5 minute read

Keine Zeit zu sterben

TEXT: MAX GFRERER

Der letzte Vorhang fällt

„Keine Zeit zu sterben“: Daniel Craigs letzter Auftritt als Geheimagent 007.

James Bond (Daniel Craig, Verblendung) ist Geheimagent. Zumindest war er das mal. Oder er ist es immer noch, möchte es aber nicht mehr sein. Wie auch immer dieser innere Konflikt ausgeht, eines wird James Bond immer sein: ein Politikum. Die Figur, die 1953 der Feder des britischen Schriftstellers Ian Fleming entsprang, unterliegt in ihrer scheinbar immerwährenden Popularität dem Wandel der Zeit wie kaum eine andere.

Ein Bond von heute kann/darf nicht mehr derselbe Macho sein, der noch von Sean Connery, Roger

IN TROUBLE

Moore und mit Abstrichen auch Pierce Brosnan verkörpert wurde. Manche meinen sogar, es müsse endlich eine Frau in die Rolle des berühmten Doppelnullagenten des MI6 schlüpfen, idealerweise eine schwarze. Als federführend bei der „Modernisierung“ des Franchise gilt Drehbuchautorin Phoebe Waller-Bridge. Ihr James Bond soll eine jüngere Zielgruppe ansprechen, aufgeklärter sein und sich mit der #MeToo-Debatte auseinandersetzen. Nicht zuletzt deshalb heißt das „Bond-Girl“ am Set mittlerweile „Bond-Woman“.

Wie auch immer man zu dieser Debatte stehen mag, Fakt ist, dass der 007 von heute nicht mehr mit jenem aus den Sechziger- oder Siebzigerjahren zu vergleichen ist. Daniel Craigs Interpretation schwitzt, leidet und blutet. In einer Filmreihe, die im 21. Jahrhundert reüssieren will, muss es nun mal menscheln. Die Erfolgsformel bleibt selbstverständlich dieselbe.

ES MENSCHELT Doch weil es eben menschelt, wird auch ein James Bond irgendwann müde. Müde vom ständigen Kampf gegen wahnsinnige Verbrecher und der hartnäckigen Auflehnung gegen sesselfurzende Beamte. Eigentlich hat es sich Bond bereits auf Jamaika gemütlich gemacht, doch die Vergangenheit holt ihn in Person seines ehemaligen Kameraden Felix Leiter (Jeffrey Wright, All Day and a Night) ein. Dieser bittet ihn darum, einen entführten Wissenschaftler zu retten. Größter Gegner auf dieser Mission ist mal wieder ein Wahnsinniger: der mit tödlicher Technologie ausgerüstete Safin (Rami Malek, Bohemian Rhapsody).

Erstmals saß mit Cary Fukunaga (Beasts of No Nation) ein USAmerikaner auf dem Regiesessel, der nach dem Deutschen Marc Forster (Ein Quantum Trost) erst der zweite Bond-Regisseur überhaupt ist, der nicht aus einem Commonwealth-Land stammt.

Ja, James Bond geht mit der Zeit. Und mit der Zeit geht James Bond. Für Daniel Craig ist der Auftritt in Keine Zeit zu sterben definitiv der letzte. Schon nach Spectre erklärte der Darsteller, er würde sich lieber die Pulsadern aufschneiden, als noch einmal in die Rolle zu schlüpfen, die ihn nun schon seit 15 Jahren begleitet. Für einen endgültigen und würdigen filmischen Abschied ließ sich der Mime dann doch noch einmal überreden (und mit 50 Millionen Pfund fürstlich entlohnen). Gut so. facebook.com/JamesBond007AT

NO TIME TO DIE – KEINE ZEIT ZUM STERBEN KINOSTART 30.09., USA/ UK 2020, REGIE Cary Joji Fukunaga, MIT Daniel Craig, Léa Seydoux, Ralph Fiennes, Ben Wishaw, Naomie Harris, FILMLÄNGE 165 Min., © UPI

Die James-Bond-Formel

Seit fast 20 Jahren und 25 Filmen jagt der eleganteste Geheimagent aller Zeiten nun schon den skrupellosesten Verbrechern über die Leinwand hinterher. Bond-Darsteller kamen und gingen, und doch ist die Filmreihe immer noch die alte geblieben. „Stockkonservativ“, maulen die einen, „die Basis für den Jahrzehnte andauernden Erfolg“ merken die anderen an. Manche Dinge dürfen sich eben nie ändern, wenn Bond Bond bleiben soll.

