politikorange Wissen.schafft

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Wissen.schaf t Juli 2012

Unabh채ngiges Magazin zum Sch체lercampus der Goethe-Universit채t HERAUSGEGEBEN von der Jugendpresse DEUTSCHLAND e.V.


Foto und Titelfoto: Paul Wagner

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UNIversal

Edi tor i a l

Es gehe in Zukunft um die Vernetzung von Fachbereichen, so die Veranstalter des Schülercampus 2012 für Geistes- und Naturwissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Einen Raum, den auch wir Journalisten tagtäglich tangieren. Von Sophie Hubbe

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ie Schlagzeilen sind voll von wissenschaftlichen Themen. Fragen zur Atomenergie, Informationen zur embryonalen Stammzellenforschung – die Leser wollen wissen, was in der Wissenschaft vor sich geht. Die Verbindung von fachlich hochanspruchsvollen Themen und verständlich geschriebenen Texten stellt die Journalisten vor eine knifflige Aufgabe, deren Bedeutung immer mehr zunimmt. Bis in die 1990er Jahre bildete der Wissenschaftsjournalismus sowohl in Redaktionen, wie auch an Universitäten ein Orchideenfach. Doch die Medien witterten die Frischluft, die aus der Wissenschaft herwehte. Aus allen Löchern sprießen derzeit Wissenschaftsmagazine, zu den besten Sendezeiten laufen Geschichtsdokumentationen und im Internet wird der User überflutet mit Fachportalen. Will man einfach nur sein E-Mail Postfach öffnen, wird man von den neusten wissenschaftlich Erkenntnissen nahezu erschlagen.

Crashkurs Auch die Universitäten springen auf den fahrenden Zug auf. Seit Anfang der 2000er bieten immer mehr Hochschulen den Studiengang „Wissenschaftsjournalismus“ an. Als „spannendes Berufsfeld“ preist die Universität Darmstadt den „interdiszipli-

nären Studiengang“ an. In Zusammenarbeit mit den Lehrstühlen anderer Fachbereiche unterrichten Dozenten der Chemie, Mathematik oder Biotechnologie den naturwissenschaftlichen Teil. Kooperationen mit verschiedenen Medienunternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen bilden die Grundlage für die praxisorientierten Teile des Studiengangs. Auch innerhalb der Universität soll durch den neuen Studiengang der Austausch zwischen naturwissenschaftlich-technischen und geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachbereichen gefördert werden.

Ehrliche Verbrauchertipps Ziel dieses Modestudiengangs sei es, Journalisten auszubilden, die einerseits Alltagsfragen aus Naturwissenschaft und Technik anschaulich vermitteln, andererseits aber die Nachrichten auch kritisch hinterfragen können – so die Universität Dortmund in ihrem Portfolio. Sind die neuen Wissenschaftsjournalisten also PRWidersacher? Was will uns eine Bachelor-Ausbildung in vier Fächern über die fachliche Qualifizierung des Studenten verraten? Glaubwürdige Informationen, Verbrauchertipps auf journalistisch hochwertigem Niveau sollen dem Leser Vertrauen schaf-

fen – immerhin sind es ausgebildete Wissenschaftsjournalisten. Aber inwieweit ein solcher Studiengang notwendig ist, bleibt dahingestellt. Wäre denn nicht jeder studierte Historiker, jeder ausgebildeter Mediziner und fachlich geschulte Mathematiker, der für ein breites Publikum schreibt, ein Wissenschaftsjournalist? Und gegenüber einem in sechs Semestern zum Journalisten und Biologen ausgebildeten Wissenschaftsjournalist hintenan gestellt? In diesem Sinne fangen wir an, lassen Wissenschaft und Journalismus aufeinander treffen und nehmen den Schülercampus 2012 einmal genauer unter die Lupe.

Sophie Hubbe 21 Jahre, Magdeburg Erfindet einen Taschenrechner der jede Aufgabe – per mündlicher Eingabe – lösen kann.

Liebe Leserinnen und Leser, Der frühe Vogel fängt den Wurm – ähnlich geht es in Zeiten des Leistungsdrucks Schülern schon im jungen Alter. Sommercamps und Schnupperkurse drängen sich den Schülern förmlich auf und fordern Entscheidungen – was willst du später einmal machen? Notendruck und Studienwahl bestimmen die Zeit kurz vor dem Abitur. Auf dem bundesweit ersten Schülercampus für Geistes- und Naturwissenschaften an der Goethe-Universität konnten vom 1. bis zum 7. Juli 2012 40 Geisteswissenschaftsinteressenten und 40 Naturwissenschaftler zusammen, um das Campusleben schon einmal genauer kennenzulernen. Mitten im Semester nahmen Studenten und Professoren die Schüler an die Hand. Es wurde experimentiert, geforscht und heiß diskutiert. Aus 280 Bewerbungen wurden 80 Schüler ausgewählt, die nicht nur durch gute Noten, sondern vor allem durch ihre Motivationsschreiben überzeugen konnten. Wer sich den Teilnehmerbeitrag von 160 € nicht leisten konnte, wurde finan­ziell von der Goethe-Universität unterstützt. Die zwischen 15 und 19 Jahre alten Schüler hatten in Frankfurt dann ein straffes Programm vor sich. Vom Kletterpark bis ins Filmmuseum boten die Organisatoren des Schülercampus eine große Vielfalt an Beschäftigungsmöglichkeiten. Politikorange war dabei, als Roboter Karl Heinz das Licht der Welt erblickte und tauchte mit ein in die Welt der chemischen Wunder. Wir haben Wissen geschaffen und uns schaffen lassen, kritisch gefragt, visuell, grafisch und in Textform für euch ausgearbeitet. Nicht nur die Schüler, sondern auch das Redaktionsteam hat in der Zeit jede Menge mitgenommen: einen neuen Dropbox-Ordner, Schlafdefizite und am Ende waren wir froh, den Campus auch wieder verlassen zu dürfen. Eure Chefredaktion Lisa Brüßler und Sophie Hubbe

Inha lt

»Visionär«

Über das Verhältnis von Goethe zu Frankfurt. Seite 06

»Weitsicht«

Wie das Leben nach der Uni aussieht. Seite 11

»Workaholic«

Vize-Präsident der GoetheUni Manfred SchubertZsilavecz im Interview. Seite 13

Foto: Paul Wagner

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Idealisten versus Realisten

Typisch…! Vorurteile und Klischees gibt es immer, auch an der Uni. Was sagt man den Geisteswissenschaftlern nach, was den Naturwissenschaftlern – und was davon stimmt? Von Fabian Schäfer

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er Medizin studiert, wird Arzt. Ein Jura-Student wird Anwalt oder Richter. BWL-Studenten finden sich im Management und Controlling wieder. Doch welchen Beruf ergreifen junge Menschen, die Kaukasiologie, Onomastik oder Tibetologie studiert haben? Damit fängt es schon an: geisteswissenschaftliche Fächer gelten oft als brotlose Kunst. Interessante Studien, mit denen man nach dem Studium allerdings wenig anfangen kann. Wer braucht in der freien Wirtschaft schon Philosophen oder Judaisten.

Irgendwas mit Medien „Ich kann damit eigentlich ziemlich viel machen. Ich kann in die Medien und so…“, sagt Björn, der Philosophie und Geschichte in Köln studiert. Damit erfüllt er wieder ein Klischee: Geisteswissenschaftler können überall und nirgendwo arbeiten – viele machen sich angeblich darüber während des Studiums allerdings noch keine Gedanken. Doch wieso sind sie vermeindlich so planlos, was ihre berufliche Zukunft angeht? Sie empfinden Leidenschaft für

ihr Fach und suchen ihre Selbstverwirkli- Kleider machen Leute chung und –entfaltung, heißt es. Da stellt sich nur die Frage: Können Naturwissen- Doch auch äußerlich sollen sie – so die schaftler und Techniker nicht mit dersel- Vorurteile – „anders“ sein. Gottfried Keller ben Leidenschaft an ihr Fach herangehen? wusste, was er mit seiner Novelle „Kleider So seien Biologen doch bekannt dafür, sich machen Leute“ um das Jahr 1875 aussaam liebsten mit ihren Proben und Mikro- gen wollte. Das gilt heute noch – auch und skopen im Labor einzuschließen – können vor allem für Studenten. „In Philosophie wir hierbei nicht von Leidenschaft spre- kommt schon mal jemand barfuß oder chen? mit einem Schwert in die Vorlesung“, er„Was normale Menschen zum Spaß zählt der 19-jährige Steffen. Ungepflegte und zur Unterhaltung konsumieren, wird Informatiker-Nerds, die sich nächtelang von Geisteswissenschaftlern zerpflückt. mit Energy-Drinks bei ihren LAN-Partys Dabei gibt es selten klare Ergebnisse: wach halten sind nur eines der eher beKlarheit und Eindeutigkeit sind ohnehin leidigerenden Vorurteile. Den krassen GeProbleme der Geisteswissenschaften“, gensatz bilden Wirtschaftler und Juristen: sagt ausgerechnet Steffen, der Deutsch „Sie tragen Poloshirts, Hemden und Seglerund Philosophie auf Lehramt in Rostock Schuhe und sind einfach viel geleckter“, studiert. Manch einer könnte sich dabei berichtet Steffen. Business-Männer, die an Gedichtanalysen erinnern, bei denen so das Bild der Studenten im Hörsaal mit ihgut wie alles interpretiert werden konnte. ren Aktenkoffern und Anzügen irgendwie Oder wollte der Dichter mit seinen Versen stören. vielleicht einfach nichts aussagen? Bei Doch zurück zu den Geisteswissenden Naturwissenschaftlern hingegen gibt schaftlern: Weil sie angeblich den ganzen es 1 oder 0, plus oder minus, schwarz Tag über ihren Büchern sitzen oder in indioder weiß. Stringenz und genauste Be- viduellen Cafés Chai-Latte trinken, haben rechnungen bestimmten den Alltag der sie weniger Zeit, um feiern zu gehen. „Das Mathematiker und Physiker. größte Partyvolk sind bei uns die Maschi-

