Arbeiterbewegung

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ARBEITER BEWEGUNG SOMMER 2010

UNABHÄNGIGES MAGAZIN ZUM 19. BUNDESKONGRESS DES DGB HERAUSGEGEBEN VON DER JUGENDPRESSE DEUTSCHLAND


INHALT

HEISSE LUFT IN KALTEN ZEITEN…S.06

ROT-GRÜN, SCHWARZ-ROT, SCHWARZ-GELB: ER HAT SIE ALLE ERLEBT. MICHAEL SOMMER IST AUF DEM DGB-BUNDESKONGRESS IN SEINE DRITTE AMTSZEIT ALS VORSITZENDER GEWÄHLT WORDEN. AUCH IM ANGESICHT DER FINANZKRISE ZEIGT ER SICH KÄMPFERISCH.

AUF DER JAGD NACH DEN BESTEN KÖPFEN…S.08

HEADHUNTER SIND UMSTRITTEN. SIND SIE GIERIGE ABWERBER UND KOPFGELDJÄGER ODER DOCH EHER DIE SENSIBLEN BERATER UND PERSONALVERMITTLER MIT FINGERSPITZENGEFÜHL?

SIEBEN WEGE AUS DER ARBEIT…S.09

WARUM SICH NOCH MIT JOBS RUMSTRESSEN, WENN ES DOCH SO VIELE ANDERE MÖGLICHKEITEN GIBT, AN GELD ZU KOMMEN? WIR KENNEN EINIGE NICHT GANZ ERNST GEMEINTE ALTERNATIVEN.

BÜFFELN STATT BUCKELN...S.11

NACH WIE VOR IST DER ANTEIL DER ARBEITERKINDER AN DEN DEUTSCHEN UNIVERSITÄTEN GERING. STIPENDIEN HELFEN ZWAR, SETZEN DIE GEFÖRDERTEN ABER AUCH UNTER DRUCK.


DAS GANZE LEBEN IST EIN SPIEL...S.12-13

POLITIKER SETZEN VOR ALLEM IN DER FINANZKRISE ALLES AUF EINE KARTE. NICHT IMMER MIT ERFOLG. DABEI IST ES EIGENTLICH GANZ EINFACH. FÜR JEDEN EXISTIERT DIE PERFEKTE GEWINNSTRATEGIE. WIR STELLEN SIE VOR.

DAS BÜRO ALS ZWEITES ZUHAUSE…S.18

IN DEUTSCHLAND LEBEN ETWA 3,4 MILLIONEN ARBEITSLOSE – EIN GESELLSCHAFTLICHER MAKEL. DER MENSCH BRAUCHT EINEN JOB, SAGT DER ARBEITSPSYCHOLOGE ERNST HOFF. EIN GESPRÄCH ÜBER SINN UND ANSEHEN VON TÄTIGKEITEN.

NUR NICHT DEN KOPF VERLIEREN...S.19

AUF DEM FREIEN MARKT BESTIMMEN ANGEBOT UND NACHFRAGE DEN PREIS. DOCH MIT DEM PREIS FÜR ARBEIT, DEM LOHN, IST ES NICHT SO EINFACH.

MIT DEM RÜCKEN ZUR WAND...S.20

IN BERLIN-NEUKÖLLN IST ARBEITSLOSIGKEIT ALLGEGENWÄRTIG. BEHÖRDEN, LADENLOKALE UND BERATUNGSBÜROS VERSUCHEN TÄGLICH, DEN MENSCHEN AN DEN JOB ZU BRINGEN.

GEFÄHRDETE GLEICHSTELLUNG...S.23

FRAUEN VERDIENEN IN DEUTSCHLAND WENIGER ALS GLEICHQUALIFZIERTE MÄNNER. SELBST SCHULD, MEINEN MÄNNERGLEICHSTELLUNGSINITIATIVEN.


E D IT O R I A L Es tut uns leid: Die Kanzlerin hat ihr Interview mit uns abgesagt. Die Wahl in NRW war für ihre Partei ein Desaster. Da bringt es auch nichts mehr, Gefälligkeits-Gespräche mit Nachwuchsjournalisten zu führen. Liebe Frau Merkel, wir verstehen das. Auch die Gewerkschafter stehen mit dem Rücken zur Wand. Sie waren gerade dabei, ihren Mitgliederschwund zu stoppen, als die Rezession sie überraschte. Die Finanzkrise hat der Politik gezeigt, wo der Hammer hängt. Der Druck auf Wirtschaftsstandorte, auf Löhne und Arbeitsplätze nimmt zu. Ein Mantra geistert durch die deutsche Wirtschaft: Arbeit um jeden Preis.

VIEL ESSEN, ENERGIE UND ARBEIT

400 DELEGIERTE DER ACHT MITGLIEDSGEWERKSCHAFTEN DES DGB HABEN VIER TAGE LANG BEIM 19. PARLAMENT DER ARBEIT IN BERLIN-NEUKÖLLN GEREDET, GESTRITTEN UND GELACHT. VON NORA LASSAHN

Während also dem DGB die Unterstützer scharenweise weglaufen und die Forderungen nach dem Ausbau des Sozialstaates utopisch erscheinen, gibt die Kanzlerin Nachhilfe in Realitätsbezug: Es liegen schwierige Jahre vor uns, seufzte sie vor dem sogenannten Parlament der Arbeit. Die schwarz-gelbe Regierung sei ja vom Wähler gewollt, das sei jetzt so, sagte Merkel in grünem Jackett vor roter Leinwand. Die Gewerkschafter müssten einsehen, dass die Rente mit 67 unabdingbar sei, weil nicht immer mehr ältere von immer weniger jungen Menschen ausgehalten werden können. Da seufzten auch die Gewerkschafter nur noch, eine einsame Trillerpfeife zeugte von heimlichem Programm-Protest. Was tun gegen vollendete Tatsachen? Wenn die Amerikaner und Briten sich quer stellen, sagt die Kanzlerin, kann der DGB seine Finanzmarkt-Regularien vergessen. Internationale Arbeitersolidarität ist gefragt, aber wo bleibt sie? Der Kampf um Opel-Standorte hat gezeigt, dass nationale Interessen Priorität haben, wenn es eng wird. So machten die DGB-Delegierten lieber, was immer gut geht: Pause. In kurzen Abständen wurden sie zu den Getränken gebeten. Zugegeben: Das Milliardenpaket für Griechenland war eine denkbar unpassende Einstimmung auf den Bundeskongress. Jetzt soll sich der kleine Mann nicht nur Sorgen um seinen Job machen, sondern auch für die Stabilität des Euros blechen – wer daraus noch Motivation schöpft, ist wirklich ein Arbeitstier. Die politikorange-Redaktion zählt sich dazu. Wir sprachen mit Arbeitslosen, Multijobbern und Headhuntern, untersuchten, was ein gerechter Lohn ist, warum Frauen ihn nicht bekommen und was Gewerkschaften mit all dem zu tun haben. Wir fragten, wie Menschen mit mehreren Jobs leben und machen Vorschläge, wie man ganz ohne Arbeit über die Runden kommen kann. Schließlich erfanden wir ein kleines Spiel für die arbeitsfreien Zeiten. Wie auch Pippi Langstrumpf weiß: Faul sein ist wunderschön, denn die Arbeit hat noch Zeit. Barbara Engels und Nils Glück

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EDLES AMBIENTE FÜR EDLE GEDANKEN. Foto: Martin Knorr

An die Wände des Sitzungssaals sind rot-weiße Banner gespannt. Sie verkünden die Schlagwörter des Kongresses, „Arbeit“, „Gerechtigkeit“ und „Solidarität“. Sehr allgemein, aber imposant präsentiert. Die Eröffnungsveranstaltung steht unter dem Motto „Mut gegen Rechts“. Sie beginnt mit einem Kurzfilm, der ironisch vorschlägt, Rechtsradikale als Wäscheständer zu resozialisieren. Nazis könnten immerhin hervorragend Wäscheleinen halten, wenn sie gerade mit Hitlergruß stramm stehen. Der Mädchendchor Scala tritt auf, in schwarzen Abendkleiden singen sie „Schrei nach Liebe“ von der Band „Die Ärzte“, als wäre es eine virtuose Symphonie. Alle klatschen. Rechtsextremismus ist immer ein gutes Thema, um die Leute auf einen Nenner zu bringen. Der Rapper Samy Deluxe aber warnt die Delegierten bei seinem kurzen Auftritt auf der Bühne: Man müsse zwischen Rechtsextremismus und Rassismus unterscheiden. Zu oft würde im Privaten wie in der Öffentlichkeit falsches Schubladendenken gefördert – dagegen wehre sich niemand so vehement wie gegen offensichtlichen Rechtsextremismus. Die Tagungsstätte, das Estrel-Hotel in Berlin-Neukölln, ist ein Ort, an dem man es durchaus mal vier Tage aushalten kann. Schick ist es und so riesig groß, dass es sich allein architektonisch von seiner Umgebung abhebt. Das Estrel hat vier Sterne und mehr als 2000 Betten. Die Gegend rund um das Hotel ist dagegen etwas heruntergekommen, viele Anwohner arbeiten im Niedriglohnsektor oder sind arbeitslos.

Beschlüsse rund um das Thema Arbeit werden zwar jetzt direkt vor ihrer Nase getroffen, aber in einer ganz anderen Welt. Das Estrel ist nach eigenen Angaben Deutschlands größter Convention-, Entertainment- und Hotel-Komplex. Vom Foyer bis in den Pressebereich läuft man ungefähr fünf Minuten, vorbei an Restaurants, am Sicherheitsdienst und Foyers mit fast 40 Ausstellern. An den Ständen von einzelnen Gewerkschaften, politischen Stiftungen und einem Radiosender werden Kugelschreiber, Traubenzucker und Infobroschüren verteilt. Wer will, kann sich beim Stand einer Krankenkasse kostenlos massieren lassen. Kaffee und Tee gibt es sowieso überall im Hotel in rauen Massen. Wer viel arbeitet, braucht viel Energie. SINKENDE MITGLIEDERZAHLEN, STEIGENDES ANSEHEN

Ans Pult treten Redner mit blau gefärbten Haaren oder hochgezwirbeltem Schnauzbart, Menschen in Anzügen diskutieren mit ihren Kollegen in Kordhosen und einige Jugendliche mischen sich unter Rentner. Gut gelaunt sind sie fast alle: Die Wahl in Nordrhein-Westfalen hat wohl viele gefreut und in ihrem Engagement bestätigt. Trotz sinkender Mitgliederzahlen gewinnen die Gewerkschaften an Ansehen. Es darf wieder gelacht werden. Das macht mutig: Mit Blick auf die Banken- und Finanzkrise fordern die Gewerkschafter eine Finanzmarktransaktionssteuer. Beschlossen wird außerdem, den geforderten Mindestlohn von 7,50 Euro auf 8,50 Euro anzuheben. Dass Angela Merkel bei ihrer Eröffnungsrede

beide Anliegen ablehnt, führt zu Galgenhumor. „Die Politik muss eben so lange forschen, bis es zu spät ist. Vorher kann man sich ja nicht sicher sein“, spotten zwei Delegierte, während die Kanzlerin redet. Die DGB-Gewerkschafter spielen mit ihren Muskeln: Wir sind voller Selbstvertrauen und Tatendrang, sagen sie. Ihrem Vorsitzenden Michael Sommer haben die Delegierten eine dritte und letzte Amtszeit gewährt. Die politischen Forderungen drohen im internationalen Finanzdschungel zu verhallen, aber wenigstens sind sie formuliert worden. Doch nicht alle Forderungen wurden einstimmig durchgewunken. Für Kontroversen sorgte ein Antrag zur Umstrukturierung des DGB. Er sieht vor, dass auf lokaler Ebene Vertreter gewählt werden – davon sollen die meisten ehrenamtlich arbeiten. Der Vorstand wird verkleinert und die Regionen sollen zu 66 Unterbüros fusionieren. Das spart Geld und soll den Vorstand handlungsfähiger machen. Aus Bayern kommen kritische Stimmen. Eine von ihnen ist Franz Nuber von der IG Metall. Er fürchtet, dass die Struktur in Bayern dazu führt, dass man 50 bis 70 Kilometer zu jeder Sitzung fahren muss. Dass die Arbeit mit Ehrenamtlichen effizient durchgeführt werden kann, „das können wir nimmer sicherstellen“. Am Ende findet der Antrag trotzdem eine Mehrheit. In Zeiten der Unsicherheit und Krise hat der DGB nicht nur einen pompösen Kongress organisiert, sondern auch ein pompöses Zeichen gesetzt: Wir sind da, je schwieriger die Zeiten, desto souveräner.


DENN SIE WISSEN NICHT, WAS SIE TUN

DEN GEWERKSCHAFTEN IN DEUTSCHLAND STERBEN DIE MITGLIEDER WEG. DAS BESTÄTIGT SOGAR DGB-CHEF MICHAEL SOMMER. JUNGES BLUT MUSS HER. PROBLEM: DER NACHWUCHS WEISS DAVON NICHTS. JETZT IST GUTER RAT TATSÄCHLICH TEUER. VON ANN EICHELBAUM Die Jugend hat keinen Bock. Entpolitisiert, gleichgültig und faul sei sie geworden, lautet seit Jahren der Vorwurf, der immer wieder durch die Medien zieht. Nach Angaben des DGB sind im letzten Jahr 10.000 junge Leute den Gewerkschaften beigetreten – leider haben aber mehr Ältere den DGB wieder verlassen. Ein Hauptgrund für das mangelnde gewerkschaftliche Engagement vieler junger Menschen sieht René Rudolf, DGB-Bundesvorsitzender im Bereich Jugend, in dem fehlenden Wissen über sie. „Es ist nicht Bestandteil des Schulunterrichts, über Aufgaben der Gewerkschaften aufzuklären“, sagt Rudolf. Was ist ein Betriebs- was ein Personalrat, welche Rechte habe ich als Arbeitnehmer? Das wüssten viele Jugendliche nicht, meint Rudolf. Aus dem fehlenden Wissen über die Funktionen von Gewerkschaften wächst schnell eine gleichgültige Haltung heran. Oft bilden sich junge Menschen keine dezidierte Meinung über Gewerkschaften. Die DGB-Potentialstudie von 2007 zeigt, dass Gewerkschaften weder positiv noch negativ bewertet werden – sie liegen im grauen Mittelfeld. Viele junge Arbeitnehmer halten sich so lange von Gewerkschaften fern, bis sie ihre Dienste brauchen. Beispielsweise wenn sie plötzlich gekündigt werden. Dann hilft ihnen die Rechtsberatung der Gewerkschaft oder die kostenlose Vertretung vor dem Arbeitsgericht – die Vorteile der Gewerkschaft werden erst erkannt, wenn eigene Konflikte auftreten. Ego statt Allgemeinwohl. JUGENDLICHE GLAUBEN NICHT AN MACHT DER GEWERKSCHAFTEN

Damit die Gewerkschaften nicht erst im Ernstfall für Jugendliche interessant werden, veranstaltet der DGB Berufsschultouren durch die ganze Bundesrepublik. „Mit Projekttagen vor Ort erreichen wir die Jugendlichen direkt“, sagt Daniel Wucherpfennig, Mitglied der DGB-Jugend Berlin-Brandenburg. Auch Studenten sollen vermehrt angesprochen werden. Aber auch, wenn die Jugendlichen über die Gewerkschaften aufgeklärt sind, bleibt ein Problem oft bestehen: die Glaubwürdigkeit. Bisher sind Gewerkschaften nur vereinzelt bei bundespolitischen Entscheidungen in Erscheinung getreten. Dass sie etwa die Kurzarbeit durch Bundestag und Bundesrat gebracht haben, ist bisher die Ausnahme, nicht die Regel. Andere politische Forderungen bleiben oft auf halber Strecke nach Berlin liegen. Dementsprechend gering ist der Glaube, dass Gewerkschaften noch

etwas bewegen können. Nur 22 Prozent der Jugendlichen sprechen laut einer Umfrage des Internationalen Institutes für Empirische Sozialökonomie von 2009 den Gewerkschaften das Vertrauen aus, die Globalisierung in richtige Bahnen zu lenken. „Die Fachlichkeit der Gewerkschaften wird in Fragen des Arbeitsrechts und der Tarifpolitik nicht angezweifelt“, sagt Daniel Wucherpfennig. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte die Gewerkschaften in ihrer Rede vor dem 19. DGB-Bundeskongress. Ein „herzliches Dankeschön“ sagte sie den Delegierten für die Rolle der Gewerkschaften in der Krise. „Die Mitbestimmung ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können.“

WER, WIE, WAS? GEWERKSCHAFT? VIELE JUGENDLICHE WISSEN NICHT, WAS SICH HINTER DEM BEGRIFF VERBIRGT. DAS SOLL SICH JETZT ÄNDERN.

DISTANZ ZWISCHEN GEWERKSCHAFT UND INTERESSIERTEN WÄCHST

Dass die Leute vor Ort den Gesprächsfaden mit den Gewerkschaften suchen, dürfte mit der Umstrukturierung des Deutschen Gewerkschaftsbundes schwieriger werden. Auf dem Bundeskongress wurde eine Verschlankung der Gemeinschaft beschlossen. Die bundesweit noch 66 DGB-Regionen verlieren ihre Eigenständigkeit und werden in die Bezirke integriert. Auf kommunaler Ebene sollen künftig Ehrenamtliche arbeiten, nicht mehr hauptamtliche Funktionäre. Die räumliche Distanz zwischen Gewerkschaftszentren, Mitgliedern und potentiellen Interessierten wächst. „Dabei muss der Umgang mit Interessengruppen bewusster passieren“, meint René Rudolf. Nicht nur Jugendliche vermissen schon jetzt den direkten Kontakt zur Geschäftsstelle vor Ort. Vor allem Delegierte aus dem Flächenstaat Bayern haben auf dem Kongress betont, dass vernünftige Gewerkschaftsarbeit, die nur auf ehrenamtlichen Schultern ruht, kaum möglich sei. Eine Mammutaufgabe steht an: Mit weniger Geld und weniger Personal mehr, und vor allem mehr junge, Leute akquirieren.

Ann Eichelbaum Berlin, 25 Jahre Ist Fachangestellte für Medienund Informationsdienste an der FU Berlin. Sie wollte als Kind Logopädin werden. Fotos: Martin Knorr

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„WENN WIR UNS NICHT DURCHSETZEN, PASSIERT NICHTS. “ HEISSE LUFT IN KALTEN ZEITEN

ROT-GRÜN, SCHWARZ-ROT, SCHWARZ-GELB: ER HAT SIE ALLE ERLEBT. MICHAEL SOMMER IST AUF DEM DGB-BUNDESKONGRESS IN SEINE DRITTE AMTSZEIT ALS VORSITZENDER GEWÄHLT WORDEN. AUCH IM ANGESICHT DER FINANZKRISE ZEIGT ER SICH KÄMPFERISCH. VON BARBARA ENGELS Alle reden derzeit von der Rettung Griechenlands, von den Milliardenbeträgen, die fließen sollen. Dabei fallen der drohende Sozialabbau und die Rechte der Arbeitnehmer unter den Tisch. Ärgert sie das? „Ja, das ärgert mich, weil es das Produkt einer bewusst gesteuerten Kampagne ist, in der ungeheuerliche Sachen über die Griechen gesagt worden sind. Diejenigen, die jetzt beispielsweise titeln, wir sollten jetzt die griechischen Renten bezahlen, wollen eigentlich den Boden vorbereiten, auf dem auch in Deutschland Sozialabbau betrieben werden soll. Dabei sind die derzeitigen Maßnahmen die Folge einer Krise, die weder der Rentner, noch der Jugendliche, noch der sozial Schwache oder Arbeitnehmer zu verantworten hat – weder in Griechenland noch hier.“ Wird die Krise also benutzt, um die Rechte der Arbeitnehmer zu beschneiden? „Das kann durchaus passieren. Ich glaube aber nicht, dass das prinzipiell das Ziel aller Politiker ist. Auch in der Regierungskoalition gibt es Kräfte, die den sozialen Ausgleich wollen. Ob die sich langfristig tatsächlich durchsetzen werden, ist immer noch fraglich, auch nach dem Auftritt der Bundeskanzlerin auf diesem Kongress. Sie sagte in ihrer Rede, wir müssten sparen, sparen, sparen. Aber wen meint die Regierung eigentlich, wenn sie sagt, dass wir über unsere Verhältnisse leben? Diejenigen, die Studiengebühren bezahlen, können es nicht sein, auch nicht die, die Hartz IV beziehen, oder 5,50 Euro pro Stunde verdienen oder als Ingenieurin ein Leben lang ihre Eigentumswohnung abbezahlen. Die Debatte, ob die Krise gerecht bezahlt wird, wird noch sehr heiß geführt werden. Und wenn wir uns als Gewerkschaften nicht einmischen, wird man mit Sicherheit versuchen, sich auf den Rücken der kleinen Leute abzustützen.“ Wie können sich Gewerkschaften stark machen? „Wir haben das klassische Mittel der Tarifpolitik. Aber wir wissen, dass man damit relativ wenig falsche Politik korrigieren kann. Wir müssen vor allem die Kritik an der Politik in die Betriebe und die Verwaltung tra-

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gen. Da tut es den Regierungen und Herrschenden am meisten weh. Natürlich gehen wir, wenn erforderlich, auch auf die Straße. Aber der entscheidende Druck, der kommt aus den Betrieben selbst.“ Aber der Mitgliederschwund wird Ihnen wohl kaum dabei helfen ... „Der ist in der Tat ein Problem. Wir haben vor allem bei älteren Leuten einen Rückgang. Auch wenn es despektierlich klingt: Die sterben uns schlichtweg weg. Zudem haben wir in den vergangenen Jahrzehnten immer noch zu wenige Leute für die Gewerkschaftsarbeit begeistern können. Aber wir können den Mitgliederschwund trotz Krise auffangen. Wir sind handlungsfähig.“ Sie fordern einen Mindestlohn von 8,50 Euro, sind aber gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen. Wie passt das zusammen? „Der Unterschied liegt in der Finanzierung. Das bedingungslose Grundeinkommen müsste ja aus Steuergeldern von der Gemeinschaft bezahlt werden und würde bedingungslos allen gezahlt werden. Soziale Leistungen müssen aber auf die gerichtet sein, die sie wirklich brauchen, und nicht als Streugabe. Alles andere ist nicht effektiv, ungerecht und ausgesprochen teuer. Und zum Mindestlohn: Ich will, dass die Menschen von der Arbeit ihrer Köpfe und Hände leben können. Dafür brauchen wir einen Mindestlohn von 8,50 Euro, genau so wie die Mindestsätze für bestimmte Berufsgruppen, zum Beispiel für Tierärzte und Notare. Aber kein bedingungsloses Grundeinkommen, das jedem zusteht, egal ob er jetzt Josef Ackermann ist oder Tante Emma. Das wäre wieder eine Form der Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmerschaft.“ Was machen Sie dann mit den alleinerziehenden Langzeitarbeitslosen, die nicht arbeiten können? „Deren Sätze muss man definitiv verbessern. Wir müssen die Kinder unterstützen, mehr Geld in ihre Betreuung stecken. Ich schließe ja nicht die Erhöhung der Hartz IVRegelsätze aus, weil ich ein bedingungsloses Grundein-

kommen ausschließe, sondern fordere eine andere, sehr viel zielgerichtetere Form, den Menschen die notwendige Unterstützung zu geben. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Regelsätze für Hartz IV erhöht werden müssen, auch vor dem Hintergrund des wegweisenden Urteils des Bundesverfassungsgerichtes.“ Frau Merkel hat in ihrer Rede gefordert, alles zu tun, damit sich die Finanzkrise nicht wiederholt. Reichen dafür die Präventionsmaßnahmen der Bundesregierung, wie beispielsweise die Bankenaufsicht? „Was Frau Merkel diesbezüglich ankündigt, hört sich schon seit langem gut an, aber vieles wird nicht umgesetzt. In der Finanzkrise geht es nicht nur um Geiz und Gier der Manager, sondern um die Skrupellosigkeit der Superreichen, die noch reicher werden wollen. Da wird nicht hart eingegriffen. Da werden immer noch Absichtserklärungen formuliert, die ich schon vor anderthalb Jahren so gehört habe. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Durchsetzungsproblem. Die Banken sind stark, aber der Druck auf die Regierungen ist hoch. Als ich die Bundeskanzlerin nach ihrer Rede zum Auto gebracht habe, habe ich ihr gesagt: Hören Sie auf, so zu tun, als ob Deutschland nur so wichtig wäre wie Burkina Faso. Wir sind eine der größten Volkswirtschaften der Welt. Die Leute schauen auf uns. Wenn wir uns nicht durchsetzen, passiert nichts.“

Barbara Engels Köln, 22 Jahre Studiert Volkswirtschaftslehre in Berlin. Als Kind wollte sie Journalistin werden.


DER DGB-VORSITZENDE MICHAEL SOMMER SIEHT ROT. AUF DEM BUNDESKONGRESS FORDERTE ER, DASS DIE REGIERUNG IHRE ANKÜNDIGUNGEN ENDLICH IN DIE TAT UMSETZT. Foto: Martin Knorr

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AUF DER JAGD NACH DEN BESTEN KÖPFEN

HEADHUNTER SIND UMSTRITTEN. SIND SIE GIERIGE ABWERBER UND KOPFGELDJÄGER ODER DOCH EHER DIE SENSIBLEN BERATER UND PERSONALVERMITTLER MIT FINGERSPITZENGEFÜHL? VON MIRJAM EISWIRTH Die Zeitungen sind voll von Stellenanzeigen. Doch Angebote für einen Vorstandssitz oder Führungspositionen finden sich dort kaum. „Wenn hohe Positionen zu besetzen sind, möchten Unternehmen das häufig diskret behandelt wissen“, erklärt Günther Angler*, Geschäftsführer einer der führenden Beratungsgruppen in Deutschland. Um geeignete Kandidaten zu finden, ziehen viele Unternehmen Personalberater zu Rate. Die sogenannten Headhunter. Sie bringen Angebot und Nachfrage optimal zusammen. VERDECKTE ERMTTLUNG IN UNTERNEHMEN

Anhand eines klaren Anforderungsprofils machen die Headhunter sich auf die Suche nach geeigneten Kandidaten für die zu besetzende Stelle. Günther Angler: „Die Onlinerecherche auf öffentlichen Plattformen, die verdeckte Ermittlung in Unternehmen und eine gute Kontaktpflege helfen, geeignete Kandidaten für den ausgeschriebenen Posten zu finden.“ Die potentielle Beute wird erst telefonisch kontaktiert, wenn sie an dem angebotenen Job interessiert sind, trifft sich der Headhunter mit ihr und examiniert sie weiter.

sowohl der Auftraggeber als auch der Vermittelte zufrieden sein – da müssen beide Seiten perfekt zusammenpassen“, so Angler.

Treffen mit Kandidaten oder Auftraggebern. Hier steht also die direkte Kommunikation mit anderen Menschen im Vordergrund.

Das Ziel eines solchen Gespräches sei, herauszufinden, ob das Profil eines Interessenten den Anforderungen des Kunden entspricht. Verläuft das Treffen positiv, legt der Headhunter seinem Auftraggeber einen Bericht über den Gesuchten vor, trifft sich noch einmal persönlich mit den Suchenden und bringt, bei gemeinsamem Nenner, den Kandidaten in Kontakt mit seinem potenziellen neuen Arbeitgeber.

PERSONALBERATER SIND KEINE ARBEITSVERMITTLER

Was Headhunter von Arbeitsvermittlungen – auch von professionellen – unterscheidet, ist die Beratung, und zwar „hinsichtlich der Profile der Bewerber, hinsichtlich der Frage, wo man Kandidaten finden könnte, wie sie in neuen Unternehmen Karriere machen, oder welcher Standort besonders gut für sie geeignet ist“, erklärt Angler.

KEIN TAG IST WIE DER ANDERE

Viele kleine Schritte, die Unternehmen und Kandidaten immer näher zusammenbringen und zum Erfolg der Arbeit des Personalvermittlers führen. Jeden Tag müssen sich die Headhunter in neue Arbeitsfelder einarbeiten. Diese Abwechslung, die Erfolgsorientierung und den Kontakt zu vielen verschiedenen Menschen schätzt Günther Angler besonders an der Arbeit als Personalberater. Er sitzt immer abwechselnd im Büro oder reist durch die Republik.

VOM ERSTEN TREFFEN

Headhunter suchen die besten Köpfe und widmen dieser Suche entsprechend viel Zeit. Dafür gibt es ordentlich Asche: Ein Headhunter verdient pro Stunde etwa soviel wie ein Unternehmensberater. Dabei bewegen sich die Headhunter oft im Dunkeln: Sie jagen Unternehmen ihre Mitarbeiter ab, um sie auf andere Positionen zu vermitteln, und viel ihrer Vorarbeit und Ermittlung läuft verdeckt. Sie arbeiten inoffiziell und von außen schwer nachvollziehbar.

lassen, können leicht mit horrenden Honorarforderungen über den Tisch gezogen werden. Es gibt viele Uniabsolventen, die von suggestiven Beratungsgesprächen und irreführenden Bewerbungstipps durch Headhunter erzählen. Wer von einem Headhunter angesprochen wird, sollte deswegen möglichst schnell prüfen, mit wem er es zu tun hat – denn es gibt genug etablierte Unternehmen, die für ihre Auftraggeber wertvolle Arbeit leisten. „Headhunting“, so Günther Angler, „ist eine Branche wie jede andere auch, man muss nur darauf achten, dass die Arbeit ordentlich gemacht wird.“ Vorarbeit ist dabei unumgänglich: „Jeder kann und sollte sich die Berater ansehen, mit denen er redet und ihre Seriosität recherchieren – damit ist man gut abgesichert.“ * Name von der Redaktion geändert.

VIELE SCHWARZE SCHAFE UNTER DEN JÄGERN

ZUM NEUEN JOB

Bei den persönlichen Treffen diskutieren Personalberater und Kandidat die Konditionen des Angebots und die Qualifikationen des Bewerbers. „Hier sind Menschenkenntnis und Fingerspitzengefühl gefordert. Schließlich sollen am Ende

„Als Headhunter treffe ich sehr unterschiedliche Menschen und spreche mit ihnen über ihre Wünsche und Ziele. Das ist sehr spannend.“ Im Büro stehen Recherche, die Kontaktpflege, Telefoninterviews und das Verfassen von Gesprächsund Kandidatenberichten auf dem Plan. An Reisetagen geht es zu persönlichen

Der Berufsbegriff des Headhunters ist nicht gesetzlich geschützt. Jeder kann sich so nennen. Das lockt schwarze Schafe an, die mit hohen Honoraren schnell viel Geld verdienen wollen. Arglose Berufseinsteiger, die selbst einen Headhunter organisieren, um sich vermitteln zu

Mirjam Eiswirth Gerolstein, 19 Jahre Sie wollte als Kind Schokoladentesterin werden, jetzt studiert sie an der internationalen Jacobs University Bremen und schreibt für Print- und Onlinemedien.

FRUCHTFLEISCH WAS IST IHR TRAUMBERUF? „BEPFLANZEN“

„BESTIMMEN“

„BERUFEN“

URSULA DÜKER, 51

MALTE SCHEIBE, 14

LENE BREYMAIER, 50

SEKRETÄRIN EINES GESCHÄFTSFÜHRERS

SCHÜLER:

GEWERKSCHAFTSSEKRETÄRIN

DER HANS-BÖCKLER-STIFTUNG:

„ICH WÄRE GERN MANAGER.

„FRÜHER WOLLTE ICH UNBEDINGT PIPPI

„MEIN TRAUMBERUF IST GÄRTNERIN

DANN VERDIENE ICH EINE MENGE GELD.“

LANGSTRUMPF WERDEN, JETZT MACHE ICH MEINEN

ODER GARTENBAUARCHITEKTIN.“

NEUEN TRAUMJOB: GEWERKSCHAFTSSEKRETÄRIN.“

Fotos: Jonas Fischer

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SIEBEN WEGE AUS DER ARBEIT

WARUM SICH NOCH MIT JOBS RUMSTRESSEN, WENN ES DOCH SO VIELE ANDERE MÖGLICHKEITEN GIBT, AN GELD ZU KOMMEN? WIR KENNEN EINIGE NICHT GANZ ERNST GEMEINTE ALTERNATIVEN. VON NICOLE KRENZ

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HERZTABLETTEN VERSTECKEN

Da die Schwiegermutter sowieso nur ein penetranter Störfaktor ist, werd en durch diesen Tipp gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Einfach die Herz tabletten der Schwiegermutter versteck en und schwupps, liegt das Erbe auf dem Konto. Leichter geht es wirklich nicht. Sollte die Schwiegermutter kein Geld habe n, ist das natürlich leider sinnlos, zumindest finanziell.

MILLIONÄR HEIRA TEN

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STIPENDIUM SICHERN

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Mit ein bisschen Talent und Engagement – und dem richtigen Alter – schafft man es in eine politische oder gewerkschaftliche Stiftung. Dann regnet es quartalsweise Bafög-Ersatz und als Sahnehäubchen bald 300 Euro Büchergeld monatlich. Nur so als kleiner Zusatzverdienst.

Sollte noch kein e Schwiegermutter vorhanden sein, geht es auf die große Su che nach einem Millionär. Natürlich wird es wohl nicht der Hübsch este oder Jüngste sein, denn Abstriche muss jeder machen. Fr au kann ja schließlich ni cht alles haben. Geld gibt es dafür um so mehr. Wichtig e Voraussetzungen für den Millionärsfang sind Schönheit und Jugend. Das Alter des reichen Partners sollte ide alerweise gegen 80 tendieren . Tipp: Kontaktanzeigen im Zeitmagazin durchforsten.

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RUNG ch eine onär no bleibt li il M eder ein n sind, ng. Wenn w utter aufzufinde : Entführu irm it e e g k h c li g re ö Schwie s M gen eine e andere noch ein e einen Angehöri n Verwandm ine Man neh altes, der von se wird sh d. Sonst u ir a w H t n e tz ä ch h iner c le s e K g . t lt lichs r abgeho e d heie ten mög ic w s hrte nie rechtsun ander Entfü e Ausreise in ein ld e g e s in r Lö Haken: E ach erfolgreiche t droht Gen ns d o S n a . L h c s li re mm nabding u t so schli t h is ic e n h c u nahm a r e en. Was ab nis ableg fängnis. Geständ > e h ie ist. S ENTFÜH

4 s es Hau schick owiein e r in ds ng ode Sie wir o Wohnu ie Miete ist. nkreich – w e in e Fra hd h in ng Einfac gal, wie hoc wie Gott in der Wohnu .E er en ng ziehen gezahlt. Leb e Verwüstu Vermieter, d n t in r so nich er. Gegen e enden. De t eine Lektio m w a u u h im z z , s t in h u auc nerv hts e itig a ür ch nic Mahnungen en, rechtze T u a r e t d is s or verges ndigen lizei v er mit stä Bitte nicht wenn die Po er und neu . lt t , a s n e n ie t e d r h is e c v ät is . . Zu sp anz zw ziehen d: Die Dist hst groß sein n c U li g . t ö h m e t s te ng soll Wohnu TUM

ADEN

OM MIETN

7 PIELEN

LOTTO S

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BANKÜB

ERFALL Ein wenig Geld in die Ausrüstung investiere n (Schusswaffe, Sturmmaske, Sack) dann kann es auch sch on losgehen. In die Bank eigener Wahl einfallen und eine möglic hst hohe Summe verlangen. Die Ban kangestellten werden recht willig sein. Sack hinhalten, Geld rein fallen sehen, bösen Bli ck bewahren. Wichtig: die sportliche n Fähigkeiten des Ban kräubers sollten sehr gut sei n. Sobald das Geld im Sack ist, heißt es nämlich: Land gewinnen. Sonst ist das Geld schneller weg, als man gucken kann.

Weg rechten auf dem öchr m e b n e e li d n Wer tersatz fi s n das f ie u rd a e len einen V Lottospie stiim e e v b In n e n ig a te, k ffen. Ein o ch h o k d c , g lü nöti große G ort schon rweise auf d d in s n e tione en koff ine wart ann man die Sche egaler k L r. e n in . w e e G den komm n sein Geld n a t h ic n

Nicole Krenz Berlin, 17 Jahre GESTÄNDNIS ABLEGEN

chtet? Macht nichts. Eine AnDie anderen Tipps haben nicht gefru Immer ruhig bleiben. Vor er. sich klage vor Gericht ist so gut wie ändnis abgelegt und somit die Gericht kann immer noch ein Gest ngnis gewährleistet werden. Platzierung in einem örtlichen Gefä on. ensi Vollp r Und dort gibt es soga

Besucht die 11. Klasse des Ulrich-von-Hutten-Gymnasiums. Als Kind träumte sie davon, einen Catering-Service zu leiten.

