Randthema August 2011
Unabhängiges Magazin zuM Workshop „Medien und rechtsradikalismus“ HERAUSGEGEBEN von der Jugendpresse DEUTSCHLAND
Edi tori a l Liebe Leserinnen und Leser, dieses Heft ist unnötig. Der dahinterstehende Workshop natürlich auch. Fast eine Woche haben wir zum Seminar „Medien und Rechtsradikalismus“ der FriedrichEbert-Stiftung gearbeitet. Vier Tage am wunderschönen Pichelsee in Berlin, den Rest am Computer. Für nichts! Natürlich bist du gegen Rechts - keine Frage. Jedes weitere Wort wäre nur Wasser auf den rechten Mühlen. Und trotzdem: Journalisten, Wissenschaftler und Engagierte erzählten uns von ihrem Kampf gegen Rechts. „Hört nicht auf die unterbelichteten Glatzköpfe mit Springerstiefeln“, hätte Titel, Inhalt und Schlusskommentar dieses Heftes werden können. Zu offensichtlich sind die Parolen der schreienden Rasse-Enthusiasten, die das Prekariat unreflektiert in sich aufsaugt. Verrückte unter sich - am rechten Rand der Gesellschaft. Problem gelöst. Leider ist es nicht so einfach. Stereotype sind von gestern, Rechtes Gedankengut steht mit jedem Menschen auf und geht am Abend wieder mit uns zu Bett. Dieses Heft ist nötiger denn je. Wir müssen handeln. Damit uns nicht im flauschigen Schafspelz der stinkende Wolf untergeschoben wird. Eure Chefredaktion Nora Lassahn und Adrian Bechtold
Inha lt
»Rechtspost« Wie angeblichen Lokalzeitungen rechtsextreme Parolen verbreiten. Seite 04
»Facebook« Zum Rechten in drei Tagen. Ein Selbsttest. Seite 07
»Quotenkiller« Recherche in der Rechten Szene ist gefährlich. Journalistin Andrea Röpke im Interview. Seite 09
»Dagegen« Inkorrekt ist die Einstellung von morgen. Der Blog »Politically Incorrect« Seite 14
Foto: Luis Sarabia/flickr.com
Radikalismus, frei Haus
Ein bisschen Anleitung zum Erhalt der deutschen Rasse, ein bisschen Kinderfest. Das Ganze gibt es kostenlos in manchen Gegenden Deutschlands. In rechtsextremen Gratispublikationen mischen sich Propaganda und Regionalthemen. Ein Blick auf Ziele, Methoden und Gefahren. Von fritz habekuSS
Vom Kinderfest zur Todesstrafe: rechte Gratisblätter miscchen Lokales mit Parolen
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ie Grundlage des deutschen Volkes ist die Familie. Kinderschänder verdienen die Todesstrafe und die Bastelstraße auf dem Kinderfest in Ueckermünde ist kostenlos. Das alles erfährt der Leser in der Ausgabe 1/210 des Uecker-RandowBoten, einer kostenlosen Zeitung. Das Blättchen sieht unverdächtig aus, jedenfalls auf den ersten Blick: Zwar mutet die alte Frakturschrift in Verbindung mit der Zeichnung einer idealen Familie auf dem Seitenkopf merkwürdig an, wirklich verdächtig ist aber erst ein Blick ins Impressum. Herausgeber ist die „Initiative für Volksaufklärung“, verantwortlich ein gewisser Tino Müller. Ein paar Minuten Netzrecherche zeigen, dass er für die NPD im Landtag in Schwerin sitzt. Ansonsten weist nicht viel offen auf die inhaltliche Nähe zur Partei hin. Bei genauer Lektüre ist jedoch schnell klar, welche Weltanschauung die Verfasser vertreten. Sie stehen mit ihren Forderungen und Ansichten extrem weit rechts. Zwar sind die rechtsextremen Positionen leicht zu durchschauen, wer aber nicht auf der Hut ist, dem mag die inhaltliche Nähe nicht sofort auffallen. Außerdem lenken die Autoren den Fokus bewusst auf lokale und regionale Themen – rechte Positionen kommen so durch die Hintertür zum Leser.
Bürgerliche Tarnung, rechter Kern „Zeitungen wie der Uecker-RandowBote erscheinen nicht als NPD-Zeitung, sondern unter anderem Label“, erklärt Frank Metzger vom antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin, kurz apabiz. In anderen Teilen der Bundesrepublik gibt es ähnliche Phänomene, etwa in Niedersachsen. Hier verbreiten Rechtsextreme zum Beispiel Schülerzeitungen. Für Michael Neu von
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der Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt Niedersachsen (arug) sind solche Publikationen nicht neu. Er hat beobachtet, dass sie aus verschiedenen Ecken des rechtsextremen Spektrums kommen: Kameradschaften, Parteien oder Bürgerinitiativen gehören zu den Verbreitern. Doch geht das aus den meisten Blättern nicht offen hervor. Das ist Strategie und so von den Hintermännern gewollt. Anstatt ausländerfeindlicher Parolen heben sie regionale Schlagzeilen auf die Titelseite und sprechen so „eine bürgerliche Leserschaft an, die sich selbst nicht mal als rechts bezeichnen würde“, erklärt Michael Neu. Rechtsextreme greifen Probleme aus der Nachbarschaft auf und stoßen dabei auf Interesse – nicht anders arbeitet auch eine Lokalzeitung. Doch im Gegensatz dazu sind die Schuldigen bei den rechten Publikationen schnell gefunden. Zu den typischen Feindbildern gehören die Europäische Union, die Globalisierung, Migration oder der Kapitalismus.
Regional und ohne Konkurrenz In strukturschwachen Gegenden wie Ostvorpommern, wo der Bote erscheint, schwächeln andere Lokalzeitungen sowieso. Sie bekommen die Probleme der Region selbst zu spüren: Die Leser werden älter, Junge ziehen weg, die Abonnentenzahlen gehen kontinuierlich zurück. In diese Lücke stoßen Rechtsextreme-Zeitungen. Sie nutzen die schwachen Lokalzeitungen aus und sind in vielen Haushalten die einzige kostenlose Publikation. Wenn dann noch populistische Themen aufgegriffen werden, sind die Verfasser ihrem Ziel, gelesen zu werden, schon sehr nah. Dabei wird dem Leser das Gefühl vermittelt, etwas Besonderes zu sein. „Be-
Kollage: Florian Hirsch
sonders Personen in Notsituationen sind für diese Form der Wertschätzung recht empfänglich“, sagt Michael Neu von der arug. „Die Texte vermitteln ihnen, dass Andere für ihre schlechte Situation verantwortlich sind. Das mag oberflächlich klingen, ist für die Betroffenen aber oft ein einfacher Weg.“ Die „Anderen“ sind dann wieder Altbekannte: Ausländer, Regierende oder das System im Allgemeinen. Frank Metzger vom antifaschistischen Archiv apabiz befürchtet, dass durch die rechten Gratispublikationen die Positionen der NPD gefestigt würden. Außerdem erhalte die Partei so eine breitere regionale Akzeptanz. Diese Entwicklung sieht auch Michael Neu: „Natürlich gibt es auch die dumpfen Ausländerfeinde in der Partei“, sagt er. Doch in vielen Fällen versuchten die NPD auf subtileren Wegen neue Wähler zu erreichen. Verallgemeinern könne man die Strategien allerdings nicht. So trete die Partei in Mecklenburg-Vorpommern anders auf als etwa in Berlin. Während sie sich in der Hauptstadt keine Mühe geben würden, nicht als Nazis aufzutreten, versuchen sie im Norden regional verankert und bürgerlich zu agieren.
Immer dabei - Vom Kinderfest zur Hartz-IV-Beratung Ob sie damit auch in der kommenden Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern Erfolg haben werden, wird sich schon im September zeigen. Doch Experten befürchten, dass die Rechtsextremen dann zum zweiten Mal in Folge in den Landtag einziehen – ob die Zeitungen einen Anteil daran haben, ist schwer zu sagen. Doch die Taktik ist nicht die Schlechteste, das gibt auch Michael Neu zu: „Die Strategie ist – das muss man leider sagen – gar nicht so blöd.“
Um festzustellen, wie die Zeitungen politische Botschaften mit bürgernahen Themen vermischen, reicht ein Blick ins Inhaltsverzeichnis aus. Auf Seite drei eines Uecker-Randow-Boten steht ein Bericht eines Kinderfestes, eine Seite weiter wird über die Eröffnung eines NPD-Bürgerbüros geschrieben. Das ist eine weitere Taktik, mit der die Rechtsextremen auf Stimmenfang gehen: Ihre Kommunal- und Regional-Politiker können die Menschen über Hotlines direkt erreichen. In den so genannten Bürgerbüros beraten Parteimitglieder potentielle Wähler bei Fragen zu Hartz-IV. Ständig vor Ort, nah an den Menschen und ein Kämpfer für die Schwachen gegen die Bösen der Gesellschaft, so zeigt sich die Partei in Mecklenburg-Vorpommern gerne. Die kostenlosen Zeitungen sind in diesem Zuge ein weiteres Element, um das Image zu pflegen und auszubauen.
Bloggen gegen rechte Boten Gegen diese subtile Form der Öffentlichkeitsarbeit hilft Aufklärung. So gibt es etwa in Greifswald einen Blog, der seine Leser informiert und mit Aufklebern an Briefkästen gegen die Verbreitung vorgehen will. Auch die Lokalausgabe der Ostseezeitung hat die Problematik aufgegriffen. Die Situation ist ernst. Während noch auf der Straße die rechten Plakate mit Nichtbeachtung Bestraft werden, landet die vermeintliche Lokalzeitung auf dem Frühstückstisch. Ideologie frei Haus. Wissen ist dabei das einzige Mittel gegen die windigen Herausgeber - auch wenn die Verlockung der Gratiszeitung noch so stark ist. Denn wie es immer heißt: Kostenlos gibt es nichts. Bezahlt wird mit Meinung.
Auf der rechten Seite tut sich was. Aber was?
Die typischen „Nazis“ kennt man doch: sie tragen Springerstiefel, haben eine Glatze, schreien judenfeindliche Parolen und sind eigentlich ziemlich dumm. Denkst du wirklich? Denn es tut sich was. Das gängige Bild der Rechten ist längst überholt. Von anita Schedler
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tell dir vor, du bist kurz vor deinem 18. Geburtstag und möchtest endlich deinen Führerschein machen. Doch der einzige örtliche Fahrlehrer ist Mitglied im Bundesvorstand der NPD. Steigst du ein? Die neue Strategie der rechten Szene ist nicht mehr eine offensichtliche „Haudrauf“-Politik, sondern eine schleichende, unbemerkte Unterwanderung der Gesellschaft. Sie kleiden sich konservativer und
Ein Beispiel ist Uwe Leichsenring, der örtliche Fahrlehrer in Königsstein. 1990 trat er in die NPD ein und gewann im Laufe der Jahre immer mehr an Einfluss, vor allem auf kommunaler Ebene. Besonders seine Tätigkeit als selbstständiger Fahrlehrer ermöglichte es ihm, junge, oft noch unentschlossene Jugendliche für seine Partei und deren Themen zu gewinnen. Er trat immer konservativ geklei-
Rechte Zugehörigkeit, ganz ohne Bomberjacke
nehmen einflussreiche Positionen ein, in denen sie unterschwellig Mitglieder gewinnen und ihre Ideologie verbreiten können.
Adrett gekleidet, bürgernah und gebildet – das neue rechte Image Experten sprechen von einer „kulturellen Subversion“, das heißt, wichtige Ämter demokratischer Organisationen werden mit Rechtsgesinnten besetzt. Bekannte Lieder und Slogans werden umgetextet und mit rechten Parolen gespickt. Das geschieht so unauffällig, dass viele davon gar nichts mitbekommen.
