11.2013
Elektronische Lebensaspekte
Musik, Medien, Kultur & Selbstbeherrschung
#freshdeepsupersounds
Jonsson & Alter, Omar Souleyman, Gesaffelstein, M.I.A.
Netzkritik
Warum das Internet lieber doch anbleiben soll
Das Breakbeat-Revival
Nostalgie mit Amen-Break: Om Unit, Special Request, Tessela, Pangaea
COVER: christian werner
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D 4,- € AUT 4,- € CH 8,20 SFR B 4,40 € LUX 4,40 € E 5,10 € P (CONT) 5,10 €
bring the toys!
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LIEBE USERINNEN, LIEBE USER, in diesem Herbst haben wir gespielt. Ohne Pause, die ganze Zeit. Zwischendurch blickten wir auf, brüllten ein lautes "Uugah" mit Gesaffelstein. Oder folgten den steinalten Fährten der Drums. Wie immer eigentlich.
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Nur einer fragte sich: Was soll der ganze Scheiß eigentlich!? Der Kampf gegen die Hochkultur, das Nachdenken, die ewige Reflexion, die Suche nach dem tieferen Sinn und die verrückte Idee dem Contemporary auch heute wieder einen Schritt voraus zu sein. Die selbstausgebeutete Putzkolonne richtet nun einen mehr als zehn Jahre ver- und belebten Redaktionsschreibtisch neu her. Das
Personalkarussell dreht sich und Thaddeus Herrmann sucht nach 88.873 Reviews und vielen tollen Texten das bessere Morgen an anderer Stelle. Wir verneigen uns und sagen Ahoi. Die Welt ist eine Scheibe, die Redaktion
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Spielzeug
Spielen ist totale Freiheit. Das Playhard/Work-hard-Diktum haben wir beiseite geschoben, um klare Sicht auf das Spielzeug der Zukunft zu haben. Zwischen Konsole, Theorie und Gadget-News daddeln wir uns den Weg frei.
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28 Jonsson /Alter: Weitsicht, die zweite
30 Omar Souleyman: Syrien auf acid
26 Computer Chess: check mate, du schaltkreis!
Die Schweden haben endlich den Nachfolger zu ihrem fantastischen ersten Album fertig. Im Portrait geben Jonsson/Alter klarsichtige Statements zur Authentizitätsfalle in der elektronischen Musik.
Der syrische Volkssänger als Hipster-Posterboy der Revolution? No way. Anlässlich Souleymans neuer Platte, die vom Engländer Four Tet produziert wurde, erzählen wir seine Geschichte.
Kriegsschauplatz Schachbrett: Ein außergewöhnlicher Dokumentarfilm über den Kampf zwischen Mensch und Maschine. Nebenbei eine Charakterstudie des Nerds an sich.
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index STARTUP 03 − Bug One: Editorial
KRITIK 08 − Zoff um Morozov: Mal wieder die Netzkritik SPIELZEUG 12 − Claus Richter: "Supertoys" 14 − Zwischen den Welten: Runter vom iPad! 16 − Science-Fiction des Spielzeugs: Zukunft ohne Lego 20 − Spielzeugsammlung: Gadget-Grabbel 24 − Die neuen Konsolen: PS4 vs Xbox One FILM 26 − Computer Chess: David Levy gegen CDC Cyber-176
32 Re:Break Drums sind eine Urkraft der Menschheit. Grund genug 2013 das Breakbeat Revival Revue passieren zu lassen. Mit Om Unit, Special Request, Tessela, Pangaea und Zomby stellen wir wichtige Protagonisten vor und drehen Footwork, Trap, Jungle, Drum and Bass, HipHop, Dub, Step und Detroit Techno durch die Zeitschleife.
»Morozov spielt sich als der einzige Weise des Internets auf. Als ein Erleuchteter, der einem endlich erklÄrt, warum alle anderen unrecht haben.« Sascha Kösch, Seite 8
RE:BREAK 32 − Breakbeat Revival: Nostalgische Dekonstruktion 36 − Special Request: Paul Woolford im Breakbeat-Kontinuum 40 − Om Unit: Drums sind Nahrung MUSIK 28 − Jonsson/Alter: Heimbesuch 30 − Omar Souleyman: Das syrische Phantom 42 − Kommentar: Gesaffelstein & M.I.A. 68 − Mooryc: Kontrolliertes Fallen 70 − Clara Moto: Melancholische Distanz 80 − Musikhören mit: Múm BUCH 44 − Jürgen Teipel: Techno-O-Ton 45 − Literatur-Lizenzen: Fan-Fiction & Vampire 58 − Berlinbücher: Sven Regener, Bettina Uzler und Ju Innerhofer waren dabei MODE 46 − Digitaldruck: Inkjet ist der neue Standard 48 − Modestrecke: Play Hard WARENKORB 54 − Läuft: Nike Fuelband & Onitsuka 56 − DVD & Buch: I Dream Of Wires, Dietmar Dath & Swantje Karich 57 − Keyboard & Lautsprecher: Microsoft Sculpt, Jawone Mini Jambox MUSIKTECHNIK 60 − NI Maschine Studio: Hardware neu, Software neu 62 − Tracktion 4: Einsteiger-DAW frisch aufgelegt 63 − Touchable 2: Neuer Controller-Standard auf dem iPad 64 − Traktor S4 MK2: NIs endgültiger DJ-Controller-Wahnsinn SERVICE & REVIEWS 68 − Reviews: Neue Alben und 12“s 78 − Abo, Vorschau, Impressum 79 − DE:BUG präsentiert: Die besten Events im November 82 − A Better Tomorrow: Echtzeitverblödung ist der neue Normalfall
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Consollection / Digitalzocker-Porno Das sind 140 Spielkonsolen. Von prähistorisch bis neulich erst, akribisch zusammengefasst. Allerdings ist dieses Poster, die Essenz eines Bildbandes von 2010, aktuell ausverkauft. Aus gutem Grund. Der Fotograf Patrick Molnar und Sammler Phil (einfach nur Phil) arbeiten an einer neuen Version dieser "Consollection". Mit noch mehr Gear-Porno: Knöpfe, Schalter, Träume. Anfang 2014 kommt das Poster 2.0 in den Handel. Und der Wälzer für den Coffee Table wird auch neu aufgelegt. www.consollection.de 177
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Text Sascha Kösch
Befreit uns von Morozov Netzkritik 2013
Der Tod des Internets ist für Chef-Netzkritiker Evgeny Morozov beschlossene Sache. Je früher, desto besser. DE:BUG-Chef-Netzkritiker Sascha Kösch sieht das anders und hat sich auf die Suche nach Halbwahrheiten in Morozovs aktuellem Buch "Smarte neue Welt" gemacht.
Evgeny Morozov hat sich in den letzten Jahre den Titel Netzchefkritiker in den deutschen Feuilletons erspielt. Kaum ein InternetErklärbär, der von ihm nicht ordentlich in der Zeit, der FAZ, der Süddeutschen abgewatscht werden darf (Ausnahme: Morozov-Fan Schirrmacher). Da bleibt kein TechnikGigant verschont, keine miese Praxis der Silicon-Valley-Verbrecher unaufgedeckt. Und Morozov hat Fans. Kulturpessimisten sind dabei ebenso herzlich willkommen wie Ludditen aller Couleur. Und nicht selten muss man sich von einem neugeborenen Morozov-Fan Dinge anhören wie: Endlich traut sich mal einer was gegen die da oben im Technotopia zu sagen. Diesen Monat erscheint nun sein Buch "To Save Everything, Click Here: Technology, Solutionism, and the Urge to Fix Problems that Don't Exist" auf Deutsch unter dem wuschig paraphrasierenden Titel "Smarte neue Welt: Digitale Technik und die Freiheit des Menschen". Mit dem Buch schwappt eine Welle von Interviews mit dem "Netz-Vordenker" über die Feuilletons. Aber wir lesen lieber Bücher, also ran an den Schinken. Nach circa 25 Seiten "Smarte neue Welt" denkt man sich: Gut, ich habe jetzt wirklich verstanden, worum es dir geht. Komm zur Sache, Evgeny! In Kürze: Laut Morozov werde dem Internet ständig unterstellt, dass es eine Essenz habe, eine wesentliche Eigenschaft. Diese gedachte Essenz (Freiheit, Gleichheit etc.) führe dazu, dass man mit dem Internet die Probleme der Welt lösen will (solutionism), und behauptet, es wäre unveränderlich. Diesen Gedanken sollten wir in bold setzen, er steht auch nach 50 Seiten im Zentrum des Buches und wird von Morozov mit immer neuen Beispielen und Variationen erklärt. An immer noch depperteren Aussagen von Leuten wie Carr oder Halbsätzen von Eric Schmidt nimmt Mozorov genüsslich eine gefährliche Ideologie "auseinander", man sollte eher sagen: Er zerrupft sie willenlos. Nach hundert Seiten denkt man sich: Gehirnwäsche? Keine Netzkritik Morovoz betreibt vielmehr eine Art uferlose Kritik an jedem, der etwas Gutes am Netz findet. Langatmig vielleicht, sicherlich legitim. Trotzdem überkommt einen nach einer ziellosen Litanei des Niedermachens irgendwann das Gefühl (nein, kaum ein Zitat wird mal mit einer Fußnote für die Herkunft bedacht), Morozov dreht auch Leuten, die man selbst noch nie leiden konnte, vielleicht das Wort im Mund herum. Die schwierige Aufgabe, an der Morozov scheitern muss, ist die Kritik an einem Gegenstand (das Internet), das kein Wesen haben darf. Morozovs Gegenstand sind also in Wirklichkeit die Leute, die das kritisieren, was ihm zufolge unkritisierbar ist. Eine leichtere Aufgabe wäre gewesen, Diskursanalyse zu betreiben, etwa anhand der vielen widersprüchlichen Aussagen zum Internet in Zeitraum X, Beobachtung globaler Tendenzen und Ideologien, die Rolle des Netzes als Machtinstrument, also eine Bestandaufnahme der dominanten Diskursströme, und wie man gegen sie vorgehen könnte. Stattdessen: Witze über die Befreiung durch Katzenbildchen und nahezu keinerlei konkrete Erwähnung anderer Aussagen über das Netz als diejenigen, die sein Gegenargument stützen. Das Buch ist ein Essay, der die Verve auf endlosen Seiten des Widerkäuens gnadenlos verliert. Wenn das alles wäre, man würde das Buch einfach irgendwann erschöpft beiseite legen. Aber man spürt hinter all dem irgendwie mehr. Morozov spielt sich als der einzige Weise
des Internets auf. Als jemand, der einem endlich erklärt, warum alle anderen Unrecht haben. Diese "alle anderen" existieren aber erstens nicht, zweitens sind die Aussagen von Morozov alles andere als neu. Wir blicken kurz zurück in die Geschichte der Netzkritik: 1996 kam mit "The Californian Ideology" der erste große Schwung an Kritik an den Utopisten, den Yuppie-Grundlagen, dem Neoliberalismus, der Idee, das Internet würde alle unsere Probleme lösen können und eine Welle der Befreiung und Demokratisierung durch die Welt schicken. Es bildeten sich Mailinglisten, die den kritischen Diskurs des Netzes sehr stark beeinflussten. Eine davon war Nettime, deren Protagonisten endlose Konferenzen gefüllt haben. Die Internet-Kritik, Netzkritik, war geboren; Gingrich, Wired mitsamt seiner Long-Boom-Idee etc. standen da schon auf der intellektuellen Abschussliste. Science and Technology Studies, Actor Network Theory, die Medien-Theoretiker und Klassiker der Postmoderne wurden zu komplexeren Theorien des Netzes herbeigezogen. Theorien, die längst das Soziale, das Politische, das Netzwerk Internet und die in diesem komplexen Amalgam handelnden Akteure (selbst jenseits klassischer Handlungstheorien) unter die Lupe nahmen. Gleichzeitig entwickelte sich eine endlose Reihe semiwissenschaftlicher Abhandlungen über Potentiale und Gefahren des Digitalen. Die Sekundärliteratur zum Internet füllt (gefühlt) mittlerweile ganze Bibliotheken. Solution gegen Solutionism Eine der Hauptthesen des Buches von Morozov - das gibt er an einer der wenigen Stellen en passant mal zu - ist, dass das Netz nicht essentialistisch zu betrachten ist, kein Wesen hat. Diese These stammt aus Lawrence Lessigs Buch "Code Is Law" von 1999, der diesem Thema damals ein ganzes Kapitel widmete. Lessig führte damals schon zum gleichen Schluss: "If there is any place that is constructed, cyberspace is it... the rhetoric of 'essence' hides this constructedness. It misleads our intuitions in dangerous ways." Nur machte Lessig damals nicht den Fehler, sämtlichen Diskurs über das Netz unter diesem Teilaspekt zu subsumieren, nur um eine größere Angriffsfläche zu haben. Dass man sich nicht leicht von beherrschenden diskursiven Grundzügen lösen kann, würde man gerne als Rechtfertigung des Morozov-Rundumschlags anführen. Der kämpft halt so lange gegen die Windmühlen, bis einem so schwindlig ist, dass das Argument zu Brain-Body-Memory geworden ist. Lassen wir einmal beiseite, dass es möglicherweise Episteme nach Foucault'scher Definition geben könnte, aus denen man sich eh nicht herausbewegen könne. Dann würde man zumindest von Morozov erwarten, dass er sich von diesem verfluchten Essentialismus selber reingewaschen hat. Mitnichten. Geht Morozov nun eigentlich wenigstens den Auswirkungen dieser einen These im Detail nach? Es ist jedenfalls keine Entwicklung einer Begrifflichkeit zu entdecken, die zum Beispiel die unterschiedlichen Facetten von "solutionism" (auch das ein geborgtes Konzept) fassbar macht oder erklären würde. Es gibt auch keine Untersuchung (jenseits von endlosen Anekdoten), die einem die Wirkungsweise dieser Ideologie auf Bereiche der Politik, der Lobbyarbeit, technologischer Entwicklung etc. näher erklären würde, geschweige denn eine Struktur sichtbar machen würde, die eine Solution gegen Solutionism erahnen
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lassen könnte. Auch wenn Morozov dafür natürlich eine Lösung parat hat. Doch einen Schritt zurück. Es gibt in philosophischen Archiven meterweise Bände über Teleologie (das letztlich beschreibt die Haltung von Solutionism), das Verhältnis von Teleologie zu den Wissenschaften, zur Technik, zum Diskurs, zur Aporie, Apokalypse, etc. Nein, wie erwartet tauchen die nicht auf bei Morozov. Es ist nahezu ein Grundcharakter des Buches, für nichts eine Basis, Vorgänger, wissenschaftliche Grundlagen oder ähnliches zu bieten. Bodenlose Schwammigkeit als Unterstützung der eigenen These ist hier Programm.
jeder Eingriff ein Eingriff in die Freiheit der Menschheit und letztendlich die Lösung all unserer Probleme wäre. Dass das Gespür für die ständige Veränderung des Netzes geradezu ein Einstellungskriterium für Tech-Firmen ist, beziehungsweise die oberheiligste Aufgabe eines CEOs, der seine Firma länger als eine Welle bis zum nächsten Dotcom-Crash melken will, entgeht ihm dabei vermutlich nicht einmal. Er lässt es einfach unter den Tisch fallen, weil es - wie so viele andere - nicht in sein Argumentationsschema passt.
Zukunft? Unklar. Sehr deutlich wird das zum Beispiel beim gerne seitenweise ausgebreiteten Topos "Gibt es ein Nach-dem-Internet?" Denjenigen, die Dinge sagen wie "Das Internet wird bleiben" wird nahezu Hirnlosigkeit vorgeworfen. Da es aber keinerlei Definition des Internets gibt, auf die sich diese oft eher vermutete Ewigkeit des Netzes stützen könnte, wird die Kritik zum Scheindiskurs. Weder Morozov noch die von ihm Kritisierten sagen eigentlich genau, was sie damit meinen. Wird es auch in Zukunft ein Netzwerk geben, auf dem Daten verbreitet werden? Unwahrscheinlich ist das nicht, aber wir wissen ja nicht einmal, von welchem Zeitraum wir da reden, geschweige denn von welcher Welt. Zur Unterfütterung für die Hirnlosigkeit der vermeintlichen These der Ewigkeit des Netzes (die sich manchmal in sicherlich quietschigen, oft auch substanzlosen Reden vom neuem Zeitalter etc. ausdrückt) begeht Morozov dann, wie an anderen Stellen auch gerne, den Kardinalfehler: Er stellt das Internet in eine Reihe von Medien und schreibt damit dem Internet trotz vermeintlicher Essenzlosigkeit ganz natürlich die Essenz eines Mediums zu, statt es zum Beispiel mit dem Strom- oder Gasnetz zu vergleichen. In aller Banalität geht das Argument wirklich so: Man hätte sich damals auch nicht vorstellen können, dass das Radio abgelöst werden könnte, also müsste man es beim Internet eigentlich besser wissen. Und wer das nicht so sieht, ist schon verblendet von der Internet-Ideologie. Der Tod des Internets (das er aus Ekel vor dem Begriff durchgängig in Anführungszeichen setzt) ist für Morozov eigentlich beschlossene Sache. Wer das nicht sehen kann, gehört dem Club der Internet-Zentristen an. Deren perfide Agenda sei laut Morozov die Unveränderbarkeit und Unantastbarkeit des Netzes, das an sich für die Essentialisten ja befreiend ist, so dass
Future-Shock-Starre Welche Lösung schlägt Morozov nun für dieses dämliche Problem der Totalverblödung, wenn nicht gar Versklavung der Menschheit durch die Internet-Halbgötter vor? Bugs. Konsequente Fehler in Technik, die Technik immer wieder mit Brüchen versieht, an deren Aufscheinen den Menschen bewusst wird, dass sie Bürger sind, denen Gesellschaftspolitik wichtiger ist, als das neuste Gadget, die Totaldurchleuchtung jeder noch so minimalen menschlichen Ausdrucks- oder Handlungsweise. Und wenn Bugs nicht helfen, dann Technik, die die Bösheit von Technologie vermittelt. All das übrigens ein in Netart-Kreisen absolut beliebtes Thema seit nun fast zwei Jahrzehnten. Nur jetzt ganz neu. Weil: Morozov. Gefährlich an Morozov ist - solange man glauben mag, dass ein Feuilleton-Hype gefährlich sein kann - aber genau das: Viele Dinge im Netz sind das reine Grauen, für all diese Dinge gibt es komplexe Lösungen, teils im Netz, teils von "außen" (wenn man das Netz wirklich mal provisorisch zur Vereinfachung auf einen Raum beschränken will, der es eigentlich längst nicht mehr ist). Nach der Lektüre von "Smarte neue Welt" ist man aber entweder so einäugig voll des Hasses auf die Internet-Verbrecher, oder so ermüdet von den Argumenten, schlimmstenfalls so plattgeredet von deren Eindimensionalität, dass man sich die Mühe schon gar nicht mehr machen möchte, nach ernsthafter Netzkritik zu suchen. Geschweige denn, sie selbst zu entwickeln, ihre Notwendigkeit in den Momenten zu erkennen, in denen man vielleicht wieder ein Mal vom Netz manipuliert wird - und dort, wo man es nicht wird, nicht gleich in Future-Shock-Starre zu hyperventilieren.
Welche Lösung schlägt Morozov für das Problem der Totalverblödung, wenn nicht gar der Versklavung der Menschheit durch die Internet-Halbgötter vor? Bugs.
Evgeny Morozov, Smarte neue Welt - Digitale Technik und die Freiheit des Menschen, ist im Karl Blessing Verlag erschienen.
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der zukunft
"Es gibt kaum einen köstlicheren Freiraum als das Spielen. Wer spielt, tritt aus der konsensuellen Realität heraus und erschafft für sich eine Welt voller Möglichkeitsformen. In einer Spielwelt kann erst einmal Alles mit Allem kombiniert werden und, noch besser." Alles kann Alles. 11
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Wie oft fragt man sich in Anbetracht eines neuen Geräts: "Was kann das denn?" Im Spiel stellt sich diese Frage nicht. Steine können sprechen, Häuser können fliegen, ein Stock ist ein Löwe und kann unter Wasser atmen solange er will. Kein Problem. Alles geht im freien Spiel ohne feste Regeln. Das sind die Basics. Man braucht dafür nicht einmal eine PS3-3DHolodeck-Supercloud-Konsole und muss auch nicht zum Toys"R"Us. Diese ursprüngliche Form des Spiels kann man immer und überall betreiben. Sie lässt sich zudem nur schwer verbieten und regulieren. Denn zumindest gedanklich kann man auch dann spielen, wenn man eigentlich so aussehen sollte als bearbeite man eine unheimlich erwachsene Excel-Datei. Kinder haben es leichter mit dem Spielen. J.M. Barrie schreibt in "Peter Pan", dass mit dem beginnenden Wissen über die Zwangsläufigkeit des Erwachsen-werden-Müssens ab dem zweiten Lebensjahr das Leben mehr oder minder fix den Bach runter geht. "You always know after you are two. Two is the beginning of the end", heißt es dort. Da ist was dran. Kinder haben eine andere Wahrnehmung als Erwachsene. Sie erleben wahnsinnig viel zum ersten Mal, sind ziemlich egozentrisch und empfinden die Welt als grundlegend beseelt. Ein Kindergehirn lebt in einem bedeutend intensiveren Gegenwartsfenster als das von uns Erwachsenen. Kinder sind ständig im "Jetzt". Ziemlich toll sowas. Und so können Kinder wirklich gut im Spiel versinken, "Polarisation der Aufmerksamkeit" nannte die legendäre Pädagogin Maria Montessori das. Bis die Pizza kommt Wer seine Kindheit nicht in der Hölle verbracht hat, wird sich vage und wahrscheinlich nostalgisch verklärt an diese seltsam magische Dauergegenwart voller belebter Dinge erinnern können. Als ich ein Kind war, war mein größter Traum, einen Roboter zum Freund zu haben. Die 1970er waren voll von Raumschiffen und Robotern, in jeder zweiten Kindersendung gab es einen freundlichen Roboter, nur nicht in meinem Kinderzimmer. Seit die Mikroelektronik und
Claus Richter (*1971) lebt und arbeitet in Köln. Als Künstler und Autor beschäftigt er sich mit Fluchtwelten, Kulissen, Themeparks und den köstlichen Versprechungen der Konsumkultur. Seine umfangreiche Spielzeugsammlung ist vom 31.10.2013 bis zum 19.1.2014 in der Ausstellung "Forever Young" in der Kunsthalle Nürnberg zu sehen.
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Spielzeughersteller und Entwickler versuchen die "Willing Suspension of Disbelieve" unnötig werden zu lassen. Das Spielzeug soll nun endlich lebendig werden.
Elektromechanik Einzug in die Spielzeugproduktion gefunden hat, hat sich einiges getan. Mark Tilden von Wowwee brachte beispielsweise mit dem Robosapien und seinen unzähligen Varianten in den frühen 2000ern einen Roboter in die Kinderzimmer, der auf den ersten Blick ein bisschen mehr kann als die Anstoß-Wendeautomatik-Roboterchen meiner Kindheit. Schade nur, dass Wowwee unter "Persönlichkeit" hauptsächlich eine unangenehm übergriffige Mischung aus Castingshow-Tanzvorführung und SprücheklopferIdiotie versteht. Rülps, Furz, Schlapplach. Caleb Chung, der uns schon die herrlich nervigen Furbys brachte, entwickelte 2007 für Ugobe das elektromechanische Dinosaurierbaby "Pleo", voll mit Sensoren und Servos, doch der recht steile Preis und der weiterhin begrenzte Aktionsradius des kleinen Dinos ließ Pleo floppen. Tomy, ein Hersteller der schon in den 1980er-Jahren mit seiner Linie von Omnibot-Robotern futuristische Spielzeugträume in die Kinderzimmer brachte, entwickelte ebenfalls 2007 mit dem "I Sobot" einen winzigen aber fast vollprogrammierbaren Roboter, der dieses Jahr mit dem "I Sodog" einen Sonys "Aibo" nicht unähnlichen Hund als Kollegen bekommt. Doch all diese Roboter sind empfindliche, fragile Kunstwerke, man kann mit ihnen nicht durch Wälder streifen, in Pfützen spielen oder Plätzchen backen. Ein Roboterspielzeug, dass mir gefiele, wäre "Teddy" aus Steven Spielbergs "A.I.": voller Güte, leicht naiv und immer für einen da. Ein real existierender imaginärer Freund. Wird es das jemals geben? Braucht es eine K.I.? Wie viele Servos und Algorithmen braucht ein Roboter-Teddy um lebendig zu werden? Wie viel Rechenpower und Fotorealismus braucht ein Videospiel, um über die übliche Immersion hinaus wirklich real zu werden? Spielen findet immer in einem unsichtbaren Zwischenraum statt, den der Psychoanalytiker Donald Winnicott als "Intermediären Raum" bezeichnete. Wie aber könnte man all die Dinge, die dort geschehen in die Welt treten lassen? Es ist der alte und wundervolle Traum, die Fiktion in die Realität zu holen. Samuel Taylor Coleridge schrieb schon 1817 von der "Willing suspension of disbelief" um zu erklären, wie wir Menschen das machen, dieses Abtauchen in die fiktive Welt der Prosa, der Poesie, des Theaters, des Films, des Spielens. Man lässt sich ein, begibt sich in eine Zwischenwelt, in der man willentlich jeden Zweifel am Fantastischen ausblendet. Klingelt es an der Tür, ist der Film zu Ende, man verlässt diesen flirrenden Zustand und nimmt doch immer etwas daraus mit. Manchmal ist es auch der eigene Körper, der einem die Grenzen der Welten
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deutlich macht. Wer jemals stundenlang in einem Videospiel abtauchte, merkt spätestens wenn der Magen knurrt, dass es Zeit ist, wenigstens für zehn Minuten "auszusteigen" und den Pizzadienst zu rufen. Was Spielzeughersteller und Entwickler nun seit einiger Zeit versuchen, ist diese "Willing Suspension of Disbelieve" unnötig werden zu lassen. Das Spielzeug soll nun endlich lebendig werden. Lebendige Toys Wenn eine Spielwelt wirklich die Grenze übertreten soll, müssen die Charaktere ein eigenes, autonomes Leben haben, sie müssen in unserer komplett irren Welt überleben können. Und das ist schwer. Siehe "Pinocchio", siehe auch "David" in Spielbergs "A.I.". In Neal Stephensons Buch "Diamond Age" wird die elektronische "illustrierte Fibel für die junge Dame" daher auch trotz vorherrschender Nanotechnologie von einem ganzen ausgelagerten Team aus Erzählern, Pädagogen und Fachleuten gesteuert. Nur so ist es möglich, ein wirklich kommunizierendes Buch zu erschaffen, dem es dann sogar gelingt die kleine unterprivilegierte Nell, der diese Fibel in die Hände fällt, zu einer selbstbestimmten jungen Frau werden zu lassen. Und doch sagt meine eigene Spielerfahrung mir, dass so etwas auch mit einem "normalen" Buch geht, dass jemand, der
ganz im Spiel mit einem geliebten Stofftier versinkt, durch sein eigenes Zutun eine lebendigere Figur erschafft als jedes noch so advancte Spielzeug und Videogame es heute beherrscht. Ich spreche viel mit Stofftieren, ich weiß in diesem Fall wirklich, wovon ich rede. Aber die Entwicklung ist und bleibt spannend. Spielzeuge sind wundervolle Dinge, und Spielen vielleicht der schönste Freiraum im Leben. Ich bin nun fast 100 Jahre alt, habe von Bauklötzen, Lego, Playmobil, YPSGimmicks, absurden Brettspielen, dem ersten mit Datasette hochgeladenen "Frogger" auf dem ZX 81 über all die gerippten C64-Spiele, die langen Atari-Pitfall-Tage mit Chips und Cola bei Doerings im Keller und die sehnsüchtig in der Spielzeugladenvitrine begafften Game&Watch-Spiele den Aufbruch des elektronischen Spielzeugs tatsächlich und leibhaftig als Kind erlebt. Und immer noch sehne ich mich nach einem kleinen freundlichen Roboter, der mit mir durch Wälder streift und in Pfützen springt. Also bitte: Go, Spielzeugindustrie, Go!
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Text Sascha Kösch
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Die Videospiele entgleiten ihren Behältern. Sie kriechen in die Realtwelt hinein, beseelen totes Spielzeug und lösen Versprechen ein, die kein Heimautomations-Kühlschrank bisher zu erfüllen vermochte: die vom entgrenzten Zusammenspiel. Ich gegen den Computer gegen die Welt. Wer sich noch an die Vorstellung von iOS 7 erinnert, genauer an die Demonstration von Anki mit ferngesteuerten Autos, der hat einen Eindruck davon, wohin die Verschmelzung von Tablets mit Spielzeug führt. Robotics, Artificial Intelligence, Tablet-Kollaboration von Hardware und Software. Doch einen Schritt zurück. Wir hören schon lange, dass Tablets etablierte Hardware verdrängen wird. Die PC-Verkäufe schlummern langsam ein, Tablets und Steve Jobs Post-PC-Generation haben übernommen. Doch warum sollte man einen kleineren Screen gegen einen größeren mit obendrein freierer Software und halb so knebelndem Ökosystem eintauschen wollen? Die Antwort, fürchten wir, ist komplex - und da kommen endlich auch die Spiele ins Spiel. Die Grenze zwischen dem Screen und der Realität droht nicht nur für Unkenrufer aus dem digitalen Kulturpessimismus zu verschwinden, oder den nie ganz aus dem Sonderling-Status herauswachsenden ARWelten, sondern ganz banal bei den Kids. Die sehen nämlich konzeptionell erst mal keinen Unterschied zwischen einem normalen Spielzeug und einem iPad. Die Konzentration liegt auf dem Spiel. Nicht auf der GadgetGattung. Und Aufgabe der intelligenten Spiele in diesem Zwischenraum wird vor allem sein, diese Grenzen verschwimmen zu lassen. Eines der ersten Produkte dieser Generation ist dabei so enigmatisch wie es aussieht: Sphero, ein kleiner Ball, durch ein Smartphone oder Tablet ferngesteuert. Ein kleiner Roboter ist das Teil obendrein. Leuchtend, perfekt um Katzen zu ärgern, ein erster, runder Ausblick auf die Steuerung der Welt durch die selbst zum intelligenten Controller gewordenen tragbaren
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Minicomputer. Das Spiel dabei ist so offen wie nur möglich. Egal ob einem Sphero einfach nur hinterherläuft, Lichtspiele mit einem veranstaltet, Bowling oder Bürogolf amüsanter macht, oder auf dem Screen in virtuelle Spiele eingebettet wird: Der Bildschirm ist nur noch ein Teil der digitalen Realität. Wir haben sie in die reale Welt entlassen. Anki machte das auf der iOS-Präsentation noch klarer: Eine Art Carrerabahn mit Freilauf, auf der nicht nur das iPad im Hintergrund mitdenkt, sondern auch die Autos selber, die mit Sensoren für Unfallvermeidung und Positionsbestimmung, Kameras und so weiter ausgestattet sind. Das sind Videogames in der realen Welt. Nicht nur mit überlagerten Screens, sondern mit nichtmenschlichen Mitspielern, Gegenständen, die eigenständig ins Spiel eingebunden werden können. Am Ende ist für Anki eine neumodische Spielzeug-Rennbahn herausgekommen, bei der man eben auch gegen autonome Autos spielen und unsichtbare Waffen einsetzen kann, die in der realen Welt Auswirkungen haben. Wer hätte gedacht, dass sich eine AI- und Robotics-Firma irgendwann als der hippste Scheiß unter dem Weihnachtsbaum als ausgerechnet Autorennen entpuppt? Die Ansätze dafür sind noch älter. Sie folgen alle einer klaren Leerstelle in der Spieleindustrie: Videogame- und Filmemarken überfluten mit Merchandise schon lange den Spielzeugmarkt. Allein die "Star Wars"-Lizenzen füllen mit unzähligen Branding-Produkten ganze Regale. Aber dieses Spielzeug ist dumm wie 'ne Socke. Ihnen entgegen stehen Spielzeug-Electronics, die im schlimmsten Fall Lerncomputer mit Grusel-LEDs sind, im besten Fall Lego Mindstorm. Nicht selten landen solche Spiele nach einer Woche Begeisterung über die erfüllten Markenwünsche dann irgendwo in der Ecke, weil die Versprechen (z.B. Laserschwert-Kämpfe wie im Film) nicht eingelöst werden. Die Verschmelzung von Mobiles und realen Dingen aus der Spielzeug-Welt ist hingegen noch sehr neu und dürfte diese beiden Märkte - Mobiles & Toys - dennoch in Kürze unter sich begraben. Nicht, weil Videogames eh längst der größte Entertainment-Faktor unter der Sonne sind, oder Kids alle zu digitalen Junkies geworden sind. Sondern weil dieses Zusammenwachsen in den Köpfen der Kinder eh längst als Fantasie stattgefunden hat und an dieser Fantasie sich die Industrie wird messen müssen. Viele Produkte dieser Umbruchsgeneration sind banal. Bestseller Angry Bird hat die Zeichen der Zeit schnell erkannt und für seine "Star Wars 2"-Edition Telepods eingeführt. Das sind reale Spielfiguren, die man - denkbar mono-interaktiv eigentlich - ins Spiel teleportieren kann. Das stärkt natürlich die AddOnVerkäufe, auch wenn es dem Spiel nichts wesentliches hinzuzufügen hat, ist aber über die Beamen-Metapher ganz gut integriert.
Die Richtung ist klar: weg von der Simulation von Spielen auf iPads, weg von exotischen Game-Controllern für Tablets, hin zur umfassenden Integration der Sensoren, mit denen ein mobiles Gerät vollgepfropft ist.
Lego hatte mit "Life Of George" auch schon sehr früh eine einfache Kombination von Tablet und Real-Life im Portfolio, bei der die App aber eher instruktives Begleitmaterial und Gamification-Kontrolle war. Zunächst für Ältere gedacht, musste Lego das aber dennoch schnell für Kids umbranden. Natürlich wird es noch eine Weile dauern, bis wir Konzepte wie BotSee von Wowwee überwinden. Das Spiel als Tablet-Dock, das in einen putzigen Roboter integriert wird und mit kleinen Klötzen interagiert, die auf dem Screen irgendwelche Aktionen auslösen. Oder GameChanger Board-Games mit Tablet-Dock in der Mitte. Aber die Richtung ist klar: weg von der Simulation von Spielen auf iPads, weg von exotischen Game-Controllern für Tablets, weg von dem Screen als Zusatz und Bonusanimation für Spiele hin zu einer tiefen Integration der Sensoren, mit denen ein Mobile heutzutage vollgepfropft ist. Also genau den Sensoren, über die intelligentes Spielzeug in eine Interaktion treten können, bei denen die Welt da draußen nicht mehr länger der dumpfe Gegenpart ursprünglicher Haptik ist, sondern ebenso "intelligent" auf die Geheimnisse hinter dem Screen antwortet. Und nicht ohne Grund sind die letzten Projekte des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zur Entwicklung modularer Roboter kleine Würfelchen, die aussehen, als wären sie Spielzeug. Sie in die gleiche, neue Richtung: weg vom Roboter in seinen diversen anthropomorphen oder tierischen Fantasien, hin zu den "building blocks" von Spielen. Intelligente Dinge für Kids werden wohl längst Alltag sein, wenn irgendwelche intelligente Kühlschränke sich heimautomatisiert im Internet Brause kaufen gehen.
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Text Felix Knoke
bild b flickr.com/dinkydivas, lord_dane
dort quasi als Idealtypus vorzuführen. Einer der spannenderen Ansätze ist da noch Hannu Rajaniemis "The Quantum Thief", in dem sich eine Gesellschaft selbst als Spiel gebiert. Gamification-Blödsinn als Gesellschaftsgrundlage.
Roboter sind in der ScienceFiction ein Universalspielzeug, das alle anderen ersetzt, ein finales Spielzeug. Soziale Prothese und Spielzeug in einem. Ein Trend, der längst auch in der Gegenwart zu beobachten ist.
d Das Spielzeug der Zukunft, wie es derzeit auf Messen und Konferenzen vorgeführt wird, besteht aus exotischen Materialien, ist programmierbar oder verbindet mediale Ebenen. Was hingegen fehlt, sind echte Visionen, wie wir in 20, 30 Jahren, geschweige denn in 5.000 spielen werden. Aber wie könnte so eine Science-Fiction des Spielzeugs aussehen - und warum gibt es sie nicht längst? Wir sprachen mit dem Scifi-Experten Bernd Flessner. Spiel ist das Gegenteil von Arbeit, Spielzeug das Gegenteil von Werkzeug. Waffen jedoch sind Zwischenwesen. Sie erfüllen einen Zweck, aber den mit einer geradezu naturalistischen Vehemenz. Sie sind ein mörderischer, spielerischer Ausdruck der natürlichen Grundlage des Menschseins. Waffentechnik spielt in den Zukunftsentwürfen der Science-Fiction-Literatur eine wichtige Rolle. Sie ist eine Technik, die ganz einfach in die Zukunft extrapoliert werden kann, immerhin steht ihr Zweck ja fest: Vernichtung, möglichst effektiv und effektvoll. Spielzeug ist in der ScienceFiction hingegen reichlich unterrepräsentiert. Dabei müssten sich diese "Grundlagen eines Spiels" doch wie auch Waffentechnik hervorragend weiterspinnen lassen. Wenn Spielzeug in der Science-Fiction auftaucht, dann als Trope. Sie sind nicht Selbstzweck, sondern sollen "Freizeit" signalisieren: Hier lässt es sich gerade jemand gutgehen; ein Protagonist existiert nicht nur als Funktion ("Captain Picard"), sondern auch als Privatperson ("Jean-Luc"). Dass aber Spiele und Spielzeug eine eigene Rolle spielen, dass an dieser Hardware die Zukunft entwickelt wird, ist reichlich selten. Ian Banks schrieb mit "The Player of Games" zwar einen ganzen Roman über einen intergalaktischen Zocker, der in einem aufwändigen Brettspiel zwei Gesellschaftssysteme kollidieren lässt. Das Spiel an sich und sein Spielzeug, die Figuren und Spielfelder aber, sind reichlich analog. "Risiko" in riesig. Beliebt ist auch eine Gesellschaftskritik anhand von "Lebensspielen", bei denen Kandidaten ihr Leben vor Kameras in einem Wettkampf auf dem Spielplatz Welt auf's Spiel setzen. "Battle Royal", "The Hunger Games" oder "Das Millionenspiel" machen damit nichts anderes, als aktuelle Normen der Gesellschaft in Spielregeln zu übersetzen und diese
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Lego der Zukunft? Fehlanzeige! Aber Spielzeug, die Essenz von Spiel, das Zusammenfallen von Regelsystem und Werkzeug? Da sieht es düster aus. Es gibt animierte Kuscheltiere, beseelte Puppen und Zukunftsversionen von Druckern, die Lebewesen und Gegenstände "backen" können. Es gibt Waffen, unendlich viele Scifi-Waffen und passende Schutzsysteme, es gibt Unsichtbarkeits-Gadgets und seltsame Hyperräume. Und es gibt Sexspielzeug, das Konventionen umwirft, unterläuft oder ersetzt. Aber was es nicht gibt, ist das Lego, der Kreisel, der Stock der Zukunft. Und die Frage ist natürlich, ob es das überhaupt geben könnte. Die Zukunft des Spiels passiert derzeit im Computerspiel. Die Vorstellung ist, dass im Computer Dinge jenseits dieser Welt entstehen können und - quasi durch Bildschirm und Controller übersetzt - manipuliert und also auch gespielt werden können. Aber das Computerspiel an sich ist kein Spielzeug, und erst recht nicht eine Spielkonsole oder Computer. Mithilfe des Computers können Spielzeuge erschaffen werden, die aber nur innerhalb des Computers mit Computermitteln benutzt werden können. Das Computerspiel wiederum ist so ein System, ein Meta-Spielzeug, innerhalb dessen "virtuelle" Spielzeuge benutzt werden können. Solche Beschreibung sind freilich unbefriedigend. Aber sie machen klar, warum eine theoretische Entwicklung von Spielzeugen der Zukunft so schwierig ist: Was ein Spielzeug ist, ist einfach schwer zu fassen. Wichtige Kennzeichen sind Reduktion und Abstraktion. Eine Puppe ist ein reduzierter, abstrahierter Mensch. Alle Gegenstände können ein Spielzeug werden, wenn man ihnen eine reduzierte, abstrahierte Funktion gibt: Aus einem Stock wird ein Schwert oder ein Pferd, aus einem Stein ein Berg oder Teil eines Musters. Spielzeuge entstehen durch diese Funktionszuweisung und spiegeln damit - in ihrer Verwendung, nicht in sich! - immer gesellschaftliche Zustände wieder. Eine Waffe kann ein Spielzeug sein, eine Gesellschaft kann ein Spielzeug sein. Mit Spielzeug kann man Spiele spielen, also Regelsysteme ausspielen - aber sie funktionieren auch nach viel einfacheren Mustern: als Balanceakt, als Hindernis, als Stellvertreter. Dieses Prinzip nun in die Zukunft zu holen, ist nicht sonderlich spannend
- es zu erkennen sogar schwer, erklärt der Erlanger Science-Fiction-Experte Bernd Flessner: "Die Zukunft ist von verschiedenen Konvergenzen geprägt, etwa der von Mensch und Maschine. Spielzeug ist in der Science-Fiction kaum oder gar nicht von anderen sozialen/kulturellen Errungenschaften zu unterscheiden. Auch die Übergänge zwischen Kinder- und Erwachsenenspielzeug sind ausgesprochen fließend. Man könnte auch sagen, das Spielzeug emanzipiert sich in der Science-Fiction von seiner klassischen Funktion, ähnlich, wie sich die Kindheit emanzipiert." Diese These kann Flessner mit einer der spannendsten und ältesten Science-Fiction-Figuren untermauern: Pinocchio, dem Spielzeug, das keines mehr sein will. Die moderne Fassung des Pinocchios ist der Enterprise-Androide Data: "Data ist Spielzeug, Spieler, Puppe und Offizier in einem und definiert so das Spielzeug neu" - irgendwo zwischen Mensch, Spielzeug und Werkzeug, eine Parabel auf den modernen Menschen. Klar ist: was Spielzeug, was Kreatur ist, bestimmt der Mensch, Data/Pinocchio bleibt nur die Strategie des Sich-möglichst-menschlich-Gebens - und so Verdächtig-Bleibens. Für Zukunftsforscher Flessner zählt der Roboter zu den beliebtesten Spielzeugen für Kinder und Erwachsene in der Science-Fiction - ein Spielzeug, das mehr ist, wie Ray Bradbury in "Ich singe den Leib, den elektrischen" eine Roboter-Oma bewerben lässt. "Das trifft den Nagel auf den Kopf," sagt Flessner, "denn auch in unzähligen ScienceFiction-Storys sind Roboter und Androiden nichts anderes als humanoide Kinder- und Erwachsenenspielzeuge. Roboter sind gewissermaßen das Universalspielzeug, das alle anderen ersetzt, also ein finales Spielzeug. In fast allen Storys sind Roboter soziale Prothesen und Spielzeug in einem. Ein Trend, der längst auch in der Gegenwart zu beobachten ist."
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Zukunft ohne Spielzeug
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Das Computerspiel an sich ist kein Spielzeug. Spielkonsolen und Computer können jedoch Spielzeuge erschaffen, die aber nur innerhalb des Computers mit Computermitteln benutzt werden können. Das Computerspiel wiederum ist so ein System, ein Meta-Spielzeug, innerhalb dessen "virtuelle" Spielzeuge benutzt werden können.
Fremde Planeten, alte Bekannte In der Gegenwart heißt der Roboter noch Computer: eine Hülle, die mit Geist gefüllt werden kann, oder zumindest mit Sinn. Dieser Sinn kann auch einfach ein Mensch sein - die Hülle heißt dann Cyberspace, Virtual Reality, Holodeck. "Die erste Schilderung so eines Holodecks findet sich in dem Roman 'Ich lebte im Jahr 3000', den Werner Wehr (Heinz Gartmann) 1959 veröffentlichte. Dort heißt es 'Cinerama', ähnliche Einrichtungen gibt es auch bei Lem ('Transfer') und anderen Autoren; meist werden in ihnen Rollenspieler aller Art in realistischer Umgebung veranstaltet"; bei Crichton in Form eines magischen Erlebnisparks voller Dinosaurier. "Die umfassendste Form dieses Spiels und eines der größten Spielzeuge der Science-Fiction ist der Synchronstrahl aus dem Roman 'Der Orchideenkäfig' von Herbert W. Franke", sagt Flessner. "Mit Hilfe dieses Strahls können sich die Teilnehmer des Spiels als Avatare auf andere Planeten versetzen lassen. Der fremde Planet mit der dortigen Zivilisation wird so zum Riesenspielzeug. Ein anderes Interesse an fremden Kulturen haben die Menschen
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dieser Zukunft übrigens nicht. Sie forschen also nicht oder suchen den Kontakt. Sie wollen nur spielen, die fremden Kulturen sind nur Schauplatz und Kulisse. Gewissermaßen die reale Variante des Computerspiels." Aber Spielzeug im herkömmlichen Sinne? Magische Gegenstände? Davon hat auch der Experte nur selten gelesen. "Entweder ist das Spielzeug ein weitgehend bedeutungsloses Accessoire - oder es hat eine bestimmte Aufgabe. Zum Beispiel in Philip K. Dicks 'Zur Zeit der Perky Pat'. Ferne Zukunft, zerstörte Erde. Es gibt nur noch einige unterirdische Siedlungen. Doch statt sich mit wirklich relevanten Dingen und Zielen zu befassen, spielen die Menschen mit einer Art Barbie-Puppe, der Perky Pat. Die verschiedenen Siedlungen wetteifern untereinander, wer die beste Puppe und die beste dazugehörige Puppenstube hat. Für diesen Wettbewerb opfern sie fast alles und setzen ihr Leben aufs Spiel. Zwar versuchen intelligente Marsianer, den Menschen zu helfen, aber bei dieser Denke der Menschen haben sie keine Chance." Sich die Zukunft verdaddeln, für solche Dystopien braucht es keine Marsianer. Spielen ist immer auch die Abwesenheit von Arbeit, "gamifizierte" Arbeit noch immer Arbeit. In einer Zeit aber, in der die Arbeit knapp wird, wird sich das Spielen verbreiten. In der Zukunft wird man sich noch ordentlich die Zeit vertreiben müssen, hoffentlich
nicht nur mit nach Selbstoptimierungsnormen gestrickter Spiel-Pädagogik. Dann wird auch die PinocchioFantasie des Computerspiel-Designers Peter Molyneux aus DE:BUG 79 nicht mehr fern sein: "Ich wage die kühne Behauptung – und dabei müssen Sie berücksichtigen, dass ich der Geek der Geeks bin, ich liebe Computerspiele über alles –, dass mein bester Freund ein KI-Charakter sein wird, den ich in einem Spiel treffe. Dieser beste Freund wird wissen, was ich mag, wir werden gemeinsame Interessen haben. Ich werde mit ihm reden können, er wird von meinem Leben fasziniert sein. Wenn wir ein paar Jahre in die Zukunft blicken, dann sollte man in der Lage sein, einen persönlichen Freund innerhalb des Computerspiels zu haben. Er wird etwas ganz Besonderes sein, ein Freund, der einen durch viele Spiele begleiten wird." Doch je weiter so eine künstliche Intelligenz reift, desto mehr wird sie die Eigenschaften eines Spielzeugs abstreifen und sich so fast zwangsläufig emanzipieren. Das Spielzeug könnte sich gegen den Spieler stellen, verrückt werden, krank sein - und dem Spieler eine Entscheidung aufdrängen: Will ich spielen, oder erwachsen werden? In so einer Zukunft wird es keine Spielzeuge der Zukunft geben. Das Spielzeug wäre die Vergangenheit, eine Erinnerung an eine un-smarte Zeit, in der die Funktion eines Gegenstandes nur von dem Benutzer, dem Spieler festgelegt wurde.
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Der Geist und die Maschine
Smarte Würfel: Für sich allein sind sie bessere Pokemons, bringt man sie zusammen, entwickeln sie ein Eigenleben. sifteo.com
Es gibt eine neue Art von Spielzeug: programmierbare Roboter & Drag-'n'-Drop-Bots. Die Idee ist ganz einfach: Das Spielzeug ist eine leere Hülle, ein Haufen Sensoren, eine Schublade voller Aktore. Wie die zusammenarbeiten, aufeinander und auf die Welt reagieren, das bestimmen die Spieler durch etwas Programmierarbeit. Das Spiel ist das Basteln mit diesen Regeln - und der Moment, wenn man die Kreatur auf die Welt oder andere Roboter loslässt. "Wenn du vor dir Licht siehst, dreh dich nach links" lauten solche Regeln. Oder: "Fahr im Zufallsmuster durch's Zimmer, bis du an ein Hindernis stößt. Dann rufe um Hilfe." Oder: "Wenn du einen Hilferuf eines anderen Roboters hörst, fahre dem Ruf hinterher." Dieser Ansatz ist natürlich nicht neu. Mit den Tit-forTat-Experimenten der frühen Spieltheorie, Conways Game of Life, den "AI Challenge"-Programmierspielen und den Konfliktsimulationen im Kalten Krieg hat die Akademia schon lange mit einfachen Regeln komplexes Verhalten simuliert. Doch als Spielzeug steht ihm nun eine neue Zukunft bevor. Einfache Regeln beherrschen auch Kinder. Durch ihre Kombination entstehen "emergente" Muster, so etwas wie Leben. Mit einfacher Drag-'n'-Drop-Arbeit kann blechernen Hüllen ein Geist eingehaucht werden, die Puppe erwacht. Kinder sollen programmieren lernen, das kann man so gelten lassen. Tatsächlich dürften viele Aspekte der zukünftigen Welt wohl durch verschleierte Kommandozeilen ("Siri") gesteuert werden, also durch Aneinanderreihung und Verknüpfung von Befehlen, Auslösern und Bedingungen. Für so einen Umgang mit der kybernetischen Welt soll das Spiel mit den Regeln ausbilden. Aber es funktioniert eben auch einfach als Spiel - weil solche Roboter viel mehr mit herkömmlichem Spielzeug gemein haben, als etwa mit Computerspielen. Die Spieler weisen einem Gegenstand eine abstrakte, reduzierte Funktion zu und machen es so erst zum Spielzeug. Und so, wie ein Stück Plastik in der Fantasie zum Raumschiff wird, wird ein Stück Schaltkreis mit Rädern durch Code zur Puppe. Die Zuschreibung "das lebt, das reagiert", entsteht im Kopf der Spieler. Der Geist in der Maschine ist in einem wie im anderen Fall die kreative Schöpfung jenseits der Vorgaben des Spielzeugs. Das Spiel entsteht im Geist - und durch Geist.
