3 minute read

Zeitreise: Das gab es einmal im Hirzbrunnen

Next Article
Grussworte

Grussworte

RUTH SCHOLER MESSER

Blättert man in alten Ausgaben des Quart, stösst man immer wieder auf Inserate von Läden und Geschäften, die es schon lange nicht mehr gibt. Beim Durchlesen kommen mir Erinnerungen hoch.

Advertisement

Als meine Familie 1957 ins Hirzbrunnenquartier zog, gab es hier noch sieben Konsumfilialen, mehrere private Lebensmittelgeschäfte und Metzgereien, fünf Bäckereien, eine Migros, eine Apotheke, einen Schuhladen, eine Papeterie, ein Wullelädeli usw. Und dass es vor dem Zweiten Weltkrieg auch eine Natureisbahn gegeben hatte, daran mag sich heute kaum mehr jemand erinnern.

Die Eisbahn der Familie Weber

Frau Weber wohnte an der Hirzbrunnenstrasse 16. Das grosse, noch unbebaute Gelände hinter dem Haus gehörte ihrer Familie. Im Sommer wurde der Platz zum Tennisspielen genutzt, im Winter als Natureisbahn (ja, damals hatten wir noch richtig kalte Winter). Frau Weber servierte den Besucherinnen

und Besuchern in ihrem Garten Kaffee und Kuchen, bei Bedarf auch im Wintergarten. Meine betagte Nachbarin erzählte mir, dass sie auf ebendieser Eisbahn ihre grosse Liebe, ihren langjährigen Mann kennengelernt hatte.

Die Bäckerei Helfenstein

An der Ecke Kleinriehenstrasse/Hirzbrunnenstrasse war die Bäckerei Helfenstein. Jeden Morgen gab es hier frisches Brot und Kuchen zu kaufen, legendär waren die Schwarzwälder Kirschtorten. Meine Mutter kaufte unser Brot in dieser Bäckerei. Manchmal vergass sie es und bemerkte dies erst nach Ladenschluss. Dann musste eines von uns Kindern bei Helfensteins läuten, beim Privateingang, nicht im Laden, und noch ein Brot kaufen. Dies geschah im Versteckten, denn Verkauf nach Ladenschluss war damals streng verboten. Die Bäckerei gibt es schon lange nicht mehr, sie wurde zu einer Wohnung umgebaut.

Der Konsi

Gleich gegenüber der Bäckerei befand sich eine der sieben Filialen des ACV (Allgemeiner Consumverein), dort haben wir eingekauft. Die Verkäuferinnen kannten uns Kinder alle persönlich und waren sehr hilfsbereit. Schon als Fünfjährige durfte ich mit einem Zettel und Geld selbstständig über der Strasse einkaufen gehen. Die netten Damen packten die gewünschten Dinge in meine Tasche und nahmen das nötige Geld aus dem Portemonnaie. Damals wurden Mehl, Reis und Zucker usw. noch von Hand in Papiersäcke abgefüllt und über die Theke verkauft, Selbstbedienungsläden gab es noch keine. Der ehemalige Konsi ist heute ein Ta

gesheim der familea, im Quartier gibt es nur noch zwei Coop-Filialen.

Der Milchmann

Erinnern Sie sich noch an Herrn Böhi? An der Allmendstrasse betrieb er einen kleinen Lebensmittelladen. Jeden zweiten Morgen stellte er uns in der Früh ein Kesseli mit Milch vor die Tür. Das Geklapper der grossen Milchkannen war weithin zu hören. Je nachdem, was meine Mutter ins Milchbüchlein geschrieben hatte, standen auch Käse, Joghurt und Eier dabei. Abgerechnet und bezahlt wurde Ende Monat. Aus dem Laden ist später ebenfalls eine Wohnung geworden.

Die Papeterie Tottoli

Legendär war Frau Tottoli an der Bäumlihofstrasse. In ihrer Papeterie verkaufte sie auf ganz kleinem Raum alles vom Radiergummi über Bleistifte und Farbstifte, Schulbedarf, Ordner, Kalender und Bastelmaterial bis hin zu Spezialpapieren. Verlangte man einmal etwas ganz Ausgefallenes, fand sie dies sicher im Hinterzimmer. Die Papeterie ist heute ein Wohnhaus.

Die Gemüsefrau

Unsere Gemüsefrau hiess Frau Moser und sprach eine für mich schwer verständliche Sprache: Elsässerdütsch. Zweimal pro Woche zog sie ihren hochbeladenen Gemüsewagen zu Fuss vom Elsass her in die Hirzbrunnenstrasse. Meine Mutter kaufte hier unser Gemüse ein.

Auch heute gibt es noch immer eine Elsässer Gemüsefrau im Quartier, Frau Biry. Allerdings fährt sie nun mit einem VW-Lieferwagen ins Hirzbrunnen und wird von ihrer Tochter Pasquale unterstützt.

Die Metzgerei Ingold

Fleisch gab es bei uns nur am Sonntag, Braten oder Ragout. Dieses kaufte meine Mutter in der Metzgerei Ingold an der Bäumlihofstrasse. Wir Kinder liebten diesen Einkauf, weil für uns jeweils ein Rädli Lyoner Wurst abfiel. Später übernahm Herr Leuenberger die Metzgerei, und heute wird dort die Tagesbetreuung Fantasia geführt.

Schuhhaus SABA

An der Käferholzstrasse wohnte Familie Saladin. Sie betrieb eine Schuhmacherei mit Laden. All unsere kaputten Schuhe wurden dort geflickt. Im angebauten Laden kaufte meine Mutter oft Finken und Schuhe für uns. Meine heiss geliebten Tigerfinkli kamen von dort. 2014, nach 65 Jahren Betriebszeit, schloss der Laden. Heinz Saladin, der letzte Schuhmacher im Quartier, verkaufte das Haus und begann mit 76 Jahren sein spätes, wohlverdientes Rentenalter ausserhalb des Hirzbrunnens. Im umgebauten Haus wohnt heute eine Familie. Q

This article is from: