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Die Vermessenheit der Welt
Der deutsche Regisseur Lars Kraume inszeniert gerne Filme, die einen komplexen politischen, gesellschaftlich brisanten Kern haben. Nach Kinound TV-Produktionen wie Der Staat gegen Fritz Bauer (2015), Das schweigende Klassenzimmer (2018) und Gott – Von Ferdinand von Schirach (2010) sowie einigen Tatort-Arbeiten war Kraume bei der diesjährigen Berlinale soeben mit seinem neuesten Film Der vermessene Mensch eingeladen. Darin geht es um den jungen Doktoranden Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher, Finsterworld, Hannes), der in Berlin Ende des 19. Jahrhunderts Ethnologie studiert. Bald gerät er in den Sog der evolutionistischen Rassentheorie des späten 19. Jahrhunderts und ist mehr und mehr angewidert vom Vermessen der Schädel, das kein anderes Ziel hat, als die Überlegenheit der weißen Rasse pseudowissenschaftlich zu legitimieren. Trotzdem studiert er dort weiter, weil er Gegenbeweise finden will.
Im Zuge der Deutschen Kolonial-Ausstellung kommt er in Kontakt mit einer Delegation von Herero und Nama aus Südwestafrika. Darunter ist auch die Dolmetscherin Kezia Kambazembi (Girley Charlene Jazama, The White Line). Hoffmann entwickelt rasch ein starkes Interesse an den beiden afrikanischen Völkern – und an Kezia. Kurz nach Abreise der Delegation kommt es zum kriegerischen Aufstand der Herero und Nama im damaligen „Deutsch-Südwestafrika“. Als die Universität eine Expedition von Ethnologen entsendet, reist Hoffmann als Mitglied im Schutz der kaiserlichen Armee mit, um an den Kriegsschauplätzen zurückgelassene Artefakte und Kunstgegenstände der Herero und Nama zu retten, während seine Kollegen Schädel sammeln. Und er möchte Kezia wiedersehen.
Doch die Kriegsgräuel der deutschen Soldaten an der einheimischen Bevölkerung gipfeln in Konzentrationslagern und einem
Genozid. Als Hoffmann überraschend einwilligt, seinem Professor in Berlin Schädel und Skelette von toten Herero zum Zwecke der Forschung zuzusenden, macht er sich moralisch mitschuldig.
Unl Sbare Dilemmata
Mit Der vermessene Mensch gelingt es Kraume abermals, schwierige, vielschichtige Themen so zu bearbeiten, dass jede/r einen Zugang findet und emotional involviert wird. „Mich interessieren nahezu unlösbare menschliche Dilemmata“, so Kraume. „Selbst wer vorher vielleicht denkt, sein Standpunkt stünde fest, hinterfragt diesen während des Films vielleicht noch einmal. Dann ist schon viel gewonnen.“
#dervermessenemensch
DER VERMESSENE MENSCH –MEASURES OF MEN KINOSTART 24.03., USA 2022, REGIE Lars Kraume, MIT Leonard Scheicher, Girley Charlene Jazama, Peter Simonischek, Max Koch, Sven Schelker, FILMLÄNGE 116 Min., © Constantin Film