Foto: Otto Belina
det auf, zog öffentlich Werte wie Zucht und Ordnung der Gewalt vor und war im Ort als erfolgreicher Unternehmer angesehen. Lars Rischke schrieb 2006 im Tagesspiegel: „Während sich Leichsenring auf den Marktplätzen zurückhielt, zeigte er im Parlament seine wahre Gesinnung. So sorgte er nach dem Einzug der rechtsextremen NPD in den sächsischen Landtag Ende 2004 wegen rassistischer und antisemitischer Entgleisungen immer wieder für Empörung.“ 2006 kam Leichsenring bei einem schweren Autounfall ums Leben. Diese Linie zieht sich weiter fort, indem sich Rechtsextreme in der Öffentlichkeit adrett kleiden und vor allem – immer
Frauen werden immer aggressiver, schreien auf Demos lauthals Parolen und halten selbst menschenfeindliche Reden. Sie werben als der „nette“ Teil der rechten Szene auf Wahlplakaten, sind gebildeter und versuchen ebenfalls durch einflussreiche Berufe die Gesellschaft zu unterwandern. Der weibliche Part der Rechtsradikalen wurde von der Öffentlichkeit lange unterschätzt und ist so unbemerkt immer radikaler, aggressiver und kampfbereiter geworden. Frauen stoßen in bisherige „Männerdomänen“ vor. Doch früher oder später bleibt ihnen trotzdem nur die Rolle der „Erhalterin der Rasse“. Da nützt auch die „Emanzipation“ nichts. „Dorfgemeinschaft Jamel. Andrea Röpke, Diplom-Politologin und Frei, sozial, national“ freie Journalistin, beschreibt die Zweischneidigkeit des Frauenbildes so: „EiDie rechte Szene ist immer besser nerseits geben sie sich kämpferisch, sind vernetzt und wird wirtschaftlich unab- auch Teil der fanatischen Kampfgemeinhängiger. Ein Schachzug ist die gezielte schaft und dieser ‚Volksgemeinschaft’, Ansiedlung. Vor gut zehn Jahren began- wie sie das nennen. Andererseits sind sie nen Rechtsextreme sich in dem kleinen aber diejenigen, die ganz selbstverständOrt Jamel in Mecklenburg-Vorpommern lich dieses biologistische Weltbild der niederzulassen. Sie versuchten, nicht- ‚deutschen Mutter‘ annehmen.“ rechtsgesinnte Anwohner mit makaberen Aktionen zu vertreiben. Aufgeschlitzte Kinder – die heranwachsenReifen waren da noch harmlos. Viele de Elite der Neonazis der Bewohner sind gegangen, nur weViele rechtsextreme Frauen haben nige wehren sich. Sie versuchen, mit Konzerten gegen Rechtsextreme im Dorf die NS-Ideale in der Erziehung für sich vorzugehen. Aber bei einem Großteil angenommen. Fünf, sechs Kinder sind an rechten Einwohnern ist es das nicht keine Seltenheit. Großfamilien à la Goebimmer einfach. Viele rechte Bewohner bels werden als „Erhaltung der Rasse“ besonders hoch geschätzt. Kinder wachJamels versorgen sich mit ihren eigenen Höfen selbst, können ungestört agieren. sen oft in Parallelwelten auf und werden Völlig unter sich hissen sie auch unge- von Beginn an nach „völkischen Idealen“ aufgezogen. Es werden abgelegene Siedniert die Reichskriegsflagge. So etwas passiert nicht nur in Jamel, lungen errichtet, in denen die rechtsextremen Familien unter sich sind und so sondern auch in vielen anderen Ecken ungestört ihre Art der Erziehung ausleben Deutschlands. können. Diese Kinder erfahren selten etwas anderes als ihre rechte Lebensweise, Rollenverteilung im Wanaußenstehende Menschen sind für sie del „Feinde“. Viele dieser Familien verhalten Auch die Rollenverteilung in der sich unauffällig. So haben die Behörden rechtsextremen Szene hat sich verändert. oft keine Möglichkeit, die Kinder aus Der Mann sieht sich immer noch als ag- ihrem rechtsextremen Umfeld herauszugressiver, kampfbereiter Anführer. Als der, holen. Keine Chance für das Jugendamt der in der Partei die Ämter innehat. Er ist – und für die Kinder oft auch nicht. der Chef. Im Beruf wie auch in der Familie. Die Rolle der Frau hingegen ist sehr zweischneidig und hat sich verändert. Bisher sollte sie allein als Mutter, VersorAnita Schedler gerin und Erzieherin die „Rasse“ erhalten 20 Jahre, Augsburg und möglichst viele Kinder bekommen. Sie war oft nur die Frau der Parteikamegeht jetzt erstmal für raden, dem Mann untergeordnet. Emanziein Jahr nach Paris und möchte danach Modepation und Selbstbestimmung werden in journalismus studieren. der rechten Szene verachtet und so blieb der Frau lange Zeit nur Heim und Herd. Doch auch hier setzt der Wandel ein. Die öfter sehr gebildet sind. Sie haben Abitur, sie studieren und sind neben der Parteiarbeit oft Anwälte oder Lehrer. So können sie die eigenen „Kameraden“ bei Gericht und auch im Vorfeld von geplanten Aktionen optimal beraten. Einer weiteren Gefahr sehen sich Schulen gegenüber. Die Bundeszentrale für politische Bildung berichtet vom „Problemfall Kinder rechtsextremer Familien“: Wenn der Nachwuchs in die Schulen kommt, drängen manche Eltern in die Elternvertretungen. Dadurch können sie Einfluss auf die gesamte Schule ausüben.
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Rechtsextremismus 2.0
Sie nennen es Weltnetz und haben es längst für ihre Propaganda entdeckt. Neonazis tummeln sich zuhauf im Internet. Vor allem ihre Beteiligung in sozialen Netzwerken ist rasant gestiegen. Von Jennifer Töpperwein
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echtsextreme haben den Trend erkannt. Eigene Internetseiten sind nicht mehr angesagt, Blogs sind jetzt in. Der Weg führt zum Web 2.0. Das ist komfortabel, kostet weniger als Flyer, Broschüren, Plakate und Zeitschriften, erreicht mehr Leute und bietet Platz für Kommentare – und die menschenverachtenden Parolen. Selbst auf Nachrichtenseiten großer Tageszeitungen diskutieren sie mit. Die eigenen Nachrichten produzieren sie auf Blogs. Rechtsextreme Online-Radios und Communities vervollständigen die Online-Parallelwelt. 93 rechtsextreme Communities waren es 2010, hat Jugendschutz.net herausgefunden. Das Portal setzt sich für Jugendschutz im Internet ein und wird unter anderem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt. Die eigenen Medien sind wichtig für den internen Austausch und die geheime Verbreitung von Informationen. Aber die Szene hat erkannt: Sie müssen bei Facebook und Co sein, um schnell Videos, Fotos und Meinungen zu verbreiten und damit auch neue Leute zu erreichen. Über die Strategie der extrem rechten User wissen Experten wenig. Allerdings hat die „Deutsche Stimme“, eine Zeitschrift, die von der Partei NPD herausgegeben wird, im vergangenen Jahr einen Artikel zur „NPD in der virtuellen Welt“ veröffentlicht. Dieser gibt eine Art Anleitung: NPD-Anhänger sollten sich bei Facebook anmelden, aber nicht als NPDKader, sondern als Privatperson. Im Profil sollten sie möglichst viel eintragen und über Privates berichten. Sie sollten sich als offene Menschen präsentieren, aktiv auf andere User zugehen, ihnen etwas Nettes auf die Pinnwand schreiben und viel persönlich kommentieren. Die Politik sollte zuerst in den Hintergrund treten. Zunächst zählen neue Kontakte.
Propaganda beim Feind Widersprüche halten sie nicht davon ab. Facebook ist bei Neonazis als „Gesichtsbuch“ oder „Jewbook“ bekannt. Schließlich ist der Gründer des soziales Netzwerks, Mark Zuckerberg, ein amerikanischer Jude, der erfolgreich ist und somit das klassische Feindbild der rechtsextremen Szene darstellt. Doch der Nutzen der Plattform ist zu groß. „Facebook ist eine der wichtigsten Plattformen für Rechtsextreme“, weiß Joachim Wolf von der Amadeu-Antonio-Stiftung, der das Diskussionsforum bei netz-gegen-nazis. de moderiert. „Dort können sie sich im Profil besonders gut, deutlich und öffentlich präsentieren.“ Neonazis seien aber in allen sozialen Netzwerken aktiv. Die Zahl von rechtsextremen Beiträgen im Web 2.0 ist gestiegen. Das besagt
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eine Studie von Jugendschutz.net, die im Juli 2011 veröffentlicht wurde. Die Studie zeigt außerdem: Die extrem rechten Botschaften sind nicht immer leicht zu erkennen. Was steckt hinter dem Video zum Kindesmissbrauch? Was will der Eintrag zur Arbeitslosigkeit tatsächlich erreichen? Solche sozialen und emotionalen Themen nutzen Neonazis häufig für ihre rassistische Propaganda, weiß Stefan Glaser, Leiter des Bereichs Rechtsextremismus bei Jugendschutz.net. Vor allem das Thema Kindesmissbrauch instrumentalisieren die Rechtsextremen. „Das Video ‚Wir hassen Kinderschänder‘ erreichte bei YouTube bislang knapp 900.000 Klicks“, sagt Glaser. „Das zeigt, dass die Strategie aufgeht.“ Auch Jugendszenen sind in Gefahr, benutzt zu werden. Neonazis versuchten laut Glaser Jugendkulturen wie den Hip-Hop zu unterwandern.
Mehr neonazi-Beiträge Wenn sich Rechtsextremismus mit anderen Themen und Szenen mischt, ist es meist schwierig, das menschenverachtende Gedankengut herauszulesen. Profile von Neonazis bei Facebook sind deswegen oft nicht direkt als solche zu erkennen. Das ist gefährlich, zumal Rechtsextreme ihre Präsenz im Internet verstärkt haben. Etwa 6000 einschlägige Beiträge hat jugendschutz.net im Jahr 2010 im Web 2.0 dokumentiert, besagt die Studie des Portals. Das sind drei Mal so viele wie im Vorjahr. Aus den Beiträgen können die Experten die Zielgruppe schnell herauslesen: „Neonazis werben in sozialen Netzwerken, auf Videoportalen und Blogs gezielt um Jugendliche“, erklärt Glaser. Vor allem „Autonome Nationalisten“ köderten mit modernen und professionellen Angeboten, auf denen sie Action, Kommunikation und Multimedia böten. Jugendliche kommen online schnell an Propaganda der Ultrarechten: Sprühschablonen, Material zu Kinderarmut und Kindesmissbrauch, Konzerttickets, Aufrufe zu Flashmobs, Hakenkreuzfahnen, Schlagstöcke, Wehrmachtsvideos, CDs speziell für Schüler. Einige Projekte nehmen Kinderlieder mit antisemitischen und rassistischen Texten auf – für Kinder von drei bis acht Jahren. Die Musikstücke gibt es natürlich auch auf YouTube und werden in den anderen sozialen Netzwerken fleißig verlinkt.
User gegen Rechts Diese Entwicklung erschreckt Thomas Krüger. Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung fordert mehr
soziale Verantwortung der Netzgemeinde. „Wir brauchen User, die unsere grundlegenden Werte verteidigen und Neonazis konsequent in die Schranken weisen“, sagt Krüger. Diese Internetnutzer gibt es. Sie gründen antifaschistische Gruppen bei StudiVZ, weisen rechtsextreme Kommentatoren bei Twitter zurecht, klären bei Facebook über „Todesstrafe für Kinderschänder“ auf und weisen den Betreiber von MySpace auf rassistische Inhalte hin.
dafür, dass ein Profil einem Ultrarechten gehört“, sagt Wolf vom Netz gegen Nazis. „Jugendliche sollten sich die Fotos genau angucken, den Musikgeschmack und die Freundesliste. Das zusammen gibt einen guten Überblick.“ Außerdem sollten Jugendliche Verfasser menschenverachtender Hetze in ihre Schranken weisen. Der Jugendschutz.net-Experte Glaser rät: „Argumente liefern, widerlegen und sich positionieren.“
Netzwerke gegen Nazis Im vergangenen Jahr haben sich viele dieser Portale gemeinsam klar positioniert. Das Portal netz-gegen-nazis. de der Amadeu-Antonio-Stiftung hat im Oktober 2010 zur Aktionswoche „Soziale Netzwerke gegen Nazis“ aufgerufen. 37 Netzwerke wie SchülerVZ, StudiVZ, YouTube und Spin.de haben in diesem Zeitraum teilgenommen, bis heute sind es 66. Dass die Aktion nach einer Woche nicht beendet wurde, zeigt, wie viel Gesprächsbedarf die Internetnutzer haben. In Gruppen riefen die Veranstalter zur Diskussion auf. Allein die Gruppe bei wer-kennt-wen. de hatte in der Oktober-Woche knapp 195.000 Mitglieder, mittlerweile mehr als 400.000. Sie überlegten, wie sie mit Pro-Sarrazin-Gruppen umgehen sollen, wie Nazis heute auftreten und vor allem: was sie selbst tun können. Der große Austausch ist ein Erfolg der Aktionswoche. Ein anderer Erfolg ist, dass die Seitenbetreiber ihr Hausrecht auf den Plattformen mittlerweile konsequenter umsetzen und häufiger gemeldete Beiträge oder Profile löschen.
Aktiv werden Viele Jugendliche haben in den Gruppen mitdiskutiert. Sie sind besonders häufig von rechtsextremer Werbung betroffen. Jeder vierte Internet-Nutzer im Alter von zwölf bis 19 Jahren hat nach eigenen Angaben im Internet schon rechtsextreme Angebote gesehen. Das hat die Studie zu „Jugend, Information und (Multi-)Media“ (kurz: JIM-Studie) 2010 herausgefunden. Was sollten Jugendliche tun, wenn sie auf rechtsextreme Netzinhalte stoßen? Auf keinen Fall weggucken, rät Jugendschutz.net-Experte Glaser. „Jugendliche können uns die Inhalte melden“, sagt er. „Und sie können den Betreiber der Plattformen direkt informieren.“ Dafür müssen sich User aber wachsam durch das Internet bewegen. Wer sich über typische Symbole aus der rechten Szene informiert, ist schon mal gut vorbereitet, sollte allerdings auch unverdächtige Websites und Userprofile genau anschauen. „Es gibt versteckte Anzeichen
INformati on Viele Blogs und Websites klären über rechtsextreme Aktivitäten im Netz auf und dokumentieren ihr Vorgehen. www.npd-blog.info – Dokumentation über die NPD und menschenfeindliche Einstellungen www.netz-gegen-nazis.de – Portal der Amadeu-Antonio-Stiftung mit Nachrichten und Diskussionsforum www.no-nazi.net – Ableger vom Netz gegen Nazis, das soziale Netzwerke nach Nazi-Aktivitäten durchsucht www.stoerungsmelder.org – Seite bei Zeit Online auf der Jugendliche ihre Erfahrungen mit Neonazis aufschreiben können www.info-rechtsextremismus.de – Tipps für Journalisten bei der Berichterstattung www.hass-im-netz.info – Seite von jugendschutz.net, sammelt Fakten und gibt Verhaltenstipps www.gesichtzeigen.de – Verein, der Menschen ermutigt, aktiv gegen Rechtsextremismus zu arbeiten, und auf derartige Kampagnen hinweist. www.kein-bock-auf-nazis.de – Praktische Tipps (Wie organisiert man ein Konzert gegen Nazis?) und eine Zeitung für Schüler zum Download
Jennifer Töpperwein 27 Jahre, Düsseldorf Jennifer leitet das Düsseldorfer Jugendportal www.youpod.de und hat als freie Journalistin für verschiedene Medien gearbeitet.
Wie werde ich Neonazi in drei Tagen?
