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Gastkolumne von Christian Seiler: Die Käsekrainer. Eine Wurst wie die Stadt Wien

Die Käsekrainer. Eine Wurst wie die Stadt Wien

Christian Seiler über die Lieblingswurst der Hauptstädter – und wie man sie einem Fremden erklären muss.

Illustration: Andreas Posselt

Die Käsekrainer ist jetzt nicht unbedingt, mhm, Schönheit ist bei einer Wurst aber auch nicht das vorrangige Kriterium. Auch ihr Spitzname könnte auf falsche Spuren führen. Als ich vor vielen Jahren für das deutsche Gourmetmagazin „Der Feinschmecker“ über Wiens Würste schrieb und in meinen Text die Information einbaute, dass die Käsekrainer bei ihren hartgesottensten Fans „die Eitrige“ genannt werde, versetzte das die eleganten Hamburger Redakteure in Schockstarre.

„Bitte“, sagten sie mir am Telefon, „verwenden Sie dieses Wort nie wieder. Vergessen Sie dieses Wort. Es hat dieses Wort nie gegeben …“ Also verwendete ich das Wort nicht mehr. Ich vergaß es. Es hat dieses Wort nie gegeben.

Aber wenn ich spätabends in Wien unterwegs bin und, keine Ahnung wieso, noch einen kleinen Hunger aufreiße und mich am Würstelstand einfinde, um diesen Hunger zu stillen, treffe ich regelmäßig Menschen, die das Wort nicht vergessen haben. Der Standler, der über die Batterien von Würsten gebietet, die vor ihm auf dem Grill liegen, weiß offenbar auch, was gemeint ist, wenn die entsprechenden Bestellungen eintrudeln. Er folgt die durchgebratenen Würste routiniert „med an Schoafn und an Scheazl“ aus.

In Hamburg würden die Menschen vornehm verhungern.

Aber in Wien ist die Käsekrainer ein massiver Publikumsliebling. Seit sie in den siebziger Jahren „de Haaße“, die traditionelle Klobasse vulgo Burenwurst, als beliebteste Wurst Wiens abgelöst hat, ist die Freude an der Verbindung von fein gekutterten Krainer Würsteln, die um eine angemessene Portion Emmentaler ergänzt werden, ungebrochen. Die Sensation, die der Käsekrainer innewohnt, leitet sich aus der Veränderung des Aggregatzustands ihrer unterschiedlichen Inhalte ab: Während das Fleisch heiß wird, schmilzt der Käse. Das unterschiedliche Temperaturempfinden beim Abbeißen – übrigens verbrennen sich nur Anfänger mit dem heißen Käse – macht den Genuss der Wurst über die Maßen interessant, unterscheidet jeden Bissen vom nächsten und die Käsekrainer von jeder anderen Wurst.

Die Zubereitung der Käsekrainer ist denkbar einfach. Es gibt keine Dogmen. Wir dürfen sie in der Pfanne, im Backofen oder auf dem Grill zubereiten. Alle diese Kulturtechniken sind uns wohlvertraut, allerdings braucht es einen winzigen Kunstgriff: Die Käsekrainer muss fachgerecht gestupft werden.

Für alle Hamburger, die gerade alarmiert die Augenbrauen hochziehen: Es empfiehlt sich, die Haut – die Pelle, Freunde der Nordsee! – der Wurst vor der Zubereitung mit einem dafür geeigneten Gerät anzustechen. Dadurch wird die innere Spannung der Wurst während des Erhitzens ausgeglichen, und wir werden nicht etwa davon überrascht, dass es beim Anstechen – oder beim nächtlichen Anbeißen – der fertig gebratenen/gegrillten Wurst unschön spritzt.

Das geeignetste Gerät dafür ist natürlich der Stupfer, den viele junge Menschen wahrscheinlich auf den ersten Blick mit einem USB-Stick verwechseln würden, außer dass er statt einer Schnittstelle drei hat: drei lange Zinken, mit denen das Stupfen der Käsekrainer vorschriftsmäßig gelingt.

Für alle Hamburger: Ja, mit einer Gabel klappt das auch.

Christian Seiler Autor & Kolumnist

Jahrgang 1961 – lebt in Wien. Sein jüngstes Buch „Alles Gute. Die Welt als Speisekarte“ ist im Verlag Echtzeit erschienen.

Der Englische

Wo das Beef für die Steaks daheim ist.

Fotos: Harald Eisenberger . Food Styling: Gabriele Halper

Goran Stevic, Radatz Fleischermeister seit 15 Jahren

Radatz präsentiert die Stars vom Rind, das Hollywood des Beefs, die stolzen Cuts, die von Steakhäusern New Yorks und von hungrigen Cowboys erzählen …

Österreichs Rindfleischtradition ist untrennbarer Teil der kaiserlichen Historie. Schließlich liebte der selige Kaiser Franz-Josef nichts mehr als seinen Tafelspitz und im damaligen Hotel Meißl & Schaden, dem Mekka der Wiener Rindfleischküche, wurden sagenhafte 22 Variationen vom Siedefleisch angeboten.