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SIMULTANES SCHUFTEN

DIE ZEITEN DER 40-STUNDEN-JOBS SIND VORBEI. HEUTE WÄHLEN IMMER MEHR MENSCHEN ZWEI ODER DREI JOBS À 20 WOCHENSTUNDEN. DER TREND GEHT ZUM MULTIJOBBING. VON NICOLE KRENZ

EIN MANN, VIELE AUFGABEN. UM SICH ÜBER WASSER ZU HALTEN, MÜSSEN MULTIJOBBER GANZ SCHÖN MIT DEN ARMEN RUDERN. Foto: Martin Knorr

Viola E. ist Multijobberin, ist Hauswärterin, Reinigungskraft und Haushaltshilfe. Sie ist mit einem gut verdienenden Mann verheiratet, hat drei Kinder – und arbeitet nebenbei, soviel sie nur kann. Trotz des Beamtengehaltes ihres Mannes muss auch sie Geld verdienen. Denn alle drei Kinder sind noch schulpflichtig, dadurch entstehen hohe Kosten. „Irgendwie müssen ja die vielen Schulausflüge, Klassenfahrten, das Büchergeld und die Schulutensilien bezahlt werden“, sagt Viola E. „Wenn alle drei Kinder im Sportverein sind, summieren sich auch diese eigentlich geringen Mitgliedsgebühren.“ Viola E. verdient rund 550 Euro im Monat und arbeitet mindestens 18 Stunden in der Woche – dieser Extraverdienst ist wichtig. ES GIBT 2,4 MILLIONEN MULTIJOBBER IN DER BUNDESREPUBLIK

Immer mehr Deutsche suchen sich mehrere Jobs, um ihrer Geldnot beizukommen. Der Lohn ist zu gering, die Lebenshaltungskosten hoch und mit Kindern ist es umso schwerer. Das Geld aus einer sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung reicht oft nicht aus. Der Trend geht zum abgabenfreien Nebenjob. 2004 gab es laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) noch 1,5 Millionen Multijobber, heute sind es mehr als 2,4 Millionen. Rund 50 Stunden arbeiten diese Deutschen in der Woche. Trotzdem verdienen sie kaum mehr als das Existenzminimum. Oft bleibt Mul-

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tijobbern nichts anderes übrig, als zusätzlich Hartz IV zu beantragen. Es gehören viel Optimismus und Durchhaltevermögen dazu, um die vielen Arbeitsstunden und den geringen Lohn zu ertragen. Für Viola E. ist Multijobbing die einzige Lösung. „Etwas anderes als Minijobs finde ich heutzutage nicht mehr, da ich sehr lange nicht gearbeitet habe“, so die gelernte Friseurin. Jahrelang war sie im Erziehungsurlaub. Mit jedem Jahr sanken die Chancen auf eine Festanstellung. Doch Viola E. sieht ihre Minijobs nicht nur negativ. „Ein großer Vorteil der Minijobs gegenüber einer Festanstellung ist die Flexibilität.“ Minijobs böten ihr eine freiere Zeiteinteilung. Sie kann die Kinder von der Schule abholen, ihnen Essen kochen, bei den Hausaufgaben helfen, ihren anderen mütterlichen Aufgaben nachgehen und abends arbeiten. „Bei einer Festanstellung wäre ich den ganzen Tag auf der Arbeit, ob es nun etwas zu tun gibt oder nicht, und würde trotzdem keinen höheren Lohn bekommen“, meint Viola E. Trotzdem: „Die Minijobs sind mir oft zu stressig.“ Freitags beispielsweise muss sie für alle drei Arbeitgeber schuften – und sich trotzdem noch um die Kinder kümmern. Da ist Stress garantiert. Auch Sven S. greift zur Alternative Zweitjob. Neben seiner Ausbildung zum Anlagenmechaniker arbeitet er nebenberuflich als Reinigungskraft in einer Zahnarztpraxis. „Bei 48 Stunden Arbeit in der Woche kann es

schonmal ganz schön stressig und anstrengend werden“, erzählt der 18-Jährige. Noch wohnt er bei seinen Eltern, doch nach seiner Ausbildung wird er den Nebenjob behalten müssen, um einen eigenen Haushalt finanzieren zu können. „Der Lohn könnte selbst nach der Ausbildung noch sehr gering sein, je nachdem, wo ich genommen werde. Ohne einen Nebenjob wird es dann vielleicht gar nicht funktionieren.“ DIREKT VOM HÖRSAAL IN DAS BÜRO

Noch kann sich Sven S. von seinem Zusatzverdienst den ein oder anderen Urlaub leisten, doch bald wird der Zweitjob nicht mehr für Extrawünsche herhalten können. Der finanzielle Spielraum wird für Sven S. kleiner und kleiner. Der junge Mann schaut nicht sehr zuversichtlich in die Zukunft, aber er möchte alles dafür tun, um nicht Hartz IV beantragen zu müssen, auch wenn dafür 50 Stunden harte Arbeit pro Woche nötig sind. Auch viele Studenten ziehen täglich vom Hörsaal ins Büro. Bafög und elterliche Unterstützung sind oft nicht genug, um ein bescheidenes Studentenleben zu gewährleisten. Vivianne S. arbeitet als Freie Mitarbeiterin bei einer Zeitung, jobbt an der Kinokasse, babysittet und studiert Jura. Freizeit hat sie kaum. „Meine Freunde hören die ewig gleiche Absage: Ich muss arbeiten“, sagt Vivianne S. Sicher störe sie das, aber ändern lasse sich die Situation in absehbarer Zeit nicht.


BÜFFELN STATT BUCKELN

NACH WIE VOR IST DER ANTEIL DER ARBEITERKINDER AN DEN DEUTSCHEN UNIVERSITÄTEN GERING. STIPENDIEN HELFEN ZWAR, SETZEN DIE GEFÖRDERTEN ABER AUCH UNTER DRUCK. VON ESTHER SCZESNY Es klang wie eine frohe Botschaft, als das deutsche Studentenwerk am 23. April die neue Sozialerhebung vorstellte: Erstmals seit Jahrzehnten gibt es an deutschen Hochschulen wieder mehr Arbeiterkinder. Doch trotz des leichten Anstiegs kommt weiterhin über die Hälfte der Studenten aus gehobenen Schichten. Noch deutlicher wird der Unterschied, wenn man die Bildungskarrieren vergleicht: Von 100 Nichtakademiker-Kindern beginnen nur 24 ein Studium, während bei Akademiker-Erben die Studenten-Quote bei 71 Prozent liegt. STIPENDIEN BEI DER HANS-BÖCKLER-STIFTUNG

Die DGB-eigene Hans-Böckler-Stiftung will mehr Kinder aus Arbeiterfamilien an die Universität bringen und vergibt dafür Stipendien. Gefördert werden Gewerkschaftsmitglieder und gesellschaftspolitisch Engagierte – bewerben kann sich jeder. Seit 2007 gibt es außerdem die „Böckler-Aktion Bildung“ für Arbeiterkinder: Studenten, deren Eltern ein Studium nicht finanzieren können, bekommen eine monatliche Finanzspritze. Motto: „Ihr studiert, wir bezahlen.“ Nach Angaben der Stiftung kommen 62 Prozent ihrer rund 2450 Stipendiaten aus Nicht-Akademikerfamilien. WIE ES KLAPPEN KANN

„Das ist der Unterschied zwischen der Hans-Böckler-Stiftung und anderen Stiftungen“, erklärt Klaus Westermann. Politische Stiftungen förderten im Endeffekt vor allem Kinder aus der oberen Mittelschicht. Klaus Westermann, der Geschäftsführer des DGB Rechtsschutzes, wurde zu seiner Studienzeit auch durch den Gewerkschaftsbund gefördert. „Ohne die Studienstiftung hätte ich vermutlich gar nicht oder nur unter schwierigen Bedingungen studieren können“, erklärt der Volkswirt.

und einen Kredit aufnehmen müssen, sagt sie. Hülya bekommt die Vollförderung, das maximale Grundstipendium von 585 Euro, zusätzlich ein Büchergeld in Höhe von 80 Euro sowie 59 Euro als Zuschuss zur Krankenversicherung. Jedes Semester muss Hülya einen schriftlichen Semesterbericht anfertigen, in dem sie ihre soziale Situation und die Studienplanung darstellt sowie über ihr gewerkschaftliches Engagement berichtet.

59 PROZENT VON ELTERN UNTERSTÜTZT Laut der aktuellen Sozialerhebung bekommen 59 Prozent der deutschen Studierenden die Studienbeiträge von ihren Eltern bezahlt. Rund ein Drittel der Befragten gab an, für die Gebühren zu jobben. Nur etwa jeder Zehnte nimmt ein Darlehen auf. Studierende haben im Schnitt 812 Euro im Monat zur Verfügung.

Das Deutsche Studentenwerk befragt alle drei Jahre die Studierenden zu ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage. Die Sozialerhebung wird finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und wissenschaftlich durchgeführt. Bei der 19. Sozialerhebung wurden im Sommer 2009 rund 16.370 Studierende befragt.

Die Förderung von Dogan zahlt sich für die Gewerkschaften aus: Im November des Jahres 2007 ließ sich Hülya Dogan zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Verdi-Jugend wählen. Seit diesem Zeitpunkt bestimmt sie die politische Ausrichtung der Organisation ganz wesentlich mit. MEHR GELD, WENIGER ENGAGEMENT

Doch auch wenn das Geld hilft – den Zeit- und Leistungsdruck, der durch das Stipendium entsteht, findet Dogan nicht gut. „Vor dem Studium wird von mir erwartet, dass ich mich ehrenamtlich engagiere, um das Stipendium zu bekommen. Im Studium wird dann verlangt, dass ich innerhalb der Regelstudienzeit meinen Abschluss mit guten Noten erziele und mich irgendwie auch weiterhin engagiere. Tatsächlich aber bedeutet das, dass das ehrenamtliche Engagement wegfallen muss.“ Für alles gleichzeitig bleibe zu wenig Zeit. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Dogan hat sich für ihre Tätigkeit bei der Verdi-Jugend entschieden und damit gegen die Einhaltung der Regelstudienzeit. Deshalb braucht sie zwei Semester länger an der Universität. Für diesen Zeitraum wird ihr die Förderung von der Stiftung gestrichen. Ein erheblicher finanzieller Einschnitt für die Studentin. Die Folge: Jetzt muss sie wahrscheinlich einen Kredit aufnehmen. Kein gerechter Lohn für den Eifer und die Arbeit, die sie in die Gewerkschaft gesteckt hat.

„Wer Geld hat, hat alle Möglichkeiten“, sagt Westermann. Für Arbeiterkinder dagegen sei die Ausgangssituation besonders schwierig. „Der familiäre Hintergrund entscheidet nämlich über die finanziellen Startbedingungen.“ Und damit auch über die Nachfrage nach Hochschulbildung. Die 26-jährige Hülya Dogan trat 2003 als Krankenschwester der Gewerkschaft Verdi bei, um in der Jugendvertretung Seminare und Schulungen zu besuchen. Heute studiert sie Sozialökonomie in Hamburg. Seit sieben Semestern wird sie durch die Hans-Böckler-Stiftung gefördert. Ohne das Extra-Geld hätte sie ihr ehrenamtliches Engagement bei Verdi aufgeben

Esther Sczesny Freiburg, 23 Jahre Hat vor einem Monat das erste juristische Staatsexamen gemacht und fängt nun mit der Promotion an. Als Kind wollte sie Lehrerin werden.

THEATERSCHMINKE STATT KOHLERUSS. ARBEITERKINDER WIE HÜLYA DOGAN MACHEN SICH DIE HÄNDE NUR NOCH FÜR SYMBOLFOTOS SCHMUTZIG. Foto: Martin Knorr

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DAS GANZE LEBEN IST EIN SPIEL

POLITIKER SETZEN VOR ALLEM IN DER FINANZKRISE ALLES AUF EINE KARTE. NICHT IMMER MIT ERFOLG. DABEI IST ES EIGENTLICH GANZ EINFACH. FÜR JEDEN EXISTIERT DIE PERFEKTE GEWINNSTRATEGIE. WIR STELLEN SIE VOR. VON BARBARA ENGELS, JIL BLUME UND SEBASTIAN WENZEL

MONOPOLY

Für alle Kapitalisten

RUSSISCHES ROULETTE

Für alle Zocker

Lieblingsspruch:

Timing ist alles. Lieblingsspruch:

Kindheitstrauma:

Jeder ist seines Glückes Schmied.

Mit acht Jahren den Verbündeten verloren.

Kindheitstrauma:

Schlüssel zum Glück:

Alle Wasserwerke wurden privatisiert.

Alles riskieren und als Letzter am Tisch sitzen.

Schlüssel zum Glück:

Mogelstrategie:

Kaufen, kaufen, kaufen.

Relativ aussichtslos. Wer hier gewinnt, hat wirklich Nerven bewiesen.

Mogelstrategie:

Die Rolle der Bank übernehmen und die Mehrwertsteuer für Hotels senken.

Protospieler:

Die EU-Finanzminister und alle anderen Griechenland-Gläubiger.

Protospieler:

Guido Westerwelle – der mag Hoteliers besonders gerne.

SCHACH MÄXCHEN

Für alle Blender

Für alle Strategen

Lieblingsspruch:

Wissen ist matt. Lieblingsspruch:

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist schwierig. Kindheitstrauma:

Keiner glaubt mir! Schlüssel zum Glück:

Zweimal das Gleiche oder 65+. Mogelstrategie:

Den Gegner mit Weißbier benebeln. Protospieler:

Die CSU – hat inzwischen nicht mal mehr überall in Bayern was zu melden.

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Kindheitstrauma:

Von einem Bauern überholt worden. Schlüssel zum Glück:

Wer das Zentrum kontrolliert, gewinnt das Spiel. Mogelstrategie:

Mit einem Vorflüsterer spielt es sich leichter. Protospieler:

Netzwerker, die genau wissen, wen sie opfern müssen, um zu gewinnen.