nenbauer. Geisteswissenschaftler sind da vielleicht nicht ganz so wild“, weiß Steffen aus seinem Uni-Alltag. Nicht zu vergessen die Sportler, bei denen wahrscheinlich im Hörsaal am „Tag danach“ die größte Katerstimmung herrscht. Welche Klischees davon nun zutreffen und welche nicht, findet man am besten selbst während seines Studiums heraus. Solche Vorurteile kommen zwar nicht von ungefähr, sind aber doch meist nur Zuspitzungen und Übertreibungen, die sich im Laufe der Jahre etablieren konnten. Dabei macht es Spaß, lebendige Stereotype zu finden. Es ist aber sicher umso spannender, sie zu widerlegen.

Fabian Schäfer 18 Jahre, Oerlenbach

Fehlt die Erforschung der spannenden Ansätze des täglichen Lebens.

FruchtflEisch Ich erwarte von meiner Universität ... „Perspektiven“

„Familie“ Fotos: Paul Wagner

„Gemeinsamkeit“

Manuel, 16 Jahre Viernheim „ … dass die Geistes- und Naturwissenschaften auch gemeinsame Ziele verfolgen und ­zusammenarbeiten.“

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Alex, 16 Jahre Frankfurt am Main „ … dass sie auch international ausgerichtet ist und mir Perspektiven für das Ausland bietet.“

Carolin, 17 Jahre Selters „ … dass sie ein familiäres Verhältnis besitzt und ich nicht nur eine Nummer bin.“


» repräsentieren und informieren « Das Konzept Studienbotschafter

Die Universität Halle führt als Vorreiter das Konzept „Studienbotschafter“ durch. Worum es dabei geht, verraten die studentischen Ratgeber im Gespräch mit Politikorange Autor Philippe Fischer. Wie die Goethe-Universität Frankfurt ihr nachwuchsKonzept umsetzt, erläutert Constanze Ohlmes.

Cynthia: Authentisch ist es, da wir frei aus unserem Leben erzählen können. Wir können unabhängig auf unseren Blogs schreiben und dort frei positive und negative Aspekte nennen. Über Chats und Telefonate können Studieninteressierte genau erfahren, was zu empfehlen ist und was nicht. Wir erzählen nicht, wie toll es hier sei, sondern frei aus dem Bauch heraus. Das Studienbotschafterprogramm gilt als Hilfestellung für Schülerinnen und Schüler, die auf der Suche nach einem Studienort und -fach sind. Dabei wird natürlich die Universität HalleWittenberg präsentiert – von unabhängiger Seite. Nur Studierende können erklären, wie ein Studium abläuft.

Im Gegensatz dazu versucht die Goethe-Universität mit dem Schülercampus das Studentenleben näher zu bringen. Wie würdest du dieses Konzept beschreiben, Constanze?

Foto: Paul Wagner

Constanze: Es geht meiner Meinung nach nicht darum das Fach kennenzulernen, sondern den Alltag eines Studenten mit allen seinen Merkmalen. Die Schüler sollen lernen, wie man eine Wohnung organisiert, wie eine Universität funktioniert und was gängige Abkürzungen

bedeuten. Ich habe selbst meinen Studiengang gewechselt. Hätte ich die Information gehabt, die die Schüler vom Schülercampus erhalten, wäre es nicht zu diesem Wechsel gekommen; ich hätte gleich gewusst, was ich studieren sollte. Die Orientierung für das spätere Leben ist unheimlich wichtig.

Seht ihr das jeweilige Konzept im Dialogmarketing in einer Vorreiterrolle? Sebastian: Es steht einfach niemand in Schlips und Kragen vor einem und redet in Floskeln. Die Studienbotschafter sind involviert in das Leben und können daher besser über alles berichten - im Positiven und Negativem. Mit dem Studienbotschafterkonzept können wir Interessierte besser betreuen. Sie erhalten persönliche Antworten auf alle Fragen. Diese Persönlichkeit kann man mit Flyern nicht vermitteln. Auch ein komplizierter Bewerbungsprozess wird mit Hilfe der Studienbotschafter zu einem Kinderspiel. Uns besuchen inzwischen jährlich mehr als 800 Schülerinnen und Schüler, die in ein Studium auf verschiedenen Wegen hineinschnuppern. Bei uns hat man die Möglichkeit in persönlichen Kontakt zu treten. Gerade wir als Studenten können den Umstieg ins Studium besser beschreiben als ein Außenstehender. Es gibt nichts auf der Welt, was vollkommen ist. Auf diesem Weg können wir Schülerinnen und Schülern Tipps auf den Weg geben, die weiterhelfen. Constanze: Bei uns heißt das Konzept „Schülercampus-Scout“. Es ist schwierig zu sagen, ob wir dadurch eine Vorreiterrolle einnehmen. Die Zahl der Teilnehmer ist sehr beschränkt und ausgewählt. Die meisten Teilnehmer haben bereits die Entscheidung für eine Geistes- oder Naturwissenschaft getroffen und wissen was sie später grob machen möchten. An dieser Stelle kann natürlich gezielt spezialisiert werden - dafür ist der Schülercampus besonders geeignet. Marketingtechnisch ist unsere Universität sehr gut präsent und wir sind definitiv weiterhin auf dem richtigen Weg. Wir müssen das Studium im Allgemeinen, nicht nur das Fach näher bringen - das ist einfach fortschrittlich.

Was erhofft ihr euch persönlich von dem Konzept? Seht ihr irgendwelche Vorteile zu anderen Nebentätigkeiten?

Constanze Ohlmes studiert Deutsch und Geschichte auf Lehramt steht Teilnehmer Tag und Nacht zur Verfügung

Fotos: Konzeptundform GmbH

Viele Universitäten versuchen weitere Studierende für sich zu gewinnen. Während man an der GoetheUniversität Frankfurt schon von „Internationalisierung“ spricht, wird an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg überregionales Marketing versucht. Cynthia, wie würdest Du das Konzept „Studienbotschafter“ beschreiben und Warum ist es authentisch und nah?

Constanze: Ich studiere auf Lehramt. Da ist der Nutzen offensichtlich. Man fühlt sich wie auf einer Klassenfahrt. Neben organisatorischen Problemen trägt man eine gewisse Verantwortung und schult diese. An dieser Stelle sollte angemerkt werden, dass die Teilnehmer des Schülercampus sich sehr vorbildlich verhalten. Dieses Engagement findet man nicht oft - egal auf welchem Bildungsniveau. Ich merke, dass die Schüler lernen wollen. Für mich ist es natürlich auch eine Herausforderung mit

Studienbotschafterin Cynthia Flug, 25, aus Röblingen am See studiert Lehramt für Sekundarschulen mit den Schwerpunkten Geografie und Geschichte Sebastian Otto, 28 aus Halle (Saale) ist Studienbotschafter für die Sportwissenschaftler

80 Schülerinnen und Schülern mit der U-Bahn zu fahren. Auf jeden Fall wird man immer eine Erfahrung reicher. Benjamin Gilde als Hauptorganisator sollte erwähnt werden. Er legt eine unglaubliche Leistung und Motivation an den Tag, die einen selbst mitreißt. Cynthia: Der Kontakt mit anderen Menschen ist wichtig und man hilft ihnen weiter. Man kann ihnen eine Orientierung im Leben geben. Wir wollen einen Teil beitragen, dass die Universität Halle-Wittenberg erkannt wird und die Schülerinnen und Schüler eine Perspektive erhalten. Wir Studienbotschafter hatten erst vor kurzem eine Schülerin aus dem Raum Köln für ein Praktikum bei uns. Ihre Vorstellungen haben sich total gewandelt: Gerade Halle als mittelgroße Stadt im Osten schien für sie etwas langweilig. Wir Schülerbotschafter haben sie in das gesamte Studentenleben eingeführt. Mit der Zeit entdeckte sie die Schönheit der Stadt und die Freundlichkeit der Menschen – sie war begeistert und sicherte zu, dass sie wiederkommen werde.

Wenn ich Studienbotschafter werden möchte, welche Vorraussetzungen sollte ich mitbringen? Sebastian: Ein Studienbotschafter sollte auf jeden Fall mit Menschen interagieren können. Er sollte freundlich und offen sein und außerdem Ahnung von seinem Fach haben, damit er Interessierte genau informieren kann. Cynthia: Man sollte unbedingt einen gewissen Grad an Engagement besitzen. Gerade beim Blogging ist eine gewisse Kreativität elementar. Veranstaltungen und neuen Methoden sollte man offen gegenüberstehen. Wichtig ist aber auch, dass man sein Studium vertritt und davon überzeugt ist - man muss den Spaß an den Inhalten haben, damit die Meinungen anderer nicht verfälscht werden.