Gadgets, Gadgets, Gadgets Wenn Superhirn Q mit neuem Spielzeug für 007 um die Ecke kommt, dann springt zugleich die Werbemaschinerie an. Keine andere Filmreihe hat es zustande gebracht, schamloses Product Placement derart in der eigenen DNA zu verankern. Denn was wäre Bond ohne seine hochgerüsteten Uhren von Breitling oder Omega sowie die eleganten

Maßanzüge aus dem Hause Brioni oder Tom Ford?

Ein Song in 25 Varianten Dieser Song beinhaltet zumeist souligen, von einem pompösen Orchester begleiteten Gesang, der aus den millionenschweren Kehlen von Leuten wie Tina Turner, Adele oder der unvergesslichen Shirley Bassey stammt. Ausnahmen, wie Madonnas rein elektrisches „Die Another Day“ bestätigen die Regel. Bei Keine Zeit zu sterben jagt nun Billie Eilish traditionellen Agenten-Sound durch die Boxen.

Der Antagonist als heimlicher Star Ähnlich wie bei den Bond-Themes ist es den James-Bond-Machern wichtig, einen Bösewicht ins Spiel zu bringen, der der enormen Leinwandpräsenz eines 007 etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen hat. Die Strategie ist hierbei so simpel wie eindeutig. Producer A fragt Producer B: „Wer ist denn derzeit der HollywoodSchauspieler, der momentan am meisten durch die Decke geht?“ Antwort: Leute wie Donald Pleasence und Christopher Lee oder Kaliber der heutigen Zeit wie Mads Mikkelsen, Javier Bardem und Christoph Waltz. Ein Bond-Gegenspieler muss vor allem eines haben: viel, viel Charisma. Keine Frage, dass auch Shootingstar Rami Malek diesem Beuteschema entspricht.

Heiße Fahrgestelle Ja, James Bond würde zur Not auch in einen Dacia Sandero steigen, wenn es ihn seinem Ziel näherbringen würde. Aber selbstverständlich kommt als Dienstwagen eigentlich nur ein Aston Martin infrage. Zumindest seit Goldfinger 1964, als der Doppelnullagent zum ersten Mal in den legendären DB 5 stieg. Grund dafür war eine Kooperation zwischen dem Filmstudio und dem britischen Autobauer, die bis heute anhält und nur von einem kurzen BMW-Intermezzo unterbrochen wurde. Natürlich fährt der MI6-Agent hin und wieder auch andere Vehikel, aber Aston Martin und James Bond – das gehört einfach zusammen.

Heiße Fahrgestelle 2 Zugegeben, dieser Zwischentitel ist rückständig – und doch passt es zur chauvinistischen Grundhaltung, die besonders in Connery- und MooreZeiten ein Spiegelbild der damaligen Gesellschaft waren, in der die Frau weitläufig als schwaches, zu rettendes und dem Patriarchat unterstelltes Geschlecht angesehen wurde. Das Bond-Girl (oder eben Bond-Woman) ist in etwa das, was die Boxenluder (gibt’s die eigentlich noch?) für den Formel-1-Piloten darstellen: eine Supporterin, die dem Helden mit ihren körperlichen Reizen wohlige Abwechslung vom Knochenjob bietet. Ist natürlich in der Form längst nicht mehr zu argumentieren. Daher sind die Bond-Girls mittlerweile starke Persönlichkeiten, die dem Protagonisten auch mal Kontra geben.

This article is from: