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Reinhold Stoll: In Form

In Form

Reinhold Stoll bewegt sich in zwei Welten. Wer ihn an seinem Arbeitsplatz in Taisten besucht, kann beide erleben. Da ist die Werkstatt, in der er aus Holz das schafft, was man von einem Tischler kennt: Küchen, Wohnzimmermöbel, Tische, Stühle. Im Raum oberhalb der Werkstatt ist es, als schlendere man durch eine Galerie, in der ganz ungewöhnliche Stücke ausgestellt sind. Gemeinsam ist den beiden Bereichen der verwendete Rohstoff: Holz. Diesen Rohstoff kennt Stoll in- und auswendig, er beherrscht den Umgang damit so gut, dass er für seine Handwerkskunst mehrfach ausgezeichnet wurde. Zuletzt erhielt er für einen Tisch den Bayerischen Staatspreis für Gestaltung. Ein Ritterschlag. Was Holz ihm bedeutet und warum er sich auf einem lebenslangen Lernprozess befindet, erzählt Stoll im Interview.

PZ: Herr Stoll, was sind Sie? Tischler oder Designer?

Reinhold Stoll: Ich habe zwei Seelen. Ich mache ganz klassische Tischlerarbeiten wie Küchen, Wohnzimmer oder Möbel. Und dann sind da die freien Arbeiten. Die Vorgehensweise ist anders. Bei den Tischlerarbeiten trete ich in Dialog mit der Kundschaft, höre mir die Wünsche an und versuche, sie in Form zu bringen. Das Ziel ist, einen Mehrwert zu schaffen im Sinne eines positiven Raum- und Wohngefühls. Bei den freien Arbeiten stelle ich mir die Aufgabe selbst. Sie sind frei von Zweck und Maßvorgaben, müssen also keinen Ansprüchen anderer gerecht werden. Und trotzdem ist alles miteinander in Verbindung. Aus der Beschäftigung mit freien Arbeiten schöpfe ich Details und neue Formen, die dann wiederum in die normale Arbeit mit einfließen.

Ihre Ausbildung zum Tischler hat Sie bis nach Deutschland geführt. Ein ungewöhnlicher Weg?

Ich denke, es gibt Zufälle im Leben. Entweder man ergreift die Chance oder nicht. Nach meiner Lehre arbeitete ich bei einem Tischler in München. Ich bin dorthin, weil ich in der Stadt die Möglichkeit hatte, auf Reinhold Stoll, Jahrgang 1958, wächst in Taisten auf. Nach abgeschlossener Tischlerlehre arbeitet er in einem Tischlereibetrieb in München und besucht im Anschluss die Meisterschule für Schreiner in Garmisch-Partenkirchen. 1984 er-

Rockkonzerte zu gehen: Led Zeppelin, Genesis, The Who. Es ging mir nicht nur um Musik, die Arbeit war mir immer wichtig. öffnet er zusammen mit seinem Bruder Alfred eine eigene Tischlerwerkstatt in Taisten. Weil er noch mehr über Form und Gestaltung lernen will, absolviert er von 1994 bis 1996 die Fachakademie für Holz- und Raumgestaltung in GarmischPartenkirchen. Seinen Beruf als Tischler übt er mit zwei ganz unterschiedlichen Ansätzen aus. Zum einen schafft er normale Lösungen, mit denen er die Wünsche seiner Kunden in Holzmöbel übersetzt. Und dann sind da die freien Arbeiten, also Aufgaben, die er sich selbst stellt und die in ihrer Konstruktion und Optik an künstlerische Designobjekte erinnern. Verschiedene Ausstellungen (unter anderem auf der Internationalen Handwerksmesse in München oder beim fuorisalone in Mailand) und Auszeichnungen (2022 erhält er den Bayerischen Staatspreis für Gestaltung) begleiten seinen Weg als Tischler und Designer.

www.reinhold-stoll.it

In der Tischlerei haben wir mit Massivholz gearbeitet und ganz normale, solide Bauernmöbel gemacht. Massivholz ist mei-

Ausdrucksstark: Seit Jahrzehnten setzt sich der Tischler mit der Fuge auseinander. Auch für dieses Möbel ist die Fuge Ausgangspunkt der Gestaltung.

Ausgedacht: Ein weiteres Beispiel der freien Arbeiten, die frei von Zweck und Maßvorgaben sind.

ne Leidenschaft, damit bin ich aufgewachsen. Mein Chef, der mich gefördert hat, meinte dann: Reinhold, du musst auf die Meisterschule gehen. Nach meiner Bewerbung in Garmisch haben sie mich gleich genommen. Die Zeit an der renommierten Schule hat mich geprägt. Hier habe ich zum ersten Mal andere Hölzer kennengelernt. Wie sagt man so schön? Das hat mich „geschnaggelt“, mir also eine neue Welt eröffnet.

Ausgezeichnet: Für diesen Tisch mit konkaven und konvexen Formen, erhält Reinhold Stoll 2022 den Bayerischen Staatspreis für Gestaltung.

Haben Sie sich weiterentwickelt?

Ja. Es hat mich reifen lassen und mir Sicherheit gegeben, wie ich mit Gestaltung umgehe. Es ist wie eine Art Werkzeug, auf das ich zurückgreifen kann. Das heißt nicht, dass alles leichter wird. Auch der persönliche Anspruch hat sich mit der Zeit gesteigert.

Was bedeutet Ihnen der Rohstoff Holz?

Ich beschäftige mich mein ganzes Leben damit, vor allem mit Massivholz. Dadurch habe ich eine gewisse Kenntnis und Sichtweise erlangt. Das geübte Arbeiten mit den Händen erlaubt mir, auch in komplexe Formen und Ausdruck vorzudringen. So erreicht man eine gewisse Sprache über die Gestaltung. Diese trage ich in die Öffentlichkeit, sichtbar durch Form und schaffe wiederum ein gewisses Erkennungmerkmal und Eigenständigkeit. Für mich ist Holz mehr als ein Werkstoff. Er verbindet Zeit und Raum, ist lebendig. >>

Die neue Welt bestand auch darin, den Dingen Form zu geben?

Dort habe ich verstanden: Die moderne Form entspricht mir. Und dass ich ein gewisses Gespür für Form und Konstruktion habe. Es war ein Stück weit wie eine Erweckung. Mir kam vor, es ist das Höchste, was mir in meinem Handwerk passieren kann. An diesem Punkt jetzt weiterzuarbeiten, das kennenzulernen. An der Meisterschule gibt es mehrere Studiengänge: für Schreiner und Bildhauer, dann die Meisterschule und die Fachakademie für Holz und Raumgestaltung. Da siehst du einen Haufen Leute, die alle Holz im Kopf haben. Ich habe ständig mit anderen Schülerinnen und Schülern kommuniziert und viel gelernt. Das war ein Umfeld, das sehr viel gefördert hat. Danach habe ich mich mit meinem Bruder Alfred, Tischler wie ich, selbstständig gemacht.

Sie haben zehn Jahre als Tischler gearbeitet und sind dann noch einmal aufgebrochen. Warum?

Das Ziel war immer, eine gute Form erkennbar zu machen. Aber das ist nicht so einfach. Denn du brauchst Sicherheit in der Gestaltung. Es ist ein Lernprozess. Das handwerkliche Können war da, aber in der Gestaltung hat noch etwas gefehlt. Da habe ich beschlossen, zehn Jahre nach Abschluss an der Meisterschule in Garmisch die Fachakademie für Holz- und Raumgestaltung zu besuchen.

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Bei seinen freien Arbeiten interessiert Reinhold Stoll die puristische Form – die Gestaltung so weit zu reduzieren, bis man nichts mehr weglassen kann und damit noch einen Ausdruck zu schaffen wie bei diesem Präsentationstisch mit drei ovalen Schalen, der Zelle aus gestampftem Beton oder der Holztruhe (v.l.).

Du kannst ihn nicht einsetzen wie Metall oder Plattenmaterial, du musst dem Material folgen, gewisse konstruktive Gesetze einhalten, damit es sich nicht verzieht. Das Hintergrundwissen kannst du nicht in ein paar Jahren lernen. Diese Langsamkeit passt zum Rohstoff – der Baum braucht ja auch seine Zeit, um zu wachsen.

Wenn Sie sagen, Sie beschäftigen sich ein Leben lang mit Holz…

… dann heißt das, es fing schon in der Kindheit an. Mein Vater war Tischler und wir halfen früh in der Werkstatt mit. Viele Spielsachen haben wir selbst gebaut, zum Beispiel Kisten oder die Rennböcklan. Mittwochs hat mein Vater immer Kisten von Hand gestemmt, dieses Geräusch höre ich heute noch ganz lebendig in mir. Das sind Ureindrücke, die bleiben. Werkstätten und ihre Akustik faszinieren mich. In ihnen steckt ein unglaubliches Wissen.

Lösen Sie mit Ihren freien Projekten die schwierigen Fragen des Tischlerhandwerks?

Es sind nicht die schwierigen Fragen, es sind die spannenden. Ich beschäftige mich andauernd mit Form, das ist ein Kontinuum. Eine Idee entsteht nicht nur in fünf Minuten, sie wächst über lange Zeit. Das Wichtigste ist das Sehen, mich inspiriert alles, die Musik, das Theater, Museen, die Natur, die Kunst, man muss nur offen, aufmerksam und spontan sein und alle Eindrücke einsaugen und Verbindungen zur eigenen Arbeit schaffen.

Sie setzen sich seit Jahrzehnten ganz intensiv mit der Fuge auseinander. Was reizt Sie daran?

In der Werkstattauseinandersetzung nimmt die Fuge als Gestaltungs- und Konstruktionsmerkmal eine fundamentale Rolle ein. Schattenfugen, Lagerfugen, Achsfugen, Farbstöße sind nur ein paar Beispiele. Die Fuge drückt alle für die Entstehung eines Raumkörpers beinhaltenden Fragen und Zusammenhänge aus. Für mich persönlich hat sie zudem eine Bedeutung als mein Abschlussprojekt an der Fachakademie, das ich später dann auch für eine Ausstellung im Ragenhaus umgesetzt habe

Das klingt nach Kunst.

Die Grundlage ist immer mein Handwerk. Kunst interessiert mich, aber meine Stärke liegt ganz klar in der Konstruktion und im richtigen Zusammenfügen von Teilen. Dann sind wir auch schon wieder bei der Fuge. Im Grunde kreist alles um ein Zusammenfügen von Teilen.

Ein schönes Projekt, das im Ausstellungsraum über der Tischlerei zu sehen ist, stammt von Ihrem Bruder Alfred. Er hat den klassischen Tiroler

Stuhl neu interpretiert. Gibt es Reibung, wenn zwei Brüder unter einem

Dach arbeiten?

Natürlich, im positiven Sinn. Alfred hat bei diesem Projekt versucht, den traditionellen Tiroler Stuhl in eine zeitgemäße Form zu bringen. Sein Ansatz war, die Teile nicht mit normalen Maschinen, sondern komplett an der Drechselbank zu machen. Die Auseinandersetzung mit unseren unterschiedlichen Sichtweisen – er ist radikaler als ich –ist äußerst spannend. Wir tauschen uns aus, wir ergänzen uns, es ist sehr fruchtbar.

Für das Werkstück „Tisch mit konkaven und konvexen Formen” sind Sie mit dem Bayerischen Staatspreis für

Gestaltung ausgezeichnet worden. Wie kam die Idee zur Umsetzung?