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Die Botschaft hören sie wohl, allein fehlt ihnen der Glaube

In der Stadt des Geldes benennt sich die Universität nach einem Dichter und Denker. Der Name passt wie die Faust aufs Auge. Ein Essay von Michael Rosenthal

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Die Namenswahl wirkt auf den ersten Blick etwas willkürlich, denn eigentlich sind vor allem andere Orte für Goethes künstlerisches Schaffen bekannt. Doch bei genauerer Betrachtung spiegelt der Name ideal den Zustand der Stadt wider. Goethe erschuf in seinem monumentalen Meisterwerk Faust den ersten global denkenden Kapitalisten. Er wandelte sich vom Gelehrten zum ausbeuterischen Unternehmer. Denn es ist wohl doch das Geld, „was die Welt im Innersten zusammenhält“.

Er nennt’s Vernunft Zu Beginn des zweiten Teils seiner Tragödie Faust liegt die Welt darnieder, die Regierung ist korrupt, die Reichen rauben die Gesellschaft aus. Dem Staat bleiben kaum flüssige Mittel. „Wo fehlt‘s nicht irgendwo auf dieser Welt? Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld.“, ist schon bald die Erkenntnis. Die Lösung ist uns schon bekannt: Mephisto schlägt das ungedeckte Papiergeld vor. Fortan leben die Menschen im überschwänglichen Luxus, nur produktive Investitionen fehlen, das Geld wird verprasst. Die Folge ist eine unaufhaltsame Inflation – das Problem ist keineswegs gelöst. Am Ende ziehen die Menschen wieder aus dem Palast ins enge Haus und die Welt geht in Anarchie und Armut unter. Niemand in dieser Stadt kann sagen, dass er nicht gewarnt wurde. Doch grau ist alle Theorie und in der Realität sind Wirtschaft und Wissenschaft zu

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Karikatur: Phil Hubbe

lickt man vom Campus der GoetheUniversität Frankfurt am Main, so sieht man sie gleich – die Machtzentralen des Landes. Sie sind ein Teil von jener Kraft, die unser Leben fest im Griff hält. Nirgendwo sonst in Deutschland häufen sich so viele Finanzinstitute. Verschlossenen Anzugträgern begegnet man daher überall in der Stadt, auch auf dem Uni-Campus. Die Universität am Pulsschlag des Geldes zeigt sich trotzdem gerne kreativ und weltoffen. Die Hochschule in Goethes Geburtsstadt schmückt sich bereits im Titel mit dem Namen des „Universalgenies“, wie sie auf der eigenen Website schreibt.

Goethe würde seine Ideen in der heutigen Bankenstadt Frankfurt Wiedererkennen

eng miteinander verwoben, als dass diese Vision jemanden aufhalten könnte. „Wie alles sich zum Ganzen webt, eins in dem andern wirkt und lebt!“, ließ Goethe Faust sagen und auch in Frankfurt hat dieser Leitspruch mittlerweile Einzug erhalten. Es kommt nicht von ungefähr, dass mit dem ehemaligen Deutsche-Bank-Chef Josef „Victory“ Ackermann mittlerweile auch der Inbegriff des Kapitalisten an dieser Universität sein eigenes Element lehrt. Die Wolkenkratzer wachen schon lange nicht mehr nur im bildlichen Sinne über die Universität. Viele in dieser Stadt handeln frei nach der Devise „Es fehlt das Geld. Nun gut, so schaff es denn!“. Wohin uns diese kurzfristig gedachte Profitgier führt, sehen wir jetzt tagtäglich in den Medien. Natürlich lässt sich trefflich darüber streiten, ob die Krise systembedingt ist und wie eine brauchbare Alternative aussehen könnte. Dennoch lehrt uns Goethe, was eigentlich allen bewusst sein sollte: Wir dürfen die

Lösung eines Problems nicht denen überlassen, die es verursacht haben.

Worte sind genug gewechselt Einige glauben dieses Problem erkannt zu haben und kampieren vor der Europäischen Zentralbank. Das Occupy-Dorf fordert ein alternatives Wirtschaftssystem, doch Antworten können auch sie nicht bieten. Die Aktivisten sehen in den Bankern das personifizierte Böse, ihre Gegner. Doch „sie streiten sich um Freiheitsrechte, genau besehen sinds Knechte gegen Knechte“, so trifft Goethes Mephisto des Pudels Kern. Erst diejenigen, die erkennen, dass wir alle in der gleichen miesen Situation stecken, können uns gemeinsam in eine bessere Zukunft führen. Die Wirtschaft ist für viele von uns ein Buch mit sieben Siegeln. Umso wichtiger ist es, sich damit auseinanderzusetzen. In der heutigen globalisierten Welt sind

wir alle von voneinander abhängig. Jeder Einzelne sollte versuchen, sich über die Vorgänge um sich herum zu informieren. Es müssen nicht immer die, häufig selbsternannten, Experten als Quellen sein. Wer versucht, sich ein eigenes Bild von der Lage zu machen, wird sicherlich darin erfolgreich sein. Hoffentlich macht es der Nachwuchs ein wenig besser, dass wir nicht enden wie in Goethes Faust. Wir können, wir müssen nur wollen.

Michael Rosenthal 18 Jahre, Bremen

Fehlt ein Gerät, das selbstständig Autorenkästen schreibt.


Petrologie für Drittklässler

Die Erklärung des Salztracer Experiments scheint normalerweise für Kinder zu kompliziert – nicht für die Mini-Studenten der Kinder-Uni. Hier wird 3. bis 6. Klässlern die geheimnisvolle Welt der Wissenschaft anschaulich vermittelt. Lisa BrüSSler berichtet für politikorange.

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aruuum?“ Diese Frage dürfte Eltern zur Genüge bekannt sein. Doch Not macht erfinderisch. Im Rahmen der Kinder-Uni wird die kindliche Neugier und Experimentierfreudigkeit jetzt an vielen Universitäten Deutschlands unterstützt, so auch in Frankfurt. Acht bis zwölfjährige Schüler können sich hierbei mit Astrophysik, Chemie aber auch Literaturwissenschaften beschäftigen und Themenbereiche kennenlernen, die der Schulunterricht nicht abdecken kann.

Wie alles begann Im Juni 2002 riefen die beiden Journalisten Ulla Steuernagel und Ulrich Janssen die Kinder-Uni-Vorlesungsreihe ins Leben. Es entstand eine Kooperation zwischen der Lokalzeitung „Schwäbisches Tageblatt“ und der Universität Tübingen. Diese gab das Startsignal für die erste Kinder-Uni Vorlesung zum Thema Geowissenschaften, die rund 400 Kinder begeisterte. Der Geowissenschaftler Gregor Markl berichtet als erster Kinder-Uni-Professor: „Die erste Vorlesung war aufregend! Es waren sehr viele Kinder da und ich hätte nicht gedacht, dass man so viele Kinder auf einmal für die Dauer eines Vortrages

einigermaßen ruhig halten kann“. In der sie in ihrem schulischen und häuslichen Vorlesung ging es um die Frage „Warum Alltag nicht ohne weiteres in Berührung speien Vulkane Feuer?“. Eine Frage, die kommen. Darum heißt unser Motto auch: vielleicht nicht unbedingt jeder Erwach- ‚Neugier auf Neues‘. Mehr hören, mehr sene hätte beantworten können. sehen, mehr wissen“, so Peter Brammer. In den folgenden Jahren gründeten In Göttingen gibt es zudem eine Besonimmer mehr Universitäten und Hochschu- derheit: die Jungstudierenden können eilen Kinder-Unis. Derzeit sind rund 80 Uni- nen Kurzvortrag zu ihrem Lieblingsthema vorbereiten und ihn vor dem Auditorium versitäten Deutschlands beteiligt. An der Georg-August-Universität Göt- vortragen. tingen gibt es unter der Leitung von Peter Die Kinder-Uni kann mit dem WeBrammer jedes Semester ein spannendes cken von Spezialinteressen und der VerProgramm von sechs Vorlesungen, Semi- einfachung von Wissenschaft schon Einaren und Workshops, in denen die Kin- niges leisten: eine frühe Begeisterung der der sich ausprobieren und selbst forschen Kinder für die Wissenschaft, Vermittlung von Spaß am Lernen und der erste Kontakt können. Wer die Kinder-Uni besucht, er- mit einer anderen Bildungsinstitution als hält einen Studienausweis, auf dem alle der Schule. besuchten Veranstaltungen eingetragen Aber nicht nur für die Kinder, sonwerden. Hat das Kind wenigstens fünf dern auch für die Professoren stellen solVeranstaltungen besucht, erhält es eine che Veranstaltungen eine Herausforderung Urkunde und kann an einer Preisverlosung dar, sagt der Kinder-Uni Pionier Markl: teilnehmen. „Eine kindgerechte Sprache, anhand von Grafiken Erklärungen abgeben, mal einen Scherz einfließen lassen und vor allem Die Wissenschaftler von viele Fotos sind mein Rezept. Die Kinder morgen waren insbesondere von den vielen Fotos „Die Kinder-Uni möchte keine Konkurrenz gebannt, die ich verwendete. So kann man zur Schule sein. Wir möchten den Kindern gut Aufmerksamkeit einfangen.“ interessante Themen anbieten, mit denen

Im Dezember 2005 erhielt die „Kinder-Uni“ den Descartes-Preis, die höchste Auszeichnung für wissenschaftliche Projekte, die die Europäische Union zu vergeben hat. Frühzeitige Interessenförderung und ausreichend Vorbereitungsmöglichkeiten für die Schüler sind durch Veranstaltungen wie die Kinder-Uni oder den Schülercampus in jedem Fall gegeben. Trotzdem muss darauf geachtet werden, dass der Leistungsdruck nicht die Überhand gewinnt und Kinder auch weiterhin die Möglichkeit haben, Kind zu sein. Dazu gehört seine Freizeit genießen zu können und anstatt „Petrologie“ auch noch „Steinkunde“ sagen zu dürfen.

