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01/02.2014

ELEKTRONISCHE LEBENSASPEKTE

Musik, Medien, Kultur & Selbstbeherrschung

Sounds

Raz Ohara, RiFF RaFF, L.I.E.S., Planningtorock, Untold & Illum Sphere

DJ Koze

Ganz oben, unschlagbar, immer wieder. Der unangefochtene Pampa-König.

COVER: MIKAEL GREGORSKY

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D 4,50- € AUT 4,50- € CH 8,80 SFR B 4,90 € LUX 4,90 € E 5,50 € P (CONT) 5,50 €

WIR WAREN NIE DIGITAL!

Leserpoll

Abgestimmt, aufgelistet, ausgewertet: so war euer 2013

ACTRESS

Exklusivinterview über Fußball und Geräusch

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KICK IT LIKE

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IRIEDAILY SPRING / SUMMER 2014 COLLECTION AVAILABLE SOON. MEET US AT BRIGHT TRADESHOW "Kaufhaus Jandorf" 15.01. – 17.01.2014 Booth 203/204 - Brunnenstrasse 19-21, 10119 Berlin IRIEDAILY IS A REGISTERED TRADEMARK LICENSED TO W.A.R.D. -GmbH. STYLED IN BERLIN. WWW.IRIEDAILY.DE INFO@IRIEDAILY.DE

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179 — BUG1 Zack Zdrale Tumult, 2013

LIEBE USERINNEN, LIEBE USER, der kommende Aufstand kommt dann doch nicht. Zum Ende des vergangenen Jahres rauschte uns von Seiten des medienindustriellen Komplexes noch einmal kräftig die Revolution an: Beyoncé inszenierte sich in "Superpower", perfekt zwischen Martial und Jeans-Werbung austariert, als anführende Aufständische. Es fiel schwer, nicht an das Video zu Kanye Wests und Jay Zs "No Church In The Wild" von Roman Gervais zu denken, das ebenso toll eine HDRevolutionsästhetik zusammenbraute und soft und sublim gegen alles, aber niemand bestimmtes zum Aufbruch rief (beide Songs warten übrigens mit einem Feature von Frank Ocean auf, von dem wir 2"14 ein neues Album erwarten). Auch der ständig gedroppte Hammersatz aus der dystopischen Umsturztrilogie "Tribute von Panem - Catching Fire" hängt noch nach: "Vergiss nicht, wer der wahre Feind ist." Aber wer soll denn das nur sein? Zugegeben, eine blöde Frage, doch wie erklärt das Ehepaar Knowles-Carter ihrem Buddy B. Obama, in eurem Leserpoll immerhin zweite Unperson des Jahres, all das?

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Noch ist nicht abzusehen, wann das so einnehmende wie leere Spiel mit Revolutionszeichen über den Hype hinaus in Aktion umschlagen könnte. Oder ob es einfach nur eine nachträgliche Übertragung von echten Revolutionsbildern aus anderen Teilen der Welt in Pop bedeutet. Es wäre dann der Beweis, dass Pop dieser Tage nur noch Prä sein kann. Zu Beginn ihrer Platte antwortet Beyoncé auf die Frage, was das Wichtigste in ihrem Leben sei jedenfalls: "To Be Happy." Das kam zum einen realer rüber, zum anderen erinnerte es an die Message, die der gesichts- und bisher sprachlose Burial über BBC Radio 6 verschickte: "I wanted the tunes to be anti-bullying tunes that could maybe help someone to believe in themselves, to not be afraid, and to not give up, and to know that someone out there cares and is looking out for them. So it's like an angel's spell to protect them against the unkind people, the dark times, and the self-doubts." Die drei kontroversen Tracks ergeben sich (wie bei Queen Bee) aus einer Mischung aus melancholischer Grundstimmung und seltsam euphorischer Melodie. Klingt bissi wie Coldplay (Titelmusik aus "Catching Fire"), klingt aber auch ziemlich fett. Pathos jedenfalls ist unser Begleiter auf dem Weg zum Umsturz.

Was vorerst aber zählt, ist nicht aufm Revolutionsplatz. Bei der diesmaligen Heftproduktion wurde gleich zwei Mal die Verbindung von elektronischer Musik und Fußball gezogen. In der Kraftwerk-Biografie erklärt Michael Rother, erst Kraftwerk, dann NEU!: "Wir hatten eine richtig gute Mannschaft mit mir und Klaus (Dinger) und Florian (Schneider) - er konnte sehr schnell rennen. Wir liefen alle gern schnell und mochten dieses Gefühl des schnellen Laufens und der schnellen Bewegung, das Vorwärtsstürmen, das war etwas, das wir alle gemeinsam hatten." Und unser Coverstar Actress, ebenfalls begeisterter Ballkünstler, zieht im einzigen deutschen Interview die Linie zu seinem R&B concrète: "Wenn ich spielte, gingen mir alle möglichen Eindrücke und Geräusche durch den Kopf. Und erst die Atmosphäre, die da herrscht. Beim Umziehen, beim Auslaufen auf das Feld, das Wetter, das Geräusch des Balls, die Leute am Spielfeldrand, die ganze Kommunikation auf dem Platz - das ist Sound! Und ich denke immer in Sound." In diesem Sinne: Brot, Beats und Spiele. Happy 2"14!

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179 — INDEX

PRÄDIGITAL

Internet schon wieder vorbei? Dabei hatten wir uns doch gerade erst an das Netz als Natur gewöhnt. Was bleibt, sind offene Fragen: Wie postinternet sind wir wirklich? Wie geht die Medienkunst mit der Netzkrise um? Und was können wir tun, um endlich echt digital zu sein?

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10 ACTRESS KICK IT LIKE MORDOR

80 MUSIK HÖREN MIT PLANNINGTOROCK

14 FLORIAN KUPFER MIT L.I.E.S. DURCH DEN HYPE WATEN

Darren Cunningham hat ein neues Album gemacht: "Ghettoville" ist großartig. Michael Döringer sprach mit dem Selbermacher über Heilung durch Sound und die Parallelen von Maschinen & Fußballschuhen.

Anlässlich ihres neuen Albums "All Love's Legal" haben wir mit Planningtorock Platten gehört und dabei über Feminismus, tolle Produzentinnen ohne Major-Deal und Ironieprobleme gesprochen.

Ron Morelli betreibt mit L.I.E.S. eines der derzeit spannendsten Labels. Anfang des Jahres holte er Florian Kupfer zu sich, um zwischen Berlin und New York House neu zu interpretieren.

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INDEX STARTUP 03 − Bug One: Editorial

34 LESERPOLL

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MUSIK Actress: Kick it like Cunningham L.I.E.S. & Florian Kupfer: Der Iro wächst nach innen RiFF RaFF: Neon Spinner Raz Ohara: Der Rastlose Musik hören mit: Planningtorock

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PRÄDIGITAL Internet ist kaputt War Postdigital besser? Roundtable: Internetkunst im Afterglow Wir sind nie Digital gewesen

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LESERPOLL Eure Hits & Lieblinge Interview mit DJ Koze Musiker- & DJ-Charts Unsere Meinung: AutorInnen-Charts

Wir haben gefragt, ihr habt geantwortet. Im großen Jahrespoll haben wir herausgefunden, was euch 2013 bewegt hat: Listen, Listen, Listen. Plus 1: Poll-Ruler DJ Koze hat auch noch etwas zu sagen.

»AUF DEM GRUNDE DES TRENDS MUSS MAN IMMER DAS GEGENTEIL VON IHM SUCHEN, DENN DORT FINDET SICH NICHT SELTEN, WAS GRUNDSÄTZLICH FEHLT: SINNBILD, SYMBOL, WAHRE ZEICHEN, DINGE VON DAUER. SWOOOOOSH!« Warum Logos wieder en vogue sind, Seite 52

MODE 52 − Go Logo: Zwischen rl und irl 54 − Modestrecke

WARENKORB 58 − Bücher: Twitter, Kraft werk & Wolfgang Herrndorf 60 − My Cloud EX4 & Stan Smith Sneaker 61 − Moto G & Jawbone Mini Jambox

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MUSIKTECHNIK Warstware: Konstruktive Ignoranz CDJ & MIDI: Pioneer CDJ 900 Nexus & iConnectivity Midi 2+ Fyrd Instruments MTRX-8: Hackbarer Sequenzer Yamaha Silent Piano: Klimpern gegen den Strich

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SERVICE & REVIEWS Reviews: Neue Alben und 12"s Abo, Vorschau, Impressum DE:BUG präsentiert: CTM, Karl Bartos, Ambientfestival & Transmediale A Better Tomorrow: Widerlicher Nachmerkel auf der Zunge

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ADVERTORIAL

DER NEUE MINI

KULT UND KONNEKTIVITÄT

Ein erster Blick auf den lang erwarteten neuen MINI in London: Wir waren exklusiv dabei und sahen bewährte Tradition und einen Blick in die Zukunft. Seit seiner Wiedergeburt unter der BMW Group im Jahr 2""1 ist der MINI Protagonist einer der größten Erfolgsgeschichten der jüngeren Automobilhistorie. Allein: Mehr als 2,5 Millionen MINI Modelle wurden seitdem ausgeliefert. Aber das Auto ist nicht nur Verkaufsschlager, sondern vor allem emotionales Kultobjekt zahlloser Fans. Für die Präsentation der neuen MINI Generation hat sich der Automobilhersteller aus München also etwas stilechtes ausgedacht: Direkt nach seiner Geburt ging das Auto auf Weltreise: London, LA, Shanghai. In drei Tagen. Den Anfang macht es natürlich in Oxford, wo auch

schon 1959 der erste classic Mini produziert wurde und in dessen MINI Werk nun erstmalig das neue Modell vom Band lief. Bei der Präsentation und Party im legendären "Sorting Office" am Abend spielten die Synthpopper von Fenech-Soler vor einem Publikum aus Fans und VIPs dem neuen MINI einige Ständchen. Auch sie sind urenglische Figuren eines "Cool Britannias", die der Gegenwart ins Auge blicken, ohne die Vergangenheit zu vergessen. Im Anschluss präsentierte das DJ-Team von Little Dragon den Partygästen ein amtliches Techno-Set. Und der dabei geworfene erste Blick auf das Gefährt wirkt vertraut: superkurze Überhänge vorn und hinten, steil stehende Frontscheibe, große Glasflächen, eine rundum führende Fensterlinie und ein scheinbar schwebendes Dach.

Das Auto ist heute ein Begleiter in unserer digitalen Lebenswelt.

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Aber was hat sich verändert? Um die charakteristische Form des hexagonalen Kühlergrills deutlicher zur Geltung zu bringen, wird erstmals ein fugenloser durchgehender Chromrahmen eingesetzt. Vor allem das Leuchtendesign erhält eine Neuinterpretation. Die bislang trapezförmig gestalteten Heckleuchten sind größer und präsenter. Durch die weit außen positionierten Heckleuchten wird zusätzlich der ausgeprägt sportliche Stand des neuen MINI unterstrichen. Als erstes Fahrzeug seines Segments kann das Auto optional mit LED-Scheinwerfern ausgestattet werden, die einen gewohnt frech anblicken. Am Blinklicht, so lässt sich mit Fug und Recht sagen, kommt das Gefährt zu wahrer Größe, hier findet Innovation statt. Mit neuer Grafik und klar gegliedertem Innenleben unterstreichen die Scheinwerfer und Rückleuchten des MINI den erwachseneren Auftritt des neuen Modells. Kurz gestaltete Überhänge sowie die in die Seite reichenden Front- und Heckleuchten lassen ihn aber trotz längeren Außenmaßen kurz und agil wirken. Was uns allerdings am meisten Freude bereitet, ist das nun sogar geräumigere Innenleben des Fahrzeugs: Stichwort Konnektivität. Das Auto ist heute weniger einsam galoppierendes Wildpferd denn je, sondern ein Begleiter in unserer digitalen Lebenswelt. Das hat MINI früh verstanden und setzt hier neue Maßstäbe. Hinter dem Lenkrad erscheint eine Oberfläche, auf der Drehzahl, Geschwindigkeit und Kraftstoffvorrat angezeigt werden, optional leuchtet ein klar gegliedertes, fast schwebendes Head-up-Display mit Kunststoffscheibe auf dem Armaturenträger. Das Rundinstrument dient dem Anschluss von iPhone, Verknüpfungen zu Facebook oder Twitter sowie den Wegweisungen des Navigationssystems. Startknopf, Cupholder, Gangwählhebel für das manuelle Sechsganggetriebe sowie ein Mousepad für die Steuerung des Zentralanzeigers teilen sich die Mittelkonsole. An das veränderte Cockpit wird sich der MINIfahrer gewöhnen: So befinden sich erstmalig alle fahrbezogenen Anzeigen in dieser kompakten Infotainment-Einheit vor dem Fahrer auf der Lenksäule. Aber das neue Interface, sowie der interaktive LED-Anzeigering der modernen Armaturentafel machen die ehemalige Mittelkonsole schnell vergessen, denn der Fahrer muss den Blick nicht mehr von der Fahrbahn wenden und sein Auge zwischen Fern- und Nahbereich umfokussieren. Wie gewohnt legt auch der neue MINI großes Augenmerk auf maximale Individualisierbarkeit. Etwa neue Auswahlmöglichkeiten beleben die MINI typischen Farb- und Materialumfänge und erlauben es, seinen eigenen passenden MINI zu konfigurieren. Letztlich zeigt sich am MINI die DNA eines erfolgreichen globalen Produkts: Starke Geschichte, technisch ambitioniert, flexibel, zukunftsorientiert. Er ist Traditionsbewahrer, der Zukunft wagt. Zwar sah die Londoner Präsentation noch keine Tour vor, aber die serienmäßig verbauten Drei- und Vierzylinder für den Vortrieb lassen schlussendlich auf Schnelligkeit schließen. Wendig ist er sowieso. Im Frühjahr 2"14 kommt der neue MINI dann zu den Händlern.

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179 — STREAM

#handarbeit

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Das ist eine "DJ/Designerhand mit iPhone". In der Postinternet-Ausstellung (und es gab viele!) des Jahres 2"13 präsentiert Josh Klein auf Ladenregalen mit LED-Beleuchtung insgesamt zehn solcher pigmentierter Silikonhände von Kreativarbeitern. "Speculations on Anonymous Materials" liefert die Zusammenfassung einer neueren Internetkunstgrammatik und es sind menschliche Hände, die einem dort ständig begegnen. Als Hands-on-Objects und -Ästhetiken, die aus dem Netz heraus in die Realworld und wieder zurück transmitten - ihr Gebrauch

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globaler Kommunikationswerkzeuge, Smartphone-Wischs und Mausklicks, unter denen sich die Bildkultur nun offenbar radikal 채ndern soll. Das Kasseler Fridericianum, immerhin eines der 채ltesten Museen der Welt, bleibt noch bis zum 26.Januar mit der freshesten Kunst der Welt gef체llt. Josh Kline "Creative Hands", 2"13 Foto: Achim Hatzius Courtesy Josh Kline und 47 Canal, New York

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179 — ACTRESS

BILD MIKAEL GREGORSKY

KICK IT LIKE CUNNINGHAM

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ACTRESS 15.12.13 14:57


TEXT MICHAEL DOERINGER

Wenige Produzenten können einen so eigenen Sound vorweisen wie Actress. Er ist Thom Yorkes LieblingsDJ, aber auch Autechre finden seinen "R&B concrète" interessant. Und seit Aphex Twin haben sich Technik-Nerds selten so gewundert, wie jemand die Maschinen auf diese bestimmte Art zum Singen bringt. Seine neue LP ist ein unverkennbares Stück Actress geworden und in vieler Hinsicht radikaler als die letzten Alben. Der schmale Grat zwischen Dancefloor und Geräuschkulisse, den der unnahbare Produzent entlangwandelt, er verschwindet im trüben Regenwetter von "Ghettovile" schnell aus dem Sichtfeld. In diesem einzigen deutschen Interview erzählt uns der 34-jährige Engländer und Werkdiscs-Chef, warum er so lange auf seinen neuen Tracks herumgehackt hat, bis es endlich kein Techno-Album mehr war. Außerdem erfahren wir viel über seine andere Leidenschaft - Fußball. Hätte sich der junge Cunningham nicht kurz vor der großen Karriere verletzt, dann würde man heute nämlich aus der Kabine des englischen Nationalteams Terrence Dixon und Carl Craig hören. Es gibt eine bestimmte Sorte Musikerinnen und Musiker, an denen man als Journalist zu Grunde geht. Sie geben "normalerweise keine Interviews". Es ist ihnen "völlig egal, was über sie geschrieben wird". Reviews der eigenen Platten lesen? "Fuck off". Diese Künstlerinnen und Künstler zelebrieren ihre PR-Aufgaben gerne so katz-undmausig, dass Promoter jammern und Autoren verzweifeln. Der Journalist findet sich plötzlich in einer Situation, in der er die Musiker praktisch zur Öffentlichkeit zwingen muss. Es gibt eben auch gute Gründe, warum man sich diesem Terror aussetzt: die brillante Musik, die diese Damen und Herren fabrizieren, und selbstverständlich der heilige Auftrag, liebe Leserschaft, euch hintergründige Personality-Storys zu liefern. Darren Cunningham alias Actress ist in mancher Hinsicht so ein heikler Fall, ein unfassbarer, glitschiger, dreiäugiger Fisch in zaudernden Schreibtischtäter-Händchen. Zugegeben, für diese Geschichte hat alles verhältnismäßig reibungslos funktioniert. Aber von der Realität soll man sich ja nie einen guten Einstieg kaputt machen lassen. Es ist auch nicht so, als wäre es nicht schon passiert: Anfang 2"12 war

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im Hause DE:BUG alles vorbereitet, um Actress kurz vor Veröffentlichung seines letzten Albums "R.I.P" einen höchstverdienten roten Teppich über viele Seiten auszurollen. Die skurrilen Details sparen wir uns, geklappt hat es jedenfalls nicht. Ob das nun eine vorsätzliche Gemeinheit war oder nicht - nichts ist besser, um das öffentliche Rebellentum noch ein bisschen unberechenbarer wirken zu lassen. Bad Boy Cunningham? Halb so wild, verglichen mit einem Twitter-Hooligan wie Zomby oder Autechre, den Königen der feinen englischen Art des Sich-AmArsch-Lecken-Lassens. Actress ist genau deshalb gefürchtet, weil er eben nur sehr wenig von sich hören lässt. Konfusion durch Nicht-Information. Promoter zittern, dass er nicht zum Gig auftaucht, und schicken schon mal Limousinen mit Begleitpersonal. Und wenn Actress auftritt, dann kann vieles passieren: ein legendäres DJ-Set oder eine noisige Geduldsprobe für vollbepackte Clubs zur Primetime. Darren kommuniziert lieber via Tracks. Wenige Producer haben in den letzten Jahren so eigensinnige und treffsichere Klänge aus ihren Geräten geschunden wie Actress auf seinen Alben "Splazsh" (2"1") und "R.I.P" (2"12). Zwischen weißem Rauschen und 4/4-Bassdrum, im TechnoHouse-Kontinuum geerdet und auf Ambient-Gewitterwolken wandernd, nicht totexperimentiert, sondern mit perfektabstraktem Groove lieferte Actress in gewisser Weise die musikalische Essenz der letzten fünf Jahre. Hatte man den sprechenden Titel seines letzten Albums schon als eine Art Abgesang gedeutet, lieferte die Ankündigung seines jetzt erscheinenden neuen Albums "Ghettoville" den Endzeitknaller. Mit sehr rotzigen und poetischen Worten ließ Darren Cunningham verlauten: hier kommt die "conclusion of the Actress image" - "the machines have turned to stone", "zero satisfaction", "no teeth, pseudo artists" und noch viel mehr melancholische Negativität, die nahelegt: Hier hat jemand die Schnauze voll. War's das also? Ist dies die letzte Actress-Platte für alle Ewigkeit? Darren zögert keine Sekunde, den Schleier der Verwirrung erstaunlich direkt zu lüften: "Das ist relativ unwahrscheinlich, um ganz ehrlich zu sein", sagt er über Skype, in seiner Wohnung im Osten Londons. "Ich mag sowas. Ich finde es richtig gut, dass ich das einfach so in den Raum stellen

»Ich sehe Musik als etwas Heilsames. Nicht nur im euphorischen Sinn, aber wir erwarten von Musik, dass sie uns in irgendeiner Weise hilft.«

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kann. Weil ich an einem bestimmten Punkt so fühlte, als ich die Musik verfasst habe. Man darf solche expressiven Momente nicht unter den Tisch fallen lassen, weil sie Teil des ganzen Prozesses sind, ein Nebenprodukt dessen, was in ein Album einfließt. Ob das nun Selbstvermarktung ist oder sonst etwas, ist mir egal. Es ist alles miteinander verwoben." Ein Schelm. Die Noten zerstören Die unheimliche, melodiöse Verträumtheit seiner letzten beiden Platten tritt nun hinter bleischwere, oft quälend langsame Beats zurück. Die Tuchfühlung mit dem Dancefloor, die "Splazsh" so euphorisch zelebriert hat, muss man in diesem monochromen Regenwetter erst mal suchen. "Ghettoville" ist das Ergebnis vieler, immer wieder neu bearbeiteter Skizzen: "Als ich mir die ersten paar Entwürfe anhörte, hatte ich das Gefühl, dass ich mit dieser Platte viel zu dicht an Techno dran war. Sie drückte nicht das aus, was ich wollte. Also habe ich nachgebessert, Noten zerstört, Kompositionen zerhackt und komplett kaputtgemacht bis zu dem Punkt, an dem alles total wild war. So wollte ich es haben, rough. Eine robuste Skizze davon, wie es im Moment um mich steht." Vielleicht war es nur ein glücklicher Moment, doch an diesem NovemberNachmittag spricht ein äußerst unkomplizierter Darren Cunningham, aus dem viele inspirierende Gedanken sprudeln. Der einigermaßen genau weiß was er macht, aber viel genauer weiß, was er kann und will. Mögen manche seiner Statements auch arrogant wirken, er mutet jedenfalls ordentlich selbstbewusst an. Trotzdem sollte man jemanden wie Actress nicht zuletzt nach seiner Kunst beurteilen, und die ist magisch subtil, meistens introvertiert und fast demütig; alles, nur nicht ausladend oder großkotzig. Schwer beeindruckt nimmt man dann Sätze wie diesen zur Kenntnis: "Würde meine Gesundheit und Fitness stimmen, wäre ich heute ein bekannter Fußballer, da bin ich mir ziemlich sicher." Ein kurzer Lacher folgt, aber kein ironischer. Hätte sich der 1979 geborene und in Wolverhampton (vom Logo des dortigen Fußballclubs hat er sich offensichtlich für einige Cover-Designs inspirieren lassen) aufgewachsene Darren nicht mit 19 Jahren schwer verletzt, wäre es nach seiner Aussage noch ein Katzensprung zur Profikarriere bei seinem Verein West Bromwich Albion gewesen. Dann wäre wohl alles anders gekommen. "Wenn man sich vollkommen dem Training unterwirft und hart arbeitet, um ein Profi-Spieler zu werden, wird es zu deinem Leben. Und wenn das auf einmal verschwindet, dann hast du Probleme.

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179 — MUSIK

Ich hatte eine Zeit lang ernsthafte, psychische Schwierigkeiten und musste mich von dieser Veränderung lange erholen. Das ist der wichtigste Grund, weshalb ich Musik mache. Musik hat mir das Leben gerettet. Ich musste etwas finden, dem ich mich ähnlich stark widmen konnte wie Fußball. Es ist ja auch wirklich symmetrisch: Ich stehe jeden Tag auf und trainiere. Ich trainiere im Studio, weil ich eigentlich in nichts wirklich gut bin. Ich beherrsche zwar eine bestimmte Art zu arbeiten, aber es gibt immer neue Dinge und Maschinen, die man meistern will!" Der Weg vom Torjäger zur deepexperimentellen Electronica mag lange wirken. Doch damit kann man Actress nicht kommen, leidenschaftlich verteidigt er die Kunst des Kickens: "Die Spieler stehen ja auch nicht mit komplett leeren Gedanken auf dem Rasen. Wenn ich spielte, gingen mir alle möglichen Eindrücke und Geräusche durch den Kopf. Und erst die Atmosphäre, die da herrscht. Beim Umziehen, beim Auslaufen auf das Feld, das Wetter, das Geräusch des Balls, die Leute am Spielfeldrand, die ganze Kommunikation auf dem Platz - das ist Sound! Und ich denke immer in Sound. Das ist, was ich jeden Tag im Studio zusammenkalkuliere. Ich synthetisiere Geräusche." Als der Traum von der großen Sportkarriere in die Brüche ging, zog Darren nach London und konzentrierte sich auf die Musik. Auf der ersten bedeutenden Bühne stand er Anfang der 2"""er bei einer von Kode9s frühen Hyperdub-Partys. Sein eigenes Werkdiscs-Label gründete er bereits 2""4, als er schon länger eigene Clubnächte unter diesem Namen laufen hatte. Dort veröffentlichte er seine erste, und für vier Jahre vorerst letzte Platte, die "No Tricks"-12". Werkdiscs machte sich schnell einen Namen mit Releases von Lukid und Actress selbst, Zombys legendärem Album "Where Were U In '92?" oder jüngst von Platten von Moiré und der Hamburgerin Helena Hauff. Mittlerweile gehört das Label zur Ninja-Tune-Familie, doch Actress hält noch immer die Zügel in der Hand. Was er sich von Künstlern auf seinem Label erwartet? "Ich will die Attitüde der Leute heraushören, ihren Charakter aus ihrem Sound herlesen können. Und eine Art bescheidene Vision wünsche ich mir, die trotzdem entschieden ist." Bei Helena Hauffs fantastischer Maxi "Actio Reactio" etwa kann man das genau so unterschreiben. Sound, das ist sowieso der Fixstern am Actress-Firmament. Seit den selbstgelöteten Schaltkreisen von Richard James haben die Technik-Aficionados aus Technohausen selten so nachdrücklich gefragt: Wie macht der das? Niemand klingt wie Actress, und wenn doch, dann klingen

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»Ich stehe jeden Tag auf und trainiere. Ich trainiere im Studio, weil ich eigentlich nichts wirklich gut beherrsche. Aber es gibt immer neue Dinge und Maschinen, die man meistern will! «

sie alle nach Actress. Schon auf seinem ersten Album "Hazyville" (2""8) sprachen seine Sample-basierten Zerschredderungen von Detroit'schem Erbe und R'n'B ("R&B concrète" ist gerade für die neue Platte eine immer noch wundervolle Beschreibung) einen so idiosynkratischen Dialekt, den er bis heute weiter kultiviert und in neue Farben tunkt. Und was in seinem Studio steht, bleibt weiterhin Cunninghams best kept secret. "Einerseits ist es intim, andererseits schwer zu erklären. Nach all den Jahren als Produzent habe ich eine Methode gefunden, meine Musik aufrichtig und einzigartig zu machen, Punkt. Unabhängig vom Stil. Technisch war ich anfangs wirklich nicht besonders clever, es beruhte alles auf Faszination: Ich bekam zum Beispiel eine neue Drummachine und wollte verstehen, wie ihre Mechanik funktioniert. Viel später erst konnte ich versuchen, damit auch etwas zu erschaffen." Es sei mit Equipment wie mit, was sonst, Fußballschuhen: die Spieler tragen sie einfach gerne, und denken nicht groß darüber nach. Unerklärliche Erklärungen Darren offenbart seine paranoide Seite, wenn er von Selbstschutz und Leuten redet, die gerne Tracks analysieren: "Ich höre meinen Groove in der Musik von anderen, ich merke das! Es gibt bestimmte persönliche Nuancen, die ich in meinen Groove einbaue, und das fällt auf, wenn jemand sich meine Tracks sehr genau angehört hat." Nichts ist deshalb schöner und glaubwürdiger als die unerklärliche Erklärung dafür, wieso Actress so klingt, wie er es tut: "Ich habe meine Geräte, doch wie alles zusammenkommt, wie ich es zusammenfüge, das entzieht sich mir oft. Ich verändere dauernd mein Setup, um zu anderen Ergebnissen zu kommen. Ich stecke Dinge ein und aus, ändere Einstellungen an den Synthesizern und Effektgeräten, nichts bleibt lange wie es ist. Es gibt auch in der Musik viele natürliche Phänomene, die sich nicht erklären lassen. Man erwischt bestimmte Augenblicke und glückliche Zufälle, die man einzufangen versucht, um dann mit ihnen zu arbeiten. Viele Produzenten arrangieren ihre Musik auf eine bestimmte Weise. Ich habe bis heute höchstens zwei oder drei Ansätze, wie ich eine bestimmte Idee umsetzen kann, der Rest

ist reines Experimentieren." Die Suche nach den unerhörten Sounds ist bei Actress ein endloses Arbeiten im Bergwerk der Klänge, ein Abtragen, Ausbuddeln, Zuschütten, Zurechthauen und Freilegen, Sampling und Re-Sampling, Nachbearbeiten, Aufbauen und Dekonstruieren, Kontexte sprengen. Nach wie vor gilt sein Credo, das er vor ein paar Jahren ausgegeben hat: die Welt als Klang nachbauen und Musik als etwas Physisches behandeln. "Ich will Sinneseindrücke erzeugen. Wahrscheinlich bearbeite ich meine Tracks nicht so minutiös wie beispielsweise Autechre, aber ich versuche instinktiv, Sound als etwas zu begreifen, das aus Molekülen besteht. Unsere Körper bestehen ebenso aus Molekülen, und wie sich auf dieser Ebene alles beeinflussen könnte, finde ich absolut interessant. Eigentlich sehe ich Musik auch als etwas Heilsames, auf das wir reagieren. Nicht immer im euphorischen Sinn, aber wir erwarten von Musik, dass sie uns in irgendeiner Weise hilft." "Ghettoville" ist damit auch eine Selbsthilfe, die dokumentarische Aufarbeitung einer vergangenen Zeit. Als offizieller Nachfolger der ersten Platte "Hazyville" knüpft es an einen älteren, ausgefransteren Sound an, als er auf den beiden mittleren Alben präsent war. "Diese Platte bildet einen Moment ab, an dem ich praktisch die ganze Welt bereist habe. Ich bin in viele merkwürdige Situationen geraten, und fühlte mich oft in einer Art 'dead zone': man ist viel in Flughäfen, fliegt irgendwo hin und kann nicht viel schlafen, bevor man auftritt. Das sind Zeiten extremen Drucks, in denen man professionell bleiben und die Dinge durchziehen muss. Aber man versucht auch, ein wenig Spaß dabei zu haben. 'Ghettoville' ist das Produkt dieser Zeit, von all den Eindrücken, Landschaften und Menschen, auch des Nachhausekommens und der Konfrontation mit der alten Umgebung. Das alles ist am Ende in die Musik geflossen." Ein Album als Emotionsgemälde also. Mehr gibt es nicht zu verstehen? "Ich sehe meine Musik immer noch als Bildende Kunst", sagt Darren. "Kunst ist oft schwer verdaulich, und manchmal ist es einfach unmöglich herauszufinden - auch für den Künstler was sie bedeutet." Auch das musste mal wieder gesagt werden. Schlusspfiff.

