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Bibliothek Toblach: Der Mensch im Mittelpunkt

BIBLIOTHEK HANS GLAUBER IN TOBLACH Der Mensch im Mittelpunkt

Bibliotheken können sehr viel zum Wohlergehen des Menschen beitragen. Sie bieten ihren Nutzerinnen und Nutzer eine ganze Reihe an Möglichkeiten und kleinen Hilfestellungen, um ihren Lebensalltag positiv zu bewältigen und die Lebenskompetenz zu stärken, egal ob im privat-persönlichen oder schulisch-beruflichen Bereich, ob über Medien, Informationen, Veranstaltungen, Gespräche und interaktive Instanzen. Die Bibliothek Hans Glauber orientiert sich in ihrer Arbeit zunehmend am Menschen und nimmt ihn nicht nur als Nutzer, sondern vielmehr als Mit-Gestalter einer lebendigen Bibliothek wahr.

MÖGLICHKEITEN ERÖFFNEN

In diesem Sinne sind von den rund 1.000 im Jahr 2021 zugegangenen Medien eine Vielzahl auf Vorschlag von Bibliotheksbesucherinnen und -besucher angekauft worden. Den Besuchern steht eine Auswahl von insgesamt 12.200 Titeln zur Verfügung, in denen sie Unterhaltung und Sinn, Wissen und Impuls – angepasst an die jeweiligen Bedürfnisse und jeweilige Lebenssituation - finden können. Die rund 23.000 Entlehnungen und 18.000 Bibliotheksbesuche, die im Jahr 2021 getätigt wurden, waren im Grunde nichts Anderes als kleine Schnittstellen zwischen Menschen und dem geistigen, sozialen und kulturellen Inventar der Bibliothek; Schnittstellen, an denen sich Möglichkeiten eröffneten und jede*r für sich einen kleinen Schritt in der eigenen Entwicklung weiterge-

Ein Bienen-Schaukasten beim Pflanzen-Marktl kam überaus gut an.

hen, sich gleichzeitig aber auch in das Bibliotheksgeschehen einbringen konnte.

ZUKUNFT NEU DENKEN

An die 70 Veranstaltungen sowie über 100 Initiativen für Kindergarten und Schule gaben 2021 Anlass und Inspiration für Reflektion und lebenslanges Lernen, für Beteiligung an gesellschaftlichen Prozessen und Entfaltung der Kreativität. Den optimalen Einstieg dazu bildete ein Zoom-Vortrag mit Manfred Schweigkofler zu Beginn des Jahres. Er referierte über sogenannte Future Skills, also Kompetenzen die in einer unbeständigen Welt für die Gestaltung der Zukunft und die nachhaltige Entwicklung auf verschiedensten Ebenen von enorm großer Wichtigkeit sind. Kommunikation, Ko-Operation und Ko-Kreation, Flexibilität und Ausrichtung auf Ziele, die das Wohl von Mensch und Natur gleichermaßen im Blickfeld haben, zeichnen schon seit einiger Zeit einen neuen Trend ab. Das Wir und die zusammenwirkende kognitive und emotionale Intelligenz vieler Einzelner bringen eine gesamtheitliche und ganzheitliche Entwicklung voran, die wiederum dem Einzelnen und der Gesamtheit nutzt. Entsprechend werden Wohlstand und Fortschritt nicht nur nach materiellen Maßstäben, sondern auch in Qualitäten wie zeitlicher Verfügbarkeit, ökologischem Gleichgewicht und potentieller Sinnstiftung gemessen. Ganz in diesem Lichte kann die weitere Ausrichtung der Tätigkeit im Jahr 2021 gesehen werden.