Kinetisches Spielzeug mit Modul-Funktion: Die Apparate von Yuichiro Katsumoto loten die Grenze zwischen einfach und komplex, intelligent und primitiv.haptisch aus. yuichirock.com
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Klassiker der Heimrobotik: Lego-Mindstorms zur Verteidigung des Kinderzimmers mindstorms.lego.com
Plug & Play aus dem Elektro-Baukasten. Vom Putzroboter bis zum Erdbebenlausche ist damit all das denkbar, was auf Sensoren und Aktoren angewiesen ist. atoms-express.com
Diese Gelenke haben ein kinetisches Gedächtnis und sind programmierbar. Sie zeichen Bewegungen auf und führen sie danach immer wieder aus. topobo.com
Zwischen Spielzeug und Musikinstrument schweben viele Projekte von Yuri Suzuki, hier beim Töne zum Auf-den-Tisch-Malen. yurisuzuki.com/works/looks-like-music
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Tablet & Spielbrett, die neuste Form von transmedialem Spielzeug hasbrozapped.de
2013 kehrte mit der Oculus-Rift-Datenbrille das VR-Versprechen zurück. oculusvr.com
Game-Controller zum Selberbasteln arduino.cc/en/Main/ArduinoBoardEsplora
Alte Formen und neue Inhalte: Elektrifiziertes Holzspielzeug reizt ganz clever Anachronismusund Ökotrigger gegeneinander aus. hikaruimamura.sakura.ne.jp/watashi/novel-toys-2
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Dieses Schaltkreis-Puzzle ist nur eine der vielen tollen Ideen von Yuri Suzuki. yurisuzuki.com/works/denki-puzzle
Erst basteln, dann Spielen mit dem OpenSource-Baukasten littlebits.com
Mini-Trend Custom-Spielzeug: Makies sind Wunschpuppen aus dem Internet-Baukasten. makie.me 23
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Battle unterm WeihnachTsbaum
Text Florian Brauer
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Die neuen Spielmaschinen
Microsoft und Sony aktualisieren Ende November ihre Spielkonsolen Xbox und PlayStation. Wer am ersten Verkaufstag eine ergattern will, wird vorm Elektrosupermarkt Schlange stehen müssen - die Vorbestellungskontingente sind längst ausverkauft. Aber muss das überhaupt sein, Xbox One oder PlayStation 4?
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Der Begriff Spielkonsole trifft die Sache ja längst nicht mehr: Wer sich zwischen Xbox und PlayStation entscheidet, entscheidet sich für ein ganzes Ökosystem mit Entertainment-Kanälen, Community, Video-Streaming, Musik, einem Bezahl- und Belohnungssystem, Basis- und Exklusivangeboten und nicht zuletzt den "perfektesten Videogames", die es "je zu spielen gab". Man muss hervorheben, dass für Sony und Microsoft einiges auf den Spiel steht, denn der geneigte Konsument entscheidet sich zunächst nur für ein Gerät und damit sind die Anteile des Kuchens vorerst klar verteilt. Fehltritte im heiß umkämpften Marktsegment der Videospielkonsolen und den inzwischen zugehörigen Anteilen der digitalen Unterhaltung hätten für beide Konzerne schwerwiegende Folgen. Selbst bei Nintendo, wo man sich bisher immer eindeutig als Spielzeughersteller definiert hat, ist man mit der Wii U, die seit etwa einem Jahr auf dem Markt ist, mit verbesserten Grafikprozessoren und einer Öffnung für Spiele von Dritthersteller einen weiteren Schritt in Richtung KonsolenMainstream gegangen. Hier verhält man sich aber antizyklisch und hofft, im richtigen Moment mit einem genialen Coup die Branche umzukrempeln, wie damals, mit der Wii und den inzwischen überall standardmäßig zugehörigen Motion Controllern. Im Vorfeld des fast gleichzeitigen Launch von Xbox One und PS4 analysierte die Games-Szene jede Pressemitteilung kritisch, um herauszufinden, auf welches Pferd man setzen sollte. Einige Ankündigungen Microsofts zu strengerem DRM von gebrauchten Spielen und die Diskussion um den Online-Zwang der Xbox One sind inzwischen vom Tisch, wohl auch, weil diese Themen bei Sony ganz ähnlich gehandhabt werden. Auch in Fragen der monatlich gebührenpflichtigen Mitgliedschaft im Playstation-Plus-Netzwerk, beziehungsweise bei Xbox Live Gold, verfolgen beide die gleiche Preis-Leistungs-Politik. Überhaupt ist es schwierig, grundsätzliche Unterscheidungen der beiden Konsolen herauszustellen. Beide nutzen gleiche Prozessoren, haben die selben Festplatten und auch sonst bezüglich der Leistung und unterstützten Formate keine endgültig überzeugenden Kaufargumente.
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Xbox und Playstation nutzen gleiche Prozessoren, haben die selben Festplatten und auch sonst bezüglich der Leistung und unterstützten Formate keine endgültig überzeugenden Alleinstellungsmerkmale. Das Ökosystem und dessen Flair entscheidet - und der Preis.
Das Ökosystem entscheidet Und der Preis: Die PS4 wird 400 Euro kosten, die Xbox One hundert Euro mehr. Dafür ist bei Microsoft der KinectSensor enthalten, die technisch beeindruckende Gestenund Sprachsteuerung, mit der sich viele Funktionen der Konsole bedienen lassen und in die man bei Microsoft große Hoffnungen setzt. Außer Tanz- und Sportspielen sind aber innovative Konzepte für Kinect wegen spürbarer Latenz immer noch rar gesät. Das Sony-Äquivalent, das Playstation Eye, kann separat erworben werden. Neue Horizonte in Hinsicht auf Hardware eröffnen vor allem die Möglichkeiten des Cross Plattform Gaming und der "Companion-Apps". Auch das hat sich in der Vergangenheit mit der PS Vita und Nintendos TabletController, wo man von asynchronem Gameplay spricht, schon angedeutet. Die Spiele und Anwendungen verlassen die Konsole als stationäres Games-Center und können jetzt mitgenommen werden. Vor allem verspricht Microsofts Smart-Glass-Applikation für mobile Geräte interessante Erweiterungen der Spielperspektiven und Bedienmöglichkeiten. Ein gutes Beispiel für eine Companion-App liefert der Überwachungs-Thriller Watchdogs, bei dem Mitspieler von außen über ihr Tablet mit der zugehörigen App ins Spiel von Freunden eingreifen können und beispielsweise Kameras und Hubschrauber ansteuern. Ein anderes Beispiel sieht man bei Sony in der plattformübergreifenden Marke Invizimals, einer sammel- und erweiterbaren Figurenwelt, die sowohl im Kinderzimmer, als auch auf Handheld, Konsole und über eine Fernsehserie transmedial miteinander verknüpft wird. Aufgrund größerer Leistung und verbesserter OnlineFunktionalitäten werden die Spielwelten komplexer und noch mehr auf Multiplayer ausgerichtet sein. Die sogenannten Massive Multiplayer Online Games (MMOG), die bisher hauptsächlich über PC gespielt wurden, finden ihren Platz nun auf den Konsolen und entwickeln da ein Eigenleben, auch wenn man selbst gerade nicht mitspielt. Viele dieser Welten sind free to play, also erstmal umsonst, bis man tiefer einsteigen will. Mit dem Trend der nachhaltigeren Spielwelten werden wir wohl auch das bereits prophezeite Verschwinden des physischen Datenträgers erleben. Zukünftig werden Spiele gestreamt, in der Cloud gespielt und mit ständigen Updates erweitert. Ein sehr positiv aufgenommenes Feature der neuen Konsolen betrifft das Gameplay-Recording. Interessante Spielszenen können jetzt aufgezeichnet und in der
Community vorgestellt werden. Diese Möglichkeit der Teilhabe anderer am eigenen Spiel könnte vor allem Trends wie Machinimas, Alternative-Gaming und Challenge Runs verstärken und Wege aufzeigen, auf welche Arten sich die Grenzen von Spielwelten ausloten lassen und wie mit User Generated Content die Spiele-Communities lebendig bleiben. Für den wichtigen Impuls frischer und innovativer Spielkonzepte soll die von allen Konsolenherstellern betonte Öffnung für unabhängige Entwickler sein. Wie genau aber eine solche Implementierung in die ansonsten hermetisch abgeschlossenen Systeme vonstatten gehen soll und welche Werkzeuge unabhängigen Entwicklern an die Hand gegeben werden, darüber ist noch nichts bekannt. Welche Konsole soll es also sein? Auch die Exklusivtitel zum Launch geben hier keine eindeutige Entscheidungshilfe. Weiß man doch schon länger, dass sich die Qualität einer neuen Konsole erst zeigt, wenn Entwickler die gegebenen Möglichkeiten besser nutzen können. Zwar gibt es die altbekannten Namen, wie Killzone bei Sony und auch eine neues Halo für die Xbox One, aber die echten Gewinner im Battle der Konsolen sind erstmal die großen Publisher Ubisoft, Activision oder EA, die entweder mit Exklusivverträgen oder sowieso plattformübergreifend ihre Dauerbrenner FIFA, Call of Duty, oder Assassins Creed herausbringen. Für mich klingt das trotzdem nach einem vielversprechenden Konsolen-Zyklus. Wahrscheinlich macht man mit keiner der beiden Konsolen irgendwas falsch. Es bietet sich aber gerade ein Wechsel des Ökosystems an, um das Gefühl der freien Entscheidung genießen zu können. Auch wenn man auf seiner bisherigen Konsole schon Community- und Spielerfolge gesammelt hat, bietet sich nun eine Gelegenheit die Konkurrenz anzutesten, um dann beim nächsten Mal sagen zu können, wo es einem besser gefallen hat.
DrEsDEn Alter SChlAChthof 10.11.2013
WooDkiD Mount KiMbie
sizarr
Xbox One erscheint am 22. November, PlayStation 4 am 29. November für ca 500 respektive 400 Euro.
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Computer Chess Die Welt ist kein Schachbrett
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text Christian Blumberg
Von den Gesichtern der Protagonisten bleiben oft nur Schemen. Fast geisterhaft muten sie an. So wie Programmierer vor 30 Jahren auf ihre Mitmenschen wirkten.
i Indie-Filmemacher Andrew Bujalski beobachtet Nerds, die in den frühen Achtzigerjahren ein Schachcomputer-Turnier ausrichten. "Computer Chess" stellt in erster Linie die eigenen technischen Parameter aus, erzählt deshalb aber umso subtiler von ganz menschlichen Angelegenheiten. 1979 übertrug das ZDF eine Schachpartie zwischen dem schottischen Meister David Levy und dem Großrechner CDC Cyber-176. Die Partie endete unentschieden. Levy erneuerte danach ein Wette um einen mittleren Geldbetrag: Für zehn weitere Jahren erklärte er sich im Duell gegen einen Computer für unschlagbar. Die Wette ging selbstverständlich verloren, wenn auch nur knapp: Erst 1988 unterlag Levy einer Software. Ein ähnlicher Wettabschluss steht am Beginn von Andrew Bujalskis "Computer Chess". Das Ausmessen der Kräfteverhältnisse zwischen Mensch und Maschine soll im Film der Höhepunkt einer Konferenz werden, die in erster Linie aus einem Turnier besteht, auf dem zuvor der beste Schachcomputer der USA ausgespielt wird. Programmierer, Experimentalpsychologen, Nerds sowie das universitäre Informatik-Team des MIT haben deshalb unförmige Rechner in ein Hotel verfrachtet, es ist ungefähr 1980. Eine der partizipierenden Crews tritt mit dem neuesten Modell aus Compaqs PDP-11-Reihe an. Stolz verweist man auf die Portabilität des Geräts: bei ebenerdigen Verhältnissen lässt es sich auf einem Rolltisch von nur zwei Personen herumschieben. Die Abdrücke, die ein solcher Transport im flauschigen 70er-Jahre-Teppich der Mittelklasse-Hotelanlage
hinterlässt, kann man nur erahnen. Denn Bujalski nimmt seinen RetroAuftrag überaus ernst. Waren seine bisherigen Filme auf 16mm gedreht, der Kamera des amerikanischen Underground-Kinos, hat er für "Computer Chess" alte, analoge Videokameras benutzt. Deren schwarzweiße Bilder sind nicht bloß kontrastarm, sondern von einer regelrechten flatness. Der Einsatz von Video birgt im Kino gewisse Gefahren, bleibt doch ein Versprechen der Leinwand unerfüllt, die Detailfülle. Bujalkis Film bedient sich daher eines einfachen Kniffs: Er macht die Videokamera zu einem seiner Hauptdarsteller. Sie bekommt eine eigene Einführungsszene, und die von ihr produzierten Bildfehler – das Einbrennen heller Bildpunkte, durchlaufende Störstreifen etc. – sind die optischen Attraktionen von "Computer Chess". Visuelles Rauschen soll im Kino meistens einen ästhetischen Bruch herbei führen. Bei Bujalski hingegen ist der Einsatz von Video keine bloße Retrostrategie, sondern die mediale Beglaubigung des historischen Kosmos. Seit Videokassetten outmodet sind, wirkt die fehlende Taktilität ihrer Bilder ein wenig unheimlich. Es ist ganz sicher kein Zufall, dass gerade der fantastische Film oft auf VHS zurückgriff, wenn er vom Auftauchen geisterhafter Existenzen erzählte. Von den Gesichtern der Protagonisten in "Computer Chess" bleiben oft nur Schemen, weshalb sie mitunter eben auch ganz geisterhaft anmuten. Vielleicht so, wie Programmierer vor mehr als 30 Jahren wohl auch auf Teile ihrer Mitmenschen gewirkt haben müssen. Als Nerds noch Nerds waren Oder wie Aliens mit naturwissenschaftlichem Diplom, einer geheimen Sprache und Gadgets aus der Zukunft. Bujalskis period piece versteht sich in erster Linie als vergnügliches Stück Zeitgeschichte, wobei das Vergnügen anfangs aus Stereotypen gezogen wird: einsame Typen mit schweren Hornbrillen und äußerst ungelenkem Auftreten bei der Partnersuche, diskutieren über die Grenzen der künstlichen Intelligenz und vermuten hinter dem Versagen eines Schachcomputers mindestens das Pentagon, beziehungsweise den "militärisch-industriellen Komplex". Bipolare Welt, Binärcodes, Schachbretter: Zunächst inszeniert Bujalski dies unter Zuhilfenahme authentischer Strategien, etwa solchen der Mockumentary und des
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20l3
festival elektronischer musik www.zkm.de/musik
Cinéma Vérité – die Bilder des Films werden immer an die die getische Anwesenheit dokumentierender Kameramänner zurückgebunden. Nun verfügt Bujalski 2013 über einen Blick der technologischen Überlegenheit. Doch dankenswerterweise, sonst wäre Computer Chess wohl recht stumpfe Comedy geworden, spielt er diese Position nicht gegen seine Figuren aus. Stattdessen kippt der Film nicht nur formal in einen zunehmend erzählenden Modus, fortlaufend werden kleine Nebenschauplätze eröffnet: Eine Gruppe Esoteriker trifft sich zu einer Art Erkenntnistherapie im Hotel. Von den Programmierern werden sie zunächst argwöhnisch begutachtet, die Unterschiede scheinen zumindest in Fragen von Ideologie und Gebaren (sie wühlen ihre Hände in Weißbrotlaiben und stöhnen vor Wonne) unüberwindbar. Später checkt, noch mysteriöser!, eine Horde Katzen ein. Und natürlich entwickelt einer der Computer ein widerspenstiges Eigenleben. Es verwundert kaum, dass das Mensch-Maschine-Duell, auf das hier doch alles hinauslaufen sollte, weder den Erwartungen der Figuren, noch denen des Zuschauers entsprechen wird. "Computer Chess" ist kein Film über Nerds und ihre Computer, eher einer über Kommunikationsprobleme. Über das Handeln und Nichthandeln in Situationen, in denen die eigenen Strategien nicht weiterhelfen. Die Welt ist kein Schachbrett – wäre dies allein Bujalskis menschelnde Lektion, die beleidigte Zuschauerintelligenz würde ihm eine kleben wollen. Sein zeit- und ideengeschichtliches Spiel aber ist zu kontrastarm und zu klug zum Moralisieren, auch zu leise. Es wird derzeit viel von einer Renaissance des USamerikanischen Indie-Kinos gesprochen. "Computer Chess" darf als weiterer Zeuge dafür gelten. Auch weil den Film eine Aura des Glaubhaften umgibt, was weniger mit dem Videomaterial als mit der Tatsache zu tun hat, dass Bujalski beispielsweise einen Informatikprofessor einfach von einem Informatikprofessor spielen lässt. So schön und einfach ist es. COMPUTER CHESS (USA, 2013) Regie: Andrew Bujalski Kinostart: 07.11.2013 Verleih: Rapid Eye Movies
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Text Thaddeus Herrmann
Jonsson /Alter "Das Echte liegt in der
Zukunft und nicht im Kauf einer überteuerten Drum Machine von 1982" Die beste HiHat der Welt klingt exakt wie das Schnarren einer Fahrradkette, die an der Abdeckung schleift, meinen Jonsson/Alter. Zum lang erwarteten zweiten Album stellen wir mit den Schweden die dringlichen Fragen nach der Authentizität. Bei Joel Alter brummt es. Laut und ausdauernd. Die Gegensprechanlage bespielt das frühabendliche Chaos in Berlin-Neukölln; die Eckfrequenz ist deep. Sanft blendet sich der Wahnsinn aus. Wir steigen hinauf gen nicht-ausgebautes Dachgeschoss; hinter der Wohnungstür ist sein Studio im Auto-Modus. Dort, wo andere Mieter ihre Mäntel aufhängen würden, in der Diele ganz rechts, ist das spärliche Equipment verkabelt. Alter schaltet um, beugt sich über die Plattenkiste, greift blind hinein, legt auf und drückt auf Play. Es duftet nach Abendessen, Henrik Jonsson positioniert die Weingläser, gießt ein. Alter nimmt Platz, steht sofort wieder auf und holt ein paar Pflanzen vom Balkon ins Warme: jetzt aber. "Das neue Album ist ein pulsierendes Rechteck", sagt Jonsson. So hätte ihm ein Bekannter "2" beschrieben, nachdem er ihm es vorgespielt habe, und da habe er dann doch die Basecap abnehmen und sich am Kopf kratzen müssen. Aber, erläuterte der Bekannte weiter, rechteckig im Sinne von klar strukturiert und sehr funktional. Und innerhalb der definierten Fläche, da vibriere es. Wir stoßen an. Auf den gefundenen Dancefloor. Denn ihr gemeinsames Debüt, "Mod" von 2011, beschrieb eine Graswurzel-Tanzfläche, die verteidigt werden will, die genau das behandelt, worum es in der Dancemusic immer ging: um die direkte und kompromisslose Konfrontation von Maschinen und den Händen, die sie bedienen. Es war aber auch eine LP, die vor allem zu Hause die Diskokugel anknippste, die jenen Rumms feierte und perfektionierte, den kaum jemand mehr wagt aufzulegen. Von dem man träumt, der aber vielleicht doch zu persönlich und ursprünglich spröde daherkommt. "2" klingt anders. Ist direkter. Steigt schneller ein. Und stellt die Kickdrum auf einen Thron, den man bei Jonsson/Alter zwar immer erahnte, den die beiden Berliner Schweden so aber noch nie in Tracks gegossen haben. "Live natürlich schon", sagt Alter. "Aber die Produktion der neuen Platte
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lief anders ab. Wir haben mehr Zeit damit verbracht, in die Tracks hineinzuhören, versucht, die Essenz auszumachen. Was ist die beste Richtung, die die Skizze nehmen könnte?" "Shaking out the kicks!", sagt Jonsson und lacht. "Ist das Drumprogramming der wichtigste Faktor in diesem Track? Dann haben wir daran gefeilt. Und wenn es eher die Chords und Flächen waren, die die Grundidee ausmachten, dann haben wir uns darauf konzentriert", fährt Alter fort. "Dadurch sind die Stücke für sich genommen besser ausbalanciert und haben einen schärferen Fokus." Synth. Kick. HiHat. Fertig. Es ist immer noch ein sanftes Herantasten aneinander. Irgendwann sind Jonsson und Alter in Berlin übereinander gestolpert. Alter der DJ und Produzent, Jonsson der, der vor allem mit seinen Releases als Porn Sword Tobacco Eindruck hinterlassen hat, einem Projekt, das eine Art Ventil bildete, um mehr als zehn Jahre erfolgreiche Arbeit in der Techno-Welt abzustreifen. "Ich hatte wirklich vergessen, welche Dynamiken den Club bestimmen. Was wie funktioniert und was eben auch nicht. Als wir dann nach der ersten LP anfingen, live zu spielen, kam das schrittweise zurück. So bin ich auch die Produktion von '2' angegangen. Raus mit dem ganzen Ballast, dem Rauschen, das ja auch auf der ersten LP ein tragender Bestandteil war. Komplette Reduktion. Synth. Kick. HiHat. Fertig." Die beste HiHat der Welt klingt laut Jonsson dann auch nicht einfach wie eine HiHat, sondern eher wie das Schnarren einer Fahrradkette, die an der Abdeckung schleift. Auf "Tribunen", einem darken Einton-Monster der neuen LP, kann man das exakt nachhören. Dabei ist die Platte überhaupt alles andere als eine berechenbare und exakte Wissenschaft, ein kalkulierter Kontrapunkt zum frei schwebenden und doch dringlichen Erstling. Denn "2" verbindet zwei Welten, die heute selten, viel zu selten auf Produktionen zusammen gedacht werden. Da ist das klar definierte, anschlussfähige Beat-Skelett, das überdeckt wird von einem so noch nie umgesetzten kompositorischen Feingefühl. Arsch auf Eimer? Eher Rose in der perfekten Vase. "Ich empfinde die Arbeit an unserem Projekt eher als Songwriting und nicht als Produktion von Tracks", sagt Alter. "Und es ist doch ein großes Missverständnis, dass Songs sich über Vocals definieren. Eine kleine Melodie kann das Persönliche, das Wiedererkennbare genau so gut widerspiegeln, wie Gesang. So entstehen in der Regel auch die Stücke. Wir sprechen miteinander. Über Bücher, Filme, Erinnerungen, die wir beide an Schweden haben
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und dann fängt einer von uns beiden einfach an. Jonsson/ Alter, das ist etwas sehr Persönliches. Ich brauche keine komplexen Beat-Arrangements, um anders zu sein. Ich bin einfach ich." "Das entwickelt sich auch stetig weiter", sagt Jonsson, "der Prozess ist noch längst nicht beendet." Ne touche pas mon 808 Ganz ohne Vocals kommt "2" dann aber doch nicht aus. "Brevet Hem" ist mit der japanischen Sängerin Kazumi entstanden, die sich nur alle paar Jahre wirklich dazu überreden lässt, ihren einzigartigen Gesang aus erfundenen Lauten und Versatzstücken gleich mehrerer Sprachen freizugeben. Ein Track, pardon, Song, der auch von Trevor Horn stammen könnte. Mit fokussiertem Slap Bass wie aus einem 12"Mix von Art Of Noise, weichen Chords und "diesem gewissen Extra an Emotion, was ich in Musik immer suche", sagt Jonsson. "Das ist natürlich vermessen, so etwas über ein eigenes Stück zu sagen, aber es sticht heraus". "Wir haben sogar einen Radio Edit davon gemacht. Mein erster überhaupt", sagt Alter. "Der erscheint als 7." Haben Radiosender heute überhaupt noch Plattenspieler? Heutzutage ist sowieso alles anders. In den Clubs haben Jonsson/Alter bislang eher indirekt Spuren hinterlassen. "Mod" ist eine der wichtigsten Inspirationsquellen der letzten zwei Jahre. Ideen und Sounds dieser Platte wurden von vielen Produzenten aufgegriffen und in ihren eigenen Tracks verarbeitet. Ein unbeachteter Ritterschlag in einem Business, "in dem immer weniger gewagt wird. So empfinde ich das jedenfalls", sagt Alter. Und plötzlich sind wir mittendrin in der alten Diskussion über oldschool und newschool, Laptop vs. Hardware, die überrissenen Preise für Rolands alte MaschinenGarde und der auch 2013 noch dringlichen Frage nach Authentizität. "Die liegt doch in der Zukunft und nicht im Kauf einer überteuerten Drum Machine von 1982", sagt Alter. "Ich muss meine 808 jetzt wirklich in Schutz nehmen", sagt Jonsson. "Die kann nämlich rein gar nichts für die Gebrauchtmarktpreise." "Es geht doch auch darum, so viel unterschiedliche Einflüsse in sich aufzusaugen wie möglich, wenn man selber Musik macht", setzt Alter fort. "Deshalb finde ich es auch überhaupt nicht schlimm, wenn Produzenten unsere Idee weiterentwickeln. Ich lebe jetzt schon eine ganze Weile in Berlin. Hier gibt es eine ganze Generation, die ausschließlich mit Techno und House aufgewachsen ist. Ich finde das problematisch, zu eingleisig. Aber es ist möglich, weil es die Clubszene gibt. In Schweden wäre das vollkommen undenkbar. Die paar Partys am Wochenende, die nimmt man zwar dankbar auf und mit. Man ist aber immer auch mit anderer Musik konfrontiert, die dann auch eine Rolle spielt. Je mehr Musik man hört, desto besser und einzigartiger wird man selbst. Wie man das dann produziert, ist vollkommen egal." "2" erzählt genau diese Geschichte in den schillernsten Farben.
N I LS P E TTE R M OLVAE R M O RI TZ V ON OS WAL D
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» Jonsson/Alter, das ist etwas sehr persönliches. Ich brauche keine komplexen Beat-Arrangements, um anders zu sein. Ich bin einfach ich. «
Nils Petter Molvaer - trumpet Moritz von Oswald - electronics „Fantastisch unkonventionell“ DIE ZEIT „Hier haben sich zwei Künstler gefunden“ JAZZPODIUM „Diese Musik hat Kraftwerk genauso viel zu verdanken wie Miles Davis“ FAZ „Molvaer als lyrisches Element und von Oswald als Architekt synthetisch-dissonanter Stimmungen addieren sich zu einem überzeugenden Ganzen“ NEWS.CH Emarcy 06025 3743670 Auch als Download und Doppel-Vinyl
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Text Jan Wehn
Syrischer Volksheld, HochzeitsSänger in traditioneller Kutte! Hipper Gegenentwurf zum verwestlichten Ethno-Pop? Wir fragen uns: Wie sollen wir eigentlich den hiesigen Hype um jemanden werten, dem Michael Jackson und die Beatles angeblich unbekannt sind und dessen neue Platte von Four Tet produziert wurde? Was steckt hinter Omar Souleyman? Durchsucht man das Internet nach Videos von Omar Souleymans Auftritten, sieht man zweierlei. Einmal sind es Aufnahmen vom Glastonbury Festival aus dem Jahr 2011. Der Sänger schreitet von links nach rechts und wieder zurück über die Bühne, auf der Oberlippe einen Schnurrbart, auf der Nase eine Sonnenbrille wie sie Kampfpiloten tragen und auf dem Kopf eine mit Kordeln fixierte Kufiya, die traditionelle arabische Kopfbedeckung. Die Besucher kreischen frenetisch und versuchen sich im Ausdruckstanz. Die anderen Bilder sind verwackelte Aufnahmen von Hobbyfilmern. Sie zeigen prunkvoll geschmückte Räume, in denen Hochzeitsgesellschaften Kreistänze vollführen. In ihrer Mitte: Omar Souleyman, der andächtig umherschreitet und zur Melodie der hypnotisch hin- und herhüpfenden Zithern klagend ins Mikrofon singt. Zwischen den Aufnahmen liegen nur ein paar Wochen. Kassetten-Shop Wenn man das Phänomen Omar Souleyman verstehen will, muss man sich zuerst mit Mark Gergis beschäftigten. Unter dem Namen Porest ist der Amerikaner eine multimedial werkelnde Ein-MannArmee, als hyperaktiver Collagist der Popkultur und als Mitgründer des Labels Sublime Frequencies. Hier sammelt und veröffentlicht er - genau wie bei seiner eigenen kleinen Plattenfirma Sham Palace - Musik, Film und Field Recordings, die er auf ausgedehnten Reisen durch Asien und den Nahen Osten entdeckte. "Choubi Choubi! Folk & Pop Songs from Iraq" oder "Shadow Music from Thailand" sind nur einige von Gergis zahlreichen Compilations und Reissues. Während der stundenlangen Autofahrten auf seiner ersten Reise nach Syrien im Jahr 1997 lauschte Gergis ständig der gleichen, treibenden traditionellen syrischen Musik, die immer wieder in Richtung Elektronika ausschritt. Auf Nachfrage verwiesen die Syrer ihm zufolge stets auf das Werk von Omar Souleyman: einem 1966 in der nordsyrischen Stadt Ra's al-'Ayn geborenen
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Sänger, der mit seiner Musik in seinem Heimatland und der gesamten arabischen Welt Heldenstatus erlangte - angeblich. Für Souleymans Ruhm gibt es im Netz nur wenige Beweise, aber so geht nun mal die Geschichte, die Mark Gergis erzählt: Er kaufte so viele Kassetten und CDs von Souleyman zusammen wie er nur konnte. Wieder daheim reifte mit seinem LabelPartner Alan Bishop die Idee, dem syrischen Superstar auch in Amerika und Europa ein Outlet zu bieten. 2006 fand der SublimeFrequencies-Gesandte in einem KassettenShop in der Stadt Aleppo endlich jemanden, der die Nummer von jemandem besaß, der wiederum die Nummer von Omar Souleyman hatte.
mit ungekannter Theatralik, fremdartigem Kitsch und einer Affinität zum "westlichen" Rhythmus doch eine willkommene Alternative zum inflationären Aufkommen von Mottoparty-tauglich getrimmten Ethnomusik-Trends wie Gipsy Jazz, Klezmer Pop oder Balkanbeats. Das minutenlange Scheppern Denn es ist doch leider nun mal so: Egal, ob es sich um die Bhangra-Blödeleien von Panjabi MC oder die Tamil-Tigers-Koketterie einer M.I.A handelt: Jede Abweichung (die gerade genau richtig eben auch nicht abweicht) von der Mainstream-Norm wird als eierlegende Wollmilchsau durchs Dorf getrieben. Freilich hat Souleyman
Mit seinen rumpelnden und rauschenden Lo-Fi-Aufnahmen, den flimmernden Konzertmitschnitten von syrischen Hochzeiten und seinem Kleidungsstil fernab vom Urban-Outfitters-Diktum passt Souleyman ganz wunderbar ins Bild der Weltmusik-Jünger zwischen Leipzig und London.
Fremdartiger Kitsch Nach einem Treffen unterbreitete Gergis Souleyman das Angebot, seine Musik zu veröffentlichten. Trotz der vergleichsweise bescheidenen Reichweite eines auf Nischenmusik spezialisierten Labels machte das erste Release "Highway To Hassake" bald die Runde. Es folgte "I Remember Syria", die Videos griffen ordentlich YouTubeKlicks ab, Björk listete zwei Songs von Souleyman in ihrer NPR-Playlist für das Jahr 2012, orderte Remixe für ihre Serie von "Crystaline"-Neuinterpretationen und die Kollaboration mit Blur verpasste laut Frontmann Damon Albarn nur knapp eine Platzierung auf deren Album "Plastic Beach". Der Hype kommt nicht von ungefähr. Mit seinen rumpelnden und rauschenden Lo-Fi-Aufnahmen, den flimmernden Konzertmitschnitten von syrischen Hochzeiten und seinem Kleidungsstil fernab vom Urban-Outfitters-Diktum passt Souleyman, der Orient und Okzident mithilfe von arabisch interpretierter NewWave-Musik einander näher bringt, ganz wunderbar ins Bild der Weltmusik-Jünger zwischen Leipzig und London - liefert er
in den letzten Jahren erfolgreich die großen Hipster-Symposien von SXSW bis Glastonbury abgeklappert. Aber Souleymans Siegeszug wurde auch kritisch beäugt, ist er doch weit mehr als jemand, der mit unkundigen Folklorezitaten herumhantiert. Die Musik, die er gemeinsam mit seinem Keyboarder Rizan Sa’id macht, ist die Begleitung zu dem orientalischen Reihentanz Dabke, der auf Hochzeiten und Festen im arabischen Raum getanzt wird. Der Sound von Souleyman lebt von der Präzision ebenso wie von sympathischen Schlampereien. Das minutenlange Scheppern von akzentuierten Flöten und gezupften Saiten verquirlt sich mit der Schmerzenslyrik Souleymans zu einem hypnotischen Strudel futuristischer Folkmusik. Den treibenden Tanzrhythmus versieht Souleyman mit Texten über gebrochene Herzen, Liebeserklärungen an die eigene Mutter und Zwangsehen. Die zum konkreten Verständnis von der Plattenfirma ausgehändigten Übersetzungen kann man getrost beiseite legen. Souleymans Stimme,
die mal voller Schmerz, mal beinahe in flachsender MC-Manier daherkommt, sagt mit ihrem schwülstig-opulenten Subtext immer genau das Richtige. Zu der Andersartigkeit gesellt sich auch eine Einzigartigkeit: Omar Souleyman hat nie von einem Michael Jackson gehört, die Beatles oder Elvis Presley sind ihm ebenso fremd, hat Mark Gergis einmal in einem Interview erzählt. Und als er Souleyman die Musik von Porest vorspielte, brach der Sänger in schallendes Gelächter aus, erinnerte sie ihn doch an die Geräusche von Insekten. Dann aber kommt Produzent Four Tet. Gemeinsam mit dem Folktronic-Vielwerker hat Souleyman in einer gemeinsamen, nur vierstündigen Session in Brooklyn sein erstes Studioalbum aufgenommen. Es heißt "Wenu Wenu", was so viel wie "Wo ist sie?" bedeutet. Schön: Four Tet hat in keinem Moment auch nur daran gedacht, in das Souleyman’sche Handwerk einzugreifen. Es gibt keine durch den Kompressor gejagte Kickdrum, keine zurechtgesampleten Library-Music-Extrakte. Natürlich klingt alles etwas klarer, ausproduzierter. Ansonsten ist jedoch alles wie immer: untenherum schnurgerade VierviertelDidaktik, nur von ein paar Trommeln unterbrochen, obenrum Trance evozierende Freidreher aus rhythmisch gezupften Lauten und geflöteten Kapriolen. Es liegt nahe, die Musik eines syrischen Musikers mit Monopol auf dem westlichen Markt als rebellischen Report aus krisengeschüttelten Gebieten, als eine Art hochkulturelle Kriegsaufbereitung zu deuten. Souleyman hat in Interviews aber immer wieder betont, kein politischer Musiker zu sein. Wenngleich er mit seiner Familie mittlerweile im türkischen Şanlıurfa lebt, sind weder seine blümeranten Texte als codierte Botschaften aus dem Epizentrum des Konfliktes zu verstehen, noch machen die ungelenken Versuche mancher Journalisten Sinn, Souleymans Band als multiethnisches und –religiöses Konglomerat und somit eine gelungene Form der Völkerverständigung und Forschungsprojekt für langfristige Konfliktlösungen im nahen Osten zu interpretieren. Tausende bejubeln den syrischen Sänger bei seinen Konzerten, die arabischen Communities hüben wie drüben freuen sich über hiesige Auftritte ihres Helden. All das hat nichts mit Politik zu tun. Oder anders und ganz platt gesagt: Omar Souleyman unterscheidet sich rein äußerlich nicht groß von Yassir Arafat oder Saddam Hussein. Man muss so dumm denken, um im Umkehrschluss festhalten zu können: Dass Omar Souleyman mit Hilfe von Mark Gergis die syrische und arabische Kultur und ihre Erscheinung in der sogenannten westlichen Welt in ein gutes Licht rückt, ist viel wert.
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Omar Souleyman Hochzeit in Syrien
Omar Souleyman & Four Tet, Wenu Wenu, ist auf Domino/Good To Go erschienen.
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re: break Nostalgische Dekonstruktionen
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"Hast du jemals zwischen StroboskopStrahlen und dichtem orÂangefarbenen Dunst gestanden, auf einer endlosen Welle von Musik dahintreibend? Auf der es fĂźr einen kurzen Moment ganz egal ist, wer du bist, was du machst oder wie du aussiehst?" 21.10.13 12:31
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Text Philipp Rhensius
A
Die Sehnsucht nach einer vergangenen Clubmusik-Ära, die im SoundcloudAuftritt des Produzentenkollektivs R-Zone anklingt, erzählt von einer neuen Tendenz in der aktuellen Dancemusic: dem Trend, beziehungsweise weniger hochstapelnd, dem Comeback des Breakbeats. Eine Renaissance von Samples aus dem Archiv des britischen Hardcore und Jungle: retrofuturistische Alarmsirenen, schrille Klangfarben, hochgepitchte Vocals, 808-Sounds und immer wieder der Amen-Break. Klänge und Beats, die in den 90ern einst die Körper hunderttausender Clubgänger umprogrammierten. Während die akustischen Referenzen von Künstlern wie R-Zone ("Romijn Ravine"), Special Request ("Lockjaw"), Pangaea ("Hex") oder Tessela ("Helter Skelter") sehr direkt sind, werden sie bei Om Unit ("Governer's Bay"), dem Bristoler Kollektiv Livity Sound oder in der jüngst erschienenen "Test Pressings"-Reihe von
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Tessela
Demdike Stare eher subtil eingesetzt. Besonders populär ist dabei der AmenBreak, der sich als sechssekündiges DrumSample aus dem Song "Amen, Brother" der Soulband The Winstons von 1969 zunächst über amerikanischen HipHop und dann durch den britischen Jungle ins kollektive Hörbewusstsein einprägte. Heute ist der Amen-Break das akustische Totem einer gealterten Subkultur, das zersetzend auf die ohnehin brüchig gewordenen Stilgrenzen wirkt. Während es bei Special Request oder Tessela im Zentrum der Komposition steht, unterwirft Andy Stott es in "Up The Box" einer radikalen Zeitraffung und entzieht ihm damit jegliche Energie. Dass bestimmte Klänge zu unterschiedlichen Zeiten neu aufgegriffen werden, ist eine Konstante der Musikgeschichte. So wurde das aus der Barockmusik stammende Seufzermotiv besonders in der Klassik neu entdeckt, um etwa Trauer darzustellen. Was sich heute jedoch grundlegend geändert hat, sind, neben dem hohen Tempo, in dem sich neue Ideen verbreiten, die Aneignungsstrategien. So scheint der neue Breakbeat-Sound zwischen verschiedenen Modi zu changieren: dem ideologiefreien Recycling zur Erschaffung einer Retro-Atmosphäre, der kulturkritischen Spiegelung einer Utopie-losen Gegenwart oder schlicht dem Füllen einer kreativen Leerstelle, die heute aufgrund der unendlichen Möglichkeiten der digitalen Musikproduktion besteht.
Der neue Breakbeat-Sound ist mal ideologiefreies Recycling zur Erschaffung einer Retro-Atmosphäre, mal kulturkritische Spiegelung einer Utopie-losen Gegenwart, mal das Füllen einer kreativen Leerstelle.
Tessela - dessen in britischen Clubs hoch gehandelter Hit "Hackney Parrot" mit seinen überdrehten Diven-Vocals und dem gecutteten Amen-Break klingt wie eine Track-gewordene Verdichtung der frühen britischen Clubmusikgeschichte - geht es vor allem darum, ein verloren geglaubtes Gefühl zu konservieren: "Nostalgie hin oder her: Wenn ich mir die Dokumentationen aus der Rave-Zeit anschaue, vermisse ich diese Zeit", erzählt er im Interview mit Resident Advisor, bevor der nächste Satz alles auf den Kopf stellt: "Auch wenn ich damals erst ein oder zwei Jahre alt war." Eine Tatsache, die er mit vielen Protagonisten der PostJungle-Welle teilt und die man bereits aus dem legendären Gespräch zwischen dem Musikjournalisten Martin Clark und Burial kennt, in dem letzterer von den alten JungleTapes des älteren Bruders schwärmt, die er im Londoner Kinderzimmer hörte. Burial war es dann auch, der 2006 dem Mythos Jungle zur neuen Salonfähigkeit
verhalf. Zwei Jahre später setzte Zomby mit dem Album "Where were you in 1992?" einen Meilenstein auf dem Gebiet der retrospektiven Aneignung eines zwanzig Jahre alten Lebensgefühls. Doch der wahre Ursprung der heutigen Breakbeat-Renaissance liegt im London der frühen 2000er-Jahre, als Drum and Bass längst zu einer Testosteron-geladenen Karikatur seiner selbst und UK Garage zum Soundtrack für Champagner trinkende Wohlstands-Clubber verkam. Mit Dubstep entstand ein Stil, der dem Bedürfnis nach rhythmischer Komplexität und kathartischen Subbässen vorausging und sich mit seiner radikalen Entschleunigung bei einer maximal reduzierten Ereignisdichte als akustische Opposition gegen eine übersättigte
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und daueraffirmative Popmusik positionierte. Kurz danach folgten UK Funky, die technoideren Dubstep-Hybride der Bristol-Berlin-Achse und nicht zuletzt das aus den USA importierte Footwork. So war Dubstep wie ein transzendentales sonisches Tor in die Vergangenheit, durch das junge Produzenten und Clubgänger retrospektiv die Ursprünge des Stils kennenlernten und neue Labels gründeten, wie etwa Pearson Sound, Pangaea und Ben UFO mit ihrem Label Hessle Audio. Aktuell sind das 2012 gestartete Houndstooth (Special Request, Akkord), aber auch das Drumand-Bass-Flaggschiff Metalheadz wichtige Petrischalen eines neuen BreakbeatVerständnisses, indem sie einen hybriden Sound zwischen Techno, Jungle und frühem Dubstep prägen. Als zentrale Kompositionspraxis hat sich das Prinzip der Gleichzeitigkeit verschiedener Geschwindigkeiten innerhalb eines Tracks durchgesetzt, die durch einen im halben Tempo stehenden Backbeat (Bassdrum und Snare) und in doppelter Geschwindigkeit stehende Percussion erzeugt werden. Die Dubstep-typischen 70 beziehungsweise 140 Bpm haben sich inzwischen bei 80 beziehungsweise 160 eingependelt, wobei Künstler wie Pangaea, Akkord und Tessela mit Tracks rund um 130 Bpm die Anschlussfähigkeit an House- oder Technosets bewahren und so ein größeres Publikum erreichen. Die wichtigste Eigenschaft dieses SlowfastPrinzips besteht in der Wirkung auf den Körper. Durch die Parallelität zweier rhythmischer Muster, also der Betonung auf der zweiten und vierten Zählzeit und des darüber liegenden, doppelt oder sogar viermal so schnellen Beats, entsteht eine Spannung, die, mithilfe der von reduzierten Klangereignisse erzeugten Leerstellen, zum körperlichen Mitvollzug geradezu auffordert. Die neuen Breakbeat-Vertreter liefern also keine Kopien, sondern zeitgemäße Updates aus der Vergangenheit. Letztere bleibt dennoch relevant. Während es Tessela oder Special Request auch um die, durch nostalgische Flashbacks erzeugte Euphorie geht, betreiben Andy Stott oder Demdike
Stare eine akustische Dekonstruktion von Jungle, indem sie die kathartische Düsterheit und Entfremdung, die der Musik seit jeher innewohnt, priorisieren. Neben einer gestiegenen Akzeptanz für eine größere rhythmische Vielfalt auf den Tanzflächen dieser Welt geht es also auch um die Faszination für eine Ära, in der die Zukunft noch mit der Hoffnung auf eine bessere Welt verbunden war. Ob man sich 1992 auf einer mit Kunstnebel verhangenen Tanzfläche, im Kinderzimmer oder gar im Mutterbauch befand, scheint dabei egal zu sein. In einer Zeit, in der die Zukunft nur noch eine "optimierte Gegenwart" ist, wie es der Philosoph Byung-Chul Han beschreibt, geht auch der Vergangenheit ihre einstige Lebendigkeit verloren. Doch die neuen Breakbeats sind das perfekte Gegenmittel für so einen Kulturpessimismus. Denn nichts könnte dem Jetzt-und-Hier stärker zu einer unmittelbaren Präsenz verhelfen als die durch Amen-Breaks und grelle Alarmsirenen erzeugte akustische Überwältigung. So lassen nostalgische Samples die Utopie einer durch Clubkultur emanzipierten Gesellschaft wiederauferstehen, nicht ohne gleichzeitig Soundtrack der Gegenwart zu sein. Es ist kein Geheimniss, dass die stetige Innovation, ob mit "neuen" oder alten Mitteln, kaum aufzuhalten ist. So beantwortete der Clubmusik-Avantgardist Zomby die Frage, ob ihn Nostalgie antreibe: "I don’t want to end up in an antique shop for music. We should try to keep it moving forward.”
Die neuen Breakbeats sind das perfekte Gegenmittel für den Kulturpessimismus. Nichts könnte dem Jetztund-Hier stärker zu einer unmittelbaren Präsenz verhelfen als die durch Amen-Breaks und grelle Alarmsirenen erzeugte akustische Überwältigung.
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Text Sebastian Eberhard
'Ardcore
Special Request Paul Woolford wühlt als Special Request Dancefloors und Musikverständnisse auf: So hörte sich Breakbeat also neulich an, kein Wunder: alles wie von vorn, noch elegantere Ambosse. Unser Autor hat sich mit Woolford verabredet, um über Hier und Jetzt von Breakbeat zu reden: Ist das die Musik der Krise oder der Besinnung?
Herbst 2012. Gerade hatte Lana Del Ray noch für eine große Modekette anklagend von den Werbeflächen der Stadt geblickt. Dann hatte irgendwer wieder mal Vocals von ihr benutzt. Benutzt, um damit diesen einen Jungle-Breakbeat-Track zu bauen. Neuartig, und doch mit allem, was früher schon dazu gehört hatte. Ein halbes Dutzend trocken und flott gechoppte Breaks, eine tiefer gelegte Reese Bassline, Gunshots, und dann geloopt und dann wieder geradeaus Lana, gesamplet darüber gelegt, unverkennbar leicht nörgelnd singend, ein Mal, zwei Mal: "Big dreams, Gangster, said you had to leave to start your life over." BOW. So schön kann Pop manchmal sein, wenn er ohne Emphase gemacht wird. Zusammen genommen eine kleine Detonation und umwerfend, weil es jemanden mit dem Track gelungen war, Breakbeat in einer neuen Art und Weise zurück an die eigenen Wurzeln zu führen. Dem Weg des immer weiter und schneller der Breaks, dem zu oft gewählten, auswegslosen Heavy-Metal-Subkontext von Drum and Bass einen Haken zu schlagen, das Tempo runter oder auch zurück auf die leicht erhöhte House-Geschwindigkeit der Anfänge zu ziehen, und trotzdem mit den Beats und Sounds pure Magie eleganter Tanzmusik zu offenbaren. Der posthumane Drummer, er lebt.
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Ride V.I.P. "Ride", der Remix des Stücks von Lana Del Ray, der im letzten Herbst seine Runden zog, befand sich auf einer 12" mit Aufdruck "Special Request". Zwei Vinyl-Vorgänger hatte es schon gegeben, und so, als ob jemand die Gemeinde der Four-to-the-FloorFraktion auf dem Dancefloor gemächlich und historisch korrekt an das Thema Rave, Breakbeat und Jungle, oder vielleicht besser einfach HARDCORE heranführen wollte, hatte sich ihr Produzent auf ihnen mit vielen atemberaubenden Akzenten noch mehr an der technoiden Seite der britischen Tradition abgearbeitet. Schnell war zu erfahren, dass hinter dieser Serie Paul Woolford stand. Erstaunlich eigentlich. Woolford: einer der großen TechnoDJs Britanniens, Headliner riesiger Raves, Resident auf Ibiza und Gewinner zahlreicher britischer DJ-Leserpolls. Einer, der mit seinem Alias Bobby Peru als Producer sehr erfolgreich und als Remixer so gefragt war, dass er noch Amy Winehouse auf Elektronik trimmen durfte. Der seinen Adelsschlag spätestens vom Techno-Don Carl Craig bekam, der auf Planet E veröffentlichen konnte und gemeinsam anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläums mit eben jener Posse durch die Staaten tourte. Der aber offensichtlich immer auch seinen eigenen musikalischen Plan verfolgte, danach zwei weitere 12"s
"Soul Music" ist eine Art Best-Of aus über 70 Tracks. Woolford schmiss das Album zwei Mal komplett über den Haufen, bevor er zufrieden war.
der "Special Request"-Serie veröffentlichte, um auf ihnen wieder die ganz eigene Verbindung zwischen heute und den Stilmitteln britischer Breakbeatmusic der ersten Hälfte der Neunzigerjahre zu knüpfen. Woolford, der nun mit "Soul Music" seine moderne Vision von basslastiger Dancemusic mit ihren zahleichen Verweisen zwischen Techno, UK Hardcore und Jungle auf Albumlänge veröffentlicht. Ein lang gehegter Plan Auf die Frage, wie es überhaupt zu seinem "Special Request"-Projekt kam, erfahren wir, dass er diese Idee schon ziemlich lange mit sich herumgetragen hatte und dann vor ein paar Jahren anfing, die ersten Tracks im Studio zusammen zu bauen. Zunächst habe er ein wenig Zeit gebraucht, um die passende Sound-Ästhetik zu finden, aber dann hätten sich die Tracks fast wie von selbst ergeben. Für ihn wären das einige
sehr große Momente gewesen, Momente der künstlerischen Freiheit, weil er ohne lange zu überlegen, fast unbewusst und beinahe instinktiv seine Tracks machen konnte. Zwei Mal hatte er vorher schon ein ganzes Album zusammengestellt, um diese Versionen doch wieder zu verwerfen. So kommt es, dass er mittlerweile ungefähr 70 Tracks auf Tasche hat, einen komfortablen Materialberg, aus dem er unbeschwert die passenden Tracks für "Soul Music" auswählen konnte. Trotzdem bleibt bei uns etwas Verwunderung darüber, wie es dazu kommen konnte, dass ein arrivierter Techno-DJ ein so umfassendes, so viele Einflüsse bündelndes Album veröffentlicht. Nein, entgegnet Woolford, die Musik
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sei genau die, die er gerade machen möchte, es wäre immer nur ein Problem der Medien, die einen in eine bestimmte Ecke stellen und mit einem bestimmten Label abstempeln. Es wäre deswegen für Künstler oft schwer zu zeigen, gerade wenn sie davon leben möchten, woher sie wirklich kommen und was sie gerade bewegt. Und daher wäre es umso wichtiger, hartnäckig an der eigenen Vision festzuhalten und die Dinge klarzustellen. Für ihn, der in Leeds im Norden Englands groß geworden ist, dort seine DJ- Karriere gestartet hat und dort auch immer noch lebt, waren die damaligen lokalen Piratensender Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger der eine große, vieles bestimmende Einfluss auf sein Kunstschaffen. "Schon als Teenager habe ich die hiesigen Piratensender gehört, auf denen ich Musik von Labels wie NuGroove, Network, R&S, Bonesbreaks, DFC und hunderten von White Labels gehört habe. Musik, die so neu und verboten klang, dass sie mich für den Rest meines Lebens inspiriert."