Das ist wieder eine meiner selbst gestellten Aufgaben. Ausgangspunkt ist der Rahmen, also etwas, mit dem ich mich in der Werkstatt ständig beschäftige. Ein Rahmen fokussiert Raum. Konkave und konvexe Form in einem Gebilde zu vereinen, war an diesem Objekt meine Aufgabe. An vier gleichen Seiten in Leistenform habe ich gleich große Schalen herausgearbeitet, die sich nur durch ihre Anordnung unterscheiden. Die Seiten habe ich zu einem Rahmen zusammengefügt, so entsteht ein freies Gebilde, das von allen Seiten eine andere Sicht freigibt. Die Schalen bzw. Beulen scheinen im Innenraum zu schweben und erzeugen einen gewissen sphärischen Eindruck. Durch das Auftrennen der Seiten entsteht ein Licht- und Schattenspiel, das Innenraum, Außenraum und umgebenden Raum verbindet. Das schlichte Weiß der Oberfläche habe ich gewählt, um die reine Form zu unterstützen und nicht abzulenken. Mir gefällt der Solitär frei in den Raum gestellt. Das schafft neue Raumsituationen und verändert sie, es steigert die Präsenz im Raum, erzeugt Stimmungen und begibt den Betrachter in einen eigenen Zustand.

Wie lange dauert es, bis so ein Stück entsteht?

Es entsteht alles im Kopf. Das ist meine Grundlage, nach der ich es zeichne und dann auch ausführe. Dann ändere ich fast nichts mehr. Das Interessante ist: Eigentlich hatte ich mich mit einem weniger radikalen Tisch mit fließenden Formen beworben. Vor Ort habe ich beide Tische ausgestellt. Ein Jurymitglied sagte dann, dass sie sich für das weiße Modell entschieden haben, weil es die radikalere Form ist, ein Möbel zu denken. Das hat mich besonders gefreut, denn ich hätte es nicht gewagt, mich damit zu bewerben, weil es eben sehr weit weg ist von einem Möbel. Das kann für den Betrachter durchaus befremdlich sein. Eben weil diese Arbeiten frei von einem Zweck sind, kann ich dadurch Formen sichtbar machen und die gewonnenen Details dann auch für andere Projekte verwenden.

Das klingt nach einer Gratwanderung.

In der Tat. Wer oben ist, kann runterfallen, aber es ist sehr schön dort.

Auf Ihrer Homepage steht, Ihre Arbeit sei ein steter Lernprozess. Was haben

Sie erst vor Kurzem neu dazugelernt?

Ich bin gelassener geworden. Die Arbeit wird nicht leichter, aber ich habe mehr Sicherheit gewonnen. Überhaupt: Mein Arbeitsleben habe ich mir so eingerichtet, dass mir meine Arbeit unglaublich viel Freude macht. Mehr als am Anfang. Das kommt auch durch die freien Arbeiten. Nun arbeite ich seit bald 50 Jahren und möchte das noch lange tun. Freie Arbeiten sind mein Ding. Mich interessiert die reduzierte puristische Form. Etwas so weit zu reduzieren, dass man nichts mehr weglassen kann und damit doch noch einen Ausdruck zu schaffen. Das ist mein Ziel.

KIENS DER EUROPÄISCHE GEIST

Die beiden Delegationen aus Kiens und Weitenstadt beim gemeinsamen Gruppenfoto.

Bereits seit 60 Jahren sind die Gemeinden Kiens und Weiterstadt (Hessen) freundschaftlich verbunden und nach wie vor wird der Geist der europäischen Zusammenarbeit weitergetragen. Der Einladung aus der bundesdeutschen Partnergemeinde folgte eine Delegation des Unterpusterer Gemeinderates samt Bürgermeister Andreas Falkensteiner dementsprechend gern. Für einige der jüngeren Gemeinderatsmitglieder war es das erste Gastspiel in der zwischen Frankfurt und Darmstadt liegenden Stadt.

Ein Besuch der modernen Feuerwehrstation, der Sammlung des örtlichen Heimatvereins, des Schlosses Braunshardt, sowie dem logistisch spannend arbeitenden Spargel- und Erdbeerhof Meinhardt waren demnach Pflicht. Umfangreich wurden auch Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Herausforderungen der zwei Gemeinden in herzlicher und freundschaftlicher Atmosphäre thematisiert. Eine Einladung zu einem baldigen Wiedersehn in Kiens wurde natürlich auch ausgesprochen.

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