»Ich dachte, es bricht alles zusammen«
»Lebende Wegweiser in orangenen Leibchen«
»Orangen aller Länder vereinigt euch«
Wenn plötzlich mehr Teilnehmer kommen als erwartet. 2
124 Infoscouts versuchten alle Fragen zu beantworten. 3
Die Politiktage aus der Sicht einer saftigen Südfrucht. 12
politik orange
Zeitung zu den Politiktagen | 14. bis 16. März 2002, Berlin Bundesverband Jugendpresse e.V. | Deutsche Jugendpresse e.V.
saftig „Hast du den da grad gesehen? Den mit dem Block in der Hand, mit der Kamera? Der ist mir auf den Fuß getreten!“ „Nee, den hab ich nicht gesehen.“
„Politik braucht euch!“ Fast 8000 Teilnehmer kamen zu den Politiktagen nach Berlin. Die einen fanden Spaß an Diskussionen und am Engagement. Andere gingen lieber shoppen.
Vielleicht sind wir auch dir auf die Füße getreten, gefolgt von einem kurzen, noch zugerufenen „Sorry!“ und das war’s. Schon waren wir wieder verschwunden. Wahrgenommen als zuckender Schatten mit Stift und Block in der Hand – schönes altes Klischee des rasenden Reporters. Mehr hat man wohl nicht bemerkt. Doch, vielleicht noch das Blitzlicht. Fragen stellen, ein biss‘l nerven und vielleicht zum Nachdenken anregen, für uns Spaß. Vielleicht auch mehr, Leidenschaft? Auf den Politiktagen rannten wir von Workshop zu Workshop und zurück zur Podiumsdiskussion. 24 Stunden für eine Zeitung. Und dies, wie wir hoffen, zu eurer Zufriedenheit. Wir, 20 junge Medienmacher aus ganz Deutschland, versuchten auf den Politiktagen aufzugreifen, was euch bewegt. Wo ist der Raum? Wie schmeckt denn bloß das Essen? Und wo ist eigentlich die Bergmann? Die Antworten findet ihr hoffentlich spätestens jetzt: „politikorange“ Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen und natürlich beim Erinnern an die Politiktage!
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Für Phil ist die Sache klar: „Die Politiktage sind eine reine Alibiveranstaltung“. Ministerin Bergmann sieht das anders: „8.000 junge Menschen beschäftigen sich aktiv mit Politik.“ Die Politiker kamen als Repräsentanten. Staatsmännisch gaben sie Autogramme, definierten „Demokratie“ und lächelten freundlich in die Kamera, umringt von jungen Leuten. Wenige Monate vor der Wahl sind solche Bilder Gold wert. Die Veranstaltung sollte der Höhepunkt und Abschluss der Bundesinitiative Beteiligungsbewegung „ich mache politik“ werden. „Doch dafür muss die Jugend erst einmal beteiligt werden!“ sagte Phil. Die Initiative ging vom Ministerium aus, das Konzept lieferte eine kommerzielle Agentur. Wie zu einem Popkonzert strömten die Massen in die Technische Universität. Ihre Motive waren verschieden: „Eine günstige Reise nach Berlin“, meinte einer. „Ein verlängertes Wochenende mit der Freundin“ oder „der Aufruf des Sozialkundelehrers“ sagten andere. Nur
wenige Interessierte kamen, um sich zu vernetzen. Ein Gemeinschaftsgefühl entstand aber nicht. Die Atmosphäre war zu hektisch für intensive Gespräche und regen Austausch. Die Konzepte zur Beteiligung von Jugendlichen blieben unklar. „Teilnehmen bedeutet nicht gleich beteiligen!“, betonte Wolfgang Peschel vom Deutschen Bundesjugendring. Selbst die Podiumsdiskussionen endeten, trotz hochkarätiger Moderatoren, oft in Monologen. Die Kritik geht weiter: „Viele Workshops werden von Amateuren geleitet“, beschwerte sich Dennis aus Berlin Also verzog sich mancher Teilnehmer lieber zum Einkaufen in die Stadt. Doch eben nur mancher: „So macht Politik Spaß“, sagte Elli. Kurz zuvor hatte sie sich über die „hohlen Aussagen“ eines Politikers aufgeregt. Doch sie konnte ihm direkt ihre Meinung sagen - und er hörte zu. „Ich musste mir zum ersten Mal richtig Gedanken zu einem politischen Thema machen“, meinte die Schülerin.
Ministerin Bergmann wird es freuen. „Jugendliche wollen mitmachen“, sagte sie, „und dazu sind die Politiktage da“. Man müsse weg von den traditionellen, oft langweiligen Strukturen der Beteiligung, so die Jugendministerin. „Politik darf auch Spaß machen“. Etwa auf dem Markt der Möglichkeiten, dort konnten die Teilnehmer jugendliche Projekte kennenlernen. „Wer bisher nicht fragte, wo er aktiv werden kann - hier gab es Antworten“ zeigte sich Elli überzeugt. „Ich habe mit den Infoscouts gesprochen“, sagte sie, „Jugendorganisationen haben alles mit vorbereitet“. Junge Menschen wie Mirko. Er hat einen Workshop „Schreiben gegen Rechts“ geleitet. „Die Teilnehmer waren wirklich interessiert „, resümierte er. „Da diskutieren Leute, die sich sonst nie unterhalten würden: Die Münchnerin und der Berliner streiten hier über türkische Kopftücher.“ Workshops zu Osteuropa, „footbagfreestyle“ oder Radio machen konnten die Gäste der Politiktage besuchen.
Insgesamt mehr als 100 Workshops zeigten, wo Engagement möglich ist, welche Themen für Jugendliche interessant sein können. Denn jeder konnte Workshops anbieten. So luden Künstler, Jugendvereine oder Journalisten dazu ein, ihre Welt kennenzulernen, dann darüber zu diskutieren und auch zu streiten. Für die Veranstalter ist klar: „Damit sich endlich viele engagieren, müssen wir Politik mit Party verbinden. Da spricht doch nichts dagegen.“ Genauso sieht es auch Elli. Nach vielen spannenden Gesprächen und Diskussionen stand sie, mit Unmengen von Infomaterial beladen, auf der Abschlussparty - und zwar begeistert: „Für mich waren die Politiktage richtig cool.“ Elli nutzte die Politiktage, um Kontakte zu knüpfen. Für Phil eine Alibiveranstaltung. Trotzdem: Bundesjugendministerin Christine Bergmann schrieb es groß auf den orangen Bären, der ihr überreicht wurde: „Politik braucht Euch“. SINA KAUFMANN, CLAUDIA KURKIN, KARL MUSIOL, RAPHAEL NEUNER