Lisa Brüßler 20 Jahre, Göttingen Hat öfters das Gefühl Wissenschaft und Wissenschaftlern fehlt es an Bodenhaftung.

Macht doch was ihr wollt

Lisa will Physik studieren. Paul interessiert sich für Kunstgeschichte. Total normal, oder etwa nicht? Statistisch ist die Studienfachwahl der beiden eher ungewöhnlich. Elise Zerrath von politkorange fragt warum?

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napp 30% der Erstsemester im Fach Physik an der Goethe-Universität Frankfurt am Main sind weiblich, im Fach Kunstgeschichte liegt der Frauenanteil bei rund 80%. Die Annahme hält sich hartnäckig: Jungs können gut mit Zahlen umgehen, Mädchen sind Sprachtalente. Mit der Wahl der Leistungskurse in der Oberstufe zeichnet sich der Trend ab: Jungs tendieren zu naturwissenschaftlichen und Mädchen zu sozial-kommunikativen Fächern. Ein Trend, der sich auch beim Schülercampus manifestiert. Von 40 Teilnehmern im geisteswissenschaftlichen Profil sind zehn männlich, im naturwissenschaftlichen Profil sind die Zahlen ausgeglichener – dank der ‚weiblicheren‘ Naturwissenschaft Biologie.

Spielend zum Geschlecht Trotz aller Wahlfreiheiten folgen wir geschlechtsspezifischen Entscheidungsmustern: Wie lässt sich das erklären? Einerseits ergibt sich unsere Persönlichkeit aus biologischen Veranlagungen, die sich zwischen den Geschlechtern un-

terscheiden. Anderseits entwickelt sich ein Großteil unserer Interessen und Neigungen durch unsere Sozialisierung in der Gesellschaft. Prägend ist dabei die Zeit in der Kindheit und Jugend: Wenn Jungen mit Bauklötzen und Lego spielen, erwerben sie früh ein räumliches Vorstellungsvermögen und ein Verständnis von technischen Zusammenhängen. Spielen Mädchen dagegen mit ihren Puppen, wird unbewusst ein Interesse an sozialen Berufen programmiert. Im Laufe der Schulzeit verfestigten sich bestimmte gesellschaftliche Erwartungen in den Köpfen der Kinder: Jungen streben selten an, ihre künstlerischen und musischen Fähigkeiten zu schulen, während umgekehrt die Leistungsfähigkeit von Mädchen in Naturwissenschaften tendenziell unterschätzt wird. Zumindest ein Teil der geschlechterspezifischen Interessen ist also erlernt und veränderbar.

Anteil von Studentinnen zu Studenten, lenbilder verinnerlicht und reproduziert fächerübergreifend betrachtet, ungefähr – Rollenbilder bei denen das Frausein auf gleich. Schaut man auf einzelne Fachbe- häusliche, erzieherische Tätigkeiten bereiche, werden geschlechtsspezifische Un- schränkt wird. Das geschlechtsspezifische Ungeterschiede deutlich. Im Gegensatz zu unseren Nachbarländern: In Großbritannien rechtigkeiten nicht nur Hirngespinste eiund den skandinavischen Ländern gibt es niger Feministinnen sind, spiegelt sich in wenig klar männlich oder weiblich domi- der finanziellen Vergütung von typischen Frauenberufen wider. nierte Studiengänge. Das ist sicherlich nur ein Aspekt von Unseren europäischen Nachbarn zu folgen, lohnt sich. Männer und Frauen ma- vielen, aber er zeigt, dass es sich lohnt chen verschiedene Erfahrungen in der Ge- Fragen zu stellen. Beeinflussen Ungerechsellschaft und können so unterschiedliche tigkeiten der Vergangenheit unbemerkt Perspektiven in die Forschung einbringen. unsere heutigen Situationen? Lisa und Ein männlicher Ethnologe hat beispiels- Paul machen einfach was sie wollen – der weise einen anderen Zugang zu einer richtige Weg. patriarchischen Kultur als eine weibliche Forscherin. Das Potenzial von weiblichen Arbeitskräften kann dagegen auch in Ingenieursberufen genutzt werden.

Grenzüberschreitung

Es geht aber nicht nur darum, dass das Durchbrechen von Strukturen praktischen Nutzen hat. Es geht um etwas viel Wichtigeres: Gerechtigkeit. Durch Sozialisationsprozesse werden längst überholte Rol-

Und tatsächlich verändern sich die Dinge. Seit rund 110 Jahren dürfen Frauen Universitäten besuchen, inzwischen ist der

Rollen Entstauben

Elise Zerrath 25 Jahre, Lübeck/ St. Andrews/ Reykjavik

Würde sich gern von einem Ort zum anderen beamen können – Scotty, wo steckst du?

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Experimentierstunde!

Warum haben Marien­ käfer Punkte? Marienkäfer gelten als Glückssymbole und sind die wahrscheinlich beliebtesten Krabbeltierchen. Doch was hat es nun wirklich mit den schwarzen Punkten auf sich? Jede Marienkäfersorte hat von Geburt an die gleiche Anzahl von Punkten auf dem Rücken, die sich für den Rest ihres Lebens nicht mehr verändert. Sicher können wir somit sagen, dass die Anzahl der Punkte nichts mit dem Alter der Marienkäfer zu tun hat. Vielmehr verwendet man die Anzahl der Punkte zur Bezeichnung der speziellen Art. So gibt es den „Zweipunkt-Marienkäfer“ oder den „Vierzehnpunkt-Marienkäfer“. Ob die Punkte allerdings einfach eine Laune der Natur sind oder zur Abschreckung dienen, bleibt fraglich.

Wie entsteht ein Stau? „Stau und stockender Verkehr“ – der wahrscheinlich unbeliebteste Satz während einer Autofahrt – wie aber entsteht ein Stau? Meistens gab es einen Unfall, der zu einem Stau führt, aber es passiert auch manchmal, dass die Staus wie aus dem Nichts plötzlich da sind – so genannte „Phantomstaus“. Bei dieser Frage hilft uns das Nagel-SchreckenbergModell weiter. Dieses Modell erläutert den „Stau aus dem Nichts“ als Folge von Überreaktionen beim Bremsen der vorausfahrenden Fahrzeuge, bei kurzfristiger Geschwindigkeitsschwankungen und beim verzögerten Beschleunigens. Es wurde nachgewiesen, dass sich diese Reaktionen von Fahrzeug zu Fahrzeug verstärken, bis das erste Fahrzeug zum Stillstand kommt – ein Stau aus dem Nichts entsteht.


Wie extrahiere ich DNA aus einer Erdbeere? Wir brauchen: ■■ Erdbeere ■■ Spülmittel ■■ Salz ■■ Eiskaltes Isopropanol oder Brennspiritus ■■ Tee- und Esslöffel ■■ Plastiktüte ■■ Glas

Laborkittel an, Schutzbrille auf und losgelegt:

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Packt die Erdbeere in eine Plastiktüte und zerdrückt die Frucht zu Brei. Vermischt den Brei mit einem Esslöffel Spülmittel und einem Teelöffel Salz im Beutel. Anschließend gebt ihr den Brei in ein Glas und gießt langsam 30ml eiskaltes Isopropanol oder Brennspiritus am Rand des Gefäßes entlang zu dem Brei, sodass sich das Isopropanol als flüssige Schicht über den Brei legt.

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Nach circa einer Minute bildet sich die DNA als weißer Schlier in der Isopropanol-Schicht heraus.

Warum stinkt es, wenn man pupst? Pupsen ist eine der normalsten Sachen auf der Welt. Zuviel Luft bei der Verdauung führt zu Blähungen. Bakterien, die im Darm bei der Verdauung mitwirken, sind Schuld an dem Geruch, der beim Pupsen entsteht. Sie scheiden Gase, bestehend aus Wasserstoff, Kohlendioxid und Methan, aus, die zu dem unangenehmen Geruch führen. Wie der Pups nun ganz genau riecht, hängt davon ab, was man zuvor gegessen hat. So riechen verdaute Eier stark nach Schwefelwasserstoff. Diese Schwefelgase können sogar so gefährlich sein, dass einige Museen spezielle Filter einrichten, die den Schwefel herausfiltern. Schwefelgase haben nämlich die Eigenschaft Kunstgegenstände, die Silber enthalten, zu beschädigen.