Hurra, ich habe es geschafft. Ich bin angekommen in der rechtsextremen Online-Szene. Und das hat gar nicht lange gedauert. In nur drei Tagen bin ich mit Prolls, NPD-Politikern und Neonazis befreundet, richtig dicke, bei Facebook. Von Jennifer Töpperwein
Foto: Jonas Fischer
Im „Weltnetz“ tummeln sich Extremisten ganz bürgernah
Der Selbstversuch fing am Mittwoch ganz harmlos an: mit einer gefälschten E-Mail-Adresse. Ein typisch deutscher Name, Karl, kombiniert mit der 28, dem Zahlencode für die verbotene neonazistische Organisation „Blood and Honour“, und schon war meine neue digitale Identität bereit für Facebook. Doch wie fängt man da an? Ich kenne keine Rechtsextremen, nur die bekannten Namen vom Hören. Ok, ich klicke erst mal auf die Klassiker: NPD gefällt mir. Im Profil ist mein Großvater als angeblicher ehemaliger NS-Soldat mein Vorbild. Meine Philosophie: national natürlich. Das Lieblingszitat wird „Jedem das Seine“, der Spruch, der makabererweise auf dem Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald prangte. Ich bin Fan der ultrarechten Liedermacherin Karin Mundt und – Klischee muss sein – der Böhsen Onkelz. Meine Aktivitäten: Sommerlager mit Kameraden. Zu viel Klischee? Glauben die In-
ternet-Nazis mein Profil? Facebook hilft mir zum Glück und bietet mir schon jetzt viele neue Freunde an, an denen ich mich testen kann. Einen Proll frage ich als erstes nach seiner Freundschaft. Erst mal klein anfangen. Dann kommt eine NPDPolitikerin dran. Die sagt bestimmt ja, denke ich mir. Unterdessen bestätigt der Proll meine Anfrage. Er haut auf seinem Profil lediglich Stammtischsprüche raus, ist nicht der rechtsextremen Szene zuzuordnen, hat aber anscheinend kein Problem, Karl mit seiner eindeutigen Seite zu seinen Online-Freunden zu zählen. Wenigstens wirkte ich jetzt ein wenig glaubhafter – zumal auch die NPDFrau mittlerweile meine Anfrage bestätigt hat. Jetzt traue ich mich an die ganzen Germanias, Stürme und Fronten ran, die mir von dem sozialen Netzwerk vorgeschlagen werden. Die lassen sich Zeit. Erst am Donnerstagmorgen, als ich mich mit voller Erwartung einlogge, habe ich fünf neue
Freunde. Auch ein Aktivist, der die Todesstrafe für Kinderschänder fordert, ist dabei. Jetzt kann es richtig losgehen. Ich melde mich noch schnell bei ein paar weiteren Gruppen an, die sich das Thema Kinderschänder auf die Fahnen geschrieben haben. In einer treffe ich auf 1052 Gleichgesinnte. Da war doch noch etwas. Richtig: Ich muss mich noch schnell bei einer Pro-Sarrazin-Gruppe anmelden. „Sarrazin statt Muezzin!“ klingt nach mir. Ein Klick – schon dabei. Es läuft. Ich suche keine weiteren Freunde mehr. Zehn Anfragen habe ich raus geschickt, sieben wurden bestätigt. Das reicht für meine kleine Studie. Interessant ist es schon jetzt. Klaus freut sich online nur über die Sonne, Andie kommentiert und grüßt zum Schluss: „gruSS“. Kleine Anspielungen auf die Gesinnung gibt es bei allen Themen. Aber meine neuen Freunde gehen auch offener mit ihrer Einstellung um:
Gerd schickt mit das Video „Deutschland gegen Kinderschänder“. Jan lässt mich an dem NPD-Wahlkampf für Berlin teilhaben. Ich selbst werde nicht aktiv. kommentiere nicht, schreibe nichts, beobachte nur still. Am Freitag, dem letzten Tag der kleinen Recherche, bekomme ich meinen achten Freund. Etwas zu spät. Ich lese, dass er einen Tag zuvor Ian Stuart gedacht hat. Der Brite war Sänger der neonazistischen Rockband Skrewdriver und gründete das Netzwerk „Blood and Honour“. Ich bin jetzt also auf dem Laufenden, lerne neue Codes und Symbole kennen, bekomme einen Eindruck davon, wie Rechtsextreme vernetzt sind. Das reicht mir. Ich beende mein Experiment und lösche Karl. Was wohl möglich wäre, wenn ich länger digitaler Nazi wäre.
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Zur p e r s on Andrea Röpke, geboren 1965, ist Politologin und freie Journalistin. Seit Anfang der 1990er Jahre ist sie als Fachjournalistin für Rechtsextremismus unterwegs. Für ihre Insider-Recherchen wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Ihre Reportagen wurden im Fernsehmagazin Panorama, Spiegel, Fakt, Focus, Stern und in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht. Zudem ist sie als Autorin für die Zeitschrift „Der Rechte Rand“ und die Bundeszentrale für politische Bildung tätig. Foto: Jonas Fischer
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» Rechtsextremismus ist ein Quotenkiller« GEGEN DEN MEDIALEN HYPE
wer gegen rechte schreibt, muss darauf gefasst sein, angegriffen und bedroht zu werden. viele journalisten schreckt das ab. andrea röpke ist keine dieser journalisten. anoja perinpanathon
Frau Röpke, steht eigentlich ihr Name an der Türklingel?
Haben Sie selbst auch schon einmal jemanden angezeigt?
Nein, als Vorsichtsmaßnahme habe ich ihn nicht hingeschrieben.
Ja, der Anführer der Heimattreuen Deutschen Jugend hat mich in einem Supermarkt niedergeschlagen und wurde daraufhin wegen Körperverletzung rechtskräftig verurteilt. Dadurch habe ich auch einmal die Opferperspektive miterlebt. Das Gefühl, „seinem Schläger“ vor Gericht gegenüberzusitzen, ist keine schöne Sache. Aber noch prägender war für mich, dass mir niemand geholfen hat. Mein Kollege und ich wurden am helllichten Tag angegriffen, wir hatten ein geheimes Nazi-Treffen gefilmt und flüchteten in einen Supermarkt. Es war ein Samstag, gegen 10 Uhr morgens. In Brandenburg. Das Geschäft war voller Leute. Da habe ich gemerkt: man kann sich vor allem auf die Kollegen verlassen. Von Polizisten oder Umherstehenden kann man oft keine Hilfe erwarten. Die sind damit überfordert. Das ist erschreckend.
Anders als bei vielen Berufen begleitet Ihr Job Sie immer. Wie gehen Sie mit der Bedrohung und den Eingriffen in Ihre Privatsphäre um? Man muss sich immer wieder mit der Familie und den Freunden austauschen, ob die Belastungen noch okay sind. Dazu braucht man viel Zeit und auch gute soziale Kontakte, um das Ganze zu kompensieren. Wenn bei uns zuhause wieder einmal Reifen zerstochen werden oder ich Drohbriefe bekomme, dann kann ich das nicht alleine tragen. Da müssen wir gemeinsam dahinterstehen.
Wie weit geht diese Bedrohung? Üble Drohungen im Internet gibt es ständig. Es gibt Seiten und Listen, die versuchen, Journalisten und engagierte Menschen einzuschüchtern. Dadurch, dass das Internet so anonym ist, ist das natürlich einfach für die Rechtsextremen, die toben sich da richtig aus. Meine Kollegen haben auch alle mit diesen Drohungen zu leben. Ein Kollege aus Bayern wurde vor den Augen der Polizei von Neonazis zusammengeschlagen. Ein anderer hat sich sogar eine feuerfeste Haustür einbauen lassen und sein ganzes Haus vergittert. Aber ich versuche, so normal wie möglich zu leben. Jeder geht auf seine Art damit um. Persönliche Drohbriefe bekomme ich auch mehrmals im Jahr, ich erstatte Anzeige gegen Unbekannt und das war es dann meistens.
Abgesehen von Drohungen – was erschwert die Arbeit noch? Unser ganzer Kollegenkreis ist massiv unter juristischem Beschuss. Die rechte Szene verfügt über rund 100 eigene Anwälte, die machen mit, wenn uns hanebüchene Sachen unterstellt werden wie: Aufruf zur Gewalt, Beleidigung, Beschimpfung und so weiter. Wir werden mit Ermittlungsverfahren bombardiert. Zum Glück sind die Ermittlungen gegen mich bisher alle eingestellt worden. Aber solche Verfahren gehen einem natürlich unter die Haut und lähmen die Arbeit.
Und wozu wurde der Angreifer verurteilt? Der Angriff war 2006 und das Urteil ist erst seit einigen Monaten rechtskräftig. Der Täter hat noch nichts bezahlt. Mir haben auch schon dreimal Nazis die Kamera beschädigt. Dafür habe ich noch keinen Pfennig Entschädigung erhalten. Aber ich habe schon einige Unterlassungsklagen gegen die NPD durchgebracht; beispielsweise dürfen sie nicht mehr behaupten, ich würde „schwarze Listen für militante Linke“ zusammen stellen. Ich wehre mich.
Wieso haben Sie sich dann damals entschieden mit Ihrem Gesicht und Ihrem Namen an die Öffentlichkeit zu gehen? Das war einerseits eine Schutzmaßnahme, die ich ergriffen hatte, auch nachdem ich im Supermarkt niedergeschlagen wurde. Wenn ich den Schutz der Medien nicht hätte, würde vielleicht noch mehr passieren. Das sehe ich an Kollegen, die diesen Schutz nicht genießen. Andererseits wurde ich immer häufiger zu den eigenen Recherchen und Reportagen interviewt, da musste ich irgendwann zu stehen.
Hat Ihre Bekanntheit auch Nachteile? Die Entscheidung, ob man an die Öffentlichkeit geht oder nicht, sollte man sich gut überlegen. Es ist auch ein-
schränkend, wenn man so bekannt ist. Bei der Recherche habe ich oft größere Probleme. An viele Veranstaltungen und Informationen komme ich gar nicht mehr ran, weil ich oft gleich erkannt werde. Was erwarten Sie sich von Polizei und Behörden? Die Polizei und die Behörden, zum Beispiel die Jugendämter, sollten ihre Mitarbeiter besser über Erscheinungsformen, Professionalisierung und Strategien der modernen Neonazis aufklären. Gerade junge Bereitschaftspolizisten scheinen bei ihren Einsätzen häufig zu wenig informiert und wissen nicht, mit wem sie es zu tun haben. Dadurch können sie auch nicht einschätzen, wie gewaltbereit die Szene ist. Aber ich glaube, dass die Polizei an manchen Stellen dieses Problem inzwischen selbst erkannt hat.
Trotz all der Gefahren und Hindernisse arbeiten Sie schon seit Jahrzehnten zum Thema Rechtsextremismus. Warum ist Ihnen das so wichtig? Das Thema wird von der Gesellschaft und den Medien viel zu sehr ausgeblendet. Ich habe einen Hang zu sozialen Themen, die in den Medien zu schwach dargestellt werden. Gesellschaftskritische Themen sind oft unpopuläre Themen. Darum ist es ganz wichtig, dass wir Fachjournalisten uns nicht mit dem Mainstream treiben lassen, sondern den Mut haben, uns gegen den medialen Hype zu stellen. Es geht vor allem um die Nachhaltigkeit. Dazu gehört es, zwölf Monate im Jahr auch daran zu erinnern, dass es das Thema Rassismus und Menschenverachtung in der Gesellschaft noch gibt. Beim Fernsehen heißt es manchmal lapidar: „Rechtsextremismus ist ein Quotenkiller. Da schalten die Leute weg.“ Und trotzdem müssen wir es immer wieder versuchen, Missstände anzuprangern. Wir dürfen uns nicht erst dann damit beschäftigen, wenn es zu extremen Ereignissen wie zum Beispiel den Anschlägen in Norwegen kommt.
Anoja Perinpanathon 18 Jahre, Aachen Anoja ist Schülerin der Gustav-Heinemann-Gesamtschule und engagiert sich in der Schülerzeitung und in der Jugendredaktion der Aachner Zeitung
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Man versinkt schnell im braunen Sumpf
Sie freute sich auf die dörfliche Idylle. Doch ihr Wunsch nach neuen Freunden riss sie tief hinein, in eine grausame Parallelwelt. Dies ist die Geschichte von Miriam, basierend auf einer wahren Begebenheit. Von Melanie Bumann
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u bist HSV-Fan oder?“, frage ich und zeige auf Janniks blaues Shirt, auf dem eine Bierflasche mit HSV-Symbol abgebildet ist und im Hintergrund eine Bordüre mit der Aufschrift „achtzehn“ prangert. Er blickt mich erstaunt an, anscheinend rechnete er nicht damit, dass ich ihn ansprechen würde. Doch schließlich antwortet er: „Ehm… ja! HSV ist mein Verein, der einzig Wahre“. Es war meine erste Begegnung mit Jannik, der mich tief in eine schreckliche Szene zog. Denn ich erfuhr erst später, dass „achtzehn“ für Adolf Hitler steht.
Falsche Hoffnungen Letzten Winter zog ich von Berlin direkt aufs Land. Meine Eltern glaubten, dass die Großstadt zu gefährlich geworden sei und ein kleines Dorf uns eine friedliche Idylle bieten könnte. Doch was ich dort erlebte, war alles andere als friedlich. Meine größte Angst am Anfang war, keinen Anschluss zu finden. Das war auch mein größter Fehler.
Der erste Eindruck zählt Man merkte meiner neuen Klasse rasch an, dass sie voreingenommen gegenüber Stadtkindern war. Nur von einem nahm ich hin und wieder einen Blick oder Lächeln wahr. Ich kann nicht genau sagen wieso, aber schon am ersten Tag war ich von ihm fasziniert, sein Name war Jannik. Besonders im Geschichtsunterricht war er anders als die anderen. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der sich so angetan mit der deutschen Geschichte beschäftige wie er. So war ich auch sehr froh, als meine Lehrerin sagte, dass Jannik im selben Dorf wohnte wie ich und mir den Heimweg zeigen könne. Nach Schulschluss folgte ich ihm auf Schritt und Tritt. Auch wenn er so tat, als würde ich nicht existieren, bemerkte ich, dass er beim Umsteigen auf mich wartete. Auf dem Weg zum Bus näherten wir uns einem kleinen, farbigen Mädchen. Janniks Reaktion ließ mich erschaudern. Seine Rockmusik, die ich zuvor nur leise aus den Kopfhörern wahrgenommen hatte, wurde lauter und lauter. Schließlich konnte ich den schrecklichen Text verstehen: „Auf Kameraden zum Gruß die Hand –wir lassen uns nicht unterkriegen von Zecken und den Parasiten“. Ich war total perplex. Ich schubste Jannik an und fragte, wieso er eine
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solche Musik höre und das Mädchen so einschüchtern müsse. Seine Antwort war eisig: „Ach erstens hat sie eh nichts verstanden. Und zweitens: wenn doch, merkt sie jedenfalls früh genug, dass sie hier nicht hergehört!“ Aus Jannik sprudelte es plötzlich nur so heraus. Wie im Wahn zählte er Argumente auf, wie die Ausländer der deutschen Gesellschaft schadeten und auch, wie meine Familie oder ich unter ihnen litten. Es passierte etwas, worauf ich nicht gefasst war. Ich spürte ein starkes Interesse für Janniks Einstellung. Lag das daran, dass ich im Begriff war, Anschluss zu finden? Nicht nur. Ich erschrak. Ich zeigte Jannik mein Interesse für seine Musik und er erzählte voller Begeisterung über seine Lieblingsband: „Landser“. Deren Leadsänger Michael Regner war 2001 für über drei Jahre ins Gefängnis gekommen, weil ihm unter anderem Bildung einer kriminellen Vereinigung zur Last gelegt worden war. Seine Inhaftierung war nach vielen Jahren auch das Ende für „Landser“, trübte aber nie Regners Kultstatur. Nach seiner Freilassung gründete er eine neue Band: „Die Lunikoff Verschwörung“. Doch Jannik erklärte mir, dass sich ein Konzert nicht mehr lohne, da bei jedem Auftritt Personenkontrollen stattfänden. „Das ist einfach zu nervig“, sagte er. Aber bei den mittlerweile 152 Bands, die auf dem rechtsextremen Index stehen, gebe es noch genug Konzerte, die nicht unter Polizeikontrolle stünden, berichtet Jannik.
Ein wahrer FuSSballverein Kurze Zeit später lud er mich zum Fußballgucken ein und ich sagte sofort zu. Dabei bin ich nun wirklich kein Fußballfan. Als ich bei Jannik ankam, begrüßte ich ihn mit einem freundlichen „Hi“. Er funkelte mich an und erwiderte: „Sag das nächste Mal ,Hallo’ oder ,Guten Tag’. ,Hi’ ist die Sprache des Feindes. Man muss die deutsche Sprachkultur doch aufrecht erhalten.“ An diesem Tag lernte ich nicht nur Janniks Vorliebe für die deutsche Sprache, sondern auch seine Freunde aus dem Dorf kennen. Alle schienen vom HSV begeistert und sangen vor dem Spiel schon einmal lauthals die üblichen Fanlieder. Doch plötzlich schaltete Jannik die Musik seines Computers an und es dröhnte aus den Lautsprechern: „Deutschland
dein Trikot das ist schwarz und weiß, doch leider auch die Farbe deiner Spieler“.
Kleidung zieht an Schon bald sah ich Jannik und seinen Freundeskreis wieder. Das Dorf ist klein, ich war froh, hier Leute kennen gelernt zu haben. Beim nächsten Treffen verwunderte mich vor allem die Kleidung meiner neuen Bekannten. Teilweise trugen sie Palistinensertücher oder Anstecker mit einer schwarz-roten Flagge. Zeichen, die ich nur von links eingestellten Personen kannte. Doch klärte mich Jannik gleich auf: „Wir versuchen uns so zu kleiden, dass wir Interesse wecken. Dass klappt besonders bei Leuten in unserem Alter. Von diesen Linken kann man uns erst unterscheiden, wenn man uns nahe ist. Das schafft Kontakt. Auch bei Demonstrationen ist es von Vorteil, erst spät erkannt zu werden.” Ich lernte: Rechte wandeln oft die typischen Symbole um und deuten sie nach ihrer eigenen Ideologie.
Gut vernetzt Später am Abend klickte ich mich durch die Facebook-Seite von Janniks Freunden und nahm dessen Profil als völlig normal wahr. Es war nichts mehr komisch daran, dass deren Freundlisten den Namen „Kameraden“ hatten oder typische rechte Symbol-Buttons auf den Profilbildern klebten, wie zum Beispiel ein Eisenkreuz. Dies war meine neue Welt, in der ich Anschluss fand und mich wortwörtlich am rechten Platz sah. Schließlich sah ich Janniks Statusnachricht: „Ich HASSE Kompromisse und ich HASSE Dich, es gibt zu viel von deiner Sorte und das gefällt mir nicht!!!!!“ Wen er meinte? Egal. Ich war mittlerweile so unverfroren und drückte, ohne lange zu überlegen, auf den Gefällt-mir Button. Was mir gefiel: Ich gehörte zur Gruppe.
Nichts wie raus Doch das alles ist nun zwei Jahre her. Die Deutschlandfahnen wehen immer noch durchs Dorf. Jedes Jahr wird auch weiterhin zu Hitlers Geburtstag ein Festlauf unternommen. Nur ich sitze ganz alleine zuhause. Ob ich es bereue? Nein, ich bin froh, mich
aus dem braunen Sumpf gerettet zu haben. Denn ich habe gemerkt, dass man seiner Überzeugung treu bleiben muss. Lieber alleine als in schlechter Gesellschaft.
i nformati on Wie Jugendliche in die rechte Szene geraten – und wieder herausfinden können Obwohl Politik jeden etwas angeht, engagieren sich nur die wenigsten Jugendlichen in diesem Bereich. Es gibt zwar viele verschiedene Jugendgruppen von Parteien, doch keine sind so beliebt, wie die von rechtsextremen Gruppierungen. Die Mehrheit aller in der Politik aktiven Jugendlichen fühlt sich der rechten Szene zugehörig. Diese Entwicklung ist mehr als nur erschreckend. Miriam ist kein Einzelbeispiel. Jugendliche fühlen sich aus unterschiedlichen, nicht immer politischen Gründen, von der rechten Szene angezogen. Gruppenzwang, Unwissen und die Angst, plötzlich ganz alleine dazustehen, können eine Rolle spielen. Aber es gibt Auswege. Die Alternativen lauten nicht: entweder mitdemonstrieren oder alleine zuhause rumsitzen. Es gibt viele, die gegen Rechtsextremismus vorgehen wollen. Oft wissen sie nur nicht, wie. Vergesst also nicht, dass ihr nicht auf euch allein gestellt seid. Zuerst kann man versuchen, Aktionen mit der Schülervertretung zu planen und sich mit anderen Schulen zu vernetzen. Auch Eltern, Lehrer oder sogar die Stadtverwaltung können oft helfen. Tipps und Hilfe findet ihr unter anderem hier: www.schule-ohne-rassismus.org www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/ beratungsstellen-fuer-opfer-rechtsextremer-und-rassistischer-gewalt
Melanie Bumann 18 Jahre, SchleswigHolstein geht in die 13. Klasse der Richard-Hallmann Gemeinschaftsschule und baute dort die Schülerzeitung auf.
Foto: Otto Belina
Gefestigte Strukturen: Neonazis am Rande eines Rechtsrock-Konzerts
FruchtflEisch Wie nehmen Sie Rechtsextremismus in den Medien wahr? „Aufstieg“
„Abwesend“ Fotos: Anna Lang
„Thematisieren“
Margot von Metzen, 64 Jahre Angestellte „In der deutschen Presse wird Rechtsradikalismus zu wenig behandelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist es leider immer noch ein Thema.“
Fabio Carrass, 19 Jahre Schüler „In den Medien habe ich zuletzt viel mehr den Linksextremismus wahrgenommen.“
Mehmet Ahmi, 45 Jahre arbeitslos „Rechtsradikalismus? Ich kriege davon kaum etwas mit. Auch nicht in den Medien.“
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Schlag aufSchlag am Stammtisch
Ob in Eckkneipen oder auf Familienfesten. Früher oder später haut sie immer jemand raus, die Stammtischparolen. Oft widerspricht keiner. Doch rechtspopulistisches Geplänkel ist kein Scherz, es hat einen gefährlichen Beigeschmack. Da diese Parolen aber eh nicht stimen, kannst du dich leicht zur Wehr setzen. Hier ein paar Vorschläge:
Die Ausländer sind ja alle sozialschmarotzende Harz IV-Empfänger!
Mit der D-Mark war alles besser
Wieso sollten wir auch eine Währung wollen, mit der man auch in anderen europäischen Ländern problemlos zahlen kann? Im Schwarzwald ist es eh am Schönsten, wer will schon Urlaub in Italien machen? Wir könnten die paar Euros, die uns noch geblieben sind, einfach den Ausländern mitgeben, als Wegegeld sozusagen. Und sie dann hinauswerfen.
Weißt du, warum sich viele im deutschen Arbeitsmarkt schwer tun, trotz hoher Bildung? Weil ihre Abschlüsse oft nicht anerkannt werden und weil sie aufgrund ihres Namens – obwohl sie fachlich genauso gut qualifiziert sind – schlechtere Chancen haben. Merkst du was? Leute wie du mit deinen rassistischen Ansichten sind schuld!
Echt? Erst nehmen sie euch die Arbeitsplätze weg und jetzt auch noch die Plätze im Gefängnis! Und beides horten sie dann gleichzeitig - wirklich gemein!
Alle Ausländer sind kriminell!
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Foto: pontchen/photocase.com
Weißt du, warum Juden nicht dieselben Gene haben können? Sie sind eine Religionsgemeinschaft, kein Volk. Und selbst Völker haben keine „gleichen“ Gene, sie unterscheiden sich nur minimal von den Genen anderer Völker auf der Erde. Außerdem gibt Sarrazin in seinem Buch selbst zu, dass es sich bei seinen „Muslime-werdenin-Deutschland-die-Machtübernehmen-Rechnung“ nur um Modellrechnungen und nicht um ernstzunehmende Prognosen handelt.
Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg!
Thilo Sarrazin hat doch Recht! Stimmt nicht, es gibt genug freie Stellen. Fachkräftemangel lautet das Stichwort. Du musst nur zum Arbeitsamt gehen. Vielleicht geben sie dir dort sogar einen Arbeitsplatz, der von einem Ausländer geschaffen wurde! So sind zum Beispiel viele Türken in Deutschland erfolgreiche Unternehmer, die jedes Jahr Milliarden erwirtschaften und unter den ungefähr 160 000 Arbeitnehmern viele, viele Deutsche beschäftigen.
Wir sind doch nur die, die laut aussprechen, was viele denken!
Man sieht es ja an den Wahlen, dass ihr laut aussprecht, was viele denken! 2009 wählten nur 1,5 Prozent die NPD: das heißt, ihr fallt unter den Überbegriff „Sonstige“. Damit gibt es in Deutschland weniger NPD-Wähler als Computerspiel-Süchtige.
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Politische Einstellung: InKorreKt
Politically Incorrect ist eines der gröSSten deutschen Internetblogs. Täglich klicken sich über 50.000 Besucher durch die Seiten und schreiben Kommentare. Die Blogger von PI schreiben jedoch nicht über Lifestyle oder Mode. Sie veröffentlichen Artikel mit rechtspopulistischen und islamfeindlichen Inhalten. Von Franziska baur
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or sieben Jahren startete der Sportlehrer Stefan Herre im Alleingang den Blog. Heute schreiben zahlreiche Autoren für PI-News. Die Nachfrage ist schnell gestiegen. Vorwiegend erscheinen rechtspopulistische Beiträge, mit einer auffällig anti-islamischen Einstellung. Die Hauptthesen des Blogs sind: In Deutschland vollzieht sich eine schleichende Islamisierung, die von der Öffentlichkeit nicht in ihrem bedrohlichen Ausmaß erkannt wird; Europa wird von einer Welle der Überfremdung überrollt; die kommerziellen Medien verzerren absichtlich die Realität und behandeln Themen, die mit Migranten und dem Islam zusammenhängen, nicht ausführlich genug. Der Blog spricht in seinen Leitlinien von schweren Menschenrechtsverletzungen in Deutschland, die „aufgrund der Befolgung islamischer Gesetze und Ethik“ zustande kommen. Sie konstruieren ein diffuses Bedrohungsszenario - und machen dafür pauschal den Islam und seine Glaubensanhänger verantwortlich.
Politische Korrektheit, nein danke! Dies ist die Grundüberzeugung der PI-Blogger. Sie sind der Ansicht, dass die kommerziellen Medien über gewisse Themen „nicht angemessen“ berichten. Angeblich, um öffentliche Debatten zu beschwichtigen oder ganz abzuwürgen. Laut PI veröffentlichen die kommerziellen Medien nur Artikel, die „politisch korrekt“ sind. Die PI-Leitlinien richten sich explizit dagegen. Sie setzen sich gegen „die politische Korrektheit und das Gutmenschentum“ ein, das ihrer Ansicht nach „heute überall die Medien“ dominiert. Der Name des Blogs kann daher als Statement verstanden werden, das lautet: Wir lassen uns den Mund nicht verbieten, wir sprechen die Probleme unserer Gesellschaft offen an, auch wenn es denen da oben nicht passt! Mit dieser Einstellung sehen sich die PI-Blogger im Kampf gegen Zensur und stilisieren sich selbst zu heroischen Kämpfern, die für Meinungsfreiheit eintreten.
Problemquelle Multikulturalismus PI macht besonders den sogenannten Multikulturalismus für gesellschaftliche Probleme verantwortlich. Wer für Vielfalt ist, ist ein naiver Gutmensch. Diese würden die Realität ausblenden und ihre Augen vor Problemen verschließen.
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Frank Furter will nicht zu den naiven Gutmenschen gehören. Auf PI schreibt er über Menschen mit Migrationshintergrund: „Sie wurden als Söhne und Töchter von Einwanderern geboren, (…) ohne Fähigkeiten, ohne Ausbildung, ohne Nutzen für den hiesigen Arbeitsmarkt.“ Dieses Zitat zeigt, mit welch einer Verachtung und Aggressivität PI seine Meinung im Netz vertritt. Mit pauschalen Urteilen, oft aber auch mit polemischer Sprache oder satirischer Übertreibung machen die Autoren Stimmung gegen demokratische Strukturen und Einwanderer.
Kein Verbot wegen proisraelischer Haltung 2008 versuchte der sozialdemokratische Politiker Sebastian Edathy eine Beobachtung des PI-Blogs durch den Verfassungsschutz durchzusetzen. Im Gespräch mit Spiegel Online sagte Edathy: „Das ist nicht mehr grenzwertig, da ist eine Grenze überschritten.“ Trotz der fremdenfeindlichen Äußerungen auf PINews hatte Edathys Aufforderung keinen Erfolg. Die Begründung: PI bezeichnet sich selbst als pro-amerikanisch und proisraelisch und bekennt sich zum deutschen Grundgesetz. Daher kann PI kein Verfassungsverstoß vorgeworfen werden. Auch Volksverhetzung - worauf ein Verbot folgen könnte - wirft der Verfassungsschutz PI nicht vor. Denn Muslime sind keine Volksgemeinschaft, sondern eine Religionsgemeinschaft. Daher ist eine anti-islamische Haltung keine Volksverhetzung. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch klar, dass es Politically Incorrect nicht um eine sachliche Religionskritik geht. Auf ihrem Blog schreiben die Autoren: „Wir sehen den Islam in erster Linie nicht als eine Religion, sondern als ein Gesellschaftssystem, das sich religiös legitimiert.“ Yasemin Shooman vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin bezeichnet die angebliche Religionskritik von PI als Tarnungsstrategie, um sich gegen den Vorwurf des Rassismus zu schützen. Mit Stereotypen konstruiert PI ein Feindbild. Den Islam. Damit bedient sich das Blog den gleichen Mechanismen, die auch Rassisten verwenden, um einzelne Gruppierungen auszuschließen.
Zurücksehnen nach etwas, was es nie gab Rechtsradikale sehnen sich oft nach etwas „zurück“, zum Beispiel nach ei-
ner Gesellschaft ohne Ausländer. Die hat es jedoch so nie gegeben. Völker haben schon immer mit anderen Völkern zusammengelebt. Die rechtsradikale Vorstellung von Vergangenheit entbehrt damit jeder historischen Grundlage. Auch die Rechtspopulisten bei PI betreiben diese Art der Vergangenheitsverklärung, wenn sie sich zurück sehnen an eine Zeit, bevor Migranten nach Europa kamen.
Rechtspopulistisches Gesamtpaket Die Werbung auf dem PI-Blog unterstreicht die fremdenfeindliche und rechtspopulistische Einstellung der Betreiber. Angefangen bei Werbehinweisen auf Veranstaltungen des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders, über einen Aufruf mit einem Nein gegen den EU-Beitritt der Türkei zu stimmen, bis hin zu Anzeigen für die rechtspopulistische Bürgerbewegung Pax Europa – auf dem PI-Blog lassen sich durch die Bank Beispiele für rechtspopulistisches Gedankengut finden. Um die Ansichten und Weltanschauungen auch außerhalb von Artikeln zu veröffentlichen, hat PI einen eigenen „Fanshop“. Hier werden unter anderem TShirts, Kaffeetassen, Jacken oder Taschen mit rechtspopulistischen Sprüchen und Symbolen angeboten. So erhält PI mit seinen Ansichten auch Einzug ins Alltagsleben vieler Leser.
Hohe Beteiligung Leser des Blogs werden auch zum Mitmachen animiert. Sie sollen sich selbst einbringen, Medien-Meldungen weiterleiten oder selbst Kommentare schreiben. Mit dieser Aufforderung und dem Angebot, selbst auf PI veröffentlichen zu können, schafft PI Nähe zu seinen Usern. Das Resultat ist: unter den Artikeln stehen oft über hundert oder sogar zweihundert Leserkommentare, in denen viele ihrer Unzufriedenheit mit der politischen und gesellschaftlichen Situation Luft machen. Dabei fallen nicht selten Beschimpfungen, die auf Migranten und Andersdenkende abzielen. Auch die vielen Regionalgruppen von PI, die sich in den letzten Jahren gebildet haben, spiegeln ein hohes Engagement der PI-Community wieder. 2011 haben sich bereits über 50 Gruppen über das ganze Bundesgebiet verteilt – und auch in Tschechien, der Schweiz und in Österreich haben sich bereits Gruppen gebildet. Zum Vergleich: Im März 2010 zählt
die Süddeutsche Zeitung in Deutschland 38 PI-Gruppen. Vor allem in Westdeutschland und insbesondere in Nordrhein-Westfahlen lässt sich eine große Anzahl von PI Gruppen feststellen. Sie organisieren Demonstrationen gegen islamische Einrichtungen, Infostände und treffen sich am Stammtisch. In ostdeutschen Städten haben sich bisher vergleichsweise wenig Gruppen zusammengeschlossen. Wahrscheinlich liegt dieser West-OstUnterschied unter anderem auch daran, dass der Gründer des Blogs aus der Nähe von Köln stammt. Die Kölner PI-Gruppe ist mit Veranstaltungen und regelmäßigen Treffen die aktivste der Regionalgruppen.
Gemischtes Publikum Neben den rechtspopulistischen Äußerungen auf PI-News lassen sich auch Artikel zu gesellschaftlichen Themen finden, mit denen die Blogger eine breite Bevölkerungsgruppe ansprechen. Einem Artikel der Süddeutschen Zeitung zufolge bezeichnen sich manche Nutzer selbst als konservativ – sie wählen CDU oder FDP. Der Blog greift die vagen Ängste dieser Wählerschaft auf und bietet leicht verständliche Antworten an. So gewinnen sie die Zustimmung von einem wachsenden Bevölkerungsanteil. Ein einheitliches Porträt des typischen Users gibt es nicht. Ein Trend, der sich im gesamten rechtspopulistischen Spektrum abzeichnet, ist: Sie haben immer mehr Akademiker in ihren Reihen. Auch Blog-Gründer Stefan Herre hat studiert und ist nun Mitglied bei der rechten Partei die Freiheit. Wo diese Art der politischen Stimmungsmache hinführt, bliebt offen. Denn eine Plattform, die von einer wachsenden Bevölkerungsgruppe Zustimmung erfährt, kann nicht ignoriert werden. Die Entwicklungen stimmen bedenklich.
Franzika Baur 26 Jahre, Erlangen studiert derzeit den Journalismusmaster „MedienEthik-Religion“. Zuvor hat sie Politikwissenschaften (Bachelor) in Erlangen und Wien studiert.
» Politically Incorrect wird immer populärer« Rechtsverkehr
AlDer Netzenthusiast Johannes Baldauf forscht im Internet nach den Wegen der Rechten und klärt über deren Strategien auf. von franziska baur
Johannes Baldauf ist Fachreferent beim Berliner „Netzgegen-Nazis“ und arbeitet aktiv gegen die Verbreitung von rechtsextremem Gedankengut. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt auf Rechtspopulismus im Internet. In einem Gespräch mit politikorange erklärt er seine Einschätzung des islamfeindlichen und rechtspopulistischen Internetblogs „Politically Incorrect” (PI).
Blog mit einer pro-israelischen und pro-amerikanischen Haltung kombiniert werden. Dieses Nebeneinanderstellen sehe ich als gefährliche Verbindung. Zunächst scheinen sich diese Einstellungen ja auszuschließen. Diese pro-israelische und pro-amerikanische Haltung ist aber der Grund dafür, dass der Verfassungsschutz PI nicht auf dem Schirm hat.
Herr Baldauf, wie sind Sie das erste Mal auf den Blog von Politically Incorrect gestoSSen?
Was unterscheidet PI von anderen rechtspopulistischen und islamfeindlichen Blogs beziehungsweise Internetseiten?
Mir ist der Blog zunächst durch seine pro-israelische Berichterstattung aufgefallen. Aus heutiger Sicht scheint das vielleicht erstaunlich, aber zu Beginn war der Blog eher durch seine Zustimmung zu Israel populär geworden - und nicht etwa für seine islamfeindlichen Aussagen. Das hat sich aber in den vergangenen Jahren deutlich geändert. Heute dominieren eher fremdenfeindliche und anti-muslimische Inhalte.
Worin sehen Sie die Gefahr bei einem Blog wie Politically Incorrect? Zum einen nimmt PI eine extrem islamfeindliche Haltung ein; das allein halte ich für sehr bedenklich. Dann kommt aber noch hinzu, dass rassistische Aussagen im
PI ist kein rechtsextremes, sondern ein rechtspopulistisches Portal. In den Reihen der PI-Autoren lassen sich eigentlich keine harten Vordenker der rechtsextremen Szene finden. PI ist eher wie ein Sammelbecken mit vielen Themen, die eine breitere Gesellschaftsschicht ansprechen. Sie müssen gar nicht so krass sein, um Erfolg zu haben. Zudem sind sie gut vernetz – in Deutschland, aber auch im Ausland.
Zieht PI eine Leserschaft aus dem neonazistischen Spektrum an? Nein, das würde ich nicht so sagen. Die PI Leser sind keine Nazis. Ich würde sie eher als „rechtsoffen“ be-
schreiben. Sie betreiben rechtspopulistische Propaganda, mit der sie die besorgten Bürger aus der Mitte der Gesellschaft ansprechen. Mit ihren Artikel und Beiträgen streuen und verstärken sie eine vage Angst gegen eine Überfremdung in Deutschland. Vor allem nach den Anschlägen am 11. September 2001 ist diese Angst gewachsen. Sie fußt vor allem auf einer Dämonisierung des Islam. Die Äußerungen von Thilo Sarrazin im vergangen Jahr haben diese Stimmung wieder befeuert.
Gibt es eine Art Erfolgstrend von PI? PI wird immer populärer. Das ist ganz deutlich zu beobachten. Allerdings ist es schwer zu sagen, ob es dafür eine Art Initialzündung gab. Das Gedankengut von PI findet heute wesentlich mehr Akzeptanz in der Bevölkerung als noch vor zehn Jahren.
Wie schätzen sie die Haltung des Verfassungsschutzes ein, die PI nicht als verfassungswidrig einstuft. Wird sich diese Haltung ändern? Das wäre sehr wünschenswert. Aber ich glaube nicht, dass sich die Einschätzung des Verfassungsschutzes in absehbarer Zeit ändern wird. Dazu bezieht sich PI zu sehr auf die Mitte der Gesellschaft.
FruchtflEisch Wie nehmen Sie Rechtsextremismus in den Medien wahr? „Nervfaktor“
„Wegwerfen“ Fotos: Anna Lang
„Unverfolgt“
Virginie Henzen, 22 Jahre studiert Modejournalismus „Jegliche Form von Rechtsextremismus ist schlimm. Ich will nichts damit zu tun haben und verfolge es daher auch nicht in den Medien“
Pierre Strobbe, 29 Jahre Einzelhandelskaufmann „Ich lese so etwas, aber ich kann damit nichts anfangen. In meiner gegend hängen sehr viele rechtsextremistische Plakate. Das nervt!“
Kriemhilde Haagen, 55 Jahre Einzelhandelskauffrau „Ich habe Werbung einer rechten Organisation aus dem Briefkasten gefischt.und sofort weggeworfen. Davon will ich nichts wissen.“
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Europas Anti-Europäer
Rechtspopulistische Parteien erhielten in den vergangenen Monaten in vielen EULändern die meisten Wählerstimmen seit dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Vorsitzenden polarisieren durch extreme Parolen. Diese sind nicht nur gegen Minderheiten, sondern oft auch gegen ein geeintes Europa gerichtet. Von alisa fluhrer
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chon einmal etwas von Geert Wilders gehört? Wahrscheinlich. Der rechtspopulistische Blondschopf aus den Niederlanden lächelt regelmäßig von den Titelseiten großer deutscher Tageszeitungen. Dem Politiker der Partij voor de Vrijheid scheint es geradezu ein Genuss zu sein, seine provozierenden Thesen in sämtlichen europäischen Printmedien wiederzufinden. Wilders streitet gerne. Und wie könnte er Konflikte besser zur Eskalation treiben, als mit Aussagen wie der, den Koran verbieten zu wollen? Zuwider ist ihm die Konsensdemokratie der ewig nach Kompromissen suchenden Politiker Den Haags. Einer dieser Politiker ist
der rechtsliberale Mark Rutte. Der Name Rutte sagt dir nichts? Keine Sorge, du bist kein Einzelfall. Vielen Europäern ist der Name des niederländischen Regierungschefs nicht bekannt. Was allerdings sehr wohl ein Grund zur Sorge sein sollte: Dieser Umstand beweist, dass Rechtspopulisten wie Wilders mit ihren Strategien erfolgreich sind. Ihre überdurchschnittliche Medienpräsenz lässt sie bedeutender erscheinen, als sie es tatsächlich sind. Man spricht über sie und vor allem über das, was sie zu sagen haben – und das über die Grenzen ihrer Heimatländer hinaus. Und genau das tun wir jetzt auch. Hier stellen wir euch Europas Europa-
feinde vor. Warum? Sind diese Politiker nicht schon in genug anderen Medien vertreten? Tatsächlich wurde Geert Wilders von diversen deutschen Zeitungen interviewt: unter anderem von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und vom Spiegel. Und Mark Rutte? Den findet man auch, im Spiegel-Archiv. Geert Wilders erwähnt ihn in seinem Interview. Oppositionspolitiker müssen sich nicht mit lästigen Details wie Finanzierbarkeit oder konkreten Zeitplänen herumärgern. Deswegen können sie sich manchmal radikaler und bestimmter äußern als Regierende. Konsensdemokratie ist pragmatisch, aber
langweilig. Doch Populisten sind nicht nur feurige Oppositionelle, ihre Strategie geht noch weiter. Rechtspopulisten werden in Europa immer einflussreicher. Diese Ansicht wird wahrscheinlich von sensationsgierigen Redakteuren verstärkt, die gerne provozierende Parolen abdrucken. Und dadurch vielleicht auch mitverschuldet. Wir stellen sie euch trotzdem vor, die Populisten Europas. Aber nicht nur ihre Ansichten und ihre Machtposition. Sondern ihre Taktik, den Populismus. Wer ihn durchschaut, durchschaut auch die Politiker, die ihn benutzen.
Was ist Rechtspopulismus?
Populisten wehren sich gegen das herrschende System. Ihre Gegner sind vielfältig: mal sind es Muslime, mal die Europäische Union, mal Flüchtlinge. Und trotzdem haben Rechtspopulisten etwas gemeinsam. Sie verbreiten Angst und griffige Parolen. Von alisa fluhrer
P
opulismus ist keine Erscheinung der jüngsten Vergangenheit. Tatsächlich stammt der Begriff von der Populist Party, die 1892 in den USA gegründet wurde. Die Partei ging aus den Bauernrevolten hervor und setzte sich besonders für die Interessen der Farmer des mittleren Westens und damit gegen die der kapitalistischen Eliten ein. Bisher konnten Wissenschaftler und Medienmacher sich nicht einigen, ob es sich bei Populismus um eine Ideologie oder lediglich um einen rhetorischen Stil in der Politik handelt.
Stil oder Ideologie? Rechtspopulistischen Ideen haftet ein zwiespältiges Gleichheitsverständnis an. Einerseits wird das Volk dazu aufgefordert, sich gegen das herrschende Establishment zu verbünden. Andererseits findet eine scharfe Abgrenzung gegenüber anderen Volksgruppen und Kulturkreisen statt. In Westeuropa wird der Begriff erst seit den 1980er Jahren verwendet, ist aber überwiegend negativ assoziiert. Charakteristisch für populistische Parteien in der
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Europäischen Union ist die Art und Weise ihres Auftretens und nicht unbedingt ihrer Programme. Weltbild, Wertesystem und Ziele unterscheiden sich oft grundlegend. Gemeinsam bleibt ihnen aber allen, dass sie die Ängste und Notlagen bestimmter Bevölkerungsschichten nutzen, um gegen eine andere Bevölkerungsgruppe zu mobilisieren.
Eine Welt lösbarer Probleme Einfach gehaltene politische Parolen brennen sich in unser Gedächtnis wie Werbesprüche aus dem Fernsehen. Probleme scheinen eindeutig zu sein, ebenso wie ihre Lösungen. Politiker wie Wilders erheben für sich den Anspruch, Defizite in der Gesellschaft anzusprechen und zu benennen, von denen andere lieber die Finger lassen. Dabei malen Rechtspopulisten zumeist nur mit Schwarz und Weiß, die Ursache des Missstandes scheint klar und muss angegangen werden. Auch das Wie können sie beantworten. Die Welt der Rechtspopulisten scheint eine Welt
lösbarer Probleme zu sein.
Populismus ist nicht zwangsläufig rechts Betrachtet man Populismus als politischen Stil gibt es rechten und linken Populismus. Auf inhaltlicher Ebene bilden die beiden einen Gegensatz: Linke wie rechte Populisten wollen sich gegen Herrschende auflehnen. Jedoch unterscheiden Linke nur aufgrund sozialer Ungleichheiten und nicht nach Hautfarbe, Religion oder Kultur. Linkspopulisten sind nicht ausländerfeindlich oder rassistisch. Die meisten der europäischen Populisten, wie die Französin Marine Le Pen, sind allerdings Vertreter einer rechten Weltanschauung. So glauben einige der europäischen Populisten, dass der Islam der christlichen Kultur unterlegen ist.
„Menschenhass auf eine neue Gruppe projiziert“ Rechtspopulisten Zweifel daran, dass
lassen keinen sie Angehörige
bestimmter Ethnien als minderwertig erachten. Sie distanzieren sich von Antisemiten, Nationalsozialisten und gewaltbereiten Radikalen. Doch auch Rechtspopulisten benutzen Muster der Ausgrenzung. Für Wilders sind gläubige Muslime die Feinde, Sarrazin wettert gegen Sozialleistungsempfänger mit Migrationshintergrund. Die neuen Rechten geben sich oft pro-israelisch und amerikafreundlich. „Aber“, so bringt es der Zeit-Journalist Johannes Radke auf den Punkt, „Menschenhass bleibt Menschenhass, hier ist das gleiche Phänomen auf eine andere Gruppe projiziert“.
Alisa Fluhrer 21 Jahre, Bamberg studiert seit einem Jahr Liberal Arts in den Niederlanden.
Timo Soini
Pia Kjærsgaard Fotos: Brandsen
Fotos: Jan Leineberg
Fotos: Sebastiaan ter Burg
Geert Wilders
Soinis Wahre Finnen erhielten 19 Prozent der Stimmen bei den letzten Parlamentswahlen im April. An der neuen finnischen Regierung sind sie allerdings nicht beteiligt. Im Wahlkampf begeisterte Soini vor allem mit Kritik an der EU. Der ehemalige Europaabgeordnete spricht sich außerdem gegen weitere Zuwanderung, Abtreibung und die Homo-Ehe aus.
Kjærsgaard ist Mitbegründerin und derzeitige Vorsitzende der Dänischen Volkspartei. Schwerpunkt ihrer Politik ist die Hetze gegen Multikulturalismus und Einwanderung. Im Jahr 2000 stimmte die EUKritikerin gegen die Einführung des Euros. Bei den Europawahlen erhielt ihre Partei 15,3 Prozent der Wählerstimmen.
Heinz-Christian Strache
Marine Le Pen
Umberto Bossi
Fotos: Dieter Zirnig
Fotos: Front National
Bei der Parlamentswahl im Juni 2010 wählte rund jeder sechste Niederländer die rechtspopulistische Partei für die Freiheit (PVV). Die Partei, dessen einziges Mitglied Wilders selbst ist, duldet die Minderheitenregierung aus Rechtsliberalen und Christdemokraten. Wilders bezeichnet den Islam als eine totalitäre und gewalttätige Ideologie und will den Handlungsspielraum der EU einschränken.
Le Pen ist die Parteichefin der ultrarechten französischen Front National. Die Anwältin ist seit 2004 Mitglied des Europäischen Parlaments. Sie kündigte an, bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr zu kandidieren. Umfragen sagten ihr dafür bereits 23 Prozent der Wählerstimmen voraus, womit sie vor Staatspräsident Nicolas Sarkozy läge. Im Falle eines Sieges würde Le Pen mit Frankreich aus der NATO austreten und den Euro wieder abschaffen.
Bossi ist Vorsitzender der drittstärksten politischen Kraft in Italien: der norditalienischen Regionalpartei Lega Nord. Seit 2008 ist er zum zweiten Mal in der Regierung Berlusconis. Der Politiker nutzt die Ängste der Italiener in seinen Hetzen gegen Immigranten gezielt aus. Außerdem schimpft er gegen die EU und den ärmeren Süden Italiens.
Nigel Farage
Viktor Orbán
Jimmie Åkesson
„Ich möchte, dass sie alle gefeuert werden!“, verkündete der Brite im Europäischen Parlament. Der Vorsitzende der United Kingdom Independence Party fordert einen Austritt Großbritanniens aus der EU. Anti-Islam-Politik ist im Königreich zwar wenig beliebt - dafür aber kann Farage mit der Ablehnung Europas und seiner Institutionen punkten. Bei den letzten Europawahlen gewann der EU-Hasser auf diese Weise 16 Prozent der Stimmen.
Der Ungar ist Vorsitzender der Partei Fidesz – Ungarischer Bürgerbund - und seit Mai 2010 Ministerpräsident. Im vergangenen Halbjahr bereitete die EU-Ratspräsidentschaft des Rechtspopulisten vielen Bauchschmerzen. Er setzte eine neue Verfassung durch, die das Parlament erheblich schwächt und schränkte das Pressegesetzt massiv ein. Mit einer Zwei-DrittelMehrheit verabschiedete seine Partei in Ungarn eine neue Verfassung die das Parlament erheblich schwächt.
Fotos: kinomaniac/photocase.com
Fotos: Euro Realist Newsletter
Fotos: Herve Cortinat
Der Vorsitzende der österreichischen Freiheitlichen (FPÖ) provoziert besonders mit Hasstiraden gegen EU und Islam. In Umfragen schafft es die FPÖ regelmäßig, die Sozialdemokraten auf den zweiten Platz zu verdrängen. Es scheint auch nicht mehr ausgeschlossen, dass der 41-jährige Ultrarechte Kanzler werden könnte.
Mit 5,7 Prozent zogen Åkessons Schwedendemokraten im Jahr 2010 erstmals in das schwedische Parlament ein. Die Rechtspopulisten haben wegen eines Patts zwischen Mitte-Rechts-Regierung und linker Opposition großen Einfluss im Reichstag.
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Von wegen Döner macht schöner
Immer mehr von diesen Ausländern kommen in unser deutsches Land und erschweren uns allen unser Leben. Ohne ausländische Produkte wäre unser Land viel schöner. Ein satirischer Ausblick von Anoja Perinpanathan Von anoja perinpanathan
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ndlich greift mal einer durch. Endlich zeigt mal jemand diesen blöden Ausländern ihre Grenzen auf. Massimo Bitonci weiß, was zu tun ist. Der Bürgermeister der norditalienischen Kleinstadt Cittadella hat gerade eine bedeutende Schlacht gewonnen, für den Erhalt nationaler Traditionen: In Cittadellas Innenstadt ist nun der Döner-Kebab verboten. Offizielle Begründung: der Döner stinke. Stimmt! Natürlich kommt auch noch dazu, dass diese Dönerverkäufer mit total miesen und lügnerischen Parolen für sich werben. Döner macht schöner? Von wegen! Statt mit Pizza oder Kaffee den neuesten Streifen aus Hollywood zu schauen, sollten wir lieber alle Ausländer vertreiben. Die NPD hat schon einen Plan erstellt, wie man in fünf Schritten alle Ausländer in deren Heimatländer zurückführen kann. Und wenn wir dann endlich unsere Ruhe haben, machen wir uns einen leckeren Bohneneintopf und gucken „Schwarzwaldmädel“. Da das viel interessanter als diese ausländischen Filme ist, brauchen wir dazu auch keinen Kaffee. Den abendlichen Wodka sparen wir uns auch. Wenn alle Ausländer wieder zurück in ihren Ländern sind, können wir auch
endlich unsere Schrebergärten vergrößern und dort Müllberge anlegen, mit allen ausländischen Produkten, die eh keiner braucht: Laptops, Handys, Reiseführer fürs Ausland und so weiter und so weiter. Aber keine Angst, wenn dieser Müllberg so groß wird, dass er den ganzen Schrebergarten einnimmt. Gegen den Schrecken helfen ein paar entspannte Urlaubstage auf dem Land. Da kann man bequem mit dem deutschen Auto hinfahren. Bei vielen Autos müsste man die Reifen allerdings abnehmen. Aber das macht ja gar nichts, schließlich müssen wir von nun an gar nicht mehr ins weit entfernte Spanien, sondern haben die schöne Uckermark direkt vor der Haustür. Ohne Ausländer und deren Produkte wäre alles wirklich viel besser. Wer braucht schon Vielfalt, wenn es auch Einfalt gibt? Nur eins wäre wirklich schade: Die armen Rechtsextremen hätten dann leider gar nichts mehr zum Anziehen. Denn eine ihre liebsten Kleidermarken, Thor Steinar, wurde von einem Araber gekauft. Wer deutsch sein will muss frieren!
Italien macht es vor: Den Döner in die Tonne treten
Foto: Pro Deutschland
FruchtflEisch Wie nehmen Sie Rechtsextremismus in den Medien wahr? „Aufklärung“
„Ausbaufähig“ Fotos: Anna Lang
„Uninteressant“
Gerd Nessler, 57 Jahre Hartz IV - Empfänger „Ich bin gegen Gewalt und interessiere mich auch generell nicht für Politik. Deshalb sehe ich mir sowas auch nicht an.“
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Christian Schlegel, 44 Jahre Selbstständiger „In letzter Zeit höre ich im Zusammenhang mit Rechtsextremismus häufig von Überfällen. Aufklärung wird dabei nicht genug geleistet.“
Malica Christ, 19 Jahre Schülerin „Es wird zu wenig darüber berichtet und nicht genug aufgeklärt. Das muss besser werden.“
Debat t e
Im rechten Licht oder nicht?
