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Gewürze der Welt

Gewürze der Welt

Kaum ein Gewürz erfährt aktuell so viel Aufmerksamkeit wie Kurkuma. Obschon es von Natur aus eine prächtige Farbe besitzt, peppen Lebensmittelfälscher mangelhafte Ware mit Sudanfarbstoffen auf.

Safranfäden zu ernten ist eine Geduldsprobe. Keine hundert Gramm schafft ein Pflücker pro Tag. Entsprechend kostbar – und interessant für Fälscher – ist die Ware.

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Mit Strategie und dem richtigen Näschen: Lebensmittelfälschern auf der Spur

Keine Chance für Mogelpackungen

Lebensmittelfälschungen erhitzen die Volksseele wie kaum ein anderes Thema. Zu Recht, denn nichts kommt uns näher als das Essen, das wir uns tagtäglich einverleiben. Sogenanntes Food Fraud zu erkennen und auszusortieren, darauf sind die Labore der Gewürzindustrie spezialisiert. pfeffer hat sich umgehört.

Gewürze und Kräuter verzehren wir – verglichen mit Kaffee, Mehl und Olivenöl, die zu den meist gefälschten Nahrungsmitteln gehören – in eher kleinen Dosen. Aber genau diese sind kostbar: Viele Gewürze stammen aus exotischen Ländern, manche gedeihen nur im Wildwuchs oder werden an den entlegensten Winkeln dieser Erde in aufwendiger Handarbeit geerntet. Das macht sie zu einem wertvollen Schaffensfeld für Betrüger, die sie strecken und ersetzen, versetzen und falsch deklarieren wollen. Was gegen diese kriminelle Praxis ganz praktisch zu tun ist, lässt sich beim Hela Gewürzwerk in Schleswig-Holstein, das seit 115 Jahren Gewürze verarbeitet, anschaulich betrachten. Ob am Hamburger Hafen oder am heimischen Werkstor: Direkt bei der Warenannahme werden die ange lieferten Säcke und Paletten in ersten Augenschein genommen. Alles sauber, schädlingsfrei und intakt? Stichproben werden gezogen und wandern ins Waren -

Ist ein Gewürz getrocknet, zerkleinert oder pulverisiert, dann lässt sich das Auge leicht täuschen. Beispiel Oregano: Fällt die Ernte des beliebten Küchenkrauts schlecht aus, dann strecken ihn Fälscher mit zerkleinerten Olivenblättern. Ein klarer Fall von Food Fraud – und Betrug.

eingangslabor zu Ute Sasse. Sie ist Diplom-Ingenieurin für Lebensmitteltechnologie und leitet seit sieben Jahren die Hela-Qualitätskontrolle. In ihrem 14-köpfigen Team arbeiten Lebensmittelchemiker, Laboranten, Chemisch-, Medizinisch- und Biologisch-technische Assistenten. „Aussehen, Geruch und Geschmack checken wir bei jeder Charge“, erklärt sie. Alle weiteren Kategorien gibt ein Prüfplan vor. „Je nach Ware bestimmen wir den ätherischen Ölgehalt oder die Feuchte, die bei einem Zuviel Schimmelbildung ermöglichen würde.“ Auch mikrobiologische Untersuchungen sind hausintern möglich; wird es zu anspruchsvoll, gehen die Proben in ein externes Labor – etwa dann, wenn Rückstände von Pestiziden oder Schwermetallen zu analysieren sind. Entsprechen schließlich alle erhobenen Messdaten den Richt- und Warnwerten der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie, gibt Sasse grünes Licht: Die „Quarantänezeit“ ist vorüber und die Ware wandert weiter in die Produktion. Nur sehr selten kommt es vor, dass Sasse ihr Veto einlegen muss. „Zu unseren Lieferanten und Gewürzimporteuren pflegen wir langjährige Beziehungen und schätzen, dass auch deren Qualitätssicherung gut funktioniert“, erklärt sie. „Typische Fälle von Food Fraud laufen bei uns gar nicht erst auf.“ Trotzdem ist auf dem Markt einiges los: Chili-, Paprika- oder Kurkumapulver werden mit nicht deklarierten Sudanfarbstoffen aufgepeppt, gerebelter Oregano wird mit getrockneten Olivenbaumblättern verschnitten oder teurer Safran

Woher stammt dieser weiße Pfeffer? Regionalität spielt bei Lebensmitteln eine immer größere Rolle – und damit die Isotopenanalyse. Mit dieser Technologie, die gerade stark im Kommen ist, lässt sich die Herkunft von Gewürzen leicht nachweisen. „Einer unserer Kunden wirbt beispielsweise mit Pfeffer aus Vietnam“, erklärt die Lebensmittel-Technologin Ute Sasse, „dass unsere Ware tatsächlich aus diesem Anbau -

gebiet stammt, kann die Isotopenanalyse beweisen.“ durch Färberdistel ersetzt. „Für uns ist so etwas unvorstellbar“, Sasse schüttelt den Kopf. „Wir beziehen beispielsweise unseren Safran, ob als Rohware oder gemahlen, seit Jahren von einem Lieferanten und die Ware ist exzellent.“

