlkreises gewählt werden. „Zukünftig sind Wahlbenachrichtigungen per E-Mail wünschenswert“, sagt Torsten Resa vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV). Neben der Briefwahl versucht der Staat mit Assistenzen den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen gerecht zu werden. Die Behindertenbeauftragen von Bündnis 90/Die Grünen verlangen, dass Wahlhelfer in den Wahllokalen vor Ort standardmäßig über Unterstützungsmöglichkeiten informiert werden. Die wohl größte Errungenschaft beim barrierefreien Wählen für Blinde und Sehbehinderte ist die Stimmzettelschablone mit den dazugehörigen Informationen in Brailleschrift oder auf CD. Sie ermöglicht dem Wähler, seine Stimme ohne jegliche Assistenz einer anderen Person abzugeben. Dieses Hilfsmittel wird vor jeder Wahl individuell von den Landesvereinen des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e.V. hergestellt und kostenlos ausgegeben. Damit vor allem auch Menschen mit einer geistigen Behinderung in die Wahl besser einbezogen werden, fordern Dr. Bettina Leonhard von der Lebenshilfe e.V. wie auch die SPD eine Neugestaltung der Wahlzettel, auf denen die Fotos der Kandidaten abgedruckt sind. Grundsätzlich herrscht fraktionsübergreifend Einigkeit darüber, dass die Informationen über Wahlen, Kandidaten und aktuell politische Debatten einfacher

zugänglich gemacht werden muss. Speziell mehr Informationsangebote in leichter Sprache soll es unter anderem für Menschen mit geistiger Behinderung geben. Das wohl offensichtlichste Problem ist die mangelnde Barrierefreiheit von Wahllokalen, wie Rampen für Rollstuhlfahrer oder fehlende Blindenleitsysteme. „Im Bereich barrierefreie Wahllokale sind noch Verbesserungen nötig“, heißt es dazu aus dem Büro des CDU-Behindertenbeauftragten. Auch vor der Bundestagswahl 2013 hätte die CDU um entsprechende Lösungen in den Wahllokalen gebeten. Jedoch ohne großen Erfolg.

GLEICHBERECHTIGUNG Im Sinne der Inklusion sollen alle Menschen gleichberechtig wählen können. Durch den Wahlrechtsausschluss sind mehrheitlich Menschen mit Behinderungen von den allgemeinen Wahlen ausgeschlossen. Fraglich ist allerdings, ob die Ausschlusstatbestände einer (höchstrichterlichen) Überprüfung am Maßstab des Verfassungsrechts und des Art. 29 UNBehindertenrechtskonvention standhalten würden. Nicht nur die Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. ist der Auffassung, dass der Wahlrechtsauschuss im Lichte der heutigen menschenrechtlichen Standards nicht länger hinzunehmen ist. Der Vorstoß von SPD und den Grünen für eine diesbezügliche Verbesserung des Wahlrechts ist im vergangenen Jahr ge-

scheitert. Die CDU möchte den Abschluss einer „Studie zum aktiven und passiven Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen“ abwarten. Acht Betroffene wollen den Zustand nicht länger hinnehmen und haben Einspruch gegen die Gültigkeit der Bundestagswahl 2013 eingelegt. Notfalls soll das Bundesverfassungsgerichts die ersatzlose Streichung des Wahlrechtsausschlusses erzwingen.

TEILHABE Denn damit jeder Mensch ein vollständiges, also auch staatsbürgerlich selbstbestimmtes Leben führen kann, gehört die Teilhabe am politischen Leben unbestreitbar dazu. In erster Linie betrifft das die Gewährleistung durch den Staat und seine Institutionen, das aktive und passive Wahlrecht auch tatsächlich wahrnehmen zu können.

Isabella Greene 25, Berlin ...hat sich gefreut, dass auf Anfrage alle vier Behindertenbeauftragten der Fraktionen geantwortet haben.