POTENTIALE AKTIVIEREN

In Vorträgen und Kreisgesprächen mit fachkundigen Personen und dem Südtiroler Netzwerk für Nachhaltigkeit wurde gemeinsam darüber nachgedacht, was in Sachen Nachhaltigkeit unter den Nägeln brennt und welche Lösungsansätze jede*r verfolgt. Mit Repair Café, Kleidertauschparty und Pflanzen-Marktl sowie zahlreichen UpcyclingWorkshops für Kinder gab es jede Menge Gelegenheiten, selbst aktiv zu werden. Aber auch die Informationsabende zu nachhaltigen Geldanlagen und naturnahem Bauen waren durch und durch praxisorientiert. Helle Jensen, Shima Pootstchi, Doris Daurer, Vera Trebo und Manfred Faden gaben wichtige Impulse für die Beziehungs- und Erziehungskultur in Familie und Schule, fundamentale Bausteine unserer Gesellschaft. Bei verschiedenen Workshops wie

Immer wieder wird instandgehalten, repariert und gewartet.

Die bekannten Kreisgespräche zur UN-Agenda 2030. Das Repair-Cafè als ein Ort des sozialen Lernens.

Bei der Ausstellung „Hauthunger“ wurden künstlerische Impulse gesetzt.

etwa Bogenbasteln und Pecklbauen stand dann die Vaterkind-Beziehung ganz im Mittelpunkt. Die Einladung zu Einzelterminen ermöglichte darüber hinaus intensive VaterKind-Erlebnisse. Beziehungs- und Begeisterungskompetenz wurden gefördert, Potentiale aktiviert.

GEMEINSAM GESTALTEN

Begeisterung kam auch beim „Malen im Schnee“ auf. Schüler*innen der Mittelschule verwandelten den Schneeteppich auf der Terrasse der Bibliothek in eine farbenfrohe Kulisse. Ein etwas komplexeres MitmachProjekt realisierte die Bibliothek mit der Gestaltung einer Agenda unter dem Schlagwort „Book Appeal“. Als Hommage an das Buch gedacht, wurden Freiwillige von einem professionellen Foto-Team beim Lesen abgelichtet und mit dem Bildmaterial dann eine Agenda gestaltet, die wiederum den Besucherinnen und Besuchern der Bibliothek zur Verfügung gestellt wurde. Auch das Erscheinungsbild der Bibliothek wandelte sich durch den freiwilligen Einsatz von Gestalterinnen und Gestaltern, wie die Bibliothek ihre gelegentlichen Mitarbeitenden zu nennen pflegt. So brachten sich im Laufe des Jahres mehrere Personen mit ihrer Kreativität ein und entwickelten dekorative Rauminstallationen. Darüber hinaus bereicherten Ausstellungen von verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern die Innenräume der Bibliothek. Praktikantinnen und Praktikanten sammelten dabei Erfahrungen und generierten ihre eigenen Ideen. Im Zusammenarbeiten und Zusammenwirken von und mit Bürgerinnen sowie Bürgern, Vereinen, Schulen und Partnern konnten nicht nur viele Vorhaben umgesetzt werden, sondern es fand auch ganz viel menschlicher Austausch statt. Gerade diese vielen menschlichen Begegnungen setzten neue Ideen frei, schufen Teilhabe, Zusammenhalt und ein gutes Lebensgefühl.

MENSCHEN BERÜHREN

Im Jahr 2022 möchte die Bibliothek an diese Werte anknüpfen und wiederum viele Impulse für einen achtsamen Umgang mit Mensch und Planet setzen. Von Inspirationsgesprächen zu den 17 Zielen der UN-Agenda bis zu Umwelt-Workshops, von der Orientierung an starken Frauen wie Pippi Langstrumpf und Dacia Maraini bis zur Vermittlung der Future Skills zielt die Bibliothek wieder darauf ab, den Menschen direkt zu berühren und als Baustein einer lebendigen Bibliothek in ihre Aktivitäten einzubinden.

// es

Tel.: 0472 86 90 29 www.gruber-steinmetz.it

WIE DER AFFE AUF DEM SCHLEIFSTEIN WENN DIE KATZ AUS DEM HAUS IST, Hinter dieser bildhaften Wendung aus dem Mittelalter steckt TANZEN DIE MÄUSE AUF DEM TISCH ein gutes Quantum boshafter Ironie. Wie kommt man sonst auf (In Südtirol: Wenn die Katze aus dem Haus die Idee, einen Schleifstein mit einem Affen in Verbindung zu bringen? ist, haben die Mäuse Kirchtag.)

