6 minute read
AKTUELL
Rundblick
Wirtschaftsgeschehen kompakt
Advertisement
USA
Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden will mit 700 Milliarden Dollar die US-Wirtschaft ankurbeln. Mit den Geldern sollen fünf Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden. Bidens Wirtschaftsplan für die vierjährige Amtsperiode beinhaltet unter anderem Infrastrukturmaßnahmen, den Aufbau einer umweltfreundlichen Energiewirtschaft und Förderung der Rassengleichheit. In den USA finden am 3. November 2020 die Präsidentschaftswahlen statt und die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren.
GROSSBRITANNIEN
Noch deutlicher als bisher schon erwartet ist der Rückgang des britischen Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal 2020 ausgefallen. Der Wert wurde auf -2,2 Prozent revidiert. Damit ist das BIP so stark wie seit 1979 nicht mehr geschrumpft. Premierminister Boris Johnson möchte nun ein Programm vorstellen, mit dem er die Wirtschaft wieder ankurbeln will. So sollen fünf Milliarden Pfund für Investitionen in Krankenhäuser, Schulen, Straßen und andere Infrastrukturprojekte bereitgestellt werden. Die Bank of England hatte unlängst erklärt, dass die Wirtschaft im ersten Halbjahr um bis zu 20 Prozent schrumpfen könnte. Dann würde der Lockdown von April bis Juni voll durchschlagen.
7.542,44 6.211,44 - 17,65 % - 1.331,00
FRANKREICH
Aufwind ab dem Sommerquartal
Frankreich wurde stark von Corona getroffen, dementsprechend deutlich spürbar war auch der BIP-Rückgang im zweiten Quartal 2020. Rund 17 Prozent soll er betragen haben, so das Nationale Statistikamt. Im Sommerquartal soll sich die Lage aber wieder erfreulicher präsentieren: Dann könnte die Wirtschaft mit einem Rekordtempo von 19 Prozent wachsen. Zum Jahresende dürfte das Bruttoinlandsprodukt um weitere drei Prozent zulegen. Im Gesamtjahr 2020 werde die nach Deutschland zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone trotz der Belebung aber um rund neun Prozent schrumpfen. Die EU-Kommission hatte sogar eine noch schärfere Rezession von -10,6 Prozent vorausgesagt.
6.029,07 4.997,21 - 17,11 % - 1.031,86
DEUTSCHLAND
ifo-Index stieg so stark wie nie
So stark wie im Juni 2020 ist der ifo-Geschäftsklimaindex noch nie gestiegen. Der Grund dafür liegt darin, dass die meisten befragten Unternehmenschefinnen und Chefs mit großer Mehrheit „ein Licht am Ende des Tunnels“ sehen würden, so ifo-Präsident Clemens Fuest. Vor allem die Zukunftserwartungen seien deutlich gestiegen und das in allen Branchen – sogar in der seit Monaten pessimistischen Industrie. Auch wenn viele Industrieunternehmen die aktuelle Lage noch als schlecht bezeichnen, so rechnen sie in den nächsten sechs Monaten mehrheitlich mit besseren Geschäftsaussichten.
ÖSTERREICH
Österreichisches BIP schrumpft 2020 um 7,1 Prozent
Die EU-Kommission hat in ihrer Sommerprognose die Erwartungen für die österreichische Wirtschaft weiter nach unten revidiert. Für 2020 rechnet die Brüsseler Behörde nun mit einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts um 7,1 Prozent, im Frühling lag die Schätzung noch bei einem Minus von 5,5 Prozent. 2021 soll die heimische Wirtschaft dann 5,6 Prozent zulegen. Die Inflation wird im heurigen Jahr vermutlich auf 0,8 Prozent zurückgehen, ehe sie 2021 leicht auf 0,9 Prozent und 2021 auf 1,2 Prozent steigen soll.
CHINA
Chinesen kaufen wieder mehr Immobilien im Ausland
Die Pandemie hat den Chinesen keineswegs den Appetit am Wohnungskauf im Ausland verdorben. Im Gegenteil. Nachdem im April der globale Lockdown das Interesse kurzfristig zum Erliegen gebracht hat, investieren die Chinesen jetzt wieder. Und Standorte in Europa stehen besonders im Fokus. Häufig dienen die Apartments für Käufer aus China der Kapitalanlage, werden also erst einmal vermietet. Der typische Käufer einzelner Eigentumswohnungen stammt aus der oberen chinesischen Mittelschicht. Dass Chinesen so stark nach Wohneigentum im Ausland drängen, hängt mit einer chinesischen Besonderheit zusammen: Echtes Wohneigentum gibt es im Heimatland nicht, sondern allenfalls ein Wohnrecht über 70 Jahre.
Hang Seng Stand 31.12.2019 Stand 23.07.2020
Veränderung in % Veränderung absolut
28.189,75 25.245,26
-10,45 % - 2.944,49
Vom Wandern und den Aktienmärkten
Ein Anstieg auf den Mount Everest braucht Zeit
Je höher die Kurse klettern, desto dünner wird die Luft. Jeder Bergwanderer kann das nachvollziehen und weiß zudem, dass mit jedem geschafften Höhenmeter auch eine gewisse Akklimatisation notwendig ist. Klettert man zu schnell, geht einem noch rascher die Luft aus. So kann man auch die Kursbewegungen der letzten Wochen und Monate sehen.
Ein Auf und Ab am Markt
Dem markanten Kurseinbruch der großen Indizes von rund 40 Prozent bis Mitte März folgte eine der stärksten Kurserholungen innerhalb kürzester Zeit in der Geschichte. Teilweise bis zu 50 Prozent Gewinn konnten bis in den Juni hinein erzielt werden. Somit lagen die zuvor erreichten Rekordwerte von Jänner und Februar wieder in greifbarer Nähe. Nur wenige Indizes schafften bislang aber neue Rekorde – darunter der Technologieindex Nasdaq 100, 10.000 Punkten geknackt hat.
Es ist wie in den Bergen...
Der lange Anstieg bis zum Mount Everest benötigt Zeit. Die Etappe ausgehend vom Basislager bis zur ersten Zwischenstation – der bisherigen Erholung an den Aktienmärkten – kann man als den Beginn der Reise sehen. Jeder Bergsteiger benötigt nach so einem Anstieg eine Pause, bevor die nächste Etappe beginnt. Umgelegt auf die bisherige Kursentwicklung sollte eine gewisse Konsolidierung stattfinden, bevor es weitergeht.
Es kann nur besser werden
Im Mai wurden die tiefsten Ergebnisse der realen Wirtschaft in mehr oder weniger allen Ländern erreicht. Die Frage stellt sich natürlich, wie eine Erholung
der zeitgleich die magische Marke von stattfinden kann. Ein Modell dafür gibt es nicht und auf mathematische oder statistische Ergebnisse kann man sich zurzeit nicht verlassen, da es keine historischen Vergleiche gibt. Doch dass alle großen Probleme oder Einbrüche an den Börsen anschließend bewältigt werden, lehrt schon die Geschichte des ersten großen Skandals, der berühmten Tulpenkrise in Amsterdam 1637. Und es war immer nur eine Frage der Zeit, bis der Gipfel wieder erreicht wurde.
Schlechte Quartalsergebnisse voraus
Nach dem Shutdown und der langsamen Wiedereröffnung im zweiten Quartal werden die kommenden Quartalsergebnisse von sehr vielen Unternehmen schlechter ausfallen als je zuvor. Daher wird es vor allem auf die Unternehmensprognosen ankommen, die dann den weiteren Kursverlauf bestimmen. Eine Branche steht aktuell im Fokus: Technologieunternehmen haben uns in der Quarantäne dabei geholfen, die neue digitale Arbeitswelt zu entdecken. Und dies in einem Tempo, das zuvor nicht denkbar gewesen wäre. Wir können es drehen und wenden wie wir wollen, der Fortschritt kennt in diesem Zeitalter der Technologisierung nur eine Richtung – vorwärts.
ENTWICKLUNG WICHTIGER AKTIENINDIZES
Indikatoren bessern sich
Nach dem katastrophalen Einbruch praktisch aller Konjunkturprognosen und Stimmungsindikatoren verbreitete sich in den letzten Veröffentlichungen so etwas wie Zuversicht. Beispielsweise bestätigten die Daten zur chinesischen Wirtschaft die positive Entwicklung in der Industrieproduktion. Die Aufhellung der Konsumentenstimmung und der besser als erwartet ausgefallene Arbeitsmarktbericht (trotz Arbeitslosenzahlen von nie dagewesenem Ausmaß) in den USA oder aber auch der ZEW- oder ifo-Index in der Eurozone zeigen deutlich, dass die Zukunft wieder positiver gesehen wird.
Geldschleusen offen
Und da sind dann noch die großen Notenbanken der Welt, die sich mehr oder weniger mit immer größeren Hilfsmaßnahmen gegenseitig übertrumpfen und für Liquidität sorgen. Die magischen drei Worte vom damaligen EZB-Chef Mario Draghi aus dem Jahr 2012 „Whatever it takes“ nehmen heutige Notenbanker wörtlicher denn je. Die mittel- und längerfristig gegebene expansive Geldpolitik der Notenbanken sollte daher ein wichtiger Unterstützungsfaktor für die Finanzmärkte bleiben und Gipfelkreuze in greifbare Nähe rücken.
Unser Fazit
In Zeiten wie diesen ist es wichtiger denn je, seine Veranlagungen breit zu streuen, denn kurzfristige Kursturbulenzen können keinesfalls ausgeschlossen werden. Die verschiedenen Anlagebausteine Anleihen, Aktien und alternative Investments sollten daher je nach Risikoneigung entsprechend gewichtet werden. Und eines darf man dabei niemals vergessen – es war bis dato immer nur eine Frage der Zeit, bis ein neuer Gipfel erreicht wurde. MARTIN GANGL