Ein Festtag

Eine Tag wie eine Seifenblase

Graham Swifts fantastischer Roman „Ein Festtag“ findet den Weg auf die Leinwand.

LIEBE &

ANDERE DESASTER

Wenn sie sich heute treffen, wird sie zum ersten Mal durch das Hauptportal spazieren. Er wird ihr die Tür öffnen, sie werden eine ausgelassene Zeit zu zweit haben, werden gemeinsam auf sein Bett sinken – und sich nicht wie sonst versteckt irgendwo treffen. Sie, Jane, ist ein Dienstmädchen – und er, Paul, gehört dem britischen Geldadel an. Es ist Muttertag; die Dienerschaft hat frei, und Pauls Eltern sind bereits bei einem Treffen, zu dem er sich dazugesellen soll.

Das Treffen der beiden Liebenden ist von einem Hauch von Freiheit und einer melancholischen Note geprägt – denn ihre Freiheit ist eine mit baldigem Ablaufdatum: Denn dies wird ihre letzte Verabredung sein, Paul muss standesgemäß heiraten. Und während er sich schlussendlich auf den Weg zu seiner Verlobungsfeier macht, von der er eigentlich nichts hören will, streift sie noch nackt durch das Herrenhaus – ohne zu ahnen, welche Wendung gleich eintreten wird …

GROSSES VORBILD Das Paar ohne Zukunft, das Newcomerin Odessa Young und Josh O’Connor (The Crown) hier spielen, stammt aus einem Bestseller: Graham Swift hat 2017 den feinsinnigen Roman „Ein Festtag“ vorgelegt, den die französische Regisseurin Eva Husson (Bang Gang) nun auf die Leinwand zaubert. Keine leichte Übung, erzählen die berührenden Worte Swifts doch von den Gedanken des Dienstmädchens, auf das eine ganz andere Zukunft wartet. So wird Husson eher zur Beobachterin, die auch die Melancholie der Nebenfiguren einfängt und allerhand Zeitsprünge unternimmt. Erzählt wird vor allem von einer vom Krieg geprägten Zeit, in der Familien immense Verluste zu verzeichnen haben: Husson erweckt mit ihrer Arbeit, die zuerst in Cannes zu sehen war, das England des Jahres 1924 zum Leben; lädt in elegante Anwesen und zu unfreien Menschen, die in ihrem Stand gefangen sind. #einfesttag

EIN FESTTAG – MOTHERING SUNDAY GEPLANTER KINOSTART 23.12., UK 2021, REGIE Eva Husson, MIT Odessa Young, Colin Firth, Olivia Colman, Josh O‘Connor, FILMLÄNGE 110 Min., © Constantin Film