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Actress, Ghettoville erscheint am 24.01.2014 auf Werkdiscs / Ninja Tune

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FOTO LARS HAMMERSCHMIDT

FLORIAN KUPFER DER IRO WäCHST

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TEXT MICHAEL ANISER

Long Island Electrical Systems aus Brooklyn, kurz L.I.E.S., ist eines der interessantesten Labels des Jahres. Gründer Ron Morelli, der 2"13 selbst ein fantastisches Album releaste, inspiriert seine Herde zu karg-kratzigen House-Innovationen, die so ansteckend unterhaltsam wie kohärent sind. DE:BUG ist mit dem aus Wiesbaden stammenden Label-Artist Florian Kupfer eine Runde durch den Hype gewatet. Ich stehe mit Florian in der Pflügerstraße in Berlin vor dem Berlin Community Radio Studio herum und wir rauchen eine Zigarette. Er kommt gerade von seinem Job im Record Loft, dem Second-HandPlattenladen, den Christian Pannenborg in Kreuzberg betreibt und der laut Fact Magazine gerade der angesagteste der Stadt sei. Im Studio spielt White Materials DJ Richard seine Radioshow ein, Mykki Blanco sitzt am Tisch und isst einen Burrito. Ganz schön viel Hype um uns herum. Florian ist erst vor ein paar Monaten nach Berlin gezogen und hat sich, mit dem L.I.E.S.-Release im Rücken, schnell in die lokale Szene hereingespielt. Von Keller zu Keller Das New Yorker Label L.I.E.S. schreibt seit einigen Jahren an einer düster-kratzigen Neuinterpretation von elektronischer Musik zwischen Techno und House, die vor kurzem vom Guardian ziemlich holprig als "Outsider House" beschrieben wurde. Labelboss und DJ Ron Morelli hat gerade seine Soloplatte "Spit" auf Dominick Fernows Label Hospital Productions herausgebracht. Ein Album, auf dem er sich auch Abseits

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vom Labelgeschäft mal richtig austoben und schön garstige Tracks abliefern darf. "Ich komme vom Skateboarden, von der Rap-Musik der Achtzigerjahre. Ich bin ein Produkt der 8$er, ich tauche in Underground-Subkulturen ein, you know, ich entwickelte mich von einem Keller in den nächsten. Und so ist das bis heute. Das ist eigentlich alles." So straight sich Morelli gibt, so gerade und nahezu klassisch war auch Florian Kupfers Weg zum Signing: Er schickte sein Demo an die SoundcloudAdresse und fertig. Alles easy. Doch wie kommt man eigentlich als junger Mensch in Wiesbaden auf die Idee, House zu produzieren? Seine musikalische Geschichte beginnt zwar mit dem Musikgeschmack seiner Mutter, doch so richtig los geht es ganz woanders: "Ich bin mit acht Jahren in den Kirchenchor gegangen, das war richtig professionell, sechs Tage die Woche Proben, Sonntagmorgens in die Kirche - und das sieben Jahre lang." Über die ersten HipHop-Beats kam er zu Drummachines und Synths. Am wichtigsten, sagt Kupfer, sei für ihn allerdings so eine Art Genie-Gedanke. Für ihn ein "Verlangen, Musik zu machen". Er könne auch gar nicht anders, nachdem er die Schule abgebrochen hat um sich ganz der Musik zu widmen. Das ist doch auch irgendwie Punk, oder? Kupfer weiß nicht so genau. Und wie ein Punk sieht er ja auch nicht aus. Vielleicht von der Einstellung her, der Iro wächst da halt eher nach innen. Vor allem geht es um Individualität, die man am besten ja doch in der Peer Group entfalten kann. "L.I.E.S. beeinflusst einen dahingehend definitiv, aber auf eine sehr

transparente Weise. Das Label motiviert mich mit dem Gefühl, dass alles möglich ist. Dadurch tust du das, was du eh in dir hast. Du denkst dir nur - wow, das ist möglich, das ist so gut und schön. Manches klingt vielleicht ähnlich, deshalb nennen das die Leute auch einen Sound. Es sind aber alle Genres dabei. Zum Beispiel Aufnahmen von Marcos Cabral von 1999, von irgendwelchen Tapes oder Mini-Discs gezogen. Es geht um Qualität und darum, dass man etwas Persönliches abliefert und nicht etwas, das man schon drei Mal irgendwo gehört hat." Terreke, Vereker, Delroy Edwards oder Steve Summers - auf L.I.E.S. wird House immer wieder neu ausgelotet. Und doch klingt das alles relativ klassisch, irgendwie auch abgerockt: eine Drummachine mit ein paar Claps, fertig. Da kommen wir dann schon wieder zurück zum Punk: drei Akkorde und so weiter.

Wie kommt man als junger Mensch in Wiesbaden auf die Idee, House zu produzieren? Die musikalische Geschichte beginnt mit dem Musikgeschmack seiner Mutter.

Russische Torrent-Versionen Im März 2"13 spielt Nina Kraviz eine Bootleg-Version von "untitled", einem Track von L.I.E.SArtist Vereker im Moskauer Club Arma17. Davon taucht ein Video auf Facebook auf. Ron Morelli twittert schlicht: "Contrary to what you may want to believe i have nothing to do with this, it's actually some kid from the Ukraine or some shit." Angeblich ist das Bootleg auf der russischen Releasebörse Funkysouls aufgetaucht. Bald kommen die Platten auf dem Label Russian Torrent Versions raus, wo auch Florian Kupfer mit zwei Releases vertreten ist. Was hat es damit auf sich? Ist das ein ironischer Kommentar zur künstlichen Verknappung vieler Labels, die mit limitierten Pressungen Hype

erzeugen? Oder ein smarter PR-Move von Ron Morelli? Die Platten kommen in ganz zurückhaltender Aufmachung daher, und sind, wenn man den Discogs-Kommentaren Glauben schenken mag, nicht wirklich gut geschnitten und gemastert. Das klingt doch alles auch ein wenig nach Konzept. Florian sieht das anders, L.I.E.S. sei einfach ein Label. "Es geht darum, den Künstlern Raum zu bieten um Stücke herauszubringen. Es gibt einfach zu viele Tracks, die gut sind - und die müssen raus. Und es kann nicht immer das selbe Format sein", sagt Florian. Dann also doch wieder wie ein Online-Release, einfach um Masse zu schaffen? "Die Quintessenz des Ganzen ist, dass auf L.I.E.S. einfach Künstler sind, die fette Musik machen. Es hat auch gar keinen Sinn, darüber zu diskutieren, was für ein Label das ist und woher das kommt. Schlussendlich geht es eigentlich nur um den Track. Das kann noch so aufwändig verpackt und produziert sein, wenn die Musik nichts taugt, dann schmeißt du das doch einfach weg." Zwei Wochen später treffe ich Florian noch mal im Berliner Chester's, wo der legendäre Amerikaner Traxx auflegt, und sich selbst an dem Abend nicht als DJ, sondern als Visionär bezeichnet. Ich frage Florian, wie er es denn findet, dass Rips seiner Tracks jetzt auch im Internet auftauchen. Er findet das gar nicht gut. Es geht ihm immer noch hauptsächlich darum eine klassische Platte herauszubringen. Das ist also House im Jahr 2"13 immer noch: etwas sehr Klassisches.

Florian Kupfer/Vereker und Lifetrax, sind auf L.I.E.S. erschienen.

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179 — MUSIK

RIFF RAFF NEON

S P I N N E R

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RiFF RaFF, Neon Icon, erscheint am 28.01.2014 auf Mad Decent.

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TEXT ALEXANDRA DROENER

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Sich mit Riff Raff zu beschäftigen, ist in etwa so amüsant, wie auf einen überkandidelten Kindergeburtstag zu geraten: zu laut, zu klebrig, zu bunt. Hauptsache, die Kleinen haben ihren Spaß. Oder ist der selbsternannte James Franco des Rapgame vielleicht doch superschlaues Genie und riff-raffinierte Geschäftsmann? Riff Raff, das ist der Manngewordene Untergang des Raps, die HipHop-Pippi-Langstrumpf mit den Versace-Braids und den Husky-Augen. Ein Redneck aus Houston, mit schlechten Tattoos und noch schlechteren Videos. aber sie haben ihn zu dem gemacht, was seine aktuelle Label-Heimat Mad Decent als den "viralsten Menschen überhaupt" bezeichnet. Riff Raff, the virus. Man könnte ihn schnell zum Idioten deklarieren, wäre die Erfolgsgeschichte des exzentrischen und völlig schambefreiten Rappers nicht ein Lehrstück in Sachen amerikanischer Mythologie, ausgetragen im Netz und auf dem Rücken der Medien. Riff Raffs Aufstieg vom Underdog zum bunten Hund begann mit einem etwas unübersichtlichen Plot: Um es unter allen Umständen ins Rampenlicht zu schaffen, heuert er als Kandidat bei "From Gs to Gents" an, einer der vielen unsäglichen MTV-Shows, vergleichbar vielleicht mit dem deutschen Makeover-Format "Das Model und der Freak". Fernsehmüll für die Stulle-Generation. Aber auch ein zu läuternder Pseudo-Gangster hat auf amerikanischen Mattscheiben bitteschön stromlinienförmig zu sein. Nicht so Riff, der Unvorhersehbare. Es gibt Zoff, er fliegt schon in der zweiten Folge raus, trotz oder wegen des krakeligen MTV-Tattoos auf seinem Oberkörper - wir wollen es gar nicht so genau wissen. Aber sei’s drum, der eigene Name in den Schlagzeilen, das war das Ziel. Und nach Jahren des unentschlossenen Tingelns in der Codeinschweren Houstoner HipHop-Peripherie, bekommt Riff Raff die Aufmerksamkeit, auf die er ein Recht zu haben meint. Für ihn ein Menschenrecht.

Solo-Flashmob und Mitraphymnen Er spickt das Netz mit abstrusen FreestyleVideos, blendet seine Handynummer ein und will unbedingt loswerden, was der Rest von uns so dringend schützen möchte: seine Privatsphäre. Und der Plan geht auf. Die Kids, aufgewachsen mit Adult Swim, Darwin dem Ikea-Äffchen und dem ständigen Hintergrundsummen peinlicher Promis von Kanye bis Kutcher, erkennen in dem plappernden DIY-Original die Essenz digitaler Popkultur. Ein Solo-Flashmob, der sich in seinem Apartment filmen lässt, wie er mit dem Sturmgewehr im Arm und einer seiner vielen bonbonfarbenen Carrera-Brillen auf der Nase, fiese Nudeln von niedlichen Mädchen gekocht bekommt, was dann, warum auch immer, mit ekligem Brei in schwarzen Plastiktüten und einem Jagdmesser endet. Nur ein Beispiel von vielen. Klappernde Mitrap-Hymnen, die von den vergnügungssüchtigen Eingeweihten geteilt werden, wie die neueste "Grumpy Cat"-Caption. Bald findet sich ein Manager,

komischer Kunstschreck über die Art Basel, erzählt von alkoholisierten HighschoolKapriolen und lässt sich von Diplo auf PromoParty-Tour schleppen. Er ist nicht mehr ganz jung, 31 immerhin, keine dummbratzige Miley, deren Identität unter jahrelanger medialer Kontrolle mit heißer Klinge ausgebrannt wurde, sondern offensichtlich ein echt Gelebter, der seine Dada-Reime aus allem was Alltag, News, Fernsehen und Fashion an polemischen Fetzen so hergeben, zusammensucht. Und egal, wen man fragt, von Diplo bis rapgenius.com, alle bescheinigen dem erratischen Formwandler den Intellekt eines sozialklugen Comedians gepaart mit der Geschäftstüchtigkeit des uramerikanischen Selfmade-Man. Glauben wir das? Das Thirtysomething-Rap-Wunder mit dem Masterplan? Stange statt Wrack Viel authentischer erscheinen in diesem Getöse die düsteren Untertöne: Wenn Riff Raff erzählt, dass er meist allein ist, weil immer alles genau nach seiner Nase gehen muss - welche Freundin mache da schon mit. Wenn er erkennt, dass er trotz der Aufmerksamkeit und all der oberflächlichen Insignien, des Blings und der Know-what-IMeans, längst nicht als Rapper anerkannt wird und in einem der vielen Video-Interviews zu dem bitteren Schluss kommt: "If I would be a different race, nobody would question that." Vielleicht ist, was wir sehen, aber tatsächlich das, was wir bekommen. Denn was uns da aus diesen fast durchsichtigen Augen anstarrt, ist ein multitoxischer lost boy, ein weggeschossenes, in einem unsteten Flow treibendes, talentiertes Kind, ein Fest für jede Suchtberatungsstelle. Auch daraus macht Riff Raff keinen Hehl. Was immer es sein mag, was er außer Wodka und Bier in sich hineinkippt, ist zumindest entertaining genug, um uns bei der Stange zu halten und ihn nicht in ein totales Wrack zu verwandeln. Noch nicht. Und vielleicht ist ihm das angekündigte Album "Neon Icon" ja sogar gut gelungen, gut genug zumindest um den Status Quo zu wahren. Die erste Single "How To Be A Man" ist kaum etwas anderes als ein professionelles aber seichtes HipPop-Stück. Wenn Riff Raff nicht noch zu ganz neuer Form aufläuft, könnte ihm die wachsende Professionalität, die Mad Decent ihm bietet, eher schaden als nutzen und die Ecken und Kanten und den so gut funktionierenden Do-it-yourself-Wahnsinn aufweichen. Jetzt muss sich zeigen, ob der virale Mensch überall bestehen kann oder ob in real life am Ende den digital star killt.

Der viralste Mensch der Welt? Riff Raffs Währung heißt Wahnsinn.

