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WIRTSCHAFTSKRAFT FUSSBALL Macht, Geld und Einfluss zwischen zwei Toren
WIRTSCHAFTSKRAFT FUSSBALL – MEHR ALS NUR EIN SPIEL!
Macht, Geld und Einfluss zwischen zwei Toren
Manch ein Fussballfan verfolgt mit Grauen die fortschreitende Kommerzialisierung seines Sports und wünscht sich die gute alte Zeit zurück. Dabei übersieht man gerne, dass der Fussball und die Wirtschaft schon vor langer Zeit eine Verbindung eingegangen sind, die allen Vorbehalten zum Trotz äusserst erfolgreich ist. So kommt dem Fussball heute nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit eine enorme gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung zu.
Fussball, eine der beliebtesten und meistverfolgten Sportarten der Welt, entstand 1846 auf der britischen Insel. 1857 war mit dem FC Sheffield der erste Fussballverein der Geschichte geboren. Ebenso auf englischem Boden wurde 1863 der erste Fussballverband der Welt «Football Association (FA)» gegründet. Nachdem der Fussball in England an Popularität gewonnen hatte, breitete er sich nicht nur im europäischen Raum, sondern weltweit aus. Heute ist er auf jedem Kontinent vertreten.
Doch der Fussball hat heute einen anderen Stellenwert, als er noch vor 100Jahren hatte und lediglich als Freizeitbeschäftigung angesehen wurde. Heute spielt der Profifussball auch in der Wirtschaft eine bedeutende Rolle und hat sich über die Jahre hinweg zum knallharten Business gewandelt.
Waren damals lediglich die Farben der Trikots ausschlaggebend, so dienen sie heutzutage zusätzlich als Werbefläche für grosse, innovative Unternehmen, auch Sponsoren genannt. Eine ähnliche Methode wie das Sponsoring ist die Kommerzialisierung, wobei sich die Vereine hierbei zu 100Prozent im Besitz eines Unternehmens oder einer Person befinden. Eine weitere Einnahmequelle von Fussballvereinen stellt die TV-Vermarktung dar. Durch die zunehmende Bedeutung des Fussballs in der Wirtschaft steht der Sport beziehungsweise der Wettkampf, der ursprünglich der Freizeitbeschäftigung und Unterhaltung diente, nicht gänzlich im Vordergrund, sondern wird immer mehr durch die bereits erwähnten Wirtschaftsfaktoren in den Hintergrund gerückt.
TRADITIONELLE WERTE VERSUS MILLIONENGESCHÄFT
Fussballromantikern ist dies jedoch ein Dorn im Auge. Sie sind besorgt über die Art und Weise, wie sich der Profifussball in den vergangenen Jahren zum Millionengeschäft entwickelt hat. Die traditionellen Werte haben für sie oberste Priorität. Vereine, die den Fussball hauptsächlich als reines Wirtschaftsprodukt benutzen, stossen daher immer wieder auf Kritik unter den Fans. Aus diesem Grund demonstrieren sie ihre Abneigung immer wieder in den Stadien, und in diversen sozialen Netzwerken rufen sie sogar zum Boykott auf.
Doch gleichzeitig sind es auch die Fans, die den Wunsch haben, Superstars in den Trikots ihrer Lieblingsmannschaft schwitzen zu sehen, um nationale sowie internationale Erfolge zu feiern. Fussballvereine geben für Spieler bis zu dreistellige Millionensummen aus. Der Verein Paris Saint-Germain holte 2017 den Brasilianer Neymar für 222Millionen Euro nach Paris. Im selben Jahr kam auch Kylian Mbappe für 180Millionen Euro. Das höchste Gehalt bekommt wohl auch der teuerste Spieler: In der Saison 2021/22 soll Neymar laut dem US-Wirtschaftsmagazin «Forbes» pro Jahr 75Millionen US-Dollar verdienen – ebenso wie sein Teamkollege Lionel Messi. Nur knapp dahinter kommt der nächste Superstar: Cristiano Ronaldo mit 70Millionen US-Dollar. Werbeeinnahmen sind dabei jeweils noch nicht mitgerechnet.
Ein Fussballclub, der die teuersten Spieler der Welt einkauft, braucht Einnahmen. TV-Gelder, Sponsoring, Kommerzialisierung
Das Lusail-Stadion ist mit einer Kapazität von 80’000Zuschauer*innen das grösste WM-Stadion in Katar. Hier findet auch das WM-Finale statt.