Forget back in the days Wir fragen daraufhin, ob er denn, wenn die Zeiten der Piratenstationen für ihn und auch das Album so einschneidend gewesen ist, gerne etwas an der heutigen Situation der Musikszene ändern möchte. "Überhaupt nichts", sagt Woolford, "ich möchte nichts ändern. Leute, die sich der Idee verschrieben haben, irgendwas wäre früher besser gewesen, führen sich doch selbst an der Nase herum. Die Zeit schreitet voran, wir existieren im Hier und Jetzt." Sein Album habe deswegen auch absolut nichts mit einem Hang zur Vergangenheit zu tun: "Vergiss das Gerede von den alten Zeiten. Die Jungle-Produzenten wie Dillinja, Photek, Goldie, Source Direct, 4 Hero, Doc Scott oder Bizzy B. sind immer noch meine absoluten All-Time-Favoriten. Genauso wie Shep Pettibone, Teddy Riley, Carl Craig, Trevor Horn, Derrick May, Anthony Shakir, Matt Cogger, Baby Ford - es ist eine niemals endende Liste." Und damit wird die simple aber großartige Idee hinter dem Album deutlich, auf dem sich zusätzlich auch gleich eine Handvoll großartiger Remixe von Kassem
»Dillinja, Photek, Goldie, Source Direct, Doc Scott und Bizzy B: Das sind noch immer meine Helden.«
Mosse, Anthony Shakir oder Hieroglyphic Being finden. Für Woolford geht es einfach um die Musik, um die, die man selber spürt: "Es gibt diesen Moment, in dem man versteht, dass bestimmte Sounds in einem viel größeren Kontext stehen als im zyklischen Wesen der Kultur. Sich genau das klarzumachen ist für jeden Künstler sehr wichtig. Wichtiger ist aber noch, dass man wirklich macht, was man fühlt." Culture reflects the times Einer der ausschlaggebenden Gründe für die einmalige Entwicklung britischer Ravemusic in ihrer Verschmelzung von jamaikanischen und anderen kulturellen Einflüssen war sicherlich die offene britische Immigrationspolitik. Ein anderer der düstere Humor und der Gemeinschaftsgedanke, mit dem sich die Szene in ihren Ursprüngen und vielleicht bis Mitte der 90er-Jahre gegen die unerbittlichen Härten der unsäglichen, bis heute nicht wieder reparierten, neoliberalen Politik Thatchers zu Wehr setzte. Musikalisch reagierte man auf die damals von der Politik so bewusst in Kauf
genommenen Kollateralschäden mit überspitzter, abstrakter Härte und düsteren, spukhaften Jungletracks mit der nächsten beeindruckenden Bassline. Auch beim Hören von "Soul Music" trifft man an einigen Stellen auf kompromisslose Härte, die vielleicht zum Teil auf die Anlehnung der Tracks an die frühere Ravemusic zurückzuführen ist, aber auch auf eine sehr saubere Produktionsästhetik. Den besonderen Kniff machen aber auch die – ohne wuchtig zu klingen - in ihrer Geschwindigkeit zurückgenommenen Drumbreaks, die dadurch eine fast schon geisterhafte Wirkung erzielen, die so vielleicht auch den Ausnahmestatus von "Soul Music" erzielen. Auf den Eindruck einer ziemlich düsteren Atmosphäre angesprochen und die Frage, ob der Sound auch eine Antwort auf krisengeschüttelte Zeiten in England und Europa sind, antwortet Woolford: "Mach keinen Fehler: Wir leben in düsteren Zeiten. Schnapp dir eine Zeitung und lese zwischen den Zeilen. Analysiere den Subtext von dem, was uns jeden Tag erklärt wird. Kultur reflektiert die Zeit."
Special Request, Soul Music, ist auf Houndstooth erschienen.
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istock fotocontest Zeige uns den Herbst vor Deiner Tür
Dein Blick - Erleben. Festhalten. Teilen. Wie sieht dein persönlicher Herbst aus? Ob bunte Blätter sammeln, Herbstfeuer anzünden, Drachen steigen lassen oder sich zu Helloween so richtig gruseln – wir suchen lebendige, authentische Bildern, die zeigen, was den speziellen Zauber dieser Jahreszeit ausmacht. Einfach ab 21. Oktober anmelden und Foto(s) einsenden. Den Gewinnern winkt eine Canon EOS 6D und weitere tolle Preise. Twitter-Hashtag iStock-Fotocontest #DeinBlick
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Die Jury des iStock-Fotowettbewerbs
Ablauf
Mike Owen (European Professional Marketing Manager, Professional Imaging Group, Canon Europe), Adam Pretty (Professional sports photographer, Getty Images), Oliver Clausen (Editorial Content Specialist, Getty Images), Tom Hind (Director Creative Content, Getty Images), Nico Damm (Redakteur, Pictures Magazin), Hagen Klie (Geschäftsführer Photopresse), Dr. Stefan Hartmann (Chefredakteur Pictorial), Timo Feldhaus (Mode- und Lifestyle Redakteur DE:BUG)
Pre-Registration: 21.10. bis 25.10. Wettbewerb: 28.10. bis 28.11 Jury-Entscheidung: 1. Dezemberwoche Ausstellung der Gewinnerarbeiten im Januar
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Om Unit Text Wenzel Burmeier
Trommeln ist wie Essen
"Slow on the bottom, fast on the top." Der 33-jährige Jim Coles ist ein Kind des Breakbeat-Kontinuums. Mit seinem Debütalbum als Om Unit gelingt ihm eine Synthese aus schleppenden, Bass-schwangeren Backbeats und hyperaktiver Percussion. Umhüllt von düsteren Synth-Flächen, die retrofuturistisch den Visionen des Drum and Bass früher Tage frönen.
Hardcore und Jungle liegen während seiner Jugend auf den Plattentellern, die mit Anbruch der 2000er plötzlich dem Turntablism dienen. Im Handumdrehen werden die Breaks entschleunigt und Coles produziert drei ganze HipHop-Platten unter dem Pseudonym 2Tall. Bis 2010 die spirituelle Sinneswandlung einsetzt: Aus 2Tall wird Om Unit, langsame und schnelle Breaks verlaufen ab sofort parallel zueinander. Als "slow-fast" bezeichnet Coles seine Musik: Damit ist aber kein Genre gemeint, mehr ein Produktionsstil. Kategorien strich Jim eh längst aus seinem Regelwerk. Seine Releases auf Metalheadz, Exit Records, All City, Planet Mu und dem eigenen Label Cosmic Bridge bewegen sich spielerisch zwischen HipHop, Jungle und Dubstep. Mit seinem Philip-D.-Kick-Alias und der anschließenden Machinedrum-Kollaboration Dream Continuum löste er vor zwei Jahren schließlich auch die Grenzen zwischen Jungle und Footwork auf. "Threads", das neue Album, fasst diese Entwicklung kongenial zusammen. Du hast als 2Tall HipHop produziert und früher auch Jungle aufgelegt. Diese beiden Phänomene, die man auch auf deinem Album wiederfindet, haben den gleichen Ursprung, nämlich Breaks von FunkPlatten. Trotzdem sind sie in UK eher parallel zueinander verlaufen. Es gab da nie wirklich viel Berührungen, oder? Nicht wirklich. Es stimmt schon, dass die Wurzeln die selben sind, gerade wenn wir
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über die Produktionen sprechen. Es wurden ja bei Jungle die gleichen Breaks benutzt, nur enorm beschleunigt. Und mit Sicherheit haben die ersten Jungle-Produzenten früher auch Rap gehört. HipHop war Ende der 80er schließlich auch in England ziemlich erfolgreich. Hey, es gab sogar Breakdance-Battles auf dem Leicester Square! Allerdings muss man in England dann den direkten Einfluss von westindischer und karibischer Kultur berücksichtigen. Rap in den USA war natürlich auch beeinflusst von DJs, die auf DancehallPartys getostet haben. Aber in England gab es eine Generation, die den direkten Einfluss von Reggae und Ragga mitgebracht hat. Das war also bei uns noch viel näher an der karibischen Kultur als in Amerika. Und Jungle hat sich schließlich auch als Ausdruck einer britischen Identität entwickelt, das konnte HipHop in England so nicht erfüllen, weil das schon immer ein amerikanisches Ding war. Es ging um eine britische Identität? Jungle wird oft als "London Thing" beschrieben, aber da wäre ich vorsichtig. Es gab ja auch Anfang der Neunziger schon Leute in Leeds, zum Beispiel DJ SS und Formation Records. Aber ja, es ging damals definitiv um eine britische Identität ... (denkt nach) ..., die natürlich total hybrid war. Die ersten Produzenten waren offensichtlich beeinflusst von ihrem familiären Background, der karibischen Kultur, gleichzeitig reagierten sie aber auch auf das, was um sie herum passierte. Detroit-Techno spielt da eine große Rolle, das hört man in vielen frühen JungleTracks. Von Ragga bis Techno hat Jungle also diese ganzen verschiedenen Einflüsse in einem Entwurf von britischer Kultur vereint.
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177 — breakbeat revival
Gibt es ein Breakbeat-Kontinuum? Meinst du im Reynold'schen Sinne, so wie das Hardcore-Kontinuum? Definitiv. Breakbeats sind natürlich ein wesentlicher Bestandteil dessen. Aber ich glaube, das geht auch noch viel weiter zurück in der Geschichte. Die Idee von Breakbeats beruht ja letztlich auf Drums. Und Drums sind eine Urkraft der Menschheit - die erste Musik überhaupt basierte mit Sicherheit auf Drums. Rhythmus ist ein Grundbedürfnis des Menschen, so wie Essen. Siehst du denn gerade so etwas wie ein Breakbeat-Comeback? Jungle und Drum and Bass waren für mich immer präsent. Das ist doch genauso
»Drum and Bass, Footwork, HipHop, Dub, Ambient, Breakbeats, Dubstep, Detroit Techno. Aus diesen Einflüssen fädele ich meine persönliche Story zusammen.« wie mit Dubstep. Als das neu war, haben alle davon geredet und plötzlich kommt der big money sound auf. Dann wird es schnell langweilig und das große Geld zieht weiter - heute liegt es bei Trap, Jersey-Club-Musik oder sonst wo. Aber dieser Entwicklung lie gen großteils mediale Trends zugrunde. Die eigentlichen musikalischen Bewegungen waren immer schon da und das sind sie auch heute noch. Sie sind nur nicht mehr so eine Geldmaschine. Als Comeback kann man es heute bezeichnen, weil Künstler auf Jungle und Drum and Bass zurückblicken und die Musik als Einfluss in ihrem eigenen Sound aufgreifen. Da hat mit Sicherheit auch Footwork zu beigetragen. Ich glaube, dass Footwork eine neue Sensibilisierung für komplexere Rhythmik geschaffen hat.
Om Unit, Threads, ist auf Civil Music erschienen.
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Apropos Footwork: Als Phillip D. Kick hast du britische Jungle-Klassiker in Chicago'scher Footwork-Ästhetik geremixt. Wie kam es dazu? Ich habe Footwork durch Mike Paradinas von Planet Mu entdeckt und war total fasziniert von dieser Polyrhythmik. Das ist fast schon ein "tribal thing", unglaublich raw. Außerdem wurde die 808 zum ersten Mal ganz anders programmiert als im gewohnten 4/4-Schema, das war völlig irre. Dieses Drum-Programming hat sich ja auch in der ganzen UK-Bass-Musik - oder wie man die nennen möchte - niedergeschlagen. Da braucht man sich nur einmal ein paar Night-Slugs-Releases anhören. Mein Phillip-D.-Kick-Projekt ist eigentlich durchs Auflegen entstanden. Tempo und Kadenz von Footwork erinnern stark an Jungle, also habe ich in einem Set damit experimentiert und bin bei diesen Edits von Jungle- und Drum-and-Bass-Klassikern
gelandet. Als DJ-Tool scheint das für viele funktioniert zu haben, ich kriege jedenfalls heute noch Anfragen für Phillip-D.Kick-Remixe. Dabei war das wirklich als einmaliges Experiment gedacht, ich habe die Tracks ja am Anfang auch nur anonym und als kostenlosen Download hochgeladen. Sprechen wir also lieber über dein aktuelles Projekt: "Threads" ist dein Albumdebüt als Om Unit. "Threads" ist quasi das Follow-up zu meinen EPs auf Civil Music. Eine Sammlung von Tracks, die als Reise funktionieren sollen. Eine Reise durch meine bisherigen HipHop-Produktionen als 2Tall, durch Veröffentlichungen auf meinem Label Cosmic Bridge und jede Menge Musik, die mich persönlich interessiert: Drum and Bass, Footwork, HipHop, Dub, Ambient Synthies, Breakbeats, Dubstep, Detroit Techno und so weiter. Ich versuche aus diesen verschiedenen Einflüssen meine persönliche Story zusammen zu fädeln. Daher auch der Albumtitel. I'm weaving threads together. Womit wir wieder bei Jungle wären, oder? Ganz genau. Letztlich ist doch eh alle originelle Musik eine Synthese verschiedener Einflüsse. Das zeigt sich bei Jungle eben ziemlich deutlich. Und in dem Sinne spiegelt das Album auch diesen offensichtlich hybriden Charakter von Jungle wider. Zum Ende des Albums wird es ziemlich düster. Da baut sich mehrere Tracks lang eine dystopische Stimmung auf, die im letzten Titel, "The Road", ihren Höhepunkt erreicht, einer Kollaboration mit dem Blacktronica-Veranstalter Charlie Dark. Ich musste an Science-Fiction denken. Ich lebe im Süden von London, in der Nähe von Brixton, da hat man die Dystopie direkt vor sich, jeden Tag. Science-Fiction braucht man da kaum noch, um auf dystopische Gedanken zu kommen. Das spiegelt sich auch auf dem Album wider. Was natürlich wieder Assoziationen zu Drum and Bass weckt, wo Science-Fiction ja ein zentrales Motiv ist. Vielleicht liegt diese düstere Stimmung aber auch generell in elektronischer Musik. Vieles wird schließlich im Alleingang produziert und die Musik scheint dadurch oft so einen einsamen, introspektiven Charakter zu haben. Ich würde "Threads" jedenfalls nicht als politische Platte bezeichnen. Mit Sicherheit hat sie aber einen soziologischen Aspekt.
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177 — Kommentar — Christian Blumberg
Gesaffelstein Schwarz ist das neue Schwarz
Fick dich, Skrillex, Gesaffelstein ist viel geiler. Komprimiertes Testosteron mit einer gigantischen lila Moschuswolke muss man eben wollen.
"Ich finde es zugleich scheiße und toll, es ist wie eine richtig gute Werbung für Männerparfum, das mag man an dem Gesaffelstein." So sucht Kollege Timo Feldhaus der glamourösen Entdeckung beizukommen. Gesaffelstein, das klingt so schön teutonisch, nach einer Burg im Rheinischen oder wenigstens nach deutschem Bier. Ist aber der Künstlername des jungen französischen Produzenten Mike Levy. Fun Fact: Gesaffelstein ist eine Wortschöpfung aus Gesamtkunstwerk und Einstein. Fact: Der Mann hat an Kanye Wests Album mitgeschraubt und noch populärer als seine Maxis auf Tigas Turbo-Label sind seine Remixe für Lana Del Rey oder Moby. Gesaffelstein ist ein elektronischer Lebensaspekt. Oder er wird jetzt zumindest einer, vorgenommen hat er sich das wohl, sonst würde er sein Album ja kaum "Aleph" nennen. Wo anfangen? Bei den Bildern natürlich. Im Video zu "Pursuit" morphen Rokoko-Schlösser zu Hangars, in denen Wissenschaftler an einem in der Luft hängenden, schwarz glänzenden Kampfjet bauen. Asiatische Paramilitärs laufen auf, anämische Kinder tragen Hemden, so weiß wie ihre Gesichter. Wie ein gefrorener Meteoritenregen schwebt eine Wolke aus Maschinenpistolen vorbei. Irgendwann fährt die Kamera durch den Innenraum eines Jaguars, ein aufgebrachtes Model läuft in den Bildausschnitt, der Kamera hinterher, sie spuckt in ihre (also in unsere) Richtung. Die Kamera ist das gesamte Video über in einer steten Rückfahrt, als sei sie auf dem Rückzug. Das ist eine verwirrende Bewegung, schließlich läuft dazu gewaltige Musik, angereichert mit seltsam martialischem Kriegsgebrüll. Man kann die Musik gar nicht anders als mit diesem militärischen TechnoVokabular beschreiben: Die Beats marschieren, alles will "nach vorne". Killertracks und so fort. "Aleph" ist nur bedingt die Fortführung des fröhlich eklektischen Ed-Banger/New-RaveKosmos, der vor ein paar Jahren auch Indie-Floors in hedonistisches Neon tauchte. Die Tanzfläche, für die "Aleph" geschaffen scheint, ist eher eine filmische: Denk an Clubszenen aus 90er-JahreBlockbustern, riesige Technohallen, die sich US-Regisseure ausdachten, als es in den USA eigentlich nur HipHop gab; wo sich Goth-Kids mit Stachelfrisuren in industriellen Anlagen zu ebenso industriellen Rhythmen in Trance tanzten. So einen Club müsste man dem Gesaffelstein eigentlich errichten, einen dunklen Großraum mit monolithischem DJ-Pult und Pyrotechnik. Gesaffelsteins Album ist selbst ein Blockbuster: Jeden Sound auf "Aleph" hat man schon gehört. Auf Platten aus den Achtzigern, auf Platten aus den mittleren 00ern, in irgendwelchen SoundLibrarys. Aber eben noch nicht so. Hier knallt immer auch eine gewisse Eleganz, selbst noch aus den Laptop-Speakern. Aber Gesaffelstein ist auch ein Freund des Stumpfen: Er betitelt einen Track "Hellifornia" und erklärt, es ginge in seiner Musik um die "schwarze Seite des Daseins". Er sagt dann Sachen wie: "Erst ist es schwarz. Und dann wird es noch schwärzer." Seine Musik nennt er "Dance Metal". Aua. Er sagt aber auch, er mache Electronic Body Music. Das brutalistisch-monotone von DAF oder Nitzer Ebb, das in diesem Album tatsächlich drinsteckt – aber nur als Soundsignatur, als "Zeichen eines Zeichens" – das wird bei Gesaffelstein in etwas technoides, zugleich super-poppiges kanalisiert. Da funktioniert er mehr wie Skrillex: von EBM zu EDM. Gesaffelsteins hochglänzende Brachialität tut weder weh noch ist sie ungestüm. "Aleph" ist geil kalkulierte Pubertätsrockmusik mit unerhört viel Feinschliff und Gesaffelstein so eine Art Trent Reznor für 2013. Auf den stilisierten Pressefotos schaut er aus traurigen, lidschattierten Augen. Bei Reznor war das Androgyne immer nur ein Bild, nur ein Teil einer Pose, musikalisch blieben die Nine Inch Nails hetero-hetero. Das ist bei Gesaffelstein genauso, seine Sounds sind komprimiertes Testosteron. Reznor schrie "Kill Me!", meinte aber das Gegenteil: Reznor wollte lieber selbst killen. Dafür ist Gesaffelstein viel zu fein. Sein düster eingefärbter Überwältigungssound adressiert nichts Existentielles, dafür dunstet über jeder Spur eine lila Moschuswolke.
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Gesaffelstein, Aleph, ist auf Warner erschienen.
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177 — Kommentar — Bianca Heuser
M.I.A.
und die Terroristen Am fünften November erscheint M.I.A.s viertes Studioalbum "Matangi". Die Künstlerin hat derweil ganz andere Probleme.
"You need to darken it up a bit." Und wie die Rapperin weiter paraphrasiert: "We just built you up as the Public Enemy No. 1, and now you’re coming out with all this positive stuff." Das klingt erst absurd und dann nach Kalkül. Besonders im Zusammenhang mit Interscopes Umgang mit dem Dokumentarfilm, an dem M.I.A. mit dem Regisseur Steve Loveridge arbeitet: In dem Film, der "Maganti" begleiten sollte, geht es um sie als Künstlerin, ihr politisches Engagement, den Bürgerkrieg in Sri Lanka, die Rolle ihres Vaters darin als Mitglied der Rebellengruppe Tamil Tigers und die Auswirkungen auf das Familienleben. Den Trailer leakte der Regisseur aus Frustration über den lahmen Verlauf der Produktion und Veröffentlichung. Das Plattenlabel zog ihn umgehend mit einem Copyright-Claim wieder zurück. In dem Film soll es vor allem auch um Zensur und M.I.A.s Verhältnis zu den Medien gehen. Im Trailer sagt sie: "Wo ist die Meinungsfreiheit? Wo ist die Demokratie? Wenn es die gibt, will ich das sehen. Bei mir angefangen." In der Vergangenheit weigerte sich MTV ihr Video zu "Sunshowers" zu zeigen, solang es die Textzeile "You wanna go? You wanna win a war? Like the PLO, I don’t surrender" enthielt (2004). Der Sender editierte außerdem die Gewehrschüsse aus dem Refrain ihres Charterfolgs "Paper Planes" (2007); YouTube sperrte Romain Gavras Video zu "Born Free" vom letzten Album der Sängerin (2010). Seit ihrem Auftritt mit Madonna und Nicki Minaj in der Halbzeitpause des Superbowl 2012 hat die Sängerin außerdem eine 1,5-Millionen-Dollar-Klage der NFL am Hals wegen ihres unerwünschten Mittelfingers. So wie ihr Dasein als Künstlerin und Privatperson engst verknüpft sind, bewegen sich M.I.A.s Tiraden, ob es um die NFL oder Sri Lanka geht, vom Politischen ins Private und wieder zurück. Um Neutralität bemüht sich die Britin dabei nicht: "Ich möchte keine Politikerin sein. Ich möchte die Leute ermutigen, sie selbst zu sein und Dinge in Frage zu stellen", erklärt sie im Trailer des aufgeschobenen Films. Obwohl drastische Formulierungen - wie die Geschehnisse in Sri Lanka einen Genozid zu nennen - mit Sicherheit Aufmerksamkeit erregen und polarisieren (und damit ihr Ziel ja schon halbwegs erreichen), macht ihre Rhetorik M.I.A. angreifbar. Ihr ehemaliger Freund und Produzent Diplo warf ihr vor, auf dem Album "Maya" den Terrorismus zu verherrlichen. Die Journalistin Lynn Hirschberg machte in ihrem extensiven Portrait im New York Times Magazine 2010 klar, für wie fake sie den Popstar hielt. Zu dieser Kritik an der Glaubwürdigkeit des Popstars trägt ihr mit der Zeit erworbener Wohlstand genauso bei wie ihr ausgeprägtes Modebewusstsein. Laut Hirschberg nutzt die Britin ihren ethnischen Hintergrund für ihren Erfolg aus und steckt sich den sogenannten Radical Chic an wie eine Feder an den Hut. So unproduktiv und banal diese Kritik ist, adressiert sie doch die Bildsprache, derer sich M.I.A. beständig bedient. Das Video ihrer aktuellen Single "Bring The Noize" adaptiert in einer einzigen Clubszene den Trend Seapunk lässiger als der durchschnittliche Tumblr-User, durchsprenkelt mit hinduistischen Symbolen: Das Aum-Symbol leuchtet an der Wand, eine Kuh stolpert auf die Party. Deren Besucher tragen ausschließlich strahlendes Weiß im Schwarzlicht und vollziehen ihre rituelle Reinigung über Diskonebel. Das sieht alles recht kultisch aus und ist damit auch typisch M.I.A.: Seit Beginn ihrer Karriere weiß sie die Coolness von Subversion für sich zu nutzen. Subversion ist sexy, verkauft sich und Provokation garantiert maximale Aufmerksamkeit. Ihre Glaubwürdigkeit scheint der Sängerin dabei erst mal Schnuppe zu sein. Um des Pops Willen. Zum Glück. Im eingangs erwähnten Trailer bringt sie es wie gewohnt nonchalant auf den Punkt: "I could be a genius. I could be a cheat. It’s a thin line, and I’m fucking with it."
M.I.A., Matangi, ist auf Universal erschienen.
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177 — buch
Text Lea Becker
bild b flickr.com/seeminglee, scragz, pagedooley
Lasst uns Über Parties reden Techno-Geschichte im O-Ton
Jürgen Teipel, Autor von "Verschwende deine Jugend", hat ein neues Buch geschrieben. In "Mehr als laut" plaudern Techno-Größen aus dem Nähkästchen. Das ist mitunter sehr lustig, muss am Ende aber scheitern.
Deutschland, Mitte der Achtzigerjahre: In Mannheim, Köln und München richten die Clubs, die damals noch Discos heißen, die ersten kleinen Slots für elektronische Musik ein, vornehmlich Italo-Disco. Hier beginnen nicht nur die Karrieren von Michael Mayer, DJ Hell und dem Party-Veranstalter Dirk Mantei, hier beginnt auch Jürgen Teipels neues Buch "Mehr als laut". Formell knüpft Teipel damit an seinen vor zwölf Jahren erschienenen Oral-HistoryKlassiker "Verschwende deine Jugend" an. Zitate der einzelnen Protagonisten werden hintereinander montiert, um so ein Gesamtbild zu erzeugen. Bei "Verschwende deine Jugend" war das die Geschichte von Punk in Deutschland. In "Mehr als laut" nimmt sich Teipel nun den Techno vor. Es sei diesmal, so schreibt er im Vorwort, nicht sein Anspruch gewesen, die Geschichte einer Generation zu erzählen. Dennoch sei diese "zumindest im Ansatz und wie nebenbei" entstanden. Neben Mayer, Hell und Mantei erinnern sich im ersten Kapitel auch Inga Humpe, Hans Nieswandt, Acid Maria und Kristian Beyer an ihre ersten Begegnungen mit elektronischer Musik und Clubkultur. "Es war einfach nur laut, massiv, Nebel, Strobo. Und alle voll oberkörperfrei und am Tanzen. Nach einer Stunde habe ich gedacht: 'Vergiss die andere Musik! Die ist scheiße!' Mir war klar, dass ich alle meine Indie-Platten verkaufe und ich das nicht mehr hören will", erinnert sich Kristian Beyer an seinen ersten Besuch im Mannheimer Club milk!. Milk!-Besitzer Dirk Mantei beschreibt seine Stammkundschaft Anfang der Neunziger: "Ein Typ zum Beispiel kam immer in gelbem Ölzeug – auf allen Vieren. Der ist
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auf allen Vieren die Treppe runter und die ganze Nacht auf allen Vieren gegangen. Ein anderer Typ ist fast nackig, Kung-Fu-mäßig, in die Auslage der Kaufhaus-Passage oben gesprungen. Einfach durch die Scheibe. Und stand da blutend im Schaufenster drin. Neben den Schaufensterpuppen. Nur in der Unterhose. Und total so: 'Hach! Geil!'" Geschichte einer Generation? So beginnt das Buch als unterhaltsame Anekdotensammlung aus der deutschen Techno-Vorzeit. Dabei bleibt es allerdings nicht. Die Gespräche, aus denen "Mehr als laut" zusammengesetzt ist, führte Teipel zur Vorbereitung für seinen DJ-Roman "Ich weiß nicht". Über zwei Jahre hinweg traf er dafür auch internationale Größen wie DJ Koze, Richie Hawtin, Miss Kittin, Lawrence, Andi Teichmann, Corvin Dalek und Mark Reeder. Da er letztlich jedoch nur einen Bruchteil dieser Gespräche in seinen Roman einfließen ließ, entschloss er sich, sie gesondert als Buch zu veröffentlichen. Dass diese Idee erst nachträglich entstand und die Interviews lediglich Abfallprodukte einer gänzlich anders
motivierten Recherche sind, merkt man dem Buch deutlich an. Nach dem kurzen Abriss über die Frühphase von Techno in der BRD geht es vor allem um den DJ-Alltag zur Jahrtausendwende. Auch hier gibt es einige lesenswerte Anekdoten und aufschlussreiche Einblicke. Häufig jedoch werden die Interviewten allzu persönlich, erzählen von Trennungsschmerz, Beziehungsalltag und Partnerschaftsidealen. Auch Leben und Tod werden abgehandelt, neben Plattenläden, Geschlechterrollen, Drogen, Jetset-Leben, Utopien, Parties in der Panoramabar und in Mexiko. Das mag zur Recherche für einen Roman durchaus dienlich sein, lässt die Lektüre jedoch mit der Zeit immer zäher werden. Alle paar Seiten drängt sich die Frage auf, was Teipel da eigentlich wissen will – und warum. Dass "Mehr als laut" mehr sein will als ein Geschichtsbuch, dass der Versuch unternommen wird, das Phänomen Techno, die Musik und die vornehmlich physischen Erfahrungen mit dieser zu verbalisieren, lässt das Buch notwendigerweise scheitern. Im Gegensatz zu "Verschwende deine Jugend" vermag "Mehr als laut" es nicht,
»Es war einfach nur laut, massiv, Nebel, Strobo. Und alle voll oberkörperfrei und am Tanzen. Nach einer Stunde habe ich gedacht: 'Vergiss die andere Musik! Die ist scheiße!'« ein stimmiges Gesamtbild zu erzeugen, das über die bloße Aneinanderreihung von Anekdoten hinausgeht. Die Geschichte einer Generation lässt sich eben nicht bloß im Ansatz erzählen. Und schon gar nicht nebenbei.
Jürgen Teipel, Mehr als laut, ist bei Suhrkamp erschienen.
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Text Sascha Kösch
Fan-Fiction
Ich schreib' mir die Welt so wie sie mir gefällt
In der Musikwelt gelten Remixe als oft teuer bezahlte PrestigeProjekte, in der Literatur übernehmen die Fans den Job gleich selbst. E-Books machen es möglich. Und Amazon und Co. lassen alle daran mitverdienen.
Bei Büchern denkt man zunächst mal an statische Klötze von Text. Das letzte Bollwerk gegen den Wahn des schnellen Slogans, gegen die Welt im digitalen Remix-Tsunami von Memes und Viralem. Egal wie sehr die Branche auch im Umbruch steckt und wie oft man sich selbst auf der Buchmesse über die neuen Businessmodelle, die Disruption, die Zukunft der Distribution und des Schreibens unterhält, am Ende geht es immer um Text, Autoren, Werke. Die werden lizenziert, raubkopiert, kompiliert, in DRMDistributionskanäle von E-Book-Readern gepfropft. Aber das Produkt am Ende, bei allem Krampf zwischen den Zeilen, bleibt gleich: die Story. Daran ändern auch Kindle Singles nichts.
Von der Kindle World gebändigt? Aber einen Umbruch gibt es, der die Welt der Bücher - und auch des Films, der Comics und so weiter - dann doch wieder radikal verändern könnte. Fan-Fiction. Irgendwem ist aufgefallen: Das boomt, das wuchert. Völlig unkontrolliert in den Grauzonen von Fair-Use rhizomisieren tippend-hyperaktive Kids die
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Alle Marketing-Buzzwords Das noch etwas wackelige Format steht erst am Anfang und Amazon sind nicht die Einzigen. Beispielsweise Stan Lee (Macher von Spiderman, Hulk, Iron Man, X-Men etc.) verkauft seine neuen Superhelden gleich komplett ohne Story. Eine Welt aus leeren Seiten. Er liefert das Design, die schwedische Firma Plotagon die Software, mit der man aus den neuen blanken Helden dann Videos zaubern kann. Vorausgesetzt, man hat das StanLee-Helden-Erweiterungspaket gekauft. Und als nächsten Dreh verkauft Skit (eine Animations-App) jetzt die Fan-FictionRechte von Pacific Rim, mit denen man sich selbst auch noch als Charakter in die eigene Version der persönlichen Dystopie einbauen kann. Als Opfer oder Held? Die Grenze ist längst verschwommen. Fan-Fiction in all seinen Facetten neuer Lizenzierungen jedenfalls verspricht
Amazon - ein Monster, aber alles andere als blöd. Welten ihrer Bücher, Filme und so weiter und machen aus den Charakteren die Storys, die sie immer schon lesen wollten. Sie beleben die Stars mit eigenen Geschichten, trennen säuberlich die Fiktion der Fiktion von dem Skelett einer ihrer Strukturen und patchen sich so eine Frankensteinstory zusammen. Amazon - ein Monster, aber alles andere als blöd - hat diesen Wildwuchs losgelöster Plots als erstes begriffen und fängt den Strom der "freien" Kreativität von Fans in neuen Lizenzmodellen auf. Kindle Worlds heißt das Kind und lässt Fans jetzt nicht nur neue Episoden der CW-Serien (Pretty Little Liars, Vampire Diaries, Gossip Girl etc.) schreiben und (Win-Win statt Fair-Use) sowohl die Fan-Fiction-SchreiberInnen als auch die AutorInnen (vermutlich eher die Verlage) der Ur-Welten daran mitverdienen. Und natürlich sind auch Comics im Boot (Valiant mit Bloodshot, Shadowmen, etc.) aber auch Sci-Fi-Autoren (Stephenson, Bear mit ihrer Foreworld-Saga) und folgerichtig auch verstorbene Autoren werden als Fan-Untote wiederbelebt, zum Beispiel Kurt Vonnegut. Der Plot, der Ur-Text, wird, wie schon zu Zeiten vor dem Buchdruck plötzlich wieder flüssig - und geht auf im Meer der derivativ wuselnden fiktiven Add-Ons, PlugIns. Natürlich legt Amazon der FanFiction neue Fesseln an. Pornography, nope! Böse, fiese, miese, brutale Sprache, nope! Crossbreeding von Welten, nene! Und ein Cameo von Stephenson in einer Foreworld-Saga ist natürlich auch nicht drin. Sind die Fans mit der Verlockung des Geldes jetzt schon von Amazon in einer restriktiven Kindle World gebändigt?
der neue heilige Gral des Merchandising zu werden, indem es aus jedem Herzblut der Fan-Kreativität eine TupperwareParty mit vergoldeten Strömen viraler Mitverdiener macht. Mitverdiener, die, wie Vampire mit umgekehrten Vorzeichen, aus den Herzblutströmen kübelweise Geschäftsmodelle in die Öffentlichkeit spritzen. Alle Marketing-Buzzwords der Stunde sind eh mit im Boot. Activation? Aber wie! Content-Marketing? Sogar ohne selbst den Finger zu krümmen! Wann und ob eins dieser Modelle den Durchbruch erlebt, steht noch aus. Die schöne neue Welt der Remixe ist aber definitiv schon jetzt ein paar Ecken komplexer geworden.
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Text Oliver Tepel
Tinte auf Textil digitaldruck 2013
Wer Inkjet-Printer für längst vergangene Relikte hält, sollte mal in der Modeindustrie nachfragen. Nach Anläufen kleinerer Labels greift mittlerweile auch die Haute Couture neben Digitalauch auf klassischen Tintenstrahldruck zurück. Unser Autor spekuliert über das ästhetische Resultat des Textildrucks der Zukunft. Gezeitenrechenmaschine, Thomsonsche Lotmaschine, Trockenkompass, Spiegel-Galvanometer - Lord Kelvin war nicht nur ein epochaler Theoretiker, sondern auch unentwegter Erfinder. Ein Aufzeichnungsgerät, das Linien und Kurven mittels aus einer Hohlnadel tropfenden Tinte auf Papierstreifen zeichnete, war eines seiner Patente im Jahr 1867. Die Geburt des Inkjet-Druckers. Zugegeben, es dauerte noch ein wenig bis zu den rappelnden Plastikkisten, die sich in einer zusehends papierlosen Welt nun auch langsam wieder aus dem Alltag verabschieden. Wobei, verschwinden sie wirklich? Was macht der Inkjet, wenn er nicht Papier bedruckt? 2004 zeigen der Brasilianer Bruno Basso und sein britischer Companion Chris Brooke in London die erste
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Modekollektion aus komplett digital bedruckten Stoffen. Enorm primärfarbenreiche Muster, die von Jahr zu Jahr verschlungenere und wagemutigere Strukturen ergaben. 2010 sampleten sie Jeff Koons Arbeiten und machten sie zu Mustern. Diese Muster verhalten sich ganz analog zum Track: Weit wichtiger als das Zitat ist der Effekt, der durchaus enorm formverliebt und vielfältig sein kann. Tatsächlich ist das Kreieren von Stoffmotiven und Mustern weit näher an der Entwicklung eines Tracks als an Zeichnung und Malerei. Zuerst griffen weitere britische Designer die InkjetIdee auf, dann brachen die Dämme zur Haute Couture bei Valentino und Givenchy, wo Riccardo Tiscis digitale Malerei eines Dobermanns in der aktuellen Kollektion für Aufsehen sorgte. Seine Koketterie mit Airbrush-Ästhetik erinnert an die Currywust mit Blattgold: ein dekadenter Spannungseffekt zwischen ultrasophisticated Druck und Motiv. Mary Katrantzou, Star der zweiten Generation, die längst unter ihrem "Queen of Prints"-Titel ächzt, präsentierte für ihre aktuelle Herbst/Winter-Kollektion Fotoprints als Gegenthese in schimmerndem schwarz und grau mit metallischen Tönen und nur schemenhaft gesprühten Farben. Wir sind nun also mitten in der Verfeinerungsstufe des Hypes um Inkjet- und Digitaldruck. Im Rennen um Ideen und technische Neuerungen gilt es genauer hinzusehen: Während viele der Printexperimente, die technisch erst ab 2009 und dann auch nur bei wirklich teurer Kleidung überzeugten, an späte Realisationen von Trash-Pop-Träumen der Achtziger
Übergroße Motive und farbintensive Drucke berühren Geschmacksgrenzen und kreieren eine Ästhetik, von der man schon beobachten kann, wie sie über Desigual bald die Kaufhäuser füllt.
Bis vor kurzem füllten diese virtuellen Sweater die tumblr-Blogs, mittlerweile gibt es sie auch IRL zu kaufen. Dem neuen Digitaldruckern sei dank. sexy-sweaters.com
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und Neunziger erinnerten, werden die Drucke nun nicht nur dunkler, sondern auch kleinteiliger und noch filigraner. So zeigt Valentino seit drei Kollektionen ein Reenactment antiker, medialer und barocker Elemente. In der kommenden Sommerkollektion des Berliner Teams Vonschwanenflügelpupke wird hingegen ein Problem großflächiger Prints thematisiert. Sie begrenzen die Möglichkeiten der Silhouette, Abnäher können kaum gesetzt werden ohne das Muster zu irritieren, verschiedene Lagen von Stoff funktionieren ebenfalls schwerlich. Warum also nicht gleich den Klassiker des Aufdrucks, das T-Shirt, bemühen? Dass Christopher Kane mit Shirts begann, spürt man auch noch in seiner aktuellen Winterkollektion. Dabei scheinen seine Muster reduzierter, überzeugen mit einem 3D-Effekt aus parallelen Linien. Doch auch im aktuellen, dunklen Blumentrend spielt er mit, ebenso wie Thakoon oder N21 in morbidem Schwarz-Weiß. Diese beiden Farben weisen aber unmittelbar auf ein weiteres Inkjet-Problem: Wer auf Schwarz drucken will, kommt nicht mit den üblichen vier Farbpatronen (Cyan, Magenta, Yellow und Schwarz) aus, sondern benötigt eine weitere in Weiß. Jenseits der High Fashion erreichen die FünftonDrucker nun auch den Direct-to-Garment-Bereich (DTG). Der boomt im Internet, seit er vor gut zehn Jahren mit den entsprechenden Druckern von Mimaki & U.S. Screen begann. "Design Dir Dein Shirt" birgt zwar unendliche Ressourcen kommender Tristesse durch mitteleinfallsreiche
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Eigenentwürfe auf genormten Schnitten, aber sicher auch weit bessere Band-T-Shirts als gewohnt. Doch nicht nur die Kleinstserienproduktion profitiert von der Entwicklung der Drucker, sondern insbesondere der Massenmarkt. Zwischen 2011 und 2012 erreichten Geräte wie Stork Prints Sphene, Reggiani ReNOIR oder MS JPK den Markt. Sie arbeiten mit bis zu 24 Farbköpfen und vier verschiedenen Tropfengrößen und sollen bis 7200 qm in der Stunde bei 300 x 600 DPI bedrucken, im Topmodus von 1200 x 2400 DPI immer noch so viel wie frühere Topgeräte in der gröbsten Auflösung. Diese Möglichkeiten erreichten dieses Jahr die Kollektionen, insbesondere die für den Massenmarkt. Übergroße Motive und farbintensive Drucke berühren Geschmacksgrenzen und schaffen eine Ästhetik, von der man schon beobachten kann, wie sie über Desigual den breiten Markt erobert und in verwässerter Form, sprich geringster DPI-Auflösung, bald die Kaufhäuser füllt. Doch das futuristische Element dieser Drucke, jene seltsam technoide Psychedelia, verführt nun umso mehr zu einem genauen Blick oder dem Gespür alternder Stofffreunde, welche die Textilien prüfend durch die Hand gleiten lassen. Erkenne die feinen Unterschiede Interessanterweise haben diese Innovationen auch einen Einfluss auf die Weiterentwicklung konventioneller Textildruck-Techniken. Insbesondere der Laserdruck erzielt dabei noch weit präzisere Ergebnisse, ist aber auch teurer.
Es sind zwar die ultrafeinen Linien und Farbverläufe der "laser exposing technology", die die Farbpunkte, anders als ein Inkjet, mit grafischer Präzision aneinanderreihen und den eingewöhnten Blick am nachhaltigsten zu beeindrucken verstehen. Gleichzeitig ist der entsprechende Prozess des Druckens vom Einfärben, über das Abtragen der Farbschichten mit dem extrem schwachen und präzisen Laser sowie dem Auswaschen der überschüssigen Farbe sehr aufwändig. Und der nächste Schritt? Auf der Paris Fashion Week debütierte Iris van Herpen in ihrer "Voltage"-Collection mit 3D-Prints. Eigentümlich plastische Outfits, ein an ein Gigersches Geschöpf oder Art-Nouveau-Linien erinnerndes Kleid und eine Kombination aus Rock und Stola, gleich einem Vorhang aus Muscheln oder rundgewaschenen Kieseln. Kreationen, die in Zusammenarbeit mit dem 3D-Druckerhersteller Stratasys der jungen Technik huldigten. Noch scheinen es mehr Skulpturen als tragbare Kleider, doch ihr beeindruckendes Aussehen weist in die Zukunft.
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linke Seite: Aanisa: Beanie und Steppjacke_ Carhartt / Tribal-Shirt_ Nhu Duong Jeanne-SalomĂŠ: Jacke_ adidas Originals by Jeremy Scott diese Seite: Kind: Shirt_ adidas Originals by Opening Ceremony Mascha: Jacke_ Adidas Slvr / Rock_ Nhu Duong / Slipper_ adidas by Tom Dixon
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Anna: Jacke_ Nhu Duong / Leggins_ Nike / Chelsea Boots_ Pointer Ellie: Top und Leggins_ Puma / Sneaker_ adidas Slvr Aanisa: Top_ Nhu Duong / Hose_ Weekday Jeanne-Salomé: Top_ Model's own / Hosen_ Nhu Duong über adidas Originals by Jeremy Scott
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Vater: Hose & Weste_ Hien Le / Jacke_ Nhu Duong Mutter: Jacke_ Nhu Duong Kind: Kids own Sofa: Redesign Mikael Mikael für RLF
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Pablo: Sweater_ NX-2 by Nik Kosmas / Hose_ adidas Y-3 / Sneaker_ New Balance Jeanne-Salomé: Overall_ Kostas Murkudis für RLF / Schuhe_ adidas Y-3
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Mascha: Sweater und Trainingshose_ NX-2 by Nik Kosmas / Schuhe_ Boxfresh Katzenbaum: blaue Schuhe_ adidas by Tom Dixon / Chelsea Boots_ Pointer / Bernhard Wilhelm für Camper
Fotografie: Maja Cule Styling: Timo Feldhaus Braids: Sara Mathiasson Make Up: Franka Frankenstein Produktion: Maja Cule & Timo Feldhaus Vielen Dank an Mascha, Aanisa, Lars, Jeanne-Salomé, Nina, Mila, Pablo, Ellie, Anna, Silke, Manon, Judith, Tom, Christoph, R50, Winston Chmielinski, Nhu Duong, Nik Kosmas und Jan Joswig
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Neue Standfestigkeit Onitsuka Tiger COLORADO EIGHTY-FIVE
Nike+ FuelBand SE Update & erstmals in Deutschland Nach der großen Geschichte zum "Quantified Self“-Movement im letzten Heft kommt nun passend die Antwort von Nike. Die zweite Version des NikeFuel. Die erste Version, die im Januar 2012 in den USA (ein bisschen später in England) präsentiert wurde, markierte im Blick auf Vermessung des Körpers einen Wendepunkt im Denken der Selbstoptimierer. Hier in Deutschland musste man bisher mit dem Jawbone Up vorlieb nehmen was bis heute keine schlechte Wahl ist aber das tolle Digitaluhr-Feature des NikeFuel vermisste man doch. Killerfeatures? Das neue Fuelband SE integriert einen Bluetooth-4.0-Sensor, der den Energieverbrauch des Armbandes und vor allem des Smartphones reduziert und dadurch die Lebensdauer der Akkus verlängert. Neben dem gewohnten Schwarz wird es die Auswahl von mehreren Farben (z.B. Rot, Pink, oder auch Gelb) geben. Darüber hinaus wird es dauerhaft mit dem Smartphone verbunden, Synchronisierung ist nicht mehr nötig. Außerdem versprechen die Macher, das FuelBand SE solle die Bewegungen von unterschiedlichen Sportarten noch besser tracken. Natürlich auch drin: Ihr könnt Gruppen von Freunden kreieren, um sich gemeinsam zu fordern und dazu zu motivieren, gegeneinander und miteinander Ziele zu erreichen. Abgeschaut: Vom Jawbone Up haben sie den "Schlaf-Sensor“ geklaut - guter Klau, so kann auch im Schlaf mitgezählt werden. Nicht gut: Die entsprechende App gibt es nur für iOS.
Es wird jetzt wieder brutaler, brachialer, bolleriger. Die Zeit der eleganten, freien Barfuss-Sneaker ist vorbei, der Lauf der Mode will es so. Uns dürstet (zumal im Herbst und Winter) nun wieder nach Standfestigkeit, etwas mehr Rahmung, letztlich: Umarmung. Onitsuka Tiger geht einen Schritt in die richtige Richtung. Zwar immer noch leicht und relativ schmal den Fuß umfassend, sorgt besonders die charakteristisch grob profilierten Stollensohle für ein gut austariertes Outdoorfeeling auf der Straße. Das Original entsprang dem Jogging- und Fitnesshype der 80er-Jahre, geschaffen als leichtgewichtiger Trailrunningschuh für ausgedehnte Draußenaktivitäten. Der Suede/ Nylon-Tec-Allrounder verstärkt das Gefühl des Haltes und des Schutzes noch in der Midcut-Version, durch ausgeprägte Flexkerben sowie das nach oben gezogene Profil an der Schuhspitze. Colorado Eighty-Five Kostet: 100 €
Das Band ist ab dem 6. November im Handel und kann bereits auf Nike.com vorbestellt werden. Kosten: 139 €
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DVD: I Dream Of Wires Modularsynthies, inside out Kann jemand bitte mal das Gefiepe ausmachen? Nach vier Stunden "I Dream Of Wires" - so lang dauert der Director's Cut der Dokumentation zur Geschichte der modularen Synthesizer - wünscht man sich zunächst ganz schnell einen digitalen Preset-Sound. Für ganz doll lange. Es fiept. Andauernd. Und knirscht und wobbelt. Filter auf, Filter zu. Resonanz rein, Resonanz raus. Das ist dann aber auch schon das einzige, was man dem Film vorwerfen kann. Die Gespräche mit Musikern, Technikern und Sammlern stehen im Mittelpunkt des Films von Robert Fantinatto und Jason Amm, den wir seit langem von seinem eigenen Projekt Solvent kennen. Daniel Miller, John Foxx, Vince Clarke, Carl Craig, Trent Reznor, Morton Subotnick und Chris Carter kommen genauso zu Wort, wie Techniker und generelle Auskenner. Denn neben einem sehr fein aufbereiteten historischen Teil, der die technische Entwicklung im Allgemeinen und die ganz unterschiedlichen Ansätze in der Entwicklung der modularen Synthesizer an Ost(Moog) und Westküste (Buchla) der USA skizziert, widmet sich die Dokumentation vor allem der Jetztzeit. Den Nerds, die die wachsende Szene von Liebhabern der Steckverbindungen mit neuen Modulen und Ideen versorgen. "I Dream Of Wires" ist auch für NichtSynth-Fans eine Augen öffnende Freude. Es ist den beiden Machern des Films hoch anzurechnen, dass es eben nicht ausschließlich um die "reine Lehre" der Schaltkreise geht. Man lernt auch einfach unglaublich skurrile und interessante Menschen und ihre Projekte kennen. Etwa das Mädchen aus Brooklyn, das in jahrelanger Arbeit einen Synth in einer alten Telefonvermittlungsanlage einbaut. Und wir steigen hinab in die Untiefen der NYUKeller, wo immer noch der RCA MKII, der erste echte Synth der Welt, vor sich hinrostet. Was man immer sieht, ist der Glanz in den Augen der Interviewten, wenn es um Synthesizer geht. Und dieser Glanz inspiriert so sehr, dass man den Wunsch nach dem digitalen Preset ganz schnell wieder vergisst.
