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Im Gespräch
from Ausgabe-01-2021
Essbare Blüten und Blütenblätter Futter für Hirnaktivisten
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Mit der Corona-Pandemie sind sie bei uns zu Hause eingezogen: Homeoffice und Homeschooling. Doch vielen Menschen fehlt die gewohnte Arbeits atmosphäre, sie können sich schlechter konzentrieren, fühlen sich einsam oder sind gedrückter Stimmung. Was lässt sich dagegen tun? Richtig gut essen, meint Prof. Dr. Christof Kessler. Der Neurologe hilft unserem Hirn auf die Sprünge.
Können wir unser Gehirn mit einer bestimmten Ernährung leistungsfähig halten? „Gewiss. Die Nervenzellen unseres Hirns kommunizieren über Synapsen miteinander. Sie transportieren mithilfe von Botenstoffen Informationen. Diese Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, bestehen meist aus Eiweißmolekülen, die wir über unsere Ernährung aufnehmen. Wir können also sehr gut selbst beeinflussen, wie gut unsere Neurotransmitterdepots und damit unsere Gehirnfunktionen versorgt sind.“
Vielen Menschen fällt es schwer, längere Zeit konzentriert zu arbeiten. Was lässt sich tun? „Wir sprachen bereits über Neurotransmitter, Acetylcholin ist so ein Botenstoff. Er stärkt unsere kognitive Leistung und wird beispielsweise bei AlzheimerDemenz zur Mangelware. Damit die Hirnzellen Acetylcholin bilden können, benötigen sie eine Vorstufe: das Cholin. Es kommt vor allem in Eiern vor, aber auch in Sojabohnen, in Schweinefleisch und Weizenkleie. Eine Studie mit kalifornischen Studenten hat gezeigt, dass sie nach der Einnahme von Cholin Lernaufgaben, die sie 90 Minuten später absolvieren mussten, besser bewältigen konnten. Das ist doch enorm, nicht wahr?“
Wie sieht eine „clevere“ Ernährung aus? „Ich empfehle die MIND-Diät, sie ist eine Weiterentwicklung der mediterranen Ernährungsweise. Dazu gehören täglich Gemüse, besonders Blattgemüse wie Spinat und Kohl, Vollkornprodukte, Obst, vor allem Beeren, Olivenöl und Nüsse. Gerade Cashewkerne tun dem Gehirn gut. Mehrmals in der Woche sollte es Hülsenfrüchte geben, zweimal Geflügel und einmal Fisch. Greifen Sie zu fetten Sorten wie Lachs oder Makrele, sie besitzen eine hohe Konzentration an Omega3-Fettsäure, die nicht nur unsere Hirntätigkeit fördert, sondern auch unserer Stimmung bekommt: Die Produktion von Dopamin und Serotonin, beide sind als Glückshormone bekannt, steigt an.“
Was bewirkt die MIND-Diät im Körper? „Neben vielen Vitaminen und Ballaststoffen versorgt sie uns mit wertvollen Antioxidantien. Diese Radikalfänger beschützen die Hirnzellen und vermindern Entzündungsprozesse. Letzteres beugt beispielsweise leichten kogni tiven Einschränkungen vor, die sich in Gedächtnis- oder Wortfindungsstörungen äußern können. Mehrere Studien belegen eindeutig, dass die MIND-Diät das Risiko senkt, an einer Demenz zu erkranken. Demnach bleiben Menschen, die sich nach ihr ernähren, durchschnittlich sieben Jahre länger geistig gesund als andere.“
Einige Menschen, die daheim arbeiten, leiden an Einsamkeitsgefühlen oder depressiven Verstimmungen. Hilft auch ihnen eine spezielle Ernährung? „Hier gilt es vor allem, Fehler zu vermeiden und damit jede Form von Fast- und Junkfood. Es bewirkt das genaue Gegenteil von all dem, was wir soeben besprochen haben. Nehmen wir nur das Beispiel der künstlich hergestellten Transfette, in denen beispielsweise Chips frittiert werden. Sie schaden dem Hirn und machen nachweislich depressiv.“
Welche Nahrungsmittel machen froh? „Für unsere gute Laune ist auch ein Neurotransmitter verantwortlich: Serotonin. Serotonin dämpft zu dem Ängste, Panikgefühle und nachweislich Aggression. Damit das Hirn Sero tonin herstellen kann, benötigt es Tryptophan aus unserer Nahrung. Die Aminosäure ist in Nüssen enthalten, aber auch in Fisch, Rindfleisch, Quark und dunkler Schokolade.“ Damit ist Schokolade erlaubt, ein Glücksfall! „Ein Stückchen Schokolade, die mindestens 70 Prozent Kakao enthält, lässt das Glückszentrum in unserem Hirn aufleuchten. Wer aber gleich eine halbe Tafel verspeist, bei dem sorgt der viele Zucker für Unwohlsein. Jeder wird das wohl schon mal am eigenen Leib erlebt haben. Depression korreliert mit hohem Zuckerkonsum, eine amerikanische Studie hat das eindeutig belegt. Außerdem aktiviert industriell hergestellter Zucker das Suchtzentrum in unserem Hirn, welches zum gleichen System gehört wie das Glückszentrum und im Hirnstamm lokalisiert ist.“
Wie sieht es mit natürlichen Zuckerarten aus? „Grundsätzlich braucht das Gehirn, damit es arbeiten kann, kontinuierlich neue Energie aus Kohlenhydraten – und damit Zucker. Die natürliche Lactose der Milch oder Fructose, die zusammen mit reichlich Ballaststoffen in Obst enthalten ist, muss der Körper zunächst umwandeln. Das geschieht behutsam. Es kommt zu keinen Kicks, die süchtig machen, zu keinem abrupten Auf und Ab in der Energieversorgung. Denn das mag unser Hirn gar nicht.“ i
Was kommt eigentlich beim Profi auf den Tisch? Prof. Dr. Christof Kessler liebt sein Frühstücksei, selbstgemachtes Vollkornmüsli mit Beeren, Smoothies, frischen Fisch und die mediterrane Küche. Bis 2016 hatte Kessler den Lehrstuhl für Neurologie am Universitätsklinikum Greifswald inne, heute ist er in eigener Praxis tätig. Der Neurologe verfasste mehrere populärwissenschaftliche Bücher, zuletzt „Essen für den Kopf“ (Südwest Verlag), das eine Vielzahl von hirngesunden Rezepten enthält.