Das Al Thumana Stadion liegt 12Kilometer südlich von Doha. FIFA-Präsident Gianni Infantino.
und natürlich die Teilnahme an den grossen Fussball-Events wie der Champions League sowie den Europa- und Weltmeisterschaften sind finanziell äusserst lukrativ. Die besten Vereine Europas treten jedes Jahr in der Champions League an. Das bringt hohe Verdienste mit sich: Der FC Bayern nahm in der Saison 2021 / 22 trotz Viertelfinal-Aus über 100 Millionen Euro ein. Ab der Saison 2024 wird die Zahl der Teilnehmer an der Champions League von 32 auf 36 erhöht. Zwei der zusätzlichen Plätze gehen an die beiden zuvor erfolgreichsten Ligen. Zudem steigen die Einnahmen für die Teilnehmer: Zwischen 2024 und 2027 soll es 40 Prozent mehr Geld geben als noch zwischen 2021 und 2024. Damit wächst in den nationalen Ligen der finanzielle Abstand zwischen den Champions-League-Teilnehmern und allen anderen Vereinen. Kritiker*innen warnen seit Jahren, dass es damit immer schwieriger wird, sich dauerhaft in der Spitze zu etablieren. Mögliche Folge: Meister werden immer dieselben Vereine.
DER SCHWEIZER PROFIFUSSBALL UND SEIN BEITRAG ZUM BIP
Durch die Modernisierung des Fussballs haben sich die Fussballvereine in den vergangenen Jahren zu wichtigen und gleichzeitig auch zu internationalen Wirtschaftsunternehmen gewandelt. Der Profifussball wächst schneller und trägt mehr zum Bruttoinlandsprodukt bei als zahlreiche anderen marktführenden Industrien in der Schweiz.
2014 hat die Swiss Football League (SFL) eine Studie in Auftrag gegeben und die wirtschaftliche Kraft der Super League untersucht. Der Schweizer Profifussball schuf 3300Vollzeitstellen, sorgte im untersuchten Jahr für einen Umsatz von 794Millionen Franken und für eine Wertschöpfung von 455Millionen Franken – diese Zahl bildet den Wertzuwachs auf der Wertschöpfungskette ab. Das führte zu 42Millionen Franken Steuereinnahmen. 2.2Millionen Stadionbesucher brachten nur durch ihren Stadionbesuch 68 Millionen Franken in Umlauf und sorgten für rund 150’000 Logiernächte. Wirtschaftsprofessor Jürg Stettler von der Hochschule Luzern war einer der Studienautoren und schätzt, dass die Zahlen seither um zehn Prozent gestiegen sein könnten. Genaue Angaben dazu gibt es nicht.
WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG NICHT UNTERSCHÄTZEN
Ein Fussballclub ist heute zu einem Unterhaltungsunternehmen geworden und durchdringt die ganze Gesellschaft. Prominente Fussballclubs wie Barcelona machen beinahe eine Milliarde Umsatz. In der Schweiz ist die Zahl wesentlich kleiner, doch auch die Schweizer Clubs strahlen über den Fussballplatz hinaus. Da sind die Catering- und Sicherheitsfirmen im Stadion, die Arbeitsstellen bieten. Da sind die
Fans, die vor und nach den Spielen in Restaurants und Hotels einkehren. Da sind die Clubs, die Aufträge an die Privatwirtschaft geben. Da sind die Medienschaffenden, die über den Fussball schreiben (und damit Geld verdienen). Würde man auch die Ehrenamtlichkeit in den Clubs berechnen, wären die erhobenen Summen noch viel höher. Folglich darf man die wirtschaftliche Bedeutung des Fussballs nicht unterschätzen.
Insbesondere die Werbung ist aus dem Fussball nicht mehr wegzudenken. Jedes erdenkliche Fleckchen in den Stadien ist mit einem Sponsorenlogo gepflastert, der begehrteste Ort ist natürlich auf der Brust des Trikots. Dagegen gab es allerdings auch Widerstand. In den 1950er-Jahren weigerte sich Superstar Obdulio Varela, Captain von Uruguays Nationalelf, für seinen Club Peñarol Montevideo in einem Trikot mit Werbeaufdruck aufzulaufen: «Früher hat man uns Schwarze an einem Ring durch die Nase herumgeführt. Diese Zeiten sind vorbei.»
In der Schweiz dauerte es viel länger, bis die Clubs diese Einnahmequelle entdeckten. Den Anfang machte 1976 der FC Zürich, der auf seinen Shirts für einen FotofilmHersteller warb. Kurz darauf folgten auch der FC Basel, die Young Boys und
Das Khalifa International Stadion ist auch die Heimstätte der katarischen Fussballnationalmannschaft.
Das Eduction City Stadion bietet ebenfalls Platz für 40’000Zuschauer*innen und wurde extra für die WM 2022 gebaut.
Lausanne. Für das Schweizer Fernsehen war das nicht tolerierbar. Es sprach sich gegen die neue Werbeform aus, weil dadurch Firmen eine Plattform erhalten würden, ohne dafür zu bezahlen. Prompt verzichtete die SRG auf die Berichterstattung sämtlicher Partien mit Beteiligung der kritisierten Clubs. Dies wiederum sorgte für Empörung bei den Fans, zumal die Übertragung von Ski oder Formel 1 noch mehr «unbezahlte» Werbefläche in Kauf nahm. Der Boykott hielt denn auch nicht lange – und die vom Fussballverband einberufene zweijährige Testphase mit Trikotsponsoren ging nahtlos in einen Dauerzustand über.
Ähnlich umstritten war die Trikotwerbung auch in Deutschland. Das geltende Verbot umging Eintracht Braunschweig, indem es das Wahrzeichen des Alkohol-Herstellers Jägermeister kurzerhand zum Vereinslogo machte. Selbst nach der Zulassung schwärzten einige Zeitungen noch wacker Fotos von Spielern mit Werbung auf dem Leibchen. Tempi passati: Manchester United erhält heute von einem Autohersteller die Rekordsumme von jährlich 80 Millionen Franken für den Platz auf dem Trikot, das zudem auch noch weltweit von Millionen von Fans getragen wird, die damit auch zu Werbeträgern werden.
SPIELT DER WEIHNACHTSMANN JETZT FUSSBALL?
Genau so lukrativ, aber auch ruinös kann das Ausrichten einer FussballWeltmeisterschaft sein. Dieses Jahr findet sie zum ersten Mal in ihrer Geschichte in der Vorweihnachtszeit statt. Ein Thema, das Markenartikelhersteller und Einzelhändler intensiv beschäftigt,
ist die Frage, ob die Fussball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar angesichts der kontroversen politischen Diskussionen um Geld, Macht und Monarchie ein geeigneter Marketing-Event für die Vorweihnachtszeit ist. Wer diese Frage bejaht, muss sich auf ein hartes Duell mit dem Weihnachtsmann einstellen, der seine angestammten Platzierungen im Vorweihnachtsgeschäft durch geschicktes Abdecken der Flächen verteidigen wird, oder mit ihm gemeinsame Sache machen.
Doch nicht nur der Zeitpunkt der FussballWeltmeisterschaft 2022 in Katar ist neu, auch der Austragungsort am arabischen Golf und die Ausgaben, die der Kleinstaat tätigt, sind ungewöhnlich. Katar lässt sich die Organisation des Grossereignisses bis zu 150 Milliarden Euro kosten. Die Ausgaben für die vorangegangene FussballWeltmeisterschaft in Russland wirken mit 21 Milliarden beinahe poplig.
Dabei zeigt die Vergangenheit, dass die Ausrichtung einer Fussball-Weltmeisterschaft das Budget der Staaten massiv belastet – zumal jeder neue Ausrichter bisher versuchte, die vorherige Weltmeisterschaft zu übertrumpfen. Viel Glück für den Nachfolger von Katar! 1998 hat Frankreich für die Ausrichtung der Weltmeisterschaft noch 36 Millionen Euro ausgegeben, 2006 kostete die Weltmeisterschaft in Deutschland knapp 50 Millionen Euro. 2010 gab Südafrika für die FussballWM knapp 3.3 Milliarden Euro aus und Brasilien liess sich die Weltmeisterschaft
Das Luzhniki-Stadion in Moskau war bei der Fussball-Weltmeisterschaft 2018 das grösste Stadion und bot 81’000Zuschauer*innen Platz.
2014 rund 8.1Milliarden Euro kosten. Insbesondere die Kosten für die Infrastruktur und die Renovierung der Stadien schossen ab 2010 in die Höhe.
SCHULDEN UND KORRUPTION
In den meisten Fällen haben sich die Ausgaben wirtschaftlich kaum gelohnt, wie sich insbesondere am Beispiel der FussballWeltmeisterschaft 2014 in Brasilien zeigte. Zwölf Stadien wurden damals für die Fussball-Sause gebaut oder komplett saniert, die Kosten beliefen sich auf umgerechnet mehr als zwei Milliarden Euro. Heute stehen einige leer, die meisten kosten weiterhin viel Geld und bei fast allen ermittelt die Polizei wegen Schmiergeldzahlungen. Nur wenige Stadien der WM werden sinnvoll genutzt. Hinzu kommt, dass man weder in Brasilien noch in Russland trotz der hohen Investitionen über zahlreiche Menschenrechtsverletzungen hinwegsehen konnte. Wenn das Ausrichterland generell kein gutes Image hat, ist eine Fussball-Weltmeisterschaft nur bedingt nutzbar, um dieses aufzuwerten.