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Lichtmächte Dietmar Dath & Swantje Karich zu den neuen Machtverhältnissen der Bilderwelten Crashkurs in visueller Mündigkeit: Die Beschreibung ist recht plump, zugegeben - im Gegensatz zur Poesie der Lichtmächte. Vor einem solchen Bild lassen sich die 270 vorliegenden Seiten immerhin aber im Ansatz durchdringen. Swantje Karich (u.a. Feuilleton FAZ) und Dietmar Dath schreiben eine “Kritik an den Bildregimes der Gegenwart“, fordern auf zu einem “neuen“ Sehen, und überfordern mit einem Referenzrahmen, der von Guy Debord bis Marina Abramović reicht, von Identitätsfindung durch Selfies bis zum Fantastischen in der Science-Fiction, von Netflix bis zur Bundeskulturstiftung. In all den Essays, Anekdoten, Parabeln (Karich fährt scheinbar viel mit dem Zug), Dialogen, lauten und wilden Monologen, und immer wieder Analysen von Film, Fotografie, Malerei, Kino und Museum, geht es aber doch grundsätzlich um Phänomene, die noch mitten in ihrem eigenen Umbruch stecken, in einer pubertären Phase der Orientierung beziehungsweise der Orientierungslosigkeit. Projekt: kritisches Sehen, visuelle Mündigkeit, informationelle Selbstverwaltung (“eine enteignete Instagram- oder Flickr-Nutzerin fühlt sich so schlecht behandelt wie der ungerecht besteuerte Kleinproduzent im Ständestaat.“), ein Sich-Behaupten und Nicht-Untergehen im trüben Bilderfluss. Weil sich Karich und Dath aber ihrer vagen Gegenstände bewusst sind, wird statt aufklärerischer Analyse “lediglich“ ein erstes reflexives Fährtenlesen skizziert. Die gesellschaftlichen Umbrüche zeigen sich in ihrer historischen Dimension an den Veränderungen im Kino und Museum: “Die Kunst flimmert, wo der Gegenstand sich noch sucht, den das Bild feiern oder bannen soll.“ Dieses Buch ist gleichzeitig Beobachtung gegenwärtiger Machtverschiebungen, Medien- und Kunsttheorie, Gesellschaftskritik, Institutionskritik, politisches Manifest, Hoffnung auf gerechtere und selbstbestimmte Orte. MALTE KOBEL Dietmar Dath / Swantje Karich, Lichtmächte, ist im diaphanes Verlag erschienen.
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Jawbox Mini Jambox Bluetooth strikes back
Microsoft Sculpt Comfort & Ergonomic Das "Natural Ergonomic Keyboard 4000" war lange eines der wenigen wirklich praktischen Keyboards für beschädigte Handgelenke. Jetzt legt Microsoft mit der "ergonomisch" geschwungenen Sculpt-Reihe nach. Ich habe beide Modelle ausprobiert, die "Comfort" und die "Ergonomic" - mit gemischten Gefühlen. Das eine ist ein grundsätzliches Problem: Microsofts Tastaturen arbeiten nicht sauber mit OS X zusammen, manche Sondertasten wollen nicht, wie ich will. Programmierbar ist hier gar nix. Dann der USB-Dongle-Zwang, keine Hintergrundbeleuchtung - und nicht einmal ein USB-Hub! Dann sind die Sculpts, wie schon ihr Vorgänger, noch immer arg Plastik, für 80 respektive 130 Euro erwarte ich mir mehr (auch wenn eine PlastikFunkmaus dabei liegt). Die "Ergonomic" wackelt auf einer glatten Oberfläche sogar ein wenig. Hervorragend hingegen ist das Schreibgefühl, ein knuspriger Anschlag fast ohne Klick, butterweich und trotzdem präzise. Die Tasten selbst sind griffig, leicht konkav. Die ergonomische Variante macht einen solideren, wertigeren Eindruck. Kleine Innovation der "Comfort": Ihre Leertaste ist zweigeteilt, die linke Seite funktioniert auf Wunsch auch als Backspace-Taste. Ob man nun eine "Ergonomic" haben will, muss jeder selbst herausfinden. Ich habe auch durch herbe GanglionProbleme zu dieser letzten Maßnahme gegriffen. Ohne klassisches ZehnfingerSystem schreibt es sich auf so einer Tastatur aber ungelenk. Da die "Comfort" aber auch recht Handgelenks-schonend ausgelegt ist, werde ich zu ihr wechseln. Wer keine ergonomische Tastatur braucht, sondern ein massives Schreibwerkzeug, soll sich bei Ebay eine alte IBM Model M holen, etwas besseres gibt es eh nicht. Wer eine kleine, elegante, nicht sonderlich robuste Bürotastatur braucht, liegt bei einer der Sculpts richtig. Für mich sind sie hervorragende Weiterentwicklungen des alten "Natural Ergonomic Keyboard 4000" - übrigens auch was die Gaga-Namensgebung angeht.
Das Thema des Sommers wird das Thema des Herbstes: Aber wenn Jawbone mit einem neuen Schalldruckhandschmeichler an den Start geht, lohnt ein Blick allemal. Denn da draußen an der Bluetooth-Front herrscht Krieg. Klein, groß, leicht, schwer, rund, eckig: Praktisch jede Firma, die auch nur im entferntesten etwas mit Audio zu tun hat, macht Bluetooth-Lautsprecher. Und die neue Mini Jambox ist Jawbones D-Day. Denn die Mini Jambox ist nicht nur irre klein und leicht. In dem Unibody aus Aluminium (ein first für Jawbone) stecken zwei Neodym-Treiber und ein passiver Bassreflektor, die den anderen Mini-Lautsprechern erst in die Fresse hauen und dann Yeah! brüllen. Das Brüllen ist dabei dank kalifornischer Raketentechnik extrem fein austariert, sanft und doch druckvoll, fulminant und in allen Frequenzbereichen präsent. So klein und doch so groß. Der erste wirklich Handtaschen-kompatible Lautsprecher von Jawbone füllt mit seinem Output locker ein mittelgroßes Zimmer. Fühlt sich im Regal genauso wohl, wie auf dem Tisch. Dort kann man dann auch das Feature nutzen, mit dem Jawbone ebenfalls vorne dran war: den Freisprecher; jetzt auch in HD. Dank neuem Mikro und Bluetooth 4.0 LE klingen Konferenz-Telefonate noch klarer. Und auch auf andere gelernte Vorteile muss man nicht verzichten, etwa Software-Updates für neue Features und LiveAudio-Technik für mehr Räumlichkeit im Sound. Mit der Mini Jambox ist aber auch die App für iOS und Android endlich in Deutschland erhältlich. Die hilft nicht nur beim Einrichten des Lautsprechers, sondern aggregiert auch sämtliche Musik-Apps auf dem Smartphone. Erst Rdio, dann iTunes und Spotify zwischendrin? Dass da noch niemand vorher dran gedacht hat! In gleich neun Farben kommt sie dieser Tage in den Handel. Das sind 180 gut angelegte Euro.
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Text Gerlinde Lang
bassdrumschreiberei 2 BerlinbÜcher Am Abgrund
Sven Regener, Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt (Galiani-Berlin) Ju Innerhofer, Die Bar (Metrolit)
Plötzlich will jeder dabei gewesen sein, als die Wessis den Ossis für ein paar Glasperlen Berlin abkauften, um darin Party zu machen. Oder, später, als man hinter dem Holzzaun der Bar 25 in der Sonne tanzte. Jetzt kommen die Nachzügler. Haben die uns gerade noch gefehlt?
"Etwa so musste Bielefeld kurz nach dem Krieg ausgesehen haben. (...) Und eins war mal klar: Hier konnte jeder mitmachen. Sogar ein alter Psychozausel wie ich, der seit fünf Jahren im Trockendock lag und bis eben noch Hilfshausmeister gewesen war." Ausgerechnet "Element of Crime"-Gitarrenballadeur Sven Regener will in "Magical Mystery. Die Rückkehr des Karl Schmidt" vom Techno Mitte der 90er in Berlin erzählen. Seiner Ehefrau Charlotte Goltermann ist das Buch gewidmet, sie war damals u.a. für das Ladomat-Label zuständig (Whirlpool Productions, Egoexpress, Commercial Breakup, Lawrence). Aber es ist nicht die Story von Ladomat, die hier bis zur Unkenntlichkeit entstellt wird. Regener spinnt sein erfolgreiches "Herr Lehmann"-Universum weiter, charmant vertrottelte Markenzeichen-Dauerdialoge eingeschlossen. Oppa erzählt hier nicht einfach nur vom Krieg, er erlebt gleich einen ausgewachsenen Laberflash. Erstmals mit anwesendem Weibsvolk, nach frauenlosen Kasernen, Kneipen und besetzten Häusern in den vorigen Bänden. Die Crew des fiktiven Berlin-Mitte-Technolabels "BumBum Records" ist kommerziell erfolgreich, und hat dabei unversehens "faceless Techno" und andere Wertekinkerlitzchen geopfert. "BumBum" mit seinen Acts Frankie Highnoise, AFX & MFX und "Belinda mit dem Schlagerding" ist jedenfalls losest angelehnt an das deutsche Label Urban mit Signings wie Charlie Lownoise (& Mental Theo), 2XLC und Marusha. Jeden Freitag kommen die Charts per Fax, 5.000 verkaufte Maxi-CDs!, und der Kühlschrank voll Champagner geht auf. Ins Zentrum stellt Regener den Sohn der Freien Hansestadt Bremen, Metallskulpturenzusammenschweißer und Ex-Speedfreak Karl. Nach fünf Jahren in der (natürlich charmant vertrottelten) Multitox-Drogenentwöhnungs-WG soll Karl nun als Nüchterner vom Dienst die (ebenfalls charmant vertrottelt angelegten) VertreterInnen von BumBum auf "Magical Mystery Tour" durch die deutsche Provinz chauffieren. Ziel der Reise: der Groß-Rave "Springtime", mit einem raren philosophischen Moment vom BumBumLabelchef: "Ich will nicht, dass das irgendwann aufhört und dann bleibt nichts übrig, außer dass die sagen, das wäre so, was weiß ich, Hedonismus oder so ein Scheiß gewesen und das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass das irgendwann aufhört, weil demnächst kommt dann der neue heiße Scheiß um die Ecke und dann sind wir alle nur noch
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Veteranen wie die ganzen Achtundsechziger, ich meine, guck dir die doch mal an, die sind alle in meinem Alter, und die tun schon so wie früher die alten Säcke, die immer die Hosen hochgekrempelt und ihren Knieschuss aus Stalingrad hergezeigt haben. Für die ist das Leben doch schon vorbei! Die erzählen doch nur noch von früher!" (...) Ferdi seufzte. "Ich will, dass irgendwas bleibt." Dabei bleibt's dann auch an Reflexion. Fazit: 500 Seiten und ein totes Meerschwein später ist es dann auch endlich gut. "Es wird der letzte Sommer." Auch Mia aus München ruft in "Die Bar. Eine Erzählung" von Ju Innerhofer die Arbeit. Nicht als ausgebildete Ärztin, sondern immer wieder Sonntags hinter die Backstage-Bar und Montags auch noch privat an die frische Luft der kaum verschleierten Berliner Bar 25. 2010 läuft der Countdown über der Tanzfläche. Hat da eine mitgeschrieben, um eines Tages bei der Berliner Fremdenverkehrswerbung unterzukommen? "Berlin ist eine unfertige Stadt. Sie kann einen aber fertigmachen. Und trotzdem ist Berlin wohl einer der größten Sehnsuchtsorte für Kreative, Suchende und Abenteuerhungrige." Verhandelt werden dieselben Topoi wie bei "Party am Abgrund": Freiheit. Einsamkeit. Loslassen. Dazugehören. Sowas wie Sex. Rastlosigkeit. Lines. Comedown. Unspießigkeit. Ketamin. Egofickereien, kaputte Mägen, keine Krankenversicherung. Gier, Rastlosigkeit, Jägermeister. Das Beschwören einer hierarchielosen Situation mit gleichzeitiger "Zwei-Klassen-RaveGesellschaft" und strengem Ablauf hinter den Kulissen. Was ist anders? Die Clubschließfächer mit den Raver-Zahnbürsten und frischen Klamotten. Und: Willkommen im Kommerzparadies. "Wie kommen die Leute auf die Idee, dass die Drinks hier kostenlos sind, nur weil sie sich backstage befinden?" Mia, die Bar-Tussi mit der "Tom-Ford-Brille", dem "Diesel-Pulli", dem "Vuitton-Schal, ein Geschenk eines Freundes, Haute Couture in der Bar" - hat DJ und Booker als beste Freunde. "Wir fühlen uns jung, frei, mit einer kleinen Portion 'wasted', die aber durchaus als schick bezeichnet werden kann." Aber die Partyfreude ist gestört, "Endzeitstimmung" macht sich breit, und Freund Jan hustet Blut. Kaum droht etwas Wichtiges gesagt zu werden, flieht Innerhofer in alberne englische Halbsätze. Und die besten Phrasen werden an den Zeilenrändern noch mal zusammengefasst. VON DER TANZFLÄCHE HÖRE ICH DIE BEATS! Hedonismus! Erwachsenenspielplatz! Hey! Fazit: Für die, denen Regener noch zu wenig Kalauer bietet: "Das wohlige Gefühl, dass wir im Grunde doch alle eine Family sind, macht sich breit. Im wahrsten Sinne des Wortes." Geschichte? Vermächtnis? Frag mich nicht, I'm a princess.
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G-Sessions Finale 30 Jahre G-SHOCK Die unverwüstliche G-SHOCK ist 30 Jahre alt. In schier endlosen Variationen hat der Armbanduhr-Klassiker einen weltweiten Eroberungszug angetreten, unaufhaltsam und mit immer neuen und faszinierenderen Modellen ständig erneuert. Zuletzt wurde die Serie mit Gold gekrönt und zeigte noch ein Mal deutlich den Wert, den G-SHOCK auch als urbaner Mythos erreicht hat. Zu den Feiern zum Dreißigsten gehört aber auch ein europaweiter Kreativwettbewerb (mit den Stationen Mailand, Barcelona, Paris, Amsterdam, St. Petersburg und Manchester), der am 28. November sein Finale in Berlin feiert. Nicht nur Eminem soll in den Genuss kommen, seine eigene G-SHOCK zu designen. wurden auf Ausgeschrieben g-sessions.eu aber nicht nur neue Uhren-Designs, sondern auch die kreative Präsentation der Uhr in Videos, Songs oder Kunstwerken. Vom 28. Oktober an kann man auf der Webseite abstimmen, welcher der von Modedesigner Patrick Mohr und den anderen internationalen Kuratoren vorausgewählten Entwürfe das Rennen macht und am Ende in einer limitierten Version den Traum aller G-SHOCK Fans erfüllen wird: die selbst designte G-SHOCK. Die Abschlussparty am 28. November im Berliner Kraftwerk Mitte trägt den Namen Spirit of Toughness Award und Kikuo Ibe, der Erfinder der G-SHOCK wird den Preis an den Gewinner höchstpersönlich verleihen. Natürlich folgt eine Monsterparty im Anschluss mit einem bis zum letzten Moment geheimgehaltenen Live-Act. Das Geburtstagsjahr für G-SHOCK wird hier seinen gebührenden Abschluss feiern. g-sessions.de
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Text & bild Benjamin Weiss
Maschine Studio: 999 Euro
Software als Update:: 99 Euro (auf neuen Maschinen vorinstalliert)
Maschine Studio& Software 2.0
Neue HighEnd-Hardware und komplett renovierte Software: Native Instruments arbeitet mit Hochdruck an der Weiterentwicklung der Maschine. Das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen.
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Die neue Maschine Studio ist deutlich größer als die Maschine MK2, aber immer noch leicht genug, um sie eben Mal mitzunehmen. An der Unterseite hat sie zwei ausklappbare Stützen, mit der sie sich in bequemem Winkel aufbocken lässt. Auf der Rückseite gibt es neben dem Anschluss fürs Netzteil, dem USB-Anschluss und dem MIDI-Eingang gleich drei MIDI-Ausgänge sowie Anschlüsse für zwei Fußpedale, mit denen sich Start/Stop und das Aufnehmen beim Samplen steuern lässt. Oberfläche Die Grundelemente entsprechen denen der MK2: zwei Displays mit jeweils acht Buttons darüber und acht Endlos-Potis darunter, die Pad-Sektion und die GroupButtons sind ebenfalls gleich. Was bei der MK2 über Doppelbelegungen der Pads funktioniert, bekommt bei der Studio aber jeweils einen eigenen Button. Dazu gibt es ein großes Jogshuttle und eine Master-Sektion mit dem Multifunktions-Poti für die verschiedenen Ein- und Ausgangslautstärken.
Große Farbdisplays Eye Candy mit satten Farben: Der Neuling kommt mit zwei Farbdisplays, die bei einer Auflösung von 480 x 272 Pixeln jedes Detail mit sehr guter Blickwinkelunabhängigkeit und Helligkeit mit gutem Kontrast anzeigen. Das ist vor allem im Arranger, beim Editieren von Samples und für die Darstellung des neuen Mixers (der nur auf der Studio sichtbar ist) enorm praktisch. Eingangs- und Ausgangspegel Rechts oben in der Master-Sektion gibt es eine umschaltbare Pegelanzeige, die endlich eine übergreifende Pegelkontrolle auf allen Ebenen erlaubt: Master, Group und Sound sowie der neue Cue-Bus können so schnell und direkt gepegelt werden, auf der linken Seite lassen sich auch die Pegel von vier definierten Eingängen anzeigen, was für schnelles und unkompliziertes Sampling sehr praktisch ist. Darüber sitzen noch vier Aktivitätsanzeigen für die MIDI-Anschlüsse. Ein kleines, aber nicht unwichtiges Detail, wenn man beim MIDI-Troubleshooting keine Zeit verlieren will.
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Bedienung und Haptik Die Bedienung ist bei der großen Oberfläche mit reichlich Platz zwischen Pads, Buttons und Jogshuttle sehr angenehm und übersichtlich. Die solide Verarbeitung, die griffigen Regler und das flotte Ansprechverhalten der Pads machen sofort Spaß, der Blick auf das Rechner-Display wird tatsächlich zur absoluten Ausnahme. Den flotten Workflow unterstützt auch die Tatsache, dass beinahe jede Funktion ihren eigenen Button bekommen hat. Wo bei der kleineren Maschine immer noch eine Tastenkombination dazwischen liegt, reicht hier ein Tastendruck. Für den mobilen Einsatz ist die Studio nur bedingt geeignet: Schwer ist sie zwar nicht und robust auch, aber fürs Handgepäck mit Rechner oder einen Standard-Rucksack im Alltag dann doch das entscheidende Quentchen zu groß. Im Studio spielt sie dagegen alle ihre Stärken aus: viel Platz, Übersicht und direkter Zugang zu allen Funktionen, präzises Editieren auf den eingebauten Displays und drei MIDI-Ausgänge machen sie zur zentralen, intuitiv nutzbaren Workstation. Dabei ist die Maschine Software 2.0 mit dem neuen Mixer sichtbar auf die Maschine Studio ausgerichtet. Der vergleichsweise hohe Preis liegt laut Native Instruments vor allem an den beiden großen Farbdisplays; meiner Meinung nach wäre dafür noch ein integriertes Audio-Interface drin gewesen, aber das ist tatsächlich auch der einzige Kritikpunkt.
Viel Platz, Übersicht und direkter Zugang zu allen Funktionen, präzises Editieren auf den eingebauten Displays und drei MIDI-Ausgänge machen Maschine zur zentralen, intuitiv nutzbaren Workstation. jede allerkleinste Reglerbewegung in Einzelschritten rückgängig macht, gibt es nun auch ein Take-basiertes Undo. Der Browser funktioniert nun über Tags und zeigt alle NIeigenen Instrumente und Sounds mit farbenfrohen Icons an.
Neue Oberfläche, neuer Browser Die komplette Oberfläche ist in zurückhaltendem dunklen Grau gehalten und ähnelt vom Aufbau her zunächst älteren Versionen; links der Browser, rechts oben der Arranger mit den Scenes und rechts unten die gerade ausgewählte Group mit ihren Patterns beziehungsweise der SamplingSektion. Auf den zweiten Blick wird aber klar, dass sich eine Menge getan hat, denn es ist eine Mixer-Sektion hinzugekommen und das ganze UI wurde glattgezogen. Viele Details haben sich zugunsten von mehr Übersichtlichkeit leicht geändert: Einige nicht so oft genutzte Parameter lassen sich wegklappen. So sind etwa die Slots für Sounds auf die linke Seite gewandert. Eine sehr sinnvolle Erweiterung gibt es für Undo. Zusätzlich zur bisherigen Funktionalität, die auch
Neuer Mixer mit Cue-Ausgang Der neue dezidierte Mixer zeigt in der Software auf allen Ebenen den Pegel an, bietet direkten Zugriff auf Grundfeatures wie Pan, Mute, Solo und zwei Aux-Sends, aber auch einen vereinheitlichten Überblick über das Routing von Sounds und Groups und die I/Os für Audio und MIDI. Der Mixer ist vor allem auf der Maschine Studio eine willkommene Erweiterung, denn nur auf ihr wird er auf den großen Farbdisplays angezeigt. Die anderen Maschinen folgen weiterhin dem alten Konzept, das leider auf deren Hardware keinen Hinweis darauf gibt, ob das Signal irgendwo verzerrt wird. Zumindest eine abgespeckte Pegelanzeige für den Master-Ausgang wäre hier wünschenswert und wahrscheinlich auch mit den gröber aufgelösten monochromen Displays
Arranger Mit einer richtigen Timeline werden Patterns in den Scenes in ihrer tatsächlichen Länge angezeigt: Alle Patterns, die wiederholt werden, bekommen etwas dunklere GhostParts, um die Übersicht zu verbessern. Sonst hat sich in diesem Abschnitt nicht viel getan, hier gibt es noch Erweiterungsbedarf. Drum Synth Mit Maschine 2.0 führt NI einen eigenen Drum Synth ein, der fünf verschiedene Module bietet: Kick, Snare, HiHat, Tom und Percussion. Alle kommen mit angepassten SoundEngines und liefern sowohl diverse akustische als auch elektronische Engines, mit denen sich eine große Bandbreite abdecken lässt. Sie klingen allesamt ziemlich überzeugend und machen den Griff zu Samples oft unnötig. Macros und MIDI Macros gibt es nun auch für die Masterebene, außerdem lassen sie sich mit MIDI Learn über externe MIDI CCs steuern. Dieses Feature lässt sich mit einem Workaround auch zur Fernsteuerung externer MIDI-Devices nutzen, denn einmal gelernt, gibt Maschine die CCs auch wieder raus. So lassen sich externe Geräte steuern, ohne dass in den ControllerModus gewechselt werden muss. Die Macros können jeweils alle Parameter ihrer eigenen und der darunterliegenden Ebenen steuern, Mehrfachbelegungen sind auch möglich. Mit Program Change können jetzt auch die Presets von VST- und AU-PlugIns gewechselt werden. MIDI-Noten schicken außerdem auch die einzelnen Sounds, selbst wenn sie schon ein Sampler-Modul oder ein Instrument beinhalten; in Verbindung mit den neuen Pad-Link Features ergibt das vielfältige Layer-Möglichkeiten. Die neue Maschine-Software lohnt sich für die User aller Hardware-Generationen: Neben den vielen kleinen neuen Funktionen und Detailverbesserungen und dem fett klingenden Drumsynth ist vor allem die hinzugewonnene Prozessorleistung durch die Multicore-Unterstützung und die unbegrenzte Anzahl an Groups sehr befreiend, so dass man auch mit älteren Rechnern viel komplexere Projekte als zuvor umsetzen kann. Dazu ist die mitgelieferte Library noch mal um zwei Gigabyte gewachsen, hat mit dem Plate Reverb einen neuen internen Effekt bekommen und kommt mit Prism, Sccarbee Mark 1 und dem Solid Bus Compressor. Viele Features deuten außerdem darauf hin, dass mit den nächsten Updates noch Einiges nachkommt.
Monophoner Analog-Synthesizer USB-, MIDI-, CV/Gate Interface stufenlos umblendbares Multimode-Filter (L-N-H-B) dbg177_done_02.indd 61
Doepfe
r.de
Maschine, runderneuert Zeitgleich mit der neuen Hardware wurde auch die Software gründlich überarbeitet, beziehungsweise komplett neu programmiert: Laut den Entwicklern ist keine einzige Zeile Code gleich geblieben. Das macht sich direkt beim ersten Ausprobieren bemerkbar, denn die jetzt endlich Multiprozessor-optimierte Software ist wesentlich genügsamer und lädt Files und Projekte deutlich schneller.
Unendliche Groups und Effektslots, Side-Chaining War man mit Maschine 1.x wegen der Begrenzung auf acht Groups pro Projekt bisher eigentlich gezwungen, für das Liveset einen anderen Host mit mehreren MaschineInstanzen zu nutzen, lassen sich jetzt theoretisch unendlich viele Groups nutzen. Die ersten 64 davon können auf allen Maschinen über die Group-Buttons mit Shift erreicht werden. Das Gleiche gilt auch für die Anzahl der Effekte in den Effekt-Slots, die nicht mehr auf vier beschränkt sind. Auch Side-Chaining ist jetzt möglich und funktioniert nicht nur mit den internen Effekten, sondern auch mit PlugIns von Drittanbietern.
möglich. Der Cue-Ausgang ermöglicht das Vorhören von Sounds und Samples, ohne dass sie über die Anlage zu hören sind.
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177 — musiktechnik
Text Benjamin Weiss
Tracktion 4 Die EinsteigerDAW ist zurück
Tracktion, da war doch was? Genau: Mackies kleine, übersichtliche Ein-Fenster-DAW ohne viel Schnickschnack. Länger nichts mehr von gehört. Nach sechs Jahren Partnerschaft haben sich die Entwickler wieder ausgegründet und schwuppdiwupp gibt es die neue Version 4.0. Erstmals auch für Linux.
Wer Tracktion noch von früher kennt, wird sich schnell zurechtfinden. Die Oberfläche ist großzügig und aufgeräumt, zwischen den einzelnen Fenstern wechselt man per Tab und der Work- und Signalflow läuft grundsätzlich von links nach rechts. Die Entwickler verzichten bei Tracktion auf jegliche naturidentische Oberflächen, stattdessen sieht man immer nur die gerade nützlichen
Informationen. Die integrierte In-App-Hilfe ist sehr ausführlich und gut verständlich, so dass sich Tracktion tatsächlich auch ohne Manual relativ schnell erschließt. Wer die Hintergrundfarbe vom gewöhnungsbedürftigen Blaubeerjoghurt auf etwas Verträglicheres umstellen will, kann dies tun: die Tracktion-Oberfläche kann weitgehend auf die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Editing, Routing und Effekte Jeder Track fängt in Tracktion mit einem Filter an - wobei Tracktion darunter etwas versteht, was man herkömmlich vielleicht nicht damit assoziieren würde. Je nachdem, was man nach dem Default-Filter (einem Lautstärke/PanningModul) einsetzt, kann der Track ein MIDI-, ein Audio-Track oder etwa ein Aux-Send werden. Dabei lassen sich auch Drittanbieter-PlugIns einbinden. Eigenkonstruktionen aus verschiedenen Filtern/PlugIns werden als Racks abgespeichert: Das erlaubt unerwartet komplexe KombiPatches. Ungewohnt ist zunächst das Audio-Editing, da hier auf übliche Konventionen und bekannte KeyboardShortcuts verzichtet wurde. Einsteigern dürfte das aber egal sein. Sehr gelungen und eingängig ist der Umgang und die Erzeugung von Automationen; auch das Time- und Pitch-Shifting ist nicht nur sehr übersichtlich gestaltet,
sondern klingt auch noch gut. Anders als der Rest der DAW-Riege trumpft Tracktion nicht mit einer Gigabyteschweren Library auf. Stattdessen gibt es eine kleine Auswahl von gut klingenden Standard-Effekten und einen Loop-Browser mit Standards aus allen Bereichen. Tracktion ist insgesamt eine gute und stabil laufende DAW für Einsteiger. Die App bietet viele Features, gleichzeitig werden Newbies nicht von zu vielen Möglichkeiten erschlagen. Dabei ist sie eine der wenigen DAWs, die neben Mac und PC auch Linux in 64 Bit unterstützt. Das Bedienkonzept ist wirklich sehr direkt und spart auch auf kleinen Bildschirmen Platz, so dass keine Zeit damit verschwendet wird, Fenster zu sortieren oder Funktionen in Untermenüs aufzuspüren. Die mitgelieferte Effektauswahl ist vielleicht etwas arg sparsam geraten, klingt aber durchweg solide. Außerdem lassen sich sowohl VSTs und unter OS X auch Audio Units einbinden. Eine Demoversion steht zur Verfügung. Preis: 59 Dollar Vollversion, 29 Dollar Upgrade von alten Versionen Plattformen: OS X, Windows 7 & 8, Linux (Ubuntu 12)
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Text Benjamin Weiss
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Preis: 21,99 Euro
Touchable 2.0 Neue Runde für die iPad-Remote
Das iPad ist immer öfter der bessere Controller für Software auf dem Rechner. Das neue Touchable 2.0 beweist das eindrücklich.
In der Entwicklung neuer App-Versionen gibt es zwei grundlegende Ansätze: entweder auf der alten Codebasis aufbauen, oder alles komplett neu programmieren. Das Aufbauen auf dem alten Code geht zwar in den meisten Fällen schneller, aber es sammeln sich über die Jahre auch unschöne alte Bugs und Workarounds an, die sich irgendwann nicht mehr beheben lassen, weil sonst der Rest des Programms in sich zusammenfällt. Der andere Ansatz ist gründlicher, aber wesentlich arbeitsaufwendiger: jedes Mal komplett neu anfangen. Genau das haben touchAble mit Touchable 2.0 getan.
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Alt plus neu Touchable bietet auch in der Version 2.0 eine komplette Fernsteuerung für Live, die wesentlich weiter geht als eine schlichte Clip-Schleuder mit Mixer; wurde jedoch Featureseitig ordentlich aufgestockt. Damit man dennoch nicht die Übersicht verliert sind auf dem iPad-Display viele Funktionen ein- und ausklappbar, so dass immer nur das zu sehen ist, was gerade gebraucht wird. Daran muss man sich zwar zunächst gewöhnen, im alltäglichen Gebrauch wird aber schnell klar, dass das eine große Erleichterung ist. Neu ist in der Version 2.0, dass so gut wie alle frischen Features der aktuellen Ableton-Version integriert sind. Angefangen beim Browser mit Drag-&-Drop-Unterstützung, einem PatternSequenzer mit Fold und Drum-Pads, klassischem Keyboard oder isomorpher Variante für den Push-Controller, Session Record bis zu Automation Arm. Gerade im Sequenzer wird der Einfluss von Push deutlich: Auf einem Touchstrip lässt sich schnell zwischen den Oktaven wechseln, kleine blaue Punkte zeigen an, auf welcher Oktave schon Noten sind, daneben kann ein Pitchbend-Wheel, Note Repeat und der Velocity-Bereich der gespielten Noten eingeblendet werden. Dazu kommen, ebenfalls wie bei Push, 25 verschiedene Skalen und das Fixed/In Key-Feature, bei dem nur die Töne der jeweiligen Skalen auf dem Keyboard liegen beziehungsweise spielbar sind. Da ein großer Teil der Live-9-Features selbst programmiert wurde, lassen sie sich praktischerweise auch mit Live 8 nutzen: Ausnahmen sind nur der Browser, Session Record und die Automation. Alle SequenzerFeatures funktionieren auch in 8.
Alles auch modular Zusätzlich zu all den oben genannten Möglichkeiten lassen sich aber auch eigene Templates erstellen, was ähnlich funktioniert wie bei touchAbles DJ App d:b. Dazu kann man sich aus einer Reihe frei skalierbarer UI-Elemente wie Fader, Knobs, Buttons, X/Y-Pads und Labels bedienen, die Parameter aller fernsteuerbaren Bereiche aus Live steuern können, quasi Macros auf Programmebene. Einen externen Editor gibt es dafür zwar nicht, aber der ist auch gar nicht nötig, denn das Setup lässt sich bequem auf dem iPad einrichten und abspeichern. Ziemlich praktisch nicht nur für ein Master-Rig für den Live-Gig, auch zum auf die eigenen Bedürfnisse ausgerichteten Spielen von Instrumenten oder Effekten sehr ergiebig. Überhaupt lädt die neue Version dazu ein, einfach nur übers iPad Tracks zu basteln, denn es kommt äußerst selten zu der Situation, dass ein Feature nur direkt über den Rechner erreichbar ist, mal abgesehen vom Audio-Editing. Mit touchAble 2.0 ist die Live-Remote endgültig zur beinahe allumfassenden Oberfläche geworden und stellt nicht nur die App-Konkurrenz weitestgehend in den Schatten (auch das ebenfalls sehr umfangreiche Lemur-Patch LiveControl 2), sondern lässt auch den einen oder anderen Hardware-Controller reichlich altbacken aussehen. Die hier getestete späte Beta lief dabei sehr stabil und reagierte direkt und ohne Verzögerung auf alle Eingaben. Touchable 2.0 ist ab dem 7. November im AppStore zu haben, für User der Vorversion ist das Update kostenlos. 63
21.10.13 17:13
177 — musiktechnik
Traktor Kontrol S4 MK2
Nicht nur durch die massenhafte Abwanderung von erklärten Vinyl-Junkies zu CD-Playern, auch in der Software und bei den Controllern hat sich in den letzten Jahren für DJs viel getan - die 1210er sind als DJ-Symbol längst verdrängt. Native Instruments hat diesen Wandel mit immer neuer Hard- und Software begleitet und geformt. Angefangen von Remix-Decks und dem Flux-Modus - der Traktor in eine große Spielwiese verwandelt und eher in Richtung
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Text Sascha Kösch
Es ist schon fast drei Jahre her, dass Native Instruments mit seinen S4- und S2-Controllern an den Start ging. Drei Jahre, in denen sich das Auflegen massiv verändert hat. Wie passt da Native Instruments neuer Supercontroller rein?
Produzenten-Tool verändert hat - bis hin zu den passenden Controllern für jedes Einsatz-Szenario: F1, X1 und Z1, die Mischpulte wie das Z2 und die wiederum in eigener Weise grandiose Umsetzung von Traktor auf iOS. Als Traktor-DJ hat man heute die Qual der Wahl. Mit dem S4 hatte NI zum ersten Mal einen Controller entwickelt, der die Software komplett in Hardware goss. Erstere wurde seither fundamental erweitert: Wie bekommt man all die neuen Features in eine Kiste? Der S4 MK2 (und der S2, der auch neu aufgelegt wurde) hat es insofern leicht, als dass er einfach alles an Neuerungen von der restlichen NI DJ-Hardware übernehmen kann, muss sich aber andererseits auch davon absetzen können.
Die Mixer-Sektion wurde vor allem durch einen dezidierten Filter-Knopf (wie beim Z1 und typischen DJMischpulten) erweitert, der jetzt zusätzlich zu den Effekten zur Verfügung steht. Die Fader und Knöpfe sind in der klassischen Qualität, jedes Deck hat wie gewohnt zwei Effektkanäle und in der Mitte sitzt immer noch der Loop-Recorder. Übernommen wurden auch die transparenten, mehrfarbigen Buttons, die den Controller erstmal ungewohnt bunt statt klassisch dark erscheinen lassen. Damit liefern die Tasten zusätzlich Information über ihre Funktionsweise, denn es wird ganz schön eng und komplex im Kopf mit acht Cue/Flux/Freeze/Remix-Knöpfen und vier für die TransportFunktionen. Wer ein wenig an Traktor gewöhnt ist, wird sich aber dennoch schnell zurechtfinden. Hier verstecken sich auch viele der Erweiterungen, die die Anpassung an iOS mit sich bringt. Der Loop-Slicer aus dem Freeze-Modus zum Beispiel, der einzelne Loops in acht Segmente zerlegt, die über die Buttons dann wie integrierte Samples abgespielt werden können. Außerhalb von Freeze sind es natürlich die klassischen Cue-Punkte in blau, in einem Remix-Deck die einzelnen Samples. Die Farben halten einen hier glücklicherweise intuitiv auf dem Laufenden. Die Aktivierung des Controllers auf dem iPad läuft automatisch. Beim Einstecken des Tablets startet Traktor DJ und alles ist sofort startklar. Die zweidimensionalen Effekte lassen sich etwas umständlicher als auf dem Pad selbst (das man aber natürlich trotzdem weiter als Controller nutzen kann) über den Dry/Wet-Regler in Verbindung mit den drei Effektreglern nutzen, die Steuerung funktioniert wie gewohnt über den BrowseRegler und das iPad passt sich natürlich automatisch im Layout der jeweiligen Benutzung an. Die Effekt-Tasten blenden so zum Beispiel die Effekte ein (die zweite überflüssigerweise die Gain- und EQ-Regler). Den Beatgrid editieren, im Track zu anderen Positionen springen, on the fly FreezeMode, alles lässt sich mit dem S4 in einfachster Weise realisieren. S4 und iPad, Check! Das könnte einfacher kaum sein und klingt in Zusammenarbeit mit der gewohnt wuchtig klaren Soundkarte des S4 umso besser. Neu am S4 MK2 sind obendrein der dezidierte FluxButton über dem Pitch-Regler und der Mode-Button bei den Effekten, der vom Single- in den Group-Modus umschaltet, sowie die metallenen Jog-Wheels, die einen Hauch leichtgängiger sind als beim Vormodell, dafür aber auch etwas präziser reagieren. Hier hat man sich im Design und dem Handling den gewohnteren CDJs angepasst. Der Rest ist dem Vorgänger sehr ähnlich. Es lassen sich Plattenspieler oder andere Live-Inputs einschleifen, egal ob mit Control-Vinyl/CD oder in "echt", die Zusammenarbeit mit CDJs funktioniert tadellos, der Sound ist ausgewogen wie immer, die Bedienung ein Klacks und auch der MIDI-In/Out-Modus wurde nicht eingespart. Wer entweder auf sein iPad, den Flux-Modus, die Remix-Decks, oder Plattenspieler und sonstige Inputs nicht verzichten kann, für den ist der S4-MK2-Controller (sofern die kleineren Einzel-Controller nicht ausreichen) perfekt. Und genau hier ist vielleicht auch das Problem, denn NI stellt mittlerweile so viele Controller für spezifische Einsätze bereit, dass eben nicht wenigen die tragbareren kleinen, gegenüber der AllIn-One-Version die der S4 MK2 darstellt, reichen dürften. PS: Achtung übrigens beim Netzteil: Die alten funktionieren hier nämlich nicht wirklich.
