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Höfisches Grooming

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DAS 94. DOT.

DAS 94. DOT.

Eine weitere Sisi auf der Leinwand: in Frauke Finsterwalders „Sisi & ich“.

Entweder ins Kloster, heiraten oder „das hier“. Das sind die Optionen, die die Mutter für Irma vorsieht. Also fährt man am Hofe vor. Die Tragweite des Ganzen scheint Gräfin Irma nicht ganz klar zu sein: Als sie darauf warten, in Empfang genommen zu werden, kann es Irma nicht lassen, einen Mitesser auf ihrer Nase zu bearbeiten. Die wutentbrannte Mutter drischt der 42-Jährigen kurzerhand mit der Faust ins Gesicht – ein blutverschmiertes Antlitz ist wohl besser als gerötete Poren. Dazu Klänge von Portishead.

Wieder eine Arbeit, die sich mit Kaiserin Sisi beschäftigt. Dieses Mal (mit cooler Abgeklärtheit und) aus der Perspektive einer Hofdame: Das „Ich“ im Titel meint die ungarische Gräfin Irma Sztáray. Irma Sztáray begleitete Sisi während ihrer letzten Lebensjahre vor allem auf Reisen.

Regisseurin Frauke Finsterwalder (Finsterworld) fühlt nach, wie sie zur Vertrauten der Kaiserin wurde. Irma ist eingenommen von der außergewöhnlichen Frau und wäre gern mehr als ihre Hofdame. Leider ist Elisabeth – wir wissen es – unberechenbar und launisch und Irma rasch in einem Spiel von Anziehung und Ablehnung gefangen: Grooming durch die Kaiserin.

AUF DER FLUCHT

Wo Karen Duve (mit ihrem Roman „Sisi“) schlau bis gewitzt und Marie Kreutzer (mit Corsage) vielschichtig agiert, stellt Finsterwalder, die das Drehbuch gemeinsam mit ihrem Mann Christian Kracht geschrieben hat, vor allem die Exaltiertheit des Alltags (Auftritt Georg Friedrich als Erzherzog Ludwig aka Luziwuzi) und die Ruhelosigkeit

Sisis (Susanne Wolff, Styx) aus. Mal geht’s nach Korfu, mal nach Algerien, England, dazwischen repräsentiert man unwillig. „Der Fluchtaspekt hat mich sehr interessiert, und darüber hinaus fand ich es interessant, sie aus dem Blickwinkel einer anderen Frau zu beobachten, die diese Art von geistiger Freiheit nicht gewöhnt ist und die im Laufe des Films Sisi komplett verfällt, bis hin zur Selbstaufgabe. Diese Anziehungskraft, die von jemandem wie Sisi ausgegangen ist, interessierte mich sehr“, so Finsterwalder. Viel hat ihr Film zu Sisi leider nicht hinzuzufügen. Natürlich: Die Bilder des Films sind wunderschön, und Irma-Darstellerin Sandra Hüller (Toni Erdmann) liefert wie immer eine pointierte Performance ab. #sisiundich

SISI & ICH KINOSTART 31.03., A/D/CH 2023, REGIE Frauke Finsterwalder, MIT Sandra Hüller, Susanne Wolff, Georg Friedrich, Markus Schleinzer, FILMLÄNGE 110 Min., © Panda

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