Es gibt aber auch positive Beispiele wie die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Noch ein Jahr zuvor befand sich das Land mitten in einer Rezession und versuchte, mithilfe des Mega-Events ein neues Image aufzubauen: «Die Welt zu Gast bei Freunden». Die Umsetzung hat funktioniert und noch heute profitiert der deutsche Tourismus vom Weltmeister-Effekt. Von einem Grossereignis wie einer WM profitieren neben dem Verband des ausrichtenden Landes – der DFB feierte 2006 einen Überschuss von 135 Millionen Euro – vor allem auch die Sponsoren wie Sportartikelhersteller oder Brauereien. Hauptsponsor Adidas beispielsweise steigerte seinen Gewinn 2006 um 26 Prozent auf über 480Millionen Euro. Im WM-Fieber gingen unzählige Merchandising-Artikel über die Ladentheke. Bitburger – einziger BierAnbieter in den WM-Stadien 2006 – verzeichnete während des «Sommermärchens» einen Absatzzuwachs von 2.6Prozent.
Die bevorstehende Weltmeisterschaft in Katar mit seinen 150 Milliarden Euro
Allein der Bau der sechs Fussball-Stadion in Katar soll mehr als drei Milliarden US-Dollar gekostet haben.
Das Stadion 974 hat eine Kapazität von 40’000Zuschauer:innen. Es ist das einzige Stadion, dass rückbaubar ist.
Aber warum führt ein Land im Mittleren Osten eine Fussball-Weltmeisterschaft durch? Das Zauberwort heisst Sportwashing. Dabei versuchen Länder, mit der Durchführung internationaler Sportveranstaltungen ihr Image aufzubessern. Bekannte Beispiele sind da auch China und Russland mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele. Auch Katar versucht, sich mit Sportwashing abseits von Öl- und Gasförderung Aufmerksamkeit und ein besseres Ansehen aufzubauen. Gleichzeitig sichert sich Katar so gegen seine übermächtigen Nachbarn und Konkurrenten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien, ab. Doch nicht nur im internationalen Fussball, sondern auch im Formel-1-Zirkus und in der Automobilbranche will sich Katar einen Namen machen – so kauften die Herrscher von Katar vor gut einem Jahr den Autosalon
Kosten fällt in dieser Betrachtung allerdings komplett aus der Rolle. Das Budget für die Fussball-Weltmeisterschaft in dem Golf-Emirat sprengt alle Dimensionen. Katar musste für die Grossveranstaltung eine völlig neue Infrastruktur errichten. Allein der Bau der acht neuen Fussballstadien verschlang Unsummen – fraglich ist, inwiefern diese Bauwerke im Anschluss genutzt werden können. Teilweise sollen die Stadien nach der WM zu Hotels umgebaut werden. Das Stadium 974 besteht aus 974 Schiffscontainern, wird als recycelbares Stadion nach der WM abgebaut und kann woanders neu errichtet werden. Für die finanziell gut gebetteten Herrscher von Katar spielen wirtschaftliche Überlegungen aber vermutlich kaum eine Rolle. Der Kleinstaat will sich als Gastgeber international Beachtung, Einfluss und Prestige erkaufen.
INTERNATIONALE KRITIK AN KATAR
Ob Katar das gelingt, bleibt fraglich. Bereits die Vergabe der WM an den arabischen Kleinstaat sorgte international für Aufsehen und die negativen Schlagzeilen im Vorfeld reissen nicht ab. So werfen Menschenrechtsorganisationen Katar nicht nur schlechte Arbeitsbedingungen für die rund zwei Millionen Gastarbeiter*innen vor, sondern auch ausbleibende Lohnzahlungen und eingezogene Pässe. Mehrere Tausend Gastarbeiter*innen sollen während der Bauphase ums Leben gekommen sein. Auch bei Frauenrechten und LGBTQ+-Rechten steht Katar international stark in der Kritik. Frauen dürfen zahlreiche Aktivitäten nur mit Erlaubnis eines Vormundes wahrnehmen, Homosexualität wird bestraft.
Genf und werden ihn im Herbst 2023 in Doha stattfinden lassen.