Et voilá habt ihr extrahierte DNA, die ihr jetzt unter dem Mikroskop genauer beobachten könnt.

Wie entstand der Mond? Der Mond übt vielfältige Einflüsse auf Menschen und Natur aus, so werden zum Beispiel Ebbe und Flut in den Weltmeeren durch den Mond gesteuert. Über seine Entstehung können heutzutage allerdings nur Vermutungen aufgestellt werden. Es wird angenommen, dass der Mond durch einen Zusammenstoß der Erde mit einem großen Himmelskörper vor mehreren Milliarden Jahren entstand. Dabei soll ein Teil der Erde durch den Zusammenstoß abgelöst und mit dem kleineren Planeten vermischt worden sein. Ein Teil der Trümmer sollen sich zum Mond formiert haben, der Rest stürzte auf die Erde zurück.


Exklusiveinblick Geisteswissenschaft

Elise Zerrath war für politikorange bei einem Seminar der Kunsthistoriker und besuchte einen Ethnologie-Workshop über Menschenrechte. Fabian Schäfer sprach mit Professor Dr. Vinzenz Hediger über sein Seminar zu Einblicken in die Filmwissenschaft.

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ugen zu öffnen – das war das Ziel des kunsthistorischen Seminars „Drunter und drüber – Der Entstehungsprozess von niederländischen, deutschen und italienischen Tafelbildern im 15. und 16. Jahrhundert“ unter der Leitung von Prof. Dr. Jochen Sander. Kunstgeschichte wird in der Schule höchstens am Rande behandelt; entsprechend stellte die geisteswissenschaftliche Materie für viele der zehn Teilnehmer Neuland dar. Letztendlich „sieht man nur das, was man schon kennt“, so Sanders. Der Schritt in die unentdeckte Welt lohne sich aber umso mehr, denn kennenzulernen, gibt es immer viel. Von der Werkentstehung bis hin zur Bildbotschaft, vom verwendeten Material bis hin zur dargestellten Perspektive – jedes Werk hat seine faszinierenden Feinheiten und erzählt seine eigene Geschichte. Die Seminarteilnehmer hatten das Glück, durch einen ausgewiesenen Experten – Prof. Dr. Sander hat neben seiner Professur auch die Vize-Präsidentschaft des Städel-Museums inne – einen ‚neuen Blick‘ auf alte Werke gewinnen zu können. Durch die Beschreibungen der Prozesse der Werkentstehung konnten die Schüler dem Künstler „quasi über die Schulter schauen“. Auf diese Weise wurde den Seminarteilnehmern eine Perspektive eröffnet, die Vielen auf den ersten Blick verschlossen bleibt. Mit einem geschärften Blick konnten die Teilnehmer am Ende des Tages einige Werke des Städel-Museums analysieren: Der nächste Museumsbesuch findet für einige der Schüler sicherlich unter einem ganz anderen Blickwinkel statt.

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enschenrechte sind universell, sie erheben den Anspruch, für alle Menschen weltweit Gültigkeit zu besitzen. Was aber, wenn kulturspezifische Rechte im Gegensatz zu den Menschenrechten stehen? Ist beispielsweise das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit vereinbar mit religiöser Beschneidung? Spiegelt der Menschenrechtsdiskurs mit seinem Fokus auf Individualrechte eine westliche Sicht wieder und verkennt vielleicht die Wichtigkeit von Gemeinschaftsrechten in einigen indigenen Kulturen? Mit diesen und noch mehr Fragen beschäftigten sich die Teilnehmer des Ethnologieworkshops auf dem Schülercampus. Die Frage über das Verhältnis zwischen kulturellen Rechten und Menschenrechten wird innerhalb der Disziplin Ethnologie kontrovers diskutiert – ideal geeignet um den acht Teilnehmern einen spannenden Seminartag zu garantieren. In Zusammenarbeit mit dem Exzellenzcluster „Herausbildung Normativer Ordnungen“ wurde das Seminar unter der Leitung von der Ethnologin Prof. Dr. Susanne Schröter ausgerichtet. Die Schüler konnten sich so nicht nur ein Bild von der Debatte, sondern auch anhand praktischer Forschungsarbeiten von der wissenschaftlichen Herangehensweise in der Disziplin Ethnologie machen. „Denn viele wissen nicht, was Ethnologie als Fach beinhaltet“, so Schröter. Durch den kultursensiblen Ansatz von Ethnologen wurden die Teilnehmer mit der Ambivalenz von Menschenrechten vertraut: auf der einen Seite als empfundenen Neokolonalismus und auf der anderen Seite als emanzipatorisch-wirkende Errungenschaft. Am Ende eines interessanten und erschöpfenden Tages war klar, dass es eine funktionierende Wechselbeziehung geben kann: Menschenrechte, die kulturelle Spezifika nicht aus dem Auge verlieren und kulturelle Rechte, die sich an den Menschenrechten orientieren.

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ilme gehören zu unserem Alltag – ob 3D-Blockbuster oder schnulzige Liebeskomödien. Die bewegten Bilder verstehen wir als Mittel zur Unterhaltung, doch im Film steckt mehr, weiß Prof. Dr. Vinzenz Hediger von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Der sympathische Schweizer schreibt dem Medium Film eine große kulturprägende Kraft zu. Auf dem Schülercampus bot Hediger einen fünfstündigen Workshop im Deutschen Filmmuseum mit dem Thema „Eine Kunst zwischen Traum und Technik: Der Film als Gegenstand geisteswissenschaftlichen Denkens“ an. Hier macht er deutlich, wie und weshalb Filme wissenschaftliches Interesse hervorrufen und eben mehr sind als bloße Unterhaltung. Anhand des französischen Dokumentarfilms „Nacht und Nebel“ aus dem Jahre 1955 zeigte Hediger die zeithistorische Bedeutung von Filmen. „Es war der erste Film, der sich mit den Gräueltaten des Dritten Reichs auseinandersetzte“, erklärt der Professor für Filmwissenschaft seine Wahl. Hediger sieht diesen Film als „ein wichtiges Zeichen für die wenig fortgeschrittene Vergangenheitsbewältigung in der jungen Bundesrepublik. Es tauchen sowohl gesellschaftliche, politische, als auch kulturelle Komponenten in ‚Nacht und Nebel‘ auf, weshalb er von vielen Seiten rundum analysiert werden kann“, ergänzt Hediger. Bei seinem Workshop, der in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Filminstitut durchgeführt wurde, lernt man, was Filmwissenschaft überhaupt ist. „Jeder weiß, wie ein Film funktioniert und kennt die dazugehörigen Konventionen. Wir bieten zuerst einmal das technische Vokabular, um beschreiben zu können, was man eigentlich schon weiß.“ Wer also mehr über Filme wissen wollte, als er schon wusste, der war im Workshop genau richtig.

FruchtflEisch Ich erwarte von meiner Universität ... „Meinung“

„Förderung“ Fotos: Paul Wagner

„Leidenschaft“

Franziska, 17 Jahre Herford „ … dass ich dort erleben kann, was mich interessiert und mir am Herzen liegt. Ich möchte in der Uni auf das Leben vorbereitet werden.“

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Vera, 17 Jahre Königsstein „ … dass sie mir die Freiheit bietet, auch eigene Schwerpunkte zu setzen und zu wechseln. Ich möchte dort gerne unabhängiger werden.“

Jaspers, 17 Jahre Emden „ … dass sie mich nicht ins kalte Wasser wirft und trotzdem Selbstständigkeit einfordert. Daher darf es keine Zwänge geben.“


Brotlos glücklich

„Und was willst du damit einmal machen?“ Jeder Geisteswissenschaftsstudent kennt diese Frage zur Genüge. Die 40 Teilnehmer des geisteswissenschaftlichen Schülercampus erforschten bei Frankfurter Medienunternehmen und Stiftungen mögliche Berufsperspektiven. Sophie Hubbe, Lisa BrüSSler und Elise Zerrath berichten.

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Uhr, Telefone klingeln, Tasten klackern und im Newsroom der Frankfurter Rundschau beginnt der journalistische Arbeitstag mit der morgendlichen Redaktionssitzung. Sechs Teilnehmer des Schülercampus hatten am Donnerstagmorgen die Möglichkeit, eine Tageszeitung in ihrem Entstehungsprozess zu begleiten. Mit der Chefin vom Dienst höchstpersönlich, Kira Frenk, konnten die Schüler ins Gespräch kommen und sie über ihren Werdegang ausfragen. Auch der Ausbildungsredakteur Werner Neumann, der sich bei der Frankfurter Rundschau um Praktikanten und Volontäre kümmert, erzählte aus seinem Erfahrungsschatz im Umgang mit angehenden Journalisten. Und Fragen haben die neugierigen Schüler viele: wie man Auslandskorrespondent wird, welche Nischenstudienfächer empfehlenswert sind und was ein Chef vom Dienst überhaupt macht. Mit einem Schwank aus ihren eigenen journalistischen Anfängen sorgt Kira Frenk für Erheiterung: „Während meines Volontariats in Nordhessen habe ich mich oft geärgert, auf dem Land festzusitzen und in Schwesternwohnheimen zu wohnen. Die Mitarbeit in einer Lokalredaktion ist aber sehr lehrreich, weil man viel frei schreiben darf.“ Derzeit nimmt die Frankfurter Rundschau zwei Volontäre pro Jahr auf, die aus einem Bewerberpool von 300

ermittelt werden. Die Qualität der Bewerbungen ist dabei sehr hoch und die Auswahl gleicht oft einem Lotteriespiel. In Zeiten des Internets wird das Printmedium Tageszeitung immer mehr vom Rotstift dominiert. Aktuelle Neuigkeiten entnehmen die Leser lieber den schnellen Online-Nachrichtendiensten und so passen sich auch die Profile der Zeitungen immer mehr diesem wachsenden Trend an. Doch Frenk beruhigt: „ Zwar werden wir Tageszeitungen weniger Kurzmeldungen abdrucken, doch ausführliche Reportagen, das eigentlich große journalistische Handwerk, werden immer eine Leserschaft finden.“ Redakteursstellen werden trotzdem gekürzt und zusätzlich wird immer mehr auf Freie Mitarbeiter zurückgegriffen. Auch Neumann nimmt dem jungen Journalisten zunächst einmal den Wind aus den Segeln. Man müsse sich dem Risiko bewusst sein und kann nicht mit hohen Gehältern oder festen Anstellungen rechnen, aber Journalist wird, wer sich wirklich dafür begeistert. „Wir brauchen auch weiterhin gute Journalisten“, so Neumann. Ein großer Pluspunkt im Kampf um Praktika- und Volontariatsstellen sei es, sich im naturwissenschaftlichen Bereich auszukennen, denn 90% der Bewerber sind studierte Germanisten, Politologen oder Historiker. Einen Mediziner, der auch noch gut schreiben kann, würde wahrscheinlich

kein verantwortlicher Redakteur so schnell ablehnen. Das Wichtigste ist es aber, frühzeitig Erfahrungen zu sammeln. „So sicher wie das Amen in der Kirche, kommt die Frage nach den Praxiserfahrungen beim Bewerbungsgespräch“, so Neumann.

Berufsfeld Stiftungsarbeit Bei dem Exkurs in das Berufsfeld „Stiftung“ stand Daphne Lipp von der Frankfurter Stiftung Polytechnische Gesellschaft den fünf Schülern Frage und Antwort. Seit 2006 gibt es die Stiftung und Frau Lipp ist seit Beginn dabei. Eingestiegen als Trainee, arbeitet die studierte Soziologin und Politikwissenschaftlerin inzwischen als Projektleiterin. Stiftungen, so erklärt sie, legen eine große Summe Geld als Stiftungskapital an und können durch die Zinsen Projekte oder Stipendien langfristig finanzieren. Wer und was gefördert werden soll, ist den Gründern der Stiftung überlassen. Die Stiftung Polytechnische Gesellschaft hat beispielsweise ein sehr breites Förderspektrum und unterstützt Projekte aus Kunst, Kultur, Bildung und Wissenschaft – übrigens auch den Schülercampus. So vielseitig wie die Projekte, ist auch der Arbeitsalltag von Frau Lipp. Kein Tag ähnelt dem anderen; Abwechslung ist

bei ihr die einzige Konstante. Neben der Unterstützung von Antragsstellern besucht sie Projekte und vertritt die Stiftung bei Pressekonferenzen. Mag das Berufsprofil auch noch so facettenreich sein, eine sichere Anstellung im Stiftungswesen zu finden, ist kein Kinderspiel: einschlägige Praktika werden vorausgesetzt, viele Verträge sind befristet und die Gehälter nicht vergleichbar mit denen der freien Wirtschaft. Am besten orientiere man sich schon im Studium und sammle Berufserfahrungen, so der Rat von Lipp. Sie verschweigt aber nicht, dass der Weg in den Beruf selten geradlinig verläuft, besonders unter Geistes- und Sozialwissenschaftlern. Grund zur Sorge? Mitnichten. Die schlangenförmige Vita von Frau Lipp beweist, dass das Glück häufig auf Umwegen zu finden ist.

Sophie Hubbe, Lisa Brüßler und Elise Zerrath Auf der Suche nach dem Leben abseits der Uni.

Nicht alle tragen Kittel

Naturwissenschaftlern stehen viele Karrierewege offen. Bei einer Podiumsdiskussion stellten der Forscher Privatdozent Dr. Joachim Koch und der Berater Dr. Peter Dinkelaker ihren Lebenslauf vor. Michael Rosenthal war dabei.

Joachim Koch ist Forscher, häufig muss er jedoch wie ein Manager denken: Mitarbeiter motivieren, Gelder eintreiben und Ergebnisse verkaufen. Seine Produkte sind wissenschaftliche Veröffentlichungen. Joachim Koch forscht mit seiner Arbeitsgruppe an einer neuartigen Krebstherapie. Der studierte Biologe arbeitet im Team mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Fachbereichen zusammen. Die klassischen Grenzen verschwimmen immer mehr, Interdisziplinarität ist gefragt. Jeder Naturwissenschaftler kann sich notwendige Fachkenntnisse auf diesem Weg aneignen. Der Blickwinkel einer anderen Wissenschaft ist zunehmend von Bedeutung. Koch begeisterte sich schon früh für die Natur, sein Studienwunsch Biologie stand für ihn daher schon sehr früh fest. Anders als viele seiner Kommilitonen, die bereits im ersten Semester ihren späteren Beruf klar im Blick hatten, legte er sich nicht endgültig fest. Wurde er noch am Institut für Molekulargenetik zum Dr.

promoviert, beschäftigt er sich in seiner Habilitationsschrift mit der Biochemie. Selbstdisziplin zeichnet seiner Meinung nach einen erfolgreichen Forscher aus. Forschungsthemen können selbst gewählt werden, die dazugehörige Lösung muss anschließend allerdings auch eigenständig erforscht werden

Der Berater

Welt verschlägt. Zu seinen Aufgaben gehört das strukturierte und analytische Auswerten von Daten. Damit unterstützt er Entscheidungsträger bei ihren Aufgaben. Er sieht sich daher nicht als klassischer „Verkaufsmanager“, sondern als Analytiker. Mittlerweile unterstützt er eine kleine Bank, seine Arbeitszeiten haben sich normali-

siert. Er weiß noch nicht, ob er dauerhaft in diesem Beruf bleiben möchte, trotz der vielseitigen Projektarbeit fehle ihm die Abwechslung. Mit der naturwissenschaftlichen Ausbildung haben seine Aufgaben auf dem ersten Blick wenig zu tun, dennoch profitiert er enorm von der gelernten, strukturierten Denkweise.

Peter Dinkelaker ist eigentlich Kernphysiker. Dennoch zog es ihn durch einen Zufall in die Unternehmensberatung. Schon während seines Studiums gründete er gemeinsam mit Freunden ein eigenes Unternehmen. Die Physik sah er irgendwann als zu eng, zu begrenzt an. Daher erschien ihm das Beratungsgewerbe ideal: Projekte in verschiedenen Unternehmen versprachen einen vielseitigen Einblick. Die Bedingungen sind hart: Für sein erstes Projekt pendelte er zwischen New York und Zürich, während seine Frau schwanger war. Oft wusste er an einem Tag noch nicht, wohin es ihn am nächsten Morgen auf der

Foto: Paul Wagner

Der Forscher

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Zur p e r s on Mit seinem Üsterreichischen Akzent unterstreicht Vize-Präsident Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz seine gute Laune und die besondere, humorvolle Art.

Foto: Paul Wagner

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» Ich breche mittlerweile Lanzen für Frankfurt « Kaiserschmarrn meets äppelwoi

Der Schülercampus 2012 scheint in den Augen von Uni Vize-Präsident Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz ein voller Erfolg zu sein. Wie der östereicher sein Leben gestaltet und die Nähe zu Studierenden aufrecht erhält, verriet er im Interview mit Philippe Fischer.

Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns nehmen, Herr Schubert Zsilavecz. Lassen sie uns zu Beginn einmal spekulieren: Wo sehen Sie die Goethe-Universität Frankfurt am Main in 20 Jahren? Das ist eine sehr gute Frage. Ich wünsche mir, dass wir in 20 Jahren viele Studierende aus dem gesamten Bundesgebiet haben und insbesondere Studierende aus dem Ausland. Wir sind nach wie vor regional anerkannt, aber wir streben natürlich eine Internationalisierung an. Im Kleinen heißt das natürlich, besonders motivierte Studierende zu gewinnen; das ist mir wirklich ein Anliegen. Wir haben international einzigartige Schwerpunkte, die man als Anreiz nutzen sollte. Es stehen weiterhin große Forschungsprojekte auf unserem Plan. Aber Studierende brauchen auch eine gute Lehre. Eine Uni, die nicht in der Lage ist, gut zu unterrichten, hat mittelfristig verspielt – da bin ich mir ganz sicher.

Wenn es ein Projekt wie den Schülercampus zu ihrer Jugendzeit gegeben hätte, hätten Sie das Angebot genutzt? Natürlich. Die Hoffnung ist ganz klar definiert: Schüler brauchen Orientierung und zuverlässige Informationen – keinen Hochglanzflyer. Wenn man authentische Informationen vor Ort bekommt und sich einen Eindruck machen kann, ist man am besten aufgehoben.