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Four Tet Beautiful Rewind Text Records
Four Tet Beautiful Rewind [Text Records]
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Man weiß einfach nicht so recht, was man zu diesem "Beautiful Rewind" sagen soll. Vielleicht, dass Kieran Hebden viel zu viele Ideen hat. Kein Wunder, wenn man gerade erst ein Album für Omar Souleyman und eine Kollabo mit Rocketnumbernine produziert, sowie eine Free-LP mit Staubfängern aus den Zip-Drives von 1997-2001 rausgehauen hat. Im Workflow wird postwendend Four-Tet-LP Nr.8 nachgelegt. Zum ersten Mal über den eigenen Betrieb Text Records wohlgemerkt und das gleich ohne Promo, wie Hebden im Voraus via Twitter verkündete: "no pre order, no youtube trailers, no itunes stream, no spotify, no amazon deal, no charts, no bit coin deal, no last minute rick rubin." Da ist sich jemand seiner Arbeit wirklich sicher. Und eben diese Entschlossenheit vermisst man auf "Beautiful Rewind" zu oft. Leicht diffus wandert Four Tet zwischen diversen Ansätzen hin und her. Als hätte sich Captain Hebden mit seiner Zeitmaschine auf den Weg der umfassenden Reminiszenz begeben und wäre nun zwischen den Stühlen stecken geblieben. Einmal mal kurz am Frequenz-Regler gedreht, um sich quer durch die Historie von Englands PiratenRadio zu streamen, hängt er nun irgendwo zwischen UK-Garage, Grime und House, sowie seiner alten Liebe Elektronika fest. Dabei kommt durchaus die ein oder andere unangestrengte Aufarbeitung zustande. Wie der Opener etwa, das slow-fast-Gewitter "Gong", in dem mit Four-Tet-typischer Staubigkeit Jungle erkundet wird - quasi das Äquivalent zu Burials Garage-Entwurf. Auch für "Kool FM" wurden Breakbeats ausgegraben und in ein 4/4-Gerüst gequetscht, auf dem schließlich eine unverkennbar britische, grimey Bassline einfach nur ganz laut "massive" schreien will. Sick. Dazwischen dann aber diese unschlüssigen Momente wie "Ba Teaches Yoga" oder "Unicorn", in denen Hebden an seiner Leidenschaft für Elektronika-Arpeggios und -Flächen festhält und die man einfach nicht so recht in diesen Rahmen einordnen kann. Gefolgt von "Aerial“, bei dem man dann irgendwie gar nicht mehr weiß, wo es eigentlich hingehen soll. Mit Four Tet’scher Ethno-Polyrhythmik geht’s los, mit Ambient-Arpeggios und Garage-Vibes weiter, mit schizophren gecutteten Grime-Vocals und äquivalenter Bassline schließlich zu Ende. Alles in einem Track. Auf dass der Groove in Unentschlossenheit ersticke. Womöglich muss man "Beautiful Rewind" als fragile Sound-Skizze wahrnehmen. Als Four Tets assoziative Reise durch die ehemaligen britischen Piraten-Frequenzen und weniger als Sammlung alleinstehender Tracks, die in sich schlüssig wären. Der Gegenentwurf zu "Pink" also, der im vergangenen Jahr erschienenen Single-Anthologie. In dem Sinne wäre "Beautiful Rewind" der konsequente nächste Schritt im Schaffen des K. Hebden. Schade nur, dass "Pink" einfach wirklich so viel besser funktioniert hat. wzl
Geschichte kann gnadenlos sein. Gleich zwei LPs mit dem Namen "Hinterland" sind dieser Tage erschienen. Caspars schwülstiges Etwas, eine Platte, die nur wie Naidoo sein will, und Recondites zweites Album. Bei Google verliert man so ganz automatisch, unsere Herzen jedoch lachen. Man hätte es ja ahnen können. Lorenz Brunners Sound atmete schon immer tiefe Melancholie, so etwas wie helle Dunkelheit. Die Tracks auf seinem eigenen Label "Plangent" deuteten die Richtung an, die sich nun manifestiert, radikal verdichtet. Das begann in den Arrangements, in der Auswahl der Töne und setzte sich beim Artwork fort. Rauhe Papphüllen mit gestempelter Natur-Abstraktion. Ja, es war die alte Leier der Verschleierung. Es war aber auch eine Erleuchtung. Und "Hinterland" leuchtet heller als alles andere zur Zeit. In einer der ersten textlichen Annäherungen mit Recondite in diesem Magazin, im Dezember 2011, hieß es: "Es ist kein Geheimnis, dass die Welt etwas schöner wird, wenn man ihre Konturen nur leicht verwischt." Genau das ist der Dreh- und Angelpunkt des Albums. Die Lernkurve ist alles andere als steil und doch ist alles anders. Ein bisschen wie auf Kodein, wenn sich Dinge von einander entkoppeln, nicht mehr vollständig synchron laufen. Wenn der Autofokus lahmt, immer wieder versucht, scharf zu stellen und doch nur weiche Flächen produziert. Recondite gelingt es, dieses Konzept der Unschärfe auf Albumlänge zu perfektionieren. Die Beats sitzen. Sind klar und kräftig, verbinden gelebte Modernität mit kleinen Reminiszenzen an die Vergangenheit, leben vorbildliche Reduktion, bilden ein Fundament, wie es heutzutage im Häuserbau schon längst nicht mehr zum Einsatz kommt. Recondite jedoch baut für die Ewigkeit. Denn der Rest ist fluide. Richtet sich nicht nach den Vorgaben der Schlagwerk-Kellergeschosse, sondern nach der Umgebung, in die er seine Gebilde setzt. Minimale Eingriffe in die Natur. Sobald die Oberfläche erreicht ist, wird in die Natur hineingebaut. Und die will mal links, mal rechts, mal hoch, mal seitlich. Durch das Geäst der natürlich gewachsenen Deepness. Mit seinen Melodien hätte Recondite auch die Elektronika revolutionieren können. Er ist der Pate des Waldes, nicht Voigt. Ein mystisches Plinkern. Es windet. Hört man Recondite zu, kann man die Farne förmlich anfassen. Und auf denen ist ordentlich was los. Es sprießt, es krabbelt und grabbelt, es pulsiert, es lebt. Und doch bleibt es zu großen Teilen unscharf. Neblig. Weit weg. Recondite spendiert die Entwürfe, große, hallige Skizzen, der Rest passiert im Kopf, sobald der mitwippt, man sich fallen lässt. Recondite hat genau das, was alle anderen nicht haben und doch haben wollen. Style. Mut. Die Darkness so bunt anzumalen, dass sie bei aller Übermacht in tiefem Purpur glüht. Bayreuth in 4/4. Götterdammerung in 808. THADDI
02 Recondite Hinterland Ghostly International 03 Tim Hecker Virgins Kranky 04
Snuff Crew Behind The Masks Bpitch
05 Wasserfall Travelling While Sleeping Greta Cottage Workshop 06
Felix Lenferink Forlane II Shipwreck
07 Thorsteinssøn They Don’t Know Legendary Sound Research 08
Palms Trax Equation EP Lobster Theremin
09
Clara Moto Blue Distance Infiné
10 Kettel ibb & obb OST Sending Orbs 11
Me Succeeds Rongorongo Remixe Ki Records
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Geiger & Lafelt Walking In The Rain Nylon Trax
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A Good Play EP Apparel Music
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Benjamin Damage 4600 EP 50 Weapons
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Oleg Poliakov Random Is A Pattern Circus Company
Kerem Akdag
16 Jerome 4B CGI 17
My Panda Shall Fly Tape Tekkno Gang Of Ducks
18 Objekt Agnes Demise / Fishbone Objekt 19
Pink Skull Pink Game EP Days Of Being Wild
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Simian Mobile Disco Ton Zi Dan Delicacies
21 Ambassadeurs Alone In The Light EP Pilot Records 22 NSDOS Lazer Connect EP Clek Clek Boom 23 Hooved Timeless Amam 24 Deo & Z-Man XTC Hafendisko 25
Finest Wear Distant Memories Colour And Pitch
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SNUFF CREW BEHIND THE MASKS [Bpitch]
WASSERFALL Travelling While Sleeping [Greta Cottage Workshop]
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Die Snuff Crew stand schon immer für Acid. Für Oldschool. Für Drummachines, Synths, die reine Lehre. Damit sind sie weiß Gott nicht alleine. Warum auch. Aber ihr Album geht über ihre bisherigen Produktionen noch ein Mal weit hinaus. Es steigt vom ersten Moment ein, wie ein Popalbum. Wie dieser große Entwurf eines Glücksmoments, in dem man sich selber bestimmt. Es wird mit Melodien um sich geworfen wie im ersten Frühling. Es blüht an allen Ecke vor lauter Leichtigkeit. Die Maske ist gefallen. Snuff Crew sind nicht mehr die Kämpfer hinter den Maschinen, deren Beats, Grooves und Basslines alles sagen müssen, sie sind das Orchester eines ewigen Summer Of Love geworden. Egal ob sie Rachel Row, Kim Ann Foxman oder Tyree Cooper ins Studio geladen haben, alle haben dieses Ding im Blick. Tage des Schwärmens. Eine Zeit, in der sich alles in einer neuen Liebe für die Welt auflöst. Diesen Moment, in dem eine Generation zusammenkommt und auf einer Party einen Zusammenschluss feiert, der so unwahrscheinlich ist wie er unauslöschlich bleiben wird. Musik, die nicht sich selbst feiert, nicht die schönen Zeiten von damals, sondern dieses Gefühl, dass es im gemeinsam gefundenen Groove eine Welt gibt, in der es sich lohnt zu verharren und neuen Funk zu tanzen. bleed
Greta Cottage Workshop ist immer eine Reise wert. Hier werden die Schafe noch von Hand geschert. Die Musik so lange geknuddelt und getätschelt, bis sie am Ende glänzt und säuselt, gluckst und sprudelt, bis sie vor Glück quietscht. Wasserfall ist ein Projekt, das bis zur Besinnungslosigkeit eine Sanftheit verströmt, die einem wie ein lauwarmer Gebirgsbach im Hochsommer durch die Finger rinnt. Es ist eine Ode an die Biegsamkeit der Gefühle, die immer einen Weg finden, sich durch nichts eingrenzen zu lassen. Eine Feier der kleinen sanften Töne, die in alle Richtungen strömen und sich doch irgendwie in einem Fluss befinden. Durch die Musik von Wasserfall hindurch sieht man diese traumwandlerischen Bewegungen der scheinbar zufällig hingworfenen Perfektion einer Welt wie sie sein sollte. Keine verborgenen Schätze, sondern offen vor einem liegendes Glück und das Versprechen des Moments. "Travelling While Sleeping" ist der auf fünf Stücke komprimierte Powernap, bei dem man nicht die Augen schließt, sondern weit öffnet. Keine Reise ins Innere, sondern ein Sprung nach draußen in die Innerlichkeit der Welt. Es gibt viel zu viele Metaphern um Schönheit zu beschreiben. Wasserfall gehört für mich definitiv zu den klarsten. Jetzt müsste diese Welt nur noch wirklich sein. bleed
THORSTEINSSøN THEY DON'T KNOW [Legendary Sound Research]
FELIX LENFERINK FORLANE II [SHIPWRECK]
www.shipwreck.org
Deephouse ist auf dem besten Weg das neuste Schimpfwort für EDM zu werden, das hält Deephouse-Platten aber nicht davon ab, von Woche zu Woche großartiger zu werden. Diese Platte ist ein perfektes Beispiel dafür warum. Thorsteinssøn kümmert sich um nix außer der Musik. Die Chords, der Groove, die Bässe, der Sound. "They Don't Know" ist keine Klage darüber, dass die anderen Deephouse nun wirklich nicht verstanden haben, sondern die lapidare Erkenntnis, dass Musik wie ein Achselzucken sein kann. Ein Hauch von Wahrheit, der völlig losgelöst von allen Definitionen eine Sicherheit erzeugt, die kein draußen braucht. Thorsteinssøn hat diese Unschuld der ersten Theo-Parrish- Tracks, aber auch die Unbekümmertheit plinkernd schnatternder Melodien, diesen Soul der Deepness, die sich nicht sonderlich ernst nimmt, weil sie einfach der Grund ist, warum man überhaupt in diese Welt abtaucht. Die EP feiert sich selbst, feiert die Legenden um sich herum, feiert diese Bekenntnis zu einem Sound, der sich in unwahrscheinlicherweise bei aller Nähe zu den Vorbildern, den Legenden und der Geschichte doch ständig erneuert, so als wäre Deephouse nicht ein Stil, sondern ein endloses Ufer, an dem es ständig etwas Neues zu entdecken gäbe, das nichts ändert, außer der Erkenntnis, dass es ewig so weitergehen könnte. bleed
In der Welt zwischen House und Bass ist noch viel zu viel ungesagt. Die Tracks von Felix Lenferink steppen, kicken wild um sich, sind so heiter, dass man fast lachen möchte, aber können auch mal eine Acidline durchknödeln. Während nicht selten die Synthese aus Kindersoul und hibbeligen Grooves irgendwann in Trance endet, oder der Nabelschau verknoteter Basslines und schnippischer Beats, flattern die Tracks von Lenferink eher von einem Höhepunkt zum nächsten, halten sich nie lange damit auf, sondern genießen dieses Verbrennen im aufblitzenden Moment. Eine EP voller Flausen, klingelnd überzogener Melodien, Stimmen, die aus allen Richtungen hereinwehen und schon wieder weg sind. Alles lässt sich kurz nieder, zeigt sich von seiner besten Seite, ist wieder woanders. Dabei wirkt die Musik aber alles andere als sprunghaft oder hecktisch, sondern säuselt lieber voller offener Geheimnisse. Gelegentlich ist das wie Filmmusik zu einem Märchen, das noch nie von Kitsch gehört hat, oder auch einem ersten Blick durch ein Kaleidoskop, das man so lange an die Augen presst, bis es fast weh tut, weil die Klarheit der Strukturen irgendwie die notorische Verwirrung völlig ausblendet. Die perfekte Synthese aus komplex verdichteter Konstruktion und dem Genuß einfachster Berührung durch Musik. bleed
Es kann nur einen geben. Tim Hecker war schon immer unglaublich. Von seinen ersten Platten an stach er heraus duch diese eisig warme digitale Ästhetik, die seine Stücke durchzieht, wie ein glasklarer Schnitt. Konzentriert bis ins letzte aber doch so voller Nähe. Virgins ist für mich schon jetzt eins der Alben des Jahres. Weil es Träume erfüllt. Weil es mich in die Zeit purer aufwühlender Experimente zurückversetzt. Die Zeit, als Sounds aus dem digitalen Eis gebrochen werden mussten. Als man neue Klänge entdeckte, erfand, konstruierte, zu einer Architektur zusammenbaute, die völlig neue Landschaften entstehen ließ. Es ist keine Nostalgie für Clicks and Cuts, die diese Platte prägt. Es sind die vielen akustischen Instrumente, die Harfen, die Klaviere, die Streicher. Traumwandlerisch im Einklang mit den wehenden digitalen Sounds, den kleinen perfekt sitzenden Effekten und dieser großen Geste, dass Musik über sich selbst hinaus wachsen muss. Es ist immer blöd, Musik irgendwie als natürlich zu bezeichnen, nichts könnte ferner liegen, wenn man sich den Produktionsprozess ansieht. Aber "Virgins" wächst. Hat ein eigenes Leben. Es wuchert vor dem inneren Auge und fühlt sich mehr und mehr an wie das My-Bloody-Valentine-Album, das man machen würde, wenn man diesen Aufbruch in eine neue schwankende Zeit, neu erfinden könnte. Es ist kein Album der Hypothesen. Es ist eins der Erfüllung. Musik, die in jedem Moment in sich selbst hinabstürzt, ihre Melodien vor dem inneren Auge zerschmettert, die großen tiefen Basswellen anzerrt und in eine Schräglage versetzt, die Welt durchleuchtet mit dieser anderen Perspektive, die uns erst in die Lage versetzt etwas neues wahrnehmen zu können. "Virgins" ist wie sein Titel, wenn man ihn entkernt von jeder Mystik, jeder Geschlechterzuschreibung lesen könnte. Es ist Musik, die erwacht, auf etwas hindeutet, dass man nicht begreifen kann, aber längst versteht. Eine Verheißung, eine Unschuld, ein Neuanfang noch vor dem Neuanfang. Mit jedem der Stücke scheint das Album ein Licht auf etwas, das man wie zum ersten Mal sieht, nicht weil es neu wäre, sondern weil es in diesem Moment erst eine Bedeutung bekommt. Es kreist um diesen blinden Fleck der Unmöglichkeit einer neuen Welt, in der doch alles neu erscheint, einfach weil es durch und durch verrückt wurde, durch ein neues Zentrum eine andere Dimension erreicht, deren Mittelpunkt, Richtung, Begierden oder Erfahrungen noch keine Sprache kennen, aber ein Wort. Es gibt keinen Grund sich nicht in dieses Album zu verlieben. Für immer . BLEED
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Mooryc
Kontrolliert Fallen T Helena Lingor
Alben Ulrich Troyer - Songs for William 2 [4Bit Productions - Hardwax]
Irgendwo in Innsbruck gibts einen Brunnen, der geht ganz tief runter. Bis nach Jamaika. Sein Wasser schmeckt den Kindern auf beiden Seiten ganz besonders, und der Hall, wenn man hineingrüßt… tja. Der Dub, der steckt für Ulrich Troyer vor allem in den kleinen Stompboxen, Tretminen, dem Fußvolk sozusagen. In seinen DubSongs, erst recht, wenn man sich die zugehörigen Comic-Geschichten durchliest, sieht man die Effekt-Kistchen beim Zuhören förmlich kreuz und quer durchs Studio spazieren. "Songs for William 2", der zweite Teil einer Trilogie, kommt so niedlich und liebevoll daher wie vor zwei Jahren der erste; aber der Ton hat sich gewandelt. An die Stelle eines sommerlich-eingängigen Reisetagebuchs treten gedeckte Farben, dekonstruktive Explorationen, Melancholie zwischen Zwitscherknurpstierchen und Glockenspiel. Die Grooves pulsieren und schieben Herbstnebel über leere Landstraßen, der Wind pustet Dub-Blips drüber, plötzlich findet sich alles zu Pop zusammen ("Cable Loss"), dann arbeiten wir uns Fuß vor Fuß den ganzen Brunnen hinunter, in "Hardwired" erwartet uns die Schreckharmonica, vor der sich die kleine Drumbox erstmal raustrauen muss, aber dann sind auch schon alle fleißig am Steppen, schließlich am anderen Ende: weich schimmriger Drone-Ambient, das Fenster geht zum Knisterregen von Pyrolators "Inland" auf, und das Sandmännchen kommt im Gewand eines Beats. Das Highlight also wieder am Schluss, aber es ist dieser durchgehende, basteligpoetische Ansatz, der das Gesamtpaket von Troyers Dub auszeichnet. www.4bitproductions.com multipara
Håkon Stene - Etude Begone Badum [Ahornfelder - A-Musik]
Die alten polnischen Geigenbauer seien sehr verschlossene Menschen. Sie würden ihre letzten Geheimnisse niemals preisgeben, sagt Maurycy "Mooryc" Zimmermann und muss gleichzeitig über diese Verschrobenheit lachen. Dass ein gewisser, streng konzentrierter, introvertierter Zug in seiner Musik von dieser polnischen Verschlossenheit und Melancholie geprägt ist, will er aber nicht bestreiten. Es gebe nur wenige Geigenbauer in Polen und auf eine Schule zu kommen, sei nicht einfach. Zwei Violinen habe er schon gebaut, bevor er aufgenommen wurde. Dass eine Art strenger Baumeister in die Konstruktion seiner Tracks verwickelt ist, das lag schon vor Mooryc' Debütalbum "Roofs" nahe. Es muss ein Fachmann des orchestrierten Schwermutes gewesen sein, dessen melodische Texturen über die harmonisch strenge Form verfügen, die vielleicht nur in dem Holzschliff eines alten Instruments zu finden ist. Was sich vor "Roofs", im Jahr 2009 mit zwei EPs noch als verträumter Indie-IDM präsentierte, entwickelte sich mit den nächsten Tracks schnell zu epischer Auteur-Elektronika – einer Art kontrolliertes Fallen aus den Höhen einer melodramatisch arrangierten Klangarchitektur. "Fallin’ freely" lautet somit nicht umsonst ein Titel auf dem aktuellen Album. Mal über verklärt angebrannte Synth-Arpeggios, mal durch den kalten Nebel verhallter EBMFloors, mal in der konzentrierten Entfaltung einer Harmonik über einen polyphonen Platzregen aus Strings: Mooryc' Tracks ist eine quasi sinfonische Entschiedenheit eigen, mit der sie sich auf einen bestimmten Moment melodramatischer Verdichtung hinbewegen. Auch auf "Roofs" finden sich mit "Powerless", "Jupiter" und "Say No More" erwartungsgemäß gleich mehrere Hymnen, auf denen sich irgendwo zwischen Pop und Elektronika konzentrierter Weltschmerz ereignet: "Es ist vielleicht die Erinnerung an eine musikalische Form oder ein Stück, wenn ich an einem Track arbeite", sagt Mooryc. "Mir fällt es leicht, eine Idee oder ein Arrangement schnell umzusetzen." "Roofs" wären dann vielleicht die Dächer seiner musikalischen Erinnerung - eine Schule alter, dunkler Meister. Bach und Arvo Pärt, Depeche Mode, Boards of Canada und Burial, aber auch Peter Gabriel und der zeitgenössische polnische Komponiste Pawel Mykietyn, von dem er, wie er sagt, vor allem seinen Zugang zu atonaler Musik und bestimmten kompositorischen Elementen hat. In einem Lokal in Berlin-Moabit entspannt in seinem Stuhl sitzend und angenehm unverkopft kommunizierend, glaubt man Maurycy Zimmermann ohne Weiteres, wenn er nun aber behauptet, dass er eigentlich gar kein trauriger Mensch sei: "Bei 'Communication Breakdown' [auf "All those things" FaT 004, Anm. d. Red.] zum Beispiel, hab ich versucht, etwas eher Albernes zu machen. Das war als Witz gemeint. So nach dem Motto: Oh c'mon, lebst du eigentlich noch, oder bist du vielleicht schon tot. Im Produktionsprozess hat das aber eine bestimmte Realität angenommen. Es hat mich selbst schockiert, wie real traurig das klang. Das ist für mich der entscheidende Moment, wenn ich im Studio sitze und der gesamte Klang mich umhaut. Aber das bin nicht ich. Ich habe nur die einzelnen Stimmen geliefert." Dass Mooryc’ Gesang aus einer Art Kokon stammt, an dessen Innenwänden sich wohl erst das Kondensat dieses musikalischen Destillationsprozesses sammeln muss, macht deutlich, warum er sagt, dass Bands nicht sein Ding seien. Er brauche seine Studioumgebung, um zu singen, das könne er auch nicht, wenn andere dabei sind. Immerhin hätte er es letztens endlich einmal geschafft, zu singen, als sein Label-Buddy und bisher einziger Kollaborationspartner Douglas Greed dabei war.
Mooryc, Roofs, ist auf Freude am Tanzen/Kompakt erschienen.
Den nonchalantesten Quasi-Re-Start des Jahres legt hier das Hamburger Label Ahornfelder hin mit einem Doppelschlag des norwegischen Schlagzeugers Håkon Stene. Auf zwei gleichzeitige Releases verteilt erscheinen sechs Einspielungen von Werken zeitgenössischer Komponisten: auf diesem Album vier, auf einer CD-EP zwei weitere. Nonchalant, weil schick, sehr knapp an Info, und inhaltlich erste Kajüte. Schlagzeug: da geht ja eigentlich alles. Im Duo mit Marko Ciciliani bespielt er auf dessen "Black Horizon" E-Gitarren – verzaubert wäre der passendere Ausdruck, denn man traut seinen Ohren nicht. Was bei Michael Pisaros "Ricefall" geschieht, ist dagegen klar, und dabei nicht weniger unheimlich. Geradezu als Einsteiger dazwischen: die Dreingabe von Luciers Triangel-Stück "Silver Streetcar for the Orchestra", die sich in einer ordentlich klangintensiven Aufnahme ihren Platz verdient. Garniert von drei Vignetten ("Studies in Self-Imposed Tristesse") von Lars Petter Hagen, auf denen der Sound von Percussion und Elektronik ins Uncanny Valley taucht. Ein Fest für die Ohren, von Anfang bis Ende. www.ahornfelder.de multipara
Gherkin Jerks - The Gherkin Jerks [Alleviated]
Nach den beiden EPs kommt hier dann auch noch das Album dieser aus der Tiefe der Technogeschichte ausgegrabenen Tracks, und in ihrem spartanisch absurden Sound klingt das als Album irgendwie noch mehr so wie eine Welt, in der die frühen 80er wiedererfunden wurden. Manchmal könnte das auch der Plan sein, so sehr eiern und quietschen die Sounds, manchmal ist es natürlich der perfekte Protoacid, den man in den reduziertesten Versionen später dann im Traum buchstabieren lernte. Ein Album, das einem aber vor allem zeigt, dass Oldschool eine ganz andere, breitere Geschichte hat, als diese bereinigte Version, die man so oft hört. Ist das futuristisch? Gewesen? Vermutlich, aber irgendwie doch in einer so verwirrten Kellerästhetik, dass die Träume vom roten Planeten definitiv aus der Werkzeugkiste eines Bastlers stammen. Für Genießer. bleed
Bartmes - Flow Motion [Blisstone]
Pianist und Keyboarder Joe Bartmes aus Heidelberg lässt es fließen. Elektronik hilft hier nur selten aus, wenn er seine Kompositionen veredelt, die sich im groovenden Souljazz bewegen. Statt einer Gitarre als Soloinstrument ist eine verfremdete Bassklarinette im Einsatz, die von Frank Spaniol gespielt wird. Am Mikro ist Fola Dada dabei, und insgesamt drei Schlagezuger haben das Album mit eingespielt. Neben Oli Rudow und John Bollinger ist das der langjährige Kompagnon Sebastian Merk. Herausgekommen ist ein intelligent geschriebenes Album, dass den Groove dezent abfeiert und dabei die Konzentration aufs Wesentliche nicht vergisst. Trotz des Namens kommt Bartmes letztendlich gut auf den Punkt und verliert den roten Faden nicht.
Toshimaru Nakamura + Ken Ikeda + Tomoyoshi Date Green Heights [Baskaru - A-Musik]
Wie man lärmhaftes Geräusch und kindliche Klänge von Spielzeugklavier oder ähnlichem Gerät in einen sinnstiftenden Zusammenhang bringt, kann man beim Trio Toshimaru Nakamura, Ken Ikeda und Tomoyoshi Date, einer Art japanischen Improv-Supergroup, wie spielerisch lernen. Die drei Individuen mit ihren recht unterschiedlichen Herangehensweisen bei der Abstraktion von elektronischen Konventionen, bestellen gemeinsam eine Fläche, die an eine postindustrielle Brache und zugleich an idyllisch-karges, unberührtes Bergland denken lässt. Es ist eine offene Szenerie, in der Menschen nicht mehr oder noch nicht anwesend zu sein scheinen, und in der das Staunen über das Neue und eine leicht wehmütige Nostalgie wie selbstverständlich Hand in Hand gehen. Die Balance von leicht schmerzenden Frequenzen und fast zu lieblichen Tönen gelingt den dreien so lässig, dass man sich nur ehrfürchtig verneigen kann. www.baskaru.com tcb
Oleg Poliakov - Random Is A Pattern [Circus Company/CCCD014 - WAS]
Das neue Album von Oleg Poliakov ist massiv. Schüchtern. Dicht, zurückhaltend, pathetisch, zögerlich, smooth und natürlich funky wie immer. Seine Tracks haben auf der Oberfläche erst mal immer etwas Gewohntes, man scheint sich ins gemachte Nest zu legen, die Housewelten sind bekannt und sehr angenehm, dann aber kribbelt es in den Untertönen doch immer verwirrend und verdreht, es zuckt einem unter den Ohren weg, es sucht diese leichten Verschiebungen im Sound, die mal pure breit harmonische Euphorie sind, mal in sich versunkene Konzentration auf die dichten Dubs und den zischelnden Motor hinter all den Grooves. Eine Platte, die ihren Funk wie ein kleines zu pflegendes Kaminfeuer erst nach und nach entwickelt, dann aber immer betörender wird. www.circuscompany.com bleed
Pick A Piper - s/t [City Slang - Rough Trade]
Brad Weber, der Schlagzeuger von Caribou, ist sozusagen die kanadische Mischung aus Wolf Biermann und Lars Ullrich, verbindet er doch unter seinem Alias Pick a Piper (zusammen mit Angus Fraser und Dan Roberts) Schlagzeug sowie Liedermachen und präpariert das ganze clubtauglich. Angenehm auch, weil hier kein "Liedermaching"-Konzept auf Beats übertragen wird, sondern die Beats die Grundlage für die Vocals bilden, die ganz zum Schluss kommen. So entstanden sieben großartige Miniaturen, Soundscapes zum Schlagzeug; Vocals, die nicht überkandidelt wirken, und eine Grundstimmung, die es nicht nötig hat, auf Hit-Kompatibilität zu setzen. Bis im neuen Jahr wieder die Festivals losgehen, ist "Pick a Piper" das Überbrückungswerk - rhythmusbasierte Liedermacher-Indietronica vom Besten. www.cityslang.com bth
Esmerine - Dalmak [Constellation - Cargo]
Esmerine ist ein Projekt zweier "Godspeed You! Black Emperor"- und "A Silver Mt. Zion"-Musiker. Anstatt auf Gitarren setzt die Band allerdings eher auf Marimba, Banjo, Cello, Kornett, Perkussion und Bass. Auf ihrem mittlerweile vierten Album, dass in Istanbul entstanden ist, arbeitet die Band zusätzlich mit einheimischen Musikern und erweitert das Instrumentarium dadurch zusätzlich um eine Geige und verschiedene türkische Rahmentrommeln und Saiteninstrumente. Das gibt der Musik natürlich eine starke orientalische Anmutung. Die Tracks sind mal flächig, ambient, meditativ und dronig und oft auch furios treibend uptempo angelegt. Ziemlich klasse! www.cstrecords.com asb
Juana Molina - Wed 21 [Crammed Discs - Indigo]
Vorweg eine Entschuldigung: Das tolle Album "Un Día" von 2008 habe ich irgendwie erst überhört. Erst Jahre später so wirklich entdeckt. Dieses sei also nachträglich empfohlen. Denn Molinas neues Album ist genauso schön, strahlt, ist fast noch etwas poppiger. Der "Rolling Stone" hat die Argentinierin sogar mit den Pop-Forschenden Brian Wilson und Kevin Shields verglichen. Nicht ganz zu unrecht. Denn Molina sucht. Sie bringt Unerwartetes in ihren klanglichen Rahmen. Wiedererkennbarkeit mischt sich mit Neuem. Minimales vermengt sich mit durchaus Luzidem. Molina produziert einen elektronischen Folk, den sie hier deutlich erweitert um einen Haufen Instrumente und Ideen. Das klingt dann manchmal bewusst funkytrocken, manchmal fast schon indietronics-niedlich. Mit jedem neuen Hören entdeckt man mehr. www.crammed.be cj
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ALBEN Brown Reininger Bodson - Clear Tears / Troubled Waters [Crammed Discs - Indigo]
Die legendäre Ambient und Soundtrack Serie "Made To Measure" wird vom belgischen Label Crammed Discs wiederaufgelegt; zwischen 1983 und 1995 veröffentlichten hier so edle Herren wie Arto Lindsay, John Lurie und Harold Budd ihre Kompositionen für Film, Theater oder Video. Darüberhinaus ist Crammed Tuxedomoons Stammlabel mit sämtlichen Re- und Re-Re-Releases der Band, alle Solo- und Seitprojekte sind ebenfalls vertreten, voilà ... Bühne frei für Tuxedomoons Frontmänner Steven Brown und Blaine Reininger, die mit dem belgischen Musiker und Sounddesigner Maxime Bodson die Musik für ein Stück mit sieben Tänzern und drei Musikern schrieben. Choreografiert von Thierry Smits, ist "Clear Tears / Troubled Waters" eine durchwachsene Mischung aus Elektronik und Musik der klassischen Moderne, deren Genuss live und mit den dazugehörigen Bewegungen eher zu empfehlen wäre. Der visuelle Aspekt der Zusammenarbeit, die Interaktion fehlt. Schade eigentlich, der 1982 für Maurice Béjart geschriebene und separat veröffentlichte Tuxedomoon-Soundtrack für dessen Ballet "Divine" hatte eine klare musikalische Eigenständigkeit, dem dieses Werk völlig abgeht, leider. www.crammed.be raabenstein
Arturas Bumšteinas - Meubles [Crónica - A-Musik]
Bei einem Titel wie "Meubles" fällt es schwer, nicht an Erik Satie und seine "musique d'ameublement" zu denken, also Gebrauchsmusik für den Hintergrund, Proto-Ambient im Sinne Brian Enos. Der litauische Komponist Arturas Bumšteinas nennt Satie zwar nicht als direkte Referenz, doch die programmatische Möbelmusik, die man auf "Meubles" hören kann, knüpft in ihrer Statik recht frei an ihr historisches Vorbild an. Bei Bumšteinas werden die Töne wie Bauteile oder Muster eingesetzt, sie verteilen sich als punktartige Strukturen in der Luft. Das nach einem Gedicht des antiken Dichters Hesiod benannte, von Bumšteinas gegründet Works and Days Ensemble spielt die einzelnen Elemente so stoisch, als kämen sie gleich aus einem Computer. Manche Parts haben durchaus schroffen Charakter – hier sollte man sich besser nicht hinsetzen –, alles in allem verbreiten die Instrumente aber eine nur mählich fremdartige "wohnliche" Atmosphäre: Mit diesen Tönen kann man es eine Weile aushalten. www.cronicaelectronica.org tcb
Piano Interrupted - The Unified Field [Denovali - Cargo]
Zweiter Release des Londoner Pianisten und Komponisten Tom Hodge sowie des französischen Electronic Producers Franz Kirmann. Klassische Einflüsse gemischt mit Electronica und Pop; eine eifrig bewanderte Straße dieser Tage. Zusammen mit den Gastmusikern Greg Hall am Cello und Tim Fairhall, Kontrabass, schlendern die vier Musiker unbeschwert durch schöne und bekannte Landschaften, die Sonne wärmt das letzte fallende Blatt. Die ab und an eingeworfenen, muffigen 4/4-Attacken werden auch sogleich wieder verworfen, man lagert vespernd am Wegesrand und verträumt die Wolken zu sehnsüchtigen Bildern. Steve-Reich-Minimalismus blinzelt freundlich unter den Semmeln hervor und - nein!!! - da kommt sie wieder, die technische, äh tecky Störung. Hach, könnte so ein gerader Beat nur romantisch sein, oder anders gesagt, hier fehlt so eine deepe, klärende Hand eines Andy Stott, dann hätte der Hund auch Eier, die er sich dann lecken könnte. www.denovali.com raabenstein
Booka Shade - Eve [Embassy One - Warner]
Die bisherigen Platten von Booka Shade "funktionierten in Diskotheken auf Ibiza genauso wie in englischen Konzerthallen", ist im Info zum neuen Album zu lesen. So soll es bleiben. Dieses Bügeleisen möchte ich mal sehen, das über die Tracks gefahren ist. Und wo bitte kann kann diese Bass drum-Politur kaufen? Großer Sound, leider nichts dahinter. In Manchester in einem Vintage-Studio sei das Album eingespielt. Mit sagenhaften Uralt-Geräten. Hört man alles nicht. Dafür einen Fritz Kalkbrenner auf "Crossing Borders", der wahnsinnig mumpfig klingt. Der arme Kerl. Seid ihr eigentlich Facebook-Freunde von Moby, ihr Bookas? Dem entgleist der gute Geschmack auch immer wieder. Aber Moby haben wir lieb. Und somit auch sein Großraumdisco-Spülwasser. Gut zugehört haben Booka Shade aber allemal. Bei so hippen Themen wie Moderat zum Beispiel. Und jetzt sind wir auf dem richtigen Weg. Das sind gar keine Tracks hier, das sind Remixe von den vermuteten Gefühlen einer Generation, die es so gar nicht gibt. Ist nämlich nicht eure Generation. Aber keine Sorge. Das Goethe-Institut macht euch bestimmt ein paar Workshops in Thailand klar und Heineken zahlt dann gleich noch die Gage hinterher auf dem Rave. Viel Glück und viel Segen. Don't call us, we call you. thaddi
Ricardo Tobar - Treillis [Desire]
Eigentümlich verwaschen, aus der hintersten Ecke des Eises, kommt das Album von Ricardo Tobar hereingerauscht. Lofi, zerrig, verliebt in das Unterkühlte, wirkt hier jeder Sound, als wäre er aus dem Lot geraten, leicht daneben, leicht angematscht, aber dennoch genau darin das Glück findend. Eine höchst eigenwillige Soundästhetik, die manchmal klingt, als sei Kaffee über das Tape gelaufen. Bummige Platte voller Anwandlungen an die ersten analogen Zeiten, an die Keller, die die Welt bedeuteten, die Labore der Kabel und wild übernächtigten Dunkelheiten. Irgendwie hätte das auch eine Rush-Hour-EP sein können, oder ein Album, das man nach Jahrzehnten erst wieder aus der Versenkung geholt hat. Dennoch schafft es Tobar, in diesem Sound einen so frischen optimistisch klingelnden Sound zu erzeugen, dass man Stück für Stück mit ihm mitfeiert. bleed
Claude VonStroke - Urban Animal [Dirty Bird/100]
Ich muss zugeben, Claude VonStroke ist mir immer mehr zum Rätsel geworden. Mal perfekt und deep, mal dreist und überzogen, wie sein Label auch. Und das macht er hier auf dem Album dann gerne auch noch in einem Track. Der Opener und Titeltrack z.B. rockt besinnlich und melodisch los, bis er dann in DJ-Stakkatos kulminiert, die irgendwo in ihren Basswelten hängengeblieben scheinen. "Clapping Track" kennt man ja schon, das ist Blockparty und Orgelfeast in einem. Dreist und doch irgendwie richtig und funky. "Dood" ist auch irgendwo Schweinerock und Funk zugleich. Und genau so geht es immer weiter. Stücke zwischen einem überdrehten Funkverständnis, dem Willen gnadenlos durchzurocken, aber dabei doch irgendwie voller Ideen und lässiger Eleganz zu bleiben. Auf dem fast kindlichen "The Bridge" zeigt sich diese Verwirrung am deutlichsten. VonStroke will zurück zu den ersten Erfahrungen und die dürfen auch mal zu dreist sein. Ein skurriles Album für alle, die ihren Bass sehr poppig mögen, und dennoch auf blöde idiotische EDM-Phantasien ganz und gar verzichten können. bleed
Omar Souleyman - Wenu Wenu [Domino - Good to Go]
Omar Souleyman, der vermutlich bekannteste Hochzeitssänger der Welt, momentan aus politischen Gründen von Syrien in die Türkei gezogen, hat sein erstes Studioalbum aufgenommen. Wenn man bedenkt, dass im arabischen Raum rund 500 Bootlegs im Umlauf sind, ist das eigentlich nur eine Meldung von minderem Interesse. Dem Westen ist Souleymans sehr energetischer Dabke aber auch längst bekannt. Neu ist, dass Souleyman nun auch auf Kurdisch und Türkisch singt, dass er Traditionals aus dem Irak mit seinem formal recht offenen Dabke-Sound adaptiert. Produziert hat Four Tet – und in der Folge klingt "Wenu Wenu", obschon das Album unter simulierten Live-Bedingungen aufgenommen wurde, etwas kompakter. Auf Souleymans Konzerten scheppern die Keyboards, Four Tets Produktion ist da natürlich auch eine Zähmung: Die Bassdrums sind runder, es gibt mehr analoge Klänge. Halbstündige Edits wie das legendäre "Leh Jani" findet man hier freilich auch nicht. "Wenu Wenu" ist Souleyman für den Hausgebrauch. www.dominorecordco.com blumberg
My Panda Shall Fly - Tape Tekkno [Gang Of Ducks/GOD002]
Und noch so ein phantastisches Oldschool-Album, in dem alles klingt, als sei es ausgegraben worden. Eine Zeitreise durch breite Synths, kleinkomprimierte Beats, durch Tapes zusammengeschredderte Atmosphäre einer undurchdringlichen Dichte, zauselige Spinnersounds der gelegentlich angestrengt wirkenden, aber immer genüsslich zelebrierten Art. Warum nur hat sich in diesen Jahren immer mehr ein Sound entwickelt, der sich durch und durch weigert, so klingen zu wollen, als wäre er von jetzt. Vielleicht, weil das Spiel mit der Zeit, mit den Parametern der Vergangenheit, die sich zitieren lassen, wie Passagen aus einer Sprache, die in elektronische Konstellationen gegossen ist, und als Labor immer wieder bereit ist, wiederaufzuerstehen, genau das ist, was die Zeit am Ende dann doch bestimmen könnte, weil sie sie durchkreuzt. Die Stücke von My Panda Shall Fly jedenfalls sind vom ersten Moment an Killertracks und so voller deep verschrobenem Gefühl, dass man sich in dieser Zeit längst aufgelöst hat, noch bevor einem der Faktor des Widerborstigen irgendwie auf den Nerv gehen könnte. bleed
Felix Kubin - Zemsta Plutona [Gagarin - Indigo]
"Spät-Europa", so der Titel eines 1982er Albums von Asmus Tietchens, einem der musikalischen Väter, später Kollaborateure Kubins (herauszuhören in "Nachts im Park" oder "Restez en ligne"), ist im Grunde der Ort, den seine Musik beschreibt, und wenn man ihr glaubt, dann leben wir dort alle. Der Retro-Charme seiner stilistische Sprache, von "Filmmusik" an, seinem Debutalbum auf Gagarin vor 15 Jahren, ist abgestreift: Heute beschreibt sie das Jetzt, mehr denn je, eine technologisch fortgeschrittene Welt, die kraftwerksche Utopien längst hinter sich gelassen hat und die geistig immer noch im TV-Krimi und Robo-Sex der Sechziger verharrt. Das kühle, perfektionierte Pop-Format von "Zemsta Plutona" braucht et-
was Gewöhnung, denn ihm scheint das anarchische Flanieren, der poetische Hörspiel-Flow zum Opfer zu fallen, der seine Werke immer zu Abenteuern gemacht hat. Die Stücke selbst, mit Gastmusikern (Drums, Bläser und nicht zuletzt Vocals) und allen liebgewonnenen Sounds und zickzackigem Funk auf Sonntagsstaat gebracht, können nichts dafür: die sind das, was man sich immer von einer Felix-Kubin-Party-Compilation gewünscht hat, bis hin zum klaustrophobischen "Der Kaiser ist gestorben". Und dann wird es doch noch locker: Samplecollagen, ein Rhythm Modulator als ominöser Mad-ScienceCartoon, schließlich ein Jam mit dem Grünen Winkelkanu. Spät-Australien: Wir kommen. www.gagarinrecords.com multipara
Stefan Litwin / Frederic Rzewski - El Once [Gligg - Amazon]
Das eigenwillige Saarländer Label, sonst zwischen Jazz und Kunst operierend, macht seinem dem Bergbau entlehnten Namen hier eine besondere Ehre. "El Once" gräbt unter den Trümmern von 2001 den elften September 1973 aus, den Tag des Putsches gegen den demokratischen Sozialismus in Chile. Pianist Stefan Litwin spielte zum Jahrestag einen Klassiker ein, Frederic Rzewskis 36 Variationen über die Quasi-Hymne der Republik, "The People United Will Never Be Defeated". Rzewskis Stück – er selbst ebenso Pianist, vor allem bekannt als Interpret neuer, postserieller Musik – war 1975 seiner Zeit weit voraus, vielleicht mehr als mit "Attica", das Minimal-Music-Kennern ein Begriff sein wird. Vor Ideen sprühend, rasant und mit Humor, virtuos ohne elitär zu sein, setzt es in seiner Stilgrenzen ausradierenden Art Schubert und Ligeti, Serialismus und Improvisation nebeneinander. Wie Rzewski ist aber auch Stefan Litwin politisch engagierter Komponist und liefert zwei eigene Stücke für kleine Piano-Ensembles ab, die sich unmittelbar mit "dem Elften" befassen: Eine sehr farbenreiche und poetische Vertonung eines Gedichts von Gonzalo Millán, sowie eine von Präsident Allendes letzten Ansprachen, die in einer etwas zeremoniellen Schwere, aber schlüssig auf eine besondere Kräftespannung abhebt zwischen Gewalt und Ruhe. Zwischen den beiden CDs liegen dann aber auch noch 170 Seiten Lesestoff, herausgegeben von Heike Hoffmann und Martin Schmidt, auf denen, ja, Dutzende Autoren das Thema auf verschiedenerlei Art beleuchten: Rückblenden, Analysen, Persönliches, immer wieder auch die Reaktion auf politische Verhältnisse mittels Kultur-/Musikproduktion umkreisend und reflektierend, und in Kürze und Prägnanz vom ersten Text an fesselnd. www.gligg-records.com multipara Ron Morelli - Spit [Hospital Productions]
Ein Album, das von Stress handelt. So will L.I.E.S.-Gründer Ron Morelli sein Debüt auf Hospital Productions verstanden wissen – es ist übrigens das erste von gleich drei lose zusammenhängenden Alben. Und vielleicht ist der Begriff des Albums hier auch gar nicht angebracht, denn hinter dem punkigen Titel verbirgt sich gewissermassen auch Punk: Acht mit offensichtlich heißer Nadel gestrickte Tracks, ohne übergeordnete Dramaturgie oder ähnlichen Album-Firlefanz. Allesamt Rohbauten, denen man mitunter einen gewissen Live-Charakter anhören kann. Bloß keinen ausgefeilten Industrial-Techno abliefern: Morelli setzt auf spröde Sounds und manchmal stört die Bassdrum da nur. Ein bisschen dreckig soll es sein, ein bisschen fies, die Samples wirken oftmals wie eine Verbeugung vor Throbbing Gristle. Ein echter Stresstest ist "Spit" nicht, dafür ist es zu kompakt. Aber wenn die Analogie erlaubt ist, ist das hier sehr gelungenes Genrekino. hospitalproductions.net blumberg
Clara Moto - Blue Distance [Infiné - Rough Trade]
Clara Moto versinkt auf dem zweiten Album weitestgehend in diesen pathetisch breiten Stimmungen aus tiefen Bässen, knuffigen Melodien, ruhig bestimmten Stimmen bis zum Säuseln und immer weiter aufgefächerten Harmonien. Etwas sprunghaft bewegt sich das Album dabei vom fast esoterischen Moment mit rollenden Pianos und Schleiern aus Stimmen, die nicht selten an die großen Damen der Gruftimusik erinnern, über orchestrales Pathos der glücklichsten Art, bis man sich plötzlich fast grundlos im Club wiederfindet, schließlich im säuselnden Popsong für frisch Verliebte. Eine Platte, die sich nicht auf einen Sound einigen will, aber dabei merkwürdigerweise auch nicht verliert, denn Clara Moto macht einfach jeden Track zu einem Hit eigener Art und verliert nie das perfekte Gespür, aus jedem Stück eine eigene Stimme zu machen. www.infine-music.com bleed
Hans Castrup - Shadowplay [Karlrecords - Broken Silence]
"...eine vibrierende Kombination aus Kalkül und Zufall", so benennt die Presse die Leinwandarbeiten Hans Castrups, Grenzgänger zwischen Malerei, Fotografie, Videokunst und Musik. Der Künstler vermengt Techniken unterschiedlicher Medien miteinander und kreiert damit spannungsgeladene Collagen, so auch auf "Shadowplay", eine experimentelle Melange aus Field Recordings, elektronischen Tongebern und Ef-
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Clara Moto Wie weit ist es noch? T Julia Kausch
Alben fektgeräten. Castrups Lieblingstool ist die Schleifmaschine und so editiert er auch seine musikalischen Fundstücke, das Arbeitsprinzip ist der Taktgeber, nicht die Attitüde. Auf Youtube darf man sich zu allen zwölf Stücken noch die entsprechenden Videos betrachten und eigenartigerweise gelingt es Castrup, hier nicht zu vibrieren, der kalkulierte Zufall formuliert sich besser in der Abwesenheit einer parallelen Bildwelt. www.karlrecords.net raabenstein
Justus Köhncke - Justus Köhncke & The Wonderful Frequency Band [Kompakt - Kompakt]
Gleich und ganz glasklar: Justus Köhncke hat für mich hier sein Opus Magnum vorgelegt. Was ist nicht alles seit den wunderbaren "Spiralen der Erinnerung" geschehen? Musik als Träger von Ideen. Doch irgendwie findet Köhncke bei allen tollen anderen Releases hier erst so richtig seinen funky, shaky Disco-Weg, schmeißt Kitsch, Referenz und eben die verdammte Erinnerung (nicht komplett) über Bord und legt los. "A New Direction" ist eigentlich nicht vollkommen korrekt: Köhncke hat viele kongeniale Freunde an Bord geholt (u.a. Andi Toma, Eric D. Clark) und bleibt sich schon treu: Tanz, Tanz und Tanz. "Wonderful Frequency Band" als Track sagt und singt es alles, und zwar the easy listening way. Kurz vor "Sunshine Reggae", aber eben nur kurz. Köhncke hat für mich sein oder besser mein Endlos-Repeat-Album aufgenommen. Disco 2013 kann so schön sein. www.kompakt.fm cj
Jonsson/Alter - 2 [Kontra-Musik Records/KM032 - Clone]
Herbstlich ist es und irgendwie ausgestorben, als wir uns an diesem graubedeckten Nachmittag in Kreuzberg treffen. Ganz passend zu Clara Motos neuer Platte "Blue Distance", die von zarter Tristesse lebt und dabei so vielschichtig ist, wie man es sich bei manch einer anderen nur wünschen kann. Sie dabei auf einem Genre festzunageln, erweist sich schwieriger als gedacht: Ihre Musik schwebt irgendwo zwischen Ambient, Techno und House. Sie stimmt melancholisch schon mal die kommenden Wintertage an, ohne sich dabei in der Darkness zu verheddern. "Es wäre ohne die Aufhellung ein ziemlich düsteres Album geworden. Was auch okay ist, aber ich dachte mir, ich will es nicht zu schwer machen." Vor vier Jahren ist Clara Prettenhofer, so heißt sie bürgerlich, von Graz nach Berlin gezogen. Ihr erstes Album hatte sie schon während des Studiums in Österreich produziert, erzählt sie, als wir durch die bereits blätterbedeckten Straßen laufen. "Für mich war klar, dass ich nicht in Graz bleibe, es ist einfach eine Kleinstadt. Irgendwie ist es schon nett und lebenswert, aber ich wollte einfach mal raus." Sie lebte ein Jahr in Barcelona, bewarb sich dann bei der Red Bull Music Academy in Australien, wo sie zum französischen Label InFiné fand. Die internationale Verkettung macht das Leben in Distanzlosigkeit unmöglich. Auf dem Weg zum Dance-Album hat Clara nun das Tempo heruntergedreht. "Blue Distance" - der Titel ist eine Anspielung auf ein Gedicht von Sylvia Platz - ist leichte Melancholie. Es beschreibt auch Distanzen, die sie selbst überwinden musste, sagt Clara. Inzwischen sitzen wir in einem kleinen Café im Herzen von Kreuzberg. Gleich nebenan hatte sie früher einmal gewohnt. "Kurz nach dem Release meines ersten Albums war ich zeitweise gar nicht in Berlin, sondern nur in Frankreich. Ich war dann mal hier, mal dort. Das war schon ein bisschen schwierig, aber eben auch ganz spannend. Daraus ergab sich automatisch eine räumliche Distanz zu Familie und Freunden." Sie macht Musik, in der der Hörer eine essentielle Rolle spielt und stellt sich damit die alte Frage: Gibt es Sound ohne Hörer? "Das interessante bei einer Platte ist, dass es eben eine zeitliche und räumliche Distanz gibt und sie nicht so unmittelbar ist, wie beispielsweise ein Live-Auftritt." Entstanden ist ein sehr persönliches Album, das eine Geschichte aus ihrem Leben erzählt. Das Produzieren ist ihr jedoch schwer gefallen, jetzt, wo sie von ihrer Musik leben will. Im Kreuzberger Kämmerlein tüftelte sie rund zwei Jahre an der neuen Platte, die, wie sie selbst findet, eher zu Hause funktioniert. Das Leitmotiv findet sich auch in der Musik wieder; Hall und Echos verklanglichen die Distanz im Raum. Persönlich ist es aber nicht nur durch die in der Musik immanente Tiefgründigkeit, erstmals hat sie auch selbst gesungen: "Ich habe meine Stimme als Instrument benutzt und einfach Sachen dazu gesungen und dann repetiert oder nur als Fläche eingesetzt", erklärt sie als sie an ihrem Tee nippt. In ihrer Musik schafft sie Atmosphären und geht gleichzeitig darüber hinaus. Clara Moto weist ein tiefgründiges Verständnis für Beats auf, die hier und da auch gerne einmal brechen. Auch mit dabei ist Vocalist Mimu, die auf dem Track "Lyra" leise im Hintergrund trällert. "Trotzdem bildet meine Stimme den roten Faden. Das war eine neue Herausforderung. Auch meine Stimme selbst zu hören war am Anfang schwierig. Es war faszinierend, sich dieser Angst zu stellen", sagt Clara. Trotzdem entstanden letztlich zu viele Titel, die sie in der gerade erschienenen EP "Joy Departed" als Teaser angelegt hat. Eine Trennung, die nicht in Distanzierung mündet: "Es ist alles aus der selben Zeit. Die EP gehört irgendwie schon zum Album dazu, obwohl die Tracks nicht direkt auf dem Album erschienen sind. Die Musik beschreibt eben eine Phase in meinem Leben, die 'Blue Distance'."
Clara Moto, Blue Distance, ist auf Infiné/Rough Trade erschienen.
Die beiden haben ihr zweites Album fertig und es klingt noch einen Hauch deeper und lässiger als beim ersten Mal. Jeder Track ein Killer auf dem Deephousefloor, immer wieder voller dichter Melodien und slammender Grundideen, die dennoch in dem breiten harmonischen Gewebe der Songs aufgefangen werden, und am Ende klingt das Album einfach wie eine perfekte Clubnacht in der jedes Stück genau das war, das man immer genau in diesem Moment gebraucht hat. Sehr deep und verführerisch. www.kontra-musik.com bleed Olaf Stuut - Equilibre [Manual Music]
Olaf Stuut versteht sich perfekt darauf, zerrissene Melodien mit kantigen Grooves zu etwas harmonisch Überdrehtem zu machen, das einen immer am Rand von Trance ganz selig mitswingen lässt. Zerhackte Vocals, Chords, immer mit einem gewissen Indiegefühl unterlegt, lassen seine Tracks oft so klingen wie eine dieser Bands, die man sich auf einem Festival als Höhepunkt wünscht, weil sie einfach nur euphorisierende Hits kennt, die aber dennoch alles andere als banal sind. Gelegentlich mag der Sound von Stuut fast überladen wirken, obwohl die Melodien so direkt sind, aber am Ende erwischen sie einen doch mit ihrer naiv glücklich trällernden Stimmung. bleed
schiedenen Stile und Einflüsse dem Pop zuzuordnen. Kadebostan als Kopf der Gruppe schreibt mitreißende Arrangements, die schwer zu vergleichen sind. Gerade deshalb ist dieses Album in seiner Vielfalt so charmant. Über dreizehn Stücke wird klar aufgezeigt, wie man neue Wege beschreiten kann und dennoch für den Pophörer zugänglich bleibt. www.mentalgroove.ch tobi Mi - One On The Way [Mesa Recordings]
Endlich mal wieder ein Album, das es ernst meint mit den digitalen Restgeräuschen, dem geflunkert gebrochenen Sound unwahrscheinlich direkter Samples und dem Funk der zauselig direkten analogen Klänge in zerrupften Konstellationen. Mi kann das. Jedes Stück klingt wie ein Kleinod des Sample-Kubismus, überdreht glücklich glucksend und dabei doch nie komplex zerschrotet, sondern immer ganz nah und fast poppig durch die vielen Gitarren, Streicher und Pianos. Hitzig, funky, manchmal fast bluesig, aber am Ende doch irgendwie mit einem technoiden Backdrop. Aus Santa Fe kommt Ben Wright. Manchmal hört man das deutlich. bleed
Super-Flu - Halle Saale [Monaberry - Intergroove]
Der Ruf Halles als Stadt rangiert meist in den Regionen, in denen sich auch Hoyerswerda oder Bitterfeld befinden. Dabei hat Halle nicht nur das größte Ensemble an zusammenhängenden Gründerzeithäusern, sondern wirkt an manchen Ecken wie die amerikanische Insolvenz-Konklave am Michigan Sea. Etwa die Schnellstraße nach Halle-Neustadt, die zwischen die Altbauten gequetscht wurde und das perfekte Bild einer nachhaltig zerpflückten Stadt abgibt. Super-Flu schätzen ihre Heimatstadt ebenso und widmen ihr ein ganzes House-Album, das aber eher einem Zirkus gleicht. Open-Air-House mit Einschüben akustischer Instrumente pittiplatschert es sanft dahin, lässt hier und da ein wenig Akrobatenromantik aufblitzen und ist so nachhaltig wie eine der unzähligen Partys, die man nach kurzer Zeit vergisst. Mit ein wenig mehr Haltung hätte das sicherlich einen größeren Nachhaltigkeitswert. Schließlich stimmen die Grundkonstanten und gut produziert ist es auch. Also weiterhin alles im Fluss an der Saale. www.monaberry.de bth Looper - Matter [Monotype]
Das norwegisch-schwedisch-griechische Trio Looper spielt Improv, der oft an Ambient in der Tradition Thomas Köners denken lässt – dargeboten in der Besetzung Schlagzeug, Saxofon und Cello. Auf ihrem dritten Album "Matter" jedenfalls liegt der Fokus auf unterbödigen Basswellen, über denen kaum definierte, fast gehauchte Geräusch-Schichten aufgebracht werden – Töne im landläufigen Sinne sind eindeutig in der Minderheit. Der Vergleich mit Köner ist keinesfalls an den Haaren herbeigezogen, da Percussionist und Komponist Ingar Zach unter anderem mit Gongs arbeitet, denen er sehr ähnliche Frequenzen entlockt wie der Dark-Ambient-Pionier. Im letzten Stück "Our Meal" steigern sich die drei Musiker dann zu einer Drone-Orgie, die noch einmal in ganz andere Richtungen weist. www.monotyperecords.com tcb
Strike - Wood, Wire & Sparks [Monotype]
Neben seiner leider mittlerweile Ex-Band Sonic Youth und einer Menge eher klangkünstlerischer Experimente hat Lee Ranaldo letztes Jahr mit "Between The Times And The Tides" ein unglaublich feines Pop-Album veröffentlicht, was alle spannenden Seiten der Sonic Youth durch Ranaldos Brille nochmal poppig aufgearbeitet hat und schon auch eine Art Trauergesang auf die legendäre und wichtige Band war. Ranaldo hat sich Steve Shelley, ebenfalls Ex-SY, dazu geholt, der schon auf dem Vorgänger den Eindruck verstärkt hat. Die neuen Songs sind nunmehr epischer, gerne auch mal sieben, neun oder elf Minuten lang und irgendwie noch persönlicher und entspannter. Ranaldo wirkt so langsam wie eine ruppigere, einfach besseere Ausgabe von Michael Stipe, der seinerzeit ja auch samt R.E.M. als SY-Fan angefangen hatte.
Drei Australier an den Saiten mit starkem Berlinbezug: Die Bassisten Clayton Thomas und Mike Majkowski zogen vor einigen Jahren von Sydney nach Berlin, wo sie aus der Echtzeitmusikszene längst nicht mehr wegzudenken sind, während der Geiger Jon Rose ebenfalls lange Zeit in Berlin lebte, bevor der gebürtige Brite Australien zu seiner neuen Wahlheimat erklärte. Unter dem Namen Strike missbrauchen sie ihre Instrumente sehr eindrucksvoll als Schlagwerk: "Wood, Wire & Sparks", der Titel ihres in Teilen live entstandenen Albums, fasst den Ansatz der Improv-Virtuosen konzise zusammen. Das Trio schraubt mit scheinbar unerschöpflichen Energiereserven die Spannung in die Höhe und lässt nur selten Luft zum Atmen – ohne zu ermüden. Stets meint man, vor der nächsten Attacke eines Bogens auf der Hut sein zu müssen, aber am Ende ist es dann doch "nur" von kluger Dramaturgie vorangetriebene Musik, die einen gebannt hält.
Kadebostany - Pop Collection [Mental Groove - Groove Attack]
CMKK - Gau [Monotype]
Lee Ranaldo and The Dust - Last Night On Earth [Matador - Indigo]
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Ich mag außergewöhnliche Kombinationen und so rennen Kadebostany offene Türen ein, wenn sie souligen Gesang, Housebeats, Blasmusik und Rap vermengen und dennoch den Blick auf ein stringentes Songwriting nicht vergessen. Sängerin Amina hat eine Stimmlage wie die Berlinerin Bajka, kann aber auch rappen. Schön finde ich den Titel, denn Popmusik im eigentlichen Sinn findet sich hier nicht. Aber es spricht für ein gesundes Selbstbewußtsein, dieses Nebeneinander der ver-
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Eine der schönsten Winterplatten der letzten Jahre war das 2010er Debut von Piiptsjilling, das fröstelnde friesische Lyrik mit sanften Drones und Geräuschspuren zum Knistern brachte. "Gau", aufgenommen im gleichen Studio am gleichnamigen Ort im Südwesten Frieslands, ist eine Gelegenheitsarbeit: Zum Abschluss einer gemeinsamen Tour mit Will Long, a.k.a. Celer, trafen sich die drei männlichen Viertel der Band (die Kleefstra-Brüder an Vocals und Gitarre, sowie Machinefabriek)
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ALBEN mit ihm zu einer improvisierten Session, aus der diese Dreiviertelstunde destilliert wurde. So erklärt sich der Name des Projekts, der zuerst wie eine extra finstere Variante des Vierfarbdrucks daherkommt, womit man auch nicht ganz falsch liegt, denn in Jan Kleefstras Texten treffen erneut scharfe Naturbilder auf stumme, zartbittere Melancholie, geben den locker und breit arrangierten Drones aus Gitarren, Tapes, Samples und Effekten Struktur. So locker, dass sich darin auch mal eine Einführung in heiße Quellen auf japanisch verirrt. Schön – aber ob es am mäßigen Fokus liegt oder daran, dass ihre Charaktere einander etwas im Weg stehen: ihren langen Diskografien fügen Machinefabriek und Celer hier nicht den großen Wurf hinzu, den das Projekt verspricht. www.monotyperecords.com multipara
Simon Fisher Turner - The Epic Of Everest [Mute - Good To Go]
Der Mythos darum, ob der englische Bergsteiger George Mallory 1924 der erste Bezwinger des Mount Everest war, will nicht enden. Zumindest lässt sich nicht eindeutig nachweisen, ob er mit seinem Partner Andrew Irvine am 8. Juni den Gipfel erreichte, wiewohl seine 75 Jahre nach dem vermutlichen Absturz gefundene Leiche Indizien aufwies, dass er es geschaft haben könnte. Das Archiv des BFI veröffentlicht nun die restaurierte Neufassung des Originalfilms zur gescheiterten Expedition. Simon Fisher Turner, Musiker, Komponist, Schauspieler und Scoreschreiber von Derek Jarman, wagt sich vorsichtig, präzise und begeisternd an die musikalische Interpretation einer 90 Jahre alten Katastrophe. Der Artist vertonte schon einmal eine BFI-Restaurierung, "The Great White Silence", ebenfalls eine tödlich endende Expedition, bei der der englische Forscher Robert Scott als Zweiter nach Amundsen den Südpol 1912 erreichte um dann auf dem Rückweg zu verenden. Im Gegensatz dazu zieht es Fisher Turner bei "The Epic Of The Everest" vor, nicht nur mit authentischen Materialien zu arbeiten. Auf allen möglichen Wegen, auch aus dem Internet, sammelte er Sounds zusammen, um mit einer Handvoll wohlbekannter Freunde (Cosey Fanni Tutti, Andrew Blick und Peter Gregson) das Scheitern am Berg nachzustellen. Das Ergebnis lässt einen die Heizung höher stellen, zwischendurch, der Einsamkeit entrinnend ein paar gute Freunde anrufen, um dann nach 16 Tracks wieder auf Anfang zu gehen ... wohlig. www.mute.com raabenstein
L.B. Dub Corp - Unknown Origin [Ostgut Ton - Kompakt]
Luke Slater mal nicht als Planetary Assault Systems, seinem Alter Ego, das er in letzter Zeit fast bis zur Langeweile durchgezogen hat. Mit seinem neuen Projekt L.B. Dub Corp bringt er frischen Wind in die SpreeKathedrale. Statt Industriehall-Stakkato nun afrikanisches Flair und mehr warme Bässe und Flächen. "I have a Dream", von Benjamin Zephaniah in Anlehnung an Martin Luther Kings Rede vor 50 Jahren getextet, bringt es auf den Punkt: den alten Traum einer music nation, unterlegt mit optimistischen Flächen. Mit housigem Piano schreitet "Generation to Generation" voran, "Nearly Africa" nimmt afrikanische Gesangsamples in jackende Basslines mit, "Ever and forever" sorgt für den Thrill-Moment und "L.B´s Dub" weckt Erinnerung an ein metallisches Pendant zu Bandulu/Space DJz. "Turners House" und " No Trouble in Paradise" sind perfekte Clubtracks, und mit "Roller feat. Function" werden die PAS-Freunde versöhnt. Oder ist das ein Ausblick auf Neues? Jedenfall hat Luke Slater selten so zuversichtlich geklungen. Abwechslungsreich mit Gespür für Techno, aber auch dem Mehr als nur 4/4. www.ostgut.de/ton bth
Emptyset - Recur [Raster-Noton - Kompakt]
Emptyset: Nach Kleinfrickelei hört sich dieser Name nicht an, eher nach Nagel mit Kopf. Oder auch: im Kopf. James Ginzburgs Duoprojekt mit Paul Purgas macht nach seiner letztjährigen EP für Raster-Noton mit diesem Album eine Punktlandung. Nicht nur, weil sie mit ihrem Pan-Sonichaften Maschinenkörper, mit ihrer AlvaNoto-esken rhythmischen Dynamik besonders in den rahmenden Tracks ("Fragment", "Recur", "Limit") hier nach Hause kommen. Sondern weil sie es hier schaffen, eine eigentlich geläufige Studiotechnik in etwas Absolutes zu verdichten: der Tonraum als Druckkammer, in dem brummende, flatternde, pressende, prügelnde Frequenzbänder zwischen Feedback und Kompression in musikalische Oszillation versetzt werden, wo die Zeitachse nurmehr Projektionsfläche von Kräfteverhältnissen wird, deren Abbild sie nicht nur optimal skalieren aufs menschliche Vermögen, sondern umwerfend lecker servieren. Herausragendes Beispiel dafür, dass aus einer guten, klaren Idee immer noch am meisten Energie zu holen ist. Rhythmic Noise erster Güte. www.raster-noton.net multipara
Miracle - Mercury [Planet Mu - Cargo]
Wie von Planet Mu bestellt, natürlich, kommt dieses SynthPop-Album reinsten Wassers. Dabei haben die beiden seit Ewigkeiten an diesem Debut gebastelt. Dan O'Sullivan, in mindestens einem Dutzend ArtRock-Bands unterwegs, traf 2006 auf Zombi-Hälfte Steve Moore, als jene mit seiner Band Guapo tourten. Als Keyboarder entwickelten sie Miracle, der Soundtrack zu Joel Schumachers "The Lost Boys" soll den Anstoß gegeben haben, schon seit 2010. Getragen von weich pulsierenden Strobo-Arpeggien (Italien grüßt) gleiten jetzt O'Sullivans Vocals durch hymnische Balladen, der junge Dave Gahan guckt über die Schulterpolster. Überhaupt: Ultravox, ABC, im Titelstück dann 808-State, in "Wild Nights" wird es nochmal krautig… man kennt das ja alles, und wundert sich nur, wie schön und natürlich sie das für sich bündeln. Kein Ausstellen von Studiovirtuosen- oder Kennertum, es geht immer ums Gefühl, und ihre Treffsicherheit dabei macht sie von Stück zu Stück sympathischer. Eine Unscheinbarkeit, die rein wirkt, kein Versuch, irgendwas besonders clever zu machen, schon gar nicht die Beats. Die erhabenen, universalen Dimensionen gehen im abschließenden, strömenden Mantra von "Organon" dann mit ihnen durch: sei's drum. Bis dahin gibt es genau die Melodien, zu denen man sich damals verliebt hat, und man erinnert sich, warum. www.planet.mu multipara
Sebastien Tellier - Confection [Record Makers - Alive]
In Zeiten der Ganzkörperschur scheint so ein dicht durchsaftetes Brusthaartoupet eine klärende Alternative zur bleich gewachsten Einerleihaut der Massen zu sein, oder um es mit John Clute zu sagen, die Aliens wenden sich pikiert ab, weil des Menschen wahrer USP sein Geruch ist... er stinkt. Wer dem ungekrönten Superstar der französisch-dunklen Siebziger Michel Piccoli einmal ein Autogramm abluchsen wollte, weiß, wovon ich rede: dieses konzentrierte anti-bourgeoise Odeur, destilliert aus einem Lastwagen voll ungewaschener Fernfahrer... Zigarettenasche und Schuppen der letzten durchsoffenen Wochen auf dem Nadelstreifenrevers. Sehr handfestes Restflackern längst vergangener Revolutionen um Liebe und Freiheit. Feucht, derb, schön. www.recordmakers.com raabenstein
Gardland - Syndrome Syndrome [RVNG intl. - Cargo]
Gar nicht lange her, da wurde in jedem zweiten Pressezettel noch die Zukunft beschworen. Heutzutage steht da stattdessen: informiert. Elektronische Musik, so das Versprechen, transportiere nicht das musikalische, sondern auch das "coole Wissen" der Vergangenheit. Solch Informiertheit meint mehr als bloß klangliche Verfahren der Nachahmung – und es schwirren geradezu medientheoretische Erklärungen herum, wie genau es zu dieser Wissensgenese kommt. In Falle des australischen Duos Gardland, deren Debütalbum man durchaus eine Breitband-Informiertheit attestieren könnte (PostPunk, Acid, Industrial, Kosmisches), gibt es eine erfrischend unkomplizierte Erklärung: Die künstlerische Praxis des Duos enthalte mitnichten das Versinken in Archiven, stattdessen sei "Syndrome Syndrome" auf einer psychedelischen Wüstenexkursion entstanden. Der Erfahrungs-Klassiker. Aber Techno in die Wüste schicken? Mesmerisierend ist "Syndrome Syndrome" durchaus, aber nur im Detail. Das Fundament des Albums bilden eher stumpf-störrische Beats. Vertrackt ist hier erstmal gar nichts. Gottseidank. Gardland sind trotzdem immer dann am stärksten, wenn sie ihre Gerüste mit einer geilen Opakness zukleistern. Es entsteht dann eine sehr eigentümliche Form der Euphorie, die irgendwie wichtiger ist als das Ziehen von Referenzen. Zu "Syndrome Syndrome" kann man sich hervorragend den Kopf zerbrechen, bis einem irgendwann dämmert: Die wollen ja meinen Körper! igetrvng.com blumberg
Kettel - ibb & obb OST [Sending Orbs - Clone]
Verwundert auf der Suche, ob ich einen Film verpasst habe, kam ich auf eine Videodemo des Computerspiels, das ibb & obb ist. Ein Jump´N´Run – sweet und cute zugleich. Anders lässt sich das nicht umschreiben und wo früher hektisches 8-Bit-Gedudel oft nervte, wurde dieses Spiel, das wohl zwei bis vier zusammenagierende Mitspieler benötigt, von Kettel vertont, der sich bereits mit Myam James I und II einen Namen machte. Damals war das melodische elektronischbreakige Musik im Stile der Warp-Artists, die er mit einer sanften 303 unterfütterte. Für ibb & obb ließ er die 303 weg und gibt sich noch mehr den kleinen Spielereien hin. Das hat manchmal etwas kammermusikartiges und gibt den perfekten counterpart für das räumlich offene Spiel ab. Ob Zuhause voll konzentriert oder nebenbei beim Arbeiten, wird es das Album für den Herbst und WInter sein. Fehlt nur noch ein klassischer ChillOut-Room mit in Leuchtfarben bemalten Bauschaumfiguren, Schwarzlicht, weißen Netzen und noch mehr Schwarzlicht. Sehr gelungen. www.sendingorbs.com bth
Dean Wareham - Emancipated Hearts [Sonic Cathedral - Alive]
Dean Wareham hat mit Galaxie 500 und Luna Popmusikgeschichte in Sachen Dream Pop geschrieben. Wo Galaxie 500 immer ganz weit draußen waren und uns mit hohen Stimmen und großer Entrücktheit begeisterten, waren Luna besser produziert, insgesamt nicht mehr ganz so schuhglotzend, irgendwie auch konsequent einen Schritt weiter in Richtung Major. Doch Luna blieb der ganz große Erfolg verwehrt, und so lösten sie sich auf (siehe die schöne Musik-Doku "Tell Me Do You Miss Me"). Dean & Britta, die sich in der Band Luna lieben lernten, verschrieben sich fortan einer Art abgespeckter Version von Luna, Warehams rundum gelungenes Mini-Album-Solo-Debüt (nach so vielen Jahren) schließt dort an und zeigt zudem offenhörbar Einflüsse von Spacemen 3's Sonic Boom und Cheval Sombre, mit denen Wareham in letzter Zeit immer wieder, so auch hier, kooperiert hat. Nun ist er (wieder) eine deutliche Spur psychedelischer geworden. Ziemlich toll. www.soniccathedral.co.uk cj
Black Hearted Brother - Stars Are Our Home [Sonic Cathedral - Alive]
Ganz groß. Neil Halstead (Slowdive, Mojave 3), Mark van Hoen (Seefeel, Locust) und Nick Holton (Coley Park, Holton's Opulent Oog) haben uns mit ihren genannten Bands und Projekten schon immens erfreut. Als Black Hearted Brother nun packen sie alle ihre Ansätze zusammen und entwickeln einen neuen Versuch, Dream Pop, Shoegazing, Indie und das kleine Experiment zusammenzufügen. Auch wenn Halstead solo etwa immer und insbesondere live zu begeistern wusste, tut es auch ihm gut, wieder ein klein wenig weg vom Traditionellen zu kommen und spaciger zu klingen. Zwölf Songs, die einen mitnehmen, im wahrsten Sinne des Wortes. Und spätestens wenn sie auf "(I Don't Mean To) Wonder" die Gitarren rauschen und schreien lassen, winken, ganz unnostalgisch, Slowdive, von vorne sozusagen. Wow. www.soniccathedral.co.uk cj
V.A. - Studio One – Ska Fever! [Soul Jazz - Indigo]
Die Zeitreise in die Archive des Studio One konzentriert sich diesmal auf die Mitte der Sechziger, um den Jamaican Ska der Jahre 19641967 abzubilden. Bei dieser Vorstufe des Reggae gibt es Wiederbegegnungen mit einer Reihe von Helden des Genres, angefangen bei den Skatalites, den Ethiopians, den Wailers, dem frühen Lee Perry oder Don Drummond über Sologänge des Skatalites-Organisten Jackie Mittoo bis hin zu raren Gestalten wie dem ominösen Sänger Hugh Godfrey. Eine besondere Entdeckung sind die Clarendonians – bei denen Freddie McGregor schon als Kind zu singen begann – mit ihrer Coverversion des Beatles-Klassikers "You Won't See Me", in der sich sehr anschaulich nachvollziehen lässt, wie man aus einem Northern-Soul-lastigen Beat-Song mittels Offbeat, d.h. Verschiebung des Akzents um exakt ein Achtel, sehr elegant eine Ska-Nummer macht. Von den wunderbar traurigen Stimmen ganz zu schweigen. Sehr schön! Auch der angemessen rumpelige Klang. www.souljazzrecords.co.uk tcb
Boardwalk - Boardwalk [Stones Throw - Groove Attack]
Mike Edge und Amber Q aus Los Angeles erinnern stark an verträumt abgedriftete Satelliten. Und kultürlich klingen bei sowas dann auch immer die Großmeister dieses Sounds Velvet Underground, Spacemen 3, hier aber noch deutlicher Galaxie 500, Mazzy Star und Beach House durch. Irgendwie kann es für mich von dieser Musik einfach nicht genug geben. Boardwalk scheinen die intendiert bescheidene Homerecording-Variante dieses Ansatzes zu sein. Genau dieses Reduzierte tut ihren Songs sehr gut. In einen Song wie "I'm Not Myself" kann man sich förmlich hineinsetzen und zum nächsten Märchenpark fahren lassen. "What's Love" ist der erste Stopp, bei dem man, durchaus mal nach hinten schauend, an verflossene Lieben, Freunde und Lebensphasen denkt. Inne halten halt. Und dann weiter, aber ganz langsam, mit Boardwalk an Bord. Seufz. www.stonesthrow.com cj
Vex Ruffin - s/t [Stones Throw - Groove Attack]
Der Philippinen-Amerikaner Vex Ruffin selbst nennt Cabaret Voltaire und PIL als Einflüsse, seine Songs lassen aber auch durchaus noch härtere Gangarten wie Throbbing Gristle (in ihren eingägigen Momenten) oder Suicide (generell) erkennen. Alles wahrlich weder vom Image noch vom Sound her Leichtgewichte. Nein, manchmal sogar außerordentlich schwere Kost. Das klingt hier alles mit, man meint Vex Ruffin förmlich in die Vergangenheit schlendern zu sehen, als die Drum Machines erst mit Synthesizern begannen, Gitarren- und Punk-Bands eine neue Perspektive zu eröffnen. Meistens endete das in einem desolaten Electro-Blues wie bei einigen oben Genannten. Auch Vex Ruffin setzt hier an, streut aber auch schonmal HipHop-Beats ein und wirkt wie ein durchgeknallter Beck ("It Will
Come"). Echt keine Musik fürs sonnige Frühstück, eher schon für den früh dunkel werdenden Tag und ersten Gin Tonic. Kann Nachbarn ganz schön ärgern. www.stonesthrow.com cj Mr. C - The Future [Superfreq]
Manchmal macht man alles falsch, wenn man denkt, alles richtig zu machen. Oldschool, check, Acid, Check, darke Vocals, check, wummernd cooler Sound, check, aber dann geht es bergab. Die Vocals haben etwas zu bodymusicmäßiges, zuviel Leder, zuwenig Funk, die Acidlines klingen wie hängengeblieben und selbst die Snarestakkatos können einen hier ernüchtern. Puh. Einfach alles zu düster und selbst in den Remixen auf Dauer kaum zu ertragen. bleed
John Heckle - Desolate Figures [Tabernacle Records]
Heckle zögert nicht einen Moment sondern stürzt sich lieber gleich in einen Track voller schillernder HiHats und Acidgewitter, lässt Stringberge zu grandiosen Weiten auflaufen, die aus der Welt eine einzige Hymne machen und hat schon mal geklärt, dass Euphorie keine Grenzen kennen darf. Das Album swingt in seinem leicht atavistisch anachronen Sound zwischen Oldschool und purer Analogphantasie aller möglichen Konstellationen und ufert auch schon mal in verspielt fusseligem Jazzfunk aus oder überdrehten Chicagomelodien frisch aus dem Drumcomputer geschossen. Eine Tour de Force in analogen Welten die dennoch immer eine sehr getragene Stimmung vermittelt und den Funk eher in den verrückten Geistesblitzen zwischendurch aufleben lässt, als im Groove, der ganz und gar auf die Tiefe Substanz der mächtigen geraden Bassdrum aufgebaut ist. Brilliant durch und durch. bleed
Clara Hill - Walk The Distance [Tapete - Indigo]
Was für ein Anfang! Wenn im Film "Prometheus" auch sehr viele Anschlussfehler und HollywoodKompromisse zu entdecken bzw. bedauern waren, die ersten Minuten, die waren es wert. Was kann Film alles an anderen Welten entwerfen! Und hier und jetzt: Was kann Musik alles an Utopien liefern! "Konkav" ist ein anderer Planet, auf dem alles gut wird, ihn zu erreichen allerdings ist nicht ganz einfach. Die Sängerin Clara Hill kann einen an die Hand und mit nehmen. Sie ließ sich unterstützen von erfahrenen Piloten wie Schneider™, Hanno Leichtmann, Simon Whetham oder Thomas Bücker. Letzterer, sonst Mann hinter Bersarin Quartett, Jean-Michel und und und, hat eben auch "Konkav" skizziert, das minimal-bombastisch schillerndste Stück von Hills Album. Hill probiert aus, diese zehn Songtracks klingen, als hätte sie kompromisslos erschaffen, was sie schon immer wollte. Wenn man Ridley Scott nur so (weitermachen) lassen würde wie die wissende Reisende Clara Hill, ja dann... www.tapeterecords.de cj
Banabila & Machinefabriek - Travelog [Tapu Records]
Neulich im Stau, der Typ im Mercedes nebenan ein vermeintlich typischer BWLer, Zwirnmensch unter Fleischkappe, die Unterlippe nahtlos in den Hals übergehend. Jacket und Schlips offensichtlich auf dem Rücksitz. Der Türrahmen in dieser ruckelndschleichenden Fortbewegungsart verdeckt hinterlistig den genaueren Einblick ins Fahrzeuginnere. Bemerkenswert an der Szene: das hartnäckig wiederkehrende dreifache Zucken des Herren; hier wird also Härteres dem Ohr zugeführt. Nichts an dem Bild passt so richtig zueinander und gerade deshalb muss man weiter hinstarren. Der Stau löst sich auf und der Mercedes entschwindet... Ende. Die beiden äußerst umtriebigen holländischen Produzenten Michel Banabila und Rutger Zuydervelt aka Machinefabriek könnten mit "Travelog" den Soundtrack zu der Szene geliefert haben, Minimal, Kraut, Ambient und Noise hüpfen übereinander, das Banale und Kleine ist der ungelenkte Held der Geschichte, Strandgut an einem kalten aber sonnigen Herbstnachmittag am Meer. Kater... www.tapurecords.bigcartel.com raabenstein Kid606 - Happiness [Tigerbeat6 - Cargo]
Post aus Los Angeles und sie sagt: Mir gehts hier prima. Nun muss die Münze, mit der unser virtuoser Genrejongleur bezahlt, ja immer erstmal gewechselt werden. Die eher abgestandene Electronica seines letzten Albums: Abgesang auf Berlin, dem er dann entfloh. Und was passiert hier? Laut Presseinfo standen hier allen Ernstes u.a. Yacht-Rock-Bands (Christopher Cross, Toto, Doobie Brothers) Pate. Ich erhöhe: "Smooth Sailing", das ist doch Philip Glass. Aber alles halb so schlimm. Spätestens wenn auf "Cloud Sculpting" sich für den Rest des Albums der Knuddelbass als schnurrende Katze auf den Bauch legt, darf das Kleinhirn ans Steuer, das uns auf "Party Gambas" zu einem alten Kraftwerk-Tune fährt, dann "Corona-
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SINGLES
Alben do Bay Breezin'" entlang durch die frische Feuchte sägt, und die Downtempo-Entspanntheit des ewigen Sommers, die jungen Damen in strahlenden Hänger-Loops, die sich wiegenden Orgelpads, schließlich das Ausrollen zwischen Spectrum Spools und Cluster+Eno, das ist einfach nur wunderbarer, transatlantischer, elektronischer Instrumentalpop mit warmem Bauch und weiten Armen, der keine Dechiffrierung braucht. multipara
Burkhard Stangl - Unfinished. For William Turner, painter. [Touch - Cargo]
Musik, die fast zum Stehen kommt. Der österreichische Improv-Musiker Burkhard Stangl hat sich für sein erstes Touch-Album vom englischen Maler William Turner zu einer ganz eigenen Form von Impressionismus inspirieren lassen. Stangls Gitarren-Improvisationen evozieren eine präzise Flächigkeit mit sehr feinem Strich, kosten mikroskopische Motive und Klänge mit größter Disziplin und Ruhe aus und halten die Musik dabei stets elastisch. Hier geht es nicht um klangliche Abstraktion mittels Fixierung auf das Geräuschhafte der Tonerzeugung, wie es von Stangl an anderer Stelle ausgiebig erprobt wurde, sondern um weitgehend klassische Töne, die jedoch so konsequent aus jeglichem konventionellen Kontext herausgelöst wurden, dass sie eine abstrahierte Form annehmen. Gelegentliche field recordings – man hört fließendes Wasser, Stimmen oder nicht näher definierte Geräusche – und vereinzelte Elektronik setzen weitere Akzente, erschließen den Stücken zusätzliche Dimensionen. Auf perfekte Weise unvollendet, um es paradox zu sagen. www.touchmusic.org.uk tcb
Phill Niblock - Touch Five [Touch - Cargo]
Drone-Meister Phill Niblock setzt seine "Touch"-Reihe beim gleichnamigen Label fort und knüpft inhaltlich direkt an den Vorgänger "Touch Strings" an – auch auf "Touch Five" kommen ausschließlich Saiteninstrumente zum Einsatz. Majestätisch gleich der Anfang: "CornFeed Ear", interpretiert vom belgischen Cellisten Arne Derforce, der eine Reihe von Niblocks Kompositionen eingespielt hat, bringt das Prinzip der Obertonvariation über liegendem Grundton mit einem ganzen Spektrum an Mikrotönen zum Flirren. Ähnlich der Brite Rhodri Davies an der elektronischen Harfe mit dem Stück "A Cage of Stars". Unmerklich die Wechsel und Übergänge, wird hier stets auf Neue verdeutlicht, dass es keine Wiederholung desselben gibt – selbst ein gehaltener Ton verändert sich in der Zeit. Dass eine Komposition sich nur begrenzt von ihren Interpreten losgelöst betrachten lässt, demonstrieren die drei Versionen von "Two Lips" für Gitarrenquartett, die auf der zweiten CD versammelt sind. Das im Vergleich zu den beiden Solostücken weit dissonantere Werk lässt dabei von Besetzung zu Besetzung immer wieder neue Facetten und Klangfarben aufschimmern, als würde ein Text von verschiedenen Sprechern vorgetragen. Groß. www.touchmusic.org.uk tcb
Wareika - Wternal [Visionquest - WAS]
Das dritte Werk von Wareika umarmt einen quasi mit seinem warmen und organischen Sound, und Florian Schirrmacher singt nicht selten dazu. Zusammen mit Henrik Raabe und Jakob Seidensticker lotet er die Möglichkeiten eines deepen Livesets aus, dass ihnen Housemusik gestattet. Die sanften Steigerungen im Tempo und die gut gesetzen Vocalparts zeigen, dass die drei genau wissen, wie man Tanzflächen zu bedienen hat. Es ist diese Mischung aus Verspieltheit und straighten Beats, die das Trio so charmant und einzigartig machen. Die dubbigen Rhythmen haben die beiden ehemaligen Havana Boys auch weiter im Gepäck. Etwas grenzwertig ist die Coverversion von "La Paloma", aber nach mehrmaligem Hören gewinnt die Sympathie für das Housegerüst auch bei mir die Oberhand und es ist ziemlich sicher, dass die Nummer ein ziemlicher Hit in den Sets werden wird. tobi
Leon Vynehall - Open EP [3024 - S.T. Holdings]
Nach Piano-House im großen Stil auf Aus, wird nun auf Martyns Label das Großraum-Feuer am Laufen gehalten. "I Get Mine You Get Yours" jacked, was das Zeug hält. Hauptsache, die HiHat schön offen und die Synth-Line maximal catchy, ganz nach britischem Selbstbewusstsein. Soll hängen bleiben und tut genau das, nicht weniger, allerdings auch nicht viel mehr. Die B-Seite will mit der großflächigen Euphorie mithalten, fährt das selbe Konzept nochmal und hängt in Sachen Catchiness auch kaum hinterher. Nur das Drum-lose "I Know You Face Heroine" tanzt aus der Reihe. Soll irgendwie durchdachter daherkommen als der Rest, bleibt aber zu flach. Ein bisschen viel 0815 auf 3024. www.3024world.com wzl
Anstam - The Remixes [50 Weapons/50WEAPONSRMX07 - Rough Trade]
Die Familienbande remixt sich weiter gegenseitig. Jetzt dran: Anstam. Moderats aktuelle Single "Gita" und Siriusmos "Stinky Wig" werden hier durch die Mangel gedreht. Mit viel quäkender Dringlichkeit, einer Prise Chaos über der Durchsicht durch jedes Soundpartikel. Besser als die Originale? Zumindest ebenbürtig. Und ein remixender Händedruck tut immer gut. www.50weapons.com thaddi
Benjamin Damage - 4600 EP [50 Weapons/50WEAPONS031 - Rough Trade]
30 Jahre lang hat der kleine ETI 4600 in einer abgelegenen Garage, irgendwo nördlich von London geschlummert. Als einer der wenigen seiner Art, die wohl überhaupt jemals richtig funktioniert haben. Und gäbe es nicht noch diese Menschen mit Herz für Maschinen, wie den Benjamin, wäre der putzige Synth, Geburtsjahr 1973, doch glatt seinem rostigen Schicksal überlassen worden. Frisch genährt mit neuen Befehlen, schnurrt der Kleine nun aber endlich wieder wie wild. Nach vorne will er, auf den großen Floor, da, wo es sich doch am besten wild herumspringen lässt. Herrchen Damage steht am anderen Ende der Leine und liefert nach seiner großen "Heliosphere"-LP drei technoide Sureshots, die sich ihrer repititiven Stärke mehr als bewusst sind. Ohne viel Schnörkel, genau so, wie wir die dunklen Momente lieben. Als Belohnung für den kleinen Wilden gibt's dann noch das Leckerli "Nebula" oben drauf, den kicklosen Flächen-Exzess, das Highlight in spe. www.50weapons.com wzl
A Made Up Sound - After Hours [A Made Up Sound/AMS006 - Clone]
Au weia, was ist denn hier los? Dave Huismans verabschiedet sich vom Dancefloor. Endlich, werden da einige sagen. Nicht, weil sie ihn loswerden wollen, sondern weil immer klar war, das mehr in ihm steckt. Dieses "After Hours" - episch und endlos - hätte in den 80ern auch von Dirk Ivens sein können. Die Drums haben den gleichen Punch und dabei auch die selbe digitale Ruppigkeit. Der Rest scheint improvisiert, aus der blutigen Nase gezogen, ein Bandwurm der Konfusion, der nur noch zittert, aber nicht mehr tanzt. Ein wirklich unfassbares Stück Musik. "What Preset", die B-Seite, feiert dann genau diese Abkehr von gelernten Sounds und wenn 4Hero damals bei Throbbing Gristle gewesen wären, hätten wir den Track schon seit 1979 in der Kiste. Runtergespielt klingt das bestimmt ohnehin besser. Wow. soundcloud.com/2562amadeupsound thaddi Monomood - Analog Threesome [Abstract Animal/003 - Decks]
Schön auf der Bassdrum hängengeblieben. Etwas Bassline dazu. Etwas pathetische Sounds und irgendwann ist man - ohne das man es bemerkt hätte - mitten in einem Schranzinferno. Huch. Da lob ich mir den Mike-Dehnert-Mix, der in seiner feinen funkigen Art aus "Vault" alles herausholt, was man so als Ravesüchtiger der ersten Stunde von seinen slammendsten UR-Platten braucht. "The Siren" zum Abschluss ist kaputt. Aber sowas von. Scheppernd, aus dem Lot, knatternd und mit der zerbrechlichen Gewalt eines Hammers ohne Hals. bleed
Dresvn [Acido/14 - Hardwax]
Der Ameisenstamm trifft sich zum Trommeln. Nicht üben für die Toskana, sondern für den Club. Ach, zur Hölle mit dem Ethno-Scheiß, bzw. den schwachbrüstigen Interpretationen aus japanischen Schaltkreisen der Kaiserzeit. Einfach mitmachen. Eh gut, eh besser. Dresvn? Immer über alle Zweifel erhaben. Das zeigen die drei neuen Tracks nur zu deutlich. Nicht für jeden, aber wenn, dann richtig. thaddi
Kotelett & Zadak Schleuderganz EP [Acker Dub/023]
Ein perfekter Popsong mit leicht kitschig smoothem Gesang ist das upliftend dubbige "Hello Species" geworden. Einfacher Chord, statisch klassischer Groove, Sounds, die nach Sommerelegie klingen und dann dieser kitschig gesäuselte Vocodergesang dazu. Alles perfekt. "Aimless" ist ein ähnlich sanft kitschiges Stück mit Gitarre und Gesang und "Tizia" voll mit Grufitpathos, während der Mollono-Bass-Remix dem "Hello Species" Track noch einen Hauch Trance verpasst. bleed
Gab Rhome - Sometimes It Goes That Way [All Day I Dream/004]
Der klingelnd schöne Track von Gab Rhome steht hier im Zentrum mit seinen Xylophonsounds und der warmen weichen Bassline, die alles in dieser sommerlich duftenden Stimmung einfängt. Kitsch für die nächsten Open Airs, egal wie lange die noch hin sein mögen. Flausige Beats, sehr schöner Gesang mit sanftem Indieflair und dieses atmende Gefühl in den Sounds, das so elegisch klingt wie man es braucht für diese endlosen Tage. Die Rückseite von ihm mit Maher Daniel ist ähnlich sanft, aber einen Hauch zu flauschig dabei und wirkt auf die Dauer so, als hätte das Butterschiff nie abgelegt. bleed
Hooved - Timeless [Amam]
Hooved ist dafür bekannt, dass seine Stücke immer ein wenig ausgehöhlt klingen. Etwas zu trocken, dafür aber mit einer geisternhaft schwebenden Stimmung, die einen in eine völlig eigene Welt entlockt. Und das zelebriert Hooved hier auf allen drei Tracks so lässig mit leicht um die Ecke träufelnden Grooves, kurz eingestreuten leicht melancholischen Elementen, diesen trocken warmen Basslines die alles in Swing halten und dem träumerischen Stil eines zu sich zurückfindenden Minimalismus der immer zwischen den Zeilen seines eigenen Sounds eine Welt hinter der Welt vorfindet, die verführerisch unentdeckt bleibt. Der Thomas Brinkmann Remix wirkt gegen diese filigran funkenden Stücke fast schon brachial. www.am-am.org bleed
Tal M. Klein - Exhaustasaurus [Aniligital Music]
Merkwürdiger Titel. Trockener Groove. Tal M. Klein sonst eher bekannt für seine SlowMo-Housetracks kickt auf "Exhaustasaurus" spartanisch und mit ultradeepem Subbass los und wälzt sich gerade zu in den Basswellen, hechelt eine Stimme hinterher, die fast tribal wirkt und landet am Ende dann in einer stachelnden Synthstimmung die fast nach Rave klingt. Mit "Perforated" geht es dann tiefer in die Knie und zaubert eine elegische Discostimmung aus der 303, während "The Consequence" die Synths etwas weit über die Grenze von Kitsch aufdreht und dabei wirkt wie ein runtergepitchter Trancetrack. Die Remixe von Casbah 73 und Spitmilk schwanken zwischen jazzigem Swingsound und etwas fusseligem Kirmeshousesound. bleed
Renaissance Man - Kama EP [Black Ocean/003]
Und wieder zwei sehr wirre und phantastische Tracks von Renaissance Man. Kama rockt mit seinen tribalen Grooves mitten ins Herz der verzückten Raver der ersten Stunde, legt eine verheißungsvolle Stimme drauf und das Tänzeln leicht tranciger breiter Synths, und schon ist man mitten im Wald aus Strobos und Nebel. Die Rückseite mit seinen verknuffelten Vocals abstraktester Art bringt dieses überdrehte Zuckeln der Melodien zurück, die schon seine letzte EP hatte und bleibt dennoch immer auf den Floor konzentriert. Purer abstrakter Funk der oldschoolig verdrehten Art, die sich im Break dann noch in ganz säuselnd dreisten 70er-Jahre-Synths auflösen darf. bleed
Duke Slammer - Snorkel Zone [Bonus Round Records/020]
Der Track von Nadia Popoff aus Argentinien ist voller dunkler Spannung und Intensität und rockt mit dieser perfekten Konstellation aus darker Bassline und trockenen Sounds, magischen Hintergründen und schleichend dichtem Grundgefühl das sich auf "My Friend Sebastian" sogar in jazzigere Gefilde ausbreitet, aber dennoch seiner Deepness treu bleibt. Die Remixer Alessio Mereu und Hooved bleiben dem spartanisch gefühlvollen Sound treu und kicken einen Hauch mehr um die Ecke.
Manchmal verliebt man sich einfach sofort in einen Track. "Snorkel Zone" ist so einer. Klingelnd voller Melodien, leicht überdreht bleepig und doch mit einem gewissen Unterton früher Aphex-Twin-Momente. Zuckersüß und mit diesem wehenden Gefühl eines ersten Sommers mit einer völlig unwahrscheinlichen Begleitautomatikorgel. Der Rest der EP ist etwas näher an Disco, wenn auch stellenweise auf absurde Weise, klingelt natürlich in den Sounds ähnlich überzogen und erinnert mit manchmal auch ein wenig an die verdrehteren Momente von Luke Vibert. Eine Platte, die vom ersten Moment an kleine blubbernde Herzchen des Glücks verstreut.
Tom Demac & Will Samson - It Grows Again EP [Aus Music/053 - WAS]
Shanti Celeste - Need Your Lovin' (Baby) [brstl/005 - Hardwax]
Nadia Popoff - Black Jack [Amam Extra/019]
bleed
Genaugenommen liebe ich Tom Demac. Hier noch einen Dreh poppiger mit den Vocals von Will Samson, der wirklich am letzten Zipfel seiner Fistelstimme hängt, aber im Hintergrund wühlt sich Demac so genüsslich durch die Bässe und macht aus allem so ein dicht gebratenes Fest aus Sounds, die völlig in sich verschliffen sind, dass ich selbst die Vocals hier als Sound hören kann. Soul in dieser pergamentartigen Dürre kann einen ja manchmal ganz schön überfordern, aber irgendwie schaffen es die drei Tracks, aus ihrem Popprojekt doch etwas zu machen, das einem ans Herz geht und so phantastisch überarrangiert, aber dennoch flockig leicht bleibt, dass man es einfach genießt wie die frühen Soulplatten von Vladislav Delay. www.ausmusic.co.uk bleed
Sei A - Wants EP [Aus Music/1352 - WAS]
Sei A ist eigentlich immer am besten, wenn der die Harmonien frei durch den Raum schweben lässt und der Rest des Tracks dem säuselnden Grundton den richtigen Backdrop vermittelt. Das gelingt ihm hier vor allem auf "10" und "Promises", die beide sehr charmante Epen aus melodisch deepen Basslines und breiten Flächen sind und einen extrem lässigen Swing dabei entwickeln. Die funkigere Seite ist auf "Promises" auch irgendwie klarer als auf dem Titeltrack "Wants", der irgendwie sexy wirken will, aber dabei ein wenig zu sehr auf die Verlockung durch Hall auf den Vocals schielt. www.ausmusic.co.uk bleed V.A. [Big Doint/001]
Was für ein Monster. Chicagobassline mäandert durch den Untergrund von FIOs "Take No Time", die Discosamples könnten auch ein obskurer Killersoul aus einem vergessenen UK-Underground sein, alles wuchtet und bollert ausgelassen zwischen den Filtern und dem zertrümmert glücklichen Groove und klingt völlig überdreht. BD mit "Big Doint" räumt mit ähnlich obskuren Soulsamples und schleppenderem Groove genau so auf und lässt alles in perfekter Konzentration über den Floor schluffen. Disco für Verwunschene. Auch auf dem letzten Track hält sich dieser Sound zwischen Underground und purer Euphorie, dieser leicht französische Sound überglücklicher Discoloops in kaputten Konstellationen der unwahrscheinlichsten Art. Eine Platte, die Big Doint definitiv einen Platz unter den kommenden Kultlabeln sichern dürfte. bleed
bleed
Keine falschen Hoffnungen. Es ist nicht DER Track. Der hier ist aber auch gut. Atmet New York. Finde ich. Mit dieser perfiden EQ-Einstellung auf der HiHat der 909, der federnden Bassdrum und dem überdrehten Soul in den Vocals. Und auch die B-Seite slammt. Mit Tieftöner-Deepness auf der Bassdrum, ganz einfachen Chords und Stabs und diesem wolldeckigen Gefühl der Vertrautheit des Schnees im Sommer. Herrlich. thaddi
Marlowe - Moonshine Heater [Cadenza/090 - WAS]
Laurent Bovey aka Laps kommt hier mit einem perfekt auf Cadenza passenden Stück. Glucksend latin, flausig überdreht in den knuffig knisternd dichten Grooves und das alles mit einer gewissen gejammten Endlosigkeit, ist auch der Rest der EP ähnlich, hier aber steht die Melodie nicht ganz so im Zentrum und lässt die Grooves dann eher einen Hauch zu wissenschaftlich wirken. www.cadenzarecords.com bleed Vereker / Kupfer [CCCP/04 - Clone]
Hinten anfangen lohnt. Denn "Radiosity" gibt einem all die Wärme zurück, die man vorher bei drei mumpfigen LoFi-Sumpfnattern des Oldschool-Techno ausschwitzen musste, um wenigstens irgendwie aktiv zu sein. Vereker und Florain Kupfer? Ach nee. Bestimmt toll für die, die auch im Winter noch im T-Shirt rumlaufen, aber ich habe diesen Sound so derartig satt, dass ich glatt nach CCCP auswandern würde. Da ist wenigstens der Wodka gut. Aber die B2, die braucht man dann eben doch. thaddi
Bjorn Wolf & Youri Donatz - Put Your Mind On Zero EP [Cellaa Music/010]
Was genau es mit diesem dark gepressten "Before Singing We Must Leave The Church" auf sich hat, ist mir nicht ganz klar. Ein mitreißender Technotrack für den dark konzentrierten Trip eben, der immer mehr ins Trudeln gerät. "Bred" mit seinen verwässerten Sounds, die klingen, als hätte man sie in einem Tümpel Alka Seltzer aufgelöst, gefällt mir aber um Längen besser, weil es so schön abstrakt knatternd auf eine flausig wirre Kinderstimme mit Basslinegewobble und abenteuerlichen Orches-
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singles terstabs hinausläuft. Rave für die Kleinsten. "Put Your Mind On Zero" ist ein abstrakt knatternder Minimaltrack mit viel Funk, und der Basti-Grub-Remix will den Funk noch klarer herausschälen. bleed
CC / Golden Donna [CGI/CGI001]
Extrem trockene Tracks, die auf der A-Seite von CC manchmal so wirken, als hätte jemand seinen ersten Versuch gemacht, Acid zu produzieren, aber leider keine 303 zur Hand gehabt. Kantig und abstrakt in den Grooves, verwirrt in den Sounds und sehr spröde, aber mit so viel Charakter, dass man die Tracks einfach lieben muss, vor allem wenn es bei dem FunkyTrack "Shackles" dann eher ravig knatternd als poppig bleibt. Golden Donna beginnt die Rückseite mit einem Feuerwerk aus breitwandigem Souldubopus, das völlig für sich steht, und säuselt mit "Soft Escape II" dann am Ende noch eine Hymne für die Letzten, die den Club einfach nie mehr verlassen wollen. Wunderschöne und sehr frische EP. bleed
Jerome - 4B / 5 [CGI/CGI002]
Die zweite EP des neuen Labels rockt auf dem ersten Track mit einer so unverschämt kickenden Orgel, dass man sofort weiß, es gibt hier kein Zurück mehr. Dann einfach eine Duborgie hinterher, kantige Beats, merkwürdig gestaute Sounds, holzig breite Kompressionen, ein magisches Stück. Die Version auf der Rückseite dreht sich mehr um den ausufernd schnell peitschenden Bass und wuchert immer mehr zu einem alles mitreißenden Ravetrack aus. bleed
Chicago Damn - Experiments Must Continue [Chicago Damn/001]
Irgendwie eigenwillige Acid-Platte, die in ihrer Überfrachtung mit Synthsounds und einem irgendwie sehr klaren, überhaupt nicht oldschooligen Sound manchmal so wirkt wie frühe italienische Acidexperimente. Sympathisch, verwirrt, gerne bereit hier noch mal ein neues knödeliges Moment einzuflechten, da noch eine Szenerie der Verwirrung mehr anzusteuern und am Ende dann ganz blauäugig doch vor allem loszurocken, aber irgendwie gefallen mir hier die wenigen Momente, an denen es nicht so auf Stakkato getrimmt ist, besser. Der smoothe klingelnde Groove von "Sleaze" oder der einfach hymnisch housig chordversessene "Strawberries and Kream"-Track. bleed
Andy Vaz - I'm Not From Detroit [Chiwax/002LTD - DBH]
Hätte man ja auch selber drauf kommen können. Wobei der Weltenbürger von heute eh überall dort zu Hause ist, wo es Strom für die Maschinen gibt. Der Titeltrack ist eine pointierte Medidation, ein großzügig angelegter Loop, der sich so sanft immer wieder verschiebt, dass man das Sample am Ende selber glaubt. Ganz und gar klassich. Mit angetäuschter Darkness, leise flüsterndem Acid und immer wieder dieser Stimme. Don't tell me he's from Detroit. Ein Mini-Hörspiel für die Backstreet. "Alternative State Of Insanity" schlängelt sich die Serpentinen der improvisierten Unendlichkeit hinauf, die 303 spielt Gitarre und irgendwie scheint das Portamento kaputt. Genau richtig also. "Deutz Motorcity" dann öffnet mit alter Wochenschau, preist die industrielle Brücke zwischen Köln und Detroit in Sachen Autobau und technologischem Fortschritt. Der Rest: butterweich. Sounds, wie es sie nur noch auf Platten gibt, die im Laden die teuersten Preisschilder haben. Irre gute EP. thaddi
Seb Wildblood - Feel [Church White/001]
Ein sehr soulig überdrehter warmer Housetrack mit nur dezenten Raveerinnerungen in der Struktur und der Bassline. Sehr zart und jaulend zugleich ist der Track einer dieser eleganten Hits, der einem lange genug im Ohr bleibt, um auch in den kältesten Nächten des Jahres noch weiter zu glimmen. Der Apes 5 am Remix kontert mit einem schreddernden Technobilderbuchtrack, der mir allerdings viel zu beliebig wirkt. bleed
Oleg Poliakov - C.A.V.O.K. [Circus Company/082 - WAS]
Zwei der Tracks, für die man Poliakov einfach lieben muss. In sich verschlungene Melodien, die sich um den Hals fallen, lässig swingende Grooves dazu, treibend getriebene Sphären überall, und schon ist man von den Stücken bis ins Letzte aufgesogen und fiebert mit jedem noch so kleinen schimmernden Detail der Tracks mit. Wunderschön und immer leicht aus dem Gleichgewicht geraten, eiern die Stücke von Poliakov immer einen Hauch, aber genau das macht irgendwie auch ihre Faszination aus. www.circuscompany.com bleed
Om Unit - Threads [Civil Music/058 - S.T. Holdings]
Grandioser Kitsch macht hier den Anfang. Breite pathetische Synths, dann ein Stück, das klingt wie eine Grufti-Version der Pet Shop Boys und ein Stück verrückter DowntempoRaveerinnerung, plötzlich dann Harfenklänge und Rap... Om Unit hat sein Album wirklich inszeniert wie ein Kino, das einen durch alle Gefühlslagen treiben will. Das merkwürdige daran, es passt nicht wirklich, aber wenn es aufgeht, vor allem auf den kürzeren melancholischeren Momenten und den abstrakten Drum-and-Bass-Tracks, ist es unschlagbar gut. Wenn es nur gelegentlich einen Hauch Pathos weniger hätte, dann könnte Om Unit wirklich alles erreichen. www.civilmusic.com bleed
NSDOS - Lazer Connect EP [Clek Clek Boom/012]
Clek Clek Boom ist immer gut für eine Überraschung. Die Tracks von NSDOS sind natürlich auch irgendwie oldschool, aber so flink und biegsam in ihren analogen Sounds, so kribbelig angezerrt, so aufgedreht lässig in den Modulationen, so smooth in ihrem abstrakten Funk, dass man das schon nach den ersten paar Takten vergessen hat. Zeitloser Funk zwischen abstrakter Chicago-FM-Synthese, flausigen Drummachines im Zusammenspiel mit Synths auf dem verwegenen Kurs durch die Milchstraße und kurzen augenzwinkernden Reminiszenzen an die frühen Stunden von Detroit-Electro. Eine Platte mit drei völlig verschiedenen Tracks, die dennoch eine gemeinsame Stimme und ein Ziel haben. Den Kick unter den Daten ausgraben. bleed
Jovonn House A La Carte [Clone Classic Cuts/026]
Finest Wear - Distant Memories [Colour And Pitch/002]
"The Tribute" ist genau das. Ein Tribut. Eine Hymne für alle die einfach nie genug von diesen klassischen Detroit-Flächen bekommen können. Und darauf konzentriert sich der Track nicht nur, er lässt es einfach nicht mehr los. Er beharrt drauf. Er zieht die Fläche nimmer breiter auf, lässt sich ganz in diesem Gefühl aufgehen, dass einfach nur noch mehr Strings und Melodien in sich aufsaugt, je höher es hinaufsteigt. So schön die beiden anderen Deephousetracks der EP auch sein mögen, über diesen Track kommen sie nicht mehr hinaus. Definitiv aber eine EP für die ganz großen Gefühle, die irgendwie nie alt werden. bleed
Mefjus - Contemporary EP [Critical Music/CRIT073 - S.T. Holdings]
Mefjus erbarmungslos wie eh und je. Die Grenzen des Neurofunk hin und her verschiebend setzt der Österreicher auch bei seiner neuen und ersten EP für Critical neue Maßstäbe der Bösartigkeit. Sein unverkennbares, soundästhetisches Trademark aus holpriger Percussion, Reizhusten-Basslines und aufscheuernder Midranges scheint bei der "Contemporary"-EP noch deutlicher auf den Punkt gebracht zu sein, als bei seinen vorigen Releases. Detailverliebt sitzt hier jedes Element genau dort, wo es hin gehört. Dazwischen immer wieder verschrobene Electronika-Elemente, die sich am Warp-Katalog zu orientieren versuchen, verschachtelt retardierende Drum-Patterns und abreißende Melodiestränge. Auf der zeitlichen Ebene lässt Mefjus seine Sounds reifen und sich entwickeln. So werden die Tracks nicht langweilig, sondern überraschen immer wieder mit neuen Spielereien, Air-Breaks und Referenz-Einschüben der Drum & Bass-Historie. Oft imitiert aber bisher unerreicht, sitzt Mefjus auf seinem Neuro-Thron und braucht sich vor keiner Revolution zu fürchten. www.criticalmusic.com ck
Pink Skull - Pink Game EP [Days Of Being Wild]
Ich stehe auf dieses Label. Und "Skin Game" überzeugt mich auch durch und durch wieder davon. Der Track mit seiner extrem biegsamen Acidbassline, den Preacher-Vocals und dem reduzierten Drumtrack ist einfach ein Killer, auch wenn die Konstellation solcher Elemente erst Mal beliebig klingt, schafft Pink Skull es, daraus ein Meisterwerk Oldschool zu machen, das völlig frisch und aufrührerisch klingt. "Only You" ist ein satter krabbelnd aufgeheizter Acidtrack mit Discounterton, "Slave" ein Kellerkind der verwirrten betörenden Art und "Frottage Industry" am Ende noch ein süsslicher Ausklang für den nächsten Frühling der endlosen Retrobewegung. Eine Platte die bei aller Oldschool doch nie nach Bilderbuch klingt. bleed
Das Original ist von 1992 und zeigt diesen swingenden discoangehauchten Houseslammerstil von Jovonn in perfekter Art. Die Tracks noch in den Urzeiten festgezurrt, die Beats locker und mit einer eigenwilligen Intimität durchsetzt, die selbst ein peinliches Saxophon perfekt funky und verspielt glücklich klingen lassen kann. Der deepere "I Can't Make Up My Mind" klingt wie ein Track, der die Clubszenierie bis in die alltäglichsten Momente ausleuchtet mit seinen albernen Drinkempfehlungen und ist pure Clubnaivität vom Feinsten. Und auch das süßlich alberne "This Thing Is Jammin" zeugt von diesem kindlichen Charme der wie von selbst aufscheinenden Perfektion. Eine putzige EP, die irgendwie auch ein wenig so klingt, als wäre sie sich bewusst, dass die goldenen Zeiten gleich vorbei sind.
Simian Mobile Disco [Delicacies/010 - Rough Trade]
Martinez Hollow EP [Concealed Sounds/CCLD001]
www.simianmobiledisco.co.uk bleed
www.clone.nl bleed
Martinez war eine Zeit lang einer der ganz sicheren Fälle auf dem Floor. Jede Platte ein Hit für sich. Ruhiger ist er geworden, versponnener, fast so, als hätte er wie so viele aus dem Cadenza Umfeld die Wissenschaftlichkeit der Grooves und den Funks gesucht. Auf den beiden Tracks dieser EP wird den leicht verwegen im Untergrund brodelnden Synths viel Auslauf gelassen, der knochentrocken rubbelnde Groove immer wieder neu angefacht, und erst auf der Rückseite löst sich das in einer breiten alles überschummernden Melodie wieder auf. Eine Platte, die fast schüchtern wirkt, aber dennoch einen ganz eigenen ruhigen Glanz entwickelt, der von der Verzauberung der zurückgezogenen Welt des Grooves lebt. bleed
Ich muss zugeben, diese Simian Mobile Disco ist die erste seit einer ganzen Weile, die mich vom ersten Sound an überzeugt. Reduziert im Tempo, warm und ausgewogen in den Sounds, spielerisch in den Melodien und mit einem gewissen lässigen Chicagoflair im Hintergrund, rollt "Escamoles" immer mehr in eine sehr zischelnd hitzige Welt aus treibend tänzelnden kleinen Chords und lässt einen glücklich mitgrinsen bei jeder kleinen Wendung. Und auch das magisch smoothe "Smalahove" ist ein bezaubernd funkig kompaktes Deephousestück der lässigsten Art. Musik die sich so sehr auf ihr Innerstes konzentriert, dass man sich einfach bis ins letzte Detail auf sie einlässt. Der etwas ravigere aber irgendwie sanft oldschoolige Track "Ton Zi Dan" wird von Mike Dehnert dann mit dem Holzschuh ausgetreten aber es bleiben die beiden eher blumig ruhigen Tracks, die die EP hier ganz und gar ausmachen.
Tuff City Kids - Roby Tease EP [Delsin/dsr-h7 - Rushhour]
Kein Wunder eigentlich, dass Janson und Lauer quer durch die Welt releasen und remixen. Der Schedule auf Jansons Running Back ist tight. Dabei wünschen wir uns bei jedem Takt Musik der beiden immer nur wieder das Album. Vier neue Tracks in der Zwischenzeit werden mit Kusshand genommen und bei "HFS" stehen dann auch gleich die Münder offen. Ob der Modernität. Zwingendes Rave-Zwinkern, Drei-Ton-Hook. Der Rest: schon jetzt Legende. Und wenn dann bei "Wendy" die Toms der 909 den Berg erkraxeln, um die Ableton-Fahne zu verbrennen, ärgert man sich zwar kurz, dass man auf diesem Ausflug nicht das sonische Tagebuch geführt hat, tanzt jedoch zumindest im Kopf den Berg schon wieder runter. "Reeze" ist dann 707-Platzregen und so landen wir doch wieder in Chica-
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go und weil eh grad Wochenende ist, ist der Rest irgendwie leicht unscharf und umso nebliger. "Wendy" im zweiten Mix blubbert dann kongenial um die Welt und spuckt uns dort wieder aus, wo wir eh hinwollten. Hat man auch nicht alle Tage. www.delsinrecords.com thaddi
Bookworms & Steve Summers - Hidden Portal [Confused House/CH 003 - Rush Hour]
Hmmm. Irgendwie dann doch sehr dark und unscharf. Das können alle Beteiligten besser. Viel besser. Warum das Scharren mit den Hufen, wenn doch heutzutage alle Bus fahren? Auch gut Knarzen will gelernt sein. Irgendwie leer und verloren. www.confusedhouse.org thaddi
Annie Hall - Random Paraphilia [Detroit Underground/DU021]
Knautschig verdreht sind die Beats von Annie Hall, digital angeschliffen, aber doch mit einem warmen Hintergrund aus Harmonien und leisen Stimmen. Musik, die klingt wie die aus dem Grab von Illbient auferstandene Welt von Detroit und Bass, die in völlig unerwarteter Frische zu fünf unerwarteten Meisterleistungen zerknufft, knotiger Beats findet, in denen einem die Ohren weit aufgerissen werden. Perfekt auch die Kollaboration mit Shadow Huntaz. Und die Remixe von Richard Devine, E.R.P. und Valance Drakes passen natürlich durch und durch, auch wenn mir der ruffe digital verdrehte Sound der Originale irgendwie lieber ist. bleed
Eddie Fowlkes - Special EP [Detroit Wax/DW 006 - Rush Hour]
Neue Tracks von Eddie? Immer her. Vor allem, wenn der "War On Dance" alles andere ist, als der Titel vermuten lässt, sondern vielmehr eine am mit Gasherd befeuerten Sampler hergestellte Reduktion des Funks. Und natürlich mit dieser markengeschützten Armada von Future-Chords. "Something Special E" auf der B-Seite wirkt die Live-Schalte in den Club zur Peak Time. Konzentriert und loopig, mit verhuschtem Acid und einem Ozeandampfer-Horn, das sich über den Besuch eines Kinderchores freut, der den Gospel studiert. Bon voyage! thaddi
John Barera & Matt Gavris - Passenger EP [Dirt Crew Recordings/074 - WAS]
In "Galaxy No.1" löst sich hier alles auf. Klassische Detroitpianostabs, säuselnde Synths im Hintergrund, krabbelige Basslines und ein statisch direkter klassischer Groove sind manchmal einfach genug, um einen in den Himmel zu katapultieren. Das säuselndere "Individualist" ist mir wie ein paar andere Tracks der EP allerdings einen Hauch zu tänzelnd in den fast schon kitschigen Melodien, und erst auf "Watch" findet sich dieses direkte slammende Gefühl einer perfekten Mischung aus breiten Chords und klassischem Funk wieder. www.dirtcrew.net bleed
ZDS - Hands [Dirtybird/101 - WAS]
Man mag dieses "Bang The Box" ja schon fast nicht mehr hören können, so klassisch oldschool ist das Sample, aber der Track, den ZDS daraus machen, ist irgendwie doch unverschämt rockend genug, um sich schnell damit anzufreunden. Trocken, bassversessen, leicht verdreht in säuselnd ulkigen Melodien, die man nur auf Dirty Bird findet. Mit "Hands" legen sie noch einen drauf in dem unnachahmlich heiteren klingelnden Stil der schunkelnd plätschernden Deepness. Sehr sympathische, sehr einfache EP, die dennoch zwischen ihren poppigen Momenten und dem leicht übertrieben sich glücklich in Oldschool suhlenden Sound perfekt ist. www.dirtybirdrecords.com bleed
Halvtrak - Dust Under Bridges EP [Don't Be Afraid/DBA013 - Clone]
Großartige EP vom ersten Track an. Klapprige Beats, eigenwillige Strings und Flöten, scheppernde Drummachines, Oldschool mit einem Hauch Kitsch der abstraktesten Art, wühlende Basslines, klimpernde Kleinstpianos, breite Flächen. Alles will hier auf einen Sound hinaus, der manchmal klingt wie die ersten Chicagoexperimente, überglücklich und verdreht die Möglichkeiten des elektronischen Equipments in einer Naivität testend, die man erstaunlicherweise auch jetzt noch nachempfinden kann, und dabei kicken die Tracks völlig
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SINGLES unbefangen trotz aller Klassik der Oldschool in den Sounds dennoch so frei und lässig, als wäre in der Zwischenzeit nicht eine Revolution im Sound nach der anderen über uns hereingebrochen. Wer auf der Suche nach einer Platte ist, die wie eine frühe Saber klingt, aber doch im Sound wuchtig und neu, der braucht diese Platte. bleed
Bell Boys - Hotel Game EP [Discovery Recordings/006]
Elegant schwummrige EP aus Chicago mit sanften Discountertönen, leicht kratzigem Sound und einem guten Gespür für den leicht verrufenen Kitsch, der dem Namen der EP sehr gut steht. Feine schillernde Chords und gelegentlich auch mal einen Hang zu etwas zu poppigen Momenten, ist es für mich vor allem das zarte säuselnde "Prayer Furnace", dass die EP zu einem Muss macht. bleed
STL / L'estasi Dell'Oro - Einig Eins [Flaneur Audio/FA 07 - Rush Hour]
Hit & Miss bei STL: "Satisfied Bit" will einfach anders sein und genau deshalb auch keine Freunde, geschweige denn Likes auf Facebook. Das ist bei "Hometown" schon ganz anders. Mit Zeitlupen-Break, schwerem Traditions-Acid und dem Fauchen des mechanischen Tigers. Sehr, sehr gut. L'estasi Dell'Oro will mir mit seinen sägenden KlöppelEpen dann die ganze Zeit was sagen, das mir beim besten Willen nicht einleuchtet. thaddi
Kry Wolf - Nightmode EP [Food Music]
Die beiden Tracks von Kry Wolf sind ein wenig überfrachtet im Sound und kitschig in den Melodien und wirken manchmal, als hätte jemand versucht aus Bass dufte Deephouse-Pop zu machen. Ist ja nicht selten. Der Pedestrian-Mix aber, mit seinen rotzigen Acidbassline und dem kantigeren Groove, den unterschwellig eingeschleusten Vocals und verdrehten Breaks, macht daraus trotzdem einen Killer. bleed
Jimpster - Porchlight & Rocking Chair Remixes Pt. 2 [Freerange Records - WAS]
Tanner Ross ist immer gut. In seinem Remix für Jimpster schafft er es locker seine spar tanischen Beats und die säuselnde Melodie von "Brought To Bear" in einen eigenwilligen Einklang zu bringen und so die einfache poppige Melodie irgendwie um Längen zu erhöhen. Deetron hingegen klingt so, als habe er auf zwei Versionen den Dreh nicht so ganz gefunden, was mit der Stimme anzufangen wäre. Zweischneidig. www.freerangerecords.co.uk bleed
Lukas - Back To Boogie EP [Futureboogie Records/021]
Endlich mal eine entspanntere Platte auf Futureboogie. Lukas legt sich gerne breit in die Pianos, den etwas übertrieben direkten Funkysound von kurzen Gitarrenlicks und Orchesterhits, aber findet auf den vier Tracks dennoch eine gute Gewichtung zwischen Popmomenten und sympathisch deepem Soul. Vier einfache, aber durch und durch sympathisch kickende Housetracks der alten Schule. bleed
Topper - Slot Machine [Goodvibe Records/015]
Sehr schöner Track mit diesem warmen alles unterfütternden Grundchord der sich wie ein roter Faden durch das gesamte Stück zieht und eine Stimmung erzeugt in der der Track einfach nur noch einer nie kommenden Auflösung zustreben muss. Spannung ohne Auflösung ist schon immer eine der besten Methoden gewesen, um einen Track zeitlos dahingleiten zu lassen. Der Rest der EP ist leider eher klassisch bumpender Minimalsound, mal jazzig angehaucht, mal eher typisch abstrakt als purer Groove mit ein paar Nebengeräuschen und auch der Remix ist nicht wirklich herausragend. bleed
Ghost Mutt - Rumble Pak [Donky Pitch/DKY13 - Kudos]
Keine leichte Kost hat Ghost Mutt mit seiner neuen Single bei Donky Pitch zu präsentieren. Seine mannigfaltigen Einflüsse aus Grime, Jungle und R&B-
Produktionen werden hier zu einer abwechslungsreichen Melange vereint. Das ist heftiger Stoff, der Tänzer im Club vor einige Herausforderungen stellt. Spannende Brüche, verfremdete Vocals treffen auf Synthielinien, die mit trockenen Beats kombiniert werden. Das Titelstück gönnt einem nur kurze Pausen und ist vollgepackt bis obenhin. In einem DJ Set der progressive BeatsFraktion erfüllt es sicher seine Funktion. Die drei anderen Produktionen gehen nicht ganz so hektisch zu Werke. www.donkypitch.com tobi
Kyle Watson - Throwback EP [Gruuv/027]
"Throwback" ist ein elegant flausiger zerrissener Deehousebasstrack mit einem guten Gefühl für die Andeutungen, die früher mal Microhouse hießen. Poppig, aber irgendwie charmant und definitiv ein perfekter Sommersound. Der deepere Black-Loops-Remix ist auch sehr funky, und wenn man den inneren 2Step-Freund nicht etwas mehr im Griff hätte, dann würde man die komplette EP durchfeiern, so ausgelassen kitschig duftet das hier vor sich hin. www.gruuv.net bleed
Dosem - Atica Remixes [Halocyan Records/PHC019]
Joey Beltram und DJ Pierre. Schon eine krude Klassikermischung die hier als Remixer ausgesucht wurden. Beide hämmern, beide kennen keine Gnade und geniessen es sichtlich mal wieder den Technohammer rauszuholen, aber nur beim Pierre "Hey Wildpitch" Mix kommt diese grollende Gewitterstimmung voller Explosionen und berstender Energie auf, die so ein Track braucht. Auch wenn die Fussballchöre natürlich übertrieben sind, für einen Moment ist das Pathos früher Ravetracks aus Belgien doch wieder ganz da. bleed
Deo & Z-Man - XTC [Hafendisko/008]
Klassiker. Deo & Z-Man machen gerne Hymnen. "XTC" jubelt zu klassischen Electrogrooves der feinsten Art von unser aller Lieblingsdroge. Und der Gott des
Funk spielt mit. Was auch sonst. Lässig wie immer stöhnen sie sich an die Spitze der Euphorie mit Orchester- und Stimm-Stakkatos und der Dancefloor singt mit. Wir brauchen viel mehr Hits auf die sich alle einigen können. Egal wie dreißt das Thema. Deo & Z-Man haben Großes vor. Das merkt man diesem Track hier überdeutlich an und deshalb schicken sie ihn auch gleich in die Remix-Runde mit Erobique und Till von Sein. Erobique erfindet sich eine eigene Elephanten-Disco mit Vocoder, säuselnden Zwergen, Cheapo-Strings und glitschig gleitendem Popflair. Till von Sein hält sich eher zurück und verlegt die Extase auf die späten Stunden des Abends. Aber sind wir mal ehrlich. Es kann nur einen geben. bleed
Headless Horseman - Midnight Ride [Headless Horseman/003]
Muss zugeben, diese EP der sonst immer ganz großen Headless Horseman ist ein wenig zu dark geraten. Auf "Midnight Ride" jedenfalls kommt der schleppende Groove kaum aus sich raus und johlt im Hintergrund mit immer darkeren Phantasien einer panisch ausweglosen Welt kaputter Dubs. Die Rückseite beginnt ähnlich, fängt sich aber ein wenig mehr und entwickelt nach und nach einen betörend säuselnd darken Funk in den Harmonien und glitzernden Nebenräumen der Flächen. bleed
Pearson Sound - Lola [Hessle Audio/026 - S.T. Holdings]
Etwas elegisch schleicht sich die EP mit "Lola" heran, und will irgendwie nicht so ganz in Gang kommen, egal wie ausgewogen der Groove sein mag. Es fehlt einem etwas. Und "Starburst" überfrachtet sich dann mit Raveerinnerungen und angedeuteten Breaks zu den wummrigen Basslines, die am Ende auch eher wie ein Intro wirken. Am besten ist dieser Sound, der eigentlich vor allem ein Killergroove sein will, dann auf dem reduzierten "Power Drumsss" realisiert, das nur Dummachine, Phaser und Verzerrung kennt und damit dennoch kickt ohne Ende. www.hessleaudio.com bleed
Trikk - Midnight Sequence EP [HypeLTD/HYPELTD013]
Spielarten unterzubringen? Und der Gewinner heißt: Trikk. DubstepBassline? Check. Garage-Groove? Check. Breakbeat? Zaghaft, trotzdem check. Schade nur, dass diese ganzen wunderbaren Nuancen in zeitgemäße 4/4-Konvention gepresst werden. Führt irgendwie zu unentschlossenem Durchschnitts-(Tech-)House, der eher so vor sich hin plätschert, als dass er voller Tatendrang wüsste wann, wie, wohin. Habt ihr die auch noch ohne Gleichschritt-Kick da? Danke. wzl
Joe - Slope / Maximum Busy Muscle [Hessle Audio/025 - S.T. Holdings]
Funky und voller mystischer Untertöne gräbt sich "Slope" durch seine warme Bassline und die knatternd säuselnd ner v tötenden Sounds, die sich in einer breiten Harmonie auflösen, die dem Stück das Gefühl geben, eins dieser Epen für ferne Planeten zu sein, die dennoch irgendwie im Partykeller mit Freunden am besten funktionieren. "Maximum Busy Muscle" ist ein komplexer um die Ecke gegroovter Track mit scheppernd unterkühltem Slamfaktor einer durchgedrehten Jazzband, die den Orinoko in einem Speedboat runterjagt. Grandios irgendwie. www.hessleaudio.com bleed
Kodiak - Dragon Drop [Hot House Rec/HOTSHIT002]
"Egyptian King" ist mit seinem breiten Ravepiano und dem übertrieben klappernden Drumsound zu Vo c alst akkato schon ganz schön frech. Bis in die Samples hinein eine Oldschool-Ravenummer aus dem Bilderbuch, die dennoch irgendwie amüsant und locker genug bleibt, um einem nicht mit ihrer dreisten Attitude auf die Nerven zu gehen. Der Titeltrack ist eine überwuschige BassNummer mit hängengebliebenen Vocals in purer Boygroupsoulphantasie für Dropssüchtige und mit seinen MickeyMouse-Stimmen auch ähnlich ravig überzogen. Stilübungen halt. Der Eliphino-Remix geht mir allerdings auf die Nerven, weil er einfach nicht peinlich genug unbekümmert dreist ist. bleed
Trikk - Midnight Sequence EP [Hype Ltd./013]
Folgende Wette: Wer schafft es über vier Stücke möglichst viele britische
Ich kann die Uhr danach stellen, dass EPs eigentlich erst nach dem Titeltrack interessant werden. Wobbelnde Bassli-
nes und tolle Soundeffekte sind wirklich nicht alles. Auf dem housigeren Stück mit albernen Raggasampleeffekten zieht einen diese Stimmung wenigstens in die heiligen Hallen des Breakbeatwahnsinns in Slowmotion, der rubbelige Technotrack "Labour 91" wummert voller Klassik mit seinen hymnischen Stabs und frech eingeworfenen Divenvocals und "Prime Time" lässt der 909 weiter freien Auslauf und knackt den Floor mit einer breiten trancigen Fläche. bleed
Dense & Pika - Colt EP [Hotflush Recordings/HF041 - S.T. Holdings]
Eigenwillig vollmundiges Piano für Hotflush. Dense & Pika lassen es auf dem wuchtigen "Colt" erst mal ganz lässig angehen und überzeugen mit einer ausgelassen angekratzten Hands-In-The-AirStimmung, die vielleicht etwas ravender geklungen hätte, wenn das Piano nicht ganz so die Drama-Queen wäre. "Black Deep" ist ein grollend böses Stück, das einen wieder auf den Boden der harschen Realität zurückbringt, in denen wohl die Eingeweide einer Kakerlake zu Summen scheinen. "Vomee" ist das etwas überfrachtet flausige Dubstück der EP, und mit dem Congadings am Ende überzeugen sie mich auch nicht wirklich. www.hotflushrecordings.com bleed
Aufgang - Ellenroutir Remixes [Infiné - Rough Trade]
Midnight HipHop erinnert mich stärker als alles an die frühen Zeiten von MoWax. Schleppende dunkle Beats, Piano, eine übernächtigte Stimmung, dieses leicht Darke der Verlassenheit, kantig und dennoch voller Funk. Eigentlich aber soll es ja um die "Ellenroutir"-Remixe gehen. Arnaud Rebotini macht einen süßlich schimmernden funkigen Poptrack für den Floor draus, Anton Zap ein sich überdreht in den weiten Flächen der Synths suhlendes Stück Begeisterung für die Grenze des smoothen Sounds und Leem ein Funkstück für Kleinkinder mit leichter Messie-Tendenz. Vom Original ist kaum etwas wiederzuentdecken. Nirgendwo. Dennoch aber sehr unterhaltend als Ganzes. www.infine-music.com bleed
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singles Dominic Petrie - Tomorrow Now EP [Ingredients Records/RECIPE038]
Wie die erste Schall schluckende Schneedecke des Winters legt sich Dominic Petries Debüt-EP "Tomorrow Now" über das hektische Treiben der Großstadt. Ganz geheimnisvoll schwoft sie durch die frostigen Nächte. Alleine, aber nicht einsam. Sie lädt zum Durchatmen ein wie eine rote Ampel. Regt zum Nachdenken an wie eine Arte-Dokumentation. Ganz sanft tröpfelnder Drum & Bass, der aber nicht versucht, keiner zu sein. Liquid jazzig und reduziert soulig legt Petrie Fährten zu den Boards Of Canada und LTJ Bukem gleichermaßen. Ingredients Records wird seiner Rolle als seismographische Talentschmiede wieder einmal gerecht und gräbt für uns diesen jungen Schotten aus. Dabei war eigentlich nur eine Single geplant. Doch die Demos begeisterten im Hause Ingredients so sehr, dass das Motto der EP missbraucht wurde und nun prompt für alle sieben Stücke herhalten muss, die Petrie einschickte. Gut so! ingredientsrecords.blogspot.de ck
Kirk Degiorgio Unreleased 1991-1992 [Indigo Aera/009 - Rush Hour]
Gerade eben erst hat Degiorgio ja mit seinem Album "Sambatek" ordentlich und das erste Mal seit langem wieder auf die Bassdrum gesetzt. Da bietet es sich an, den einen oder anderen Track aus den guten alten Zeiten gleich noch hinterher zu releasen, wo man doch gerade ein Sekündchen Aufmerksamkeit hat. 91, 92: Das war ja eh die perfekte Zeit. Und so zeigen sich die vier Stücke hier als genau die Portion Deepness, die man sich erhofft hatte. Immer zackig in den Beats, immer unendlich in allem anderen. Ganz und gar fantastisch und natürlich um Meilen besser als alles der Retro-Krabbelgruppe 2013. thaddi
Close - Wallflower [!K7 - Alive]
Ich muss zugeben, das Close-Album ging völlig an mir vorbei. Dieser Track hier ist mir einfach auch viel zu kitschig.
Aber es geht ja um die Remixe und Kyle Hall macht seine Sache mit dem schluffig fein ziselierten Oldschoolgroove voller warmer Chords und leicht brüchiger Hintergründe einfach perfekt. Extrem schimmernd süßlicher Housetrack, der die Vocals zurückgenommen aber perfekt einsetzt. Huxley und Deetron kommen aber um das eher darke Pathos des Originals nicht herum. www.k7.com bleed
Massprod & Herva - Technology Fail as a Birth Control for Unnecessary Recordings [Kontra-Musik/kmwl006 - Clone]
Das italienische Gespann kann ja den Stab ganz entspannt übernehmen, so wie Frak auf den bisherigen KMWL vorgelegt hat. Dass das neue Team nicht aus minder knorrigem Holz geschnitzt ist, verraten schon die Tracktitel, und es erweist sich gleich als Meister kunstvoll verdreckter Soundästhetik- und Arrangement-Attitüde. Die zwei A-Seiten-Tracks verführen mit jazzigem Electrofunk respektive federnd steppendem House, und kaum schaut man sich zwischen den Loops ein bisschen um, sondiert die Percussion, die als exotischer Kerschel noch aus der Kolonialzeit rumliegt, etwas genauer, wechselt das Licht, ein Geheimgang geht auf, eine Falltür, schon sind wir mitten in einer abseitigen GialloEpisode, in der nichts mehr ist, was es scheint. Auf der B verstecken wir uns dann in zwei feuchten Kellern, in denen in den Neunzigern mal Cheap Records zu Hause waren, wo wir uns mit einem minimalen Drum-Workout sammeln, um uns danach hinzulegen und gehörig im Acid-Wald zu verlaufen. Bitte genau so weitermachen. www.kontra-musik.com multipara
Matt Tolfrey feat. Marshall Jefferson - The Truth [Leftroom/042]
Keine Frage, Geeeman rockt hier alles in Grund und Boden. Irgendwie klingt seine Version des Tracks aber auch verdächtig nach Arttu. Sind sich aber eh sehr nah. Die Deep-Vox-Voyage jedenfalls hat alles, was ein knallig bassiger Killeroldschooltrack so braucht. Und die Vocals von Marshall Jefferson könnten keine bessere Umgebung bekommen. Das Original ist dagegen irre gestelzt blumiger Durchschnittsbummeldeephouse. bleed
Land Shark - Tie Me Up [Leftroom Limited/034]
Jetzt noch mehr Remixe? 8? Vielleicht etwas viel. Vor allem weil der einzige Remix hier, der am Ende doch über sich hinauswächst, der ChickenLips-Mix ist und auch der natürlich schon draußen war. Wenn ich es richtig sehe, sind die neuen Mixe hier die von der PBR Streetgang und Yousef Circus, aber irgendwie sind die völlig überfrachtet. bleed
Vessel - Misery Is A Communicable Disease [Liberation Technologies/006 - Good To Go]
Na dann hoffen wir mal, dass sie uns das nicht übertragen wollen. Der Titeltrack knattert mit seiner brachial deepen Maschinengewehrästhetik allem voran und braucht eine Weile, bis er sich in den breiten Chords und Harmonien ergeht, die aus dem kämpferischen Hintergrund der hämmernden Grooves eine Beschwörung machen. Kaputter noch das abenteuerliche "VMI", das mit quietschigen Trümmersounds aufwartet, die klingen, als hätte man gerade erst seinen ersten Synth zusammengeschraubt und wäre jetzt mitten in den experimentellsten Phasen der frühen 80er-Exploration gelandet. "Not For Design" rundet die EP dann mit einem Kaputtnik-Dub ab, der schleppend und böse in sich selbst versumpft. liberationtechnologi.es bleed
Palms Trax - Equation EP [Lobster Theremin/LT 001 - Rush Hour]
One for the watchlist. Palms Trax legt auf dem neuen Label beeindruckend vor und verzaubert vor allem mit den beiden Stücken der A-Seite. Der "Late Jam" ist mindestens so weich wie das Schnuffeltuch von Linus, dabei aber eigentlich in beinhart triolisches 707-Beton gegossen. Und dass mir niemand mit Darkness kommt, wenn es um den Titeltrack geht. Der ist einfach nur rot. Und somit perfekt. "Houses In Motion" ist mir mit seinen Digitalsounds und vor allem der großindustriellen Kuhglocken dann doch arg heftig homogenisiert. Willie Burns macht das in seinem Remix vom
"Late Jam" dann aber wieder weg. Und wett. Killer-EP! thaddi
Le Vinyl & Javi Bora - We Are Back EP [Liebe * Detail/026]
Die vier Tracks der beiden schwanken zwischen smoothem Housesound mit Popgesang und latinartigen Perkussiontracks die schon mal etwas überzogen in den Samples wirken können. Klassisch durch und durch wummst das in den manchmal überdrehten Breaks doch zu sehr nach einem Schema, dass man eigentlich überhört hat, aber gerade auf dem poppigsten Track "True" überzeugt einen das Vocal einfach so sehr, dass klar ist, der Track wird ein Hit. Egal ob die "what you gonna do when they come for you"-Zeile geklaut ist. bleed
Jimmy Edgar - Mercurio EP [LVX003/LVX003]
Die Tracks klingen manchmal wie eine Mischung aus solidem Chicagobrachialsound der ersten Stunde und einem etwas versponnen flausigen Experiment mit zirpenden Klängen. Wir stellen uns vor, jemand hätte "The Original Videoclash" mit digitalem Voodoo aufgeblasen und wäre am Ende dennoch bei einem ravenden Monstertrack gelandet. So ähnlich funktioniert der "Ultraviolet", während "Qlinda" eher ein housig orgelndes Stakkato für Freunde eines frühen NewYork-Sounds ist und der Titeltrack fast schon booty an seine Reminiszenzen in digitaler Flausigkeit heran geht. Sehr sympathisch. bleed
Anja Schneider - Hey / Rio [Mobilee - WAS]
Tja. Hm. Warum grüßt Anja Schneider Ron Hardy? Warum Chicago? Sonst nicht ihre Stärke. Der Groove von "Hey" ist einfach, schnippisch, direkt und funky und wie erwartet oldschool bis hin zur Acidbassline. Ein kleiner Oldschoolhit für zwischendurch. "Rio" geht einen ähnlich gedämpften ruhigen Weg mit etwas mehr Melodie im Hintergrund und rundet die Platte gut ab. Fast schüchternes Release zur Besinnung. www.mobilee-records.de bleed
Katzuma/Souleance - Zoooriginals#2 [Original Culture/OSZOO002]
Ein einfaches Konzept fährt die NonProfit-Organisation Original Cultures
hier: 2 Originale von unveröffentlichten Tunes, eine limitierte 7" und ein visueller Künstler. In dieser Ausgabe dürfen Katzuma und das gemeinsame Projekt von Soulist und Fulgeance ran. Der Italiener gibt uns klassischen House mit "Hände in die Luft"-Attitüde. Ein GuteLaune-Tune mit ordentlich Percussion, souligen Vocals, treibendem Groove und schönen Keys. Nichts Neues, aber bewährte Qualität. Die B-Seite der beiden Franzosen ist da etwas diffiziler, aber geht auch ordentlich in die Beine. Nur eben nicht so gerade, sondern mit gebrochenen Beats und einer fetten Bassline. Eine Extended Version des Katzuma Tunes gibt es im Netz für lau. www.originalcultures.org tobi
Drum Talk - Face Like Thunder [MoreMusic/018]
Sehr trocken im Sound, geht es auf dem Titeltrack vor allem um die locker rollende Bassline, die Claps, den ausgewogen klaren Killersound aus Bassline, Stabs und purer Technoideologie der ersten Stunde. Ein Fest auch die Bleeps und der unerwartet poppig überzogene Donner im Track. "Ratio" ist ein tragisches Stück verwirrter Orgel in schwankenden Harmonien mit einem fast paukenartigen Groove, der in seinen schmorenden Basslines perfekt aufgeht. Eine fast albern überdreht lässige EP, auf der nur der Remix von XXXY irgendwie banal wirkt. bleed
Adham Zahran Spacebound [Neovinyl Recordings/034]
Einfach und klassisch schleppend in seinem deepen Housesound mit Orgeln, Bässen bis an die Belastungsgrenze, Soulvocals und einem todsicheren Gespür für einen sehr langsam lethargisch verführerischen Aufbau. "Spacebound" ist natürlich auf die breite detroitige Fläche aus, "Back To Ryhthm" auf den Funk der zischelnd verliebten Intensität auf dem Floor, die ebenso alles aus der ersten tiefsten Detroiterinnerung zieht, aber dennoch gefällt mir das dunkle klappernde "On My Own" am besten, das mich bis in die Rimshots und Flächen an die frühen Fragile-Releases erinnert. Ein Fest für alle, die klassische Detroitsounds immer noch wie am ersten Tag lieben. bleed
Myles Serge / Whim-ee - You Like It D [Night Drive Music/030 - Decks]
Myles Serge und Whim-ee teilen sich diese wundervoll harmonische House-EP mit 4 Tracks, die vom ersten Moment an in diesem warmem smooth gleitenden Sound gefangen sind, der einen auf den Floor mehr noch entführt als zwingt. Beide Tracks mit diesem sicheren Gefühl immer genau den richtigen Ton zu treffen und bei aller Sanftheit dennoch zu slammen, und die gegenseitigen Remixe sind ebenso bezaubernd. Schlichte und durch und durch schöne Platte. www.night-drive-music.com bleed
Objekt - Agnes Demise / Fishbone [Objekt/003]
Was für ein Irrsinnssound. Zerrig spröde Bassdrums, sphärische Hintergründe, klassische frühe Post-A phexSchule könnte man denken, aber dann wird das Geschnatter immer wilder, die Sounds sehr verdreht und gespenstisch und der Groove am Ende doch purer Funk. Zwei abenteuerliche Tracks aus den Tiefen einer Szene, die wir schon fast vergessen hatten. bleed
Limo - My Sunday EP [Out-Er/009]
Limo beginnt seine EP sehr zuckrig, mit einem fast ambienten Stück und lässt sich erst danach auf die treibend kickenden Bässe und Chords ein, die seinen Sound sonst so ausmachen, und sich hier auf "Based" noch mit perfekt gebogenen Acidlines paren. Treibende trockene Grooves mit satten brilliant rockenden Bässen und darken Vocals bestimmen auch den Roman-Lindau-Remix, der dieses treibend massive Gefühl, dass es hier um nichts weiter geht, als die Konzentration auf diesen einmal gefundenen Groove, auf die Spitze treibt. bleed
North Lakes - Moonwalker EP [Phonica/009 - WAS]
Mir ist nicht so ganz klar, warum diesen Monat alle beschlossen haben, die alten Synths der 70er wieder herauszuholen und in den Hooklines die merkwürdigsten Progressive Rock Epigonen übertreffen zu wollen. Ist aber so. Auch
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Singles hier. North Lakes "Marlborol Noir" genießt seine Arps bis zum Umfallen und säuselt in breitem Kitsch zu einem eher nebensächlichen Groove. "Suomi Kutsuu" ist ähnlich verträumt und kitschig und auch "Moonwalker" könnte für einen blumigen SciFi aus den 70ern als Titelmelodie herhalten, selbst die Drummachines mit ihren Voreinstellungspatterns passen hier perfekt. www.phonicarecords.com bleed
Ambassadeurs - Alone In The Light EP [Pilot Records]
Ziemlich grandiose quietschiger Wahnsinn den dieses "Ardour" da anzettelt. Smoothe Basswelten mit eirigen Melodien und einer Grundstimmung und Vocals die klingen als hätte jemand auf Breakbeatbasis die Cocteau Twins neuerfinden wollen. Mit aller Süße und allem Glanz, dieser Naivität der leicht esoterischen Begeisterung und den noch einem etwas überzogen orchestralen Funk. Die EP geht auch weiter in diese Richtung, lässt die Stimmen ganz dünn säuseln und unterfüttert sie mit zu viel harmonischem Bass, lässt alles ganz groß inszenieren, nähert sich dabei aber oft einen Schritt zu sehr einem etwas willentlich aufgenommenen Popgestus, der den Stücken viel von ihrer Intensität entzieht. bleed
Daso - Awake At Night EP [Private Gold/006 - WAS]
Daso kann Kitsch. Immer wieder schleicht er sich von einer anderen Seite an die Harmonien heran, lässt sie wie Butter zergehen und scheut selbst vor einem zarten Hauch Autotune nicht zurück. Während der Titeltrack sich diesem Zuckersüßen widmet, wird es auf der Rückseite aber einen satten Hauch zu trancig. Wirklich. bleed
Daze Maxim - drf [Randform/003 - Intergroove]
Eigentümlich erstickt wirken die abstrakten Grooves von Daze Maxim hier. Schnippisch gegen den Strom geschwommen. Lange Exkursionen in Konzentration auf diesen einen Loop voller kantigem Swing. Zwei Stücke die egal ob auf den Funk oder die Harmonie konzentriert, sehr in sich verschlossen bleiben, aber doch einen unausweichlichen Charme vermitteln. bleed
Rhythmic Theory - Siren Song [Rhythmic Theory/002 - Hardwax]
Mit ordentlich Distortion schunkelt es sich doch einfach besser. Oder? Wer nein sagt, muss nicht weiterlesen. Bristol auf Overdrive. Dabei aber gar nicht so trocken, wie man jetzt vielleicht vermuten könnte. Zumindest die A-Seite, vielleicht inspiriert vom fast gleichnamigen Buckley-Song, kuschelt mit einem digitalen Etwas ziemlich verfiltert ganz nah ran an die Essenz. Und "Genesis" ist der Urknall, den der Titel verspricht. Sehr gut! thaddi
The Revenge - Bugles Of Truth EP [Roar Groove/004]
The Revenge stehen ja immer für sehr synthbeladene Downtempotracks, die in schleppender Glückseeligkeit das perfekte Gefühl zwischen Oldschool und Reminiszenzkitsch ausloten und dabei dennoch nie peinlich sind. Das geschieht auch auf den 4 Tracks der EP immer wieder und schwingt sich lässig mit warmen melodischen Basslines schnell in himmlische Höhen auf. "Close Encounters Of The Casual Kind" ist so etwas wie das Motto. Nähe, Lässigkeit, Wärme, alles wie zufällig, alles wie in einem Glücksfall des Moments eingefangen und die Euphorie so breit und zeitlos wie man es sich auf dem ruhigsten Floor wünscht. Ein Traum der sich selbst erfüllt. "MDMF" ist mir einen Hauch zu nah an frühen wavigen Discoabwegen aber mit "Oot Yer Nut" und dem mythischen "Can't Get You Out Of My Mind" Sample zu knuffig knorrigen Funkgrooves der ersten Chicagozeiten die nicht weit von DBX entfernt sind, rockt sich das alles wieder gerade. Den blumigen Abschluss findet die EP dann auf dem Track mit Jesse Rennix der geradezu in sanften Housechords zerfliesst. bleed
Alci - Early Beginnings Part 3 [Robsoul/128]
Die Tracks von Alci sind immer perfekt ausgelotete Deephouse Swinger mit extrem smoothen Grooves und einem Hang ein zentrales Sample fast in Wildpitch-Art durchzuschleifen und dabei dennoch nicht auf der Stelle zu bleiben. Lässige Beats, dezente Jazzanklänge, diskreter Funk. Manchmal ist das mehr als genug und flattert so überragend schlicht, aber dennoch voller Intensität über den Floor, dass es immer stimmt. www.robsoulrecordings.com bleed
Cosmin TRG - Panoramic EP [Running Back/RBTRG-1 - WAS]
Ein perfekt arrangiertes Handausrutschen. Cosmin lässt flattern. Auf dem Titeltrack mit Restgeräusch unten und pointierten Verschiebungen oben. Eine ausgesprochen trockene Angelegenheit, bei der nur die HiHats die adäquate Portion Nässe ausschütten und einen rundum zufriedenen Bounce zurücklassen. "Belvedere" rauscht an uns vorbei wie ein ICE an der wartenden Regionalbahn in Kleinkleckerdorf. Nächster Halt: Peak! Später landet dann noch eine Boeing auf der Hochgeschwindigkeitstraße, aber da sind die meisten DJs schon beim nächsten Track. "Aurora" leuchtet hell, kultiviert das Schnarren der Unendlichkeit und presst es praktischerweise gleich noch in die kleinsten Getränkedosen der Weltgeschichte. Ein Mal deepness on the rocks? Und bitte. www.running-back.com thaddi
Rodney Barkerr - Rockin' House [Rushhour/RH 019 - Rush Hour]
Vier Mal blubbernder Oldschool aus Chicago. Ein "lost gem", wie man so sagt, Tracks, die es nie über ein paar White Labels hinaus geschafft haben. Und die waren teuer. Dann doch lieber richtig releasen. So ein Sound, der wird nie alt. Jackt, rockt und Herr Barkerr (wofür das zweite R steht, bleibt unklar) hat ein derartig sicheres Händchen für die Filtersweeps, dass es eine reine Freude ist. Jackt. Rockt. Funkt. Aber, und das ist das Tolle, nie in die Tiefe, sondern immer nur nach vorn. Und vielleicht auch ein bisschen in die Breite. www.rushhour.nl thaddi
Indigo - The Storm [Samurai Red Seal/REDSEAL022]
Ein Hoch auf die Geschichte. Während sich Liam Blackburn ruhig und überlegt auf Apollo austobt, geht es hier um reine Oldschool-Energie. D&B, Half-Step, nennt es wie ihr wollt. "Spirit Of The Winds" (mit Versa) ist soweit draußen wie der Teil des Universums, aus dem Source Direct nie zurückgekehrt sind. Und funktioniert doch eben komplett anders. Zum Glück. Das liegt nicht nur daran, dass falsches Timestretching heute einfach immer noch besser klingt als 1995. Der Titeltrack dann ist ganz nah dran am reduzierten Zeitgeschehen des Post-Everything. Und "Condition" ist ein Hilferuf der besonderen Art. Lieber Sven Weisemann, komm nach Manchester und mach mit mir Musik. Unsere vier Hände können die Welt verändern. Da warte ich jetzt mal drauf. www.surus.co.uk/samurai-music thaddi
Manuel Belgrano - Stoned In Tandil Ep [Savordigital/009]
Funky wie ein Bremsstreifen auf der Autobahn. Der Titeltrack rollt und rollt, lässt seinen Bass und den wuscheligen Congas viel Auslauf, sammelt sich in einem Energiebündel aus purem Flow, und genau diesen Sound zieht die EP auch weiter durch. Bollernd, leicht plastilinartig, schwergewichtig, aber mit Finesse und immer bedacht auf dieses dunkle Rollen der Beats, die hier einfach alles sind. Musik wie aus der Wüste der endlosen Fahrten durch den einzigen Tunnel. bleed
Samuli Kemppi - A Last Day On Earth [SCR Dark Series/004]
3 darke in sich verschlossene Technomonster mit leichten Acidanklängen, die perfekt gewesen wären für die Zeit, als man Techno noch in verlassenen Warehouses mit viel Strobo und Nebel gefeiert hat. Nicht stampfig, sondern sequentiell vielseitig, schleichend und immer eher auf die abseitig außerweltliche Stimmung geeicht, nie zu dark oder willentlich depressiv, sondern eher von diesem dunklen inneren Funk beseelt, der solche Tracks immer wieder zeitlos machen kann. bleed
Skirt - Wish In The Maze [Semantica/SEMANTICA28]
Eine eingängige, verheißungsvolle Grundrhythmik, eine graudunkle, intensive Grundstimmung. Dazu eine tiefenlastige Avant-Techno/ Computer-Music-Bassdrum, besonders langsam schlagend, perfekt in den größeren Kontext des Stücks eingesetzt, sowie eine schnell pulsierende, unnachgiebig nach vorne drängende und doch eher dezente HiHat. So lässt sich Skirts Stück "Wish In The Maze" in Kürze zusammenfassen. Besonders gelungen sind zudem die beiden Remixversionen von Inigo Kennedy bzw. Ancient Methods, die die "Ambivalenz“ der Tempi der Bassdrum bzw. Hi-Hat, die einander jedoch gut ergänzen, ja sogar befruchten, ausdeuten, weiterdenken und in ihrer jeweiligen Form überspitzen. So wird der Ancient-Methods-Remix – natürlich - ein Stück zerstörter, schneller und härter als die Ursprungsversion. Die Grundidee – die Grundrhythmik – bleibt aber bei allen Stücken erhalten. Eine EP mit hohem Wiedererkennungswert. jonas
&ME - Blitz / Number 9 [Saved/009]
Die neue &ME ist extrem konzentriert. Wogende Bässe, die fast entkernt wirken, schwere stapfige Grooves, die noch tiefer in den Sound hineinsteigen, knarrige Basslines ganz weit unten. Alles wirkt hier, als wolle es sich vom ersten Moment an ganz in diesem Phantasma aus krabbelnd warm versponnenem Sound einsinken lassen, der am Ende irgendwie immer
experimenteller wirkt, so, als hätte wer einen Blick zu tief in die Chips gemacht, wäre dabei dennoch voller Eleganz und Spannung auf die Huldigung der Elektrizität konzentriert. Ein Monster in tiefster Konzentration. "Number 9" führt diesen groovend abstrakten Sound dann mit tänzelnderer Grundstimmung weiter aus, schwebt erhaben, wie es nur &ME kann, auf diesem Gewebe aus Groove und Sound, das immer verrückter wird, auch wenn man es gar nicht merkt, und am Ende hat man das Gefühl, &ME moduliere den Klang eher, töpferte ihn, greife tief in den Sound und gebe ihm eine unwahrscheinliche Gestalt. Gespenstische Platte. Gespenstisch gut und in einer ganz eigenen Welt angekommen. bleed
Cesare vs. Disorder - Wide Close Ep [Serialism/021]
Funky und ausgelassen ravend legt die EP mit "Karaoke Tokyo" erst mal ganz unbefangen los und bewegt sich Stück für Stück in immer abenteuerlichere Melodien und Syntheskapaden die klingen, als hätte jemand einen Soundtrack für "The Blade Runner" schreiben wollen, aber den Film in ein Feld von Gänseblümchen versetzt. "Running Late" ist ähnlich überdreht in den Melodien, aber knatterig funkiger und rast eher auf sein Ziel zu. Der Track mit Quenum, "Just For Fun", ist ein pulsierend flackernder Soultrack wider Willen, der ein Mal mehr zeigt, dass hier die Idee im Vordergrund steht. "Devils Lettuce" rundet dieses EP voller überfrachtet spleeniger Synthideen perfekt ab. Dazu noch ein slammender Remix von Maayan Nidam für "Karaoke Tokyo", der auf seine ganz eigene Weise verdreht und kaputt ist. bleed
Bimas, Mennie, Ghengis Khan & Bill Kill - Raw Cuts Vol. 1 [Snatch Records]
Drei dreist unverschämte Tracks mit überzogenenen Beats, bollernden Basslines, stampfigen Grooves, dreckigen Vocals und dieser Wand aus Bass, die alles klingen lässt, als wäre es so angezurrt überfettet, dass man sich die Bassbins am liebsten um die Ohren hauen möchte. Prollig und irgendwie in seiner Dreistigkeit verflixt gut. bleed
Chris Page - Pronic EP [Sonntag Morgen/030]
Sonntag Morgen ist immer wieder ein Garant für kompromisslos darke aber doch solide treibende Technotracks und hier kommt Chris Page mit zwei wallenden Monstern in denen sich die Bassdrums überschlagen und die Tiefen mit einem satten Wummern ausgelotet werden. Stellenweise ist der Sound wie auf "Slug Cherry" fast erstickend dicht und der Kampf um die Techno-Krieger wirkt wie fast in den letzten Zügen, aber die Tragik ist durchaus etwas, das man genießen kann. Dennoch gefällt mir der funkig zischelnde Remix von Jay Clarke am besten, der aus "The Last Mrs Tanqueray" einen Sound macht, der in seiner Intensität manchen frühen Robert Hood Tracks nahe kommt. bleed
Christian Burkhardt - Sent The Money Back [Souvenir/059 - WAS]
Eigenwillig, wie sich Christian Burkhardt immer mehr zu jemand entwickelt hat, der vor allem mit unterschwellig melodisch glücklichen Tracks abräumt. Der Titeltrack mit seinen verwuselten Vocals und der unverschämt poppigen Bassline z.B. genießt diese Stimmung einfach, und auch das zögerlichere "Grace" ist von diesem knuffig klingelnden Sound ganz gefangen. "Keep It Dirty" ist irgendwie noch in einem Sound gefangen, in dem es vor allem darum geht, die Beats so richtig fett zu machen und wirkt etwas unentschlossen, ob es damit nun dark losraven soll, oder eher sanft pathetisch dahindriften. www.souvenir-music.com bleed V.A. [Studio R/002]
Die scheinen das ernst zu meinen. Alles andere wäre auch eine Katastrophe gewesen. Nach dem fulminanten ersten Teil der Compilation-Serie. Während das Kerngeschäft, der Stream im Netz, uns von der echten Welt entkoppelt, setzen die R-Macher hier auf Vinyl. Thankfully. Dieses Mal dabei: Soulphiction, der, nicht nur wegen der französischen Sprache, irgendwie die Geschichte von Fnac Dance Division endlich weiterdenkt. Oder einfach nur zu viel Navarre gehört hat in letzter Zeit: nie verkehrt. Es folgt Daniel Stefanik mit seiner Ode "studio r", an die Originators also. Mit viel Wind in den Chords und einer entspannten Hektik, wie sie nur die 909 produzieren kann, wenn die alte Maschine einfach zu viel auf ein Mal spielen muss. Genial und latent slammend. Dann: Freund der Familie. Die treten mit "Kantine" endgültig das Erbe von Chain Reaction an, bringen gleich Zitronenkuchen mit, um Missverständnisse zu vermeiden, entlauben die Dubs und vergewissern sich dabei immer, dass das Agent Orange auch ordentlich recycled wird. Schließlich kommt noch Doyek mit dem "Night Park" zum Zuge, einem freundlich und dunkel-schimmernden Klopfer, der seine Sweeps wie eine Achterbahnfahrt in Zeitlupe arrangiert und ab sofort auf dem Zettel der Unendlichkeit steht. thaddi
DJ Spider & Marshallito - Propaganda For The Devil [Subbass/003]
Wenn das Kind im Echo verschwindet, hat die Bombe schon ihren Job erledigt. Kalt und öde liegt die Welt da, nur noch bespielt von einem Bass, der weit und breit keine Magengrube mehr findet, die er grummeln lassen kann. Früher gingen EBM-Konzerte so los. Dunkel, Nebel, Samples. Das war meist besser als die Gigs selbst. Gilt auch für "Wordly Suffering". Der "Enemy Of God" ist da schon fast gewöhnlich, auch wenn der Dub ähnlich tapeszenig schlackert. Die B-Seite dann bietet ein ganz anderes Raumklima. Krude, aber freundlich, fast schon deep auf die Nachmittagstour. Am besten dann sicherlich die B2 "Fallen Angel". Aus echtem Move-D-Klopapier. thaddi