rechtsextreme sind eine Gefahr für die Gellschaft und müssen thematisiert werden. Dazu gehören sie auch vor die Kamera, meint Fritz HabekuSS - damit die Zuschauer die Mechanismen durchschauen können. Anna Lang findet das gefährlich: Im Interview können Rechte ihre menschenverachtende Hetze loswerden, Journalisten dürfen ihnen keine Plattform bieten. Eine Gegenüberstellung. Von Fritz habekuSS und anna lang
PRO
Niemand will sie sehen, niemand will sie reden hören. Und trotzdem: Rechte sollen vor Kameras und Mikrofonen sprechen dürfen. Was heißt dürfen – sie müssen! Wer solch ein verqueres Weltbild hat, wird sich von allein seiner Menschenverachtung und seinem Populismus entlarven. Journalisten müssen ihren Zuschauern zutrauen, die Maschen zu durchschauen. Schließlich kommen diese auch im Alltag mit rechter Propaganda in Berührung – warum sollten Medien so tun, als gäbe es die Wirrköpfe nicht? Auf keinen Fall darf dürfen Rechtsextreme und Rechtspopulisten jedoch unkommentiert und unvorbereitet auf die Zuschauer gelassen werden. Journalisten müssen das Gesagte einordnen. Dazu gehören auch gut ausgebildete und vorbereitete Journalisten – denn gefährlich ist es allemal, Rechte vor die Kamera zu bitten. Reporter oder Moderatoren müssen die Tricks kennen und wissen, wie man ihnen begegnet. Sonst geschieht es tatsächlich, dass Kameras und Mikrofone der Sender zu Sprachrohren von Ultrarechten werden. Außerdem haben Journalisten die Aufgabe alle politischen Akteure zu Wort kommen zu lassen. Dazu gehören – leider – auch Rechtsextreme. Es wäre schön, wenn es nicht so wäre. Doch aussuchen können es sich Journalisten nicht – schließlich sind Parteien und Politiker vom Volk gewählt worden. Das zu ignorieren, ist ein Fehler. Denn es ist ein Problem, das thematisiert werden muss. Aber bitte nur von Journalisten, die gut recherchiert haben und auch gegen rhetorisch gut Geschulte argumentieren können. Denn Rechte wissen oft nur zu genau, die Verunsicherung im Umgang mit ihnen zu nutzen. Beispiele dafür gibt es einige. Ich erinnere mich an eine Runde, bei der ein NPD-Mann vor dem MDR-Mikrofon
schnell seine menschenverachtenden Parolen aufgesagt hat. Die Reporterin war sichtlich hilflos. Ein gelungenes Beispiel zeigt die Sendung extra3 des NDR, die der NDP mit Satire begegnet. Die Drag Queen Olivia Jones hält als Reporterin böse blickenden NPD-Männern das Mikro unter die Nase und fragt einfach drauflos. Die Gefragten können auf die naiven Fragen kaum reagieren, wirken verloren und alles andere als clever. Niemand würde der NPD zugestehen, diesen Beitrag für die eigene Propaganda ausschlachten zu können. Doch Satire ist nur ein Weg um extremen Rechten zu begegnen – eine wirkliche Auseinandersetzung muss anders aussehen. Das ist nicht einfach, denn das Grundproblem in der Diskussion bleibt bestehen: Rassisten müssen nicht als Gesprächspartner akzeptiert werden. Doch anscheinend sehen viele Menschen das anders – so viele, dass Ultrarechte in Regional- und Kommunal-Parlamente in Deutschland einziehen. Dieser Bedrohung müssen sich Journalisten stellen – nach reiflicher Abwägung und intensiver Vorbereitung. Denn Rechtsextreme stellen eine Gefahr für die Gesellschaft dar – vor allem wenn sie in deutschen Parlamenten sitzen. Auch wenn es schwer ist: Journalisten dürfen sich vor der Verantwortung nicht drücken.
Fritz Habekuß 21 Jahre, Dortmund studiert Wissenschaftjournalismus, Biowissenschaften und Medizin in Dortmund. Er schreibt für SPIEGEL Online und den Tagesspiegel.
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Er plaudert über seine Jugend als Fußballfan - und schimpft nebenbei über ehemalige türkische Mitschüler, die seine ganze Realschulklasse mit mangelnden Sprachkenntnissen aufgehalten hätten. Ein authentischer Rückblick auf Leben und Motivation eines Politikers oder gefährliche Propaganda? Diese Szene stammt aus einem Interview mit Holger Apfel, dem Chef der NPD im Sächsischen Landtag. Gesendet wurde es im MDR 1 Radio Sachsen. Wollen wir so etwas wirklich hören? Jede Erwähnung rechtsextremer oder rechtspopulistischer Organisationen kommt einer Werbung für diese gleich. Wenn Rechtsradikale ihre Parolen und Ansichten frei mitteilen können, werden sie bekannter und eventuell auch populärer. Publicity für Rechte – das steht außer Frage. Trotzdem hoffen oder erwarten manche Journalisten einen Rechtsextremisten als solchen entlarven zu können. Aber das klappt eigentlich nie. Wie radikal einige Rechte sind, ist oft eh schon bekannt. Zu hoffen, einem rhetorisch geschulten Politiker ein verfassungsfeindliches Zitat zu entlocken, ist illusorisch. Darum hat rechtsradikales Gedankengut nichts in den Medien zu suchen. Vor allem im Internet sind rechtsradikale Parteien eh schon aktiv genug. Die selbst geschaffenen Plattformen, auf denen Rechtsradikale ihre Ansichten aller Welt mitteilen, sind von beunruhigender Größe. Rechte von der NPD und anderen Organisationen haben auch noch mehr PR-Tricks auf Lager: dazu gehören eigene Publikationen, die kostenlos als scheinbar neutrale Lokalzeitungen verteilt werden. Rechtsradikale Aussagen sind also weit verbreitet. Seriöse Medien dürfen dies nicht noch zusätzlich unterstützen. Ein Interview mit einem NPD-Abgeordneten zu verweigern ist keine Zensur.
Menschen, die sich rassistisch oder ausländerfeindlich äußern, sollte man nicht ungefiltert reden lassen. Es spricht aber nichts dagegen, Rechtspopulisten oder sogar Rechtsradikale in einem Text zu zitieren. Wichtig ist der kritische Zusammenhang. Medien müssen ihre Nutzer über Politik und Gesellschaft aufklären. Nicht mit Parolen beeinflussen oder verwirren. Rechtsradikalismus kann nicht außer Acht gelassen oder gar totgeschwiegen werden. Es ist ein wichtiges Thema, darüber müssen alle informiert werden. Doch moralisch verwerfliche Aussagen darf man nicht wiedergegeben ohne sie gleichzeitig als solche zu entlarven. Nicht jeder kann rechtes Gedankengut richtig einordnen. Nach einem Interview bedanken sich oft Journalist und Interviewpartner für das Gespräch. Rechtsradikale dürfen keinen Anlass dazu bekommen. Nein danke. Das wollen wir gar nicht hören. Rechtsradikale, behaltet eure Gedanken lieber für euch!
Anna Lang 18 Jahre, Aschaffenburg studiert bald Politikwissenschaften und Soziologie in Würzburg.
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Provokation pur
Mit knallharten Slogans gehen ultrarechte Parteien auf Wählerfang. Die Devise lautet: Möglichst viel Aufmerksamkeit. Von laura ilg
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in knallroter Strich verdeckt die Moschee. Darunter prangt der Slogan: „Wählen gehen für Thilos Thesen!“ Das reißerische Plakat der ultrarechten Partei Pro Deutschland findet sich Anfang August an vielen Orten in Berlin. Mal gegenüber der Dönerbude, mal hochoben an einer Straßenlaterne. 15.000 Plakate sollen laut Angaben der Partei berlinweit aufgehängt worden sein. Diese Wahlkampfoffensive ist nicht weiter verwunderlich – am 18. September stehen die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und der Bezirksverordnetenversammlung an. Diese Plakate sind typisch für die PR-Strategie rechtsgerichteter Parteien. Sie setzen auf medienwirksame Provokationen, um sich in die Öffentlichkeit zu spielen In diesem Fall berichtete die Öffentlichkeit nicht nur über die Plakataktion, sondern auch ihr juristisches Nachspiel. Thilo Sarrazinsah sah sein Recht verletzt, wollte nicht für Pro Deutschland werben. Daraufhin untersagte das Landgericht Berlin die Plakataktionen. Für Pro Deutschland ist das eine juristische Schlappe. Und ein Riesenerfolg in Sachen Publicity.
Um ein seriöses Erscheinungsbild bemüht Längst hat sich der Auftritt der ultrarechten Parteien nach außen gewandelt. Dieses Auftreten ist gut organisiert: interne Pamphleten der NPD geben Verhaltensregeln für verschiedene Veranstaltungen vor. Beispielsweise sollen sich NPD-Mitglieder in der Öffentlichkeit grau und gedeckt kleiden, unauffällig eben. Ebenso vertrauensvoll wollen die Kandidaten auf Wahlplakaten wirken. Da ist beispielsweise Jens Gatter von der NPD, der 2008 zum Nordsächsischen Kreisrat gewählt wurde. Auf seinem Wahlplakat präsentiert er sich mit weißem Hemd und schwarzem Pullunder. Im Hintergrund steht eine Windmühle – ein ländliches Idyll. Dazu der Spruch: „Vergabe von öffentlichen Aufträgen an örtliche Unternehmen, um Arbeit und Kaufkraft in der Region zu halten.“ An dieser Stelle zeigt sich eine weitere beliebte PR-Strategie ultrarechter Parteien. Sie versuchen, über kommunale Themen Wähler zu ködern. So setzt Pro Deutschland in Berlin auf Bürgernähe, auf den Wahlkampf direkt im Kiez. Die selbsternannte Bürgerbewegung ist mit Kundgebungen und nahezu täglichen Infoständen im Berliner Stadtbild präsenter als die etablierten Parteien. Das zeigt sich auch im Wahlkampf der NPD in Mecklenburg-Vorpommern. Sie positioniert sich gegen Abwanderung, kämpft für das „Hierbleiben“. Die
NPD als Kummerkasten, als diejenigen, die als Einzige die Bedürfnisse vor Ort kennen. Der Wähler soll den Eindruck bekommen: Egal, ob es um das extreme Verkehrsaufkommen von Bundesstraßen oder die mangelhafte Ausstattung der lokalen Feuerwehr geht. Die NPD kümmert sich. Schwingt nicht nur Reden, sondern nimmt das Problem in die Hand. Laut des Internetportals „Mut gegen rechte Gewalt“ ziehen NPD-Mitglieder dafür schon mal mit der Spendenbüchse durch ein Dorf, um für die lokale Feuerwehr zu sammeln. Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr, die ihren Verein unterstützen wollen, schließen sich den Kameraden der NPD an. So lassen sich Aktionen wie diese wunderbar mit der Anwerbung neuer Mitglieder verbinden.
Rassistische Sprüche zuhauf Erst umschmeicheln, dann zuschlagen. NPD-Wahlkampf kann zuerst harmlos wirken, aber auch knallhart sein. Im Wahlkampf für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern 2011 wird aus Rassismus und Islamfeindlichkeit kein Hehl gemacht: „Kriminelle Ausländer raus! Damit Sie sich auch noch morgen auf die Straße trauen können!“, „Arbeitsplätze sichern – Grenzen dicht! Polen offen? Arbeit futsch! Auto weg!“ Mal zeigt sich die NPD als Beschützer, mal zeigt sie, wie nötig dieser Schutz ist.Sie schürt Ängste vor zunehmender Arbeitslosigkeit und sinkenden Löhnen. „Die NPD befindet sich auf einer Gradwanderung. Sie muss vom rechten CDU-Rand bis zur Nazi-Szene alles bedienen“, erklärt Journalist Johannes Radke. Beispielhaft für eine an die Nazi-Szene gerichtete Werbeaktion ist das Kreuzworträtsel in der Wahlkampfzeitung der Berliner NPD. Diese ist ohne weiteres über die Homepage der Berliner NPD abzurufen. Gesucht sind Begriffe wie „Abkürzung für Nationalsozialismus“ und ein „deutscher Politiker („Friedensflieger“) des 20. Jahrhunderts“. Die Rede ist von Rudolf Heß, ein nationalsozialistischer Politiker, den Hitler 1933 zu seinem Stellvertreter ernannte. Das anstelle von Internet verwendete Wort „Weltnetz“ ist klassischer Nazi-Jargon. Des Rätsels Lösungswort: „Adolf“. Wer den „deutschen Vornamen, der etwas aus der Mode gekommen ist“ errät, kann sogar auf den Gewinn eines Fahrrads hoffen. Mit Aktionen wie dieser sendet die Partei eine klare Botschaft an die Nazi-Szene: Wir lassen uns nicht einschüchtern, sind echt und werden nicht weich. Hier wird der Unterschied zwischen rechtspopulistischen Parteien wie Pro Deutschland und der NPD besonders
deutlich. Pro Deutschland gibt sich bürgerlicher und biederer. Sie lehnt den historischen Nationalsozialismus ab und ist im Gegensatz zur NPD pro-israelisch und pro-amerikanisch.
Professionelle PR-Arbeit Ultrarechten Parteien stellen sich in Wahlkampf und Internet immer professioneller dar. Sie haben erkannt, wie wichtig PR ist. Dazu zählt auch ein modernes und ansprechendes Design. 2002 wirkte die NPD-Homepage noch wie das Werk eines Amateurs, heute ist sie ansprechend gestaltet und wird fast täglich aktualisiert Längst hat die NPD eigene Grafiker an der Hand, auch einzelne Werbeagenturen lassen sich dem rechten Milieu zuordnen. In Aschaffenburg gibt es die Werbeagentur „Propagandakompanie“, die Cover für die CDs von Nazibands und Motive für Nazi-T-Shirts entwirft. Allein der Name der Agentur ist vorbelastet. Die Propagandakompanie war zur Zeit des Nationalsozialismus eine Truppengattung der Wehrmacht. Der Inhaber der Agentur, Falko Schüßler, ist bekannt in der rechten Szene. Wie sich die NPD einen Wahlkampf und PR leisten kann? Finanziert werden sie aus öffentlichen Geldern, die die Partei für ihre mehr als 300 Kommunalmandate und das Mandat im sächsischen Landtag erhält. Trotzdem ist die NPD sehr auf Spendengelder angewiesen. „Der Wahlkampf wird auch aus eigener Tasche finanziert. Die Kandidaten nehmen eigene persönliche Belastungen in Kauf“, erklärt die freie Journalistin Andrea Röpke. Die finanziellen Mittel für den Wahlkampf sind also längst nicht so üppig wie bei anderen Parteien. Geringe Kosten und dennoch maximale Aufmerksamkeit – mit Provokation geht diese Rechnung oft auf.
Laura Ilg 18 Jahre, Dettingen macht nächstes Jahr Abitur und schreibt als freie Mitarbeitern u.a. für die Neu-Ulmer Zeitung, den Schekker und TO4KA-Treff.