Einmal im Jahr verlegen Sie ihren Wohnort in eines der Studentenwohnheime. Etwas untypisch für einen Professor – wie kamen Sie auf die Idee und warum? Die Antwort ist ganz einfach. Ich möchte die Universität in ihrer Gesamtheit aus der Perspektive der Studierenden sehen und das besonders im Kontext derer Wohnsituation. Es wird schnell gesagt: Das hier sei eine tolle Universität und man habe eine hübsche Wohnung außerhalb der Stadt. Dies trifft aber nicht die Lebenswirklichkeit eines Studierenden.

Gab es in ihrer Zeit im Wohnheim einschlägige Ereignisse, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind? Ich hatte tolle Erlebnisse – unter anderem bei meinem letzten Wohnungsaufenthalt: Ich bin mit anderen Stu-

denten in ein Wohnheim eingezogen, das zuvor ein Polizeirevier war. Ich habe dort schnell neue Kontakte geknüpft. Es gab ein Grillfest, zu dem ich auch meine Kollegen eingeladen habe – da war eine Top-Stimmung. Eigentlich ist es das, was man öfter haben sollte. Ich bin nicht für Fraternisierung, aber man kann doch trotzdem nebeneinander wohnen und sich nett austauschen.

In anderen Belangen scheint ihr Privatleben auch sehr studentisch zu sein. Man hört von DJ-ing oder Kochabenden. Woher nehmen Sie diese Kreativität? Ich bin da selbstmotiviert und ich glaube, dass wir etwas voranbringen müssen. Mir ist jedes Mittel recht, um Ziele zu erreichen. Bei meinem DJ-Auftritt ging es mir darum, das Projekt „Deutschlandstipendium“ voranzubringen, sichtbar und bekannt zu machen. Man kann sich natürlich fragen: Bringt es etwas, wenn du dich dort hinstellst und Platten auflegst? Am Ende bleibe doch sowieso nur der Reinerlös von 2000€. Die eigentlichen Einnahmen bilden jedoch nur einen Teil des Gewinnes; es geht um Awareness, das Bewusstsein.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen? Nach meinem Auftritt als DJ stand ich in der Nacht an der Bar und neben mir ein Ehepaar, ungefähr mein Alter. Wir kamen ins Gespräch: „Wir haben über ihren Auftritt im Radio gehört. Außerdem studieren unsere Töchter an der Goethe-Uni. Da könnten wir doch mal hingehen und uns das anhören, dachten wir.“ Nach dem Gespräch sicherte der Ehemann seine Unterstützung für das Projekt zu. Am nächsten Tag tätigte er dann anonym, ohne alles an die große Glocke zu hängen, eine Spende in Höhe von mehreren tausend Euro und das ist das Besondere.

Auf der anderen Seite arbeiten Sie auch journalistisch in Fachmagazinen der Pharma-Industrie und sitzen in vielen bedeutenden Gremien. Wie kommt es dazu? Ich bin ein Workaholic und hab mir vorgenommen, dass ich eine endlich lange Zeit maximalen Einsatz abliefere. Ob das in fünf Jahren noch so ist, wird man sehen. Vielleicht habe ich dann bereits viele Funktionen aufgegeben und mache etwas anderes. Aber jetzt bin ich in diesem Bereich kreativ und möchte wirklich etwas voranbringen!

Wissenschaftsjournalismus gibt es jetzt auch als eigenes Studienfach – haben Sie journalistische Erfahrungen und wie gefällt Ihnen die redaktionelle Arbeit? Die gefällt mir sehr gut. Ich bin der Auffassung, dass wir in der Universität eines erreichen müssen: Wir müssen es schaffen – stärker als bisher – Ergebnisse der Grundlagenforschung so zu übersetzen, dass die Fachleute von heute davon profitieren. Medizinische Forschung findet heute auf höchstem Niveau statt. Das hat mit der praktischen Arbeit eines Arztes, der täglich seine Patienten versorgt, nichts zu tun. Dennoch braucht man eine Anbindung an das neue Wissen, der Arzt kann dafür nicht die medizinische Literatur lesen. Man muss so etwas übersetzen und erklären. Deshalb schreibe ich gerne Editorials für Fachzeitschriften – national und international. Ich sitze oft tagelang mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammen und wir überlegen uns, welche Botschaft transportiert werden soll. Man muss den Artikel wissenschaftlich, verständlich und mit einer subjektiven Meinung präsentieren, die immer geprägt ist von unseren eigenen Erfahrungen.

Vielen Dank für das Gespräch Herr Schubert-Zsilavecz, aber eine Sache möchten wir noch wissen: Was für Musik legen Sie im Club auf? Ich versuche immer eine gute Mischung aufzulegen, aber guter österreichischer Pop/Rock darf dabei natürlich nicht fehlen …

Philippe Fischer 17 Jahre, Braunschweig

Erfindet eine endlose Energiequelle – das spart ebensolche Diskussion.

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Debatt e

Karrierist oder Selbstfindungstrip

Foto: Paul Wagner

Was kommt nach der Schule? Mit einem Freiwilligenen Sozialen Jahr (FSJ), einem Backpackertrip oder eben auch dem Studienbeginn bestehen zahlreiche Möglichkeiten. Valentin Dornis behält die Karriere im Blick und plädiert dafür nach der Schulzeit direkt ein Studium anzuschlieSSen. Juliane Jesse findet eine Auszeit muss nicht gleich eine Lücke im Lebenslauf bedeuten.

PRO

Kaum ist das Abitur in der Tasche, schon geht der Stress von vorne los: Studiengang auswählen, Bewerbungen abschicken und eventuell den Umzug organisieren. Warum nicht einmal ein Jahr Pause machen, um die Welt zu bereisen, Praktika zu absolvieren oder mal ordentlich Geld zu verdienen? Oft wird die Zeit nach dem Abitur als „letzte Chance“ gesehen, noch einmal zu tun, worauf man Lust hat, bevor es nach dem Studium in den Beruf geht. Doch häufig kann man es sich in Zeiten von anspruchsvollen AssessmentCentern und umfangreichen Anforderungen an die Bewerber einfach nicht mehr leisten, später in den Beruf einzusteigen. Arbeitgeber fordern möglichst früh möglichst viel Berufserfahrung und dafür ist ein zügiges Studium meist obligatorisch. Außerdem sind viele Studiengänge, auch dank des Bologna-Prozesses, mindestens in Europa ähnlich. Wer unbedingt in das Ausland möchte, kann das meist auch umsetzen – und dies gleich mit dem künftigen Beruf verbinden. Diese Art von Auslandserfahrung ist bei Bewerbungen gerne gesehen und zeigt wesentlich mehr Zielstrebigkeit als ein Jahr Schafe hüten in Peru. Doch viele Abiturienten stehen nach ihrem Abschluss vor der Frage: Was will ich überhaupt machen? Die „Pause danach“ wird oft als Chance gesehen, sich zu entscheiden. Doch mindestens zehn Wochen Schulferien pro Jahr für verschiedenste Praktika und Veranstaltungen wie den Schülercampus der Goethe-Universität Frankfurt am Main bieten genug Möglichkeiten, sich schon während der Schulzeit umfangreich zu orientieren.

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Das Problem ist, dass solche Möglichkeiten einfach zu selten genutzt werden. Deshalb: Spätestens in der Oberstufe sollten Schüler die Gelegenheit nutzen, sich in Ferienpraktika auszuprobieren und die Informationsveranstaltungen der Universitäten zu besuchen. So kann das Studium nahtlos an die Schulzeit angefügt werden, was noch einen Vorteil mit sich bringt, der oft unterschätzt wird: Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens, die sowohl in der Schule als auch an der Uni eine zentrale Rolle spielen, müssen nicht erst mühsam wieder erarbeitet werden. Denn wer ein Jahr lang nur Mangos bei den Koalas pflückt, verlernt es schlicht und einfach, viel von Hand zu schreiben, zielgerichtet zu analysieren und sinnvoll für Prüfungen zu lernen. Anforderungen, die auch ein Studium an die Studenten stellt. Die Phase nach dem Abitur birgt also die Chance, sich schnell und zielstrebig auf den Beruf vorzubereiten. Die Möglichkeit, jung zu studieren, kommt nicht wieder. Schafe hüten kann man danach immer noch.

Valentin Dornis 18 Jahre, Hagen Fehlt in der Wissenschaft die Vorsicht im Umgang mit neuartigen Erkenntnissen.

CONTRA

Ein Studium nach dem Abitur stand für mich schon immer auf dem Plan, auch lange vor meinem Abschluss. Ich wusste auch schon immer, dass es Journalismus sein soll. Trotzdem habe ich nach der Schule nicht gleich mit dem Studium begonnen – aus gutem Grund. Nachdem ich viele Jahre pausenlos die Schulbank gedrückt hatte, wollte ich Abwechslung vom ständigen Pauken und Lesen. So entschied ich mich für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Kultur. Das dort Gelernte hat mir später im Studium viel geholfen. Kommilitonen, die direkt von der Schule kamen, machten auf mich oft einen kükenhaften, naiven Eindruck. Das FSJ hat meinen Horizont erweitert und mich auf das selbstständige Arbeiten an der Hochschule vorbereitet. Ich habe eine neue Stadt und neue Leute kennen gelernt, die mich in meiner Entwicklung noch einmal entscheidend geprägt haben. Gleiches gilt für einen Auslandsaufenthalt – für alle, die es während der Schulzeit nicht geschafft haben, ist das jetzt die Gelegenheit. Egal ob Au Pair, Work and Travel oder einfach nur Reisen – gute Sprachkenntnisse sind wichtig und die gewinnt man bekanntermaßen am Besten direkt vor Ort. Vor allem in Anbetracht der steigenden Zahl internationaler Studiengänge sind sie wichtig, aber auch in „normalen“ Studiengängen wird immer öfter ein hohes Sprachniveau voraus gesetzt. Nicht zuletzt sind Auslandserfahrungen heute bei vielen Arbeitgebern ein wichtiges Einstellungskriterium. ­Diese während des Studiums zu sammeln, ist mit unserem Bachelor-System, schwer zu kombinieren.