Aber wenn man in der k. u. k. Monarchie das Rind kurz briet, sprach man in den Küchen Englisch statt Französisch und sagte zum Rind „Beef“ statt Bœuf. So kennt die legendäre „Wiener Teilung“ des Rinds für den Rinderrücken, den Teil des Rinds mit den edelsten Steak-Cuts und den schönsten Stücken für Roasts, den Namen „Englischer“.

Diesem sogenannten „Englischen“ mit seinen Kings and Queens of Steaks and Roastbeef widmet sich dieses royale Kapitel der Radatz Fleischkunde, vor allem natürlich, weil diese herrlichen Cuts in der Grillsaison spektakulären Genuss vom glühenden Grill versprechen.

Maßarbeit: Ihr Cut ganz nach Ihren Wünschen

Englischer

Rindfleisch . beef bœuf . manzo govedina . mairteoil carne de vaca . wołowina nötkött . marhahús

Feine Handwerkskunst trifft auf edle Kulinarik

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Noch ungeputzt: 1. Filet , 2. Beiried, 3. Entrecôte, 4. Rostbraten

„Die beste Zeit für eine Diät? Die Zeit, bis das Steak fertig ist.“

Julia Child

Filet

Das Filet vom Rind wird in Österreich Lungenbraten genannt, weil es am Englischen „innen“, an der der Lunge zugewandten Seite, positioniert ist. Dieser zarte und magere Muskel ist – dick geschnitten – der Cut für das Filetsteak.

Beiried

Die Beiried aus dem flachen Roastbeef geschnitten ist der magere Nachbar des Rostbratens und eignet sich mit seinem Fettdeckel perfekt als New York Strip, Sirloin oder Rumpsteak für das kurze Garen am Grill.

Rostbraten

Der Rostbraten ist in der beefigen Dreifaltigkeit des Englischen der saftige Bruder von Beiried und Filet. Seine Fetteindeckung umschließt das Fleisch rundum und formt ein Auge, das Rib-Eye. Das Steak für Fortgeschrittene und Kenner!

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Steaks

1. Tomahawk Steak

Das saftige Rib-Eye mit dem langen Rippenknochen formt das Beil der native Americans – saftig, aromatisch, himmlisch!

2. Côte de Bœuf

Das Rinderkotelett, im Baskenland Chuletón genannt, wird am Knochen medium gegrillt und pur mit grobem Salz genossen.

3. Club Steak

Die massive Beiriedschnitte mit „bone in“ ist voll beefiger Aromen und verwöhnt dank ihrer Marmorierung mit saftiger Zartheit.

4. T-Bone Steak

Der T-förmige Knochen gibt diesem klassischen Steak-Cut Saftigkeit und Namen – mit einem Anteil Filet und einem Teil Beiried.

5. Porterhouse Steak

Klassiker der NY Steakhouses, großer Bruder des T-Bone und der Cut fürs Bistecca alla fiorentina – Filet und Beiried in Perfektion.

Der Wurstsalat

So schmecken Strandbad und Sonnenschein.

Fotos: Luzia Ellert . Food Styling Gabriele Halper

Um den Wiener Sommer in all seiner Schönheit zu genießen, braucht es eigentlich nur „a schräge Wies’n am Donaukanal“ oder einen Sonnenplatz im Gänsehäufel und ein Glas mit selbstgemachtem Wurstsalat. Des Wurstsalats angenehme Säure, die zarte, bissgerecht gewürfelte Extrawurst und, je nach Rezept, sonnengereifte Tomaten, pikanter Zwiebel, grüne Kräuter … da kann man ein Picknick in der Au und das sonnenbestrahlte Holz der Umkleidekabinen im Strandbad förmlich riechen und schmecken. Kein anderes Gericht erzählt so viel von einer Kindheit im sommerlichen Wien. Ist der Wurstsalat doch der Inbegriff der kalten Küche in der heißen Stadt. Erfrischend, unkompliziert in der Zubereitung und mit seinem fast unbegrenzten Variantenreichtum immer „wie neu“, deshalb: Sommer, Sonne, Wurstsalat!

4 Portionen

20 Minuten

Schwierigkeit

ZUTATEN

1 rote Zwiebel, feinwürfelig geschnitten

Salz 3 EL milder Rotweinessig 3–4 EL Apfelsaft, naturtrüb 1 TL Honig 1 TL Senf, scharf 4–5 EL Olivenöl

180 g blaue Trauben, ohne Kern 60 g grüne und schwarze Oliven, ohne Kern 500 g Extrawurst, in dünne Scheiben geschnitten

Salz Pfeffer aus der Mühle 60 g Rucola, geputzt

TIPP

Wenn Sie den Salat zum Picknick mitbringen, Rucola in einem Behälter mit- nehmen und vor dem Essen unter den Salat mengen.

Mediterraner Wurstsalat

ZUBEREITUNG

1. Gewürfelte Zwiebel etwas salzen, mit Essig vermengen und ca. 10 Minuten zugedeckt ziehen lassen; Apfelsaft, Honig, Senf und Olivenöl zugeben und gut vermengen. 2. Trauben und Oliven halbieren und zur Vinaigrette geben; einige Minuten durchziehen lassen. Wurstscheiben mit den Händen locker auseinanderzupfen und mit der Trauben-Zwiebel-Marinade vermengen, mit Salz und Pfeffer abschmecken;

Rucola kurz vor dem Servieren unter den Salat mengen.

VARIATION

• Anstatt Extrawurst kann man auch dünn aufgeschnittene Mortadella verwenden und nach Geschmack auch noch einen grob geraffelten Pecorino untermengen.

4 Portionen

30 Minuten + 1–2h Kühlzeit

Schwierigkeit

ZUTATEN

2 Salatgurken (ca. 800 g)

Salz 4 EL Griechisches Joghurt 2 EL Olivenöl 1 kleine Knoblauchzehe, fein gehackt 400 g Extrawurst, im Ganzen 100 g Schafkäse

MARINADE

4 EL Olivenöl 2 EL Petersilie, fein gehackt 1 EL Thymianblättchen

Schale von ½ unbehandelten Zitrone, fein abgerieben 2 EL Zitronensaft

Salz Pfeffer aus der Mühle Basilikumblättchen zum Bestreuen

TIPP

Fürs Picknick: Gurkensalat, Wurst und Käse schichtweise in ein Glas oder Portionsgläser füllen, Marinade extra in einem Glas mitnehmen. Fürs Grillfest: Dicke Extrawurstscheiben beidseitig grillen, in Würfel schneiden, auf dem gut gekühlten Gurkensalat verteilen, Schafkäse darüber geben und mit der Marinade beträufeln.

Tzatziki-Salat

mit marinierter Extrawurst

ZUBEREITUNG

1. Gurke schälen, der Länge nach halbieren, Kerne mit einem Esslöffel herauslösen, in ca. 1 cm große Würfel schneiden, salzen, gut vermengen und 10 Minuten ziehen lassen. 2. Gurke abseihen, mit Knoblauch, Oliven und Joghurt vermengen, nochmals mit

Salz abschmecken und 1– 2 Stunden kalt stellen. 3. Marinade: Olivenöl mit Kräutern, Zitronenschale und -saft vermengen und mit

Salz und Pfeffer würzen. 4. Extrawurst zuerst in 1 cm dicke Scheiben und dann in 1 cm große Würfel schneiden; Käse grob zerbröseln. Gurkensalat auf vier Gläser oder Teller verteilen,

Wurst und Käse darüber geben, kurz vor dem Servieren mit der Marinade beträufeln und mit Basilikumblättchen bestreuen.

VARIATION

• Für die milde Käsevariante: Anstatt des salzigen Schafkäses einen milden

Manouri verwenden.

Cremiger Wurstsalat

mit Kräutermayo und geschmorten Kirschparadeisern

4–6 Portionen

30 Minuten + Kühlzeit

Schwierigkeit

ZUTATEN

100g Oricette ½ EL Salz 400g pikante Extra, im Ganzen 2 große rote Paprika (~450g)

KRÄUTERMAYONNAISE

1 Dotter 1 TL scharfer Senf ½ TL Salz ⅜ l Maiskeimöl 200g Sauerrahm 1 TL Weißweinessig 4 EL Petersilie, fein gehackt 1 EL Basilikum, fein geschnitten 1 EL Thymianblättchen Cayennepfeffer

Salz Pfeffer aus der Mühle

2 EL Olivenöl ¼ TL Fenchelsamen

250g Kirsch- oder Dattelparadeiser an der Rispe, gewaschen Meersalz zum Bestreuen

TIPP

Nudelwasser immer reichlich salzen, ansonsten schmecken die Teigwaren im Salat langweilig.

Die Mayonnaise am besten mit einem extra milden Olivenöl zubereiten.

ZUBEREITUNG

1. Pasta in Salzwasser bissfest kochen; abseihen und lauwarm abschwemmen. 2. Pikante Extra in ca. ½ cm dicke Scheiben und dann in Würfel schneiden. 3. Paprikaschoten putzen und ebenfalls in Würfel schneiden. Mit der Wurst und der Pasta in einer Schüssel vermengen. 4. Kräutermayonnaise: Dotter mit Senf und etwas Salz in einer Schüssel gut verrühren. Öl in einem dünnen Strahl eingießen und während des Eingießens mit Hilfe des Handmixers zu einer dickcremigen Mayonnaise rühren; Sauerrahm, Essig und Kräuter zugeben, Mayonnaise mit Cayennepfeffer, Salz und

Pfeffer kräftig abschmecken, mit den übrigen Salat-Zutaten vermengen und zugedeckt 2–3 Stunden kalt stellen. 5. Olivenöl in einer Pfanne leicht erhitzen; Fenchelsamen darin kurz anrösten,

Tomatenrispen darin beidseitig braten, mit Meersalz bestreuen und auskühlen lassen. Den kalten Nudelsalat mit den Tomaten servieren.

VARIATION

• Anstatt der frischen Kräuter kann man in die Mayonnaise auch 2–3 EL Pesto Genovese geben.

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