Damals zogen Scheren- und Messerschleifer durch die Ortschaften und fanden sich auf Kirmesfesten und Märkten ein. Manchmal hatte einer ein Äffchen dabei, das am Schleifstein auf und nieder hüpfte, Grimassen schnitt und nicht selten Leute beklaute. Das spöttisch-kritische Bild beruht darauf, dass Äffchen eben nicht ruhig auf dem Schleifstein sitzen und zuschauen. Kleine Gattungen, z.B. Kapuziner oder Lemuren, sind pausenlos in Bewegung, flitzen und hüpfen herum und spielen gern auch Menschen Streiche. Der „Affe auf dem Schleifstein“ hat also die Bedeutung von Am-falschen-Ort-Sein und Nicht-Wissen, was man dort soll. Das boshafte Bild bezieht sich auf Personen, die sich an einem Ort oder auf einem Platz befinden, wo sie ganz und gar nicht hinpassen und lächerlich wirken. // mb

In dieser Redensart spiegelt sich der unablässige Konflikt zwischen sozialen Schichten auf fröhliche Art und Weise. Kein Herr des Hauses, kein Vorgesetzter, kein Regierender, egal ob männlich oder weiblich, kann allgegenwärtig sein. Während seiner oder ihrer Abwesenheit erfreuen sich die Untergebenen und Unterlegenen ihrer Freiheit und nutzen sie aus. Das Bild von den Mäusen auf dem Tisch eignet sich hierfür hervorragend: Die Katze kann die Mäuse fressen, aber nicht umgekehrt. Ist die Katze aber nicht da, verbünden sich die Unterlegenen gegen sie und freuen sich über jeden noch so kleinen Sieg. Unerlaubte Freiheiten gehören zur Rache des kleinen Mannes. // mb

Kinder und digitale Medien

“Ich spiele lieber drinnen, weil da die ganzen Steckdosen sind.”

Richard Louv – Journalist und Umweltaktivist in den USA – zitiert mit diesem Satz einen Viertklässler in seinem Bestseller “Das letzte Kind im Wald?”. Und tatsächlich: Kinder spielen heute seltener und kürzer draußen als noch vor wenigen Jahrzehnten. Ihr Bewegungsradius ist begrenzt und ihre Erfahrungen in und mit der Natur sind stärker zurück gegangen. Dafür ist die Zeit, die sie schweigend vor Fernseher, Computer und Smartphone verbringen sehr viel mehr geworden. Was aber brauchen Kinder für eine gesunde Entwicklung? Und was ist dran an der Behauptung, Kinder müssen möglichst früh mit digitalen Medien vertraut gemacht werden, wenn sie keine Zukunftschancen verpassen sollen? Kinder brauchen echte Sinneserlebnisse, um in die Welt hinein wachsen zu können. Unmittelbare menschliche Beziehungen, Begegnungen mit allem, was lebendig ist und ihre Sinne anspricht, Aktivitäten in der Natur, ausreichend Bewegung und unstrukturiertes, freies Spiel regen die kindliche Entwicklung an. Kinder können sich die Welt nicht vor dem Bildschirm aneignen, sondern müssen sie auf eigene Faust erforschen. Denn das, was auf dem Monitor stattfindet, ist vorgefertigt und eindimensional. Man kann es nicht anfassen, nicht schmecken, nicht riechen, nicht ertasten. Das stellvertretende Leben in Filmen und Computeranimationen kann niemals die Vielfalt der echten Erfahrungen der Kindheit ersetzen. Aber genau das, nämlich den Austausch mit dem wirklichen Leben brauchen Kinder, um sich gesund zu entwickeln.

Wenn Kinder gute Zukunftschancen haben sollen, müssen sie sich selbstwirksam und kreativ mit ihrer Welt vertraut machen – mit ihrer natürlichen Welt, die ohne Steckdosen auskommt. Erst so schärfen sie ihre Wahrnehmung, werden urteilsfähig und werden später nicht stumpfsinnig digitale Medien konsumieren. Denn Medienkompetenz entsteht nicht in erster Linie am Medium, sondern außerhalb davon.

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