Doch vor allem für jene, die noch nicht genau wissen, was sie später einmal machen wollen, ist eine Auszeit ideal. In einem Praktikum kann getestet werden, ob einem die ins Auge gefasste Fachrichtung wirklich liegt und den Vorstellungen entspricht. Dafür sollte man auf jeden Fall einige Wochen, vielleicht auch Monate einplanen. Natürlich hat man so auch ausreichend Zeit, um von den Schnupperwochen der Unis – wie dem Schülercampus der Goethe-Universität in Frankfurt am Main – zu profitieren, um so die Hochschule, den gewünschten Studiengang und alles rund um den Uni-Alltag genauer unter die Lupe zu nehmen. Sich nach der Schule eine Auszeit zu nehmen, heißt nicht zwangsläufig eine Lücke im Lebenslauf zu haben. Und selbst wenn man nicht die ganze Zeit super beschäftigt ist – durchatmen, mal eine Pause machen und das Leben genießen, sind wichtige Lektionen, die nicht zu kurz kommen dürfen!

Juliane Jesse 23 Jahre, Barcelona/ Bielefeld/ Magdeburg Hat schon den richtigen Studiengang gefunden.


f risc h , f r u ch t i g, s e l bs tge p r e sst – m it machen @po lit ik o ran g e.de

Impr essum Diese Ausgabe von politikorange entstand anlässlich des Schülercampus der Goethe-Universität vom 01.-07. Juli 2012 in Frankfurt am Main. Herausgeber und Redaktion: politikorange c/o Jugendpresse Deutschland e.V., Wöhlertstraße 18, 10115 Berlin, www.politikorange.de

A

ls Veranstaltungszeitung, Magazin, Onlinedienst und Radioprogramm erreicht das Mediennetzwerk politikorange seine jungen Hörer und Leser. Krieg, Fortschritt, Kongresse, Partei- und Jugendmedientage – politikorange berichtet jung und frech zu Schwerpunkten und Veranstaltungen. Junge Autoren zeigen die große und die kleine Politik aus einer frischen, fruchtigen, anderen Perspektive.

politikorange – Das Multimedium

Wie komm’ ich da ran?

Wer macht politikorange?

Gedruckte Ausgaben werden direkt auf Veranstaltungen, über die Landesverbände der Jugendpresse Deutschland e.V. und als Beilagen in Tageszeitungen verteilt. In unserem Online-Archiv stehen bereits über 50 politikorange-Ausgaben und unsere Radiosendungen sowie Videobeiträge zum Download bereit. Dort können Ausgaben auch nachbestellt werden.

Junge Journalisten – sie recherchieren, berichten und kommentieren. Wer neugierig und engagiert in Richtung Journalismus gehen will, dem stehen hier alle Türen offen. Genauso willkommen sind begeisterte Knipser und kreative Köpfe fürs Layout. Den Rahmen für Organisation und Vertrieb stellt die Jugendpresse Deutschland. Ständig wechselnde Redaktionsteams sorgen dafür, dass politikorange immer frisch und fruchtig bleibt. Viele erfahrene Jungjournalisten der Jugendpresse stehen mit Rat und Tat zur Seite. Wer heiß aufs schreiben, fotografieren, mitschneiden ist, findet Infos zum Mitmachen und zu aktuellen Veranstaltungen im Internet oder schreibt einfach eine eMail. Die frischesten Mitmachmöglichkeiten landen dann direkt in Deinem Postfach.

Warum eigentlich politikorange?

www.politikorange.de mitmachen@politikorange.de

Redaktion: Philippe Fischer, Juliane Hesse, Michael Rosenthal, Fabian Schäfer, Elise Zerrath, Valentin Dornis Bildredaktion: Paul Wagner (p.l.wagner@hotmail.de) Karikatur: Phil Hubbe (hubbe-cartoons.de) Layout: Jamie Kowalski (jamie.kowalski@gmail.com) Projektleitung und Betreuung: Tina Leskien (t.leskien@jugendpresse.de) Druck: WVD Westdeutscher Verlags- und Druckerei GmbH, Mörfelden-Walldorf Auflage: 2.000 Exemplare Diese Lehrredaktion fand statt in Kooperation mit der

Foto: Paul Wagner

politikorange wurde 2002 als Veranstaltungszeitung ins Leben gerufen. Seit da- In einer Gesellschaft, in der oft über das mals gehören Kongresse, Festivals und fehlende Engagement von Jugendlichen Jugendmedienevents zum Programm. diskutiert wird, begeistern wir für eigen2004 erschienen die ersten Themenma- ständiges Denken und Handeln. politikgazine: staeffi* und ortschritt*. Während orange informiert über das Engagement der Jugendmedientage 2005 in Hamburg anderer und motiviert zur Eigeninitiative. wurden erstmals Infos rund um die Ver- Und politikorange selbst ist Beteiligung anstaltung live im Radio ausgestrahlt und – denn politikorange ist frisch, jung und eine 60-minütige Sendung produziert. selbstgemacht.

Chefredaktion (V.i.S.d.P.): Lisa Brüßler (l.bruessler@jugendpresse-hessen.de) Sophie Hubbe (sophie.hubbe@gmx.de)

Der Schülercampus wird ermöglicht durch das Programm „Wandel gestalten!“ des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und der Heinz Nixdorf Stiftung. Das naturwissenschaftliche Programm wird von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft, das geisteswissenschaftliche Programm von der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität und der FAZIT-Stiftung gefördert. Zudem wird der Schülercampus vom Bundeswettbewerb Informatik, dem Restaurant Sturm und Drang, der Stadtwerke Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main mbH sowie der WVD Westdeutscher Verlags- und Druckerei GmbH unterstützt.

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orIeNtIerUNg Im hochschUl-dschUNgel deUtschlaNd

was soll Ich Nach der schUle NUr macheN? eINe kleINe frage, dIe das weItere lebeN eNtscheIdeNd prägt. dIe rIchtIge aNtwort ZU fINdeN, Ist gar NIcht so eINfach ... voN JUliane Jesse das abi in der tasche

Wie soll ich mich entscheiden

Immer mehr Deutsche entscheiden sich für das Abitur oder eine Fachhochschulreife um anschließend studieren zu können. Im Jahr 2011 waren es mit rund 506 000 Schülern 10,3 % mehr als im Vorjahr. Damit begann fast jeder, der das Abi in der Tasche hat, auch ein Studium. Im vergangenen Wintersemester gab es 443 462 Erstsemester.

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Nur ein Drittel aller Schulabgänger fühlt sich hinreichend auf die anstehende Studien- und Ausbildungsentscheidung vorbereitet. Je eher sie mit der Suche beginnen, desto informierter fühlen sie sich. Dabei stehen sie vor verschiedenen Problemen: die schwer überschaubare Zahl der Möglichkeiten, die schwer absehbare Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, Unklarheit über die eigene Eignung, Zugangsbeschränkungen in dem angestrebten Studienfach, Unklarheit über eigene Interessen, die Finanzierung ...

Welche hochschule darf es sein nun nur noch für ein fach entscheiden

Bei der Wahl der Hochschule stehen laut aktuellem Bildungsbericht ein fachlich interessantes Studienangebot und die wahrgenommenen Studienbedingungen im Vordergrund. Ergebnisse von Hochschulrankings sind nur für etwa ein Drittel bedeutsam; für noch weniger sind sie der ausschlaggebende Grund. Für zwei Drittel der Studienanfänger ist auch die Nähe zum Heimatort ein wichtiges Entscheidungskriterium. Dabei spielen nicht zuletzt finanzielle Gründe eine Rolle.

Die Studienfachwahl verläuft immer noch stark nach geschlechtsspezifi schen Mu85302 stern. Der in den Ingenieurwissenschaf22095 15925 der Studienanten sehr niedrige Anteil fängerinnen ist 201110015 auf 21,7% gesunken. 4223 Sprach- und Kulturwissenschaften aber 3359 mittlerweile auch Medizin und Veterinär1113 medizin werden dagegen zu drei Vierteln und mehr von Frauen gewählt.

Mathematik, Naturwissenschaften 90 672

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Humanmedizin/ Gesundheitswissenschaften

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Ingenieurwissenschaften

Sprach- und Kulturwissenschaften 22 095

Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

Kunst, Kunstwissenschaft 15 925 10 015 Agrar-, Forst4 223 und Ernährungswissenschaften 1 113 3 359 Sport Sonstige Fächer und ungeklärt Veterinärmedizin Quelle: Statistisches bundesamt


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