VON SPORTWASHING ZU GREENWASHING
Doch nicht nur Sportwashing steht im Fokus, auch Greenwashing spielt bei der diesjährigen WM eine grosse Rolle und sorgt zusätzlich für Kritik. So wissen viele Fans mit Tickets zum Beispiel immer noch nicht, wo sie übernachten sollen. 100’000Zimmer soll es laut WM-Organisationskomitee geben, darunter neben Hotels auch kreative Optionen wie Zeltlager und Kreuzfahrtschiffe. Doch gerade in der Gruppenphase, wenn alle 32Teams ihre Fans mitbringen, wird das Dreifache an Besuchern erwartet. Die Rede ist bereits von einer «Luftbrücke»: Fans sollen aus umliegenden Golfstaaten für die Spiele morgens nach Doha ein- und abends wieder ausfliegen. Bei geplanten 160 Pendelflügen am Tag macht das 3 520 Flüge mehr als ohnehin schon.
Nachhaltig, klimaneutral, eine WM der kurzen Wege – was bleibt von all diesen Versprechen? Das Thema «Greenwashing» wird uns weiter begleiten, auch angesichts der durch den Krieg in der Ukraine ausgelösten Energiekrise in Europa. Funfact: Der Energieverbrauch in einem voll klimatisierten Fussballstadion ist pro Spiel etwa so hoch wie in einer Kleinstadt mit bis zu 10’000Einwohnern.
DIE MILLIARDENPLÄNE DER FIFA
Richtig lohnend ist die Weltmeisterschaft vor allem für den Fussballweltverband FIFA. Der gemeinnützige Verein verdient mit der Grossveranstaltung Unsummen: Mit der WM 2014 in Brasilien machte die FIFA 2.6 Milliarden US-Dollar Gewinn. Im WM-Jahr 2018 hat die FIFA 1.75 Milliarden US-Dollar Gewinn gemacht. Kein Wunder versuchte der FIFA-Präsident Gianni Infantino im Herbst 2021, den Rhythmus der Weltmeisterschaften von vier auf zwei Jahre zu verkürzen. Die Mitgliedsverbände der FIFA wollte er mit Zusatzeinnahmen von 4.4 Milliarden USDollar ködern. Erst nach deutlichem Widerstand einiger Kontinentalverbände gab er seinen Plan auf.
Im Al Bayt-Stadion bei Al Khor, 35Kilometer nördlich von Doha, findet das WM-Eröffnungsspiel statt.
DIE FINANZLAGE DES SCHWEIZER PROFIFUSSBALLS
Im Vergleich zum internationalen Fussball spielt der Schweizer Fussball finanziell in einer anderen Liga. Ende April 2022 veröffentliche die Swiss Football League die Finanzzahlen ihrer Clubs von 2021. Fakt ist: Die Pandemie hat dem Schweizer Fussball ordentlich zugesetzt. Bei vielen Clubs
schmolz das Eigenkapital wie Eiscreme unter der Stadionsonne. Das Eigenkapital ist nach Lehrbuch der Restbetrag, der nach Abzug aller Schulden bleibt. Es ist das Geld, das noch auf dem Konto liegt, wenn sämtliche Rechnungen bezahlt sind. Ist bei einer Firma das Eigenkapital negativ, sind die Schulden höher als das Vermögen. Das Unternehmen müsste liquidiert werden. Das Geschäftsjahr 2021 endete für die einen Clubs am 30. Juni, für die anderen am 31. Dezember. Wer eine Lizenz für die Europacup-Wettbewerbe der Saison 2022/ 23 beantragt, ist reglementarisch verpflichtet, die letzten geprüften Finanzinformationen zu veröffentlichen. Das schreibt die Liga vor.
Der BSC Young Boys erwirtschaftete in seinem letzten Geschäftsjahr 75.5Millionen Franken, der FC Lugano dagegen nur 7.3Millionen Franken. Basel kommt auf 50.2Millionen Franken, der FC Zürich auf 21.3Millionen Franken. Der grosse Vorteil der Young Boys sind seine Einnahmen aus der Champions League von 32.2Millionen Franken. Auch beim Eigenkapital haben die Berner die Nase vorn und stehen mit 18.1Millionen Franken unverändert gut da. Beim anderen Liga-Krösus FC Basel schrumpfte das Eigenkapital auf 2.4 Millionen Franken, der Verlust der Basler beträgt rund 15.8 Millionen Franken. Beim FC Zürich beträgt das Eigenkapital noch 160’000 Franken – bei einem Gewinn von 56’000 Franken. Desaströs sieht die Bilanz beim FC Sion aus. Der Walliser Club weist einen Verlust von 3.1Millionen Franken aus. Noch schlimmer ist die Situation beim FC Lugano, der Tessiner Club fuhr in der vergangenen Fussballsaison einen Verlust von 6.2 Millionen Franken ein.