Trotzdem gibt es Momente, in denen Sasse hellhörig wird. Etwa dann, wenn Schleuderpreise ausgerufen werden. „Aus eigenem Interesse überprüfen wir manchmal Gewürzproben, die unsere Kollegen von Kunden mitbringen.“ Sie berichtet von gemahlenem weißen Pfeffer, der nicht nur durch seine seltsame Farbe auffiel, sondern auch durch seinen CapsaicinGehalt. Dieser Wirkstoff macht den Chili scharf, nicht aber den Pfeffer – ein klarer Fall von Fälschung. Und Sasse erinnert sich an ein billiges Muskatnusspulver: „Es besaß nur halb so viel ätherisches Öl wie unsere Ware und damit auch nur die halbe Würzkraft. Seine pulvrige Konsistenz ließ vermuten, dass Schale mitverarbeitet wurde.“

Wer billig kauft, kauft eben zweimal – selten hat diese alte Kaufmannsweisheit besser gepasst. „Wobei“, so räumt Sasse ein, „bei allen Lebensmittelfälschungen gilt: Man kann nur das finden, wonach man auch sucht. Letztlich läuft das Labor den Fälschern immer ein wenig hinterher.“ Was dagegen hilft? „Lange Erfahrung und auch das richtige Näschen.“ i

Essbare Blüten und Blütenblätter

Kräuter und Co. aus dem Gewächsschrank

Da haben wir den Salat

Egal ob sie Urban, Indoor oder Vertical Farming heißen, sie alle wollen Lebensmittel dorthin bringen, wo sie konsumiert werden: in die Stadt, in den Supermarkt, in die eigene Küche. Gründe dafür gibt es viele. Gesunde Frische etwa, kurze Transportwege, geringer Wasserverbrauch, konstante Wachstumsverläufe – befreit von Wetter und Schädlingen. Auch deutsche Startups haben sich auf den Weg zum Verbraucher gemacht.

Er sieht aus wie ein verglaster Kühlschrank, illuminiert von violettem Kunstlicht, eingebaut in die Kochinsel einer nicht ganz billigen Designerküche. Die Rede ist vom Plantcube, ein Indoor-Gewächsschrank, den das Münchner Start-up Agrilution entwickelt hat. In dem „Smart-Home-Gemüsegarten“ wachsen die Pflanzen auf übereinanderliegenden Etagen: Salate, Kräuter, aromastarke Keimlinge von Karotten oder Radieschen. Eine App verrät, wann es an der Zeit ist, zu ernten oder die nächste Saatmatte einzulegen.

Biologisches Vorwissen oder einen grünen Daumen brauchen die In-den-eigenen-vier-Wänden-Gärtner nicht. Die Pflanzenversorgung mit Wasser und Nährstoffen geschieht vollautomatisch. Energiearme LEDs ersetzen das Sonnenlicht und besitzen ein ausgeklügeltes „Lichtrezept“: Je nach Zusammensetzung verändern sich die pflanzlichen Inhaltsstoffe und damit der Geschmack. Das richtige Licht gilt als zentrales Thema des Vertical Farmings und so kooperiert –neben dem Küchen- und Haushaltsgerätehersteller Miele – auch der Leuchtenhersteller Osram bereits mit Agrilution. Auch neoFarms, ein Start-up aus Hannover, zielt auf ernährungs- und designbewusste Großstädter, wahlweise auch auf stylische Restaurants, die in vollautomatisierten Gewächsschränken eigene Lebensmittel anbauen möchten. Preisgünstig ist diese Form der Selbstversorgung freilich nicht: Knapp 3.000 Euro kostet beispielsweise der Plantcube. In Centbeträgen kalkuliert dagegen das Berliner Unternehmen Infarm. Bis Jahresende will es zwölf Aldi Süd-Filialen mit verglasten, zwei Quadratmeter großen Gewächsschränken bestücken. In jedem von ihnen sollen pro Jahr 8.000 frische Kräuter wachsen: Minze, Basilikum, Koriander, Schnittlauch und andere. 99 Cent kosten sie im Verkauf.

Indoor Farming kann also auch Discounter. Zumal Infarm 300 weitere Aldi-Filialen in Kürze mit erntefrischen Kräutern versorgen will, die nicht im Geschäft, wohl aber in nah gelegenen Growing Centern gedeihen. Dabei benötigt die einzelne Pflanze, so Unternehmensangaben, 99,5 Prozent weniger Platz als in der konventionellen Landwirtschaft, verbraucht 95 Prozent weniger Wasser und verkürzt die Transportwege um 90 Prozent. i

Neben Aldi Süd versuchen sich auch Metro und Edeka mit smart angebauten Infarm-Kräutern.

In den Gewächsschränken gedeihen neben Basilikum auch Minze, Koriander oder Schnittlauch.

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