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Jadgsaison
„Man muss sich nicht dauernd selbst lieben“
Hauptdarstellerin und Drehbuchautorin Rosalie Thomass im Interview zu „Jagdsaison“: einem Wellness-Wochenende, das aus der Rolle fällt.
Für Eva (Rosalie Thomass), die gern mal durch eigenwillige Outfits und unangepasstes Benehmen auffällt, lief es schon mal besser. Ihr Mann hat sie für die junge Influencerin Bella (Almila Bagriacik) verlassen, und ihre Tochter findet die neue Stiefmutter auch noch total toll. Sogar ihr beste Freundin Marlene (Marie Burchard) kommt prächtig mit ihr aus. Doch Marlene liebäugelt selbst mit einem potenziellen Seitensprung, der mit Bellas Hilfe während eines Wellness-Wochenendes realisiert werden soll. Das kann Eva nicht so einfach geschehen lassen und schließt sich dem Trip kurzerhand an: Zwei katastrophal-chaotische Tage stehen an, in denen es nicht nur viel zu lachen gibt, sondern man auch noch allerhand über die Liebe und die Freundschaft lernt. DOT. traf Rosalie Thomass in Wien. Ein Gespräch über Körper, das Loslassen und Pudding.
DOT.: Man sieht dem Film an, wie viel Spaß Sie hatten, dieses Drehbuch zu adaptieren und sich die Figur Eva auch ein wenig auf den Leib zu schreiben, oder? ROSALIE THOMASS: Genau so war es. Von der dänischen Vorlage durften wir nehmen, was uns gefiel und anreichern mit dem, was uns noch fehlte. Für mich liegt in dem Stoff eine große Freundschaftsgeschichte versteckt. Wir haben dafür gesorgt, dass alle vier Frauenfiguren die Hauptfiguren sind, eigene Charaktere, die ebenfalls eine Entwicklung durchmachen. Und uns war wichtig, dass der Film trotz allem vulgären Humor nicht sein Herz verliert. Ich mag Filme, die sich was trauen, etwa auch makaber und schwarzhumorig zu sein, wo man sich manchmal nicht sicher ist, ob man jetzt wirklich lachen „darf“.
Zum Beispiel erschießt eine der Freundinnen bei der Jagd einen Hund, der dann im See entsorgt wird. Diese Szene ist konsequent und auch ein Statement. Frauen sind nicht immer süß, sondern eben auch derb, makaber und geschmacklos.
Apropos: Es ist eine herrliche Szene, als Eva ihr Handy in die Puddingschüssel fällt, sie es völlig entspannt rausfischt und erst mal gründlich ableckt. Ja! Ich bin ja definitiv auch am Start, wenn irgendwo ein Fettnäpfchen – oder eine Puddingschüssel – ist. Beim Schreiben habe ich mich gefragt: Wie sind Menschen, wenn sie alleine sind? Wir reißen uns im Alltag ja alle ein bisschen zusammen. Uns hat interessiert: Wie weit können wir gehen mit einer Frauenfigur, die sich nicht korrekt verhält, die nicht nur sexy ist – im Gegenteil. Die heimlich raucht vorm Elternabend in der Schule. Eva ist keine dieser perfekten Mütter, die wir auf Instagram sehen. Das tut uns gut. Eva steht dafür, wie man manchmal gerne wäre, wie man sich manchmal gerne gehen lassen würde.
Die Komik im Film kommt daher nicht nur aus den Dialogen, sondern auch stark aus Slapstick? Total! Ich finde wirklich, die Herausforderung bei einer Komödie ist, sich fallen zu lassen. Manchmal im wahrsten Sinne. Klar könnte das dann peinlich werden, aber den Peinlichkeitsbegriff musst du ablegen. Beim Humor ist die Liebe so wichtig. Liebe für die Figuren, zu den Menschen allgemein.
Dieser Film ist eine weitere Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Ihrem Ehemann, Regisseur Aron Lehmann, mit dem Sie zwei kleine Kinder haben. Er ist während unseres Interviews gerade zu Hause und betreut die Kinder. Sie leben die emanzipierte Rollenverteilung?
Klar, für uns ist das ganz selbstverständlich. Für die Außenwelt aber leider oft immer noch nicht. Im Film geht es unter anderem um das Thema Selflove. Wie sehen Sie diesen Begriff? Damit in Zusammenhang steht ja die „Body Positivity“, ich finde aber „Body Neutrality“ schöner. Wir müssen doch nicht die ganze Zeit unseren Körper lieben. Ich freue mich, dass ich einen gesunden Körper habe, was eh schon ein Privileg ist. Mein Körper macht alles mit, hat mir schon viel verziehen, zweimal hat er sogar Leben gebacken. Ein Körper ist halt ein Körper. Dem kann man natürlich Liebe schicken und dankbar sein. Aber ich glaube, dieser Anspruch, man müsse sich zu jedem Zeitpunkt „hot“ finden, gehört behoben. Warum? Das löst Druck aus. Wenn jemand sagt, ich finde meinen Körper hässlich, aber er dient mir gut, dann ist das doch okay. Dieser Anspruch, dass sich alle Frauen und inzwischen auch Männer bedingungslos selbst lieben müssen, ist doch verrückt. Die besten Jahre seines Lebens verschwendet man mit pubertierender Unsicherheit.
Body Neutrality war Ihnen auch für die Figuren im Film wichtig? Ich wollte nicht, dass die Körper der Frauen ein Thema sind. Es ist bewusst so, dass Bella nicht einfach zu Eva sagt: „Na ja, du könntest ja mehr Sport machen.“ Eva könnte zu ihr sagen: „Iss halt mal mehr, dann bist du nicht so angespannt!“ Das war mir ganz, ganz wichtig, dass diese Ebene in dem Wettbewerb zwischen den beiden nicht stattfindet. Ich will das nicht mehr reproduzieren. Eine andere Art vermeintlichen „Wettbewerb“ gibt es in Patchworkfamilien manchmal um die Liebe des Kindes … Ich dachte, auch bei Patchworkkonstellationen geht es im Grunde um Freundschaft und dass Frauen mehr zusammenhalten sollen. Aber im Endeffekt geht es ums Loslassen. Man darf trauern um das, was schiefgelaufen ist, aber man muss loslassen. Das ist hart, aber notwendig, um wieder glücklich zu sein. Die Wahrheit ist: Dein Kind wird dich immer lieben, immer, immer, immer. Egal, wer du bist. Oder eben nicht bist. www.JagdsaisonFilm.de
INTER VIEW
JAGDSAISON KINOSTART ab sofort im Kino, D 2022, REGIE Aron Lehmann, MIT Rosalie Thomass,
Almila Bagriacik, Marie Burchard,
FILMLÄNGE 94 Min., © TOBIS Film