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Riff Raff macht Mixtapes, wird gesignt und herumgereicht, von Kollabo zu Kollabo, von Andy Milonakis zu Action Bronson – ein durchgeknalltes Vanilla-Ice-Maskottchen, der kleine König des Internets mit der Kernkraft Selbstdarstellung. Riff Raffs Währung heißt Wahnsinn. Nicht der böse, blutrünstige Wahn seines Look-alikes, dem Teenie-Flüsterer Alien aus Harmony Korines "Springbreakers", auch wenn die Parallelen zwischen dem brutalen, neonkalten Spaßfaschismus der amerikanischen Awesome-Kinder im Film und seinen eigenen überreizten Fans und Freunden offensichtlich sind. Riff Raffs cartoonisher Größenwahn ist ein existenzieller, sich selbst ausprobierender Schabernack, mehr Klingelstreich als Homicide; das Sturmgewehr ist aus Plastik. Sein wanderndes Hirn assoziiert ungebremst vor sich hin, ein Segen für die unzähligen Online-Medien, die die Kameras ihrer klickhungrigen Bewegtbildkanäle dankbar auf Riff, die entgleisende Content-Schleuder richten. Gib uns! Gib uns, gib uns! Und Riff Raff gibt, schließlich hat er lang genug darauf hingearbeitet. Er mache "alles", wie er immer wieder sagt. Er leckt Journalistinnen die Hände, schlendert als

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179 — MUSIK

TEXT LEA BECKER

O

RAZ DER

HARA RASTLOSE

»Ich habe versucht, etwas Unschuldiges zu machen.« Raz Ohara ist ein Entdecker. Auf “Moksha“, seinem ersten Solo-Album seit über zehn Jahren, durchstreift er rätselhafte Klangwelten. Und hat die Leitung dem Zufall überlassen. "Moksha" ist ein Album wie eine Höhle, nur mit Wänden aus Sound statt aus Fels. Raz Ohara nimmt die Hörer mit auf eine Entdeckungstour durch diese Soundgrotte; gemeinsam irrt man an abstrakten Klangwänden entlang, befühlt sie mal sanft, fühlt sich dann beinahe bedroht von den imposanten Tongebilden. Und wenn man ganz genau hinhört, dringen dann und wann leise Melodien in die Höhle, bemächtigen sich langsam des Raumes, nur um sich dann ganz unvermittelt aufzulösen, wie so vieles auf diesem Album. Einzelnen Klängen hängt Ohara nach, als seien sie kleine, wundersame Naturereignisse. Töne und Rhythmen verdichten sich im Verlauf der Tracks zu Kompositionen, die an rätselhafte Gesteinsformationen erinnern – unmöglich zu sagen, welche Umstände sie im Laufe der Zeit herbeiführten. Der charakteristische Sound von "Moksha" ist maßgeblich ein Zufallsprodukt. "Ein Freund von mir hat in der Nähe von Hamburg ein paar Trommeln mit einem kleinen Aufnahmegerät abgenommen und mir später die Soundfiles gegeben", erzählt

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Ohara. “Sie wurden, mit Filtern bearbeitet, zu einer Art Motor der Platte und ziehen sich durch das gesamte Album." Angetrieben von diesem Motor beschäftigte sich Ohara, mit bürgerlichem Namen Patrick Rasmussen, fünf Monate lang intensiv mit den Aufnahmen. Den Winter über zog er sich in seiner Wohnung in Berlin zurück. Die Arbeit am neuen Album sei anders gewesen als in den letzten Jahren, in denen er vornehmlich gemeinsam mit Oliver Doerell unter dem Namen Raz Ohara & The Odd Orchestra produzierte. Durch den fehlenden Austausch mit einem kreativen Gegenpart sei zwischen den einzelnen Arbeitsschritten viel weniger Zeit vergangen. Es sei ein konzentrierteres Arbeiten gewesen, an dessen Ende nun auch ein konzentrierteres Album stehe. Fast alle Klänge wurden analog aufgenommen und später elektronisch verfremdet. Trommeln, Glocken, Gitarre, Klarinette und Vocals verleiht Ohara durch Halleffekte und rückwärts abgespielte Loops ein Eigenleben. So entstanden sieben Stücke, auf denen langsame, schwerfällige Rhythmen ebenso zu finden sind wie schwungvolle Synthieund Gitarrenmelodien. Im Mittelplunkt der meisten Songs aber steht Oharas zwischen filigranem Gesang, insistierendem Rufen und Spoken Word changierende Stimme. Sein zentrales Anliegen, sagt er, sei die Befreiung von Genregrenzen und BPM gewesen: "Ich habe versucht, etwas Unschuldiges zu machen und nicht irgendwelchen selbstauferlegten Erwartungen gerecht zu

werden. Von den Gedanken, wo die Musik hingehen soll, ob sie Club-tauglich oder tanzbar sein sollte zum Beispiel, habe ich mich total befreit. Das ist das eigentlich Experimentelle an diesem Album." Überhaupt das Experimentelle: Als Jugendlicher besuchte Ohara eine JazzSchule und lebte in den Neunzigerjahren eine Weile über einem Jazz-Club. Ihn scheint die nachbarschaftliche Liaison geprägt zu haben: improvisieren, laufen lassen, Platz für Ungeplantes schaffen. Vielleicht will Ohara auch deshalb das gesamte Album noch einmal einer Transformation zu unterziehen. Mit Cello, Klarinette, Schlagzeug und Gitarre soll das elektronische Album eine klassische Live-Umsetzung erfahren. Vermutlich, so Ohara, werden die Songs dann nur noch anhand ihrer Vocals erkennbar sein. Wie genau das alles funktionieren soll, sei aber noch nicht ganz klar, er müsse es noch herausfinden. "The questions will disappear", heißt es auf dem titelgebenden Song "Moksha". So ganz scheint Ohara diesen Worte selbst nicht zu glauben. Ganz im Sinne dieses Albums ist auch dieser Satz mehr Frage als Feststellung. Raz Ohara ist auf der Suche nach Antworten. In Dänemark geboren, als Kind mit dem Vater auf See, dann in der Schweiz und schließlich in Berlin: Ohara treibt ein gewisses Fernweh um. Der Albumtitel "Moksha" stamme aus dem Hinduismus und bezeichne die Erlösung vom Kreislauf der Reinkarnation. “Das hat eben genau mit dieser Befreiung zu tun", sagt er. "Außerdem

passt es gut, denn mit dem ersten und dem letzten Lied schließt sich ein Kreis. Gleichzeitig ist das letzte Lied aber auch eine Erlösung. Dass es so stimmig ist, habe ich aber erst im Nachhinein gesehen, das war nicht geplant. Eigentlich fand ich bloß das Wort an sich super." Am deutlichsten zeigt sich Oharas Fernweh in dem Song "Beija Flor", Portugiesisch für Kolibri. Zaghaftes Gitarrenpicking legt sich über Samples von Vogelgezwitscher und anderen Naturgeräuschen. Dazu trägt Ohara auf Portugiesisch das Mantra eines spirituellen Lehrers aus Brasilien vor: "Dieser Lehrer mischt Psychologie mit hinduistischer Philosophie. Jedes Jahr ist er für vier Monate in einem indischen Aschram, in dessen Nähe ein Freund von mir wohnt. Etwa einen Monat lang war ich dort zu Besuch und habe ihm jeden Tag zwei Stunden lang zugehört. In dem Text geht es darum, sich total zu öffnen und die Angst fallen zu lassen." Oharas Fernweh ist das Symptom einer Rastlosigkeit, die man auch seiner Musik anhört. Obwohl diese absolut zeitgenössisch ist, klingt sie nur selten auch gegenwärtig. Immer wieder scheint ein sehnsuchtsvolles Streben nach anderen Zeiten und Räumen hindurch. Verwaschene Echos vergangener und zukünftiger Zustände hallen durch die Klanghöhle "Moksha". Mit ihrer weiterer Eforschung wird Raz Ohara wohl noch einige Zeit beschäftigt sein. Raz Ohara, Moksha, erscheint am 24.01.2014 auf Indigo.

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179 — WIR WAREN NIE DIGITAL!

Dropping the Internet, Aram Bartholl, 2013 Courtesy DAM gallery & XPO gallery

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WIR WAREN NIE DIGITAL! Postinternet ist schon wieder vorbei. Dabei hatten wir uns doch gerade erst ans Internet als naturgegeben gewöhnt. DE:BUG will wissen, wie's weitergeht: Wie digital ist unsere Welt eigentlich? Wie geht die Medienkunst mit der Internetkrise um und müssten wir nicht erst digital werden?

179 — WIR WAREN NIE DIGITAL!

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TEXT NINA FRANZ

WAR POSTDIGITAL BESSER? Das Atmen zwischen Menschen und Geräten In den späten Achtzigerjahren äußerte der amerikanische Informatiker Nicholas Negroponte die Vermutung, dass Computer einmal uninteressant werden würden - geradezu unsichtbar durch ihre Omnipräsenz. In ihnen würden die Dinge verschwinden, die uns täglich umgeben: smarte Objekte, unter denen sich Negroponte unter anderem selbstreinigende Hemden, intelligente Nägel und therapeutische BarbiePuppen vorstellte; Computer, die man bewohnen, anziehen und sogar essen würde. 1967 träumte Richard Brautigan in einem berühmten Gedicht von kybernetischen Wiesen, auf denen die Unterscheidung zwischen Menschen, Tieren und Maschinen längst überwunden sein, wo Säugetiere und Computer friedlich zusammenleben würden, durch gegenseitige Programmierung harmonisch geeint. Ornamente in der Ölschicht In der postdigitalen Utopie, in der das Digitale zur Natur geworden ist, gibt es keine Bildschirme. Das Interface ist genauso "ubiquitär" wie die Datenströme, die unentwegt Verbindungen aufbauen, unter glatten Oberflächen kommunizieren und unbemerkt arbeiten, damit wir nicht daran arbeiten müssen, sie zu verstehen. Upload und Download sind in dieser Vorstellung eine Sache der Respiration, Technik ein Teilbereich der Ökologie. Begriffe wie Steuerung, Befehl und Kontrolle die obsoleten Vokabeln eines vorautomatischen Zeitalters, als Sprache noch etwas Unheimliches, Notwendiges war, das Probleme verursachen konnte. Die postdigitale Utopie beschreibt einen Zustand der Ruhe und friedlichen Verbundenheit, ihre Bewohner haben die Hände frei und die Augen wandern müßig über den angenehm gerenderten Horizont einer verbesserten Landschaft. __In der realen postdigitalen Gegenwart dagegen führt jeder Bewohner und jede Bewohnerin der angebundenen Welt einen Bildschirm in der Hosentasche, über den praktisch jede relevante Tätigkeit auf den Weg gebracht wird. Dieser Bildschirm beleuchtet müde Gesichter im Bett vor dem Schlafengehen und entrückte Gesichter von daddelnden Kindern, angestrengte Gesichter von Werktätigen an Schreibtischen, in Fabriken und in den Control Rooms der

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Regierungen und Militärs. Unzählbare Bildschirme leuchten auf, wann immer es etwas nicht zu verpassen gilt, vor der Papstwahl und vor den Schimpansenbabys im Zoo. In der Zeit, in der man die visuelle Schnittstelle nicht vors Gesicht hält, trägt man sie möglichst nah am Körper, wärmt sie auf 36 Grad oder hält sie mit den Händen umklammert. Dann wieder spricht man in den Bildschirm hinein, fingert an ihm herum, hört ihm zu, drückt ihn an die Wange und hinterlässt darauf einen öligen Film. Eine menschliche Schmiere, durch die man wieder und wieder die Finger zieht, vielleicht um den letzten Abstand zum dahinter liegenden Gerät zu überwinden, indem man das Stoffliche soweit es geht vermengt und vermischt. "Sweat on Retina" betitelte die Künstlerin Britta Thie eine Arbeit, die die schwarze Glasoberfläche ihres iPhones zeigt, auf der elaborierte Ornamente in die Ölschicht gemalt sind.

»Man spricht in den Bildschirm hinein, fingert an ihm herum, hört ihm zu, drückt ihn an die Wange und hinterlässt darauf einen öligen Film, eine menschliche Schmiere, durch die man wieder und wieder die Finger zieht, vielleicht um den letzten Abstand zum dahinterliegenden Gerät zu überwinden.«

Objekt-orientierte Weltentdeckung "Screens are getting boring" schreibt der "Wired"-Kolumnist Russell Davies 2$$9 in einem Blog-Eintrag, der den Ausdruck "postdigital" erstmals prominent im hier gebräuchlichen Sinn verwendet und man fragt sich, ob er sich nicht geirrt hat. Schon ein Jahr zuvor gab die Medienkünstlerin Marisa Olson ihren "Monitor Tracings" den Titel "Postinternet Art" und gilt seither als Begründerin eines Subgenres, das sich vor allem durch eine bestimmte Ästhetik auszeichnet, die "das Internet" ganz lässig als Gegebenes voraussetzt und in jenen Zustand "nach dem Internet" eingetreten ist. Die Tatsache, dass Olsons "Monitor Tracings" als erste Arbeit der seither so genannten PostinternetKunst ausgerechnet vom umständlichen Übertragen digitaler Bilder auf Papier über einen Computerbildschirm handeln, scheint ein wenig paradox, bis man sich an die Schmiere am Touchscreen erinnert, und begreift, dass hier, ethnographisch gesprochen, die Digital Natives durch die rituelle Überwindung des Screens sozusagen die Welt entdecken: Erstkontakt mit einer Objekt-orientierten Welt des Realen, beziehungsweise Materiellen, die nicht von JPGs beherrscht wird, sondern von geradezu magisch-berührbaren Dingen, die, wie sich herausstellt, ausgezeichnet mit den Wänden kommerzieller Galerien und größerer Kunstinstitutionen harmonisieren. __Etwa parallel zur Historisierung des Postdigitalen, wie sie durch Texte wie diesen hier vielleicht ein wenig zu früh betrieben wird (dann wiederum, es wird ja alles immer schneller), tauchen die Buzz-Wörter Speculative Realism, Speculative Materialism und Object-oriented Ontology auf. Sie kommen aus der PopEcke einer Handvoll europäischer Philosophie-Institute und machen sich für die Dinge, das Materielle, die Welt da draußen stark, die im westlichen Denken offenbar viel zu lange der angeblichen Vorrangigkeit einer absurd anthropozentrischen Weltsicht erlegen sind. Diese neue Faszination mit den echten "Dingen" muss wohl in dem Kontext gesehen werden, in dem das bloß auf dem Bildschirm Sichtbare langweilig und das Materielle wieder erstaunlich und interessant geworden ist.

Und tatsächlich wäre dieser Diskurs ohne das Internet vermutlich nicht verständlich. Schließlich ging es auch in der bisherigen Philosophiegeschichte nie darum, die Existenz der materiellen Welt zu leugnen, sondern vielmehr deren Vermittelbarkeit in der Subjektivität zu hinterfragen. Verständlich, dass man sich darüber nicht mehr den Kopf zerbrechen möchte, wenn so viel mehr Vermittlungsleistung von Geräten übernommen wird. Im ältesten Museum der Welt, dem Kasseler Fridericianum, präsentierte sich Ende 2$13 mit einer Ausstellung unter dem Titel "Speculations on Anonymous Materials" eine Generation von Künstlerinnen und Künstlern, die mit dem Internet aufgewachsen sind und denen man diese besondere, "spekulative" Beziehung zu den Objekten nachsagt. Dass gerade die Beziehung zu den realen Dingen mit dem Zustand der Postdigitalität in Zusammenhang gebracht wird, die sich auf diesem Weg selbst thematisiert, indem sie unentwegt von hinten gegen den Bildschirm klopft, hat etwas unfreiwillig Ironisches.

»Unter den Bedingungen einer vollständig digitalen Welt, in der postdigitalen Utopie, gäbe es keine Screens. Alles wäre Medium und Körper zugleich.«

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Noch lange nicht digital Es ist - vielleicht zu Recht - gefragt worden, ob die Errungenschaften des Digitalen mit denen der Druckerpresse seit ihrer Einführung im 15. Jahrhundert vergleichbar sind. Das setzt voraus, dass man das Digitale vor allem als etwas Mediales und nicht als Zustand begreift. Aber unter den Bedingungen einer vollständig digitalen Welt, in der postdigitalen Utopie, gäbe es keine Screens. Alles wäre Medium und Körper zugleich. Die irgendwo an einem entlegenen Ort in einem Bürostuhl zurückgelassenen Körper der Postdigitalen sind jedoch immer noch warm, die Augen sind fest auf den Bildschirm gerichtet und winzige Impulse aus den Fingerspitzen malen Zeichen in einen weißen Kasten, die etwas bedeuten – upload, download, upload, download – das ist die kaum noch wahrnehmbare Routine, das Ein- und Ausatmen zwischen Menschen und Geräten, die lange noch nicht digital gewesen sind. Dieser Text ist die gekürzte und leicht geänderte Fassung eines Beitrages aus: War postdigital besser? Martin Conrads & Franziska Morlok (Hrsg.) Revolver Publishing, 2014 Das Buch wird am 30. Januar auf der transmediale präsentiert. 23

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TEXT FELIX KNOKE Kristoffer Gansing ist seit 2012 künstlerischer Leiter der Transmediale. Gansing promovierte in Malmö über transgressive Medien und betrieb einen KünstlerFernsehkanal. Sein Ziel: das Selbstverständnis der Network Culture stören.

Aram Bartholl ist ein von der Architektur konvertierter Medienkünstler aus Berlin und ein begeisterter Bastler. Mit Skulpturen, Interventionen und Workshops will er die virtuelle und echte Welt vereinen und begleitet sich selbst dabei in seinem Blog datenform.de.

lizvlx ist Internet-Künstlerin der ersten Stunde. Als eine Hälfte von Ubermorgen.com kritisiert sie in Kunstwerken, Netart & Performances die Gesellschaft und deren Umgang mit sich selbst. Angeblich unpolitisch und ideologiefrei.

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ROUNDTABLE Internetkunst im Afterglow

Die Hoffnung auf eine bessere Welt durch das Internet liegt erstmal auf Eis. Wir leben im Afterglow, behauptet die Transmediale 2"14 - dem Kater einer gescheiterten Revolution. Wie geht es jetzt weiter? Wir luden den Kurator der Transmediale, Kristoffer Gansing zum Krisengespräch. Mit am Tisch: Der Berliner Medienkünstler Aram Bartholl und die Wiener NetartVeteranin lizvlx von Ubermorgen.com. __Debug: Ich würde gerne über das Internet sprechen und wie die Überwachungskrise Eure künstlerische und theoretische Arbeit beeinflusst hat. __Liz: Welche Krise meinst du? __Debug: Meine, vielleicht ja reichlich naiven Hoffnungen auf das Internet als Freiraum und Keimbett der Zukunft sind jedenfalls dahin. __Liz: Vielleicht liegt es daran, dass ich in Wien lebe und die Situation dort anders ist – wir sind ja nicht von den Amerikanern besetzt -, aber ich habe nicht im Ansatz eine Krise feststellen können. Für die Allgemeinheit war die Massenüberwachung doch Populärkultur. Sich jetzt hinzustellen und zu sagen: "Uuuuuaa, wie schlimm!", das ist doch nur pseudointellektuelle Beschäftigungstherapie. Die Krise ist nicht die Überwachung, sondern wie über sie geredet wird. Aber selbst das würde ich nicht Krise nennen, sondern Dummheit. __Aram: Für mich war 2#13, das Snowden-Jahr, schon ein Einschnitt. Natürlich ist 2#13 nichts wirklich Großes passiert. Aber es gab einen Mindshift. Ich sah das bei mir mit der OpenSource- und Open-Hardware-Bewegung: Erst bauen sie 3D-Drucker und ich denke mir: Toll, damit kann man ja so viel machen! Dann kommen die nächsten und drucken Pistolen. Das sind die Momente, wo bei mir der Glaube an die Offenheit durchs Internet langsam zu bröckeln beginnt.

»Für mich ist Postinternet, egal ob in der Kunst oder im Aktivismus, ein Widerstand gegen die totale Digitalisierung.«

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__Debug: Kristoffer, hat uns 2"13 in prädigitale Zeiten zurückkatapultiert, nachdem wir doch alle schon so postinternet waren? __Kristoffer: Für mich gab es diese Trennung zwischen präund postdigital nie. Dass wir jetzt über diese Begriffe sprechen, verstehe ich als einen Twist der Postinternet-Diskussion. Für mich ist Postinternet, egal ob in der Kunst oder im Aktivismus, ein Widerstand gegen die totale Digitalisierung. __Aram: Ich halte es mit Bruce Sterling. Der sagte einmal, dass die digitale Revolution schon ganz am Anfang mit der Erfindung der Computer passierte – und erst jetzt kommt der Impact: Copyright, Drohnen, Snowden. 2"13 ist das ganz deutlich geworden. Man muss sich mal die Sicherheitsleute bei Mercedes vorstellen, die in den letzten 2" Jahren ihre VPNNetzwerke gemacht haben. Plötzlich wird denen erzählt, dass das alles komplett unterlaufen und gecrackt ist. Für die muss doch eine Welt zusammengebrochen sein. In der Kryptografie haben die ja schon die elliptische Kurve zurechtgemogelt. Jetzt ist die Frage, was politisch und technologisch passiert, ob das Netz auseinander fällt oder ob sie es hinbiegen und wir dann alle "Brave New World" mitspielen. __Debug: Und die Kunst? __Kristoffer: Derzeit gibt es viele Netzkultur-Veranstaltungen mit dieser These post-utopisch umgehen, die "digitale Revolution" sei vorbei. Gleichzeitig werden all diese Debatten Mainstream. Das ist für die Netz– und Medienkunst-Szene natürlich ein bisschen ambivalent. Diagnose digitaler Kultur __Debug: Nach der Überwachungsaffäre gibt es nun wieder einen Fokus auf die technischen und politischen Fundamente der Internet-Gesellschaft. __Kristoffer: Ich finde es grundsätzlich gut, dass diese Ideologie der Openness - eigentlich ja auch so ein altes, fast neokonservatives Ideal – jetzt nicht mehr nur mit einer positiven Entwicklung der Gesellschaft assoziiert ist. Wir müssen alle problematischen Aspekte der digitalen Kultur als Teil des digitalen oder postdigitalen Moments sehen. Ohne die NSAÜberwachung gut zu finden: Dass nun die Konsequenzen der Digitalisierung und der so genannten Open Culture sichtbar werden, sehe ich nicht nur negativ. __Debug: Steckt das auch in eurem Motto Afterglow. Etwas Gutes am Crash finden? __Kristoffer: Mit Afterglow wollen wir eine Diagnose über der Stand der digitalen Kultur geben - und natürlich den Postdigital-Begriff bespielen. Wir leben jetzt im Afterglow, nachdem wir immer gedacht haben, dass wir während einer Revolution leben, die letztlich zu einer besseren Welt führt. Afterglow kommt von der Idee, dass sich das Digitale nicht wirklich vom Rest der Welt trennen lässt. Wir benutzen es, es benutzt uns. Und es produziert sogar physischen Abfall. Aber die Konsequenzen sind sehr ambivalent. Das ist auch der Afterglow für die Medienkunst. __Debug: Diese Debatte gibt es ja schon seit den Neunzigern. __Kristoffer: Erst neulich hat René Obermann, der CEO der Deutschen Telekom auf der Next Konferenz gesagt: "Digital is not sexy any longer!" Wir versuchen, diese These nun zuzuspitzen: Okay, das Netz mag zwar integriert sein, aber wir machen die Diskussion darüber durch die Müll/Trash/ Exzess-Perspektive wieder politisch, also mit Debatten über Datenüberfluss, E-Waste etc. Man kann ja Big Data auch

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»Die Online-Welt ist nicht die reale Welt.«

als Produktion von Big Trash verstehen. Aber deine TrashFiles sind für Big Data genau so wertvoll wie das, was du als besonders wertvoll schätzt. Es gibt keinen Müll mehr – und gleichzeitig ist die alte Hochglanz/Hightech-Welt zu Müll und Trash geworden. Dieses Wechselspiel ist interessant. __Aram: Wir sagen, "Wir waren niemals digital!", aber wir wissen eigentlich schon, dass wir digitaler sind als je zuvor. Es scheint mir schon sinnvoll, eine Zäsur zu setzen und darüber zu reden. Auf der anderen Seite ist die Maschine aber in vollem Gang. Die einen ziehen aufs Land und machen ihr eigenes Internet und das Corporate-, Google-Ding läuft einfach weiter. __Kristoffer: Ich finde interessant, dass die heutige digitale Kultur versucht, alle Formen des Nicht-Definierbaren, was wir vielleicht als Trash verstehen, zu vernichten. Wenn Du "digital" googlest, sagte Florian Cramer auf einer TransmedialeKonferenz, kriegst du nur Bilder von blauen, vernetzten Keyboards, von Wireframes oder Leuten vor blauem Hintergrund. Du siehst da kein Bild von einer E-Müllhalde in Ghana. Das ist spannend, gerade im Datendiskurs. __Debug: Du bist schon lange dabei, Liz. Was ist deine Haltung zur Postinternet-Debatte der letzten Jahre? __Liz: Ich interessiere mich relativ wenig für solche Begriffswelten. Ich mag diese Labels nicht. Und was der CEO der Telekom sagt, ist mir scheißegal. In einer intellektuellen Diskussion sind solche Menschenfeinde völlig irrelevant. Ich mag aber auch diese Unterteilung von Überwachern und Überwachten, von Tätern und Opfern nicht. Diese Rollen von Servern und Clients vertauschen sich ja immer mehr. Aber die Online-Welt ist nicht die reale Welt. __Debug: Ist für dich das Internet eine neutrale Technik? __Liz: Ist dieser Tisch hier neutral? Hält er sein Versprechen? Es ist ein Tisch. Nicht mehr, nicht weniger. Das sind absurde Projektionen. Solche Bewertungsfragen gehen tendenziell ins Leere. Das Internet ist immer noch eine flache Architektur. Sachen wie die Struktur der Machtverteilung werden darin allerdings sehr klar. __Debug: Einfach, weil das Netz sie widerspiegelt?

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__Liz: Ja, das merkt man schnell. Wenn man sich zum Beispiel fragt: "Wie viel Bandbreite habe ich und warum hat jemand anderes mehr als ich?" Wer entscheidet da was, wie und wo? Die Fragen, die das Internet für mich aufwirft sind: "Wo ist da die Demokratie? Ist das sinnvoll oder nicht?". __Debug: Ich habe angenommen, dass du das Internet als problematischen Ausdruck einer problematischen Gesellschaft siehst und dass das Internet, das Digitale, nur naiv diskutiert wird. __Liz: Ganz im Gegenteil. Das Internet ist das Beste, was es überhaupt gibt. Es spiegelt das menschliche Gehirn relativ gut wider. Das Internet ist ein wunderbarer Erfüllungsgehilfe, aber auch im Sinne eines großen, lebensfähigen Gebildes. Das ist eine sehr ästhetische, schöne Sache. Es ist gut im ästhetischen Sinn. Aber ich kann auch ohne Internet auskommen. Nicht ich will immer online sein, sondern die Gesellschaft um mich herum ist immer online und ich als soziales Wesen bin dann auch dabei. Das hat aber auch nichts mit dem Internet zu tun. Es ist die Diskussion, die so geführt wird, als drehe sich alles nur um das Digitale. Hallo Netzkunst, wo ist dein Inhalt? __Debug: Du setzt Dich in Deinen Werken fast ausschließlich mit dem Internet auseinander, Aram. Warum wirfst du es jetzt als Schild zu Boden? __Aram: Das repräsentiert für mich den geplatzten Traum des Fortschritts. Das Internet wird sich aufsplitten - Länder mit Firewalls, Filter noch und nöcher. __Debug: Digitalen Paradies ist am Ende, zurück zum Beton? __Kristoffer: Ich finde die Idee einer technologischen Essenz, also dass Kultur und Technik entweder analog oder digital sind, ein bisschen falsch. Interessant ist für mich, wenn wir darüber sprechen, was das Internet ist und wie sich das Internet verändert hat. Es gibt viele Internets; es ist eine Mirage, über ein Internet zu sprechen. Ich verstehe nicht, warum wir über das "verlorene Internet" sprechen, also diese Idee von einem Open Laboratory Net, das es einmal gab, aber nur für sehr wenige Leute möglich und relevant war. Wenn wir über Postinternet sprechen, müssen wir sagen, dass wir schon verschiedene Postinternet-Momente gehabt haben. Ausgerechnet die Digital Natives machen doch heute Widerstand in der Kunst. Die gehen zurück zur analogen Technik. Das ist paradox. Man kann das als Retrotrend verstehen, aber auch in einem aktivistischen Sinne. Man versucht, andere Internets aufzubauen, begrenzte MicroNetworks, die nichts mit dem Internet als totale Struktur zu tun haben. Man muss das aber vielleicht auch als das Internet verstehen, sonst haben wir keines mehr. __Liz: Bei Leuten, die von Anfang an mit dem Netz zusammen waren, ist oft noch total viel Enthusiasmus dabei. Ich bin ja auch ein Coder und denke mir dann: Weißt eh, ich kann ja was verändern. Verändere ich halt die Netart; was Netart ist, kann ja ich bestimmen. Netart hat ja viel damit zu tun gehabt, dass es unausgesprochene Regeln gab. Man hat sich nicht miteinander absprechen müssen, was sinnvoll ist und was nicht. Zum Beispiel, dass man logischerweise nichts macht, wo man dem User in den Arsch kriecht. Und eigentlich würde

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ich mir so etwas auch von jüngeren Künstlern erwarten. Ich sehe ganz viele, die so Postinternet-Zeugs machen und ... __Aram: ...warum schaust Du mich jetzt so an?!... __Liz: ... denke mir: Wo war jetzt noch mal der Inhalt? Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als die Ars Electronica voll mit Flash-Visualisierungen von Netzwerken war. Also vollkommen uninteressanter Scheiß. Warum muss ich mir ein visualisiertes Netzwerk anschauen? __Debug: Postinternet-Skulpturen, in denen das Prozesshafte, Verschränkte thematisiert wird, sind ja letztlich auch Netzwerk-Visualisierung. Für mich ist das eine Suche nach neuen Internet-Essenzialismen. __Kristoffer: Viele der Postinternet-Künstler machen etwas Physisches für Galerien. Da gibt es dann eine Website, ein Tumblr-Blog und auf der anderen Seite Kunstpraxis. Gleichzeitig gibt es eine Kommerzialisierung dessen, was vorher Netzkunst und Medienkunst war. Das hat vielleicht weniger mit der Metareflexion über Produktionsbedingungen innerhalb der Technik zu tun als mit der Reflexion der Verbreitung des Internets in der Gesellschaft. Diese neue Szene bewegt sich viel mehr in den Contemporary Arts als bei der Ars Electronica oder der Transmediale. Aram, du bist vielleicht der älteste Künstler des Postinternet-Diskurses, der in beiden Welten auftritt. __Liz: (lacht) Aram, wir gehören nicht zur gleichen Generation, ich habe nichts mit Dir zu tun! Du vertrittst etwas anderes. __Aram: Stimmt, das ist eine gewisse Generation. Ich würde mich aber auch nicht dazu zählen. Kann sein, dass es da am Anfang einen starken Netzbezug gab und das dann schnell in eine klassische Formsprache von Skulpturen erweitert wurde. Ich habe in dem Sinne keine digitalen Projekte, Websites, Netart, sondern behandele deren Kontexte. Meine Kernfrage kommt eher vom Raum und der Architektur. Ich habe mein Studium 1995 angefangen und fand es interessanter, digitale Räume zu bauen und da dann Shooter drin zu spielen, als auf Papier mit Tusche zu zeichnen. Meine Frage ist immer, wie das alles miteinander verknüpft ist. Und daraus sind ja auch so Projekte entstanden wie der Google Marker, der heute in jeder dritten Werbung vorkommt. Für mich war interessant: Wird das Internet real oder nicht? Wie sieht Bruce Sterlings Impact aus? Das hat bei mir im Gaming-Bereich angefangen. Wenn man sich da Tage und Wochen in bestimmten Räumen bewegt, einen Bezug kriegt und sich fragt: Wo ist dieser Raum? Was passiert, wenn ich ihn oder Teile von ihm nachbaue? Das kann man natürlich auch Postinternet nennen. Für mich kommt der Begriff aber aus einer anderen Ecke. Dahinter verbirgt sich für mich vor allem eine gewisse Ästhetik.

»Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als die Ars Electronica voll mit Flash-Visualisierungen von Netzwerken war. Also vollkommen uninteressanter Scheiß. Warum muss ich mir ein visualisiertes Netzwerk anschauen?«

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»Es geht heute nicht mehr nur um eine philosophische Debatte darüber, ob wir jemals modern oder digital oder prädigital waren. Das ist längst im popkulturellen Diskurs präsent.«

__Kristoffer: Postinternet-Kunst ist oftmals nicht so konzeptuell. Bei Dir gibt es schon eine große konzeptuelle Reinheit. Aber gleichzeitig haben wir jetzt einen Überfluss – so eine quasi-religiöse Postinternet-Ästhetik, die dieses "blaue Internet", die New Age-Ästhetik mit dem Prädigitalen, Analogen und quasi-religiös Ritualistischen zusammenführt. Das ist der Ausdruck einer Generation, die sich innerhalb dieses ambivalenten Ekels zur Technologie und gleichzeitiger Faszination befindet. Die vielleicht nicht genau weiß, was sie damit anfangen soll. Ich finde das eine sehr spannende Entwicklung. Da kommt etwas in Bewegung. __Debug: Spüre ich da schon die Hoffnung auf ein Ende des Afterglows und auf eine ganz neue Debatte? __Liz: Ich muss mal einwerfen: Afterglow klingt schon sehr nach Photoshop-Filter. __Kristoffer: Wir sprechen auf der Veranstaltung auch von den Afterglow Effects. Adobe hat mit After Effects natürlich unser Bild vom Digitalen sehr geprägt, diese smooth transitions... Afterglow könnte so eine Fucked-up-Version davon sein. Aber ernsthaft: Ich weiß nicht, was nach dem Afterglow kommt. Die Transmediale will ja auch nicht so prätentiös sagen: "Wir stellen den Afterglow vor und das ist die neue Ära." Afterglow soll eine Provokation sein, eine Perspektive zum heutigen Zustand. Hoffentlich ist der nur temporär, wenn er überhaupt existiert. Eine digitale Kultur in einem Zwischenmoment. Aber das kann ja nicht dauerhaft bleiben. Das ist ja ein dystopischer Moment. __Debug: Würdet ihr euch eine ganz naive, optimistische technologische Utopie zurückwünschen? __Kristoffer: Es gibt doch immer einen Fortschritt, eine Vielfalt in den Netzkulturen. Ich glaube nicht, dass es so eine Mono-Kultur gibt, aus der ein offenes Netz erreicht werden kann. Mich interessiert das Mikropolitische. Diese Tradition der Tactical Media Interventions verwalten wir ja auch mit der Transmediale ein wenig. Wir zeigen damit: Das ist nicht nur ein Trend, das ist dauerhaft.

How to make art after Snowden __Debug: Und was macht die Internetkunst aus dem Krisenjahr 2"13? __Aram: "How to make art after Snowden?" ist ja so eine Frage. Ich glaube, dass die spannenden Sachen im Kunstbereich erst später passieren. Mein Ai-Wei-Wei-Zitat mit dem herunterfallenden Schild ist ja nicht wirklich tiefgreifend. Jetzt werden erst einmal auf technischer Ebene Dinge passieren. In ein paar Jahren werden wir uns an den Kopf fassen und fragen, wie das eigentlich hat sein können, dass alles so unverschlüsselt und offen war. Oder wie ein Netz entstehen konnte, das auf viel gegenseitigem Vertrauen basiert. Das wird es dann wahrscheinlich nicht mehr geben. __Liz: Für mich ist nicht 2"13 das Krisenjahr. Wir waren mit Ubermorgen.com schon seit 1994 mit diesen Problemen konfrontiert. Irgendwelche Behörden wollten immer wissen, was wir da gerade tun. Unser Bruch war eher 2""4, als in den verschiedenen Ländern die Terrorgesetze implementiert wurden. Plötzlich konnte man bei Internet-Projekten nicht mehr einfache Kosten/Nutzen-Berechnungen machen – also, zum Beispiel Verwaltungsstrafe XY ins Projekt reinbudgetieren oder von ausländischen Servern Sachen machen. Das hat unsere Arbeitsweise stark verändert. Wir haben Ideen sein gelassen - oder Projekte gemacht, die besonders abgesichert werden mussten, und die dann doch wieder zu früh abgeschossen wurden und dadurch uninteressant wurden. Das alles geht nur, wenn man es super sicher und semi-anonym macht, dann ist aber die Natur des Projektes wieder eine ganz andere. Irrsinnig viele Projekte haben wir deswegen einfach sein gelassen, bis wir vor zwei, drei Jahren dazu übergingen, secret projects zu machen. Die werden schon ausgestellt, aber sind dann verschlüsselt oder als Computer oder Ethernetkabel versteckt. Klar, das ist ein bisschen wie "Des Kaisers neue Kleider", aber was sollen wir machen? Heute kannst du nicht mehr im Netz ruckzuck ein Projekt machen, egal was die Konsequenzen sind. Die sind nämlich so harsch, dass sie nicht mehr im Verhältnis stehen. Und wenn ein Künstler so etwas doch macht, dann ist er ein Vollidiot, weil er sich dann doch nur als Hofnarr für eine Bevölkerung zur Verfügung stellt. __Debug: An was arbeitet ihr gerade mit Ubermorgen.com __Liz: Eine Terrorismus-Verwaltungssoftware. __Debug: Zur Optimierung von Arbeitsabläufen innerhalb terroristischer Zellen? __Liz: Zelle?! Terroristen sind doch schon vernetzt. Damit man die effizient verwalten kann, braucht es SAP für Terrorismus. __Kristoffer: Für mich wird - neben der Kunst - viel in der Populärkultur passieren. In James-Bond-Filmen und in der Science-Fiction gibt es ja bereits solche Szenarien, in denen man mit Datenmengen alles steuern und eine kybernetische Tyrannei erzeugen kann. "Oblivion", dieser Film von Tom Cruise ist superinteressant. Das ist ein total absurder Film. Aber wenn man über Prädigitalität spricht, ist er eine Art reaktionärer Mainstream-Version des postdigitalen Widerstands. Am Ende, nach der Zerstörung des Servers einer Superintelligenz, gehen die Menschen so Lumberjack-artig zurück in den Wald. Ich will sagen: Es geht heute nicht mehr nur um eine philosophische Debatte darüber, ob wir jemals modern oder digital oder prädigital waren. Das ist längst im popkulturellen Diskurs präsent. Postdigitale Kunstpraxis muss das nun mitdenken, um relevant zu bleiben.

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Offline Art: Hardcore, Aram Bartholl, 2013 Courtesy DAM gallery & XPO gallery Die Ausstellungsbesucher verbinden sich über ihren persönlichen Screen mit dem Künstler und seinen Werken im Router. Der Internet-State-of-Mind crasht mit dem White Cube. Postinternet-Theorie als Kunstwerk.

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179 — WIR WAREN NIE DIGITAL! Do You Think That's Funny? The Edward Snowden Files userunfriendly Ubermorgen.com , 2013 Angeblich hat Edward Snowden dem österreichischen Künstlerduo Übermorgen.com Geheimdokumente übergeben. In dieser Installation werden die Besucher mit dem Gehalt der Daten, verschlüsselt in Ethernetkabeln gespeichert, und deren Gefährlichkeit konfrontiert; natürlich unter ständiger CCTV-Beobachtung der anderen Besucher. Im Kühlschrank lagert Club Mate.

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WIR SIND NIE DIGITAL GEWESEN Diese Zukunft wartet noch Was bleibt von dem Buzzword "Postdigital", wenn man sich eingesteht, dass wir noch eine ganze Menge Digitalisierung vor uns haben, dass die digitale Revolution noch bevorsteht? Der Versuch einer Erklärung, warum die Perspektive "Wir sind nie digital gewesen!" vielleicht die zielführendere Sichtweise wäre. Die vielen Weisen in denen der Begriff Postdigital verwendet wird lassen sich vor allem als eins beschreiben: AntiRevolutionär. Jede Definition ist ein Aufbäumen gegen die verschiedenen Revolutionen, die dem Digitalen zugeschrieben wurden. Gleichzeitig aber ist der Versuch einer Erklärung auch von einer grundrevolutionären Geste geprägt, die jeder "Post"-Begriff in sich trägt, schlimmstenfalls zur Versicherung der eigenen Avantgarde. Egal, ob es sich um das "besser Hören", oder sonstige Zuschreibungen der als unhinterfragbar dargestellten Vorteile digitaler Technik handelt, ob es um die Sichtbarkeit des Digitalen, gerne vergöttert in Bildern von Computern, Göttern der Netzwerke oder gar Robotern, geht. Oder ob es letztendlich ein Blick über den Tellerrand des Digitalen zurück ins Analoge sein will: Postdigital will die nächste Revolution nach den Chimären der Digitalen nicht dem banal Digitalen überlassen. Postdigital zehrt von der revolutionären Kraft des Digitalen, aus den endlosen Zuschreibungen von geschichtlichen Brüchen und ihrer umwälzenden Kraft, den Future-ShockTsunamis oder eben dem Aufgehen von Allem im Digitalen, zu der wir uns "jetzt" - damit wären ca. die letzten 15 Jahre gemeint, in denen dieser Begriff des Postdigitalen seinen langsamen Aufstieg feiert - verhalten müssen. Revolutionen der Technik, davon haben wir oft genug gehört. Jeder kennt sie, in diesem und jenem Zusammenhang. Im eigentlichen Sinne sind alle diese Revolutionen aber immer schon Evolutionen gewesen. Ein langsames und obendrein berechenbares Voranschreiten der Prozessorkapazitäten pro Quadratzentimeter, eine stete Ausweitung der Messbarkeit unserer Wirklichkeit, ein langsam aufgedrehtes Licht der Technik in den verschiedenen Bereichen der Wissenschaft, oder schlicht ein paar neue Features für die Menschheit. In einer Welt, in der gesellschaftliche Revolutionen dank weltweiter Ausweitung der Kapitalzone kaum zu erwarten sind, sprang das Digitale nicht selten bereitwillig in die Lücke. Der vermeintliche Bruch war immer eher eine - zumeist posthume - Bestätigung von schleichenden Vorgängen in einer mal kritischen, mal praktischen Anwendung unter dem Vorwand jetzt endlich, doch, jetzt, jetzt aber wirklich, einzusehen dass ein neues Zeitalter blüht, droht oder

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»Postdigital sucht nach einem neuen Bestimmungsrahmen für die Menschheit.« schlichtweg nicht mehr übersehbar ist. Und sei es, weil es nicht mehr sichtbar ist. Ein neues Zeitalter schreit nahezu nach dem nächsten, neueren Zeitalter. Es ist ja nicht so, als hätten nicht wir nicht schon vor Jahren mit den digitalen Versprechen eines schlichten "Besseren" des Digital aufräumen können - Zeitpunkt: Release von Ovals "Systemisch" - und im gleichen Schritt, dank "Post-Post", auch gleich begreifen können, dass weder die Revolution des Digitalen, noch die Revolution des Postdigitalen ein wesentlich unterscheidbarer Prozess sind. Zweifel an der digitalen Wirklichkeit Der immer währende Prozess der Kultur-Technik, die von Foucault, Deleuze etc. anvisierten Brüche in Gesellschaften, sind Analysen, die noch jetzt nahtlos in unsere Wirklichkeit übergehen. Sie lassen einen daran zweifeln, ob es wirklich jemals ein digitales Zeitalter gegeben hat, dessen Parameter nicht längst schon im Prädigitalen (oder sagen wir mal irgendwo weit weit vor den 8#ern, oder von mir aus auch: Jahrhunderte vorher) zementiert wurden. Wir plagen uns mit Dichotomien, aus deren vermeintlichen Spannungen wir wie in den Eingeweiden unserer Beschaffenheit lesen wollen, wohin die Reise geht, oder wo der günstige Zeitpunkt zum Aussteigen liegen könnte. Als ob man Technik und Mensch trennen könnte. Es ist vermutlich auch die Schuld des digitalen Begriffs selbst, mit seiner lachhaften Betonung von 1 und #, der einen daran festhalten lässt und als evolutionäre Vorstellung bestenfalls ein Versioning zustande bringt Revolution 2.# -, einen aber immer wieder dazu bringt, sich an Gegensätzen abzuarbeiten, die bestenfalls in überzogenen Schaustücken der Moderne einen Wahrheitsgehalt über das Wesen der Gesellschaft zu produzieren vermochten. Postdigital ist, egal wie man es dreht und wendet, ein Begriff, der nach einer neuen Wesenheit sucht, einem neuen Bestimmungsrahmen für die Menschheit. Er ist eine Geste der Überwindung unserer falschen Vergangenheit zugunsten einer besseren, weil realeren Zukunft. Was der Begriff nicht liefern kann, ist die Erkenntnis, dass man sich die Wahrheiten, die Realitäten, den Raum der Aktionen für mit gegen oder rings um das Digitale ständig erst erschafft. Dass es immer schon eine Arbeit war, diese Momente vermeintlicher Revolutionen zu erzeugen. Und dass an dieser Erzeugung nicht nur wir, die Technik, die Dinge, die Geschichten und vieles mehr beteiligt waren, sondern jede Umwälzung auf genau dieser Macht der Erfindung aufbaut. Viele Produktionsmittel sind dank digitaler Technik in unsere Hände gekommen. Wir haben das genossen. Fanden das ganz marx'sch. Klar, das war natürlich nur Geschwätz. Aber wir hatten ja sonst nix. Außer vielleicht eine Theorie, die uns früh davor hätte

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schützen können, die Geschichte in eine stetige Progression immer neuer Revolutionen zu stellen, die man - oh, schön - wieder revolutionieren kann. Der Titel hier, "Wir sind nie digital gewesen", ist eine Persiflage. Klar, Bruno Latours "Wir sind nie modern gewesen". Wer Postdigital sagt, akzeptiert die Verheißungen der Moderne als erfüllt. Der lebt in einer Gesellschaft, in der wir mit der Moderne längst angekommen waren. Darauf folge das Digitale, darauf das Postdigitale. Diese Argumentation ähnelt bestenfalls dem, was Latour schon 1991 als das Noch-nicht-Moderne beschrieb. Ein Amalgam aus Dingen und Menschen, die - untrennbar miteinander verbunden - in ihren vielfältigen Mischformen Akteure dieser Welt sind. Diese Vermischung von Wesenhaftigkeiten, Geschichten, Technologien, Prozessen, Dingen, die, alles andere als beliebig, bei genauem Blick nie zu einer Dualität führen werden. Also nie zu etwas wie Digitalität vs Wir, und schon gar nicht zu einer anthropozentristischen Vorstellung eines Paares, das sich gegenseitig die Bälle zuwirft, oder in einem ewigen Zwiegespräch steht, oder das ständig neue Kapitel fortschreibt. An den Grenzen kratzen Nicht einmal das "Wir", das "Wir" der Menschen, der aufgeklärten Menschen gar, war je etwas anderes als eine Illusion, besser gesagt: eine der Geschichten, die zwar ihre Wirkung erzielt, aber gerade in ihrer Wirkung zeigt, dass ihre Substanz nicht das ist, was wir ihr unterstellen. Denn genau diese Geschichte produziert ebenso die Geschichte der digitalen Revolution als auch die der Postdigitalen. Und beide sind ohne den aufgeklärten Menschen als Abgleich, als Angriffspunkt, als Kriegspartner oder als Rückzugsobjekt sinnlos. Nicht "Wir" - die Menschheit - sind jemals digital gewesen, sondern die Zusammenhänge von Technik, Dingen, Lebewesen,... brachten die Ideen von Revolutionen des Digitalen hervor. Und dieses "Wir", als lebende Körper mit einem durchgehend geschwätzigen Ballast von Geschichten, hat nicht zuletzt den Einbruch des Digitalen längst noch vor uns. Die Grenze zum Körper kratzen die meisten aktuellen Technologien bestenfalls an. In unseren Körpern schwimmen wenig Roboter herum und schon gar keine autonomen Reparaturstationen. Wir schubsen unsere Viren eher mit recht grobschlächtigen Chemokeulen durch die Gegend. Die virtuelle Zunge, die 3D-Drucker-Haut, die Trans-InternetHaptik, die Hirnsteuerung von Rattenarmeen, die Bevölkerung der Weltmeere mit biomimetischen Vielflossern, die virtuellen Fabriken, all das und viele magisch digitale Realitäten stehen noch vor der Tür der nächsten "Revolutionen". Und wie wir die gestalten, hat eigentlich nichts mit unserem Verhältnis zum Digitalen zu tun, nichts damit, dass wir Technik und Mensch als zwei Dinge in einem Zwiegespräch verstehen und immer auseinander halten können. Es geht viel eher darum, was genau wir damit und den anderen Dingen die wir als Dinge, als Welt oder als "Wir" bezeichnen, anfangen wollen.

»Das "Wir", dieser lebende Körper, hat den Einbruch des Digitalen noch vor sich.«

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179 — POLL 2013

DE:BUG LESERPOLL

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DIE BESTEN LISTEN # ALBUM !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1! 11 12 13 14 15 16 17 18 19 2! 21 22 23 24 25

DJ Koze - Amygdala (Pampa) Boards of Canada - Tomorrow's Harvest (Warp) Moderat - II (Monkeytown) Darkside - Psychic (Matador) Jon Hopkins - Immunity (Domino) Mount Kimbie - Cold Spring Fault less Youth (Warp) Recondite - Hinterland (Ghostly International) Oneohtrix Point Never - R Plus Seven (Warp) Axel Boman - Family Vacation (Studio Barnhus) Daniel Avery - Drone Logic (Phantasy) Forest Swords - Engravings (Tri Angle) James Blake - Overgrown (Polydor) Lawrence - Films & Windows (Dial) Mano Le Tough - Changing Days (Permanent Vacation) Special Request - Soul Music (Houndstooth) Daft Punk - Random Access Memory (Columbia) Kanye West - Yeezus (Roc-A-Fella) Soukie & Windish – A Forest (URSL) Omar S - Thank You For Letting Me Be Myself (FXHE) James Holden - The Inherrators (Border Community) Horror Inc. - Briefly Eternal (Perlon) HVOB - HVOB (Stil vor Talent) Marcel Dettmann - Dettmann II (Ostgut Ton) Bonobo – The North Borders (Ninja Tune) King Krule - 6 Feet Beneath The Moon (XL)

Dass Koze, Boards of Canada und Moderat die ersten drei Plätze unter sich ausmachen, war abzusehen. Darkside sind mit "Psychic" verständlicherweise genau so sehr weit vorne mit dabei wie Recondites "Hinterland" oder Axel Boman mit "Family Vacation". Zwischen all die Top Ten-Frickeleien mogelten sich auch Mount Kimbie, während Kumpel und Chef-Emo James Blake mit dem eher mäßigen "Overgrown" auf die hinteren Ränge verdrängt wurde. Dort sieht es sonst aber sehr interessant und vor allem gut gemischt aus. Psychedelischer Gegenwartsblues von Forest Swords, Größenwahn von Kanye West, Detroit-Traditionalismus von Omar S. Wie auch schon in den Jahren zuvor ist übrigens eine Sache schön zu beobachten: Eure Top 25 decken sich so gar nicht mit den Jahresendlisten aus der Redaktion. Hier kocht jeder mit Blick auf besonders geile Auskennerei sein eigenes Genre-Süppchen. Auf wenn sich aber scheinbar alle einigen können, ist Oneohtrix Point Never mit seinem "R Plus Seven"-Album. Vaporwave all the way!

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# TRACK !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

Moderat - Bad Kingdom (Monkeytown) Matthew Herbert – It’s Only You (DJ Koze Remix) (Pampa) Daft Punk - Get Lucky (Columbia) Isolée – Allowance (Pampa) Mount Kimbie - Made To Stray (Warp) Jon Hopkins - Open Eye Signal (Domino) Jimpster - Porchlight And Rocking Chairs (KiNK Remix) (Freerange) Boards of Canada - Reach For The Dead (Warp) Mano Le Tough - Primative People (Tale Of Us Remix) (Permanent Vacation) Ten Walls – Gotham (Innervisions)

Über die Tracks ist alles gesagt. Deshalb hier die besten YouTube-Kommentare zu den Top-3-Songs des Jahres: !1 Moderat - Bad Kingdom (Monkeytown) "Machen die jetzt einen auf Alex-Claire-Radio-Dubstep? Mir kommt’s jedenfalls so vor. Und deshalb werd’ ich mir auch nix mehr von den Jungs anhören. Sich so auszuverkaufen. Einfach nur erbärmlich." !2 Matthew Herbert – It’s Only You (DJ Koze Remix) (Pampa) "Just sit on your chair in front the beach with some weed take your headphones listen to this track and just chill out my friend forget all your problems." !3 Daft Punk - Get Lucky (Columbia) "Na, fick mich doch in den Arsch das ding startet nicht!!!!"

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179 — POLL 2013

# CLUB !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

Berghain Pratersauna Robert Johnson ://about blank Kong Golden Pudel Club Harry Klein Grelle Forelle Conne Island Kater Holzig

Auch wenn das Dreigestirn Berghain, Pratersauna und Robert Johnson einfach nicht umzustoßen ist, dahinter ist Clubhopping angesagt. ://about blank kämpft sich Jahr für Jahr immer weiter nach vorne, Kong aus München räumt neu ab, die Rache des Pudels ist süß und auch das Holzig schafft es noch knapp neu in die Top1". Tendenzen? Die Abstände zwischen den kleinen Killer-Clubs und den großen Legenden werden immer dünner, aber noch brauchen sie um ihre Kronen nicht fürchten. Nebentendenz: Neukölln ist nicht so in wie man denkt. Randtendenz: Doch, auch in NRW und den anderen Zonen die in den Charts nicht auftauchen, gibt es eure Lieblingsclubs, aber ein Hauch Hype und Masse fehlt doch.

# DJ !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

DJ Koze Gerd Janson James Holden Marcel Dettmann Dixon Robag Wruhme Mano Le Tough Axel Boman Ben Klock Ben UFO

Vorbemerkung: Sehr geehrte Leser. Erst verjagt ihr alle Frauen aus den Top 1" und dann ist noch nicht einmal Nicolas Jaar drin! Wir sind verwirrt. Koze, klar, wer sonst räumt ab. Janson ist ihm aber hart auf den Fersen und auch James Holden überzeugt euch immer. Der DJ 2"13 war - jenseits der Handvoll guten - aber natürlich vor allem jemand, über den man sich lustig macht. Ein Nixkönner-Video jagte als Meme das nächste, DJ-Posen-Tumblr, Promi-DJs in peinlichen Momenten und die harte Arbeit am Ghost-DJ Set wurden zum Sinnbild der DJ-Kultur. Wir müssen das wieder retten. Also. Ran an die Decks. Auch unsere Charts könnten eine Frischzellenkur gebrauchen. Nachwort: ICH gilt immer noch nicht auf die Frage nach dem DJ des Jahres.

# LIVEACT !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

Moderat HVOB Recondite Karocel KiNK Darkside The Knife Dürerstuben Mount Kimbie Disclosure

Eh klar, Moderat haben die Pole Position in Sachen Liveact – ganz egal ob Kleinstclub oder Festivalbühne – dermaßen on lock, dass sie auch dieses Jahr niemand von der Spitze wegbekommt. Im letzten Jahr fragten wir noch kopfkratzend: "Who the fuck is HVOB? Das nächste geile Ding?". Scheinbar. Letztes Jahr auf dem zehnten Platz, haben Anna Müller und Paul Wallner sich als HVOB auf den zweiten TreppchenPlatz gespielt. Knapp dahinter kommt unser heimlicher Held Recondite. Neu aber absolut begründet dabei: Karocel und ihre JamEpen so wie die klassischen Sets von KiNK. Nach hinten raus sind euch die Gigs von den ziemlich unterschiedlichen WhateverStep Duos Mount Kimbie und Disclosure im Gedächtnis geblieben.

# MIX !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

John Talabot - DJ-Kicks DJ Koze – FACT Mix 387 Dixon - BBC 1 Essential Mix Andhim - Fusion 2&13 Shitrobot - Jack Shit Mix Axel Boman - XLR8R 323 Locked Groove - XLR8R 284 Powell - FACT Mix 39& Nicolas Jaar - Essential Mix Acid Pauli - Belle Epoque

Die Mogelpackung für alle Unentschlossenen: Statt akribisch die Alben oder Tracks des Jahres hintereinander zu reihen, beruft man sich doch besser auf die Geschmacksinstanz LieblingsDJ und votet gleich mal 9" Minuten+ in die Jahresendliste. Tricky! John Talabots DJ-Kicks-Beitrag liefert sich ein Kopf-anKopf-Rennen mit dem durchgeknallten Koze-Mix fürs FACT Mag. Knapp dahinter: Dixons Essential Mix für die BBC. Danach geht’s mit Andhim auf die Fusion, während Shitrobot ein herrlich pumpendes Set für das Dummy Magazine kompiliert. Auf den Plätzen 6 bis 1" gibt’s weitere Nerdereien, die mal grooven wie Sau (Boman), mal low und slow daherkommen (Jaar) oder komplett freidrehen (Pauli).

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DJ KOZE

FOTO NOSHE

"FüR 2014 HABE ICH MIR ERFOLGLOSIGKEIT VORGENOMMEN"

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TEXT JAN WEHN

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Seit fünf Jahren, also 50, in Worten: fünfzig!, Ausgaben rult Koze als bester DJ unseren Leserpoll. 2013 habt ihr außerdem sein Pampa-Imprint zum besten Label und "Amygdala" zum besten Album gekührt. Kozes Matthew Herbert-Remix und sein FACT-Mix stehen immerhin an jeweils zweiter Stelle. DJ fucking Koze all over the place. Aber überhaupt: Was war das bitteschön für ein Jahr für Stefan Kozalla? Zeit für ein kleines Resümee und einen Ausblick auf 2014.

Koze, wie war's? Oah, anstrengend und toll. So ist es ja meistens am Ende eines Jahres. 2"13 war aber doch besonders für mich. Es ist viel los gewesen und ich bin sehr viel gereist. Japan, USA, Kanada, Indien und zuletzt Südamerika. An Silvester bin ich wieder in Australien. Wie viele Flugmeilen hast du da gesammelt? Ich glaube, so 1"".""" bei Star Alliance. Bekommt man dafür schon so einen schicken Alukoffer? Dafür bekommt man wahrscheinlich einen Flaschenöffner. Was ist das Beste, was das Schlechteste am Reisen? Das Reisen in andere Länder ist die eigentlich spannende Komponente an dem Beruf. It enriches my life. Das Unspektakulärste sind die Clubs. Die sind dann ja doch überall immer gleich. Das Spielen kostet natürlich auch Kraft, ist aber auch Steckdose. Die eigentliche Reise an sich ist halt immer sehr anstrengend: Du fliegst 22 Stunden von Costa Rica nach Deutschland, kannst dann zuhause nicht pennen und musst am nächsten Tag um 1" Uhr zum Zahnarzt. Trotzdem ist es natürlich toll. Ich würde eine Krise kriegen, wenn ich das ganze Jahr nur durch Deutschland fahren würde. Ist das denn nicht auch charmant, wieder zurück zu den kleinen, heimischen Clubs? Doch, aber es bereichert einen nicht so. Man lernt nicht so viel und schleift sich nicht so an verschiedenen Menschen ab. Da kriegt das Gehirn keine Luft! Auflegen ist ja sowieso nicht die intellektuellste Verausgabung. Man kann sich schnell in so einem stumpfen Hotel-Flugzeug-NachtclubLoop bewegen. Alles, was mit Reisen oder dem Eintauchen in andere Kulturen zu tun hat, ist absolut erfrischend. An einem Seil durch den Wald von Costa Rica zu rauschen, ist auch erfrischend, ja? Ich habe das Gefühl, dass Costa Rica irgendwann mal beschlossen hat, seinen Touristen eine Attraktion bieten zu müssen. Und das sind jetzt eben diese Seilzugbahnen, die von Berg zu Berg führen. Die gibt es da überall. Ich war mit zwei Freunden unterwegs und bin da mehr so reingeschlittert. Wir haben auf einer Milchfarm übernachtet und wollten uns diese Bahnen mal ansehen, also wirklich nur ansehen. Aber dann standen wir direkt vor dem Kassenhäuschen. Es hieß dann, wir können zwei kleinere Strecken fahren und uns das erst mal angucken. Und wenn das nichts für einen ist, dreht man wieder um. Die ersten beiden sind zwei Mini-Strecken wie auf dem Kinderspielplatz und natürlich fährt man weiter. Vor allem,

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weil auch Kinder und so hinter einem stehen, die auf jeden Fall fahren wollen. Die dritte Strecke ist dann aber 143 Meter hoch und 158" Meter lang. Das merkt man aber erst, wenn man aus den Baumkronen herausfährt. Und wenn man dann drüben angekommen ist, muss man noch zwei Mal fahren, um zur Ausgangsstation zurückzukehren. Das hat mir niemand erzählt. Eigentlich habe ich die ganze Zeit gedacht: "Scheiße, ich will, dass es vorbei ist." Bist du eigentlich noch oft in Hamburg? Ich bin ja oft auch noch drei, vier Monate in Spanien, wo ich auch die Platte gemacht habe. Also relativ selten. Aber in Zeiten von Skype und WhatsApp ist man doch eh mit allen verbunden. Paranoia wegen Snowden und der NSA-Geschichte? Irgendwie hab ich vorher schon geahnt, dass das alles nicht abhörsicher ist. Bei allem, wo andere Menschen involviert sind, kann man sich nicht sicher sein. Ich weiß allerdings ernsthaft nicht, wann mich ein Thema das letzte Mal so politisiert und rasend gemacht hat. Kann man seinen guten Freunden heute noch eine E-Mail schreiben in der "Angela Merkel ist in ihren eigenen Arsch reingekackt worden" steht? Sobald man anfängt, aus Angst vor Strafverfolgung Selbstzensur zu üben, ist das eine historische Beschneidung der demokratischen Grundrechte. Diese perfide Argumentation der Amerikaner macht mich wahnsinnig: nicht die eigentlichen Tatsachen wären böse, sondern der Überbringer dieser Tatsachen, Snowden. Ich fühle mich hilflos und ohnmächtig, auch aufgrund des kollektiven Desinteresses. Und auch ich mache ja weiter wie vorher. Die ganze Diskussion hat mich näher zu der Idee gebracht, endlich in den Dschungel zu ziehen. "Raus aus dem geschmäcklerischen poptheoretischen Diskurs, rein in die Mittvierziger-Frauen-Szene" hast du in unserem Interview zu deinem Album gesagt. Wie war es da denn so? Ich habe mich gefreut, dass ein bisschen das eingetreten ist, was ich mir erhofft habe. Ich bin gerade in einer Phase, in der mich die Techno-Nische nicht so interessiert. Ich sauge das zwar immer noch alles auf, mache meine Hausaufgaben und freu mich über jede Platte auf Ostgut. Aber das ist nicht das, was ich grad machen will. Das ist mir irgendwie zu klein, zu puristisch und zu dark. Ich finde es spannend, wie du dich zwischen der, wie du es nennst, puristischen Techno-Nische und dem dortigen Respekt und der breiten Masse bewegst. Die Menschen sind ja nicht blöd. Warum sollen die Scheiße fressen wenn es auch Trüffel zum gleichen Preis gibt?