Einstürzende Neubauten & Perc - Stahldub Interpretations [Submit/001]
Ulkige Idee. Diese Stahldub-Versionen waren mir völlig entgangen. Damals. Ach. Kollaps reichte aber auch schon, um einem die Welt zu zertrümmern. Dennoch. Perc hat sie ausgegraben und macht nun wiederum 4 eigene Versionen daraus, die natürlich vom ersten Moment an leicht stählern, aber auch etwas verzückter glitzern und mit einer abenteuerlichen Wucht lostrümmern. Hart. Industriell ohne Ende, aber irgendwie auch durch und durch phantastisch in der gelegentliche Größe, zu der sich die Stücke mittendrin schon mal aufschwingen können. bleed
Headless Ghost - 77 EP [Tamed Musiq/TMQ 006 - Clone]
Ripperton allein zu Haus. Nach den Slammern auf Clone neulich erst - jetzt wieder auf dem eigenen Label. Und die drei Tracks ("11", "22" und "44") wirken wie eine Abrechnung mit der ausufernden Welt. Konzentriert auf die Basics, rockt sich der Schweizer von A nach C über D und lässt B eben ganz bewusst aus. Das merkt man erst Schritt für Schritt, wenn man die einfachen Konstrukte im Kopf immer schon einen Schritt weiterdenkt und dann plötzlich auf dem Abstellgleis steht. Niemand da. Ripperton auf jeden Fall nicht. Der ist ganz woanders abgebogen und genau das macht diese EP so groß. Unerwartete Einfachheit. Molekulare Durchdringung. 10 - Hello, Ripperton. 20 - goto 10. Run. thaddi
Zoé Zoe - Twista EP [Telefonplan Records/001]
Das Debut des Labels kommt mit drei verdrehten Technotracks der außergewöhnlichen Art. Knochig aber nie scheppernd treiben die Grooves die leicht panischen aber doch mit vielen Melodien durchsetzten Stücke voran und führen in eine ausweglose aber doch mit Humor genommene Darkness, die ihren klapprigen Funk sichtlich genießt. bleed
Stello Gala Body Rock Ep [Tenampa Recordings]
Ich muss zugeben, der Titeltrack der EP reizt mich überhaupt nicht, aber dafür gibt es mit "Love and Sound" einen brilliant stampfig smoothen Killertrack, der sich ganz auf eine feine Melodie konzentriert und rings herum mit kleinen Geräuschen und Hallräumen spielt, die so elegant auf und ab ebben, dass es eine reine Freude ist. Und auch der grandiose ravende Stabtechno-Track "Stabtech" ist nicht mehr als er verspricht, macht das aber einfach ebenso lässig und direkt, dass man den Floor förmlich unter der ausgelassenen Wucht des Stücks explodieren sieht. bleed
Paul Mac Grand Statement EP [Teng/011]
Teng ist ein ulkiges Label. Von Nubian Mindz bis Paul Mac ist es ein weiter Weg. "92 Ways Of Acid" ist natürlich auch Oldschool, erinnert sich an die Zeit so rings um 1992, als Breaks und Techno noch nicht so ganz auseinandergedriftet waren und kickt mit wilden Acidbasslines und funky Breaks der einfachsten Art, ist aber doch eher einen Hauch stampfig. Gut. Auch das gehört zu Rave. Der Rest der EP wuchert dann aus in tiefe Basslinetrance der lässig wummernden Art, das einen selbst noch an frühe erste härtere Acidtracks aus den USA erinnert. Der Jorge Zamacona Remix passt in dieses Bild allerdings überhaupt nicht hinein. bleed
Mgun - Some Tracks [Third Ear Recordings/3EEP]
Mgun kann ganz schön böse loskicken. Stur fast schon. Maschinen an und losgefeuert, hier und da moduliert und schon ist das Stampfen eine Offenbarung. Das beherrscht er. Lapidar wie es auf den ersten Blick klingt, verwandelt sich die EP aber nach und nach in ein versponnenes Synthkleinod, in dem es vor allem um die süßlich zauseligen Melodien im Einklang mit kaputt gezerrten Beats geht, und da wirkt Mgun dann auf ein Mal so, als wäre er einer dieser vergessenen Helden aus den Urzeiten der Elektronik, die man gerade erst wiederentdeckt hat. Eigenwillige Zusammenstellung von Tracks, bei der man sich vielleicht etwas mehr Konzentration gewünscht hätte, am Ende aber doch vor Glück mitstrahlt. bleed
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Carter Bros - Run [The Classic Music Company/166D]
Der Track erschien schon ein Mal auf einer EP von Monty Lukes Black Catalogue Label, deshalb wundert es auch nicht, dass Monty hier einen eigenen Remix beisteuert. Und der ist auch der Killer der EP. Die Raggaehousenummer bekommt in seinem endlosen Wildpitch das dubbigeste und weitläufigste Flair, im Solomon Remix ist etwas viel Synthgefussel, aber das Orginal mit seinen explodierenden kurzen Vocals ist irgendwie immer noch ein sehr eigenwilliger Burner für alle die jamaicanische Vocals einfach über alles lieben. bleed
The Transhumans - Pleasure And Pain Theory And Practice Of Domination Vol II [Transhuman/TH 005 - Rush Hour]
Ha, der Titel ist länger als die Review. Wer noch mal "Industrial Techno" sagt, bekommt aufs Maul. Was ein Scheiß. thaddi
Quantic/Nidia Gongora - Muevelo Negro/Nangita [Truthoughts/TRU283 - Groove Attack]
Will Holland alias Quantic meldet sich solo zurück und hat eine Weggefährtin der letzten Jahre im Gepäck. Nidia Gongora aus Timbiquí in Kolumbien, die Insider aus der Combo Bárbaro und Ondatropica kennen, singt auf den beiden Tunes dieser Singleauskopplung. Der Produzent wohnt ja inzwischen in Bogota und hat die lokalen Musiktraditionen in sich aufgesogen. Hier entfernt er sich ein Stück weit vom organischen Sound der vorherigen Produktionen, baut aber auf die Rhythmik pazifischer Musik in Kolumbien, die Curulao genannt wird. Dazu gehört auch ein Chor mit weiblichen Stimmen und Percussion aus der Region. Die Tunes hat Mister Holland in DJ-Sets getestet und veröffentlichenswert gefunden. Die 6/8-Rhythmen sind ja auch nicht so einfach mit Elektronik zu kombinieren. Funktioniert aber, als Bonus gibt es die Instrumentals und Accapellas obendrauf. www.tru-thoughts.co.uk tobi
Cuthead - Everlasting Sunday [Uncanny Valley/UV019 - Clone]
Es geht um Glitter. Einzig und ausschließlich. Verkleidet als House auf der A-Seite, als HipHop auf der B-Seite. Eine EP, neun Tracks. Und würde Cuthead singen, gäbe es reichlich Instrumentals. So nah dran, so oldschool ist die neue EP. Glitter also. Nicht am Baum, sondern im Flirren. An der emulierten Harfe, im Sample des achtsamen Herunterschreitens der gewundenen Panorama-Treppe, in wunderschönen Schuhen mit noch schönerem Lächeln. Wie das eben so ist an diesen nicht enden wollenden Sonntagen. An denen Mark Pritchard kurz reinschaut, um endlich den Speak&Spell zurückzubringen, den er sich seit der ersten Harmonic-313-EP gemopst hatte. Wenn Bassdrums mit den getupften Chords tanzen. Wenn der Kakao besser schmeckt denn je und die Plattennadel entstaubt wird und wieder glasklar durch den Groove fährt. So klingt Cuthead 2013. Nicht wie "Vibratin'", aber irgendwie dann doch und immer sowieso viel mehr. www.uncannyvalley.de thaddi
Satoshi Fumi - Open Sesame [Unknown Season/003]
Die Tracks von Satoshi Fumi haben öfter etwas von DesignerDetroit. Hier jedenfalls durch und durch. Sehr klar in den Sounds summen sich die beiden Stücke direkt auf den Höhepunkt ein, bleiben dort hängen und verströmen vor allem dieses Licht der schönen Harmonien und Melodien, das solche Tracks immer wieder zu einem perfekten Highlight machen kann. Selbst das kleine kitschig trällernde Piano als Tupfer ganz oben fehlt hier nicht. Musik für Melancholiker, die ihren Detroitsound bunt und blumig lieben. bleed
Mark Pritchard - Lock Off EP [Warp/WAP349 - Rough Trade]
Mark Pritchard war in den frühen 90er Jahren zusammen mit Tom Middleton "Reload", "Global Communication" und "Jedi Knights", mit Steve White "Africa Hi Tech", und solo "Harmonic 313". Jetzt veröffentlicht er unter seinem Geburtsnamen den zweiten Teil einer Trilogie bei Warp. Stilistisch geht er es hier recht breit gefächert an. Der Jungle-Eröffnungstrack präsentiert die beiden Altvorderen Ragga Twins und trabt mächtig vorwärts. Danach gibt’s feinen Hip-Hop-Trap samt Dancehallsirene und Ghetto-Atmo, rappelig Footwork-artiges und mit dem Titeltrack einen wirklich großartigen Junglegrimefootwork-Rundumschlag. Teil drei kann kommen! www.warp.net asb
Volta Cab - I Cannot Sleep [Voyeurhythm/VR 013 - Rush Hour]
Ganz arg viele Bekannte in diesen Tracks. Also: Sounds. Snippets, Loops, Gefühle. Und natürlich Samples als Grundgerüst von allem. So geht Russland. Wenn die besseren Holzbläser aus Plastik sind, lacht die Sonne und der Floor brummt. Hier mal reingebissen, Faithless? thaddi
House Reverends - Drivetime EP [Well Rounded Individuals/007]
Was für ein grandioser Kitsch. Der Titeltrack der EP klingt wie eine schmachtende 70er-Band in durchweichtem Soundbrei einer wuscheligen Houseband auf Retrooverdrive, und auch das Material Girl auf "Girl I Know" kennt keine Furcht vor dem flapsigen Orchestersound in brüchig knuffigem Hallwahn. Diese Vocals, runtergredeht und mit dem Soul einer kaputten Autotunewaschanlage versetzt, machen das ganze auch nur noch merkwürdiger. Schräg, sehr schräg. Für kaputte Discoafficionados. bleed
Cormac - Is This Love EP [Wetyourself!/019]
Cormac singt etwas zu gerne. Die Tracks bekommen durch die leicht abwegig darken Vocals immer etwas von Grace-Jones-Disco, auch wenn sie im Sound eher abstrakt und funky sind und die wenigen Elemente eigentlich perfekt konstruiert losgrooven. Verlassen wirkt das, tragisch, aber die Sounds sind so gut und perlend konkret tuschelnd, dass man da gerne drüber hinwegsieht und sich nach und nach immer tiefer in die Stücke einkuschelt. Am besten mit dem eher auf Stimmfragmente und Spoken Word basierenden Dubmonster "Tone Alone", das dem Stück durch die Stimmen eine breitere Dimension gibt und dem phantastischen Oldschool-Slammer "Who Funk". Knatternd und überschwänglich mit einem so sicher in der Vergangenheit aufgehobenen Groove, dass man einfach besinnungslos mitgeht. bleed
Akabu & Giom feat. Kadija Kimara - Again [Z Records/12197]
Irgendwie am sympathischsten im Dub, der mit seinen Soulvocals und dem tänzelnd dichten Groove vom ersten Moment an flausig und leicht überdreht auf einen so gut gelaunten Groove zusteuert, dass man die Sonne über der Bronx aufgehen hört. Der Giom-Mix übertreibt es dann etwas mit der discoiden Poppigkeit, auch der wummernde Joey-Negro-Strip-Mix ist einen Hauch zu sehr Handtasche. Sehr abstrakte Disco aber bleiben alle. bleed
Mak & Pasteman - Brown Bread / Drowning [Naked Naked/006]
Was genau mag in den beiden vorgehen. Diese darken abgehackten Stimmen, die kurz anreißen was nicht ist. Diese stapfigen Grooves und Beats, die zwischen den tragend schwärmerischen Sphären wie kämpfend losstapfen. Diese Verlassenheit der Stimmung, die sich selbst unter der Lupe hat, aber mit einem klinisch klaren Funk doch irgendwie im Einklang ist. Killertracks der dunklen Art, die sich selbst zum Gefangenen machen, dabei aber doch voller Stolz und ungebrochen selbst das übertriebenste Trancemoment noch in eine Extase verwandeln kann, die sich selbst überrascht. bleed
Hakim Murphy - Chiffre [Mindshift Records/TOUBLE09]
Detroit. Klar. Die Sounds allein. Dieser Klang der so gebrochen und aus einer anderen Zeit hereingewht kommt. Diese subtilen Nuancen von himmlischen Flächen und kaputten Grooves, dieser unbändige Funk der unter allem bebt. Hakim Murphy geht hier stellenweise fast einen Schritt zu weit um auf dem Floor noch mitspielen zu können, aber es kann ihm auch egal sein, denn natürlich ist das Musik für The Mind. Musik die sich in verkatert glückliche Eskapaden eines Sounds begibt, der ganz für sich mit einer Geschichte gefüllt ist, die keine Grenzen kennt, schon gar nicht die von Oldschool. Die Tracks von Murphy wirken mal durcharrangiert, mal wie aus der Hüfte geschossen, sie gehen ihren unbeirrbaren einzigartigen Weg und den geht man immer gerne mit ihnen, denn es lohnt sich einfach mit jedem Stück etwas ganz eigenes entdecken zu können. Remixe kommen vom unnachahmlichen Spider in seiner futurististischsten Jazzkonstellation und Murdoc mit einem fast erstickt deepen Kellerhouse-Swinggroove. bleed
Morgan Alexander - The Scripted Infirm EP [Jacksloot Records/003]
Brutzelnd, aufgeladen, statisch und doch so soulig wie ein Stück sein muss, das eine so zerbrechlich verheissungsvolle Jazzstimme ins Zentrum nimmt. Der Remix von "Just Checkin" ist in seinen Grooves fast übergrade, fast kalt, die Chords das Gegenteil, die Stimme flüstert vom ersten Moment an Verführung. So sehr dieses Stück auch auf der Stelle zu stehen
scheint, so es sich selbst und sein Thema bewundert, es reicht schon diese Differenz zu sich selbst um einen in jeder Sekunde davon zu überzeugen, dass dieser Track einfach ein Killer ist. Und diese bratzelnd zurückhaltend monströse Bassline dazu macht ihn einfach nur noch unglaublicher. Ein Stück das klingt als hätte man eine vergessene Detroit-Hymne gerade frisch entstaubt. "Tilton's Place" mit seinen klapprigen Vocals, seinem ironischen "Really" Sample, den flatternden Synths und der zeitlos pumpenden Bassdrum ist eine ähnlich verrückte Hymne die davon handelt, dass man sich selbst selbst unter dem kritischsten Blick auf dem Floor immer noch völlig wandeln kann, weil man sich mit Tracks wie diesem einfach so konzentriert, dass man am Ende sogar wieder weiß warum es noch mal Work-It hieß. bleed
Leif - Dinas Oleu [Fear Of Flying/FOFLP02]
Leif ist unglaublich. Ein Album so voller sprudelnd warmer Ideen und Grooves, voller geheimnisvoller Momente purer Stimmungen in schlendernden Grooves, sanften Stimmen, verzückten Klängen und summenden Momenten, dass man sich ein Paddelboot wünscht, mit dem man auf dem Album baden gehen kann. Sommerlich bis ins letzte sind die Tracks in ihrem inneren Swing fast klassisch, man ist wirklich versucht Oldschool zu sagen, auch wenn sie nie so klingen. Aber es geht nie um den Floor oder die Rückbesinnung, sondern um diesen Versuch Musik zu berühren, wohl wissend, dass das nicht geht. Jeder Track beginnt wie ein Glühen, nimmt einen auf eine Reise mit, erzählt mit dieser direkten aber doch blumigen Stimme von einer Welt die man erst entdecken muss in der Stimme der Musik, die einem aber schnell so vorkommt, wie eine Heimat in der man sein Leben schon lange verbracht hat. Ein Album das mehr wie ein impressionistischer Roman wirkt, dabei aber nie in purer Ästhetik verweilt, sondern immer herzzerreißende Momente beschreibt, deren Nachwirkungen einen auch Tage später noch wie auf Wolken schweben lassen in dem sicheren Gefühl, man kann genau dahin immer wieder zurückkehren. bleed
Kerem Akdag - A Good Play EP [Apparel Music/085]
Apparel Music entdeckt immer wieder Künstler von denen man bei der ersten EP schon weiß, dass man ihnen treu bleiben muss. Die Tracks von Kerem Akdag sind bei aller swingend smoothen Deephouse-Attitude einfach zu lässig und humorvoll. Berichten mitten in den süsslichst funkigen String und Groove-Wirbeln von verlorenen Projekten, Dingen die man verpasst hat, Sachen die man einfach wieder neu erfinden kann und diesem absurd deepen Soul der alltäglichen Arbeit, der auf ein Mal genau so relevant ist, wie die Weisheiten der Liebe und Revolution. Allen Tracks gemeinsam sind diese unglaublichen Vocals, die dem stellenweise fast albern smoothen Sound der Tracks eine Ebene der unmittelbarkeit geben, die hier wie erkämpft wirkt, aber doch voller Leichtigkeit kickt. Stellenweise unheimlich, magisch, dann wieder voller Witz, dabei aber im Sound ungebrochen deep und voller klassischer Momente in neuem Licht. Eine der Deephouse EPs des Monats und das auch weil es das Genre gleichzeitig zu ernst und zum rumalbern nimmt . bleed
Fjaak - Mind Games EP [Baalsaal Records]
Nicht mehr der überdreht klare Funk der letzten EP sondern über Nach gereift steigt diese Platte von Fjaak ein. Deep und mit einem leicht überzogenen Soul der tragischen Nuancen ist das aber nur der Ausgangspunkt für die brilliant funkenden Basslines, diese smooth um die Ecke wedelnden Harmonien, die schwer auf der Seele liegenden Stimmen, die immer - wie z.B. im "I Can't Get No Satisfaction" Vocal - hintergründig in die Irre leiten. Und dann kommt mit "Don't Cry" doch noch eins dieser verdreht kantigen Stücke mit einem so deepen Chicagohintergrund, dass man Bandbreite von Fjaak sofort wieder entdeckt. Wir würden uns am liebsten jetzt schon ein Album von ihm wünschen, aber die nächste EP kann nicht weit sein. Eine der ganz großen Deephouse-Hoffnungen des Landes, der hier zeigt, dass selbst bei smootheren Tracks noch so viel Energie in allem steckt, dass sie wie von selbst über sich hinauswachsen. bleed
Detroit Swindle - Unfinished Business EP [Freerange Records/170]
Detroit Swindle. Ich komme immer noch nicht über diesen Namen hinweg. Der allein würde fast schon reichen um mich aufhören zu lassen. Und ihre Tracks bislang waren immer so voller ravigiger Housekiller, dass ich sowieso längst Fan bin. Die EP auf Freerange muss man wie alles am besten von hinten hören. "Woman" mit seinen überzogen eiernden Strings, dem grandios um die Ecke soulenden Divengesang, den Rhodes und Grooves, dem nicht ganz unerwarteten Moment in dem ein ganzes Stadion vor Glück aufschreit, dieses überall durchscheindene Gefühl, dass man ganz oben steht, an der Spitze der Welt, aber es trotzdem nicht ausnutzt, das macht die Größe der beiden aus. Auch hier. So viel im Zaum gehaltene aber dennoch überbordende Euphorie ist schwer zu halten. Weshalb der Titeltrack zwar trotz ähnlicher Sounds etwas direkter losfunkt und nicht ganz diesen Punkt findet, an dem das Feuer der Begeisterung über die vielen anderen der in diesem Umfeld herumschwirrenden Tracks hinausgeht. Trotzdem können sie es einfach. Spannungsvoller ist da "Under The Spell" das mit seinen sprunghaften Grooves eher in die Welt von Garage mit allen seinen Verlockungen eintaucht. bleed
Carloscres & Gusher The Future Tan [Society 3.0 Records/077]
Manchmal sonnt sich House in dieser Tiefe der eigenen Geschichte mit einem Blick auf vergessene Momente, die einem schon wieder wie die Zukunft vorkommen. So etwas in der Art müssen sich die beiden gedacht haben, als sie auf "The Pop Kit" diese kurzen Bu-bu-bup Vocals im Duett entdeckt haben und daraus die tragende Melodie des Stücks mit all seiner Albernheit fertig hatten. Puh. Klingt wie Tricky Disco für Träumer. Und so trudelt der Track dann auch vor sich hin. Blubbernd, schmunzelnd, und mit einer Popästhetik, die so einfach wie überzeugend ist. "Future Tan" sagt auch ständig "Du", aber vermutlich haben die beiden nicht daran gedacht, dass uns hier das irgendwie etwas zu kuschelig rüberkommt, vor allem wenn es in einen so schwärmerisch flausigen Housetrack verpackt ist. Kann man das irgendwie anders hören, dann ist es einfach ein charmantest Stück smoother Housemusik für den lauen Sommerabend. bleed
V.A. - Stiff Little Spinners Vol. 4 [Audiolith]
Auf der Compilation-Serie übertreffen sie sich gerne selbst. Oder probieren etwas ganz neues. Und selbst Leute wie Joney, eh schon ein durch und durch überdrehter Experiment-Popper (im besten Sinn) rockt dann mit einem so monströs stoisch smoothen Stück wie "It's Braining Schnaps and Frogs" alles an die Wand. Stolzierend, erhaben, mächtig und doch so unnahbar. Aber auch Kalipo mit seinem trancig sommerlichen "Perspicientia" findet eine Lücke zwischen Popmusik und Groove, der früher immer nur Kompakt so süsslich und überglücklich gelungen ist, so weltumarmend, naiv und doch fundamental zugleich. Kring räumt dann mit einem klassisch monströsen Deephousetracks voller geschwungener Chords ab, Rampue gönnt sich einen trunkenen Urlaub in der Kneipe nebenan und Torsun Teichgräber zeigt den französischen Chansonetten wie man darauf Ravemusik stricken könnte, während Gimmix voller glücklichem Basskitsch den Housetrack für frisch verliebte hinterher schiebt. Sehr sympathisch poppige aber auch deepe EP. bleed
Divvorce Vanessa (A Dreamer) EP [Fifth Wall/009]
Aus Brooklyn? Da schreibt man offensichtlich die besten Promotexte. Ich lese die sonst nicht. Aber hier steht wesentliches drin, und die Genreangabe (existential) hat mich eh schon neugierig gemacht. Inspiration für Divvorce kommt von Franz Kafka und einem einsamen Spaziergang durch Paris während der Fashion Week. Das macht doch alles klar. Techno schreibt Divvorce mit Fragezeichen. Und die Platte hat bei aller Deepness irgendwie dann auch Humor. Wummernde Bässe, Breaks wenn es sein muss, kompromisslose Härte mit subtiler Eleganz in den Sounds, aber auch schwärmerisch warme Eskapaden mit sehr eigenwilligen Stimmen. Techno wie es sein muss. Wagemutig aber doch so nah. Und die Remixe von Physical Therapy und Unklone legen noch einen drauf. Mal schepperndst verzerrte Breaks in smoothem Soundgewitter, mal eisig verliebt untergründig tranciges Glühen. Eine sehr vielseitige Platte auf der jeder Track ganz für sich schon ein Hit ist. bleed
Geiger und Lafelt - Walking In The Rain EP [Nylon Tracks/016]
Überragend lässige manchmal auch völlig abseitige Housetracks der deepesten Art bestimmen diese EP. Vom klapprig kaputten Kitsch des Titeltracks, der die Reminiszenz auf der Kuhglocke nachspielt, über das unnachahmliche "Trying To Say" das mit einer verzerrten Stimme und einem Groove der so um die Ecke shuffelt, dass man das Gefühl hat, der Loop ist kapuut, dennoch eine so grandios deepe Stimmung erzeugt, die selbst von dem "Party People" Sample nicht gebrochen, sondern eher verstärkt wird, bis zum ultrafunkig direkten "Midnight Drive" ein Fest. bleed
Me Succeeds - Rongorongo Remixes [Ki Records/019]
Eine bessere Sammlung an Remixern hätte man für das wunderschöne Rongorongo gar nicht auftreiben können. Alle sind voller Huldigung für Me Succeeds. Und die ganze Houseposse ist dabei. Iron Curtis, Christian Löffler, Tilman Tausendfreund, und alle Tracks sind Killer. Die süsslichen Vocals sind perfekt integriert, die euphorisierenden Melodien klingen überall durch, die Basslines rocken, die Beats kicken. "Rongorongo", "Seventeen" und "That's Why I Cast A Shadow" bekommen eine noch klarere Bestimmung für die deepesten Dancefloors dieser Erde und wir können es kaum erwarten bis die ersten Partys diese Momente puren Glücks in den Vocals und Stimmungen entdecken. Egal ob es funkig verrückt, oldschoolig hymnisch oder auch nur säuselnd verliebt zugeht, die Stücke sind immer so voller Herz und Dichte, dass man schon jetzt die Augen schliessen möchte um dieses Gefühl nu ja nicht zu verlieren. bleed
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DE BUG ABO Hier die Fakten zum DE:BUG Abo: 10 Hefte direkt in den Briefkasten, d.h. ca. 500.000 Zeichen pro Ausgabe plus Bilder, dazu eine CD als Prämie. Die Prämie gibt es immer solange der Vorrat reicht, wobei der Zahlungseingang für das Abo entscheidet. Noch Fragen?
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28.11. – 01.12. Haus der Kulturen der Welt, Berlin
WORLDTRONICS Teams & Tools Es gibt eine Weltmusik, die nicht postkolonial verzerrt ist, beziehungsweise deren entsprechende Verzerrungen klar zu Tage treten oder sogar deren Inhalt sind. Das Worldtronics-Festival versucht nun schon seit sieben Jahren diese alternative, emanzipatorische Weltmusik zu ergründen und zu feiern. Motto der diesjährigen Ausgabe: Teams & Tools, die "weltweiten Phänomene wuchernder Musikszenen". Das Internet, so der Worldtronics-Ansatz, vernetzt auch Musikszenen und setzt sie zueinander in Beziehung. Neue Parallelen entlegener Musikentwicklungen treten hervor, Stile finden zusammen und alte Amalgame werden aufgeschmolzen. Diese neue Weltmusik ist dekonstruktivistisch und gerade deswegen lässt sich auf sie so gut feiern. Und das geht im Haus der Kulturen der Welt dieses Jahr so: Mit ihren Projekten Bordermovement und Soundcamp klinken sich Gerriet Schulz und die Gebrüder Teichmann in die südasiatischen DIY-Netzwerke ein. Der Londoner Talvin Singh zeigt Gemeinsamkeiten zwischen klassischer indischer Musik und früher "westlicher" elektronischer Musik auf. Der FrankoNiederländer Pierre Bastien baut charmante Musikmaschinen mit Humor und Seele, die Katalanin Eli Grass macht experimentelle Musik mit Spielzeug und Fundsachen, die aus Kairo angereisten Sadat & Alaa Fifty kreuzen HipHop und Kairoer Straßenmusik. Die Berliner Avantgarde-Bigband Zeitkratzer präsentiert ein Projekt zu den elektronischen Musikstudios von Radiostationen vor allem in Osteuropa; Felix Kubin und die polnische Bigband Mitch & Mitch spielen verstörenden Avant-Pop und die Band Frikstailers aus Buenos Aires, so die Worldtronics-Veranstalter, schöpft "aus dem globalen, kollektiven Unterbewusstsein des Pop." Das Musikprogramm begleitet der ElektroFachmarkt, auf dem sich die Berliner Elektronikszene zum Schwofen bei Minikonzerten und DJ-Sets trifft. Denn was die Musikszenen der Welt können, das können sie auch im Haus der Kulturen der Welt.
www.hkw.de
14.–20.11. Festspielhaus Hellerau, Dresden
CYNETART Das CYNETART ist ein Verbinder der Welten. Auch in diesem Jahr bietet es ein kontrastreiches Programm aus technologisch unterstützten Tanzaufführungen, international besetzten Workshops in den Bereichen Tanz, Medienkunst, Technik, außerdem einen aktuellen Schwerpunkt auf Biohacking und Bioart. Das versierte Rahmenprogramm aus Vorträgen, Demonstrationen und Workshops findet seine hedonistische Spiegelung in Form von A/V-Performances, Konzerten und Clubabenden. Hier mit dabei: Kuedo (Planet Mu), Sensate Focus, Grischa Lichtenberger (Raster-Noton), Ryoichi Kurokawa, Assimilation Process (sub urban trash), Ulf Langheinrich (Epidemic), Zilinsky und Arpanet: das mysteriöse Duo um Frontmann Gerald Donald (aka Heinrich Müller / Der Zyklus, Japanese Telecom, Dopplereffekt, sowie eine Hälfte von Drexciya). Top-Notch-Sound- und Bildwelten werden dabei auf exzellenten technischen Anlagen im übergroßen Saal des Festspielhauses präsentiert. Foto: David Pinzer www.cynetart.de
8.-10.11. Zollverein, Essen
10.11. Alter Schlachthof, Dresden
C3 FESTIVAL
ELECTRONIC BEATS
C3? Das steht für Club Contemporary Classical, den drei Cs also, die die musikalische Berichterstattung dieses Magazins seit Jahr und Tag immer wieder begleiten. So ist es keine Überraschung, dass die Protagonisten der zweiten Auflage des Festivals alte Bekannte sind. Matthew Herbert, Murcof und das US-amerikanische Kollektiv "Bang On A Can All-Stars" bilden das Headliner-Dreigestirn in diesem Herbst: ein dichtes Programm. Mr. Herbert kommt nicht allein nach Essen. In Quartett-Besetzung präsentiert er sein aktuelles Album "The End Of Silence": Deutschlandpremiere! Murcof hat mit der Pianistin Vanessa Wagner ebenfalls Unterstützung auf der Bühne und die Bang On A Can Crew kommen eh immer reichlich. Dabei ist ihre geplante Performance von Brian Enos "Music For Airports" ja eher für ganz kleine Besetzung konzipiert: wird spannend! Außerdem im Programm: MacroBoss Stefan Goldmann, die DenovaliDarlings von Piano Interrupted, Tesla Mode und Rotterdam. Herbert packt derweil im Hotel Shanghai noch die Platten aus. Beim C3 geht es aber nicht nur um das Zuhören, sondern auch um das Ausprobieren. Schülerinnen und Schüler können sich während des Festivals dem Phänomen Ambient nähern, mit den Musikern vor Ort diskutieren und schließlich die akzentuierte Stille selbst umsetzen.
Sommer gerade überstanden, leutet die Telekom direkt die nächste Festival-Saison ein. Dass das Electronic Beats Festival bei seiner jährlichen Europa-Reise im Frühling und Herbst jeweils eine Handvoll Hochkaräter einpackt, scheint mittlerweile sicherer als die Jahreszeiten selbst. So soll es denn auch in diesem Herbst sein, wenn Electronic Beats zum ersten Mal in Dresden Halt macht. Neben Sizarr, dem neuen IndieMaßstab aus der Pfalz, wird unter anderem der Franzose mit den Riesentrommeln und dem Hang zum Pathos, alias Woodkid, in den Alten Schlachthof geladen. Als Gegenpol zum orchestral-cinematischem Epos des Musikers und Regisseurs aus Lyon, treten die Post-WhatsoeverLieblinge von Mount Kimbie an, die sich mit "Cold Spring Fault Less Youth" in diesem Sommer nicht nur ein feines Nest bei Warp eingerichtet haben, sondern mit eben jenem Album wieder einmal gezeigt haben, zu welcher Intensität die Reduktion doch im Stande ist. Ein Album, dessen Produktionsprozess stark von der LiveUmsetzung ihrer ersten Platte beeinflusst wurde, wie sie uns im Interview erzählten. Ihre Live-Sets, in denen das Duo die konstante Re-Interpretationen ihrer eigenen Stücke verfolgt, geben im Umkehrschluss tiefe Einblicke in die Entstehung ihres unverwechselbar intensiven Sounds, der Ambient, Postrock, Electro, House und HipHop gleichermaßen unter seine Fittiche nimmt. Die preiswerten Tickets lassen sich seit kurzem über die EB Apps sichern und sind natürlich auch über den klassischen Online-Weg zu haben:
Foto: Helen Woods www.c3festival.com
www.electronicbeats.net
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Backstage bei unseren LieblingsIsländern. Während eines TourStops in Berlin erzählen Gunnar Örn Tynes und Örvar Þóreyjarson Smárason von der StripclubSchwemme in Portland, der Arbeit mit Kylie Minogue und ihrer Liebe zu Twin Peaks. Dr. Buzzard’s Original Savannah Band – Sunshower (RCA, 1976) Gunnar: Das gefällt mir! Das ist sehr schön. Örvar: Und komisch psychedelisch. Eigentlich ist das ein super süßer Song für die ganze Familie, aber irgendwas ist doch
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interview Bianca Heuser
bild Elena Peters-Arnolds
ein bisschen neben der Spur. De:Bug: Ich spiele euch das eigentlich wegen des tollen Bandnamens vor. Ihr habt ja einen ganzen Tumblr-Blog schlechten Bandnamen wie Dreadlock Comb-Over oder Sylvester Alone gewidmet. Örvar: Wie hast du den denn gefunden? Das hatte ich fast vergessen. Wir denken uns auf Tour ständig bescheuerte Bandnamen aus und haben sie irgendwann mal alle auf diesem Blog gepostet. Gunnar: Aber wie hieß diese Band noch mal? Das muss ich mir unbedingt aufschreiben. (pfeift)
ja keinen Schimmer, was unsere Musik eigentlich ist. Besonders nach einer Tour ist die Vorstellung, die man vom aktuellen Album hat, komplett durcheinander gewirbelt. Dann bin ich vollkommen ahnungslos. Gunnar: Auf Tour ändert sich meine Vorstellung von unserer Musik tagtäglich. Örvar: Ich glaube eh, dass man die Vision seiner eigenen Musik erst nach ein paar Jahren ganz versteht, der Abstand hilft. Gunnar: Man würde natürlich alles ganz anders machen. Man bekommt sonst ja nicht so mit, wie man sich verändert. Aber beim Anhören der eigenen Musik von vor ein paar Jahren wird es einem plötzlich ganz deutlich. Örvar: Oft ist es als hätte jemand anders dieses Album gemacht. Aber das ist ein gutes Gefühl. Man kommt einer vergangenen, überholten Version von sich selbst wieder näher. Gunnar: Ich gehe mal Kaffee holen.
The Magnetic Fields – A Chicken With Its Head Cut Off (Merge, 1999) De:Bug: Für mich verbindet die Magnetic Fields und Múm eine bestimmte Romantik. Örvar: Das ist interessant. Wir selbst haben
Badalamenti Explains Twin Peaks Love Theme (YouTube-Upload, 2008) Örvar: Das muss Gunnar unbedingt von Anfang an hören. Gunnar, komm' mal! Gunnar: Oh, Twin Peaks! Örvar: Ja, aber hier erklärt Angelo Badalamenti wie er und David Lynch die Musik zusammen geschrieben haben. (Das Video endet: "He said: 'Angelo, don’t do a thing and don’t change a single note. I see Twin Peaks.' That’s how it was done.") Gunnar: Verrückt! Das ist so schön, fast besser als der eigentliche Song. Ich habe überall Gänsehaut! Örvar: Es ist toll, wie er beim Erzählen der Geschichte aufblüht. Und es ist eine großartige Art, Filmmusik zusammen zu schreiben. Das passiert vermutlich fast nie so. Gunnar: Ich glaube nicht, dass viele Regisseure ihre Vision so kommunizieren
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»Wir selbst haben ja keinen Schimmer, was unsere Musik eigentlich ist. Besonders nach einer Tour ist die Vorstellung, die man vom aktuellen Album hat, komplett durcheinander gewirbelt.«
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können. Die meisten sprechen gar nicht dieselbe Sprache wie Musiker, sind nicht Teil des gleichen Dialogs. De:Bug: Wie war es für euch, den Soundtrack für "Jack und Diane" zu schreiben? Gunnar: Wir hätten natürlich gern genau so gearbeitet. Örvar: Wir haben schon oft Musik für Film oder Theater geschrieben, aber so wie Lynch und Badalamenti ist es uns noch nie ergangen. Aber offenbar geht das doch! Gunnar: Klar, wir haben ja gerade den Beweis gehört! Einen sehr schönen Beweis. Örvar: Es ist wichtig, dass der Regisseur loslässt und uns genauso vertraut wie sich selbst. In der Regel stehen sie aber unter starkem Druck und sind gestresst wegen der Produktion und des Budgets. Sie können sich nicht entspannen und möchten etwas möglichst Umgängliches. Darum ersetzen sie oft die eigentliche Filmmusik mit irgendwelchem Singer/SongwriterFolk-Zeug. Das ist leichter verdaubar. Dieser Videoclip hat mich aber auch so berührt, weil Twin Peaks einer der wichtigsten popkulturellen Einflüsse auf unsere Generation war. Ich weiß noch, wie ich die Serie als Kind das erste Mal im Fernsehen sah. Ich wusste nicht, was mich getroffen hatte. Ich verstand kein bisschen von dem, was da vor sich ging. Gunnar: Und heute, mit einem Abschluss in Filmwissenschaft, versteht man immer noch nicht alles. Örvar: Ganz genau. Ich habe erst kürzlich wieder alle Folgen geschaut. De:Bug: Wenn man David Lynch vollkommen versteht, sollte man sich sowieso Sorgen machen. Kylie Minogue – Love At First Sight (Parlophone, 2002) Örvar: Ist das Kylie? De:Bug: Das konnte ich mir nicht verkneifen, nachdem ich ihr Feature auf eurem neuen Album entdeckt habe. Örvar: Der Song war eigentlich für eine Clubszene in "Jack und Diane" gedacht. Aber als mich der Regisseur in Spanien anrief war die Verbindung so schlecht, dass ich ihn nicht genau verstehen konnte. Der Track war dann schon längst fertig als wir das nächste Mal in Kontakt traten. Er wunderte sich: "Was ist das denn?!" und fand den Song eine Woche später aber doch ziemlich toll. Für die entsprechende Szene im Film hat er dann trotzdem etwas anderes verwendet. De:Bug: Habt ihr Kylie getroffen? Gunnar: Ja, ich. Örvar war mit FM Belfast auf Tour. Sie war super cool. Eine sehr bodenständige und feine Person. Ich glaube nicht, dass sie je einen Fuß in ein derartig kleines Studio gesetzt hat, aber das störte sie gar nicht. Anfangs befürchtete ich, dass wir das nicht in einem Tag schaffen
würden, manche Leute brauchen ja doch recht lang im Studio. Aber sie war super professionell und traf den Nagel auf den Kopf. Örvar: Der Regisseur versuchte im Studio noch den Text zu ändern, aber Gunnar konnte zum Glück die Originalversion aufnehmen. Der Text ist ziemlich heftig. Die erste Zeile wollte komischerweise niemand ändern: "I bleed like a pig". Ich wollte das unbedingt aus Kylies Mund hören. Das war ein kleiner Sieg. De:Bug: Habt ihr etwas übrig für diese Art von Popmusik? Örvar: Ich weiß nicht. So richtig entkommen kann man dem Ganzen ja nicht. Aber vor fünf Jahren war das alles noch spannender. Derzeit klingt alles so flach. Gunnar: Wir haben uns mal über "Toxic" gestritten, weißt du noch? Örvar: Was soll ich sagen, mich hat die Produktion einfach nicht so beeindruckt. Lawrence – In Patagonia (Dial, 2013) Örvar: Was ist das? De:Bug: Das ist von Lawrences neuem Album "Films & Windows". Gunnar: Das ist richtig gut. Örvar: Und so zeitlos! De:Bug: Er sagt, er produziert die meisten Sachen unterwegs. Schreibt ihr auch auf Tour neue Musik? Gunnar: Wir machen das als erstes, wenn eine Tour vorbeigeht. Man ist so vollgesogen mit neuen Eindrücken, die etwas in einem auslösen. Övar: Während einer Tour machen wir aber eher keine Musik. Dafür habe zumindest ich dann keinen Kopf. Ich kann mich nicht einfach hinsetzen und anfangen. Ich brauche viel Zeit für Spaziergänge und so. Aber Reisen wirkt sich auf jeden Fall auf unsere Musik aus, vor allem die Menschen, die wir treffen. Team Dresch – Fagetarian And Dyke (Chainsaw und Candy Ass Records, 1995) De:Bug: Team Dresch war eine lesbische Punkband aus Portland, Oregon. Örvar: Solche Sachen haben wir in den Neunzigern auch gehört. Als Teenager ist man so empfänglich für alles Mögliche. Es gibt überhaupt keine Wand zwischen sich und einer lesbischen Punkband niederzureißen. Wir haben damals unsere erste Band wegen Slint gegründet. Wusstest du, dass Portland die Stadt mit der höchsten Dichte an Stripclubs weltweit ist? Das hat mir jemand erzählt, als wir in Portland in einem auftraten. Gunnar: Die nannten das eine "Burlesque Show". Ich erfuhr erst, was das für ein Etablissement war, als sich nach dem Konzert backstage so viele nackte Mädchen aufhielten.
Örvar: Ich kam nach einer Autofahrt von San Francisco so müde in Portland an, dass ich backstage auf dem Fußboden einschlief. Als ich aufwachte, stand direkt neben mir eine halbnackte Frau, die sich im Spiegel betrachtete. Gunnar: Die Räumlichkeiten waren aber toll. Nach dem Konzert gab es auch eine Show, inklusive Rotkäppchen. Das war wirklich merkwürdig. Le1f – Swerve [Prod. The-Drum] (Self-released, 2013) De:Bug: Das ist von "Tree House", dem aktuellen Mixtape des New Yorker Rappers Le1f. Gunnar: Sin Fang, der gerade mit uns tourt, hockt den ganzen Tag backstage und hört sich solche Musik auf YouTube an. Es ist gut, einen Teenager dabei zu haben. De:Bug: Le1fs Homosexualität ist ein prominentes Thema in seinen Texten. Reykjaviks Bürgermeister schrieb letztens dem Moskauer Bürgermeister einen Brief, in dem er ankündigte, jegliche Zusammenarbeit wegen des verabschiedeten Anti-Homosexuellen-Gesetzes einzustellen. Gunnar: Ich glaube leider nicht, dass er die politische Macht hat, das durchzusetzen. Aber es ist toll, dass er sich dazu äußert. Örvar: Ja, Jon Gnarr ist toll im Umgang mit diesen Dingen. Die Gay Pride Parade ist eines der wichtigsten Feste in Island. Alle kommen downtown und er ist immer in Drag auf einem der Wagen dabei. Letztes Jahr durfte ich mit FM Belfast auf der großen Bühne spielen, das war fantastisch. Gunnar: In Island gibt es wirklich kaum Homophobie. Örvar: Normalerweise ist die Parade ein sehr buntes und lustiges Fest, aber dieses Mal war es sehr politisch. Zum einen wegen Russland und zum anderen wegen Bradley beziehungsweise Chelsea Manning. Um etwa diese Zeit kündigte er auch seine Geschlechtsumwandlung an. Wir haben in letzter Zeit öfter diskutiert, ob wir überhaupt in Russland spielen sollten und sind uns immer noch nicht sicher, was richtig ist. Wir haben vorerst aber beschlossen, dass es wenig sinnvoll ist, unsere Fans für die Politik ihrer Heimat zu bestrafen. Die haben damit sicher schon genug zu kämpfen.
Múm, Smilewound, ist auf Morr Music/Indigo erschienen.
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177 — Für ein besseres Morgen — text & illu harthorst.de
Echtzeitverblödung ist der neue Normalfall Kopf rein, Arsch raus, auf sie mit Gebrüll! Und nachher wundern sich alle, dass immer noch Papstwochen bei McDonalds sind, aber der Lifestyleissimo kranker Katholiban soll heute nicht Thema sein. Sache ist: Die Deutsche Content Allianz hat einen "Inhalte-Gipfel" gefordert, weil "Inhalte-Politik Chefsache" werden soll, beziehungsweise was heißt soll? Muss! Was man sich dann am besten häppchenweise auf dem Hirn zergehen lassen sollte: Deutsche Content Allianz? Gibt es tatsächlich, soll das gemeinsame Sprachrohr der Breitarschplayer des heimischen Medienbetriebs sein: ARD, ZDF, Privat-TV, Musikindustrie, GEMA, Großverlage. Aha, OK, aber: Deutsche Content Allianz? Mit ein bisschen bekifftem Anstandsabstand besehen circa so sinnig wie die Herdprämie für Haare auf Emanzenzähnen. Oder, besser: das Oktoberfest München Miami Beach. German Rechtschreibreform, you know schon! Also warum gibt ausgerechnet die Aristokratie deutscher Medienapparatschiks ihrem Club einen so topverstrahlt denglischen Namen? Und begibt sich damit auch noch in die übelste Verwechselungsgefahr mit der Deutsche Kontinenz Gesellschaft? Die es übrigens nicht nur wirklich gibt, sie ist ausgerechnet auch noch beispielhaft vorbildlich in Sachen Wahlspruchgebung: Müssen Wollen Können. Hammer! Oder? Würde da der Kumpel aus der Werbung sagen, aber das sagt er eigentlich dauernd zu allem möglichen, meistens beim Coffee oder Bier und auf Koks oder Facebook aber auch sonst mal zwischendurch. Nur: In diesem Fall hat Werbekumpel tatsächlich recht, weil Müssen Wollen Können ist doch wirklich Hammer! Oder? Die Deutsche Content Allianz hat gar keinen Claim, aber Inhalt First! würde prima passen, oder, noch besser: Content is König! Weil "Inhalt" und "Content" eben nur theoretisch Synonyme sind, aber praktisch ganz verschiedene Duftstoffe freisetzen: "Inhalt" riecht nach Spaßbremsertum und Hausaufgaben, "Content" nach angesagtestem Fun und heißer Marketingluft. Durch ihre Namenswahl hält sich die Allianz auf der Soll-Seite
also schon mal geschickt den Rücken frei, weil übertriebene Erwartungshaltungen in puncto Qualität gleich am Empfang bodennah zurechtgestutzt werden und man alle Energien nach vorne richten kann, auf die Haben-Seite, die man dann ja im Rahmen des InhalteGipfels als "Chefsache" zu besprechen gedenkt, genauer gesagt sogar als "Chefsache im Bundeskanzleramt", heißt: ARD, GEMA und VDZ wollen ihre Angelegenheiten mit Merkel unter sich ausmachen, derweil sich die Medienzwergmassen im Begleitprogramm gegenseitig auf die kleinen Eier gehen können, da sind sie schön beschäftigt und nerven nicht die Chefs, aber vor allem verleihen sie der Berichterstattung diesen authentischen GraswurzelFlair, der sogar die Planwirtschaftskonspiration im Kanzleramt in dieses weiche, verzeihende Soft-Porno-Licht taucht - dann doch lieber weiter zum Begleitprogramm des Inhalte-Gipfels: Radikale Inhaltsschützer gehen auf die Nerven und fallen ins Wort, Contentmanager verteilen Gratispröbchen und militante Copyrightfighter demonstrieren für ein uneingeschränktes Kopierverbot. Die Deutsche Interessengemeinschaft Inhaltsverzeichnis (DIGI) und der Zentralverein Deutscher Inhaltsangaben (ZDI) werfen sich wechselseitig "vollinhaltliches Versagen" vor, der Verein Deutscher Inhaltsfälscher und Contentverdreher (VDIuC) wirbt mit niveauvollen Getränken um Verständnis und die Nörglergemeinschaft Deutscher Inhalt (NDI) richtet sich mit einem dramatischen Appell an "alle Inhaltefreundinnen und Inhaltsfreunde: Wenn es so weitergeht, wird die Zukunft inhaltsleer!" Raubdiskutierer, Fressesprecher und Inhalteversteher: volle Dröhnung Echtzeitverblödung! Nach diesem Inhalte-Gipfel bleibt nur noch festzustellen: Inhalte sind wirklich der letzte Dreck! Für ein besseres Morgen: Blitzkrieg on Bullshit! Kein Pardon! Keine Gefangenen! Aber macht euch trotzdem keine Sorgen, früher oder später niest das Hirn alles wieder raus, vor allem jetzt im Herbst und erst recht später im Winter - Endlich wieder keine Zeit zum Kochen!
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Die Stunde der Städte Tanzen in Bamako, Zelten in Ulan-Bator, Sparen in Las Vegas, Planen in Peking, Opernarien in der Pariser Metro – die Städte der Welt regen uns auf und ziehen uns an.
Edition Le Monde diplomatique, Heft 14 »Moloch, Kiez & Boulevard. Die Welt der Städte«, broschiert, 112 Seiten, ISBN 978-3-937683-45-4 8,50 €*
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monde-diplomatique.de 18.10.13 17:08
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