Foto: Pro Deutschland
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Mit Mut voran
Wenn alljährlich tausende Menschen in Dresden gegen den gröSSten Naziaufmarsch Europas protestieren, verbindet sie vor allem Mut. Er ist der Motor ihres zivilen Ungehorsams. Und der Motor der Demokratie. Ein Kommentar Von Florian Hirsch
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homas Schulz, Hans-Peter Zarse, Yeliz Arslan, Klaus Dieter Harms, Olaf Schmidke ... – die Liste der Todesopfer rechter Gewalt ist lang. Viel länger, als es die Angaben der Bundesregierung vermuten lassen. Von 47 Opfern seit 1990 wird offiziell berichtet. Seit 1990 sind in Deutschland aber wahrscheinlich über 140 Menschen von Rechten getötet worden. Die Schere zwischen beiden Zahlen ist gewaltig. Dass es überhaupt eine realistische Statistik gibt, ist engagierten Journalisten und Initiativen zu verdanken. Durch aufwändiges Recherchieren und konsequentes Nachfragen ist es ihnen gelungen, auch dort einen rechten Hintergrund nachzuweisen, wo zuvor die Sicherheitsbehörden von einem Raubüberfall oder einem Streit zwischen Jugendlichen mit tödlichem Verlauf sprachen. Ihre Arbeit ist mühselig. Sie stöbern tagelang in Archiven, reisen von einem Naziaufmarsch zum nächsten, sprechen mit Opfern, Sicherheitsbehörden und Experten. Sie robben mitunter durch Wälder oder verstecken sich auf Dachböden, um auch konspirative Treffen fotografieren und filmen zu können. Wie bei einem Stendal ist mutig und demonstriert gegen Nazis Puzzle gilt es, die kleinsten Details zu einem vollständigen Bild zusammenzufü- Mut. Mut, die Augen nicht zu verschlie- Die Etats der Bundesprogramme gegen ßen, wenn andere schon längst weg- Rechts werden zusammengestrichen. Ingen. Die entstehenden Bilder geben tiefe Einblicke in die Strukturen und Aktivi- schauen. Mut, sich nicht einschüchtern itiativen und Organisatoren müssen in täten der rechten Szene. Netzwerke, Wirt- zu lassen, Anfeindungen und Drohungen einigen Bundesländern die sogenannte schaftskreisläufe, die Vergangenheit von auszuhalten. Mut nachzufragen, auch „Extremismusklausel“ unterzeichnen. Die Spitzenkandidaten. Um braunen Umtrie- dann noch, wenn man selbst von Demo- soll sie verpflichten, sicherzustellen, dass ben etwas entgegensetzen zu können, ist kraten als nervender Querulant diskredi- sie nicht mit Organisationen oder Refetiert wird. Mut, nicht aufzugeben. mitunter das kleinste Detail wichtig. renten zusammenarbeiten, denen „exDoch gerade diese Courage fehlt an Die Arbeit ist körperlich anstrentremistische Bestrebungen“ vorgeworfen gend, psychisch belastend und mitunter vielen Stellen. Noch immer wird zu oft werden. Gemeint sind damit vor allem auch gefährlich. Wer rechte Gewalt selbst weggeschaut. Wenn Rassisten pöbeln, unbequeme Linke. Der Verfassungsschutz schlagen und morden. Wenn die rechte erlebt hat, weiß, welche Ohnmacht sie und auch viele Ministerien bedienen sich hervorrufen kann. So weit braucht es Mutter zum Kuchenbasar eine Haken- noch immer der sogenannten „Hufeisenkreuztorte bäckt. Oder wenn Jugendliche nicht einmal zu kommen. Schon allein theorie“. Sie zeichnet eine Gesellschaft, die Eindrücke und Erlebnisse, die bei der „Störkraft“ oder „Kategorie C“ als Lieb- deren Mitte demokratisch und deren Ränlingsband nennen. Zu oft schauen auch der extremistisch sind. Doch zahlreiche Recherche vor Ort gesammelt werden, die Schicksale von Opfern und die fanatische offizielle Stellen weg und ducken sich, Studien belegen, dass es solch eine Mitte Gedankenwelten der Rechten rütteln an wenn eine klare Position dringend nötig gar nicht gibt. In allen Teilen der Bevölkeden Nerven. Es lässt sich manchmal nur ist. Wenn es unangenehm wird, sprechen rung sind rassistische Ressentiments verschwer verdauen, auf welche Unglaub- sie von Imageschädigung, Hysterie oder breitet, gelten chauvinistische Ansichten lichkeiten die Auseinandersetzung mit negativen Folgen für den Tourismus. Aber und antisemitische Stereotype. Auch die Rechten ans Licht bringen kann. Etwa ein Naziproblem, das sehen sie nicht. In- Gleichsetzung von Links und Rechts hält die Geschichte der Lehrerin einer Grund- formationen zurückzuhalten, Situationen keiner wissenschaftlichen Untersuchung schule, die ihren Schützlingen Spenden- zu beschönigen oder Geschichten solange stand. Ein Blick in die Welt zeigt außeraufrufe für „gefangene Kameraden“ per zu verdrehen, bis die Nazigegner selbst dem: Kein anderes Land kennt einen ExE-Mail schickt und gleich mit „88“ oder kriminalisiert werden, spricht vor allem tremismusbegriff, wie ihn die Bundesre„Heil Hitler“ unterschreibt. Oder eine Reit- für Opportunismus und Selbstgefällig- publik nutzt. keit. Für Opfer rechter Gewalt hat solch schule, die „national Gesinnten“ Rabatte gewährt und im selben Atemzug auch si- ein Verhalten eine doppelte Auswirkung. Ohne Mut keine Demokratie. cherstellt, dass die Kinder „gemäß ihrer Zum einen ergänzt fehlende Solidarität Demokratie lebt von KommunikaWeltanschauung“ in den Reitstunden ein- mit Opfern rechter Gewalt ihre körperlichen Narben um seelische. Zum ande- tion, von Anstrengung, von Streit. Mut geteilt werden. ist dabei impliziert. Nur mit Mut können ren steigt die Gefahr für all jene, die von Rechten als Feine markiert sind, bei aus- Missstände angesprochen und aufgezeigt Noch immer wird zu oft werden. Nur mit Mut können sie abgebleibendem Gegenwind. weggeschaut. Und auch aus der Bundespolitik schafft werden. Nur mit ihm können Was die Menschen im Kampf gegen kommen elf Jahre nach dem „Aufstand Minderheiten ihr Recht einklagen. Nur die rechte Szene verbindet ist vor allem der Anständigen“ wieder falsche Signale. mit ihm sind gesellschaftliche Diskurse
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Foto: Marcus Scholz /jugendfotos.de
möglich. Mut füllt Demokratie mit Leben und ist Grundvoraussetzung für demokratische Entwicklung. Die Zivilgesellschaft darf den Mut nicht verlieren. Sie muss auch zukünftig mit gehobenem Haupt und klarem Blick voran gehen, um den braunen Umtrieben in unserer Gesellschaft Einhalt zu gebieten. Aufklärung und Bildung sind dabei ebenso wichtig, wie ziviler Ungehorsam und ein aus der Geschichte abgeleitetes, antifaschistisches Demokratieverständnis. Ob ReachOut, die Amadeu-Antonio-Stiftung, das Netz-gegen-Nazis oder lokale Initiativen und Antifagruppen: Die Arbeit, die sie tagtäglich leisten, wird so lange bitter nötig sein, wie rechtes Gedankengut Verbreitung und Akzeptanz findet. Es gilt, sich nicht abschrecken zu lassen und mutig weiterzumachen.
Florian Hirsch 25 Jahre, Berlin leitet das Medienprojekt politikorange. Neben den Redaktionen und Workshops organisiert er auch Partys und Kulturveranstaltungen.
f risc h , f r u ch t i g, s e l bs tge p r e s s t – m it m achen @po lit ik o ran g e.de
Impr essum Diese Ausgabe von politikorange entstand während des Medienworkshops „Medien und Rechtsradikalismus“, der vom 09. bis 12. August 2011 in Berlin stattfand. Herausgeber und Redaktion: politikorange – Netzwerk Demokratieoffensive, c/o Jugendpresse Deutschland e.V., Wöhlertstraße 18, 10115 Berlin, www.politikorange.de
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ls Veranstaltungszeitung, Magazin, Onlinedienst und Radioprogramm erreicht das Mediennetzwerk politikorange seine jungen Hörer und Leser. Krieg, Fortschritt, Kongresse, Partei- und Jugendmedientage – politikorange berichtet jung und frech zu Schwerpunkten und Veranstaltungen. Junge Autoren zeigen die große und die kleine Politik aus einer frischen, fruchtigen, anderen Perspektive.
politikorange – Das Multimedium
Wie komm’ ich da ran?
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Junge Journalisten – sie recherchieren, berichten und kommentieren. Wer neugierig und engagiert in Richtung Journalismus gehen will, dem stehen hier alle Türen offen. Genauso willkommen sind begeisterte Knipser und kreative Köpfe fürs Layout. Den Rahmen für Organisation und Vertrieb stellt die Jugendpresse Deutschland. Ständig wechselnde Redaktionsteams sorgen dafür, dass politikorange immer frisch und fruchtig bleibt. Viele erfahrene Jungjournalisten der Jugendpresse stehen mit Rat und Tat zur Seite. Wer heiß aufs schreiben, fotografieren, mitschneiden ist, findet Infos zum Mitmachen und zu aktuellen Veranstaltungen im Internet oder schreibt einfach eine eMail.. Die frischesten Mitmachmöglichkeiten landen dann direkt in Deinem Postfach
Warum eigentlich politikorange wurde 2002 als Veranstal- politikorange? tungszeitung ins Leben gerufen. Seit damals gehören Kongresse, Festivals und Jugendmedienevents zum Programm. 2004 erschienen die ersten Themenmagazine: staeffi* und ortschritt*. Während der Jugendmedientage 2005 in Hamburg wurden erstmals Infos rund um die Veranstaltung live im Radio ausgestrahlt und eine 60-minütige Sendung produziert.
In einer Gesellschaft, in der oft über das fehlende Engagement von Jugendlichen diskutiert wird, begeistern wir für eigenständiges Denken und Handeln. politikorange informiert über das Engagement anderer und motiviert zur Eigeninitiative. Und politikorange selbst ist Beteiligung – denn politikorange ist frisch, jung und selbstgemacht.
Chefredaktion (V.i.S.d.P.): Nora Lassahn (nora.lassahn@web.de), Adrian Bechtold (a.bechtold@jugendpresse.de) Redaktion: Laura Ilg, Anita Schedler, Anna Lang, Melanie Bumann, Fritz Habekuß, Anoja Perinpanathan, Franziska Baur, Alisa Fluhrer, Jennifer Töpperwein Bildredaktion: Jonas Fischer (www.jonas-fischer.com) Layout: Jakob Bahr (j.ake@freenet.de) Koordination: Florian Hirsch (f.hirsch@jugendpresse.de) Druck: BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH) Auflage: 5.000 Exemplare
www.politikorange.de mitmachen@politikorange.de
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Achtung, hier spricht der Nationalsozialismus
Du dachtest, über Rechtsextremismus würden wir heutzutage nicht mehr genug reden? Vielleicht tust du es doch häufiger, als du denkst. Diese Redewendungen haben es geschafft, sich aus der NS-Zeit hinaus unbemerkt direkt in unseren Wortschatz zu schleichen.
„ Je d e m d as S e in e “ Nicht nur im Alltagsgespräch rutscht dieser Satz Einigen über die Lippen. Auch Tchibo und Esso warben bei einer PR-Aktion mit dem Slogan „Jedem den Seinen“, mussten diese aber wegen massiver öffentlicher Beschwerden einstellen. Denn diese Redewendung stand auch über dem Eingang des Konzentrationslagers Buchenwald.
„ Mädel“
„ S e lekt io n / s elekt ieren “ Biologen sprechen bei der Evolution von Selektion. Einige entdecken daran einen negativen Beigeschmack. Ab den sechziger Jahren verwendeten Wissenschaftler diesen Begriff, um damit die durchgeführte „Absonderung“ der Häftlinge in den Konzentrationslagern zu bezeichnen.
Die meisten denken sich nichts dabei, wenn sie von einem „Mädel“ sprechen. Dabei kann man diesen Begriff durchaus kritisch sehen. Durch die „Jungmädel des Nationalsozialismus“ und dem „Bund deutscher Mädel“ wurde dieser Begriff negativ belegt. Letzteres war übrigens 1944 die größte weibliche Jugendorganisation der Welt.
„ Da c horga ni sati on“
„ M u t t e rta g “
„ Or g an is ieren “
Die Nazis haben den Muttertag nicht erfunden. Sie haben ihn aber als offiziellen Gedenktag in ihrer rassistischen Ideologie verankert. Die Frau als Gebärinstrument für die Herrenrasse - damit identifizieren wir den heutigen Muttertag zum Glück nicht mehr.
Statt etwas zu kaufen, wurde in der Nazizeit alles organisiert, denn es gab ja kaum noch etwas zu kaufen. Auch heute noch organisiert man sich ein Taxi, oder am nächsten Kiosk ein Bier.
Während es heute Dachorganisationen für harmlose Dinge wie Sportvereine oder Handelskammern gibt, wurde der Begriff damals von den Nationalsozialisten stark geprägt. Es gab sogar eine Dachorganisation des deutschen Katzenwesens.
„ S ic herg es t ellt “ „Das Beweismaterial wurde sichergestellt.“ Solche Sätze hört man oft. Doch woher stammt eigentlich dieses Wort aus dem Fachjargon? Es wurde benutzt, wenn die Gestapo privaten jüdischen Besitz raubte. Sie wollten nicht als Diebe bezeichnet werden.
„ S o n de rb e ha n dl un g“ Bei Streitigkeiten fällt vielleicht öfters der Satz: „Junge, du brauchst eine Sonderbehandlung“. Doch dieses Wort ist bedenklich: Es war eine Tarnbezeichnung der SS für die Ermordung von Menschen. So etwas sollte man einem Freund lieber nicht an den Kopf werfen.
„ Du bis t Deutsc hla nd“ Was eigentlich als bunte Kampagne für Optimismus und Offenheit geplant war, hat einen bitteren Beigeschmack. Der schwungvolle Spruch stammt nämlich nicht nur aus der Feder einer kreativen Agentur. Schon um 1930 wurde „Denn du bist Deutschland“ propagiert - gemeint war damals aber nicht das Volk, sondern Hitler.