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Heute
Ari Folman erweckt Kitty zum Leben und stellt auf berührende Weise die Frage: „Wo ist Anne Frank“.
Als Anne Frank 1942 begann, Tagebuch zu führen, adressierte sie ihre Gedanken nicht an ihr „Liebes Tagebuch“, sondern erdachte eine imaginäre Freundin: Kitty. Ihr schrieb sie über zwei Jahre lang – den Großteil davon in jenem Hinterhaus in Amsterdam, wo sie sich mit ihrer Familie ab Juli 1942 vor den Nationalsozialisten versteckte. Bis sie verraten wurden.
Das deutsche Mädchen jüdischer
Abstammung starb im Februar oder Anfang März 1945 im KZ BergenBelsen. Davon wusste „Kitty“ natürlich nichts: Der letzte Tagebucheintrag ist vom 1. August 1944. Bei Regisseur Ari Folman – 1962 in Israel als Sohn polnischer Holocaust-Überlebender geboren – erwacht Kitty im heutigen Europa auf magische Weise zum Leben und begibt sich auf die Suche nach ihrer Freundin Anne. Sie folgt – begleitet vom rot-weiß karierten Tagebuch – ihren Spuren vom Hinterhaus bis zu ihrem Tod im Konzentrationslager. Ihr Freund Peter, der eine geheime Unterkun für Ge üchtete ohne gültige Aufenthaltspapiere betreibt, unterstützt sie bei ihrer Reise. Was sie über das heutige Europa und die Ungerechtigkeiten, denen Flüchtlingskinder ausgesetzt sind, erfährt, verwirrt sie. Sie beginnt, Annes Ziel zu verwirklichen und Ho nung und Toleranz zu vermitteln.
Br Ckenschlag Ins Heute
Der Anne Frank Fonds in Basel, den Anne Franks Vater Otto Frank 1963 gründete, trat an Regisseur Ari Folman heran und fragte, ob er Interesse an einem Animations lm rund um Anne Frank habe. „Gesucht wurde nach einer neuen Dimension, die Geschichte des Holocausts zu vermitteln“, so der Regisseur. „Darau in entstand die Idee, Kitty in der Hauptrolle au eben zu lassen und sie zur Hauptgur des Films zu machen – zur Erzählerin. Zwei weitere Kriterien waren, einerseits Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu verbinden. Andererseits sollten die letzten sieben entsetzlichen Monate im Leben von Anne Frank dargestellt werden.“
Ihre Kitty hatte Anne Frank in ihrem (auch sehr literarischen) Tagebuch genau beschrieben: Wer sie ist, wie sie aussieht, welche Art Mensch sie ist. Sie tauschte sich mit der imaginären Freundin aus. Im Film wird sie aber auch „ein Alter Ego von Anne. In gewisser Hinsicht habe ich ihr eine extrovertierte Persönlichkeit verliehen. Bei ihr handelt es sich um eine Kämpferin, die im Gegensatz zu Anne nicht der elterlichen Kontrolle untersteht und somit mehr Freiraum hat. Im Falle von Kitty gibt es keine Mitbewohner in ihrem Versteck, die sie zurechtweisen. Somit kann sie all das tun, was Anne in ihren Vorstellungen schon immer machen wollte. Wir konnten nicht anders, als Kitty so zu gestalten. Weshalb sonst hätte Anne Kitty er nden sollen?“
EINNEHMENDE FILMOGRAFIE
Folman legte 2008 seine animierte Kriegsdokumentation Waltz with Bashir vor – ein mitreißender Film, in dem er seine Traumata als Soldat im Ersten Libanonkrieg 1982 bearbeitete und der als bester fremdsprachiger Film für den Oscar nominiert wurde. 2013 gestaltete er mit e Congress einen Grenzen sprengend fantasievollen Film, zu dem ihn Stanislaw Lems „Der futurologische Kongress“ inspirierte und der sich mit Digitalisierung beschä igte.
Nun endlich kehrt er mit Wo ist Anne Frank auf die Leinwand zurück – einer berührenden neuen Perspektive auf das Schicksal des Mädchens. Kittys Blick auf die Welt ist auch als Graphic Novel („Wo ist Anne Frank – Eine Graphic Novel“ von Ari Folman und Lena Guberman, S. Fischer Verlage) erschienen. #woistannefrank
WO IST ANNE FRANK – WHERE IS ANNE FRANK KINOSTART 24.02., BE/ LUX/F/NL/ISR 2021, REGIE Ari Folman, MIT Emily Carey, Tracy Ann Oberman, FILMLÄNGE 99 Min., © Polyfilm
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