PRAXIS // 21 //


VON UNSICHERHEIT UND OFFENER ABNEIGUNG

WEGDREHEN, DIE STRASSENSEITE WECHSELN, VERLETZENDE KOMMENTARE ABGEBEN – DAS GEHĂ–RT ZU DEN ĂœBLICHEN REAKTIONEN VON MENSCHEN OHNE BEHINDERUNG AUF DERYA UND MICH. WARUM? DERYA, 39, IST BEWOHNERIN EINES BEHINDERTENHEIMS - UND ICH IHRE PERSĂ–NLICHE BEGLEITERIN. ALLTAGSERFAHRUNGEN VON HARRIET HANEKAMP

J

eden Freitag, wenn ich mit der Schule fertig bin, fahre ich mit dem Fahrrad zum Behindertenheim in der Nähe, dem „Tannenhof“, um Derya* abzuholen. Sie ist „meine“ Behinderte. Und so komisch das auch klingt, habe ich eine Art Beziehung mit ihr begonnen, die weit mehr als nur Spazierengehen beinhaltet. Derya kann zwar nicht sprechen, aber sie versteht mich. Sie kann mir auf meine Fragen mit Lauten antworten, nicken oder den Kopf schĂźtteln und sich mit Händen und FĂźĂ&#x;en ausdrĂźcken. So verstehe ich alles, was sie mir mitteilen mĂśchte - auch wenn wir keine Gespräche miteinander fĂźhren, wie es zwei Menschen ohne Behinderung machen wĂźrden.

ES SIND NICHT DIE OFFENSICHTLICHEN DINGE Derya ist TĂźrkin, 39 Jahre alt, geht mir gerade einmal bis zur Schulter, kann kaum etwas sehen. Ich bin Deutsche, 17 Jahre alt, 1,83 Meter groĂ&#x;, und sehe bestens. AuĂ&#x;er den offensichtlichen Dingen unterscheidet uns noch etwas: Ich liebe Hunde, sie fängt beim Anblick eines Hundes an zu schreien. Derya ist mehrfach geistig und kĂśrperlich behindert. Es sind nicht

die offensichtlichen Dinge – ihre Behinderung, meine Nicht-Behinderung - die uns unterscheiden oder zu Gruppen zugehĂśrig machen, sondern unsere CharakterzĂźge, die uns auszeichnen. Das ist bei vielen Menschen jedoch noch nicht angekommen. Wenn ich mit Derya unterwegs bin, mache ich oft Erfahrungen, die das bestätigen – ob beim Spazierengehen, beim Friseur, wenn wir nach einer neuen Jacke fĂźr sie schauen oder uns in ein CafĂŠ setzen und die Menschen um uns herum beobachten.

StraĂ&#x;enseite wechselt. Im Bus passiert es, dass Passanten sich wegsetzen, wenn wir zwei uns in ihre Nähe setzen. An diesem Verhalten sehe ich, wie verunsichert Menschen ohne Behinderung im Umgang mit Behinderungen sind. Wenn wir uns dann zehn Minuten später im Drogeriemarkt an der Kasse anstellen, rĂźmpfen sie die Nase. Und das ist dann nicht mehr nur Verunsicherung, sondern eine Beleidigung. Menschen mit Behinderung, obwohl sie Teil unserer vielfältigen Gesellschaft sind, werden ausgegrenzt.

IM BUS WIRD ABNEIGUNG BESONDERS DEUTLICH

ALS BESCHĂœTZERIN ERPROBT

Oft laufen Derya und ich zusammen in der Innenstadt Ulms herum, gucken Schaufenster an, bummeln Ăźber den Markt oder genieĂ&#x;en auf einer StraĂ&#x;enbank die Sonne. Gerade hier ist es nicht ungewĂśhnlich, dass das ein oder andere Kind etwas länger hinschaut, wenn wir zwei Hand in Hand die StraĂ&#x;e entlang laufen. Klar, so einen Anblick sieht man nicht häufig. Die Reaktionen darauf kĂśnnten unterschiedlicher nicht sein. Sie reichen vom verzĂśgerten Wegschauen bis dahin, dass ein Passant schon einmal die

Neben all den negativen Erfahrungen, die ich an einem einzigen Freitagnachmittag machen kann, gibt es aber auch positive, die fĂźr mich umso mehr zählen. Das sind die Momente, in denen uns Hilfe angeboten wird, weil der Abstand zwischen Bus und StraĂ&#x;e zu groĂ&#x; ist und Derya wegen der groĂ&#x;en LĂźcke nicht in den Bus kommt. Momente, in denen ich an der Kasse bin und mir die Kassiererin sagt, sie fände gut, dass ich mich ehrenamtlich engagiere. Momente, in denen Derya nach meiner Hand greift, weil sie so groĂ&#x;e Angst vor dem Hund hat, der uns

entgegenkommt und mir damit zeigt, wie wichtig ich fĂźr sie bin.

HANDKUSS ZUM ABSCHIED Wenn ich Derya nach einem eindrucksreichen Nachmittag wieder nach Hause bringe, hängt sie ihre Jacke an einem der vielen Kleiderhaken auf, bringt mich zur TĂźr und zeigt auf mich mit den Worten „Halla, Halla, Halla“. Das soll „Harriet“ heiĂ&#x;en, doch wegen ihrer sprachlichen Einschränkungen heiĂ&#x;e ich fĂźr sie „Halla“. Und jedes Mal, wenn sie mich so nennt, freue ich mich Ăźber die Ăźberschwängliche Verabschiedung, die meistens mit einem Handkuss einhergeht. *Name von der Redaktion geändert

Harriet Hanekamp 17, Ulm ...findet, dass sie durch ihre GrĂśĂ&#x;e behindert wird.

FRUCHTFLEISCH Wann fängt Behinderung deiner Meinung nach an? e816,&+7%$5q

(&.+$5' %85'(16.< -$+5( PENSIONĂ„R „OFTMALS VIEL FRĂœHER, ALS VON AUSSEN ERKENNBAR IST. ZUM BEISPIEL MEINE OMA: SIE KONNTE WEDER RIECHEN NOCH SCHMECKEN.“

\\ 22 \\ PRAXIS

e6(/%67:$+51(+081*q

8//$ 6&+0,'7 -$+5( BUNDESTAGSVIZEPRĂ„SIDENTIN „DAS IST VON DER EIGENEN LEBENSWELT ABHĂ„NGIG, ES GIBT MENSCHEN, DIE GELTEN ALS „BEHINDERT“, NEHMEN ABER VOLLKOMMEN TEIL.“

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$,'$ %$+ %(1,72 -$+5( SCHĂœLERIN „AB DEM ZEITPUNKT, AN DEM MAN AUF DIE HILFE ANDERER ANGEWIESEN IST.“


)5 , 6& + )5 8& +7, * 6(/ % 67*(35 (667} t 0 , 70 $ & + (1# 32/ , 7 , .25 $ 1*( ' (

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A

ls Veranstaltungszeitung, Magazin, Onlinedienst und Radioprogramm erreicht das Mediennetzwerk politikorange seine jungen HĂśrer und Leser. Krieg, Fortschritt, Kongresse, Partei- und Jugendmedientage – politikorange berichtet jung und frech zu Schwerpunkten und Veranstaltungen. Junge Autoren zeigen die groĂ&#x;e und die kleine Politik aus einer frischen, fruchtigen, anderen Perspektive.

POLITIKORANGE – DAS MULTIMEDIUM

+HUDXVJHEHU XQG 5HGDNWLRQ politikorange c/o Junge Presse Berlin e.V. Alt-Moabit 89, 10559 Berlin www.jpb.de

WIE KOMM’ ICH DA RAN?

WER MACHT POLITIKORANGE?

Gedruckte Ausgaben werden direkt auf Veranstaltungen, ßber die Landesverbände der Jugendpresse Deutschland e.V. und als Beilagen in Tageszeitungen verteilt. In unserem Online-Archiv stehen bereits ßber 50 politikorange-Ausgaben und unsere Radiosendungen sowie Videobeiträge zum Download bereit. Dort kÜnnen Ausgaben auch nachbestellt werden.

Junge Journalisten – sie recherchieren, berichten und kommentieren. Wer neugierig und engagiert in Richtung Journalismus gehen will, dem stehen hier alle TĂźren offen. Genauso willkommen sind begeisterte Knipser und kreative KĂśpfe fĂźrs Layout. Den Rahmen fĂźr Organisation und Vertrieb stellt die Jugendpresse Deutschland. Ständig wechselnde Redaktionsteams sorgen dafĂźr, dass politikorange immer frisch und fruchtig bleibt. Viele erfahrene Jungjournalisten der Jugendpresse stehen mit Rat und Tat zur Seite. Wer heiĂ&#x; aufs Schreiben, Fotografieren, Mitschneiden ist, findet Infos zum Mitmachen und zu aktuellen Veranstaltungen im Internet oder schreibt einfach eine eMail. Die frischesten MitmachmĂśglichkeiten landen dann direkt in deinem Postfach

WARUM EIGENTLICH POLITIKORANGE?

politikorange wurde 2002 als Veranstaltungszeitung ins Leben gerufen. Seit da- In einer Gesellschaft, in der oft Ăźber das mals gehĂśren Kongresse, Festivals und fehlende Engagement von Jugendlichen Jugendmedienevents zum Programm. diskutiert wird, begeistern wir fĂźr eigen2004 erschienen die ersten Themenma- ständiges Denken und Handeln. politikgazine: staeffi* und ortschritt*. Während orange informiert Ăźber das Engagement der Jugendmedientage 2005 in Hamburg anderer und motiviert zur Eigeninitiative. wurden erstmals Infos rund um die Ver- Und politikorange selbst ist Beteiligung anstaltung live im Radio ausgestrahlt und – denn politikorange ist frisch, jung und selbstgemacht. eine 60-minĂźtige Sendung produziert.

ZZZ SROLWLNRUDQJH GH PLWPDFKHQ#SROLWLNRUDQJH GH

&KHIUHGDNWLRQ 9 L 6 G 3 XQG /HLWXQJ Jasmin Bartels (jasmin.bartels@jpb.de) Johanna Kleibl (johanna.kleibl@jpb.de) 5HGDNWLRQ Ariane Grote, Christiane Banneitz, Daniel Rick, Friederike Strietzel, Harriet Hanekamp, Henrik NĂźrnberger, Jan-Henrik Walter, Johann Stephanowitz, Julian Best, Kathleen Retzar, Leonard Kehnscherper, Lerke Stoll, Lucia SchultheiĂ&#x;, Martin Oswald, Mona Kemnitz, Neval Parlak, Patrick GrĂźnhag, Raissa Schreiner, Rebecca Freitag, Sophia FĂśrtsch, Tasnim RĂśdder %LOGUHGDNWLRQ Henry W. Laurisch (henrylaurisch.de), Kristoffer Schwetje (kristofferschwetje.com) /D\RXW Henrik NĂźrnberger (henrik.nuernberger@jpb.de) Druck: BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH Am Wasserwerk 11 10365 Berlin $XĆƒDJH 4.000 Exemplare Ein besonderer Dank gilt Sarah Vespermann und Inge VoĂ&#x; von der Friedrich-EbertStiftung. Weiterhin danken wir der Firma Otto Bock fĂźr die Bereitstellung des Rollstuhls zu Recherchezwecken, dem Theater Thikwa fĂźr ein interessantes Abendprogramm, dem Unfall-Krankenhaus Berlin, dem Kollegium der Comenius-Schule fĂźr die Einblicke – und natĂźrlich unseren fantastischen CoverModels! Eine Kooperation der Jungen Presse Berlin e.V. zusammen mit der Friedrich-EbertStiftung.

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ĂœBER UNS // 23 //


DAS HÄTT‘ ICH JETZT NICHT GEDACHT... 18,1

MILLIONEN MENSCHEN IN DEUTSCHLAND LEBEN MIT EINER BEEINTRÄCHTIGUNG.

UNGEFÄHR

9%

DER DEUTSCHEN, DAS SIND ETWA

BEHINDERUNG. WELTWEIT SIND ES

50% 6,6%

10%

MILLIONEN, HABEN EINE

. IN DEN ENTWICKLUNGSLÄNDERN WÄREN

VERMEIDBAR GEWESEN, BLINDHEIT SOGAR IN

80%

DER FÄLLE.

DER KINDER HABEN IN DEUTSCHLAND EINEN BESONDEREN FÖRDERBEDARF.

VON DEN STUDENTEN HABEN ETWA ERKRANKUNG.

62%

BEHINDERUNG, UNGEFÄHR

NUR

7,4

58%

8%

EINE BEHINDERUNG ODER EINE CHRONISCHE

DER SCHWERBEHINDERTEN HABEN EINE KÖRPERLICHE

5%

DAVON SIND SEHBEHINDERT ODER BLIND.

DER MENSCHEN MIT BEEINTRÄCHTIGUNG IM ERWERBSFÄHIGEN ALTER SIND

AUF DEM ALLGEMEINEN ARBEITSMARKT BESCHÄFTIGT. IM ROLLSTUHL DOCH NUR

20%

1,6

MILLIONEN MENSCHEN SITZEN

DER ARTZPRAXEN BARRIEREFREI ZUGÄNGLICH.

QUELLEN: WWW.HANDICAP-INTERNATIONAL.DE WWW.UNESCO.DE


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