presstige #17 – SELBST.STÄNDIG

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Ausgabe 17 | Oktober 2010 | www.presstige.org

WG-CASTING HAPPY HOUR GUIDE UNI-JUBILÄUM POSTSEXUALITÄT AUGSBURG BEI NACHT


POWDERN STATT PAUKEN! Mit Deutschlands grĂśĂ&#x;tem Skipass bist Du am Start! SUPERSCHNEE-SKIPASS UND ALLGĂ„U GLETSCHER CARD

Raus aus dem HĂśrsaal und rauf auf die Berge... Ăœberhol` Deine Prof´s auf bestens präparierten Pisten aller Schwierigkeitsgrade, zeig´s ihnen auf der Buckelpiste, in der Halfpipe oder beim Snowcross. Mehr als 50 Skigebiete im Allgäu, Kleinwalsertal, Tiroler AuĂ&#x;erfern sowie der Kaunertaler und Pitztaler Gletscher sind jetzt mit den beiden Saisonpässen zu haben ! GenieĂ&#x; ca. 8 Monate Ski-und SnowboardspaĂ&#x;. Also ab sofort alles auf eine Karte setzen: Superschnee-Skipass oder Allgäu Gletscher Card !

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SCHNEESIC HERHEIT VON OKTOBE R BIS MAI!


Editorial S

ELBST.verständlich darf zum Semesterstart die neueste Ausgabe der presstige nicht fehlen. Und ja! SELBST. redend, dass wir unsere Autoren wieder einmal in alle Uni- und Stadtecken losgeschickt haben, um zu recherchieren, zu interviewen, zuzuhören, wenn andere aus dem Nähkästchen plaudern, oder SELBST zu philosophieren. Dabei waren alle genauso SELBST.ständig unterwegs, wie man es sich von (fast) ausgewachsenen Redakteuren wünschen kann. Und diesem SELBST, was euch nicht nur auf Titel und hier im Editorial in GROSSbuchstaben entgegentritt, haben wir eine ganze Ausgabe gewidmet. Denn mal ehrlich, was wäre das WIR ohne das SELBST und umgekehrt?! Und was wäre ein Semester ohne presstige? Winter ohne Schnee? Latte ohne Macchiato? Ein Sixpack ohne Bier, Bürokratie ohne Deutschland, Helge ohne Schneider oder oder oder… Ihr seht, es ist alles nicht ohne. Und ohne darf auch diese Ausgabe nicht sein – nämlich nicht ohne den Wunsch nach einem gelungenen und tollen Start in das neue Semester für euch!

In eigener Sache:

Wiebke Henke & Kete Shabani chefredaktion@presstige.org twitter.com/presstige_mag // facebook.com/presstige

„spaßwert(s)“ ist ein besonders lustiger Geselle. Ist euch langweilig? Sucht ihr nach unterhaltender oder nicht ganz ernst gemeinter Litera-

Zugegeben: Klassisch mag vielleicht zeitlos sein, kann aber auch ganz

tur in Artikelform? Dann seid ihr bei diesem Weggefährten immer an

schön öde wirken. Deswegen haben wir kurzerhand unsere Ressorts

der richtigen (Rubrik-)Adresse.

Hochschule, Kultur, Karriere, Sport und Stadtleben umstrukturiert und ihnen neue Namen gegeben. Unsere Rubriken hören jetzt pho-

„vorwärts“ kennt keine Grenzen und ist ein Karrieretyp. Hoch hinaus

netisch alle auf die Endung „-wärts“. Um euch mit ihnen bekannt zu

und Erfolg auf ganzer Linie? Wie das geht, Tipps für Bewerbungen, neues-

machen, hier eine kurze Vorstellungsrunde:

te Entwicklungen, Trends aus allen Bereichen sowie Berichte aus der echten Arbeitswelt und eine Prise Aufbruchsstimmung erhaltet ihr von ihm.

„heimwärts“ ist, wie der Name schon andeutet, sehr heimatverbunden. Da presstige ihr Zuhause an der Uni hat und in erster Linie

„seitwärts“ schert sich nicht darum, beliebt zu sein und die Meinung

auch ein Studentenmagazin ist, kümmert sich heimwärts liebevoll

möglichst vieler zu teilen. Sein kritischer Blick befällt die verschiedensten

um alle Themen, die unsere Hochschule(n) und das studentische Le-

Themen. Meinungsartikel, Kommentare, kritische Berichte und unsere

ben betreffen.

Glosse sind seine größten Fans und haben bei ihm ihre Heimat gefunden.

„weltwärts“ dagegen ist vom Typ her wesentlich kosmopolitischer.

„herzwärts“ ist unser Experte in Herzensangelegenheiten: Ob Fragen der

Er packt euch an der Hand und führt euch aus dem UNIversum in

Liebe und Beziehung, Überzeugungen und Anschauungen (wie z. B. un-

die Weiten unserer wundervollen Fuggerstadt und alles, was darüber

sere Reihe „Religiöses Studentenleben“) oder Themen aus der allgemei-

hinausgeht. Er ist ein echter Globetrotter und führt seinen Themen-

nen Gefühlswelt finden bei diesem emotionalen und herzerweichenden

Rucksack um die ganze Welt herum.

Rubrik-Kollegen immer ein offenes Ohr bzw. eine volle Seite.

titelmodels: Saranda Cocaj (Cover) & Stefan Mühlbauer – titelfoto: Michael Christ & Florian Falch mit herzlichem dank an alle beteiligten!

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Inhalt Ausgabe 17 | Oktober 2010 | www.presstige.org

titel

6 10 14

Massenherzhaltung Sei du selbst. ständig. Gestatten, mein Name ist Chef

rts ä w eim

17 18 20 22

Was macht man eigentlich mit…Jazz & Pop? Zwischen Geburtswehen und 68er-Geist Schwul oder was?! Study-Work-Life: Alles in Balance…

rts ä w t wel

24 28 30 31

Schattenspiele Wo Fußballfans feiern und Prinzessinen wohnen Einwürfe Elfenbein auf Achse

34 35 36 39

Wie werde ich ihn los…in 10 Tweets? Quizquatsch gegen Hirnmatsch Ausgeloggt – Alltag mal offline Einwürfe

40 42 47

Guck' mal, wer da klingelt Schüler auf der Überholspur Die Jugger kommen!

50 51 52

Glosse: Leichenschmaus Einwürfe Postsexualität

56

Ein Präsident, der gemocht werden wollte

57 60

Jüdin – na und? Campus-Umfrage: Ein großer Schritt für mich, aber ein kleiner Schritt für die Menschheit

62 64

Happy Hour Guide Soziales Aroma

h

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rt(s e w spaß

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ss – was a h . t s b l Se cht, i n t i Du we dir has(s)t? du an


z r e h n e s s a Mung. halt

Vom Alleinsein unter Vielen

tos: Michael Christ &

Text: Kete Shabani – Fo

E

s ist gar nicht so lange her, da postulierten die Lifestyle- und Gesellschaftsmagazine das Ende des „Hedonisten“. Die Zeit des „Wir“ wäre wieder gekommen. Doch weder das „Wir“ noch das „Ich“ haben überlebt. Was bleibt, ist eine schizophrene Zwischenbilanz. „Emofren“ ist ein Wort, das ich eigentlich für jemanden, der von mir, sagen wir einmal, „aus meinem Leben geschieden wurde“, erfunden habe. Es passt aber genauso gut auf unsere Gesellschaft. Hochgradig emofren zu sein, ist kein Schicksal, sondern eine Diagnose. Unnötig zu sagen, welche beiden Wörter Gegenstand dieses neologistischen Krankheitsbefundes sind, aber der Vollständigkeit halber: emotional schizophren. Es sind nicht nur die Neurosen eines einzigen Mannes, der die Probleme mit sich selbst auf unsere große pudrige Zuckerwatte projizierte und sie damit zerstörte, sondern auch das Verhältnis zweier leidgeplagter Begriffe und ihrem Verhältnis untereinander: „Ich“ und „Wir“. Es verwundert nicht, dass in unserer individualistischen Gesellschaft die Buchstabenkombination aus I, C und H (noch) das Sagen hat. Das Recht auf Selbstverwirklichung steht über dem Gemeinwohl, die Zahl der Single-Haushalte nimmt zu, ganze Metropolen werden zu Lazaretten von individualistischen Großstadt-Einzelkämpfern.

Fein-Auslese, Schein-Auslese Auch am Arbeits- und Studienplatz beherrscht das „Ich“ die Reihen: Wir definieren uns in erster Linie über das, was wir „erreicht“ haben. Beruf und Karriere gehören zu dieser Selbstdefinition dazu. In einem ständigen Konkurrenzkampf müssen wir uns permanent behaupten und beweisen. Wir müssen offenkundig zeigen, dass wir es „wert“ sind, Teil dieser Gesellschaft und Be-

Florian Falch

wohner dieser Erde zu sein. Verständlich, denn wir haben gelernt, dass Konkurrenz ein förderndes Mittel ist: Es trennt die Spreu vom Weizen, den Faulen vom Fleißigen, den Erfolgreichen vom Möchtegern – die vom Menschen geschaffene Auslese des wahrlich, vermeintlich, auf jeden Fall und was auch immer Förderlichen. Es führt uns auch in einen Konflikt mit uns und unserer Umwelt: Der stete Druck von außen entlädt sich über allem in einem Box-Sack gegen uns selbst. Können wir „da draußen“ nicht bestehen, so sind die Fehler nicht dort, sondern in uns zu suchen. Diesen Misserfolg erheben wir zum Dolch gegen uns. Denn: können wir die Anerkennung unserer Mitmenschen nicht gewinnen, treten wir aus dem Konkurrenzkampf um die Bejahung durch andere in den Ring gegen uns, der zur Verneinung unseres Eigenwerts führt. Wir können der Welt da draußen entschwinden, nicht aber uns selbst.

Ego ersetzt Selbstliebe nicht So manches wurde über die Selbstliebe schon geschrieben. Augustinus zum Beispiel sah in der „amor sui“ den Anfang aller Sünden und die Wurzel allen Übels. Ein Modell, das so falsch ist, wie die Kombination von Socken zu Sandalen. Oder Leoparden-Muster zu Schlangen-Optik. Denn: die Fähigkeit, sich zu lieben und zu schätzen, ist die Voraussetzung für ein glückliches Leben. Nur, wer sich kennt, weiß, was er braucht. Was er will. Kann wahren Willen von vorübergehenden Impuls-Wünschen unterscheiden. Kann von der Welt einfordern, was ihm zusteht. Für einen Kaugummi lohnt es sich nicht, zu kämpfen und zu streiten – für vier Goldbarren und eine Portion Gesundheit vielleicht schon. Und hier liegt auch die Topf-Deckel-Problematik verborgen: Wenn ich nicht weiß, welcher Topf ich bin, wie zum Geier soll ich wissen, welcher Deckel >>

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Das Gegenteil von Liebe

– t b lie r e zt icht v . t set n s b l e r Se o e tlieb Egelbs S

zu mir passt? Exklusive Töpfe müssen sich übrigens auch nicht mit aggressiven oder intellektuell degressiven Deckeln abgeben – sie gehen. Andere Küchen haben auch schöne Deckel. Und nein, ich schere mich nicht darum, für wie überholt einige diesen „Selbstliebe-Quatsch“ halten mögen. Die Welt ist rund, daran zweifelt doch auch keiner mehr. Und Ego ersetzt Selbstliebe nicht: Wenn andere die fehlende Liebe geben sollen, Anerkennung aussprechen, uns um unser Tun beneiden und uns damit bestätigen sollen – das reicht nicht. Der eigene Wert hängt in erster Linie nicht vom Handeln ab. Das Selbst speist sein Kapital aus der Investition in sich. Diese Investition ist nicht „erfolgreich sein“, sondern „an sich glauben“ – alles andere folgt von alleine. Wie ein indischer Gelehrter zusammenfasste: Du musst dir in dir selbst etwas schaffen, die Existenz ist nur dein Echo.

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Was gesagt werden muss: Jede Gesellschaft ist krank. Auch die modernste vermag es nicht, die gesündeste zu sein. Die Gesellschaft kann nicht den Anspruch für sich verbuchen, sich und uns heilen zu können. Heilung kommt von glauben. Vom Glauben an Gott für den einen, vom Glauben, dass irgendwann alles besser ist, dass man das alles übersteht, für den anderen – Glauben an sich selbst als Placebo gegen eine 40-Grad-Fieber-Gesellschaft gilt dagegen für alle. Man muss die Angst vor Entwicklung und Veränderung ablegen, sich über diese erheben. Ein erfolgreiches Leben führt, wer sich diesem hingibt, es liebt. Das Gegenteil von Liebe? Das ist die Angst. Und wenn die nasalerhöhte deutsche Rapperstimme Delay auch nur einen Satz richtig gesprochen hat, dann: Liebe wird aus Mut gemacht. Gesellschaften werden übrigens auch nicht aus Angst gemacht. Zumindest nicht die guten. Eine Wir-Definition, die diese drei zerbrechlichen Buchstaben nur zusammenhält, weil man „dem Feind“ Namen und Gesicht – pardon: Schleier – gibt, kann uns nicht erheben. Ein „Wir“ darf nicht geformt werden, um andere zu deformieren. Wir müssen in andere Gesichter blicken dürfen, nicht in selbst verliehene Fratzen. Was die Gesellschaft zusammenhält, ist eine Wertschätzung für jedes einzelne Glied. So wie es die Wertschätzung gegenüber allen Facetten seiner selbst ist, die einen Menschen zusammenhält und stabil macht. Das Zauberwort heißt also Öffnung. Und das gilt auf für den kleinen Kosmos, in dem jeder Einzelne für sich und vor sich hin lebt. Denn: Je erfolgreicher wir unser selbst.bestimmtes und selbst.zentriertes Leben führen, desto wahrscheinlicher wird es zu einer Komplikation auf der Suche nach dem, was die meisten von uns nach wie vor anstreben: Zweisamkeit. Je strukturierter das eigene Leben ist, je mehr auf sich gerichtet, desto unwahrscheinlicher wird es, dass man eine Nische darin findet, um eine andere Person darin zu platzieren. Platzieren – dieses Wort, das vielleicht nur eines bedeuten mag: Dekoration. Der Bauplan des Lebens eines modernen Menschen sieht in vermeintlicher Selbstaufgabe für jemand anderen eine Fehlkonstruktion. Gleichzeitig betäuben wir unsere Einsamkeit mit tausend Projekten, tausend Zielen, tausend Seminaren und Reisen und vergessen, dass die Gitterstäbe dieser Einsamkeit, stets von uns selbst geschmiedet wurden. Wir haben alles und darin klafft: ein großes Nichts. Mit den Worten eines deutschen Dichters: Boulevards, Lidos, Laans – selbst in den Fifth Avenuen fällt Sie die Leere an.


Vom Vorübergehen der Stäbe… Die hedonistischen Ichlinge, die manch ein Kritiker dem Geiste des Individualismus zuspricht, sind eine Bedrohung nicht. Auch wenn man manchmal das Gefühl hat, jedes Herz würde für sich alleine in einem Käfig schlagen – von einer Massenherzhaltung sind wir (noch) entfernt. Und JA! Hinter tausend Stäben, gibt es eine Welt. Das Selbst ist immer auch ein geleb-

tes Wir – es ist ein Zusammenspiel mit anderen, ein Sich-Erfahren indem man durch die Augen des anderen in sich zu blicken lernt. Die Ära des „Wir“ ist aber dennoch nicht gekommen. Dieses Wort steht nur wie eine Erinnerung von etwas, was vergangen oder nie gewesen, vom Firmament auf uns herabblickt. Und so lange sich das nicht ändert – oder damit es das endlich tut: bleiben und stille bewahren, das sich umgrenzende Ich. ◊

Selbst.zentriert – Das sich umgrenzende Ich stets bewahren titel | 9


. t s b l e s u Sestiänd dig. Oder: Die ewige Suche nach dem „Ich“ Text: Wiebke Henke –

W

er bin ich? Wer will ich sein? Wie sehen mich die anderen? Laut Wikipedia sind diese drei Fragen die Hauptfragen auf dem Weg der Selbstfindung. Doch wie findet man sich selbst? Und überhaupt – was heißt das eigentlich, „man selbst zu sein“? Das möchte ich gerne wissen. Also google ich. Als Teil der Generation Web 2.0 ist mir der Weg zum Duden zu weit – mein Wissen ist nicht in meinem Kopf, sondern im Internet gespeichert. Wenn ich etwas wissen möchte, befrage ich eine Suchmaschine. Welche der vielen Antworten, die Google mir anbietet, ist nun aber die richtige auf meine Frage? Das kann mir das Internet nicht sagen. Dafür muss ich meinen Kopf anstrengen, SELBST denken. SELBST bedeutet aus eigenen Kräften, sagt mir das Internet. Das SELBST, das bin ich: Mensch, Individuum, Wesen, Subjekt, Herz und Seele zugleich. Und noch einiges mehr, wenn ich den Google-Ergebnissen Glauben schenken soll. Wer suchet, der findet: Ich suche mich selbst – Selbstfindung? Google spuckt mir ungefähr 283.000 Ergebnisse aus. Ich schaue mir die ersten zwei Seiten an: Wikipedia hilft mir nicht weiter. Die nächste Seite rät mir, mich selbst liebevoll zu beobachten. Ich soll mein eigenes Verhalten annehmen und nicht verurteilen und aufhören, mich vor mir selbst zu verstecken. Aha. Und damit ich das auch verstehe, bekomme ich gleich einen Einblick in ein paar Übungen zur Selbstfindung – gratis natürlich.

(Selbst-)Verloren im World Wide Web 1. Ich soll Fragen beantworten: Darunter fallen solche nach meinen Stärken und Schwächen, meinen

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Fotos: Michael Christ

& Florian Falch

größten Erfolgen, nach dem, was ich später einmal über mein Leben sagen möchte – und welche drei Wünsche ich gerade an eine gute Fee hätte. Das ist einfach: Urlaub hätte ich gerne, ein tolles Abendessen – und eine Massage, das wäre nicht schlecht. Meine Stärken und Schwächen…darüber denke ich vor jedem Vorstellungsgespräch nach und finde die Frage jedes Mal doof. Und später möchte ich einmal über mein Leben sagen, dass es ein schönes Leben war. Und meine größten Erfolge stehen hoffentlich noch aus… Fühle ich mich jetzt schlauer? Nein.


2. Also weiter zum zweiten Teil. Ich soll Glaubenssätze vervollständigen. „Die Welt braucht…diese Webseite nicht“, „Unwichtig ist…diesen Blödsinn zu beantworten“, und „Diesen Quatsch…kann ich nicht ertragen“. Na bitte, das war doch einfach. Vielleicht etwas wenig zielführend. Egal, ich gebe nicht auf. 3. Nun muss ich noch Fragen zu meiner Kindheit beantworten. Am besten finde ich „Ich war der einzige in der Familie, der immer…“ und „Angenommen, es hätte ein Spruchband über Ihrem Zimmer gegeben – was hätte dort drauf gestanden?“ – ähhhhmm nein danke, ich lass das wohl doch lieber… Ich habe genug gelesen – und inzwischen auch den Button gefunden, wo man weitere Kursinhalte bestellen kann – kostenpflichtig natürlich. Den werde ich bestimmt nicht anklicken. Auf diese Weise werde ICH mein Selbst niemals finden – und auch sonst keiner, da bin ich mir sicher. Mich selbst zu googlen oder irgendeines meiner unzähligen Online-Profile anzuschauen, halte ich für sinnlos. Spiegeln sie mein wahres Ich wider? Wohl kaum – außer ein paar Fotos, Gruppen, Pinnwandeinträgen und Ähnlichem ist dort nicht viel zu finden. Mein Online-Ich, das bin ich nicht.

Die Suche am Ursprung Ich entschließe mich, die Suche also an der Quelle, bei mir selbst, zu beginnen – ohne Internet, „aus eigenen Kräften“, wie ich es anfangs bei meiner Google-Suche gelesen habe. Also gehe ich in die Küche, genauer: zum Kühlschrank. Dort hole mir einen Joghurt. Das mache ich immer, wenn ich nicht weiter weiß. Essen lenkt ab. Es gibt mir das Gefühl, etwas total Sinnvolles zu tun – ohne das eigentlich Wichtige angehen zu müssen. In meinem Fall – na ja… Meine Mitbewohnerin sitzt in der Küche. Trifft sich gut. Mir kommt da nämlich ein Gedanke… Während ich mir einen Löffel Schokojoghurt in den Mund schiebe, frage ich beiläufig: „Sag mal, wenn du mich in drei Sätzen beschreiben müsstest, was würdest du sagen?“ Meine Mitbewohnerin verschluckt sich erstmal. „Häh, wie? Warum das denn?“, fragt sie schließlich, als sie wieder aufgehört hat zu husten. „Ist egal, sag halt einfach mal. Können auch zwei Sätze oder vier sein“, versuche ich, sie zu ermuntern. Ich warte. Das kann ja wohl nicht so schwer sein… Ok, Geduld habe ich scheinbar schon mal keine. Nach einer gefühlten Ewigkeit platzt aus meiner Mitbewohnerin ein „Du bist nett“ heraus, gefolgt von einem „Ja, keine Ahnung, was willst du denn von mir hören? Du überforderst mich, das ist voll schwer!“ – ähhh ja, das hab ich auch schon bemerkt. Aber etwas mehr hätte ihr schon einfallen können, „nett“ hilft mir auf dem Weg zu mir selbst nicht wirklich weiter. >>

– te? g un Leu d n r i f r) eide e .( Kl t lbs hen e S ac M


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– n e g o s z a e d b . ls st Selb Selbst ainge Das aller D Ma


Was liebst du an mir? Leicht resigniert gehe ich zurück in mein Zimmer. Ich rufe meinen Freund an. Der kann mit meiner Frage, was er an mir liebt, aber auch nicht wirklich viel anfangen. Ob alles ok ist bei mir, fragt er. Nein – also ja. Prinzipiell schon. Die sind mir nur alle keine Hilfe. Wie soll ich mich denn so selbst finden? Rastlos streife ich durch meine Wohnung, vorbei an der Garderobe, an unseren gefühlt tausend Schuhen, am Spiegel, weiter zum… Moment. Der Spiegel. Vielleicht kann der mir helfen? Ich betrachte mich darin. Lange. Blond, mittelgroß, blass, dunkler Pulli, blaue Augen, schmale Lippen. Sagt mein Aussehen etwas darüber aus, wer ich bin? Dass ich gerne Schokolade esse, sieht man mir zum Glück eher nicht an – dass ich heute zu faul war, mich zu schminken, schon etwas deutlicher… Und Augenränder hatte ich auch schon mal weniger. Aber was könnte jemand daraus schließen, wenn er mich so sieht? Nur weil ich von Natur aus kreideweiß bin und einen schwarzen Pullover trage, bin ich doch wohl nicht etwa depressiv, oder? Könnte ja sein, dass ich den Pulli von einer wichtigen Person geschenkt bekommen habe – oder meinen Freund darin das erste Mal geküsst habe. Wer will das denn wissen? Nein, das Aussehen lässt, wenn überhaupt, nur bedingt Rückschlüsse auf den Charakter einer Person zu. Ich sehe heute einfach nur müde aus.