BINGO

Für alle Spekulanten Für alle n Wortakrobate

SCRABBLE

Lieblingsspruch:

Bingo! Kindheitstrauma:

Im Griechischunterricht an der Acht gescheitert.

Lieblingsspruch:

Vorschieben, anfügen, rumdrehen.

Schlüssel zum Glück:

Spielleiter bestechen.

Kindheitstrauma:

Mit kreativen Neuschöpfungen gegen primitive Dran-Hänger verloren.

Mogelstrategie:

Die Zahlen nach Gustos schönen.

Schlüssel zum Glück:

Femininumsuffix-innen hinterherschieben.

Protospieler:

Papakonstantinou. Die Fähigkeiten des Finanzministers sind weltbekannt.

Mogelstrategie:

Fremdwörter erfinden und hoffen, nicht enttarnt zu werden. Protospieler:

Der klassische Bundestagsabgeordnete – ein echter Phrasendrescher.

WER HAT ANGST VOR‘M SCHWARZEN MANN?

SCHIFFE VERSENKEN

Für alle Spielverderber

Für alle Opponenten

Lieblingsspruch:

Und wenn er kommt, dann brechen wir ihm die Nase. Kindheitstrauma:

Im Fußballstadion auf die Nase bekommen. Schlüssel zum Glück:

Lieblingsspruch:

Feuer frei! Kindheitstrauma:

In der Bedeutungslosigkeit versunken. Schlüssel zum Glück:

Spielregeln umschreiben, Mitspielern die Nase brechen und dann abschieben. Mogelstrategie:

In der Gruppe untertauchen Protospieler:

NPD und alle anderen Feiglinge.

Alle treffen, nicht nur die großen Tanker. Mogelstrategie:

Auf den Lageplan des Gegners spicken.

Weiterspielen und -lesen im Internet auf

Protospieler:

Die Opposition – Hauptsache drauf. Fotos: Hasbro, Dmitriy Elyuseev, mtrommer, maconga, Cervantes, Miguel, Alexander Franke, Messe München GmbH, Presse- und Informationszentrum Marine, fotolia.de, ots, jugendfotos.de

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DIE KREDITKRISE DER KOMMILITONEN

CREDITPOINTS HABEN DAS STUDIUM NICHT VEREINFACHT, SONDERN WISSEN ZU EINER WÄHRUNG VERKOMMEN LASSEN. WENN ES EINE WISSENSWÄHRUNG GIBT, DANN SOLLTEN AUCH DIE STUDENTEN DAMIT HANDELN KÖNNEN. EIN KOMMENTAR VON ANDI WEILAND Es ist mal wieder Semesteranfang und es ist mal wieder nervig. Die Kurse zu voll und es geht doch nur um das „Organisatorische“. Man quält sich durch den „Verlaufsplan“, die „Anforderungen an das Seminar“ und die Vergabe von Referatsthemen. Man packt seinen Notizblock schon ein und dann kommt der gefürchtete Satz von einem Studenten, meist aus den hinteren Reihen: „Wenn ich nur eine Hausarbeit mit zehn Seiten schreibe, bekomme ich dann trotzdem drei Creditpoints?“ – Das böse Wort ist ausgesprochen: „Creditpoints“. Und jetzt geht es los: der Professor sagt, dass er es nicht genau weiß, ein anderer Student weiß das schon besser und eine Kommilitonin hat noch eine ganz andere Frage, nämlich ob sie vier Creditpoints bekommt, wenn sie einen extralangen Handzettel zu ihrem Referat anbietet. Das Feilschen ist in vollem Gange. Dabei sollten die Creditpoints doch alles vereinfachen. In der Theorie des „European Credit Transfer System“ war es so gedacht, dass die Arbeitsstunden von Studenten, egal, ob in Irland oder Rumänien, vergleichbar sind: 30 Stunden Arbeitsaufwand bringen einen Creditpoint – klingt logisch. Doch es gibt auch Unwägbarkeiten im System: Der Lehrplan ändert sich während des Studiums und ein Modul, das früher zehn „Credits“ wert war, ist nun nur noch fünf Punkte wert. Können die abgeleisteten fünf Extra-Creditpoints nun auf ein anderes Modul übertragen werden? Die Theorie meint „Ja“, aber die Praxis bestätigt das nicht immer. Die

dern? Einzelgespräche helfen nicht weiter, wir brauchen endlich Verbindlichkeit. Die CPG muss europaweit agieren, wenn es der Bologna-Prozess ernst mit uns meint. Bisher ist es ein Spießrutenlauf, die Universität zu wechseln und bereits geleistetes mitzubringen und weil jede Uni ihren eigenen Creditpoint-Wechselkurs hat. Was ein Student hier geleistet hat, muss dort nicht anerkannt werden. Damit muss Schluss sein!

Punkte können auch verfallen, wenn man sich nicht in nervenaufreibende Verhandlungen mit Studienbeautragten und Dozenten begibt. Man bedenke auch die CreditpointInflation: So manch ein Dozent vergisst allmählich, dass auch die Vorlesung im Hörsaal Zeit raubt und in die Arbeitsrechnung einfließen muss. Creditpoints haben das Lernen nicht einfacher gemacht, sondern die Bildung zu einer Währung verkommen lassen. Eine Umkehrung dieses Prozesses ist utopisch, also muss man nun mit der Wissenswährung zu Recht kommen. WIR BRAUCHEN EINE CREDITPOINT-GEWERKSCHAFT

Die Frage ist: Wer legt fest, was ein Creditpoint wert ist? Studenten sind der Willkür von Dozenten ausgeliefert, können sich ihre Arbeit nicht adäquat

bescheinigen lassen. Wir brauchen eine „Creditpoint-Gewerkschaft“, kurz CPG, inklusive Streikrecht. Vielerorts fehlt es an einer starken Organisation, die bei Verhandlungen um Modulpläne den Studenten eine Stimme verleiht. Die auch mal den Dienst quittiert, wenn Rektoren und Professoren gegen die Interessen der studierenden Mehrheit an den Unis entscheiden wollen. So eine Gewerkschaft ist überfällig, denn die Studenten wissen aus eigener Erfahrung, was sich im Bologna-System ändern muss.

Wer in heutigen Zeiten um seine Arbeitspunkte kämpft, gilt sehr schnell als kleinkarierter Faulpelz. Diese Sicht ist engstirnig, denn bei Creditpoints wird jetzt schon hemmungslos getrickst. Und solange die angehenden Akademiker nicht nach der Stechuhr lernen, braucht die Entlohnung der Studenten endlich klare Maßstäbe – für echte Vergleichbarkeit. Und für mehr Ruhe in der ersten Semesterwoche.

Wir brauchen „Tarifverhandlungen“ darüber, wie beispielsweise Vorlesungen und Seminare in die Punktrechnung eingehen. Wir brauchen Fairness statt Willkür: Wie viel Arbeit steckt wirklich in einer Hausarbeit, was musste der Student für sein Referat leisten? Und vor allem: Was passiert, wenn sich Modulpläne än-

Andi Weiland Münster, 25 Jahre Ist froh, noch auf Diplom zu studieren. Weiß nicht mehr, was er als Kind werden wollte.

FRUCHTFLEISCH WELCHE BEDEUTUNG HAT ARBEIT FÜR SIE? „BESTÄTIGEN“

„BEGEGNEN“

„BENÖTIGEN“

PHILIP BÜTTNER, 37

TINA KOLBECK, 42

WISSENSCHAFTLICHER REFERENT

PRESSESPRECHERIN DGB-BEZIRKS

NORBERT HERMES, 59 STEUERBERATER

DER EVANGELISCHEN KIRCHE:

NIEDERSACHSEN, BREMEN, SACHSEN-ANHALT:

„ARBEIT IST FÜR MICH DAS NOTWENDIGE

„ICH SCHÄTZE DIE SELBSTBESTÄTIGUNG,

„MIR BRINGT ARBEIT EINE MENGE SPASS, KONTAKT MIT

ÜBEL ZUM ÜBERLEBEN.EN.“

DASS ICH WAS LEISTEN UND GESTALTEN KANN.“

LEUTEN UND IMMER WIEDER NEUE ANREGUNGEN.“

Fotos: Jonas Fischer

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GELDREGEN ÜBER DEUTSCHLAND

EIN FESTES GRUNDEINKOMMEN, GANZ EGAL, OB UND WAS JEMAND ARBEITET? KLINGT ABENTEUERLICH. FINANZIERBAR SEI DAS OHNEHIN NICHT, SAGEN VIELE GEGNER. VOM MIRJAM EISWIRTH „Viele Jobs sind wegrationalisiert, Arbeit wird von Maschinen erledigt. In Zukunft wird Vollbeschäftigung – also eine 40-Stunden-Woche, in der man genug zum Leben verdient – nie mehr möglich sein.“ Ralf Walter von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) sieht schwarz, was den Arbeitsmarkt der Zukunft angeht. Die Patentlösung hat er parat. „Wir wollen weg von der Erwerbsund hin zur Tätigkeitsgesellschaft“, sagt Walter. Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen von 670 Euro pro Monat für alle ab dem vollendeten 18. Lebensjahr, zuzüglich Transferleistungen. GRUNDEINKOMMEN GEGEN EXISTENZNOT

Arbeiten für Geld bedeutet Zwang, bedeutet Abhängigkeit. „Irgendeine, schlimmstenfalls auch noch so sinnlose Arbeit, tun zu müssen, um Geld zum Überleben zu haben, ist menschenunwürdig“, sagt Walter. „Doch in unserer Erwerbsgesellschaft wird die Arbeit so hoch geschätzt, dass Leute schief angeguckt werden, die nicht mit Arbeit ihr Geld verdienen.“ In einer Walters Tätigkeitsgesellschaft wird die Existenz aller Menschen durch ein bedingungsloses Grundeinkommen gesichert. Klingt utopisch? Ist es auch. Aber das macht nichts. Selbst etablierte Parteien spielen mit der Idee. Finanzierbar seien die dazu nötigen 620 Milliarden Euro allemal, sagen Befürworter des Grundeinkommens. Die KAB meint: Dadurch, dass keine Sozialämter und kein Verwaltungsaufwand mehr nötig sind, um zu bestimmen, wer wie viel Geld vom Staat bekommt, würden schon 70 Milliarden Euro gespart. Zwar würden dann auch zahllose Menschen aus diesem Sektor ihren Job los, aber das ist in der Tätigkeitsgesellschaft ja kein Problem mehr – dann engagieren sie sich eben sozial. Die Einsparung der momentan ausgezahlten Fürsorgeleistungen schlägt laut KAB mit 85 Milliarden Euro zu Buche. Den Rest von 400 Milliarden Euro erledigen die Erbschafts-, Vermögens- und Finanztransaktionssteuern. Dass dann immer noch eine Lücke von 65 Milliarden Euro klafft, sei nicht tragisch. In Namibia habe die Einführung des Grundeinkommens zu einer riesigen Wertschöpfung geführt, das sei auch in Deutschland zu erwarten, sagt Walter, der dem KAB-Diözesanverband Aachen vorsteht. So sieht der Modellversuch aus: In einem namibischen Dorf ist das bedingungslose Grundeinkommen schon Realität. Deutsche Theologen und Wirtschaftswissenschaftler haben für den 1000-Seelen-Ort Otjivero den „Basic Income Grant“ organisiert. Seit 2008 erhält

dort jeder, vom Säugling bis zur Urgroßmutter, zwei Jahre lang monatlich 100 Rand – etwa neun Euro. Entgegen der Befürchtungen tragen die Namibier aus Otjivero das Grundeinkommen nicht in die örtliche Alkoholquelle, sondern investieren es sinnvoll. Der Schulleiter hat damit ein kleines Geschäft eröffnen können. Familien haben Ziegen oder Hühner angeschafft. Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs zu besorgen ist durch das Grundeinkommen möglich geworden. Die armutsbedingte Kriminalität ist zurückgegangen, mehr Kinder besuchen die Schule – und haben damit größere Chancen auf eine gute Ausbildung, einen Arbeitsplatz und darauf, die Armut zu überwinden. Ein voller Erfolg, sagen die Organisatoren. Das Projekt wird nun mit Spenden noch ein weiteres Jahr fortgesetzt. EUROPA UND AFRIKA, DAZWISCHEN LIEGEN WELTEN

Dass die Situation und das Modellprojekt in Afrika nicht mit Deutschland zu vergleichen sei, gesteht Ralf Walter ein. In Namibia ist das Grundeinkommen ein Mittel der Armutsbekämpfung, hier soll es die Gesellschaft eines Industriestaats verändern. „Wir planen keine Hau-Ruck-Aktion. Es muss ein Umdenken stattfinden, eine Umwertung der ehrenamtlichen, unbezahlten Arbeit. Das braucht Zeit.“ Die Faulheit, ein Problem, das viele Kritiker des Grundeinkommens neben der Finanzierbarkeit immer wieder sehen, will die KAB mit ihrem positiven Menschenbild entkräften. Es wird zwar immer Menschen geben, die sich auf dem Grundeinkommen ausruhen, die nichts tun und damit der Gesellschaft schaden. Aber: „Menschen wollen arbeiten, wollen integriert sein, wollen etwas Sinnvolles tun.“ Laut Studien leben hoch gestresste Manager im Schnitt sieben Jahre länger als Arbeitslose – und Langzeitarbeitslose verursachen 30 Prozent der Gesundheitskosten. „Sich so nutzlos zu fühlen und nichts tun zu können, schlägt auf die Psyche und die Gesundheit.“

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Eine weitere Angst: Dass gerade die, die jetzt von Hartz IV leben, mit dem Grundeinkommen weniger bekommen als zuvor. Das dürfe nicht sein, betont Ralf Walter. Schließlich gehe es beim Grundeinkommen um eine soziale, gerechte, lebenswerte Welt, in der allen eine menschenwürdige Existenz möglich ist. Dass es eine Utopie ist, ein radikal anderes Gesellschaftsmodell, stört ihn dabei nicht. Um vielen kleinen Schritten eine gemeinsame Richtung zu geben, brauche es ein großes Ziel.