Alles nur Facetten Ich brauche einen Plan. In meinem Kopf zieht einer meiner Freunde nach dem anderen vorbei, gefolgt von meiner Familie. Auch die Menschen, die mich – so glaube ich – nicht so sehr mögen, gehe ich nacheinander durch. Was denken sie wohl über mich, wie sehen sie mich? Es ist irgendwie spannend, sich darüber Gedanken zu machen, wer einen wohl mag und wer nicht – und warum. Ich schweife ab. Mir fallen wichtige Momente aus meinem Leben ein: lustige, traurige, schöne. Langsam wird mir etwas bewusst: Mein Freund kennt mich ganz anders als meine Eltern – meine Freunde von Zuhause anders als meine Augsburger Freunde. Und die Leute, die mich nicht mögen – was weiß ich, was die alles von mir denken… Aber irgendwie bin das alles ich. Und irgendwie auch wieder nicht. Ich meine, mal ehrlich, manchmal überrasche ich mich selbst. Traue mir selbst Dinge nicht zu, die ich dann – meistens – doch irgendwie schaffe. Kenne ich

mich also selbst nicht einmal richtig? Oder bin ich am Ende einfach das Aggregat aus allem, was irgendwelche Leute über mich denken? Ganz ehrlich: nein, das will ich gar nicht. Im Endeffekt bin ich nichts davon – das sind alles nur Facetten von mir. Mich als Ganzes kann nicht einmal ich selbst fassen, wie sollte das dann irgendwer anders können?

(Selbst-)Erkenntnis?! Völlig in diese Gedanken versunken, bin ich in die Küche gewandert. Meine Hand schiebt mir gerade ein Stück Schokolade in den Mund. Auch wenn ich immer noch nicht so genau weiß, wer ich bin, eines weiß ich sicher: Die Leute um mich herum, ob sie mir nun wichtig sind oder nicht, machen sich darum sehr viel weniger Gedanken als ich. Für sie zählt nur, ob sie mich mögen oder nicht. Warum also sollte ich mich selbst mit dieser Frage stressen? Reicht es nicht, wenn ich mich mag, so wie ich bin? Zufrieden mit diesem Ergebnis meiner Suche nach meinem Selbst nehme ich die ganze Tafel Schokolade mit in mein Zimmer. Wer mich jetzt beobachtet, kann zumindest meine „süße“ Seite kennenlernen… ◊

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, n e t t GemesintNaame ist Chef.

nOder: von den Vor- und Nachteilen der beruflichen Selbststä . digkeit. Zwei Selbstständige berichten Gerzen r – Illustration: Kristina Text & Fotos: Sabrina

G

ründe, sich selbstständig zu machen, gibt es viele. Auch die unterschiedlichen Wege zum eigenen Chefsessel sind unzählbar. Darum haben wir nachgefragt. Zwei Selbstständige standen unseren Redakteurinnen Rede und Antwort: über ihre Motivation, ihre Arbeit, ihre Probleme, ihre Ziele für die Zukunft – und ihre Tipps, was man auf dem Weg zur eigenen Firma beachten muss. Der Sprung in die Selbstständigkeit bedeutet für viele ein großes Wagnis. Zu groß ist die Ungewissheit, zu unüberwindbar erscheinen die Schwierigkeiten. Für andere steht jedoch schon bereits während des Studiums fest: Sie wollen sich der Herausforderung der Selbstständigkeit stellen. Viele begehen in der Umsetzung ihres Traumes jedoch einen großen Fehler: Sie handeln zu schnell und zu unüberlegt. Anstatt sich kopfüber in die neue Existenzgründung zu stürzen, sollte man sein Vorgehen gut überdenken. Denn die Zeit, die man im Vorfeld in seine Überlegungen investiert, zahlt sich später aus. Dabei lässt gerade das fehlende Grundkapital viele zaudern. Die meisten Unternehmensgründer wissen jedoch nicht, was ihnen an finanzieller Unterstützung entgeht: Darlehen, Bürgschaften, Zuschüsse, Beteiligungen, Wagnis- oder Risikokapital, Hilfe auf Auslandsmärkten – das Angebot ist ebenso breit wie vielfältig. Umso wichtiger ist es, sich frühzeitig

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Gebhardt und Rosina

Obermaye

bei einer der unzähligen Beratungsstellen zu informieren (siehe Infokasten S. 16).

Zwei Menschen, zwei Geschichten Gero Gode und Sabine Meister haben den Weg in die Selbstständigkeit gewagt. Ihre Geschichten sind dabei genauso unterschiedlich wie ihre Motive: Für Sabine hat der Schritt in die Selbstständigkeit etwas mit Selbstverwirklichung zu tun. Ihr Herzblut steckt in ihrer Arbeit. Gero hingegen ist von seinem iBWL-Studium geprägt: Er kennt den Markt und sieht in der Selbstständigkeit die Möglichkeit zum beruflichen Erfolg. Für presstige haben beide ihren persönlichen Weg in die Selbstständigkeit rekapituliert.

„Auf den Zug aufgesprungen“ Beinahe beispielhaft kann man die Karriere bezeichnen, die Gero Gode (24) seit Beginn des Jahres zurückgelegt hat. Im Januar 2010 startete der Wirtschaftswissenschaftler „Teambon“, eine Internetseite mit einem täglich neuen Angebot. Das Konzept ist einfach: kaufen genügend Nutzer das Angebot, kommt der Tagesdeal zustande, egal ob es sich um einen günstigen Friseurbesuch oder um einen Einkaufsgutschein handelt.

„Bereits Ende 2009 schwappte dieser Hype aus Amerika nach Europa“, begründet Gero den Schritt in die Selbstständigkeit. „Ich habe die Chance genutzt und bin kurz nach dem Abschluss meines Studiums auf den Zug aufgesprungen.“ Mit lokaler Fokussierung und Nachhaltigkeit gelang ihm innerhalb kurzer Zeit der Aufbau eines Netzwerks in Augsburg. Nach nur einem Monat wurde „Teambon“ vom Unternehmen „DailyDeal“ übernommen, was einen Umzug nach Berlin für eine Stelle im Marketing-Bereich zur Folge hatte. Doch es hat den Anschein, dass der „Teambon“-Gründer lieber sein eigener Chef ist. Denn nach drei Monaten kehrte er zurück nach Augsburg, um im Juni 2010 die Agentur „Gero Gode Marketing & Design“ zu gründen. „Blut geleckt habe ich bereits sehr früh“, äußert sich Gero zu seiner Selbstständigkeit. Mit 16 habe er erste Designaufträge angenommen und vor vier Jahren gründete er mit seinem Bruder den „Alpha Star Aktienklub“. Gelohnt hat sich der Schritt in


die Selbstständigkeit für ihn auf jeden Fall. Wie viel „DailyDeal“ sich die Übernahme seines angehenden Konkurrenten kosten ließ, möchte der Marketing Experte nicht verraten. Doch allein die Tatsache, dass Kapitalgebern zufolge das Startup nach nur einer Woche 600.000 Euro wert gewesen sei, lässt die Grenze nach oben offen. Sicherlich wird auch bei Geros nächstem Ziel der Erfolg auf seiner Seite sein: mit einer Marketing-Agentur in den nächsten Jahren unter den Top-Agenturen Deutschlands zu landen!

Mit Leidenschaft ins Berufsleben Einen ganz anderen Weg hat Sabine Meister eingeschlagen. Die 27-Jährige hat in Augsburg und Argentinien Politik- und Rechtswissenschaften sowie Romanistik mit Schwerpunkt

Welcher Beruf passt zu mir? Beim Jobtalk am Montag hat er erfahren, was man mit seinem Studienfach alles werden kann.

Spanisch studiert. Im letzten Jahr ihres Studiums belegte sie zusätzlich ein Aufbauseminar Medienübersetzung und Untertitelung am Sprachen- und Dolmetscherinstitut München. Das gefiel ihr so gut, dass sie zusammen mit zwei SeminarTeilnehmerinnen den Schritt in die Selbstständigkeit wagte: Anfang dieses Jahres gründeten sie das Untertitelungsunternehmen „mimikri“. Frisch von der Uni, ab in die Selbstständigkeit – ein ungewöhnlicher Weg. „Es gibt nur wenige Firmen, die Untertitler anstellen“, erklärt Sabine. Sie hatte sich bei einem Berliner Unternehmen beworben, wurde jedoch nicht genommen. „Wir hatten keine große Wahl: Entweder auf die nächste Bewerbungsphase warten und ein Jahr vergeuden oder den Sprung ins kalte Wasser wagen.“ Dort lauerten zwei große Hindernisse: „Zum einen musste ich zum ersten Mal eine Steuererklärung

Welche Zusatzqualifikationen sind sinnvoll und wie kann ich sie erwerben? Sie hat sich auf der Internetseite des Career Service informiert und sich gleich für zwei Trainings zum Thema Projektmanagement und Moderation angemeldet.

Career Service: Wir machen dich fit für den Sprung ins Berufsleben! www.uni-augsburg.de/career-service

machen, mich selbst versichern, der ganze bürokratische Kram eben“, so Sabine. „Zum anderen hatten wir noch nicht viel in dieser Branche gearbeitet.“ Gerade im Filmbereich laufe aber alles über Beziehungen.

Flexibel? Belastbar? Was muss man aber nun für die Selbstständigkeit mitbringen? Neben Flexibilität kommt es vor allem auf die psychische Belastbarkeit an. Man kann nicht vorausplanen, an Urlaub ist nicht zu denken, da jederzeit ein neuer Auftrag ins Haus flattern könnte. „Manchmal wäre es einfach schön, Feierabend zu machen und sich sicher sein zu können, dass jeden Monat das Geld reinkommt“, berichtet Sabine. Die anfängliche Unsicherheit hat sich inzwischen gelegt. „Ich habe nicht mehr Angst, dass es gar nicht klappen könnte. Es wäre nur schön, >>

Wo kann ich frühzeitig Kontakte zu Arbeitgebern knüpfen? Auf einer Exkursion ist er mit der Personalerin des besuchten Unternehmens ins Gespräch gekommen – und hat seinen Praktikumsplatz sicher!

Wie bewerbe ich mich richtig? Er war zur Beratung im Career Service – und weiß jetzt, wie das perfekte Anschreiben aussieht!

Universität Augsburg Career Service


irgendwann davon leben zu können.“ Zurzeit arbeitet Sabine noch parallel in einer Redaktion, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren; das reduziert sie jedoch immer mehr. Trotz aller Schwierigkeiten hat sich die Selbstständigkeit für Sabine gelohnt. „Ich muss nur mir und meinen beiden Geschäftspartnerinnen Rechenschaft geben“, erzählt sie. „Morgens kann ich einkaufen gehen, gemütlich Kaffee trinken und mir die Arbeit selbst einteilen.“ Sobald aber ein Auftrag hereinkommt, heißt es Tag und Nacht durcharbeiten. „Ich wollte in diesem Bereich arbeiten“, erklärt sie. Dafür nimmt sie auch gerne die psychische Belastung der Selbstständigkeit in Kauf.

Von Null auf Hundert: Nach nur einem Monat wurde Gero Godes neu gegründetes Unternehmen aufgekauft und er durfte in die Chefetage nach Berlin umziehen. Mit Herzblut und Leidenschaft: Zusammen mit zwei Seminarkolleginnen hat Sabine Meister nach ihrem Studium den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt.

Viele Wege zum Erfolg So unterschiedlich die Wege in die Selbstständigkeit auch aussehen mögen, eines haben sie gemeinsam: sie führen immer ein Stück weit ins Ungewisse. Anstatt sich aber von den vielen Schwierigkeiten abschrecken zu lassen, sollte man seinen ganzen Mut zusammennehmen und sich der Herausforderung stellen. Also, worauf wartet ihr noch? Auf ins Abenteuer Selbstständigkeit! ◊

Hilfe gibt's unter anderem hier: Gründerakademien, Arbeitsamt, Hausbanken, IHK, Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie (www.startup-in-bayern.de) , Transferstelle der Universität Augsburg Die Gründerberatungsstelle „Transferstelle der Universität Augsburg“ existiert seit dem Jahr 2000 und fasst seit 2009 ihre Dienstleistungen unter der Dachmarke uni-t zusammen. Sie befindet sich im BüroCenterMesse (BCM, Haltestelle Bukowina-Institut/PCI) und ermöglicht Studierenden aller Fachrichtungen, sowie weiteren Universitätsangehörigen eine fundierte und spezifische, kostenlose Erstberatung. Das vierköpfige Team wird von externen Gastberatern der IHK und des Businessplan-Wettbewerbes Schwaben praxisnah unterstützt und beschäftigt sich in erster Linie mit Gründer-, Erfinder- und Patentberatung. Daneben bietet die uni-t Hilfe beim Zugriff auf finanzielle Unterstützung und Förderung durch gründungsbezogene Initiativen auf Landes- und Bundesebene. An ungefähr acht Sprechtagen im Jahr werden jeweils bis zu vier Beratungen mit Gastberatern durchgeführt; nach kurzer Voranmeldung sind auch Termine außerhalb der Sprechtage möglich. Neugierig geworden? Dann lest euch unter www.presstige.org das ungekürzte Interview mit einem Vertreter der Beratungsstelle durch. Weitere Infos zur uni-t selbst gibt‘s unter www.uni-augsburg.de/einrichtungen/transferstelle.

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Jazz & Pop?

Was macht man eigentlich mit …

Mit Beethoven und den Beatles zum Bachelor Text: Katharina Brugger – Illustration: Sandra Strixner

M

usik an. Augen zu. Genießen! Doch Zuhören, das ist nur eine Seite der Musikwelt. Hinter den Tönen arbeiten Musiker, Techniker und Musiklehrer, die Pop und Jazz zelebrieren, verarbeiten und lehren. Für das hierfür benötigte Handwerkszeug soll künftig die Bachelor-Vertiefungsrichtung „Jazz/Pop/Musikmedien“ am Augsburger Leopold Mozart Zentrum sorgen. Große Veränderungen gilt es ab dem Wintersemester 2010/11 am Augsburger Leopold Mozart Zentrum (LMZ) zu bewältigen. Aufbauend auf dem klassischen Studium eines Instruments, starten ab Herbst fünf Bachelor-Vertiefungsrichtungen. Ein Angebot fällt dabei besonders ins Auge: Jazz/Pop/Musikmedien. Um die Vertiefung vor dem offiziellen Start auf Herz und Nieren zu prüfen, wurde vor zwei Semestern ein Pilotstudium ins Leben gerufen. Als Versuchskaninchen dienten die beiden Klavierstudenten David Bertok (28) und Markus Guth (26).

Vier Semester Klassik, vier Semester Pop Wer nun denkt, in Augsburg werden die Madonnas und Michael Jacksons von morgen unterrichtet, liegt falsch. Glanz und Glamour werden

eher die Ausnahme im Studienalltag der Musik-Studenten sein. Daniel Eberhard, Initiator und Betreuer der Vertiefungsrichtung, betont, dass sich das Studium vor allem an zukünftige Musiklehrer richtet. Sie sollen den Schülern später einen zeitgemäßeren Unterricht bieten. Doch der Ruhm muss nicht ganz auf der Strecke bleiben. In der Vergangenheit gab es bereits Kooperationen mit bekannten Künstlern. So tourte das Pop-Orchester des LMZ bereits mit der Band „Anajo“. Da die Anfragen von Bands zahlreich sind, werden sicher weitere Projekte folgen.

Auch die eigene Band profitiert vom Studium Doch das Mitspielen in Bands ist nur eine Facette des Studienangebots. Im Verlauf der vier Semester lernen die Studenten das Bandleben von allen Seiten kennen. Bei der Kooperation mit dem Downtown Music Institute, einer Augsburger Musikschule für Popularmusik, leitete David bereits eine Schüler-Band und bereitete die Jugendlichen auf ihren Auftritt vor. Der Schwerpunkt des Studiums findet jedoch an der Uni statt. Sie lernen dort unter anderem die Geschichte der Populären Musik, die Grundlagen von Musikmarkt und Musikrecht, sowie den

Umgang mit Medien im Unterricht. Die speziellen Jazz- und Popkurse besuchten David und Markus nur zu zweit. „Das Individuelle sollte beibehalten werden“, wünscht sich David für die Zukunft. Die Dozenten konnten so viel besser auf die beiden Studenten eingehen. „Vor allem in Fächern wie Arrangement und Komposition sind kleine Gruppen wesentlich sinnvoller“, ergänzt Markus. Wie bei jeder neuen Studienrichtung gab es auch bei Jazz/Pop/Musikmedien zu Beginn Startschwierigkeiten. „Mit der internen und inhaltlichen Organisation am LMZ bin ich zufrieden. Nur die Kooperation mit der Uni war manchmal noch etwas chaotisch“, berichtet Markus. Trotzdem würden sich beide Studenten wieder für Pop entscheiden. „Die Vertiefungsrichtung kommt eben dem am nächsten, was ich sonst mache – selbst kreativ sein, in eigenen Bands spielen“, erzählt David. Auch Markus bereut seine Wahl nicht. Ab Herbst wird Jazz/Pop/Musikmedien für alle Musik-Studenten als Vertiefungsrichtung angeboten. Das Experiment ist bisher geglückt, doch noch immer müssen Hindernisse überwunden werden. Bleibt zu hoffen, dass sich Beethoven nicht im Grab umdreht, sondern zur Musik der Beatles wohlwollend im Takt nickt. ◊

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Zwischen Geburtswehen und 68er-Geist Ein Studium im Gründungsjahrgang der Universität Augsburg Text: Martina Wengenmeir – Fotos: Wolf Lamers & Sozialreferat

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en Wind der 68er-Bewegung stärkend im Rücken und die Ideale fest in den Köpfen verankert – so wurde am 16. Oktober 1970 feierlich eine Universität eröffnet, deren Reformkonzept in Deutschland einmalig war: die Universität Augsburg. presstige hat anlässlich ihres 40-jährigen Jubiläums mit einem Studenten der ersten Stunde gesprochen. Zwar hatte er nicht die Matrikelnummer 1, weil diese innerhalb des Gründungsjahrgangs nach Alphabet geordnet an die 180 Studienanfänger vergeben wurden. Dennoch kann man Max Weinkamm, den heutigen Sozialreferenten der Stadt Augsburg, als den ersten Studenten der Uni Augs-

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burg bezeichnen, da er bereits an ihrer Gründung mitarbeitete. Ein Brief aus dem Kultusministerium berief den damals 21-Jährigen in den Gründungsausschuss der neuen Hochschule. Der gebürtige Augsburger hatte nach dem Abitur eine Banklehre absolviert. Als er dann von der Einrichtung der neuen „Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Hochschule“, „der WiSo“, in seiner Heimatstadt gehört hatte, meldete er sich einfach dafür an.

Drinnen Studium, draußen Bagger Das Studium war deutschlandweit einmalig: ein integrativer Studien-

gang, der die Fächer Mikroökonomie, Makroökonomie, Psychologie, Soziologie, Mathematik und Statistik verband. Der Wirtschaftswissenschaftler und Gründungspräsident der Augsburger Uni, Louis Perridon, hatte dieses Konzept dem Bayerischen Kultusministerium vorgelegt. „Das Studium fand in Kleingruppen statt und sollte uns die Lösung eines Problems durch die Betrachtung aus verschiedenen Fachrichtungen lehren“, erklärt Weinkamm heute. Vor allem zu Beginn bestand ein hoher organisatorischer Aufwand. „Wir haben drinnen zu studieren angefangen, während draußen noch die Bagger gegraben haben“, erinnert sich der ehemalige Student. Dennoch bot


die Verwaltung den Studierenden auf dem neu entstehenden Uni-Gelände an der Memminger Straße bestens organisierte Abläufe: Die Stundenpläne waren gut abgestimmt, Mensa und Bibliothek gab es von Anfang an und bereits 1971 kam das Sportzentrum dazu.

„Tolle Typen“ Vom ersten Tag an sicherte ein umfassender Stab an Mitarbeitern und Professoren die gute Betreuung der Studenten. „Mit 12 Dozenten oder Professoren je Fach und nach einem Jahr nur noch 120 Studierenden, weil die anderen 60 an Mathe gescheitert waren, war das Betreuungsverhältnis phänomenal“, erzählt der heute 60-jährige Weinkamm begeistert. „Mit der Zeit habe ich unsere Professoren und Assistenten auch richtig zu schätzen gelernt, das waren tolle Typen.“ Neben den ehrwürdigen Figuren 50-jähriger Professoren sorgten junge Reformer zwischen 30 und 35 für den nötigen Schwung. So kam es, dass Weinkamm seinen späteren Statistik-Professor Bamberg

beim ersten Treffen im „WiSo“-Gebäude in der Memminger Straße 6 für einen Kommilitonen hielt und dementsprechend locker duzte.

Öffentliche Abschlussprüfungen Dieser jugendliche Elan und der Geist der 68er-Bewegung umwehten die junge, reformorientierte Uni. Mündliche Abschluss-Prüfungen wurden öffentlich unter den Augen jüngerer Jahrgänge durchgeführt und auch das 5:3:2:1-Prinzip der Zusammensetzung in den Fachbereichsräten und im Senat war einzigartig und nur durch das große Engagement von allen Seiten zu erreichen: Fünf Professoren konnten theoretisch bei Entscheidungen von drei Assistenten, zwei Studenten und einem Verwaltungsmitarbeiter überstimmt werden, was aber nie der Fall war. Als das Kultusministerium mit einem Satzungserlass 1972 eine 6:2:2:1-Regelung bestimmte, die den Professoren eine ausschlaggebende Mehrheit zuteil werden ließ, riefen die Augsburger Studentenvertreter,

denen auch Weinkamm angehörte, zum Streik auf. „Wir hatten uns zwei Jahre abgerackert, um zu zeigen, dass eine solche Mitbestimung der Betroffenen funktionieren konnte, und dann dieser Rückfall in alte Strukturen“, wettert Weinkamm noch heute. Die damals tief aufgesogenen Ideale prägen den 61-Jährigen bis in die heutige Zeit. Im Vergleich zu heutigen Studienbedingungen, beispielsweise in Bezug auf die Video-Übertragungen von Massenvorlesungen in andere Räume, kann Weinkamm nur den Kopf schütteln und resümiert: „Mit der Humboldt'schen Studienauffassung hat das nicht mehr viel zu tun. Da beneide ich die heutige Studentengeneration nicht. Als wahrer 68er-Abijahrgang bin ich froh, das Studium an der damaligen Reformuniversität Augsburg miterlebt zu haben. Mein Studium waren unglaubliche vier Jahre Diskussionstraining auf höchstem Niveau.“ ◊

Rechts unten und Links Oben: Studenten in der ehemaligen Mensa Rechts Oben: Max Weinkamm

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Schwul oder was?! Über rosa Uni-Aktivitäten, bornierte Studenten und die Frage, wer eigentlich die Frau ist Text: Patricia Ott – Illustration: Madeleine Schuster

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rauen, Männer und die Anderen. Das Schema in unseren Köpfen lässt sich nur schwer ausschalten. Studenten gelten gemeinhin als tolerant, aber an unserer Uni muss das Schwulenreferat um Anerkennung, Akzeptanz und Fördergelder kämpfen. Die deutschen Hochschulen werden zunehmend rosa – circa 40 Schwulenreferate gibt es bundesweit. Ganz klischeehaft ist Nordrhein-Westfalen mit fast zehn Referaten Spitzenreiter, während man im Osten Deutschlands fast gar keine Schwulen-Organisationen an den Unis finden kann. Das konservative Bayern liegt im unteren Mittelfeld und kann derzeit mit drei aktiven Referaten aufwarten. Augsburg ist eines davon und das bereitet seinem Leiter Martin Frieb so einiges Kopfzerbrechen.

„Bei den Finanzen sieht es mau aus!“ Fragen zum bevorstehenden Coming-Out beantworten, das Rosa Brett der Uni betreuen und den Queer Uni Treff, an dem momentan

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acht Mitglieder regelmäßig teilnehmen, organisieren. Das sind derzeitig die Aufgaben des Informatik-Studenten, der das besondere Amt seit mittlerweile zwei Jahren inne hat. Bevor er kam, war der Posten fast anderthalb Jahre unbesetzt. „Man ist eben der Vorzeige-Schwule der Uni“, sagt Martin. Damit kommen nicht viele klar. Aber die Suche nach mehr Men-Power für das Referat ist nicht das einzige Problem; auch die Finanzen lassen keine großen Sprünge zu. Gerne würde Martin mehr Aktivitäten anbieten, mehr Aufklärung leisten und das Schwulenreferat an der Uni präsenter machen, doch dafür fehlt schlichtweg das Geld. Das alte Lied von der Krise und dem Sparzwang – auch das Budget der Uni ist knapp und somit müssen die AStA-Referate mit dem auskommen, was da ist. Der verbleibende Betrag für das kleine Schwulenreferat ist dann meist nur noch beschämend gering. Die Uni kann aber auch nicht mehr Geld geben, da es in Bayern keine verfasste Studierendenschaft* gibt, diese hat meist ein Vielfaches an Geldern zur Verfügung. Martin schaut hier neidisch auf an-

dere Schwulenreferate, die für ihre Tätigkeit teilweise eine Vergütung von 400 Euro pro Monat erhalten. Aber auch beim AStA selbst stehen die rosa Aktivitäten auf wackeligen Beinen, das weiß auch der Informatik-Student: „Der Konvent befasst sich nach jeder Uni-Wahl aufs Neue damit, ob er das Schwulenreferat für sinnvoll hält oder nicht, deshalb ist es mir wichtig, hochwertige Arbeit zu leisten, damit das Referat überlebt.“

„Wir sind ganz normale Menschen“ Studenten präsentieren sich gerne als weltoffen, aber dennoch fällt es den meisten unglaublich schwer, schwul nicht gleich mit „anormal“ zu betiteln. Wenn man als Hetero von den schwulen Aktivitäten am Rosa-Brett liest, bekommt das Gesicht meist einen dümmlich grinsenden Ausdruck. Dann wird der Nebenmann angestupst, gefolgt von einem „Höhö, kuck mal“. Und die Frage, „Wer ist bei denen eigentlich die Frau?“, gepaart mit anzüglichem Lächeln, fällt


eigentlich so gut wie immer, wenn über die schwulen Pärchen gesprochen wird – Über die anderen, die nicht so sind wie man selbst. Eigentlich sollten gerade an einer Hochschule Liberalität und Fortschrittlichkeit demonstriert werden, aber wenn sich das Schwulenreferat nicht in den normalen Uni-Alltag integrieren und mehr Präsenz zeigen kann, bleibt der Kontakt mit Nicht-Heteros eine Seltenheit. „Ich würde mir wünschen, dass hier an der Uni offener mit Homosexualität umgegangen wird“, sagt Martin. Eine schwule Uni-Party, zu der alle kommen können, für „Gays, Lesbians & Friends“, das wäre Martins Traum: „So könn-

te man einmal zeigen, dass auch wir ganz normale Menschen sind.“

Das achte Weltwunder?

cken und hofft einfach darauf, dass die Zukunft noch mehr Normalität für das Schwul-Sein bringt. ◊ * weiterführende Informationen unter: www. studierendenvertretungen-bayern.de

Augsburg erhebt für sich den Anspruch, Großstadt zu sein: tolerant, multikulti eben, aber Martin hat in der Fuggerstadt andere Erfahrungen gemacht: „Wenn ich mit meinem Freund Hand in Hand durch die Stadt laufe, werden wir angeschaut wie das achte Weltwunder.“ Zärtlichkeiten auszutauschen ist in der Öffentlichkeit fast undenkbar. Dennoch, Martin fühlt sich in Augsburg wohl, er will sich nicht verste-

Schwulenreferat: Kontakt: schwul@asta.uni-augsburg.de Sprechstunde nach Vereinbarung Queer Uni Treff: Jeden zweiten Mittwoch im Café Corso Termine unter www.asta.uni-augsburg.de/asta/

Setz dich, nimm dir 'nen Keks… …und sei Teil von Bayerns größtem Studentenmagazin. presstige sucht Unterstützung in den Bereichen Redaktion, Fotografie, Layout, Grafik, Illustration, Webdesign, Marketing, Online-Marketing, Vertrieb und Personal. Auch eine Teilnahme am Begleitstudium Problemlösekompetenz ist für viele Studiengänge möglich. Interesse? Einfach schreiben – personal@presstige.org


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: e f i L k r o W y Stud Alles in Bala nce… …oder etwa doch nicht? Text & Fotos: Sophia Druwe – Illustration: Annette Robbins

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achelor, Master, Staatsexamen… – egal, welcher Abschluss angestrebt wird: Hauptsache man hat ihn möglichst schnell in der Tasche. Manche Freundschaften und Beziehungen zerbrechen aber an dem daraus resultierenden Stress. Auch ist nicht gesagt, dass nach der letzten Prüfung ein Job vor der Tür steht. Zu viele Probleme wie diese in deinem Kopf und keine Lösungen parat? presstige war für euch bei Florian Ress, Diplompädagoge und Study-WorkLife Berater der Uni Augsburg, in der Sprechstunde.

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Donnerstag, 10 Uhr, Gebäude A1, vor Raum 2041. Mitten in meiner Überlegung, wie man sich einen StudyWork-Life Berater vorzustellen hat, öffnet ein Herr mit unauffälligem Äußeren die Tür. Es ist Florian Ress. Seit etwa drei Jahren ist er an der Uni angestellt. Studiert hat Ress in Berlin und dort auch zehn Jahre als freiberuflicher Therapeut in einer Beratungsstelle gearbeitet. Auf den ersten Blick wirkt sein typisches Uni-Büro mit dem leicht chaotischen Schreibtisch etwas trist und kühl. Doch unterhält man sich mit ihm, ändert sich das


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Was tut ein Study-Work-Life Berater? Florian Ress selbst beschreibt seine Aufgabe an der Uni Augsburg als „Kurzberatung für einen bewussten Umgang mit den Herausforderungen im Alltag“. Der Experte will weniger schwerwiegende Probleme im Leben der Studierenden lösen und neue Perspektiven aufzeigen. Gemeinsam mit der oder dem Studierenden wird in einem Einzelgespräch die Ursache der akuten Problematik ergründet und eine Lösung erarbeitet. Die Studierenden, die zu ihm kommen, sind höchstens fünf Mal bei ihm und tauchen dabei in „einen kleinen Ort der Ruhe, Achtsamkeit und Balance“ ein. Etwa 100 Studenten finden diesen pro Semester. Eine Anmeldungsmail genügt und lange Wartezeiten gibt es auch nicht. „Die Chance, ganz in Ruhe ein Gespräch führen zu können, schätze ich sehr“, erklärt Ress.

zu Herrn Blum ist der Study-Work-Life Berater als Ansprechpartner vor Ort, direkt an der Uni. Hier tritt Ress als neutraler Berater auf, wenn Ratschläge der Freunde nicht recht überzeugen wollen. Erstaunt ist er über die Entwicklung, dass zunehmend Erst- und Zweitsemester zu ihm finden – ihm zufolge ein sicheres Zeichen für die Überforderung und den hohen Druck im Bachelor. Vierzig Prozent der „Patienten“ sind Männer, erstaunlich zu hören, da Ress zu Beginn seiner Tätigkeit fast nur Studentinnen in seiner Sprechstunde beraten hat. Naturwissenschaftler sind dünner vertreten, sonst habe er mit Studis aller Studiengänge zu tun. „Vielleicht ist bei den Naturwissenschaftlern die Hemmschwelle größer, mich aufzusuchen“, vermutet Ress. Dabei ist ein Gespräch mit Florian Ress doch genau so hilfreich wie der Austausch mit einer guten Freundin. ◊

Warum zum Study-Work-Life Berater gehen? Die Probleme der Studis hängen zu gleichen Teilen mit dem Studium selbst und mit zusätzlichen Ereignissen zusammen. Gerade vor Prüfungen treten Zweifel auf, ob man die Situation durchsteht. In Zusammenarbeit mit dem Career Service schafft Florian Ress in Seminaren wie „Den inneren Schweinehund zähmen“ Abhilfe. Typische Fälle für Einzelgespräche sind Probleme in der Familie, in der Beziehung oder im Freundeskreis. „Etwa durch tägliches Pendeln, zwischen der Uni-Stadt Augsburg und dem eigentlichen Wohnort hat man weniger Zeit füreinander und ein Streit kann schnell entstehen“, erklärt Ress. Für härtere Fälle, etwa sexuellen Missbrauch oder Alkoholismus, steht er in engem Kontakt zum Uni-Psychologen Thomas Blum und leitet die Studenten mit ihren Problemen an ihn weiter. Im Gegensatz

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Schattenspiele Worte zwischen Licht und Schatten

Pferseer Unterführung

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Text: Moritz Köppendörfer – Fotos: Moritz Beierlein & Moritz Köppendörfer

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anz beiläufig begegnen wir ihnen im Alltag. Selbstverständlich sind sie uns geworden im Lauf der Zeit. Orte in Augsburg, die erst spätabends ihren Mantel der Unauffälligkeit ablegen, erst dann ihren ganzen Reiz entfalten. Möglicherweise, weil sie im Schatten der Nacht in einem ganz anderen Licht erstrahlen. Und auch so manch eine Unterhaltung torkelt nachts einen Schritt aus dem Schatten der Vernunft des Tages und lässt ganz andere Einblicke zu. presstige hat sie gesammelt: die Wortfetzen der Nacht.


Wetten, ich treff den Baum mit meiner Bierflasche?!? (23:46 Uhr)

(Beim Anblick des Hotelturms) Seit wann is‘n der Eiffelturm oben bunt? (3:29 Uhr)

Komm, geh mer mal noch beim Alcatraz vorbei, ich hab noch Bock auf nen Döner. (4:07 Uhr)

Ich entschuldige mich einfach mal für alles, was ich vorhin unter Einfluss westlich-kapitalistischer Musik geschrieben habe. (SMS 4:17 Uhr) Maximilianstrasse

Äääh, in deinem Kopf ergibt das vlt sinn, aber ich bin hier draußen. ;) (SMS 7:39 Uhr)

„Wann treffen wir uns nu moin?“ – „Jo, morgen ist eh übermorgen und da es da auch nich is isses im september :) aii.“ (SMS 23:54 Uhr)

aam Milchberg, Nähe Ulrichskirche

Perlachturm


Schaetzlerpalais

Annahof

Sorry für die Unerreichbarkeit! Der nachmittagsschlaf dauerte heute etwas länger. Bis jetzt… Jetzt bin ich fit. Was geht bei euch noch? (SMS 1:28 Uhr)

Ey klar, du kannsch jederzeit bei mir pennen. My home is your castle! (6:41 Uhr)

„Du Storker“ – „Was hast du grad gesagt?“ – „Na Storker, du weißt schon…“ – „Okay, nochmal: WAS hast du da grad gesagt?“ – „Storker? ACH STALKER – oh Mann, ich werde einen Englischkurs besuchen, versprochen, diese Sprache bleibt einfach an meinem Gehirn nicht haften.“ (3:49 Uhr)

Wallanlagen, Nähe Lueginsland

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Bildung Bildung zahlt zahlt sich sich aus. aus. Unsere UnsereBildungsoffensive Bildungsoffensive::::Mit Miteinem einemg端ltigen g端ltigenStudentenStudentenUnsere Bildungsoffensive Mit einem g端ltigen StudentenUnsere Bildungsoffensive Mit einem g端ltigen Studentenspartman manbei beiuns unsEintritt Eintritt....Weitere WeitereInformationen Informationen ausweis ausweisspart spart man bei uns Eintritt Weitere Informationen ausweis spart man bei uns Eintritt Weitere Informationen ausweis cinestar.de unter untercinestar.de cinestar.de unter cinestar.de unter

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Wo Fußballfans feiern und Prinzessinnen wohnen Göggingen ist mehr als nur ein ruhiges Pflaster Text: Sabrina Gebhardt – Fotos: Christian Oliar

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nter Augsburgern ist Göggingen als beschauliche Familiengegend bekannt: Ruhige Lage, Natur satt und Punkt neun klappen sich die Bürgersteige hoch. Also nichts für feierlustige Studenten mit einem ausgeprägten Nachtleben? presstige ist dem auf den Grund gegangen und hat sich für euch in diesem Augsburger Stadtteil einmal umgesehen. Sengend strahlt die Mittagssonne vom Himmel. Stolz schiebt eine junge Mutter ihren Kinderwagen durch den Gögginger Park. Ein Hund überholt sie und hechelt seinem fahrradfahrenden Herrchen hinterher. Auf der Grünfläche liefern sich Kinder – wohl die Fußballhelden von morgen – ein rasantes Spiel. Dribbling hier, ein Kunststück dort und schon ist der Ball im gegnerischen Tor versenkt. Der Jubel ist groß. Cool bleiben dagegen die Jugendlichen, die sich auf dem dahinter liegenden Basketballplatz an Korblegern und lässigen Hip-HopMoves zu lautstarker Musik aus dem Ghettoblaster versuchen. Doch von all dem lässt sich die junge Studentin nicht stören: Konzentriert in ihre Unterlagen vertieft sitzt sie auf einer Decke im Gras und verbindet das Nützliche mit dem Angenehmen.

Bild Links: Die Hessing-Burg Bild Mitte: das Gögginger Parktheater Bild Rechts: Die Impuls-Arena

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Eine Stadt in der Stadt Biegt man vom Klausenberg in die Bürgermeister-Aurnhammer-Straße ein, so bietet sich einem ein ganz anderes Bild: eine eigenständige Stadt in der Stadt. Das Angebot an Geschäften an der Gögginger Verkehrsader ist breit gefächert, so dass man den Stadtteil zum Einkaufen eigentlich nicht verlassen müsste: Ob neue Schuhe, ein passendes Sport-Outfit oder eine schicke Brille – hier ist nahezu alles zu finden. Auch kulinarische Genüsse kommen angesichts der zahlreichen Bäckereien, Lebensmittelgeschäfte, Restaurants und Eisdielen nicht zu kurz. Und wer es etwas ökologischer mag, kann im Bio-Laden vorbeischauen.

Balsam für die Seele Eine Straße weiter, versteckt hinter einem Säulengang und inmitten eines weitläufigen Parks, thront eine gelbe Burg. Lebt dort wohl Dornröschen, die sehnsüchtig ihren Märchenprinz erwartet? Oder doch eher der Retter selbst, jederzeit bereit, sich auf seinen weißen Schimmel zu schwingen und loszureiten? Leider nein. Der burgähnliche Bau entpuppt sich als Gartensaal der Hessing-


Klinik. Johann Friedrich von Hessing errichtete 1887 die „Neue Heilanstalt“ in Göggingen. Der Gründer selbst war gelernter Schreiner und Orthopäde, hatte also nie eine medizinische Fakultät besucht. Er vertrat allerdings die Ansicht, dass ein Mensch neben der medizinischen Behandlung auch seelisch genesen muss, um ganz gesund zu werden. Aus diesem Grund ließ Hessing zusätzlich zur Burg und der St. Johanniskirche auch das Gögginger Kurhaus am Klausenberg mit dem kunstvoll ausgestatteten Parktheater bauen. Zahlreiche Veranstaltungen wie Theaterabende, Konzerte, Ausstellungen oder Lesungen locken fast jeden Abend Kultur-Begeisterte in den glamourös gestalteten Ballsaal. Der Vorteil für Studenten: Sie müssen nur die Hälfte des Eintrittspreises bezahlen.

Heiß begehrt: Das Gögginger Wohnheim Augsburger Studenten denken beim Stichwort „Göggingen“ jedoch zuerst an das heiß begehrte Studentenwohnheim. Die Wartelisten sind lang. „Praktisch ist, dass das Studentenwohnheim in der Nähe der Uni liegt“, erzählt Hüseyin Bal. Der 27-jährige Jurastudent wohnt nun schon seit drei Semestern im Gögginger Wohnheim und ist begeistert. Dafür nimmt er auch gern den weiten Weg in die Innenstadt in Kauf. „Ich fühle mich hier wohl. Im Mittelbau gibt es einen Vergnügungsraum, der viel genutzt wird“, meint er. Dort steht der gemeinsame Fernseher. Nebenan in der Küche gibt es jeden Mittwochabend Selbstgekochtes der Wohnheimtutoren zu genießen. Besonders beliebt ist allerdings das sogenannte „Bierstüble“ im Keller des B-Gebäudes. Hier wird jeden Mittwoch gefeiert, unter der Woche auch gerne einmal mit MottoPartys wie Bad-Taste oder Geschlechtertausch. Nicht umsonst ist das Gögginger Wohnheim als das „PartyWohnheim“ Augsburgs bekannt.

Mehr als nur Party Doch Göggingen hat mehr als nur studentische Partylaune zu bieten. „Die Gegend ist sehr ruhig und alles

andere als ein Ghetto“, erzählt Hüseyin. „Man findet hier viele verschiedene Nationen. Das finde ich schön.“ Ein Beispiel dafür ist Julia Fait. Die 22-Jährige studiert Lehramt, ist gebürtige Italienerin und verbringt im Rahmen des Erasmus-Programms ein Jahr in Augsburg. Über das Studentenwerk fand sie einen Platz im Gögginger Wohnheim. „Ich komme ursprünglich aus einem kleinen Dorf“, erzählt Julia. „Darum gefällt mir, dass es fast direkt vor meiner Haustür Wiesen und Felder gibt.“ Und wenn die Sonne vom Himmel lacht, schnappt sich die Studentin für den Weg in die Innenstadt einfach ihr Fahrrad. Zu ausgiebigen Sparziergängen zwischen Seminaren, Vorlesungen und Lerneinheiten laden auch das Gögginger Wäldchen und die Wertachauen zwischen Innigen und Göggingen ein. Pünktlich zum Wintersemester gibt es nun ein zweites Gögginger Wohnheim an der Bürgermeister-Miehle-Straße. Die rund 100 Plätze sollen die Wohnheimplatz-Situation entschärfen. Gleichzeitig reagiert das Studentenwerk so auf den Andrang des doppelten Abiturjahrgangs 2011.

Action und Sportgeist Feierstimmung herrscht auch in der neu gebauten Impuls Arena. Seit Juni 2009 können dort über 30.000 begeisterte FCA-Fans ihre Mannschaft hautnah erleben. Die Bewährungsprobe hat das Augsburger Stadion bereits bestanden: Nur vier Monate nach der Eröffnung war der Nachfolger des alten Rosenau-Stadions beim Länderspiel der Frauen gegen die australische Nationalmannschaft erstmals ausverkauft. Nachdem die Herausforderung der U20-Weltmeisterschaft der Frauen diesen Sommer erfolgreich gemeistert wurde, lockt nächstes Jahr ein neuer sportlicher Höhepunkt: Die Impuls Arena wurde zu einem der neun Austragungsorte der Fußballweltmeisterschaft der Frauen 2011 gekürt. Und vielleicht gelingt den deutschen Frauen ja das, was ihre männlichen Kollegen schon geschafft haben: zum dritten Mal den Weltmeistertitel zu holen. 2003 und 2007 hat es ja bereits geklappt. ◊


Ein würfe

Bünte Kültür-Vielfalt Sie sind da! Sie nehmen uns ein! Rette sich, wer kann! Jaja, schwer liegt uns die Sarrazin-Debatte noch im Magen, da kommt die Fuggerstadt auch schon mit dem passenden Gegenmittel: Annäherung! Bei den Deutsch-Türkischen Kulturtagen 2010 in Augsburg kann man sich ein Bild vom „Fremden unter uns“ machen – und davon, dass dieses Fremde so fremd nicht ist. Das „interkulturelle Fest der Begegnung“ wartet vom 12. Oktober bis zum 21. November 2010 mit einer Vielzahl von Veranstaltungen auf: von türkischen und deutschen Gedichten, über türkisches Kabarett à la „Döner mit Sauerkraut“, orientalischen Klängen und mystischen

Originalitalienische italienische Spezialitäten Spezialitäten Original Die Empfehlung im Uni-Viertel: Die Empfehlung im Uni-Viertel: Seit 10 Jahren italienische Gastlichkeit und einzigartiger Seit 10 Jahren italienische Gastlichkeit und einzigartiger Service direkt am Europa-Platz Service direkt am Europa-Platz Entdecken auch Sie die einmalige Kombination aus Entdecken auch Sie die einmalige Kombination aus Genuss und Leidenschaft: Im Ristorante “Il Porcino” Genuss undsich Leidenschaft: Ristorante “Il Porcino” verbindet die ganze Im Vielfalt italienischer Kochverbindet die ganze Vielfalt italienischer Kochkunst mitsich höchster Qualität. Erleben Sie die Freude kunst höchster Qualität. Erleben Küche Sie diederFreude und mit Unbeschwertheit der berühmten Round Unbeschwertheit der berühmten Küche der Romagna, dem kulinarischen Himmelreich Italiens! magna, dem kulinarischen Himmelreich Italiens! Alle Gerichte auch zum Mitnehmen! Alle Gerichte auch zum Mitnehmen!

Gedanken-, bis hin zu (Kunst-) Workshops – es handelt sich um ein regelrechtes Kultur-Feuerwerk, das in Augsburg entzündet wird! Die „Kültürtage“ sollen das Miteinander anstoßen, Neugierde bei den AugsburgerInnen wecken und Verständnis auf beiden Seiten generieren. „Merhaba Bert Brecht“ heißt es da zum Beispiel in einer der Veranstaltungen – der wohl bekannteste Augsburger Stadtsohn gehört zu den am meisten gelesenen deutschen Autoren in der Türkei! Bis auf eine oder zwei Ausnahmen ist der Eintritt zu den Veranstaltungen kostenlos. Na dann: Hadi hadi üff ins Getümmle, canım! (ks)

Ristorante Pizzeria Ristorante Pizzeria Salomon-Idler-Straße 24b Salomon-Idler-Straße 24b 86159 Augsburg 86159 Augsburg Tel. 0821 / 59 28 63 - 57 61 98

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Elfenbein auf Achse

Von Taxifahrern und denen, die sie kutschieren Text: Tassilo Holz – Fotos: Martje Rust

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angsam verklingt das Wummern in den Ohren, den Augenlidern geht es wie Newtons Apfel – findet Student nach stundenlangem Exzess den Weg aus den Clubkatakomben an die frische Luft, will er meist nur noch eines, und zwar ins Bett. Die bequemste Möglichkeit dorthin tuckert meist wenige Meter entfernt im Leerlauf: das Taxi. Aber wie erlebt der Mensch hinter dem Steuer solche Abende? Ein Seitenwechsel. 22.40 Uhr. Ich stehe an der Tramhaltestelle „Rathausplatz“ und warte auf Beki, den Taxifahrer. Eine Nacht lang werde ich ihn durch Augsburg begleiten. Ich habe Glück und erwische eine der wenigen Stunden, in denen es nicht regnet, an diesem Freitag. Die Pflastersteine glänzen nass im Scheinwerferlicht; von Zeit zu Zeit überqueren Jugendliche den Platz – meist in Grüppchen und offensichtlich angetrunken. Beki verspätet sich. Und meine Spannung steigt, lässt mich umherstreifen – auf dem Platz und in Gedanken: Wer wird mit uns fahren, in den kommenden Stunden? Und vor allem: Wer wird mich abholen, in wenigen Mi-

nuten? Ein vom Hass auf die Gesellschaft zerfressener und psychisch deformierter Einzelgänger wie Travis Bickle in Scorseses „Taxi Driver“…?

Kein „Taxi Driver“ 23.00 Uhr. Ein Großraumtaxi fährt vor, der Fahrer winkt mir zu. Die gedrungene Gestalt und das freundliche, offene Gesicht führen zuvor erdachtes Bild schon jetzt ad absurdum. Und schnell merke ich, dass man bei Beki kein Gespräch erzwingen muss. Die kurze Strecke zum Taxistand „Maxstraße Ecke Hallstraße“ pflastert er mit einer Fülle von Informationen: 28 Jahre alt sei er, und Mazedonier. Aber seit dem zweiten Lebensjahr lebe er in Augsburg. Ich komme kaum dazu, mich vorzustellen. Schon reiht sich unser Taxi ein in die Schlange aus elfenbeinfarbigen Kollegen. Die Maxstraße wird ihrem Ruf als Partymeile noch nicht gerecht; wir warten auf die erste Kundschaft des Abends. >>

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„Beki, wie bist du zum Taxifahren gekommen?“ – kurz bedient er das GPS-Gerät („Funkgeräte im Taxi gibt es schon lange nicht mehr“) und erklärt dann ohne Umschweife: „In meinem alten Job, auf dem Bau, drohte die Kündigung.“ Betriebsbedingt. Und um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, habe er dann den Taxischein gemacht: „Seit zweieinhalb Jahren mache ich den Job mittlerweile.“ Meine Überlegung zu fragen, ob er mit seiner Arbeit zufrieden ist, wird von einem Signalton unterbrochen; eine Nachricht von der Zentrale erscheint auf dem Display – der erste Auftrag.

Leiharbeiter 23.30 Uhr. Wir warten auf dem Parkplatz eines Verlagsgebäudes in Lechhausen. Beki steckt sich eine Zigarette an und ich genieße es, ein paar Schritte zu gehen. Wie muss man sich fühlen, nach acht Stunden in diesem Blechkäfig? Beki sagt, er fahre gerne Auto. Auch nachts. Beki fährt nur Nachtschicht. Ein Grinsen, dazu die lapidare Erklärung: „Ich bin daran gewöhnt.“

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Das Gebäude gibt eine Handvoll Leute frei, man sieht ihnen die Spätschicht an. „Leiharbeiter“, sagt Beki. Ich nehme hinten im Wagen Platz und erkläre vier müden Gesichtern, warum ich hier mitfahre. Die Arbeiter – mehrheitlich sind es Migranten – sind freundlich und haben nichts dagegen. Sie kennen Beki, er fährt sie „immer wenn kein Bus mehr geht“. Viel wird nicht geredet, sie wollen einfach nur nach Hause. „Manchmal bin ich auch Psychiater“, sagt Beki.

Österreichische Touristen 0.40 Uhr. Wieder der Signalton, wieder ein Auftrag. Zusammen mit einem Kollegen holen wir ein Dutzend Personen in der Spitalgasse ab. Einen größeren Kontrast zu unseren ersten Fahrgästen könnten diese kaum darstellen: eine österreichische Reisegruppe, gut situiert und mindestens angeheitert. Sofort erfüllt die Unterhaltung von vier älteren Damen den Wagen mit breitem Dialekt – dazu ein Ehemann. In das Gespräch werden wir sogleich mit einbezogen: Ich muss ausführlich berichten, wie es ist,


eine Nacht lang im Taxi mitzufahren und Beki gibt Auskunft über die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Man ist sich einig, Augsburg sei „wunderschön“. Die Gruppe will zu ihrem Hotel in der Nähe des Doms. Eine Strecke, die sie auch zu Fuß hätte gehen können. Eine der Damen möchte wissen, wo man denn noch feiern könne. Wir chauffieren die Herrschaften dann doch in ihr Hotel. Das Trinkgeld widerspricht dem Klischee vom knauserigen Reichen und ist für Beki eine nicht unerhebliche Einnahmequelle: „Wir sind mit 30 Prozent am Umsatz beteiligt“, erklärt er. Bei einer Konkurrenz von über 200 Taxis im Stadtgebiet bleibt da am Monatsende nicht allzu viel übrig. Insofern ist der nächste Auftrag für Beki „ein Jackpot“.

„Jackpot“ 1.20 Uhr. „Langweid“ verkündet das GPS-Display und Beki freut sich, „weil das fast fünfzehn Kilometer sind“. Einfache Strecke. Wir machen uns sofort auf den Weg, Beki hat eine böse Vorahnung: „Hoffentlich steht der Kunde noch da, wenn wir kommen.“ Und tatsächlich – breit grinsend erklärt uns der Fahrgast, dass er, wäre ein Bus gekommen, selbigen genommen hätte. Für Beki eine kleine Katastrophe. Die Offenheit des Gastes – die massige Gestalt fläzt jetzt auf dem Beifahrersitz – kommt nicht von ungefähr: Bezeichnet man die österreichische Reisegruppe als „angeheitert“, kann diesem Kunden nur das Prädikat „besoffen“ zugeschrieben werden. Kein österreichischer Dialekt, sondern ein unangenehmer Geruch erfüllt nun das Taxi. Diesen erträgt Beki mit stoischer Gelassenheit, genau wie Lebensweisheiten à la „früher war alles besser!“

Zufrieden trotz Krise

Auf der Fahrt dorthin kann ich nicht an der Unterhaltung teilnehmen; mir ist schlecht. Warum weiß ich nicht – an Bekis Fahrstil kann es nicht liegen und im Gegensatz zu den meisten Fahrgästen habe ich nichts getrunken. Dazu Bekis Freund feixend: „Wenn du hier reinkotzt, schreib ich 'nen Bericht über dich.“

Alptraum des Taxifahrers 3.20 Uhr. Keine Notiz mehr und kein Gespräch – seit zwanzig Minuten verwende ich alle Konzentration darauf, mich nicht zu übergeben. Ein gegen die Vomitation ankämpfender Fahrgast: der Alptraum eines jeden Taxifahrers. Auch das bringt Beki nicht aus der Fassung; freundlich rät er mir, das Fenster ganz zu öffnen. Kurz vor dem Kö ist dann endgültig Schluss. Ich kann nicht mehr und steige aus. Ich bin enttäuscht über das abrupte Ende der Fahrt und froh über die frische Nachtluft. Und darüber, an einen so angenehmen Zeitgenossen geraten zu sein. Ich verabschiede und bedanke mich bei Beki. Trinkgeld will er nicht. Er muss weiter, seine Schicht endet erst in drei Stunden ◊.

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2.30 Uhr. Beki ist froh, dass er nicht geprellt wurde und fährt zu einem Taxistand in Oberhausen. Die Straßen sind menschenleer, kein Auftrag von der Zentrale – wir warten. Auch das gehört zum Job. Und trotzdem: „Heute läuft es super“, findet Beki. „Bist du mit deinem Job zufrieden?“, frage ich – Beki schweigt, überlegt. „Natürlich spüren wir die Krise auch“, antwortet er schließlich. „Aber ich mache die Arbeit gern.“ Bekis Handy klingelt. „Ein Freund“, erklärt er. Ein Stammkunde. Mittlerweile ist es drei Uhr und wir holen ihn und seine Freundin in der Nähe ab. Sie wollen nach Stadtbergen zum „Vibeclub“.

:DKO H W V U H z W U K D ) (UVWH UWDO GH R S V H J Q MX gibt’s im Beratung und Information ebüro, Fuggerstraße 11 ADAC Service-Center & Reis 50 288 -12 oder -15 0 821 86150 Augsburg, augsburg@sby.adac.de


Wie werde ich ihn los… in 10 tweets ?

Zufällige Begegnung – Freundschaftsanfrage – Bestätigung… So nimmt das Unglück seinen Lauf! Text: Chrissy Dorn – Illustration: Katharina Uhl & Madeleine Schuster

H

eutzutage geht eigentlich gar nichts mehr ohne Social Networks. Bist du nicht dabei, bist du quasi nicht existent. Bist du dabei, wirst du ständig mit sinnfreiem "Anstupsen", "Gruscheln" und teilweise extrem unliebsamen Freundschaftsanfragen konfrontiert. Noch schlimmer wird es allerdings, wenn aus den sogenannten "Freunden" oder harmlosen "Followern" penetrante Headhunter werden.

gut zuhören“ kann – ich dagegen total entnervt. Am nächsten Tag nimmt das Schicksal seinen Lauf, auf allen erdenklichen Social Networks lauert seine Freundschaftsanfrage auf mich. Nun stellt sich die Frage – Wie werde ich ihn los in 10 Tweets? Tweet 3

Tweet 1

Ich eile von der einen Vorlesung zur anderen. Noch schnell einen Instant Kaffee zwischendurch. Der ist kein kulinarischer Hochgenuss, führt mir aber die richtige Dosierung Koffein zu. Zack, rein in die Cafete und noch eben die Mensa-Card aufladen. Kurz vor dem Automaten bekomme ich einen Rugby-artigen Kick in die Seite. Der aufkommende Wutausbruch, unterstützt durch akuten Koffein-Mangel, wird in circa drei Sekunden komplett ausgebremst. Denn es war alles nur ein „Versehen“ und der vermeintliche Rugby-Trampel entpuppt sich als 1,80 Meter großer Traummann mit türkisblauen Augen. Freundlich entschuldigt er sich bei mir, wir kommen ins Gespräch. Und schwupps gehe ich nicht nur mit einem heißen Kaffee, sondern auch mit seiner Telefonnummer und dem dazugehörigen Date in die nächste Vorlesung…

Zwei Tage, vier Vorlesungen und ein katastrophales Date später Alles fing ganz nett an, bis der Traummann seinen Redefluss nicht mehr unter Kontrolle hatte. Viel zu viele Infos über sein tägliches Workout und seinen unglaublichen Muskelaufbau in Trizeps, Bizeps und sonstigen Zepsen, von denen ich noch nie gehört habe! Natürlich sollte ich noch seine Haustiere erwähnen – er besitzt 3 Leguane und eine Schlange in seinem 23-Quadratmeter(!)Appartement. Fazit: Er, total verliebt, weil ich ja „so

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Hallo Zuckerpuppe, komme grade vom Pumpen und dachte wir können uns später noch auf einen Eistee bei mir treffen. Kussi

Tweet 2 Äh, hi! Ich hab leider überhaupt keine Zeit heute Abend! Ich steh auch nicht so auf Dates in Gesellschaft von lederhäutigen Reptilien.

Tweet 4 Auf kuschlige Tiere MIT Fell, Kaninchen zum Beispiel. Und Kaffee! Eistee is was für Warmduscher!

Tweet 7

Tweet 5 Ach so! Na gegen eine warme Dusche mit dir hätte ich auch nichts einzuwenden. Haha, und – voll geil! Ein Kaninchen hatte meine Schlange heute zum Abendessen!

Oh, Hochzeit – ich bin ja eher der buddhistische Typ. Wiedergeburt und so. Ich glaub auch, dass in den Leguanen die Seelen meiner Opas ihren Weg zurück auf die Welt gefunden haben.

Warum? Hat doch was Animalisches *grins*. Auf was steht sie denn dann?

Tweet 6

Nee, sorry das mit der Dusche wird nichts. Überhaupt wird Treffen die nächste Zeit schwer. Ich merk schon, ich krieg wieder Migräne, mein Goldfisch hat ´ne Magenverstimmung und dann bin ich auch noch auf der Hochzeit meiner Schwester… Naja, bis irgendwann!

Tweet 8 Du hältst und pflegst die Seelen deiner Opas in einem 1 x 0,5 Meter großen Terrarium???

Tweet 9 Ja is cool. Manchmal kommunizieren sie auch mit mir. Abgefahren, oder? Kann ich dir gern mal zeigen! Am Samstag vielleicht?

Tweet 10 Oh Wahnsinn! Du hast Recht! Meine Ur-Oma ist mir grade als Weberknecht erschienen und hat mir befohlen meinen Twitter Account zu löschen… sag deinen Opas einen schönen Gruß! Vielleicht begegnen wir zwei uns ja im nächsten Leben als Kreuzspinnen! Ich bin weg!

Kreuzspinnen haben es gut. Die fressen ihre Männer einfach auf, wenn sie genug von ihnen haben. Wir, die Generation Web 2.0, müssen uns da leider noch mit anderen Mitteln behelfen. Daten 2.0 kann eben auch nerven hoch zwei ◊.


QUIZQUATSCH GEGEN HIRNMATSCH Text: Aline Ehrenreich, Julia Kßhnemuth & Annika Schmidt – Illustration: Madeleine Schuster

wortschredder.

.kĂźchenschlacht

Der Wortschredder hat wieder zugeschlagen! Finde die

In folgender Wortschlange sind sinnvolle WĂśrter versteckt.

verloren gegangenen WĂśrter, um auf das LĂśsungswort zu

Hier geht es um Kßchengegenstände. Achtung: Diese kÜn-

kommen. Gesucht ist jeweils ein Wort, das das Ende des

nen auch rßckwärts geschrieben sein. Die ßbriggebliebe-

ersten und den Anfang des zweiten Wortes bildet. (Bei-

nen Buchstaben ergeben eine alte KĂźchenweisheit.

spiel: WG PARTY BUS)

VIESSATELSCHUESSELEKMESSEROESALGC HEGABELVTOPFERELLETRDESCHNEEBESENRB LEFFEOLENMIXERELHEUMREFFEFPDE NPFANNEBREREFPOLKHCSIELFI

RAETSEL _ _ _ _ _ BREMSE UNI _ _ _ _ _ ESSEN HOCHSCHUL _ _ _ _ _ PLATZ ALKOHOL _ _ _ _ BIER PRESSTIGE _ _ _ _ _ UMFRAGE

sudoku.

.kakuro*

DIGI _ _ _ _ _ _ KUNST KOPIER _ _ _ _ _ _ AUTOMAT HUEHNER _ _ _ _ _ RINGE PRAXIS _ _ _ _ _ _ _ _ BEGINN BUECHER _ _ _ _ KUR STUDENTEN _ _ _ _ _ _ _ KONTROLLE ANWESENHEITS _ _ _ _ _ _ _ PRAKTIKUM ALKOHOL _ _ _ _ _ _ _ STARRE MORGEN _ _ _ _ _ _ BAR LĂśsungswort: _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

just  4  fun. $Xӿ|VXQJ GHU 5lWVHOVHLWH DXI Aus welchen drei Grßnden wäre Jesus ein Student gewesen?

www.presstige.org

*Kakuro ist ähnlich wie ein Kreuzworträtsel. Statt Buchstaben sind Zahlen (1-9) in die Felder einzutragen, VWDWW GHU :RUWGHӞQLWLRQHQ LVW GLH 6XPPH GHU =DKOHQ angegeben. Eine Zahl darf in einer Summe nicht mehrfach vorkommen. 4 kann daher nur 3+1 oder 1+3 geELOGHW ZHUGHQ QLFKW DEHU DXV 'LH =LӽHU NRPPW nicht vor, 6 kann nur durch 3+2+1 gebildet werden.

hollywood  in  punkt  und  strich.

1. Er hatte lange Haare. 2. Er wohnte bei seinen Eltern. 3. Und wenn er was getan hat, dann war es ein Wunder.

Darf man die Schwiegermutter der Frau seines Bruders heiraten? Wann fällt Frauen das Abnehmen am leichtesten?

Quelle: onlinewahn.de

Welche vier Filme sind hier dargestellt?

spaĂ&#x;wert(s) | 35

Wenn das Telefon klingelt.

Nein, weil sie die eigene Mutter ist.


Ausgeloggt -­ Alltag mal offline Eine Woche ohne Internet – ein Selbstversuch Text & Illustration: Madeleine Schuster

N

*lululu*

*lalala*

och vor dem Frühstück Mails abrufen, nach Mitternacht bei Facebook surfen, den ganzen Tag nur plaudern, bloggen und posten. Für viele Menschen ist ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellbar. Aber was passiert, wenn man einfach mal offline geht? Für presstige hat unsere Redakteurin Madeleine Schuster den Versuch gewagt und eine Woche auf das World Wide Web verzichtet. Ja, es stimmt. Ich gehöre zu der Sorte Mensch, die noch vor dem Frühstück E-Mails checkt, die alles wikipedisiert, bevor sie ein Buch aufschlägt, und die schneller googeln als denken kann. Ich bin 21 und ich bin ein Internet-Junkie! Süchtig nach neuen Nachrichten, nach Chats und Echtzeitversteigerungen. Aber jetzt soll Schluss damit sein! Für eine Woche möchte ich auf das Netz verzichten. Keine E-Mails, kein Google, kein YouTube, kein Facebook, kein StudiVZ, keine news-ofthe-day, kein neuester Klatsch-undTratsch. Das wird nicht einfach, so viel steht fest. Schließlich wird heute nahezu alles über das Internet geregelt: Neuigkeiten aus der Uni stehen im Digicampus, die Buchsuche

funktioniert digital und zum Weggehen verabredet man sich meist über Facebook. Mir egal. Ich möchte mir und den Anderen beweisen, dass es auch ohne geht. Ab morgen also InternetAbstinenz, digitale Funkstille. „Hallo Welt, ich bin dann mal offline!“, das soll vorerst mein letzter Post sein…

spannt schalte ich das Radio ein – 10.30 Uhr, Lokalnachrichten: In Merchingen ist eine Scheune abgebrannt, der FCA hat neue Trikots und draußen ist es so heiß, dass „Deo unter die Achseln“ nötig sei. „Oha!“, denke ich. Das Radio schalte ich aus. Mein zweiter Gedanke? „Eine Woche ohne Internet? – Na, das kann ja heiter werden!“

Montag: Von sonnig bis heiter.

Dienstag: Nicht klicken, klotzen!

Anstatt wie sonst direkt nach dem Aufstehen Mails zu checken und mein Facebook-Profil zu überprüfen, mache ich mir nach dem Aufwachen erstmal gemütlich Frühstück. Da mir der Wetterbericht im Netz verwehrt bleibt, schaue ich heute einfach mal selbst aus dem Fenster. Irgendwie genieße ich es jetzt sogar, mein netzloses Dasein. Keine wichtigen Mails, keine Terminerinnerungen und überhaupt hat man auf einmal viel mehr Zeit. Erster Gedanke: „Eine Woche ohne Internet? – Ein Kinderspiel!“ In meinem neuen, internetfreien Leben gibt es Gassen-Gossip statt FAZ-Fakten. Ganz tiefenent-

Mein Netz und ich sind wahrlich gute Freunde. Kein Wunder, schließlich sind wir zusammen aufgewachsen. Und nach beinahe 10 Jahren exzessiv miteinander verbrachter Zeit und gemeinsam durchzechten Nächten gewöhnt man sich eben aneinander. So sehr, dass mein Mauszeiger wie von Zauberhand geführt, ganz langsam und direkt nach dem Hochfahren meines Computers, auf den FirefoxButton zusteuert. Mit viel Willenskraft schaffe ich


f...jkcb es, diesem Automatismus entgegenzusteuern. So schnell gebe ich nicht auf! Stattdessen verbanne ich den fies grinsenden Fuchs in den Papierkorb. Stolz, dieser Versuchung widerstanden zu haben, verspüre ich ein aufkommendes Hochgefühl. „Musik wäre jetzt ganz schön“, denke ich mir. Und da ich die normalerweise bei YouTube höre, schalte ich zum ersten Mal seit meiner Pubertät Viva ein: Christina Aguilera streckt mir ganz „Dirrty“ ihr Hinterteil entgegen – Retro-Charts. Angetan von diesem musikalischen Flashback denke ich an meine Kindertage ohne Internet zurück. Sicherlich könnte ich auch jetzt noch ohne Zugang leben. Vielleicht sollte ich meinen Selbstversuch sogar verlängern? Während ich mir das überlege, plärrt im Hintergrund die Aqua-Barbie: „I’m a Barbie girl,

e...savtx... in a Barbie woooorld“ – blöde Idee, das mit der Verlängerung!

Mittwoch: Versuchung, dein Name sei Internet. Oh vermaledeites Internet, du schnöde Quell all meiner Weisheit! Wie hast du mich heute wieder in Versuchung geführt? Zuerst klingelt mein Handy und meine Kommilitonin schreit mir ins Ohr: „Sag mal, hast du eigentlich unser Treffen vergessen? Ich hab dir gestern extra noch mal eine Mail zur Erinnerung geschickt!“ Sorry, kein Internet, keine Mails. Dann fällt mir ein, dass ich bis morgen noch passende Bücher zum Thema „Boulevardisierung der Medien“ finden muss. Anstatt wie nor-

malerweise via OPAC zu suchen, schleiche ich heute hilflos durch die Gänge in der Bibliothek. Einzig und allein geführt von der Hoffnung, dass mich ein passendes Buch anspringt. Nach einer Viertelstunde vergeblichen Suchens bettle ich genervt die Frau an der Information um Hilfe an: „Wie finde ich ein Buch, ohne im OnlineNetzwerk nachzuschauen?“ Die Frau schaut erst verdutzt, dann amüsiert. Lächelnd deutet sie auf einen Schrank mit Karteikärtchen, der mutterseelenalleine im Foyer der Zentralbibliothek steht. Abgeschottet, unbenutzt, >>


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Wochenende: Regenzeiten.

überflüssig. Sehnsüchtig schauen wir, der Schrank und ich, auf die gut 30 Rechner neben uns. Ihm ist klar, dass er ersetzt wurde, und mir wird klar, dass er mir OPAC nicht ersetzen kann. „Tut mir leid, alter Kasten!“, murmle ich. „Das mit uns Beiden wird wohl nichts!“. Zur Verabschiedung streichle ich ihm noch einmal behutsam über den Rücken. Meine Recherchearbeit für morgen lasse ich bleiben.

Donnerstag: Die ganze Welt online. Überall auf dem Campus sitzen Studenten mit ihren Laptops. Die ganze Welt ist online, nur ich nicht. Als sich meine Kommilitonin zu mir umdreht, hat sie plötzlich ein weißes „f“ im ansonsten blauen Gesicht. Wahnvorstellungen – ich bin ein Internet-Junkie auf Entzug. Zum Glück ist bald Wochenende. Denn am Wochenende, da muss es einfach besser werden. Am Wochenende, da ist gutes Wetter, da tobt draußen das pralle Leben, da bin ich gar nicht aufs Netz angewiesen.

Es regnet. Es stürmt und blitzt sogar – Sommergewitter über Augsburg. Studenten bleiben bei schlechtem Wetter genau zwei Möglichkeiten: Sie machen was Vernünftiges, wie aufräumen und lernen, oder sie flüchten ins Internet. Löcher in die Luft starrend wiege ich die mir verbleibenden Möglichkeiten voneinander ab. Aufräumen? – Nein. Lernen? – Nein. Internet? – Hmpf. Während die Wassertropfen provozierend gegen mein Fenster schlagen, entscheide ich mich dann doch noch fürs Lernen. Es ist Wochenende und ich schlage aus purer Langeweile ein Lehrbuch auf. Na klasse!

Sonntag: Der letzte Streich. Ich liebe Sonntage. Sonntage sind lang und gemütlich. An Sonntagen ist einfach alles möglich: Den ganzen Tag zum Lernen nutzen oder einfach nur liegen bleiben. Aus Angst, kurz vor dem Ziel doch noch einzuknicken, bleibe ich erstmal liegen. Um zwölf stehe ich auf, weil es Essen gibt. Nach dem Essen lege ich mich wieder hin – Mittagsschlaf. Mein Laptop bleibt den ganzen Nachmittag zu. Zum zweiten Mal in dieser Woche genieße ich meine internetfreie Zeit: keine wichtigen Mails, kein Klicken, keine Virenmeldungen, die meine Sicht trüben. Ich fühle mich richtig gut! Und plötzlich: Rückfall! Wie ein Kartenhaus breche ich zusammen. Für ein paar Minuten gehe ich ins

I Internet 38 | spaßwert(s)

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Internet und checke meine Mails. Wie ein Kettenraucher, der nach zwei Tagen Entzug endlich die erlösende Zigarette in den Fingern hält, scrolle ich mich zuerst durch Facebook, dann durch StudiVZ, dann durch die neuesten Nachrichten. Eigentlich ist gar nicht so viel passiert…

Montag: Der Tag danach. Das Resultat nach einer Woche ohne Internet: 25 neue Mails, vier unbeantwortete Party-Einladungen, fünf Freundschaftsanfragen, 4 vergessene Geburtstage, eine nicht gemachte Hausaufgabe, zwei verpasste Treffen. Während meiner Internet-Abstinenz habe ich gelernt, dass man auch per Telefon soziale Kontakte aufrecht erhalten kann, dass es völlig überflüssig ist, alle fünf Minuten Mails zu checken und dass man bei Ebay von Luftgitarren bis hin zu ganzen Inseln zwar alles ersteigern kann, nur keine „wahren“ Freunde. Denn die findet man, wie der Name schon sagt, dann doch nur im „wahren“ Leben. Und dennoch bin ich nach wenigen Minuten im Kosmos des World Wide Web wieder ganz die Alte: Ein Internet-Junkie, Facebook meine Droge. Echtzeitversteigerungen. Glücklich, endlich wieder auf dem Laufenden zu sein und das Gefühl zu haben, wieder ganz dazu zu gehören. Vor einer Woche wollte ich mir und den Anderen beweisen, dass es auch ohne Internet geht. Mein Resümee: Alles kann, nichts muss! ◊


Ein würfe

Ausblick: Die Unileitung nach dem Tod Bottkes Wie geht es nach dem Tod von Wilfried Bottke an der Universität Augsburg weiter? Prorektor Alois Loidl hat nun die kommissarische Unileitung übernommen. Ein neuer Präsident wird wohl im Juni oder Juli kommenden Jahres gewählt. Die Amtszeit des neuen Präsidenten beginnt im Oktober 2011, bis dahin wird Prorektor Loidl die Uni durch das Interim führen. Die regulär anstehende Wahl wird also aller Voraussicht nach nicht vorgezogen werden. Erstmals kommt diesmal der Universitätsrat ins Spiel, der paritätisch aus Mitgliedern der Uni und Externen besetzt ist. Die zwölf stimmberechtigten Räte wählen den Präsidenten. Dass mit dem neuen Wahlmodus die Chancen von externen Bewerbern steigen, ist durchaus möglich. Hinter vorgehaltener Hand werden bereits als universitätsinterne Kandidaten die Dekanin der Phil-Hist-Fakultät, 70103x_JWS-Augsburg_Aufkleber

Sabine Doering-Manteuffel, und der Prodekan der Jurafakultät, Christoph Becker, genannt. Ob die derzeitigen Prorektoren Alois Loidl und Werner Wiater um das Präsidentenamt kandidieren werden, erscheint Beobachtern fraglich. Doch sind die derzeit gehandelten Namen mit einem hohen Maß an Vorsicht zu genießen. Wer um das höchste Amt der Universität kandidiert und ob es aussichtsreiche externe Bewerber gibt, wird sich frühestens im Frühjahr 2011 herausstellen. Doch eines ist jetzt schon sicher: Mit der Erweiterung des Campus, der Ansiedlung der neuen Carbon-Forschungsinstitute, der Reform der BA-/MA-Studiengänge und des sich als Minimallösung abzeichnenden Uniklinikums stehen für die zu wählende Unileitung bereits heute eine Anzahl größerer Probleme und Aufgaben auf (jr) der Agenda.

16.07.2007

10:32 Uhr

Seite 1


Guck' mal, wer da klingelt Die Suche nach der Wohlfühl-WG. Oder: Zwischen Ernüchterung und mann a Hart

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Hoffnung – auf beiden Seiten der Tür

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ich türmende Geschirrstapel. Kaputte Waschmaschinen. Putzpläne, die sowieso nur existieren, um sich nicht daran halten zu müssen. Aber nicht nur das erwartet einen bei der WG-Suche, sondern auch die erwartungsvolle Spannung, bevor die Tür aufgeht und man erstmals auf den Bewerber beziehungsweise die potenziellen Mitbewohner trifft. Dabei kann schon der erste Eindruck entscheidend sein. Immer wieder wandert der Blick auf die Küchenuhr: Zehn vor Neun. Fünf vor Neun. Neun. Kurz nach. Die Betten sind gemacht, die Wohnung aufgeräumt. Alles wartet auf den Bewerber, doch der lässt sich bislang Zeit. „Besser, als wenn sie vor lauter Aufregung schon immer zehn Minuten zu früh auftauchen“, so Svenja, die gemeinsam mit ihrer Mitbewohnerin Martina auf der Suche nach einem neuen WG-Mitglied ist. Dann endlich das lang ersehnte Klingeln. Svenja springt auf, eilt zur Tür. „Hallo.“ Ein leises Raunen zur Antwort und schon betritt Matteo die Küche, dicht

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gefolgt von Svenja und deren Blick, der bereits Bände spricht.

Sind stille Wasser tief? Matteo wirkt sportlich, seine Kleidung, als wäre es ihm nicht gerade egal, wie er das Haus verlässt. An und für sich nicht schlecht aussehend – wäre da nur nicht das permanente Fehlen auch nur eines Anfluges von einem Lächeln. Er gibt allen die Hand, bleibt etwas unsicher stehen und schweigt. „Willst du dir vielleicht erst mal das Zimmer anschauen, das wir vermieten?“ Nicken. So recht will der Gesprächsfunke noch immer nicht überspringen – obwohl sich die beiden Mädchen Mühe geben: „Und – wie gefällt's dir?“ – „Ja.“ Aha. Matteo bleibt stehen und klopft mit den Fingern einen Takt auf dem

Türrahmen: Tick tock. Tick tick tock. Sonst aber bleibt es unangenehm still in der Wohnung. Kein wirklich rund verlaufendes WG-Casting. Manchmal zeigt sich eben schon recht schnell, ob hier der passende Deckel zum Topf vor der Türe steht oder auch nicht. Deshalb ist gerade an den Moment kurz nach dem Klingeln die größte Erwartung geknüpft: Die Tür öffnet sich und endlich erhält die vom Telefon her bekannte Stimme ein Gesicht. Dabei ist die Palette potenzieller Möglichkeiten groß und reicht – um mal ein paar Klischees abzuklappern – vom Neo-Hippie über den durchgestylten Business-Typen bis hin zum freundlichen Informatik-Studenten mit NerdBrille. Ebenso spannend ist es aber auch für den Bewerber, sich endlich ein Bild von der WG und den Bewohnern machen zu können.


Die Qual der Wahl Ortswechsel. Statt leisem „Tick tock“ ist in Chrissys Zimmer das Radio zu hören und ein riesiger Klamottenberg zu sehen. Auch Chrissy ist auf der Suche nach einer WG. Daheim bei ihren Eltern hat sie lange genug gewohnt und es reizt sie, in die Stadt zu ziehen, „mal mehr unter Leute zu kommen“. Da der erste Eindruck beim WGCasting zählt, spielt für Chrissy auch das Styling eine nicht ganz unwesentliche Rolle: Wirkt die weiße Bluse zu seriös? Das schwarze Paillettentop zu tussig? Ein Kleidungsstück nach dem anderen landet auf dem Klamottenberg, der zusehends wächst. Daneben hat sich auch ein zweiter Haufen mit möglicherweise WG-Casting-kompatiblen Stücken gebildet, den Chrissy noch einmal eingehender untersucht. Schließlich entscheidet sie sich für ein dunkelblaues T-Shirt und Jeans. Sportlich-schick geht es zum Bahnhof, anschließend mit der Straßenbahn weiter. Um auch ja rechtzeitig da zu sein und eventuelle Zugverspätungen einzuplanen, fährt sie extra eine Stunde früher los, als es nötig gewesen wäre, und verbringt den Rest der Zeit lesend auf einer Bank. „Zu überpünktlich da zu sein, macht sicher auch keinen guten Eindruck.“ Dann aber ist es endlich soweit, Chrissy klingelt an der Tür, durch die sie möglicherweise schon bald tagtäglich ein und aus gehen wird. Leicht nervös tänzelt sie von einem Bein auf das andere – noch ein letztes Mal

tief durchatmen – und schon wird die Türe aufgerissen und ein braungebrannter Hüne von gefühlten drei Metern Größe begrüßt Chrissy mit einem lässigen Handschlag.

Stimmt die Chemie? Im Inneren der geräumigen Wohnung lernt sie auch die anderen Mitbewohner kennen: Allesamt freundlich und zuvorkommend, nur in Sachen Humor zeichnet sich schon sehr schnell eine gewisse Diskrepanz ab: „Willst erstmal einen durchziehen? Natürlich nur Spaß!“ Aha. Haha. Chrissy kann sich nur ein nervöses Lachen abringen. Es wird im weiteren Verlauf des Gesprächs nicht das einzige bleiben. Man spricht über das Studium, den früheren Wohnort, Hobbies und nicht zuletzt darüber, was sich jeder vom Zusammenleben in der WG erwartet, wobei deutlich wird, dass hier völlig verschiedene Vorstellungen aufeinander treffen. Eine ernüchternde Erkenntnis, aber schließlich hätte auf Dauer niemand etwas von einem disharmonischen Miteinander. Aus genau diesem Grund ist das erste Gespräch auch so entscheidend – schwimmt man auf einer Wellenlänge? Stimmt die Chemie? Erscheint es vorstellbar, diesen Personen auch völlig verschlafen nach einer durchzechten Nacht in der Küche zu begegnen? Im Fall von Chrissy scheinbar nicht. Und auch die WG um Svenja hat sich schnell entschieden. Das fehlende

Gespräch mit Matteo hat sie nicht gerade von ihm überzeugt. Oft scheint es zwar auf den ersten Blick so, als hätte nur der Bewerber etwas zu verlieren – die bereits festen Mitglieder einer Wohngemeinschaft gehen aber ebenfalls mit gewissen Hoffnungen in jedes neue Gespräch. Daher kann ein schlecht gelaufenes für sie neben neuem Gesprächsstoff auch Ernüchterung bedeuten, wie hier im Falle von Svenja und Martina. Sie haben sich schließlich – was nicht allzu sehr verwundern dürfte – gegen Matteo ausgesprochen. Stattdessen wird Sebastian einziehen, der als Vierter die WG besichtigt hat. Anders als Matteo kam er sofort mit den beiden Mädels ins Gespräch und machte einen selbstständigen Eindruck, ganz so „wie jemand, dem man nicht erst das Abspülen beibringen muss“. Gemeinsam setzten sie sich in die Küche, tranken ein Bier und waren sich schnell einig – das ist er, der richtige Mitbewohner. Chrissy dagegen wurde nicht ganz so schnell fündig. Noch zehn weitere WGs musste sie besuchen, bevor es auch bei ihr funkte. Wichtig waren ihr vor allem ähnliche Interessen und Hobbies sowie eine helle, freundliche Wohnung. Das alles gepaart fand Chrissy schließlich in WG Nummer Elf, aber wie heißt es doch so schön: Manchmal muss man viele Frösche küssen, bevor der Richtige dabei ist. ◊


Schüler auf der Überholspur Wie Frühstudenten an ihren Kommilitonen vorbeiziehen, obwohl sie neben dem Studium die Schulbank drücken. Text: Vicky Wagensommer – Fotos: Andreas Bee

Dass er noch Schüler ist, sieht man Nuhro nicht an.

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S

chüler auf dem Campus: Wer glaubt, dass das nur am alljährlichen Studieninformationstag der Fall ist, der irrt gewaltig. Ein gutes Dutzend von ihnen studiert als so genannte „Frühstudierende“ an der Uni Augsburg Informatik, Mathe oder Physik. Zuerst Abitur, dann Studium: Das ist der Normalfall. Martin und Nuhro meistern aber beides gleichzeitig. Seit drei Semestern sind die beiden 19-Jährigen an der Uni Augsburg eingeschrieben. Ein bis zwei Tage pro Woche studieren sie Physik. Den verpassten Schulstoff eignen sie sich zu Hause selbst an und im Moment bereiten sie sich nebenbei sogar noch auf das Abitur vor. „Das ist schon viel Arbeit,“ sagt Nuhro. „Dass ich Unterricht verpasse, ist für mich aber keine so große Belastung, weil ich sowieso schon früher das Meiste aus dem Buch gelernt habe.“ Auch

mit dem ständigen Wechsel zwischen Klassenzimmer und Hörsaal kommt er gut klar. „Das ist ein bisschen wie unterschiedliche Unterrichtsfächer zu haben. Nur gehe ich eben statt in einen anderen Klassenraum in die Uni.“ Für Martin gab es nur eins, was er in der Vorlesung anfangs komisch fand. „Ungewohnt war, dass die Professoren oft gar keine Antwort hören wollen, wenn sie eine Frage stellen. Am Anfang mussten wir uns ziemlich zurückhalten, damit wir uns nicht wie in der Schule ständig melden,“ erzählt er und lacht.

Keine „Voll-Freaks“ Inzwischen ist der Hörsaal Nuhro und Martin lieber als das Klassenzimmer. Selbstständig zu lernen liegt den beiden, sie sind das, was man auf Gutdeutsch als „Überflieger“ bezeich-

nen könnte. Am Peutinger-Gymnasium gehören sie schon lange zu den Schulbesten. Als Streber oder Wunderkinder wollen sie aber auf keinen Fall gelten. „Es ist ja auch nicht so, dass wir Voll-Freaks sind,“ sagt Nuhro. „Wir sind nur neugierig. Schon als Kind habe ich mich zum Beispiel über die Sterne gewundert. Mit der Physik lässt sich die Natur beschreiben und deshalb fasziniert sie mich so.“ Mit Martin teilt er seinen Wissenshunger: Seit der siebten Klasse sind die beiden befreundet. „Früher haben wir uns aus Interesse über Youtube PhysikVorlesungen angeschaut, die amerikanische Universitäten aufzeichnen und online stellen. Jetzt können wir hier in Augsburg richtig studieren. Das ist toll!“, freut er sich. Seit dem Wintersemester 2008/ 2009 gibt es in Augsburg das Schülerstudium. Mathematik-Professor Volker Ulm, hat es für die Fächer >>

Gesundheit in besten Händen.

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Komplexe Formeln findet Martin spannend. Mit 17 hat er sich an der Uni eingeschrieben.

Mathe, Physik und Informatik damals ins Leben gerufen und betreut das Projekt seither. „Ich habe einen Brief an die schwäbischen Gymnasien geschrieben, in dem stand, dass man an der Uni Augsburg als Schüler studieren kann“, erzählt er. Daraufhin sprach sich die Neuigkeit schnell herum. Als Martin und Nuhro davon erfuhren, machten sie sich sofort an die Bewerbung.

Uni-Luft schnuppern Die Zugangsvoraussetzungen für das Schülerstudium sind in Augsburg laut Professor Ulm vergleichsweise gering: „Die Entscheidung, ob ein Schüler zugelassen wird, trifft hier allein der Schulleiter. In Würzburg und Erlangen dagegen muss man Zeugnisse einsenden und dann findet auch an der Uni nochmal ein Gespräch statt“. An der Uni Augsburg fehle für ein so aufwändiges Bewerbungsverfahren das Personal. Außerdem verlasse man sich gerne auf das Urteil des Schulleiters, so Ulm. Bei Martin und Nuhro hat sich dessen Prognose jedenfalls bestätigt: Ihre schulischen Leistungen haben unter dem Schülerstudium nicht gelitten. Beide haben ihre Noten gehalten oder sogar verbessert.

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Pro Semester sind zwischen 10 und 15 Jungstudenten an der Uni Augsburg eingeschrieben. Sie besuchen in der Regel die 10. bis 13. Klasse. Manche von ihnen legen an der Uni keine Prüfungen ab, sondern sehen das Schülerstudium eher als Chance, UniLuft zu schnuppern und sich für ihr späteres Studium zu orientieren. Andere gehen gleich mit viel Ehrgeiz an die Sache heran. „Etwa die Hälfte der Schülerstudenten schreibt am Ende des Semesters die Modulprüfung mit und das äußerst gut“, berichtet Ulm. Aus Neugier hat er sich die Ergebnisse der rund 150 Teilnehmer der Anfängervorlesung „Analysis, lineare Algebra“ einmal genauer angeschaut und dabei eine interessante Beobachtung gemacht. „Unter den besten beiden Studierenden in der Klausur war in den vergangenen drei Semestern immer ein Schüler. Entweder der beste oder der zweitbeste.“

Hunger im Gehirn Auch Martin und Nuhro haben bereits Scheine mit guten Noten in der Tasche. Theoretisch könnten sie nach dem Abitur bereits im dritten PhysikSemester einsteigen. Nuhro möchte aber an eine Uni in der Schweiz, an

der die Scheine voraussichtlich nicht anerkannt werden. Martin weiß noch nicht, wo die Reise hingeht. „Natürlich wäre es toll, wenn ich die Scheine anrechnen und mein Studium so verkürzen könnte. Der Hauptgrund für das Schülerstudium war für mich aber nicht die Zeitersparnis, sondern das Interesse am Fach“, sagt er. „Hunger im Gehirn“ sei das gewesen. Martin und Nuhro hat das Schülerstudium außerdem geholfen, das passende Studienfach zu finden. „Im ersten Semester haben wir Mathe studiert, sind dann aber ab dem zweiten Semester auf Physik umgestiegen, weil wir gemerkt haben, dass wir das spannender finden“, sagt Martin. Schon allein für diese Erkenntnis habe sich das Schülerstudium gelohnt. Die Betreuung der Schülerstudenten wird bisher mit Drittmitteln bezahlt: „Die bayerische Wirtschaft hat das Ziel, mehr Abiturienten in die mathematisch-naturwissenschaftlichen Studiengängen zu locken“, erklärt Professor Ulm. In etwa einem halben Jahr läuft das Förderprojekt aus. Ulm hofft, dass die Uni dann für die Betreuungskosten aufkommt und das Schülerstudium auf weitere Studiengänge ausdehnt. Ihm zufolge profitieren nämlich nicht nur Wirtschaft und Studenten: „Es hilft auch der Uni Augsburg, weil man dadurch – mal ganz eigennützig gesprochen – gute Studierende an sich bindet.“ Zumindest bei Martin könnte diese Rechnung aufgehen. Statt Pläne-Schmieden steht für ihn jetzt aber erst einmal der Abschluss auf dem Programm. Studium plus Abitur – heißt das Tag und Nacht lernen? Bei Martin jedenfalls nicht: „Ich habe schon genug Freizeit. Immerhin habe ich genug Zeit, um Unterricht in Klavier, Cello und Blockflöte zu nehmen und Tennis im Verein zu spielen.“ Auch Nuhro hat trotz der Doppelbelastung nicht nur Lernen im Kopf – es scheint, als hätte der Tag bei den Jungstudenten mehr als 24 Stunden. ◊


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in Hundeschädel, überdimensionale Q-Tips, furchteinflößend brüllende Horden. Was nach einem Albtraum klingt, wird in Augsburg jeden Sonntag zur Realität. Nichts für Mädchen? Von wegen! Ein Besuch bei den Rhabarberbarbaren, der in Schweiß und Siegestaumel endet. Ein Knacken im Gebüsch. Gemurmel, tiefes Lachen. Dunkle Schemen erscheinen auf der Treppe zum Roten Tor Park. Die Jugger kommen! Es gibt kein Entrinnen mehr. Während die Sonnenanbeter auf der Wiese entspannen, bin ich mit den Rhabarberbarbaren verabredet. Zur Begrüßung drückt mir Toby mein Spielgerät, den Q-Tip, in die Hand. Es sieht wie ein riesiges Wattestäbchen aus. Um mich herum: sechs weitere Barbaren. Im Sommer 2009 haben Toby und Marc, die beiden Vorsitzenden, das Augsburger Team gegründet. Anfangs waren sie nur zu dritt, inzwischen ist ihre Zahl auf 20 gestiegen. Der Sport ist eine Mischung aus American Football und Fechten. Mit Silikonschädel statt Ball und Pompfen statt Fechtwaffen. Doch den Juggern geht es nicht um martialisches Waffengehabe. „Uns reizt der sportliche Wettkampf. Wir wollten etwas anderes machen, als nur Fußball zu spielen“, erzählt Toby. Der Teamgeist steht im Vordergrund, denn „Jugger ist eine echte Gemeinschaft“.

Augen zu und durch Vor dem Spiel werden mir die Regeln kurz erklärt. Ziel ist es, den Jugg, einen Hundeschädel aus Silikon, in das gegnerische Mal, das Tor der Jugger, zu bringen. Jede Mannschaft hat einen Läufer, der als einziger Spieler den außergewöhn-

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lichen Spielball tragen darf. Die restlichen vier Spieler einer Mannschaft haben eine Pompfe, das wichtigste Spielgerät. Mit der Pompfe versuchen die Jugger ihren Gegenspieler zu treffen und möglichst selbst nicht getroffen zu werden. Die verschiedenen Spielgeräte sehen beeindruckend aus, wie Kampfstäbe und besagte Wattestäbchen. Sie bestehen aus Schaumstoff und Plastikrohren, selbst gebaut nach den Vorgaben der Jugger-Liga. Wer getroffen wird, muss sich hinknien und kurz aussetzen. Anstelle einer Uhr haben die Jugger eine Trommel am Spielfeldrand. Ein Schlag, ein Stein. Hundert Steine pro Spielabschnitt. Laufen und kämpfen. Eigentlich ganz einfach. Doch man muss Jugger spielen, um es wirklich zu verstehen.


Juggern statt Prügeln Inzwischen haben sich die ersten Zuschauer eingefunden. Neugierig bestaunen sie das Treiben auf dem Rasen. Noch ist der Sport zu unbekannt, um Fremde in die Mannschaft zu locken. An der Fachoberschule Augsburg haben die Barbaren im Sportunterricht schon ein Training veranstaltet, um für sich zu werben. „Die Schüler waren begeistert. Vielleicht bekommen wir noch mehr Termine an Augsburger Schulen“, hofft Toby. Neben dem sportlichen Anreiz hat Jugger auch einen pädagogischen Aspekt. „Juggern statt Prügeln“, lautet der Titel eines Buches, mit dem Ruben Philipp Wickenhäuser, ein Berliner Schriftsteller und Juggerspieler, die Sportart in Schulen etablieren möchte. Jugger soll Aggressionen abbauen und soziales Lernen ermöglichen.

Wer gewinnen will, muss leiden Das Training beginnt. Ich spiele mit Toby und Marc. Tapfer klammere ich mich an meinen Q-Tip. „Drei, zwo, eins – Jugger“ ruft Max und lässt den Schlägel auf die Trommel fallen. Ich sprinte los. Neben mir Marc, der den

Hundeschädel anvisiert. Phil, mein Gegenspieler, kommt beängstigend schnell auf mich zu. „Gegner treffen, weiterlaufen.“ Zwei Sekunden später knie ich am Boden. Phil auch. Plötzlich werden die Trommelschläge schneller. Marc reißt die Arme in die Luft. „JUGG!“ Wir haben den Punkt! 87 Steine später beendet der letzte Trommelschlag das Spiel. Pause. Bevor das Training weiter geht, besprechen die Barbaren ihre Turnierpläne für den Sommer. Es geht nach Berlin zur deutschen Meisterschaft. Auch ein eigenes Turnier haben die Augsburger bereits veranstaltet. Vor einem Jahr riefen sie die Schwäbische Meisterschaft aus, zunächst ein reines Spaßturnier, dieses Jahr ein offizielles Turnier. „Wir rechnen mit etwa fünf bis sechs Teams aus ganz Deutschland.“ Ob sie das Turnier gewinnen, ist fraglich. Bis auf ein Spiel haben sie bisher jede Partie verloren. „Ein paar Punkte haben wir aber immer gemacht“, grinst Toby. Rhabarberbarbaren geben die Hoffnung nicht auf. ◊

Jugger-Facts Jugger ist eine Mannschaftssportart, die auf dem Endzeitfilm „Die Jugger – Kampf der Besten“ (Australien, 1989) basiert. Ziel ist es, den Jugg, den Spielball in Form eines Hundeschädels, im gegnerischen „Tor“ zu platzieren. Eine Mannschaft besteht aus fünf Spielern. Die Spielzeit beträgt pro Spiel ca. 2-3 Minuten, was nach Jugger-Zählung etwa 100 Steinen entspricht. Jugger wird weltweit gespielt, zu den Meisterschaften kommen die Teams auch aus Costa Rica, Australien oder Irland. Wer bei den Rhabarberbarbaren Augsburg anheuern möchte, kann sich unter Juggeraugsburg@googlemail.com melden.

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Leichenschmaus

Früher war alles besser! Text: Christopher Große & Michael Sentef – Illustration: Kristina Gerzen

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etzt wird’s aber wirklich mal langsam Zeit für unsere Glosse!, spricht er und macht auf dem Absatz kehrt. Knallgrüne Schuhe! Bad Taste Party, murmelt er noch entschuldigend. Wir können so nicht arbeiten. Das ist wie mit dem Winchester Pub im modernen britischen Splatter-Klassiker Shaun of the Dead. Wir können nur schreiben, wo wir uns heimisch fühlen, wo wir wissen, wo der Notausgang ist, und wo wir rauchen dürfen. Im Hepcat Club beispielsweise, da war das so. Vor sieben Jahren – gefühlt sind es mindestens 70 Jahre – war dieser Club das beste Argument, nach Augsburg zu ziehen. Eigentlich auch das einzige. Tiefe braune Ledersessel, Live-Jazz, phantastische Drinks, kubanische Zigarren, spannende Menschen, man konnte sich wenigstens einen Abend lang fühlen wie im New York der 1920er Jahre. Oder wie in der Hotelbar des Waldorf Astoria (bis heute). Wenig später war der Hepcat Club dann dicht. Und so ging es all die sieben Jahre weiter. Alles, was nur den Anschein erweckte, sich dem Wahnsinn der Aichacher Bauernmassen entziehen zu wollen, machte mit fürchterlicher wie absolut verlässlicher Regelmäßigkeit dicht. Beispiele gefällig? Nichts leichter als das. Das Kaiman mit der mutigsten Küche der Stadt: dicht. Die Brennbar mit den besten Burgern und dem düstersten Partyverließ der Stadt: dicht. Die alte Mahagonibar mit dem rauchigsten Keller und dem zweitdüstersten Partyverließ der Stadt: dicht. Das alte Pow Wow mit dem besten Frühstück und dem einzigen Kreuzberger Publikum der Stadt: dicht. Das Kerosin, DAS KEROSIN (ohne Worte): dicht. Das legendäre Sputnik: dicht. Die Auster, Searchs Auster neben der Rio Bar: dicht. Der Pavian, das Wohnzimmer für Studenten mit dem schönsten Public Viewing bei der WM 2006 und den schönsten Plastiksesseln der Stadt: dicht. Das Café Noir, das Pokerzimmer für Studenten: dicht. Das alte Café Max (vor gefühlten 14 Insolvenzen) mit den schönsten Polohemden der Stadt: dicht. Das Eli-T mit der besten (weil einzigen) Currywurst der Stadt: dicht. Die Helsinki-Bar mit den besten (weil einzigen) finnischen Piroggen der Stadt: dicht. Das Café Bohème mit den schönsten Markisen und dem kinderfreund-

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lichsten Service der Stadt: leider nicht dicht. Dafür das alte Tartufo mit Enzo: dicht. Das Juleps, die beste (weil einzige) New York Bar der Stadt: dicht. Das Striese, mit den wundervollen Live Acts und dem hier-fühltesich-sogar-Bert-Brecht-heimisch-Charme: dicht. Zuletzt auch noch das La Pampa dicht, das so trashig war, dass es auf morbide Weise auch schon wieder entzückte – und so schier endlosen Stoff für beißende Gastrokritiken lieferte (vgl. presstige Ausgabe 9, „Wo der Koch noch König ist“). Er macht Druck: Glosse endlich fertig? Wir: Ja fast, aber ist eigentlich keine Glosse – eher ein Nekrolog. Er: Egal. Die Bad Taste Party war übrigens scheiße. Selber schuld, denken wir: Wer auf Bad Taste steht, kommt in Augsburg eigentlich nie zu kurz. P.S.: Jaja, es gibt sie noch, die Bastionen des guten Geschmacks, des Weltstädtischen, des just a cut above the rest (ohne Anspruch auf Vollständigkeit, ohne Gewähr und nicht beschränkt auf Gastronomie): Al Teatro, Il Porcino, Annacafé, Bismarck, Café Viktor, Arkadas, Lamm, Pantheon, Emelka, Thing, Schroeder, Annapam, Café Rufus, Drei Königinnen, Mohrenkönig, Sakura Japan Point, Nektar & Ambrosia und dann auch noch American Heritage, Il Vicolo, Alte Silberschmiede, Steingasse No. 7, Isle of Skye, Bittersüß, Pi-Videothek. Mögen sie lange und in Frieden leben. ◊


Warum sind die hartgekochten Eier in der Caféte bunt? Zur Osterzeit sind sie ein gewohnter Anblick: bunte Eier im Kühlregal der alten Caféte. Farbenfroh angepinselt warten sie darauf, von Studenten verspeist zu werden. Ihre nackte Schale geben sie aber auch das restliche Jahr über nicht preis. Nicht so farbenfroh wie zu Ostern – aber immerhin einheitlich in knalligem Rot – schmücken sie die Auslage. Der Lack-Überzug erfüllt einen doppelten Zweck: Erstens macht er die Eier haltbarer. Die Spezialfarbe versiegelt die Schale der sogenannten „Brotzeit-Eier“, sodass sie selbst ungekühlt bis zu drei Monate genießbar sind. Der zweite Grund für den roten Mantel ist die Signalfunktion: Die Farbe zeigt an, dass die Eier hartgekocht sind. Schon vor Hunderten von Jahren färbten clevere Vorratshalter die ProteinBomben mit Pflanzen- oder Zwiebelfarben ein, um eine Verwechslung mit frischen, ungekochten Eiern auszuschließen. Weil laut Fastenbrauch Eier in jeglicher Form tabu waren, stauten sich in der Zeit vor Ostern besonders viele der ovalen Leckerbissen an. Hartgekocht und eingefärbt kamen sie erst an Ostern auf den Tisch – das ist der Grund, weshalb bunte Eier. (vw)

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Vom Verschwinden des Aktes Text: Gianluca Crepaldi – Illustration: Christoph Knobl

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ostsexualität – Nach dem Sex eine rauchen oder wie? Oder eher vor dem Spiel ist nach dem Spiel…? Seltsamer Titel – und dennoch oder gerade deswegen ist dieser Beitrag preisgekrönt. Damit konnte Gianluca Crepaldi nämlich zahlreiche Interessierte im Augsburger Textilund Industriemuseum begeistern – und gewann so den vierten Philosophy Slam. presstige war für euch mit dabei und hat sich die philosophischen Leckerbissen schmecken lassen. Den Gewinner-Vortrag wollen wir euch aber natürlich nicht vorenthalten und haben ihn deshalb an dieser Stelle abgedruckt. Verehrte Leser, vor einiger Zeit bin ich auf etwas gestoßen, das mich einigermaßen beunruhigt hat: In kulturphilosophischen Diskursen der letzten Zeit scheint sich ein Begriff zu etablieren, der den gesellschaftlichen Status quo in Sachen Sex bezeichnen soll. Dort heißt es: Wir leben in Zeiten der „Postsexualität“.

Mit Postsexualität werden Phänomene beschrieben, die mit der Trennung des Sexus von seiner evolutionären Hauptfunktion, der Fortpflanzung, auftreten. Die Vorsilbe „post“ verweist zunächst auf einen Veränderungs- und Vervielfältigungsprozess, dem die einseitige genitale Sexualität unterliegt. Richtig beunruhigend wird die Sache aber, wenn die Bedeutung von „post“ weitergesponnen wird zu einem Zustand, der „am Ende der Sexualität“ bzw. „jenseits der Sexualität“ angesiedelt ist, wenn also der Wunsch nach einer „Überwindung des Sexuellen“, nach dem „Verschwinden des Aktes“ spürbar wird.

Ideengeschichtlich entstanden Überlegungen dieser Art im geistigen Umfeld der so genannten Gender Studies, der postmodernen und heute dominierenden Variante des Feminismus. Die wohl wichtigste Vertreterin Judith Butler prangert die Übermacht der „zwangsheterosexuellen Matrix“ an; worunter die Philosophin das kulturelle Ordnungsprinzip versteht, welches uns eine bestimmte soziale Position oder Rolle zuweist, je nachdem ob wir einen Phallus mitbringen oder nicht. Sie antizipiert den heutigen Begriff der Postsexualität bereits vor zwanzig Jahren, als sie die Abkehr vom Diktat der genitalen Sexualität hin zur „postgenitalen Sexualität“ fordert. Nach Butler wären biologisch geprägte Kategorien wie „Mann“ und „Frau“ ohnehin abzuschaffen, denn der Körper werde diskursiv, d. h. im weitesten Sinne gesellschaftlich, hervorgebracht und Diskurse ändern sich eben.

Wir lernen, dass Heterosexualität und genitale Sexualität immer mit Zwang in Verbindung stehen, wohingegen alles Nicht-heterosexuelle und alles Post-Genitale zwanglos, frei und subversiv sein soll. Wir lernen, dass eine über hundertausend Jahre alte Menschheitsgeschichte keine Rolle zu spielen hat, und einzig das sozial konstruierte Geschlecht („Gender“) zu berücksichtigen wäre. Wir lernen auch, dass jeglicher Einwand gegen diese Theorie uns zu Biologisten, Konservativen, oder gar Rechtsextremen macht. Angesichts dieser ideologischen Entwicklungen verwundert es nicht,

dass sich Biotechnologie und die Reproduktionsmedizin auf dem Vormarsch befinden. Mutterschaft wird als repressives Konzept aus dunkler, vorvergangener Zeit abgelehnt. Schon der Erfinder der Pille Carl Djerassi hat von großangelegten Samenund Eizellenbanken geträumt, bei denen wir uns abholen können, was gerade gewünscht wird. Der Körper, vor allem der mütterliche, soll endgültig als "Ort der Natur" verlassen und in einen "Ort der Technik" überführt werden – Welcome to the Machine! Technik-Kritiker seien antiquierte Naturromantiker und trauern vormodernen Zeiten nach. Schließlich muss in einer Demokratie mit freier Marktwirtschaft jeder zu jeder Zeit das Recht haben sich ein Kindlein zu halten, und dieses Recht darf bitteschön nicht von einer fremden Macht, wie der Natur begrenzt werden, denn es sei "eine Verletzung der Menschenrechte, wenn eine Frau über 50 kein Kind mehr bekommen kann." Jeder soll also nehmen, was er will.

Brachte die Entkopplung der Sexualität von Fragen und Problemen des Geschlechts und der Fortpflanzung wirklich die Befreiung und Multiplikation der Lüste? Ende der 1990er entstand um Michel Houellebecqs Skandal-Roman "Ausweitung der Kampfzone" eine Debatte, entlang eines Slogans, der damals für die liberalistische Gesellschaft der Postmoderne geprägt wurde: "Oversexed and underfucked" – dieses Motto beschreibt den Widerspruch zwischen öffentlicher Überflutung mit Nacktheit, sexuelle Überreizung und Pornografisierung einerseits, und im Gegenzug, Prüderie, Enthaltung, Scheitern, Depression, Asexualität bis hin zur Anti-Sexualität im Bereich des Intimen und Privaten. >>

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ZUM AUTOR: Mag. phil. Gianluca Crepaldi wurde 1982 in Innsbruck geboren. Dort studierte er Philosophie und Politikwissenschaft und absolvierte das psychotherapeutische Propädeutikum. Er ist Mitglied des Vereins Rationalpark – Verein für Philosophie und Kulturwissenschaften. Seine Veröffentlichungen behandeln v. a. philosophische Themengebiete mit Schwerpunkten im Bereich der Phänomenologie, der kritischen Theorie und der Psychoanalyse.

Medial wird stets angeheizt, was von den meisten, nämlich den Verlierern auf dem Feld der sexuellen Kampfzone, nie angegriffen werden kann.

Die Hauptfigur von Houellebecqs Debut-Roman, ein sexuell frustrierter, einsamer und suizidgefährdeter Informatiker Anfang vierzig, will sich seinen Penis mit einer Schere abtrennen, um die unerträgliche Hölle des Begehrens hinter sich zu lassen. Das ist die beste Metapher für den Ursprung der Postsexualität! Das Scheitern zwischenmenschlicher Be-

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ziehungen in der individualistischen Gegenwartsgesellschaft, produziert den Wunsch, keinen Wunsch nach einem anderen Menschen mehr verspüren zu müssen, weil der andere eine potenzielle Quelle des Leidens ist und daher vermieden werden muss. Auch die Gewinner am Sex-Markt, jene, die also Sex haben, ändern daran nichts, denn sie sind auch vom „Verschwinden des Aktes“ betroffen. Die unbefleckte Empfängnis hat man zur „empfängnislosen Befleckung“ gemacht, zu einem degenerierten, emotions- und lustlosen Sex-Abklatsch, der nicht mehr ist als Onanieren zu Zweit. Das Begehren trennt sich vom Begehrten und richtet sich aufs eigene Selbst – so kann schließlich die größtmögliche körperliche Nähe oder Verschmelzung zweier Menschen beim

Beischlaf, zur Erfahrung absoluter Einsamkeit werden.

Was haben wir in unserem Crashkurs zur Postsexualität gelernt? Die versuchte Abschaffung der Kategorie „Geschlecht“, die Sehnsucht nach Erweiterung von sexuellen Möglichkeiten jenseits des Genitalen, das technische Out-Sourcing von Reproduktion und Geburt, der Wunsch, keinen anderen Menschen mehr begehren zu müssen – und das, obwohl wir angeblich in einer hedonistischen Kultur leben – und letztlich: der geschlechtslose Zustand eines ewig jugendlichen und in sich selbst verliebten Ichs. ◊



Ein Präsident, der gemocht werden wollte. Ü

Text & Foto: Jörn Retterath

ber eine Dekade lang prägte er den Uni-Gremien kennen gelernt ha- in seinem Büro mit Sekt empfing und die Universität Augsburg maßgeb- ben. Der überraschende Tod des Uni- sich viel Zeit für das Gespräch mit lich. Zunächst als Prorektor, dann Präsidenten hat bei ihnen große Be- den Gaststudenten nahm. Seine Herzals Rektor, und zuletzt leitete Wil- stürzung ausgelöst. Bottke sei immer lichkeit, sein offenes Ohr, seine gewinfried Bottke – nach der Novelle des die gute Zusammenarbeit zwischen nende Art und auch seine Fähigkeit, Bayerischen Hochschulgesetzes – als Studierenden und Hochschulleitung aus dem Stand heraus Gedichte zu ziPräsident die Geschicke der Hoch- wichtig gewesen. So ist auch das tieren, werden von Studenten als Chaschule. Geschockt waren nicht weni- hohe Maß an studentischer Mitbe- rakteristika genannt, die sie mit der ge Mitarbeiter und Studenten, als sie stimmung in der Frage der Studien- Person des Verstorbenen verbinden. in den Semesterferien die Nachricht beitragsvergabe dem verstorbenen Auch wenn Bottke kein großer Redvom seinem Tod erreichte. Präsidenten zu verdanken. ner war, so beeindruckte die Zuhörer Seit 1999 stand der Strafdoch seine juristisch geschulte, rechtsprofessor an der Spitze präzise und druckreife Sprache Nachruf auf Wilfried Bottke sowie seine Fähigkeit, spontan der Augsburger Universität. In Zeiten von Spar-, Rationalisievom Manuskript abzuweichen rungs- und Profilierungszwängen und Reden mit der Darstellung war es Bottke stets wichtig, die eigener Erlebnisse zu bereichern. verschiedenen Fachbereiche nicht In seinem Streben um Ausgleich gegeneinander auszuspielen und und Harmonie sei er darauf die Universität als ‚universitas‘, bedacht gewesen, dass „er gealso als Gesamtheit und Kollegimocht wird“, berichten studenum, zu begreifen. Die Einheit der tische Gremienmitglieder, daher Universität mit all ihren Fakultähabe der Präsident „sachliche ten lag ihm am Herzen. Eine von Kritik“ auch „leicht persönlich“ manchen Politikern geforderte nehmen können. Abschaffung geistes- und soziIn der Außendarstellung alwissenschaftlicher Fächer in als Uni-Präsident war Bottke Augsburg lehnte Bottke strikt ab bescheiden, fuhr jahrelang sei– und konnte sich durchsetzen. nen uralten schwarzen BMW Sein patriarchaler Stil wurde nicht In den Monaten vor seinem Tod und wollte zu seinem 60. Geburtsvon allen Studenten goutiert. Man- lag dem Präsidenten vor allem das tag keine größere Feierlichkeit. Auch che Studierendenvertreter hätten sich Projekt ‚Universitätsklinikum‘ am in seinem Tod war Wilfried Bottke lieber einen stärker zupackenden, re- Herzen – also das Vorhaben, das Be- darauf bedacht, alles Aufsehen um formorientierten Präsidenten mit kla- zirkskrankenhaus zu einer Uniklinik seine Person zu vermeiden: Eine Beirer politischer Position gewünscht. auszubauen und an der Hochschule setzung im Familienkreis, keine BeiDoch Bottke war stärker auf Har- einige Medizinlehrstühle einzurichten. leidsanzeige der Universität und die monie und Zusammenhalt bedacht. Daneben pflegte Bottke besonders die öffentliche Bekanntgabe der trauriEr sei ein Mensch gewesen, der stets Beziehungen der Universität zu Russ- gen Nachricht erst Tage nach dem um Ausgleich bemüht war, aber im land und baute dort ein Netz von Tod des Präsidenten am 8. August, Zweifel auch Entscheidungen treffen Partnerhochschulen auf. So konnte entsprachen dem Willen des 63-Jähkonnte, die nicht im Konsens stan- es vorkommen, dass er russische Stu- rigen. Sein Tod hinterlässt eine Lüden, berichten Studenten, die ihn in dentendelegationen freudestrahlend cke – nicht nur in der Unileitung. ◊

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Jüdin – na und?

Text: Sabina Porchia – Fotos: Martje Rust

Vom Leben zweier jüdischer Studentinnen und der Verbindung Augsburgs zum Judentum

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ugegeben: Viel wissen wir nicht über das Judentum, geschweige denn über seine Anhänger. Zwar sind bekennende Muslime und Christen in unserem Alltag keine Seltenheit mehr, doch von praktizierenden Juden und Jüdinnen bekommen wir eher wenig mit. Zeit, sich dem jüdischen Leben Augsburgs zu widmen. Wer sich als Neuankömmling in Augsburg auf die historischen Spuren der Fuggerstadt begibt, wird auf einige interessante Begebenheiten stoßen. Zwar sind die römischen Wurzeln der Stadt weitgehend bekannt, weniger geläufig dagegen ist die Tatsache, dass Augsburg eine der größten jüdischen Gemeinden Deutschlands besitzt. Sie wird sogar von Tag zu Tag größer, und das nicht ohne Grund.

Verfolgung, Vertreibung, Ansiedlung Die Geschichte der Juden in Augsburg teilt sich in drei Gemeinden auf. Die

erste jüdische Gemeinde existierte offiziell von 1250 bis zur Vertreibung im Jahr 1439. Fast 400 Jahre folgten, in denen die Juden kein Wohnrecht in Augsburg besaßen. Nach einer Liberalisierung der Gesetzgebung wurde 1861 die zweite Gemeinde gegründet, die bis 1938 bestehen blieb. Anfang der 30er Jahre lebten etwa 1200 Juden in Augsburg; in den darauffolgenden Jahren wurden sie im Zuge der Schaffung eines „völkischen Staates“ Schritt für Schritt vom öffentlichen Leben ausgeschlossen, aus „arischen“ in „jüdische“ Häuser umgesiedelt und schließlich in Konzentrationslager deportiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand eine dritte israelitische Gemeinde Augsburg-Schwaben im Mai 1946. Anfang des Jahres 1945 waren die ersten 25 Juden, die früher in Augsburg gelebt und den Holocaust überlebt hatten, zurückgekehrt. Ein Jahr später beherbergte die religiöse Gemeinde der Stadt schon über 100 Menschen; viele davon kamen aus Osteuropa. Die liberalen deutschen

Juden und die orthodoxen aus Osteuropa hatten jedoch oft verschiedene Ziele: Die deutschen Juden glaubten an die Wiedergeburt der Gemeinde, die osteuropäischen an die kommende Ausreise nach Palästina oder Amerika. Anfangs wurde sogar getrennt gebetet. Lange Zeit erhielt die Gemeinde nicht viel Zuwachs. 1987 zählte sie lediglich 247 Mitglieder – fast alle Osteuropäer. Wenige glaubten damals an ein Fortbestehen, da die Gemeinde stark überaltert war und viele jüngere Juden nach Berlin oder Israel zogen. Mit den Immigranten aus der ehemaligen Sowjetunion änderte sich die Lage. Gegen Ende des Ost-West-Konflikts nahm die Zahl der jüdischen Gemeinde-Mitglieder in Deutschland stark zu. Es handelte sich dabei vor allem um jüdische Immigranten aus der ehemaligen Sowjetunion, die während des Kalten Krieges in der UdSSR unterdrückt und diskriminiert wurden. Ihnen wurde der Gottesdienst verboten und sie mussten eine atheistische >>

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Erziehung über sich ergehen lassen. Stalin versuchte, damit jeglichen jüdischen Einfluss auf die Sowjetunion zu unterbinden. Nachdem der Eiserne Vorhang gefallen war und mit ihm das Ausreiseverbot aus der UdSSR, wanderten schließlich viele der dort lebenden Juden nach Deutschland aus, wo sie eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhielten. Zwischen 1991 und 2004 immigrierten so insgesamt beinahe 220.000 jüdische Zuwanderer nach Deutschland.

Augsburgs jüdisches Herz Augsburg galt dabei als eines der bevorzugten Ziele, da die dortige jüdische Gemeinde und die Synagoge weit über die Grenzen der Republik hinaus bekannt waren. Der Anfang war jedoch nicht immer leicht. Die jüdischen Zuwanderer, die selten die deutsche Sprache beherrschten, mussten auf Grund des Religionsverbots in der UdSSR ihren Glauben erst wieder neu „erlernen“. Dabei galt es, sie sowohl in die religiöse Gemeinschaft der nach 1945 nach Augsburg ausgewanderten, vor allem polnischen Juden, als auch in die christliche Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. Heute sind es vor allem diese jüdischen Immigranten, die zur Kultur der Juden in Augsburg beitragen. Die jüdische Gemeinde Augsburgs zählt heute mehr als 1.800 Mitglieder, Tendenz steigend. Etwa 97 Prozent davon sind Einwanderer aus der ehemaligen UdSSR.

„In der Uni weiß niemand, wer ich bin.“ Eine von ihnen ist Svetlana, „International Management“-Studentin an der Hochschule Augsburg im sechsten Semester. Svetlana ist Weißrussin und lebt seit 2005 in Deutschland.

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Ihr Glaube ist ihr wichtig und spielte schon immer eine große Rolle in ihrem Leben. Die Studentin ist in einer jüdischen Umgebung aufgewachsen, besuchte als Kind die jüdische Sonntagsschule und zelebrierte den Glauben mit ihrer Familie. „Die Religion gibt mir Halt – in der jüdischen Gemeinschaft kann ich so sein, wie ich wirklich bin.“ So geht sie mit zwei Freundinnen jeden Freitag und an den Feiertagen in die Synagoge zum Gottesdienst. Am liebsten ist sie abends dort, um nach einer anstrengenden Studienwoche etwas Ruhe zu finden. Im Studium dagegen spielt der Glaube für die bekennende Jüdin keine große Rolle. Offen zelebrieren will sie ihn nur außerhalb der Hochschule, in ihrem jüdischen Freundeskreis. „Fast alle meiner Freunde sind auch Juden. Inmitten meiner Freunde fühle ich mich wohler. In der Uni weiß niemand, wer ich bin. Nur meine echten Freunde wissen, dass ich Jüdin bin.“ Kontakt zu ihren nicht-jüdischen Kommilitonen hat Svetlana kaum. Mehr Kontakt zu Deutschen und Nicht-Juden fände sie zwar super, glaubt aber, sie würde dann trotzdem zwei oder mehr Freundeskreise haben: „Es gäbe sonst sicherlich Probleme mit der Verständigung.“ Dass ihr die Integration nicht immer leicht fällt, liegt sicherlich auch

an ihrer schwierigen Schulzeit. Heute stößt ihr Glaube auf weit mehr Akzeptanz. Auch wenn sie sich lieber unter anderen Juden aufhält, schämt Svetlana sich nicht mehr für ihre Religion: „Heute bin ich stolz darauf, Jüdin zu sein. Ich hoffe, dass mein zukünftiger Mann auch ein Jude ist.“

„Auf solche Probleme wollte ich mich nicht einlassen.“ Anders als Svetlana, hat sich Rachel dazu entschlossen, ihren Glauben und ihr Studium zu verbinden. Die Jüdin aus München besucht ein amerikanisch-jüdisches College in Berlin, an dem sie einen deutschen und einen amerikanischen Abschluss macht. Neben dem internationalen Flair der Uni und der Tatsache, dass die Kurse auf Englisch gehalten werden, ist einer der Hauptgründe, warum Rachel auf keine öffentliche Universität wollte, dass der Samstag dort immer freigehalten wird. „Praktizierende Juden haben an normalen Unis oft das Problem, dass Kurse oder Klausuren auch an Samstagen stattfinden“, erklärt sie. Da der Samstag für religiöse Juden jedoch ein Ruhetag (Shabbat) ist, dürfen sie an diesem Tag keine Prüfungen ablegen. Nicht immer sei es dann möglich,


meint Rachel, PrĂźfungen zu verlegen, und Studenten werden angehalten, an den Nachhol-Klausuren teilzunehmen. Sollte es diese nicht geben, fĂźgt sie hinzu, sei es oft der WillkĂźr der Professoren Ăźberlassen, ob es andere MĂśglichkeiten gibt, die PrĂźfung abzulegen. „Auf solche Probleme wollte ich mich nicht einlassen.“ Ăœber ihren Glauben spricht Rachel mit groĂ&#x;er Leidenschaft. Sie stammt aus einer sehr traditionellen Familie und ist „mit der Liebe zur Religion erzogen worden“. Wie ihre ganze Familie ist auch Rachel praktizierende JĂźdin und glaubt an die Lehren und Traditionen des Judentums: „Ich finde es faszinierend, wenn ich die Geschichte der jĂźdischen Religion betrachte und bin stolz darauf, Teil dieser Geschichte zu sein“.

Gemeinsam vom Kindergarten bis zur Uni Obwohl Rachel ein jßdisches College besucht, ist die Uni offen fßr alle und auch viele Nicht-Juden studieren dort. Dies ist auch der Grund, warum sie gerade in der Universität

sehr viel Kontakt zu nicht-jĂźdischen Leuten hat – mehr als dies auĂ&#x;erhalb des Studiums der Fall ist. Privat hat auch sie einen groĂ&#x;en jĂźdischen Freundeskreis. Laut Rachel liegt das am gemeinsamen Werdegang der jĂźdischen Gemeinschaft. „Man ging frĂźher zusammen in den jĂźdischen Kindergarten, später in die Grundschule und dann ist man schon befreundet und geht in Gruppen aufs gleiche Gymnasium. Man bleibt als Clique irgendwie zusammen.“ Selbst die Ferien verbrachte sie mit ihren Freunden gemeinsam auf Ferienfreizeiten jĂźdischer und

zionistischer Jugendorganisationen. Auch in Berlin fand Rachel in der Synagoge oder bei Studentenessen in der dortigen Gemeinde am schnellsten Zugang zu anderen und konnte sofort Kontakte knĂźpfen. Anderen Religionen steht sie neutral gegenĂźber. „Ich respektiere sie und bin der Meinung, dass sie alle aus derselben Wurzel stammen.“ Aufgrund gemeinsamer Interessen und Aktivitäten hat Rachel privat automatisch mehr mit jĂźdischen Bekannten zu tun. Dennoch gilt fĂźr sie: „Die Religion spielt generell keine Rolle, es ist der Mensch, der zählt.“ â—Š

Islam:

Judentum:

Christentum:

oÄş'OTT Äş!LLAHÄş ARABISCHESÄş7ORTÄşFĂ“RÄş

oÄş'OTT Äş*AHWE

oÄş'OTT Äş6ATER Äş3OHNÄşUNDÄş(EILIGERÄş'EISTÄş

„Gott“), Synonym: „99 Namen

oÄş0ROPHET Äş-OSESÄş

oÄş'EBETSHAUS Äş+IRCHEÄş

Gottes“ als Eigenschaften Allahs (z.B.

oÄş'EBETSHAUS Äş3YNAGOGE

oÄş'EBETSWEISE Äş,ATEINÄş

„der Gnädige“, „der Barmherzige“)

oÄş'EBETSWEISE Äş(EBRÂťISCHÄş

oÄş'OTTESDIENER Äş0FARRERÄş

oÄş'EBETSHAUS Äş-OSCHEEÄş

oÄş'OTTESDIENER Äş2ABBINERÄş

oÄş 1UELLEÄş IMÄş *UDENTUM Äş #HRISTENTUMÄş GEHTÄş

oÄş'EBETSWEISE Äş!RABISCHÄş

oÄşERSTEÄşMONOTHEISTISCHEÄş2ELIGION

zurßck auf die Anhänger des jßdischen

oÄş6ORBETER Äş)MAMÄş

oÄşKEINEÄşMISSIONIERENDEÄş2ELIGION

Predigers Jesus von Nazaret

oÄş1UELLEÄşIMÄş*UDEN ÄşUNDÄş#HRISTENTUM

oÄşSTRENGESÄş"ILDERVERBOT

oÄş*ESUSÄşWIRDÄşVONÄşDENÄş#HRISTENÄşALSÄşJĂ“DISCHERÄş

oÄşMISSIONIERENDEÄş2ELIGION

oÄşAUSÄş%HRFURCHTÄşDĂ“RFENÄşGLÂťUBIGEÄş*UDENÄşDENÄş

Messias und als Mensch gewordener Sohn

oÄşSTRENGESÄş"ILDERVERBOT

Namen „Jahwe“ weder aussprechen noch

Gottes verehrt

oÄş(EILIGESÄş"UCH Äş+ORAN

schreiben; Ersatz: „Adonai“ (mein Herr)

oÄşMISSIONIERENDEÄş2ELIGION

oÄşDIEÄşFĂ“NFÄş`3ÂťULENmÄşDESÄş)SLAM Äş'RUNDPÄŒICH-

oder nur „JHW“

oÄşKEINÄş"ILDERVERBOT

ten, die jeder Muslim zu erfĂźllen hat

oÄş(EILIGESÄş"UCH Äş4HORA

oÄş(EILIGESÄş"UCH Äş"IBEL

oÄş!NHÂťNGERÄşWELTWEIT Äş Äş-ILLIARDENÄş

oÄş!NHÂťNGERÄşWELTWEIT Äş Äş-ILLIONENÄş

oÄş!NHÂťNGERÄşWELTWEIT Äş Äş-ILLIARDENÄş

oÄş!NHÂťNGERÄşINÄş$EUTSCHLAND Äş Äş-ILLIONEN

oÄş!NHÂťNGERÄşINÄş$EUTSCHLAND Äş

oÄş!NHÂťNGERÄşINÄş$EUTSCHLAND Äş Äş-ILLIONEN

herzwärts | 59


Ein groĂ&#x;er Schritt fĂźr mich, aber ein kleiner Schritt fĂźr die Menschheit Welche Ereignisse Augsburger Studenten am meisten geprägt haben Text & Fotos: Sabrina Gebhardt – Illustration: Marlene Zehnter

2

0. Juli 1969. Der Adler ist gelandet. Du stehst an der Schleuse der Mondlandefähre. Vor dir liegt der Schritt in ein neues Zeitalter. Hinter dir der alte Menschheitstraum, nach den Sternen zu greifen. Der Puls hämmert. Blut rauscht in deinen Ohren, während nahezu die Augen der gesamten Welt auf dich gerichtet sind. Ein kleiner Schritt – und von einem Moment zum anderen bist du unsterblich geworden. Doch es mĂźssen nicht immer die groĂ&#x;en Dinge sein, die Spuren im Leben hinterlassen. Welche Erfahrungen prägen die junge Generation von heute? Welche Geschichten stecken hinter den Gesichtern Augsburger Studenten? presstige hat auf dem Campus der Hochschule und der Universität nachgefragt.

Vor drei Jahren hatte mein Vater einen Unfall, wobei er einen Herzinfarkt erlitt. Gott sei Dank hat er Ăźberlebt. Das traf mich vollkommen unvorbereitet, es hat mich geradezu aus meinem SpaĂ&#x;trip gerissen: Als Student lebt man, ohne sich groĂ&#x; Gedanken zu machen, und vernachlässigt dabei oft seine Familie. Als Ă„ltester der Familie war es nun an mir, einen Teil seiner Verantwortung zu Ăźbernehmen. Auf einmal wurde mir klar, wie viel mein Vater getan hat, was ich als selbstverständlich gesehen hatte. Das hat mich verändert: Ich bin ernster geworden und denke mehr Ăźber die mĂśglichen Konsequenzen nach.

Fabian  Stiegler  (23),   Maschinen-­ bau  (FH),  10.  Semester Soeren  Lieb-­ lich  (21),  In-­ formatik  (FH),  2.  Semester

Ăœber die Marburger Mission durfte ich ein Freiwilliges Soziales Jahr in Japan machen und dort Missionare in ihrer Arbeit unterstĂźtzen. In erster Linie habe ich Hausmeistertätigkeiten Ăźbernommen, also Dinge wie Streichen oder das Reparieren von Gegenständen. Bei meiner RĂźckkehr habe ich Deutschland in einem ganz anGHUHQ /LFKW JHVHKHQ $XI HLQPDO ÓžHOHQ PLU 'LQJH DXI GLH VRQVW immer selbstverständlich waren. Im Gegensatz zu europäischen Ländern wie Frankreich oder Italien bauen japanische Sitten auf ganz anderen Grundsätzen auf. Japan hat mich insofern verändert, dass ich in eine vĂśllig andere Kultur eingetaucht bin.


Mich hat in erster Linie meine Zeit in den USA verändert. Dort habe ich ein vÜllig anderes Lebensgefßhl erlebt: Die Menschen waren an allem interessiert und sind mir PLW HLQHU 2ӽHQKHLW EHJHJQHW GLH I U PLFK Y|OOLJ QHX war. Dieser Blick ßber den Tellerrand hat mich verändert: Einerseits bin ich von der amerikanischen Lockerheit fasziniert, da ich diese Unvoreingenommenheit gegenßber anderen Menschen noch nie zuvor in Deutschland erlebt habe. Andererseits war auch viel 2EHUӿlFKOLFKNHLW GDEHL VR GDVV LFK GHXWVFKH Zuverlässigkeit und ehrliches Interesse an der Person zu schätzen gelernt habe.

Am nachhaltigsten hat mich meine christliche Gemeinde verändert, in die ich nun schon seit zwei Jahren gehe. Aufgrund meiner Vergangenheit habe ich dort zum ersten Mal das erfahren, was ich sonst nirgendwo gesehen habe: Eine Echtheit und Ehrlichkeit, die mich HLQIDFK QXU YHUEO ӽW KDW ,FK GHQNH dass ich durch den Kontakt zu meiner Gemeinde um einiges umgänglicher geworden bin, vor allem was meine DickN|SӞJNHLW DQJHKW *OHLFK]HLWLJ KDEH LFK Christen an der Uni kennen gelernt, die mir inzwischen sehr, sehr gute Freunde geworden sind. Und ich habe gesehen: Es geht eben doch anders!

Sarah  Windmu-­ eller  (21),  BWL,  4.  Semester

Kristoffer  Wradatsch  (22),  Hauptschullehr-­ amt,  1.  Semester

Letzten Februar bin ich zusammen mit zwei befreundeten Sportstudentinnen in eine WG gezogen. Dazu muss man sagen, dass ich frĂźher immer gedacht habe, dass ich sehr unsportlich wäre. FĂźr eine PrĂźfung mussten meine Mitbewohnerinnen jonglieren lernen – und haben mich ermutigt, es selbst auszuprobieren. Aus reinem Interesse habe ich es versucht und unter ihrer Anleitung innerhalb eines Tages das Jonglieren mit drei Bällen gelernt. Inzwischen Ăźben wir abends zu dritt ganze ChoreograÓžHQ HLQ 'DGXUFK ELQ LFK VHOEVWEHZXVVWHU geworden und gehe an neue Dinge unvoreingenommener heran.

Im Rahmen einer Werbeaktion hat Ronaldinho dafĂźr geworben, dass man das Kind in sich nicht vergessen darf. Als Kind konnte man sich fĂźr das Leben begeistern. Diese Lebensfreude mĂźssen wir uns immer wieder in Erinnerung rufen. Durch die Kampagne habe ich angefangen, darĂźber nachzudenken und meine Prioritäten neu zu ordnen. Gerade wir Deutschen neigen leider dazu, die Arbeit an erste Stelle zu setzen. Als Kind dagegen denkt man nicht soviel nach, man sorgt sich nicht erst um mĂśgliche Konsequenzen, sondern lebt. â—Š

Anja  Mayle  (27),  Kunst-­ paedagogik,  10.  Semester

Andreas  Kerler  (27),  Diplompae-­ dagogik,  10.  Semester

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16:00 – 17:00

17:00 – 18:00

Alle Angaben ohne Gewähr Zusammengetragen von Katrin Unsöld

Download auf presstige.org

Schlachthof Café Viktor

Samok City

Platsch

Weißes Lamm

Movie Bar

Sausalitos

Ratskeller

22:00 – 23:00

Sausalitos

Papa Sitos

Murphy‘s Law

Flaircity

Coq ( Fr. -So. 20.00 - 22.00 Uhr )

Samok City

Papa Sitos

Nudelbar Platsch ( Fr. +Sa. )

Mr. Onions

Joe Pena's

Iguana Joe's

Enchilada

24:00 – 01:00

Ratskeller

Nudelbar

Mr. Onions

Iguana Joe's

Flannigan's Post

Essbar

19:00 – 20:00 Corso

20:00 – 21:00

Enchilada

Drei Königinnen

Cohiba

Caipi

21:00 – 22:00

Joe Pena's

Commerzienrat

Altstadtcafé

18:00 – 19:00 Barium 56 (Mo. - Fr. )

23:00 – 24:00

König v. Flandern

Täglich

Happy Hour Guide

01:00 – Ende


Samstag

Freitag

Donnerstag

Mittwoch

Dienstag

Montag

Joe Pena's

Nudelbar

Peaches

Henry's Coffee World

Mo Club

Peaches

Weißes Lamm

Weißes Lamm

Weißes Lamm

Kantine

Circus

Rockfabrik

Henry's Coffee World

Mo Club

Mahagonibar

Barfly

Barcode

Mo Club

Mahagonibar

Barfly

Barcode

YUM Club

Mo Club

Mahagonibar

Barcode

Mo Club

Mahagonibar

Barcode

Liquid

Liquid

ediuG ruoH yppaH 01:00 – Ende

24:00 – 01:00

23:00 – 24:00

gro.egitsserp fua daolnwoD

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22:00 – 23:00

21:00 – 22:00

20:00 – 21:00

19:00 – 20:00

18:00 – 19:00

17:00 – 18:00

16:00 – 17:00


Soziales Aroma In Augsburgs Mitte wird Ungewöhnliches alltäglich. presstige: Herr Finkenbeiner, wer braucht das Café am Milchberg? Gibt es nicht schon mehr als genug Cafés in Augsburg? Finkenbeiner: Zunächst einmal ist das Café für alle Bürger und Bürgerinnen Augsburgs gedacht. Die Kunden kommen, werden von behinderten Menschen bedient und es ist eine Normalität. Insofern sind wir da schon was Besonderes. Wir beschäftigen behinderte Menschen, die hier die Möglichkeit haben in der Öffentlichkeit zu arbeiten. Hier können sie ihre Leistung zeigen. Was hebt das Café am Milchberg von einem normalen Café ab? Kommen die Gäste aus „Mitleid“ zu Ihnen? Eigentlich möchten wir uns nicht von einem „normalen“ Café abheben. Wir wollen nicht, dass Leute nur aus sozialen Gründen hier rein gehen. Was uns unterscheidet, ist unser Träger, das sind die Ulrichswerkstätten der Caritas Augsburg. Überzeugen wollen wir aber mit unserem Angebot: dem prämierten Kaffee, ausgezeichneten Speisen und vielfältigen Veranstaltungen. Interview: Markus Kotowski – Fotos: Tobias Blaser

C

afés gibt es in Augsburg wie Sand am Meer. Eines aber fällt aus dem Rahmen: das Café am Milchberg. Es wird von der Caritas getragen und beschäftigt Menschen mit Behinderung. presstige hat sich mit Frank Finkenbeiner, Freiwilligenkoordinator des Cafés am Milchberg, unterhalten.

64 | presstige

Wie ist die Idee zu diesem Projekt entstanden? Ausgangspunkt war ein bundesweites Projekt des deutschen CaritasVerbandes mit dem Ziel, freiwillige Menschen zu gewinnen, die sich in sozialen Einrichtungen engagieren. Wir haben uns mit der Idee beworben, nicht nur Freiwilligenarbeit, sondern auch einen Begegnungsort zu schaffen für und mit behinderten Menschen in Form eines Cafés. Die „Aktion Mensch“ hat das Ganze unterstützt.

Was sind das für Menschen, die hier arbeiten? Tolle Menschen! Zum einen sind da erwachsene geistig behinderte Menschen, die fest angestellt sind, zum anderen Hauswirtschaftkräfte und ein Hotelfachmann, der sehr dienstleistungsorientiert arbeitet und das nötige Know-How mitbringt. Dazu engagieren sich Freiwillige: jung und alt, behindert oder nicht. Bewerben sich die Leute bei Ihnen selbst? Die Vermittlung und Besetzung der beruflichen Mitarbeiter findet über die Werkstätten statt. Sie haben vorher meist in der Großküche der Behinderten-Werkstätten gearbeitet und dann Praktika durchlaufen. Die Freiwilligen finden meist über das Freiwilligen-Zentrum Augsburg, Internetbörsen oder nach Zeitungsberichterstattung zu uns. Die Tatsache, dass die meisten Menschen ihr Konzept, mit Behinderten zu arbeiten, als „außergewöhnlich“ bis „komisch“ empfinden – sagt das ihrer Meinung etwas über unsere Gesellschaft aus? Wir sind nach meinem Gesellschaftsbild eine Gesellschaft und dazu gehören auch behinderte Menschen. Wir wollen in einer Gemeinschaft leben, wo alle mitwirken sollen – also auch der behinderte Mensch. Es wird Zeit, dass wir behinderte Menschen haben, die nicht nur im geschützten Rahmen von Großeinrichtungen arbeiten, sondern den öffentlichen Raum finden und dort auch wirken können. Wenn unsere Gäste herausfinden, was hinter dem Ganzen steht, flüchten sie auch nicht – sie sind eher überrascht.


Was bedeutet den Menschen, die bei Ihnen arbeiten, ihre Tätigkeit? Wie wirkt sich das auf sie aus? Durchweg positiv. Für manche war die Tätigkeit hier ein Sprungbrett – sie haben dadurch einen Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft gefunden. Die Jobs sind bei behinderten Menschen begehrt, hier lernen sie einen selbstständigen Arbeitsrhythmus kennen. Für die behinderten Freiwilligen bedeutet eine Mitarbeit ein enormes Prestige und eine hohe Identifikation mit dem Projekt – und das wirkt sich natürlich auf ihr Selbstbild und ihre Selbstbestimmung aus. Welche Anforderungen werden an ihre behinderten Beschäftigten gestellt? Natürlich wird hier im Café eine hohe Komplexität verlangt. Man braucht hier nicht nur das notwendige KnowHow in der Hauswirtschaft, man muss auch auf Menschen zugehen können. Die Fachkräfte begleiten die behinderten Menschen dabei, dem Gedanken der Dienstleistung zu entsprechen, sich Freundlichkeit anzueignen – wir wollen ja schließlich guten Service anbieten.

Selbstverständlich. Wir sind ein Tendenzbetrieb, gehören zur Caritas und haben daher auch christliche Grundwerte und Leitlinien, die von den beruflichen Mitarbeitern befolgt werden müssen. Insofern spielt der Glaube natürlich eine Rolle – was nichts daran ändert, dass hier alle Konfessionen vertreten sind. Was hat es mit dem Projekt „MIT“ auf sich? Das „MIT“ steht für „Menschen mit Menschen“, für MITMensch, Integration und Teilhabe und versteht sich als Ort der Begegnung. Für Menschen mit Behinderung ist es nicht immer leicht, am öffentlichen Leben teilzunehmen und in ihrer Freizeit etwas zu unternehmen. Das möchten wir verändern und Menschen – egal, ob behindert oder nicht – zum Essen und Trinken, zum Ratschen und Feiern einladen.

Rein wirtschaftlich gesehen, heißt Menschen mit Behinderung zu beschäftigen oft höhere Lohnkosten, da diese zusätzliche Betreuer benötigen. Wie finanziert sich das Café? Wir haben tatsächlich einen hohen Spielt bei der Auswahl der Mit- Personalkostenaufwand, eben weil arbeiter der „rechte Glaube“ eine wir behinderte Menschen unter Rolle? Betreuung von nicht-behinderten 2_210x95:Anzeige_A5_SW 23.08.2010 14:25 Uhr Seite 1

Betreuern beschäftigen. Dazu sind wir auch nicht hochpreisig, die Gewinnmarge ist also nicht besonders groß. Bisher ist aber unser Träger zum Glück noch gewillt, das Projekt fortzuführen, weil es sowohl wichtig als auch öffentlichkeitswirksam ist. Unser Ziel ist es, auch weiterhin mit unserem Angebot zu überzeugen, so dass wir noch mehr Menschen für unser Projekt gewinnen können. Die Preise im Café liegen zum Teil deutlich unter dem Augsburger Durchschnitt. Kann das Café im Hinblick auf die Sparmaßnahmen bei öffentlichen Mitteln auch in Zukunft überleben? Wir können auf jeden Fall überleben, solange die Caritas das Café als wichtigen Teil der BehindertenWerkstätten ansieht und weiter investiert. Damit sind wir auch von der wirtschaftlichen Situation der Werkstätten abhängig, also von deren zukünftiger Auftragslage. Und die kann eben niemand vorhersagen. Und jetzt verraten Sie uns noch ihren persönlichen Favoriten auf der Speisekarte? Salat Nizza. Frischer Salat mit Thunfisch und Ei. Ein Traum. ◊

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Augsburg, Ammersee, Pfaffenwinkel, Paartal, Altmühltal, Ingolstadt – wir fahren Sie hin! Kundentelefon: (0821) 478 778-77 www.bayerischeregiobahn.de Die Verbindung ist gut.


CR

RL

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G

F B H

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Impressum

Ausgabe 17 – Oktober 2010 – www.presstige.org

CR – Chefredaktion

Wiebke Henke | wiebke.henke@presstige.org | Chefredakteurin, Begleitstudiumskoordinatorin, Beisitzerin presstige e.V., Art Direction ∞ Kete Shabani | kete.shabani@presstige.org | Chefredakteurin ∞

RL – Ressortleitung

Luisa Boger | luisa.boger@presstige.org | Ressortleiterin ∞ Sabrina Gebhardt | sabrina.gebhardt@presstige.org | Ressortleiterin ∞ Patricia Ott | patricia.ott@presstige.org | Ressortleiterin, Public Relations ∞ Anna Schmidt | anna.schmidt@presstige.org | Ressortleiterin Vicky Wagensommer | viktoria.wagensommer@presstige.org | Ressortleiterin, Layout ∞

R – Redaktion

Katharina Brugger | katharina.brugger@presstige.org | Redakteurin ∞ Sophia Druwe | sophia.druwe@presstige.org | Redakteurin ∞ Aline Ehrenreich | aline.ehrenreich@presstige.org | Redakteurin ∞ Marion Einsiedler | marion.einsiedler@presstige.org | Redakteurin ∞ Lisa Hartmann | lisa.hartmann@presstige.org | Redakteurin ∞ Tassilo Holz | tassilo.holz@presstige.org | Redakteur Markus Kotowski | markus.kotowski@presstige.org | Redakteur ∞ Julia Kühnemuth | julia.kuehnemuth@presstige.org | Redakteurin ∞ Rosina Obermayer | rosina.obermayer@presstige.org | Redakteurin ∞ Sabina Porchia | sabina.porchia@presstige.org | Redakteurin ∞ Annika Schmidt | annika.schmidt@presstige.org | Redakteurin ∞ Madeleine Schuster | madeleine.schuster@presstige.org | Redakteurin, Layout, Illustratoin, Public Relations ∞ Kathrin Unsöld | kathrin.unsoeld@presstige.org | Redakteurin ∞ Martina Wengenmeir | martina.wengenmeir@presstige.org | Redakteurin ∞

P – Personal

Franziska Obst | franziska.obst@presstige.org | Personal, Ressortleiterin ∞

G – Gestaltung

Katharina Beck | katharina.beck@presstige.org | Layout, Illustration ∞ Kristina Gerzen | kristina.gerzen@presstige.org | Layout, Illustration ∞ Christoph Knobl | christoph.knobl@presstige.org | Illustration ∞ Annette Robbins | annette.robbins@presstige.org | Layout, Illustration ∞ Sandra Strixner | sandra.strixner@presstige.org | Layout, Illustration ∞ Katharina Uhl | katharina.uhl@presstige.org | Illustration ∞ Marlene Zehnter | marlene.zehnter@presstige.org | Layout, Illustration ∞ Birgit Zurmühlen | birgit.zurmuehlen@presstige.org | Layout, Illustration ∞

F – Fotografie

Andreas Bee | andreas.bee@presstige.org | Fotografie ∞ Moritz Beierlein | moritz.beierlein@presstige.org | Fotografie ∞ Tobias Blaser | tobias.blaser@presstige.org | Fotografie ∞ Michael Christ | michael.christ@presstige.org | Fotografie ∞ Florian Falch | florian.falch@presstige.org | Fotografie ∞ Judica Klinger | judica.klinger@presstige.org | Fotografie ∞ Moritz Köppendörfer | moritz.koeppendoerfer@presstige.org | Fotografie, Redakteur ∞ Christoph Kückner | christoph.kueckner@presstige.org | Fotografie, Layout ∞ Christian Oliar | christian.oliar@presstige.org | Fotografie ∞ Martje Rust | martje.rust@presstige.org | Fotografie ∞

66 | presstige

B – Begleitstudiumskoordination

Patrick Bauer | patrick.bauer@presstige.org | Begleitstudiumskoordinator ∞

V – Verlag

Christine Fettich | christine.fettich@presstige.org | Projektleiterin Marketing & Online Marketing, Vertrieb ∞ Laura Amenta | laura.amenta@presstige.org | Public Relations ∞ Benjamin Bernotat | benjamin.bernotat@presstige.org | Marketing/Vertrieb ∞ Chrissy Dorn | christina.dorn@presstige.org | Public Relations, Marketing/Vertrieb, Redaktion ∞ Carolin Rieger | carolin.rieger@presstige.org | Marketing/Vertrieb ∞ Katharina Schaffer | katharina.schaffer@presstige.org | Public Relations ∞ Kathrin Stangl | kathrin.stangl@presstige.org | Public Relations ∞

H – Herausgeber

presstige – Verein zur Förderung des journalistischen Nachwuchses e.V. | c/o Medienlabor | Institut für Medien und Bildungstechnologie | Universität Augsburg | Universitätsstraße 2 | 86135 Augsburg | Tel.: 0821 2170800 | Fax: 01577 99 3324690 | Kto.-Nr.: 2 50 40 90 18 | BLZ: 720 500 00 | Stadtsparkasse Augsburg | Vereinsregisternummer VR200819 | Amtsgericht Augsburg | www.presstige.org Christopher G. Große | christopher.grosse@presstige.org | Vorstandsvorsitzender (V.i.S.d.P.) ∞ Michael Sentef | michael.sentef@presstige.org | Stellvertretender Vorstandsvorsitzender ∞ Marc Schüßler | marc.schuessler@presstige.org | Vorstand Marketing & Vertrieb, Schatzmeister, kommissarischer Verlagsleiter ∞ Jörn Retterath | joern.retterath@presstige.org | Schriftführer ∞

Beirat

Thomas Benseler, Michael Hofmann, Ernst Holme, Alois Knoller, Sebastian P. Priller, Bernd Pitz, Thomas Schwartz

D – Druck

presstige | verlag@presstige.org | Druck | Joh. Walch GmbH & Co. KG, Augsburg ∞ | Auflage & Erscheinen | 10.010 Exemplare | 4 x jährlich | Die nächste Ausgabe erscheint im Januar 2011 presstige – Bayerns größtes studentisches Magazin (gegründet 2004) wird seit 2010 herausgegeben vom unabhängigen gemeinnützigen presstige – Verein zur Förderung des journalistischen Nachwuchses e.V. Jetzt unter www.presstige.org/mitglied im presstige-Förderverein Mitglied werden und ein einzigartiges ehrenamtliches Projekt unterstützen! Journalistische Unabhängigkeit fördern – Wissen und Medienvielfalt schaffen! Jeder Euro hilft uns bei der Herausgabe von presstige und bei der Ausbildung junger Journalistinnen und Journalisten! (Alle Spenden und Mitgliedsbeiträge sind steuerlich absetzbar.)


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