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„MEIN LEBEN FAND IMMER AM RANDE DER GESELLSCHAFT STATT. “

IM FREIEN FALL: OBDACHLOSE IN BERLIN

SIE HAT FRÜH KINDER BEKOMMEN UND LEIDET AN SCHWEREN KRANKHEITEN. AN ARBEIT WAR NIE ZU DENKEN. NUR MIT GLÜCK IST SIE DER WOHNUNGSLOSIGKEIT ENTKOMMEN. VON LAURA FRICKE Ihre Fingerkuppen sind so angeschwollen und verkrümmt, dass sie die Kaffeetasse nur schwer umklammern können. „Rheuma“, sagt Regine Sabmann*, ehemalige Westberliner Friseurin. „Nicht mal einen Putzlappen kann ich mehr damit halten.“ Dabei ist Rheuma nicht das Schlimmste, was die 61-Jährige plagt. Eine chronische Magenschleimhauteintzündung, Allergien und viele weitere Erkrankungen quälen die Frau. „Alles durch Überlebensstress als Alleinerziehende“, sagt Sabmann. Und den gab es reichlich. Mit Anfang 20 lebt sie, damals schon Mutter zweier Mädchen, mit einem Mann und dessen sechs Kindern zusammen in Berlin-Schöneberg. Da der Witwer in der Woche in verschiedenen Gelegenheitsjobs arbeitet, bleiben die Kinder bis zum Wochenende im Kinderheim. Die Erziehung von Regine Sabmanns Töchtern übernimmt ihre Mutter. Als Friseurin kann sie zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr arbeiten: Shampoos und Färbemittel erzeugen allergische Hautausschläge auf ihren Händen. Stattdessen kellnert und putzt sie, könne aber durch ständige Migräneanfälle keinen Job länger halten, sagt sie.

kurz nach der Geburt sterben würde.“ Man empfiehlt ihr, bis zur Geburt des Kindes in ein Obdachlosenasyl zu ziehen. Dass sie weder dort noch auf der Straße gelandet ist, verdankt sie ihrem großen Bekannten- und Freundeskreis. Schon in den Tagen zuvor verteilt und „verschleppt“ sie ihre persönlichen Sachen bei ihren Freunden. „Meine vier Wochen Obdachlosigkeit habe ich gut über die Runden gebracht, weil ich einen größeren Bekanntenkreis hatte und ich bei einem Ehepaar auf der Couch geschlafen habe.“ Über ihren Bekanntenkreis kommt sie schließlich auch wieder an eine neue Wohnung in Kreuzberg. Freunde vermitteln sie an einen befreundeten Vermieter, der ihr eine Zweizimmerwohnung anbietet. „Aber“, meint Regine Sabmann, „das ging nur deswegen, weil ich Freunde hatte, was vielen Leuten ja heutzutage nicht mehr gelingt.“ Nach zehn Jahren Beziehung trennt sie sich schließlich von ihrem Lebensgefährten und lebt seitdem alleinerziehend mit ihrem Sohn zusammen. Sie leben von Arbeitslosenhilfe. „Mein Leben fand immer am Rande der Gesellschaft statt, mit der Nase nah am Abgrund“, sagt sie. * Name von der Redaktion geändert.

Als ihr Lebenspartner ins Gefängnis kommt, droht ihr der soziale Abstieg nach ganz unten: Der Hauswart ihrer Wohnung kündigt ihr, „weil ich nicht im Mietvertrag stand“, mit der Aufforderung innerhalb weniger Tage die Wohnung zu räumen. „Damals brauchte man noch Wohnberechtigungsscheine für eine Ein- oder Zweizimmerwohnung.“ Hochschwanger wendet sich die damals 24-Jährige an das Sozialamt. „Und die vom Sozialamt haben zu mir gesagt, naja, bei ledigen, alleinstehenden Frauen käme es ja oft vor, dass sie eine Totgeburt hätten oder das Kind

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Laura Fricke Berlin, 25 Jahre Ist Fremdsprachenkorrespondentin und wollte früher Schriftstellerin werden.

IM GESPRÄCH Gerald Denkler arbeitet seit 13 Jahren für den Verein mob als Verkäuferkoordinator. Als Streetworker betreut er die Verkäufer der Obdachlosenzeitung „strassenfeger“, begleitet Wohnungslose auf Behördengänge und besucht Leute im Gefängnis. Was bedeutet der Verkauf des Magazins „strassenfeger“ für die Obdachlosen? Die Obdachlosen in der Hauptstadt können, indem sie ihr eigenes Magazin verkaufen, auf ehrliche Art und Weise Geld verdienen. Für sie ist der Verkauf des Magazins außerdem ein Stück Therapie. Sie bekommen einen Tagesplan, den sie sonst nicht hätten. Die Autoren der Artikel können durch das Schreiben schwierige Erlebnisse aufarbeiten. Wie akquirieren Sie Obdachlose als Verkäufer? Am Anfang bin ich zu den Leuten hingegangen, mittlerweile kommen sehr viele zu mir. Wir sprechen dann regelmäßig miteinander, beispielsweise, wenn jemand ein negatives Verkaufserlebnis hatte. Welches Klischee würden Sie gerne widerlegen, die es im Zusammenhang mit Obdachlosigkeit gibt? Es gibt das Klischee, dass alle Obdachlosen stinken, dumm und faul sind. Das ist falsch. Es ist nicht einmal ein halbes Prozent der Obdachlosen, die sich nicht pflegen und nicht waschen. Das sind auch die, an die wir nicht mehr rankommen und die sich psychisch aufgegeben haben. Wie lässt sich Ihrer Meinung nach das Leben für Obdachlose verbessern? In erster Linie bräuchten wir mehr Sozialarbeiter, die auch selber von der Straße kommen und aufsuchende und begleitende Sozialarbeit machen können. Wir haben einfach zu wenig Kapazitäten. Es fehlen sicher 80 bis 90 Prozent Sozialarbeiter, um die Menschen aufzufangen.


WER KEINE WOHNUNG HAT, BRAUCHT AUCH KEINEN SCHLÜSSEL. Foto: Martin Knorr

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DAS BÜRO ALS ZWEITES ZUHAUSE

IN DEUTSCHLAND LEBEN ETWA 3,4 MILLIONEN ARBEITSLOSE – EIN GESELLSCHAFTLICHER MAKEL. DER MENSCH BRAUCHT EINEN JOB, SAGT DER ARBEITSPSYCHOLOGE ERNST HOFF. EIN GESPRÄCH ÜBER SINN UND ANSEHEN VON TÄTIGKEITEN. VON BABALON SCHOLL Professor Hoff, warum arbeiten Sie? „Ich arbeite, weil ich eine Familie habe. Meine Kinder sind nun außer Haus, trotzdem dient meine Arbeit der Existenzsicherung. Aber das ist nicht der wichtigste Grund. Meine Arbeit macht mir großen Spaß und schafft Zufriedenheit. Vor allen anderen Dingen finde ich die Themen, über die ich referiere, sehr wichtig.“ Betrachten Sie Ihren gewählten Beruf eigentlich als Berufung? „Ursprünglich wollte ich einen anderen Weg einschlagen, wollte Psychologe im pädagogischen Bereich werden. Aber als ich dann Assistent an der Universität Göttingen war und anschließend Wissenschaftler am Max-PlanckInstitut, habe ich mich entschlossen, die ProfessorenLaufbahn einzuschlagen. Die Arbeit in diesen Bereichen hat mir immer viel Spaß gemacht. Seit der Einführung des Bachelors ist man aber mehr Zwängen ausgesetzt und man kann seine Themen nicht mehr so frei wählen wie bei den Diplomstudiengängen. Heute ist es für Professoren sehr wichtig geworden, viele Publikationen national wie international zu veröffentlichen und man unterliegt einer stärker gewordenen Konkurrenz und Marktzwängen.“ Haben die Arbeitnehmer heute noch die Freiheit, eigene Kreativität und Individualität in den Beruf einzubringen? „Je qualifizierter die Leute sind, desto eher erwartet man das von ihnen. Viele Arbeitgeber erwarten, dass man seine ganze Person in die Arbeit mit einbringt. So bevorzugen Unternehmen autonom arbeitende Menschen mit einem akademischen Abschluss. Mehr als ein Drittel aller Erwerbstätigen kommt aus dem Hochschulbereich. Je höher die Bildung, desto stärker ist der Wunsch, seine eigenen Ideen und Vorstellungen in den Arbeitsalltag zu integrieren.

Akademiker arbeiten also in erster Linie nicht des Geldes wegen? Selbstverständlich spielt in akademischen Professionen auch das Geldverdienen eine Rolle. Aber es ist deutlich erkennbar, dass alle Hochschulabsolventen nach individueller Befriedigung in ihrer kommenden Arbeit suchen und nach Selbstverwirklichung streben. Je privilegierter ein Beschäftigter in seiner Arbeit ist, desto weniger gibt es eine Trennung zwischen Freizeit und Arbeit. Auch für abhängig Beschäftigte ist Autonomie und Selbstverantwortlichkeit ein wichtiger Faktor im Beschäftigungsverhältnis. Jedoch sind Unterschiede, aufgrund vergangener Bildungschancen, deutlich erkennbar. So ist es gut möglich, dass Erwerbstätige mit einem niedrigen Abschluss nur den Wunsch haben, durch ihre Arbeit die eigene Existenz zu sichern. Braucht der Mensch die Arbeit zum Leben? „Ein Mensch ohne irgendwelche Tätigkeiten kann keinen sinnerfüllten und gesellschaftlichen Zweck haben. Schauen Sie doch, was Menschen tun, wenn sie nicht erwerbstätig sind. Es gibt jedoch auch ohne eine Erwerbstätigkeit jede Menge sinnvolle Beschäftigungen, die von den Menschen wahrgenommen werden, wie beispielsweise politisches Engagement oder ehrenamtliche Tätigkeiten. Zudem ist es in unserer heutigen Zeit gar nicht möglich, nicht zu arbeiten. Wir nehmen als Kunden schon sehr oft den Angestellten die Arbeit ab und arbeiten mit, indem wir beispielsweise unsere Überweisungen an Bankautomaten selbst tätigen.“ Darf Prosititution als Arbeit gelten? „In diesem Falle sollte man die Prostitution von der SexArbeit unterscheiden. Es existiert bereits eine Bewegung von Leuten, die behaupten, dass Prostitution autonom gemacht werden soll, da es auch eine sinnvolle Beschäftigung sei und Spaß mache. Also, warum sollte es nicht

auch eine Arbeit sein? Da es wahrscheinlich viel Zwangsprostitution gibt, ist diese Frage aber schwer zu beantworten. Auch ein Ein-Euro-Jobber leistet Arbeit. „Ja, die Tätigkeiten der Ein-Euro- Jobber sind sinnvoll, aber es hat auch etwas Erniedrigendes und wird eher als eine Beschäftigungsmaßnahme angesehen. Die Entlohnung ist nicht vergleichbar mit einer anderen Arbeit und müsste eigentlich in Relation zu dem investierten Engagement stehen.“ Die Technik im Arbeitssektor ist stark entwickelt, gleichzeitig fehlen qualifizierte Arbeitskräfte. Sehen Sie da einen Zusammenhang? „Nein. Die neuen Technologien haben nicht nur Arbeitsplätze vernichtet, sondern durch sie haben auch wieder neue,w wichtige Umwandlungen stattgefunden. Es gibt immer mehr Tätigkeiten, die mehr Kopfarbeit als Handarbeit verlangen. Weil es immer mehr Arbeitsplätze an Computern gibt, muss man mehr denken: Die Arbeitnehmer von heute brauchen Software-Kenntnisse und müssen mit neuen Medien arbeiten. Das setzt Fachwissen und abstraktes Denken voraus.“

Babalon Scholl Berlin, 24 Jahre Studiert in der Hauptstadt und will seit ihrer Kindheit Schriftstellerin werden.

AKADEMIKER VERMISCHEN BERUFLICHES MIT PRIVATEM, SAGT DER PROFESSOR FÜR ARBEITSPSYCHOLGIE ERNST HOFF (LINKS). Foto: Martin Knorr

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NUR NICHT DEN KOPF VERLIEREN

AUF DEM FREIEN MARKT BESTIMMEN ANGEBOT UND NACHFRAGE DEN PREIS. DOCH MIT DEM PREIS FÜR ARBEIT, DEM LOHN, IST ES NICHT SO EINFACH. VON LAURA BENNING „Arbeiter sind keine Artischocken“, sagt der Ökonom und Nobelpreisträger Robert Solow und meint damit vor allem eines: Arbeiter sind keine einfachen Produkte, deren Preis sich über bloße Kalkulationen ergibt. Das Hin- und Herschieben von Angebots- und Nachfragekurve reicht also nicht. Arbeiter haben Stolz, Arbeiter müssen eine Familie ernähren, Arbeiter lassen sich nicht stimmlos handeln. Bei der Bestimmung der richtigen Entlohnung sind nicht nur ökonomische Faktoren zu beachten – gerechter Lohn ist schwierig. Ein großes Wort, das in Lohnverhandlungen oft zu kurz kommt, ist Gerechtigkeit. „Gerechtigkeit und Lohn passen nicht wirklich zueinander“, sagt Ulf Dietrich Posé, Präsident des Ethikverbandes der Deutschen Wirtschaft. Man könne dem Einzelnen mit der Höhe seines Lohnes nie vollkommen gerecht werden, so Posé. Anders als die Artischocke verändert der Arbeiter seine Leistung, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt. Hält ein Arbeitnehmer sein Gehalt für zu niedrig, arbeitet er weniger, wird unproduktiv – dann steigert das Unternehmen vielleicht seinen Lohn, aber es ist nur die Notbremse. Marktwert und der Nutzwert der Arbeit sind ausschlaggebend für die angemessene Entlohnung eines Menschen, Gerechtigkeitsaspekte sind sekundär. ÖKONOMEN RATIONALISIEREN DEN ARBEITSMARKT

Ökonomen haben eine beeindruckend klare Modellwelt geschaffen, indem sie einige mathematische Gleichungen kombiniert haben. Der Marktwert von Arbeit entsteht so durch das bloße, rein-rationale Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage. Dabei unterscheidet sich das gehandelte Gut Arbeit also nicht von Gütern wie Autos oder Brötchen. Stellt der Bäcker mehr her als nachgefragt wird und er verkaufen kann, muss er den Preis für seine Brötchen wohl oder übel senken, um nicht auf ihnen sitzen zu bleiben. Das geht aber nur so lange, wie seine Brötchenproduktion noch finanziell leistbar ist: so lange zumindest die variablen Kosten, die pro produziertem Brötchen entstehen, gedeckt sind. Auf den Arbeitsmarkt übertragen bedeutet das: Gibt es zu viele Arbeiter, sinken die Löhne. Nur wer bereit ist, zu einem geringen Lohn zu arbeiten, bekommt auch einen Job. Lediglich besonders gut ausgebildete Arbeitskräfte, die sogenanntes Humankapital angehäuft haben, haben eine Art Marktmacht, können also ihren Lohn aktiv mitbestimmen. Sie haben in Bildung investiert, die knapp ist, und können diese jetzt zu lukrativen Preisen anbieten. Ingenieure mit ausgeprägten Fremdsprachenkenntnissen und fachlichem Spezialwissen beispielsweise werden gerne nachgefragt und können sich

auch hohe Lohnforderungen erlauben. In Deutschland ist Ananas bedeutend teurer als in Nicaragua – auch weil hier keine Ananas wächst.

ARBEITER, NICHT ARTISCHOCKE: MENSCHEN SIND KEINE WAREN.

WAS HAT DIE FIRMA VOM ARBEITER?

Der Nutzwert der Arbeit orientiert sich am Gewinn, den ein Unternehmen durch die eingesetzte Menge Arbeit erzielt. „Es ist ganz entscheidend, wie viel Wertschöpfung am Ende entsteht“, sagt Posé. „Ist das Produkt unverkäuflich, ist sein Wert gleich Null.“ Zwar könne man nicht pauschal sagen, dass ein Manager mehr leistet als eine Reinigungskraft. „Sein Beitrag zur betrieblichen Wertschöpfung ist aber höher als der eines ungelernten Facharbeiters“, so Posé. Einkommensunterschiede zwischen den beiden Berufsgruppen seien also ökonomisch angemessen, würden aber von vielen als ungerecht empfunden. „Viele meinen, den körperlich belastenden Arbeitsanforderungen im Vergleich zur reinen Kopfarbeit des Spitzenmanagers werde nicht ausreichend Rechnung getragen.“ IST LEISTUNG WIRKLICH DER MASSSTAB?

Die Suche nach der sogenannten Leistungsgerechtigkeit gestaltet sich schwierig. Dabei stehen Quantität und Qualität des Arbeitsergebnisses im Vordergrund. Wer Leistung bringt, körperliche oder geistige, soll belohnt werden – allerdings liegt die Entlohnung im Ermessen der Arbeitgeber. Ein objektiv gerechter Lohn lässt sich schwer finden, weil objektive Gerechtigkeit schwierig ist. Selbst wenn intensiv nach „Ersatzgerechtigkeiten“ gesucht wird. Eine der Ersatzgerechtigkeiten ist die sogenannte Anforderungsgerechtigkeit. Die Qualifikation der Arbeitskraft, Verantwortungsgrad und Schwierigkeit der Arbeit beeinflussen die Anforderungen der einzelnen Stelle. LÖHNE SOLLTEN FLEXIBEL SEIN

Wichtig außerdem: die Lebenssituation, in der der Arbeitnehmer sich befindet. Die Lohnbemessung orientiert sich in einigen Fällen zum Beispiel auch an Alter und Familienstand. Und wer mit seinem Job nicht genug verdient, dem werden freiwillige und gesetzliche Sozialleistungen gewährt. Für den Präsidenten des Ethikverbandes der Deutschen Wirtschaft sind diese Gerechtigkeitskriterien weniger wichtig. Posé: „Sie lassen sich nicht objektiv messen. Der Markt- und Nutzwert eben schon.“ Sein Vorschlag deshalb: „Es muss eine höhere Transparenz herrschen, indem man die angemessene Höhe der Entlohnung nicht abstrakt an der „Leis-

Foto: Martin Knorr

tung“ des Menschen festmacht, sondern sie durch den Marktwert und den Beitrag zur betrieblichen Wertschöpfung definiert.“ Der Begriff der Gerechtigkeit müsse kritisch überprüft werden, auch den Staat sieht er in der Pflicht: „Man muss in die Fähigkeiten der Menschen investieren, Bildung ist ein wichtiges Thema. Es

wird in Zukunft immer weniger Arbeit für Geringqualifizierte geben, also muss eine Höherqualifizierung der Menschen stattfinden, um deren Markt- und Nutzwert für den Arbeitsmarkt zu steigern.“ Bleiben wird das Problem des „ungerechten Lohns“ in seinen Augen jedoch, das liege in der Natur der Sache. Was gerecht ist und was nicht, entscheidet eben jeder für sich selbst.

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„WIE DIE SITUATION DER ARBEITSSUCHENDEN IST? BESCHISSEN!“

MIT DEM RÜCKEN ZUR WAND

IN BERLIN-NEUKÖLLN IST ARBEITSLOSIGKEIT ALLGEGENWÄRTIG. BEHÖRDEN, LADENLOKALE UND BERATUNGSBÜROS VERSUCHEN TÄGLICH, DEN MENSCHEN AN DEN JOB ZU BRINGEN. VON NORA LASSAHN Vor dem Jobcenter im Berliner Bezirk Neukölln stehen drei große Briefkästen. Es gibt viel Post für das Jobcenter, und noch viel mehr zu tun. Leute werfen ihre Anträge ein und gehen wieder. Neben dem Briefkasten sitzt ein Mann, offensichtlich ist er betrunken. Er beschimpft die Vorbeigehenden als „behindert“. Neben ihm sitzt ein Mann vom Sicherheitsdienst und raucht. Der Sicherheitsdienst ist in allen Stockwerken des Jobcenters vertreten, fragt drängelnd, ob er einem helfen könne und gibt keine Auskunft darüber, für wessen Sicherheit er eigentlich verantwortlich ist. Das Jobcenter in Neukölln ist ein fünfstöckiger, anonymer Bürostapel, in dem die Leute ein und aus gehen, den Blick auf ihre Unterlagen, einen Kinderwagen oder das Handy gerichtet. Ein Bienenstock mit vielen Bienen, die eher deprimiert als emsig wirken. Für viele ist der Gang zum Jobcenter schon viel zu alltäglich geworden. Die Arbeitslosigkeit ist hoch in Neukölln: Im März lag die Arbeitslosenquote bei 21,7 Prozent. Das sind fast 30.000 Menschen. Knapp ein Drittel von ihnen ist langzeitarbeitslos. Wie sich die Arbeitssuchenden hier fühlen? „Beschissen“, fasst Imam seine Situation zusammen. Er ist mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn im Jobcenter, sucht schon seit vier Monaten nach einer Arbeit. Vorher hat der 37-Jährige 21 Jahre lang einen Kiosk betrieben, den er sich nicht mehr leisten kann. Heute bekommt er Hartz IV. Ihn ärgert es, dass viele Leute denken, er hätte gar nicht gearbeitet, man könne ihn nicht mit Jugendlichen in einen Topf werfen, die nie einen richtigen Job hatten. „Trotzdem sehe ich optimistisch in meine Zukunft“, sagt Imam – seine Frau fange bald wieder mit dem Arbeiten an. „Vielen Anderen geht es schließlich noch schlechter.“

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Schlechter geht es zum Beispiel Roswitha Neumann, 55 Jahre alt. Die ehemalige Verkäuferin kann aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten, sagt sie. Neumann wartet nun schon seit fast sechs Monaten auf einen Bescheid, um in Frührente gehen zu können. „Die Zeiten werden nicht besser, nur verrückter“, urteilt sie. Sorgen mache sie sich vor allem um ihre jüngste Tochter. „Was soll die machen, wenn sie mit ihrer Ausbildung fertig ist? Sich arbeitslos melden, was sonst.“ Nur 15 Minuten Fußweg vom Jobcenter entfernt liegt der „Job-Point“: ein Ort des Optimismus. Hier steht in jeder Ecke mindestens eine Topfpflanze, es herrscht eine farblich abgestimmte Wohlfühlatmosphäre. Blümchen und Dekofiguren sollen alle Ängste mildern, die man vor der Arbeitssuche haben könnte.

nicht. Ein Angebot, das auch immer mehr Akademiker wahrnähmen, sagt Steinhagen. Arbeitslosigkeit mache nicht Halt vor einzelnen Gesellschaftsgruppen. „Darüber hinaus kommen auch immer mehr Menschen zu uns, die ,einfach nur mal gucken‘ wollen und keinen bestimmten Job im Auge haben.“ In Neukölln gibt es viele Menschen, die den Bedarf an Arbeitsbörsen erkannt haben. In der Schudomastraße liegt das „Schreibbüro“. Dort kann man sich kostenlos helfen lassen, zum Beispiel beim Ausfüllen eines HartzIV-Antrags, bei einer Bewerbung oder beim Kindergeld. Zwei Tische stehen in dem kleinen Raum, zwei Computer. Die Mitarbeiter sprechen Polnisch, Türkisch, Arabisch und Russisch. Jeden Tag kommen zwischen fünf und zehn Kunden, erzählt ein Mitarbeiter des seit einem Jahr existierenden Büros.

IM „JOB-POINT“ IST ALLES UNVERBINDLICH, SELBSTMANAGMENT HEISST DAS KONZEPT

„Wir sagen den Leuten: Sie schaffen das!“, erklärt Ingrid Steinhagen, Projektleiterin des seit 2002 existierenden Ladenlokals. Der „Job-Point“ wird vom Jobcenter Neukölln und vom Land Berlin finanziert. Das Konzept kommt aus Dänemark, von der „Job Boutique“ – geöffnet auch am Samstag und mit ausgehängter Ware. Jobangebote an allen Wänden. Vom Wirtschaftsingenieur bis zum Müllfahrer. Wer will, darf sich Passendes aussuchen und kostenlos kopieren, auf den Arbeitgeber zugehen muss man selbst. Durchschnittlich sechs Wochen lang hängen die Angebote hier und stehen auf der „Job-Point“-Website, bevor sie vergeben sind. Hier ist alles unverbindlich, Selbstmanagement heißt das Konzept. Angebote werden auch ins Internet gestellt. Man kann sich beraten lassen, muss man aber

Er hilft den Kunden, damit ihre Anträge auch wirklich gelesen werden und nicht auf halbem Wege verloren gehen. Vom Schreibbüro gehen sie zu den Briefkästen am Jobcenter, wo der pöbelnde Mann sitzt. Die Leute gehen ein uns aus, und hoffen auf eine neue Chance.

Nora Lassahn Berlin, 22 Jahre Studiert Literaturwissenschaft und wollte früher als Lokomotivführerin ihr Geld verdienen.


IM „JOB-POINT“ IN NEUKÖLLN HÄNGT DIE HOFFNUNG DURCHSCHNITTLICH SECHS WOCHEN LANG AN DER WAND. Foto: Martin Knorr

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IMPRESSUM

FRIS C H , F R U C H T I G , S E L B S T G E P R E S S T

Diese Ausgabe von politikorange entstand auf dem 19. Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der vom 15. bis 20. Mai 2010 in Berlin statt fand.

Als Veranstaltungszeitung, Magazin, Onlinedienst und Radioprogramm erreicht das Mediennetzwerk politikorange seine jungen Hörer und Leser. Krieg, Fortschritt, Kongresse, Parteiund Jugendmedientage – politikorange berichtet jung und frech zu Schwerpunkten und Veranstaltungen. Junge Autoren zeigen die große und die kleine Politik aus einer frischen, fruchtigen, anderen Perspektive. POLITIKORANGE – DAS MULTIMEDIUM

politikorange wurde 2002 als Veranstaltungsmagazin ins Leben gerufen. Seit den Politiktagen gehören Kongresse, Festivals und Jugendmedienevents zum Print- und Online-Programm. 2004 erschienen die ersten Themenmagazine: staeffi* und ortschritt*. Während der Jugendmedientage 2005 in Hamburg wurden erstmals Infos rund um die Veranstaltung live im Radio ausgestrahlt und eine 60-minütige Sendung produziert.

WIE KOMM’ ICH DA RAN?

WER MACHT POLITIKORANGE?

Gedruckte Ausgaben werden direkt auf Veranstaltungen, über die Landesverbände der Jugendpresse Deutschland und als Beilagen in Tageszeitungen verteilt. Radiosendungen strahlen wir mit wechselnden Sendepartnern aus. Auf www.politikorange. de berichten wir live von Kongressen und Großveranstaltungen. Dort stehen bereits über 50 politikorange-Ausgaben und unsere Radiosendungen im Archiv zum Download bereit. WARUM EIGENTLICH POLITIKORANGE?

Junge Journalisten – sie recherchieren, berichten und kommentieren. Wer neugierig und engagiert in Richtung Journalismus gehen will, dem stehen hier alle Türen offen. Genauso willkommen sind begeisterte Knipser und kreative Köpfe fürs Layout. Den Rahmen für Organisation und Vertrieb stellt die Jugendpresse Deutschland. Ständig wechselnde Redaktionsteams sorgen dafür, dass politikorange immer frisch und fruchtig bleibt. Viele erfahrene Jungjournalisten der Jugendpresse stehen mit Rat und Tat zur Seite.

In einer Gesellschaft, in der oft über das fehlende Engagement von Jugendlichen diskutiert wird, begeistern wir für eigenständiges Denken und Handeln. politikorange informiert über das Engagement anderer und motiviert zur Eigeninitiative. Und politikorange selbst ist Engagement – denn politikorange ist frisch, fruchtig und selbstgepresst.

Wer heiß auf‘s Schreiben, Fotografieren oder Mitschneiden ist, findet Informationen zum Mitmachen und zu aktuellen Veranstaltungen im Internet unter der Adresse www. politikorange.de oder schreibt an mitmachen@politikorange.de. Die frischesten Mitmachmöglichkeiten landen dann direkt in Deinem Postfach.

Herausgeber und Redaktion: politikorange – Netzwerk Demokratieoffensive, c/o Jugendpresse Deutschland e.V., Wöhlertstraße 18, 10115 Berlin, www.politikorange.de Chefredaktion (V.i.S.d.P.): Barbara Engels (b.engels@jugendpresse.de), Nils Glück (n.o.glueck@gmx.de) Redaktion: Laura Benning, Mirjam Eiswirth, Jil Blume, Nora Lassahn, Esther Sczesny, Babalon Scholl, Ann Eichelbaum, Laura Fricke, Nicole Krenz, Andreas Weiland Bildredaktion: Martin Knorr (www.martin knorr.de), Danilo Bretschneider d.bretschne ider@jugendfotos.de, Jonas Fischer (www. jonas-fischer.com) Layout: Sebastian Wenzel (www.sebastian wenzel.de) Projektleitung: Sebastian Serafin (s.serafin@jugendpresse.de) Druck: Henke Pressedruck GmbH & Co. KG, Plauener Straße 160, 13053 Berlin Besonderer Dank an Sigrid Wolff (ermöglichte dieses Projekt) und die Unterstützung durch den Deutschen Gewerkschaftsbund.

Foto: Danilo Bretschneider

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GEFÄHRDETE GLEICHSTELLUNG

FRAUEN VERDIENEN IN DEUTSCHLAND WENIGER ALS GLEICHQUALIFZIERTE MÄNNER. SELBST SCHULD, MEINEN MÄNNERGLEICHSTELLUNGSINITIATIVEN. VON JIL BLUME Eine Frau an der Staatsspitze, Tragetuch-Papas auf dem Spielplatz, gesetzliche Regelungen für bezahlte Elternzeit. Die Frage, ob wir den Kampf um die Gleichberechtigung der Frau noch brauchen, muss erlaubt sein. Für die Mitglieder des Vereines MANNdat ist die Antwort klar: Brauchen wir nicht. Sie wollen widerlegen, dass Frauen in gleichen Positionen immer noch weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Sie halten die Diskriminierung der Frau am Arbeitsplatz für ein Gerücht und glauben, dass Frauen sich die schlechter bezahlten Stellen selbst aussuchen. Jenny Huschke arbeitet beim DGB als politische Referentin für Gleichstellungsund Frauenpolitik und setzt sich für den Teil der Bevölkerung ein, der gleichzeitig Kinder und Karriere machen will. Für die 34-Jährige ist Frauengleichstellung immer noch dringend und hochaktuell. „In Deutschland verdienen Frauen nachweislich durchschnittlich 23 Prozent weniger als die Männer”, meint Huschke. Laut EUStatistik liegt der Lohnunterschied europaweit bei durchschnittlich 17,4 Prozent. Deutschland schneidet damit besonders schlecht ab – nur Frauen in den Niederlanden, Österreich, in der Tschechischen Republik und in Estland bekommen noch weniger Geld vom Arbeitgeber.

Jenny Huschke findet Vorwürfe wie den der falschen Studienrichtung „konstruiert”. „In den 70er Jahren lag die Begründung für die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen angeblich darin, dass die Frauen schlechter ausgebildet waren als Männer. Heute haben sie in der Bildung aufgeholt, kriegen aber immer noch weniger Geld. Also heißt es jetzt, sie treffen die falsche Berufswahl.” Außerdem seien Männer nicht eher für Führungspositionen qualifiziert. „Keine Sau fragt doch danach, ob Männer, die in Vorständen sind, wirklich qualifiziert sind. Nur Frauen müssen ihre Kompetenzen erst beweisen.” ERFOLG IST LEBENSGEFÄHRLICH

Womöglich profitieren die Frauen aber sogar von der Tatsache, seltener Karriere machen zu können, Erfolg sei nämlich sehr gefährlich, warnt MANNdat. „Psychologinnen und Ärztinnen bringen sich dreimal so häufig ums Leben wie traditionell lebende Frauen, da sie mit denselben inneren Konflikten wie viele Männer leben müssen: Isolation, Einsamkeit, ein ständiges Hin- und Hergerissensein zwischen beruflichem Ehrgeiz und persönlichen Bedürfnissen.” Zu viel für eine Frau. Lieber das erhöhte Herzinfarktrisiko dem Mann überlassen.

FRAUEN WOLLEN GAR KEINE KARRIERE MACHEN

Das Statistische Bundesamt hat herausgefunden, dass Frauen besonders ungerecht bei der Jobvergabe in den Chefetagen behandelt werden. 2004 waren nur 33 Prozent aller Führungskrafte weiblich. MANNdat hat dafür eine einfache Erklärung: Die Frauen entscheiden sich schon bei der Studienwahl gegen eine Karriere. Wer kein Studium im Wirtschaftszweig aufnehme, dürfe sich nicht wundern, wenn er nicht auf den Chefsesseln der großen Konzerne lande. Und nur, weil Männer die weniger spaßigen und erfüllenden, aber dafür um so karriereträchtigeren Fächer wie Elektrotechnik, Maschinenbau und Informatik belegten, könnten es sich Frauen zu mehr als 70 Prozent leisten, Fächer wie Germanistik und Pädagogik zu studieren. In den Universitäts-Hörsälen der Germanistik riecht es also deswegen immer so gut nach Guccis Flora, weil die richtig schweißtreibende Arbeit woanders gemacht wird. Da können die Frauen ja richtig froh sein, dass es Männer gibt, oder, Frau Huschke? „Diese Bewegung hat Recht, wenn sie sagt, dass Frauen traditionell stärker in geistes- oder gesellschaftswissenschaftlichen Studiengängen vertreten sind.” Trotzdem gilt: „Auch dort finden wir sie seltener in Führungspositionen, und auch dort kriegen Männer die Doktoranden- und Professorenstellen.”

Das wollen die meisten Frauen aber nicht. Sie sind genauso ehrgeizig wie ihre männlichen Konkurrenten. Dass sie trotzdem viel seltener in Führungspositionen arbeiten, liege an ihrer Benachteiligung in den Firmen selbst, meint Huschke. „Die Entscheidung darüber, wer befördert wird, fällt zugunsten derer, die besonders viele Überstunden leisten. Mütter werden so automatisch ausgeschlossen.” Sobald Frauen auf der Karriereleiter Windeln wechseln wollen, brechen sie sich beruflich das Genick – auch heute noch, besonders in Deutschland. „GESCHLECHTERSTEREOTYPE SIND DIE HARTNÄCKIGSTEN”

Jenny Huschke sieht ihre Aufgabe deshalb vor allem darin, die Politik dazu zu bringen, berufstätige Eltern zu unterstützen. „Wir fordern eine bessere Betreuung für Kinder und Jugendliche. Im Moment gibt es für nicht mal ein Drittel der Unter-Dreijährigen Betreuungsplätze und zu wenige Ganztagsschulen.” Huschke findet, es solle mehr familienfreundliche Betriebe geben. Manche Unternehmen böten ihren Mitarbeitern beispielsweise an, teilweise zu Hause zu arbeiten. Dass Vereine wie MANNdat nicht müde werden, die Schuld für die Benachteiligung der Frau am Arbeitsplatz bei der Frau selbst zu suchen, macht Jenny

IN DEUTSCHLAND TOBT EIN KAMPF DER GESCHLECHTER. Foto: Martin Knorr

Huschkes Arbeit nicht leichter. „Solche Vereine sind sehr präsent in Deutschland. Sie halten leider eingefahrene und längst überholte Denkmuster in der Gesellschaft am Leben.” Geschlechterspezifische und fremdenfeindliche Stereotype seien die hartnäckigsten davon. Huschke schüttelt verständnislos ihren Kopf. Sie sagt: „Selbst, wenn man Faktoren abzieht, die eine ungleiche Bezahlung rechtfertigen könnten, wie Alter oder Familienstand, bleibt immer noch ein durchschnittlicher Lohnunterschied zu Männern in der gleichen Position von zehn Prozent, der nur durch das Geschlecht bedingt ist.“

Jil Blume Köln, 20 Jahre Studiert Germanistik und wollte früher Schriftstellerin werden.

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Foto: paperback/fotolia.com

DIE FAULHEIT

DAS SCHÖNSTE AN DER ARBEIT SIND DIE PAUSEN. DAS WUSSTEN SCHON DIE GROSSEN DICHTER UND DENKER. EIN VERTRETER WAR SOGAR SO BEGEISTERT, DASS ER AN SEINEM SCHREIBTISCH DEM NICHTSTUN IN ZWEI STROPHEN HULDIGTE. VON GOTTHOLD EPHRAIM LESSING Fleiß und Arbeit lob‘ ich nicht. Fleiß und Arbeit lob‘ ein Bauer. Ja, der Bauer selber spricht, Fleiß und Arbeit wird ihm sauer. Faul zu sehn, sei meine Pflicht; Diese Pflicht ermüdet nicht. Bruder, lass das Buch voll Staub. Willst du länger mit ihm wachen? Morgen bist du selber Staub! Lass uns faul in allen Sachen, Nur nicht faul zu Lieb‘ und Wein, Nur nicht faul zur Faulheit sein.

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