Koze, Figurhead des Guten. Einverstanden? Nee, auf keinen Fall, ne? (lacht) Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen der deutschen und der internationalen Szene? Schon. Hier sind alle irgendwie gelassener. Keine Ahnung, ob das so ein deutsches Ding ist. Wir sind ja auch alle schon lange dabei. Gerade ist auf der DJ-Szene ganz schön viel Druck. Die Crowd hat sich ja nicht sonderlich vergrößert, aber die Berufstätigen in diesem Segment haben in den letzten fünf oder sieben Jahren total zugenommen. Vor allem auch im Ausland. Wie schafft man es in einer Welt, in der man nur von Minireleases lebt, mit Verkäufen nichts verdient, absehbar mit Streaming noch weniger, dennoch konsequent Underground zu bleiben und im Underground immer größer zu werden? Indem man delivert wie ein scheiß Pizzajunge. Mit Kontinuität, so gut man kann und vielleicht auch in mehreren Bereichen. Zum Glück tangiert diese ganze Entwicklung das Live-Geschäft ja immer noch nicht. Und wenn, dann ja eher zum Positiven. Underground find ich übrigens gar nicht so entscheidend. Wenn es gut ist, mag ich Mainstream. Auch in der Kunst. Vorsätze für 2"14? Ich habe mir für dieses Jahr vorgenommen, etwas anders zu machen. Thema: Erfolglosigkeit. Ich habe mal Lust zu sehen, wie das so ist. (lacht) Vielleicht mache ich einfach mal schlechte Musik. Obwohl, das könnte dann mein richtiger Durchbruch werden. Es ist ein schmaler Grat. Ich würde wirklich gerne mal alles aussetzen und einfach malen oder sofort wieder Musik produzieren, anstatt noch so ein Jahr auf der Welle abzutouren. Aber wenn du dich so komplett vom DJing losreißt, fällst du doch in ein Loch. Ist doch auch nicht schlecht. Ich steh ja auf Depressionen und Löcher - da kommt ja auch manchmal was raus. Wie stehen denn die Chancen für ein Fischmob-Revial? Ganz schlecht. Ich habe das Gefühl, das war damals unsere Sturm-und-Drang-Phase. Aber ich sehe das jetzt gerade nicht. Lieber würde ich meinen eigenen Ceviche-Stand aufmachen, bevor ich noch mal auf einer Bühne "Fick mein Gehirn!" brülle.

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# LABEL !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1! 11 12 13 14 15 16 17 18 19 2!

Pampa Innervisions Kompakt Stil vor Talent Warp URSL 5# Weapons Giegling Hyperdub L.I.E.S. Kann Keine Musik R&S Smallville Ilian Tape Dystopian Border Community Exploited Praterei Ostgut Ton

Im letzten Jahr noch auf Platz 4, hat es sich die kleine Pampa-Sekte, begleitend zur generellen Leserpoll-Omnipräsenz von Koze und Konsorten, mittlerweile an der Spitze bequem gemacht. Von # auf 2: die Dillon & Ãme-Mischpoke Innervisions und auf der 3, wie schon im letzten Jahr, die rheinische Techno-Hochburg Kompakt. Stil vor Talent hält sich nach Neueinstieg im letzten Jahr wacker. Ähnlich geht es 5# Weapons. Apropos: Wo ist eigentlich Monkeytown? Dial, im letzten Jahr schon nur noch auf der 1#, hat sich gänzlich aus den Top Twenty verabschiedet. Ansonsten: eine schöne Schüssel Buntes, Großes und Kleines. Von der alten Dame Warp über Neueinsteiger R&S Records bis hin zur Bank Ostgut Ton.

# FESTIVAL !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

# UNPERSON

Fusion Melt Nachtdigital lighthouse Dimensions Dockville Nation of Gondwana Plötzlich am Meer SMS Outlook Festival

Soweit keine großen Überraschungen in eurem Festival-Lineup. Fusion, Melt, Nachtdigital lieben alle, daran hat sich seit letztem Jahr nichts geändert.

!1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

# MUSIK TECHNIK !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

NI Machine Ableton Push Technics 121# MK2 Die Korg Volcas Apple iPad mfb Tanzbär Diverse Traktor MS 2# Mini diverse Moog diverse Roland TRs & TBs

Schaut der Legende (immer noch) beim Untergang (oder der Übersättigung) zu: Musste der MK2 schon im letzten Jahr Native Instruments Machine weichen, drängelt sich mit dem Push gleich noch so ein Live-Tool an der Clubinstanz vorbei. Damit hatten wir ja schon gerechnet. Tja, und dass Korg mit der Volca-Reihe einen Volltreffer landete, wird auch niemanden überraschen. Allerdings, dass von da an herzlich wenig passiert, so chartsmäßig. Ein bisschen Apple, ein bisschen Drumcomputer, ein bisschen Synth und unzählige Einzel- und Wenignennungen. Der Vergleich mit euren Musik-SoftwareCharts liegt nahe. Musikmachen und Musik live manipulieren ist eben längst identisch, das zeichnet sich auch an den AlleskönnerTools ab. Was könnte jetzt den MK2 retten?

# MUSIK SOFTWARE !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

Ableton Live Traktor Logic Maschine 2.# Reason 7 Max/MSP iTunes Cubase FL Studio Reaktor

Unwillkürlich würden wir sagen, Musiktechnik, das ist etwas für Traditionalisten. Die Charts sind wieder einmal fast deckungsgleich zum letzten Jahr. Blickt man aber hinter die Kulissen, können wir euch verraten, dass sowohl Traktor als auch Ableton ihren Abstand nicht nur noch weiter vergrößert haben, sondern jenseits der Top1# die kleinen aber feinen Lösungen kaum noch zu finden sind. Im Gegensatz zur Hardware scheint sich bei der Musiksoftware alles immer mehr auf ein paar Große zu konzentrieren. Keine Lust mehr auf Softwareexperimente? Kein Verlangen nach den heißesten Plugins? Immer noch nicht von Musik auf Tablets überzeugt? Nur Traktor DJ bekam ein paar Trostnennungen? Aber vielleicht zählt das für euch ja schon gar nicht mehr als Software?

Angela Merkel Barack Obama Wladimir Putin Miley Cyrus Hans-Peter Friedrich Uli Hoeneß David Guetta Ronald Pofalla Boris Becker Tebartz van Elst

Die Miesen. Haben wir extra für euch eingeführt die Kategorie, weil gut und böse, das liegt weiter von einander weg denn je. Schluss mit Affirmation. Jetzt wird zurückgestänkert. Merkel war fraglos unschlagbar mies. Hat ja auch ihre Quittung bekommen. Und Obama der Loser des Jahres. Letztes Jahr noch Person des Jahres, jetzt der Obermiese, klar. Putin soll sich an seinem eigenen Sack aufhängen. Sehen wir auch so. Miley Cyrus, hm, ok, immer nur Politiker an den Pranger stellen, ist auch langweilig. Außerdem reimt sich "Wrecking Ball" ja auf alles und man muss ihr nicht dankbar sein, in der Sexismus-Debatte nachgetreten zu haben. Der Rest: einfach so Fieslinge. Schon immer gewesen.

# PERSON !1

Edward Snowden

Alle anderen waren nix. Da lohnt es sich nicht, Charts zu machen, wenn Platz 1 völlig unerreicht in einer anderen Dimension schwirrt. Edward Snowden ist Papst. (Der Papst übrigens, hat es trotz aller Bemühungen gerade mal zu EINER Chartnennung geschafft).

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# MEME !1 !2 !3 !4 !5

Merkel Grumpy Cat Obama Doge Harlem Shake

Platz 1: Das Merkel-Meme (Raute, #neuland, Hipster-Kanzlerin, Schlandkette) in allen erdenklichen Farben und Formen. Und wo wir schon von hängenden Mundwinkeln reden: Grumpy Cat, der schlechtgelaunte Snowshoe-Schnurrer, grummelt sich auch in diesem Jahr in die Liste eurer Lieblings. Memes. Ähnlich wie seine deutsche Kollegin fungiert Obama dahinter als UniversalMeme von "Yes, we scan!" bis zur SelfieKnipserei auf Mandelas Beerdigung. Platz 4 geht an Shiba Inu-Hündchen Doge. Wow, such ranking! Auf dem fünften Platz, natürlich, die vibrierende Viralverrenkung "Harlem Shake".

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179 — POLL 2013

# TV-SERIE !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

Breaking Bad Homeland House of Cards Game of Thrones The Walking Dead Boardwalk Empire Parks and Recreation Dexter Die Simpsons Modern Family

Meth macht halt immer noch am süchtigsten. Keine Frage. Hätten wir auch vorher schon ausfüllen können den Platz 1. Es kann nur einen Walter White geben. Und kommt uns nächstes Jahr nicht mit Saul. Der ist nämlich auf Platz zwei eh schon weg. Fuck you, Saul! Hat euch gepackt. Euer konsequentes Desinteresse für Serienneustarts wird durch House of Cards voll und ganz verziehen. Und überhaupt. Fernsehen scheint mehr und mehr ein Wunsch nach Abbild der Realität zu werden. Drogen, Intrigen, Terror. Loser der Saison: Mad Men, das ging glanzlos zu Ende. Oberloser des Jahrzehnts, Tatort. Nicht ein einziger von euch ist auch nur darauf gekommen, das in seinen Charts zu nennen. Niemand.

# FILM !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

Django Unchained Gravity Only God Forgives Finsterworld Blue Jasmine Die Tribute von Panem Catching Fire Frances Ha Prisoners Inside Llewyn Davis $$ Schneider Im Wendekreis der Eidechse

Eine der besten, vollständigsten, gut gemachtesten Listen eures Jahres. Alles drin, alles dran. Von Helge über J-Law bis zu Django. Bei 1 und 3 regiert die Gewalt, dazwischen spact ihr durchs All und hört Sandra Bullock beim Stöhnen zu. Die grippale Astronautin gerierte definitiv die irrsten Sounds der Filmjahres, ganz tolle Sache. Da konnten Kracht und Finsterwalder keine Fußnägel gegen mahlen und Frances Ha auch nicht gegen durch New York hipstern. Hatte man auch gar nicht auf dem Zettel gehabt, dass mit Coen, Allen und Tarantino vier gewichtige Großregisseure abgeliefert haben.

# BUCH !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9

1!

Sven Regener Magical Mystery Felix Denk & Sven von Thülen Der Klang der Familie Daniel Kehlmann - F Keines Hariku Murakami - 1Q84 Timur Vermes - Er ist wieder da Die Bibel Wolfgang Herrndorf - Tschik Jonas Jonasson Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand David Foster Wallace Der bleiche König

Es ist das Jahr, in dem das Re-Release von "Mein Kampf" zu den Akten gelegt wurde. Die kommentierte, "kritische" Fassung, an der bereits seit Jahren gearbeitet wurde, hat die zuständige bayerische Landesregierung just verboten. Da bleibt eben nur Timur Vermes' "Er ist wieder da". Leider hat niemand aus der Redaktion das Buch gelesen, aber ihr findets gut. Mit "Der Klang der Familie", Murakami und "Tschik" sind gleich drei Bücher bereits das dritte Jahr hintereinander in der Top1" das ist ein echtes Qualitätssiegel. Und dann noch dieses: Letztens an der Bar mit einem Lektor für junge deutsche Literatur an einem renommierten Verlagshaus gesprochen. Der war ganz traurig und meinte: Damals war es normal, dass jeder ständig die belletristischen Neuerscheinungen las, heute blättern alle in Theorie, Klassikern, ein bisschen Pop und im Internet. Aber für normale neue Romane interessiert sich im Grunde keiner mehr. Ich werde ihm gleich eine Mail mit eurem Platz 4 schicken.

# SELBSTBEHERRSCHUNG !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

Arbeiten, Aufstehen, Ausbrechen Double Cup Hash tags Große Koalition BBoying Gartenarbeit Leben ohne Ponyhof Nachbarn Platten gegen Hunger Paleo Food

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# COVER !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

Rückblick Can't Touch This Bring The Toys Boards of Canada Koze Selbstoptimierung Computerstaat Austra Atom™ Ableton Live

# STORY !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

Überstunden am Ich Gendertrouble auf dem Dancefloor Bring the toys Koze Computerstaat Boards of Canada Die Reiter der Apokalypse Moderat Ableton Lernen

# WEBSITE !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

De:Bug Soundcloud Discogs Resident Advisor Facebook Google Tumblr xlr8r Der Postillon Spiegel Online

# ZEITUNG !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

De:Bug Die Zeit Süddeutsche taz FAZ Der Freitag Der Standard Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung The Guardian Jungle World

Postillon nur auf Platz 9? Das ist doch vorgetäuschte Ernsthaftigkeit. Das nehmen wir euch nicht ab. Und keine Blogs mehr? Nur noch Musik, Musik und die paar Giganten, an denen man nicht vorbeikommt, als Tarnkappe noch ein Hauch Nachrichten-Grundversorgung. Das ist alles entweder irre konsequent, oder, hier unsere viel bessere Erklärung: Im NSA-Jahr will jeder möglichst unauffällige Webseiten angeben, schließlich wird man ja sonst schon genug nach seinen Surf-Vorlieben abgescannt. Könnten wir nachvollziehen. Geht uns auch so.

FÄCHERÜBERGREIFEND: DER MASTER OF ARTS IN CONTEMPORARY ARTS PRACTICE. DER NEUE NEUE MASTERSTUDIENGANG MASTERST DIENGANG DER HOCHSCHULE DER KÜNSTE BERN RÜCKT QUALIFIZIERTES KÜNSTLERISCHES DENKEN UND HANDELN INS ZENTRUM – LOSGELÖST VON DISZIPLINÄRER KÜNST BEGRENZUNG. BEGREN EGRENZUNG. RENOMMIERTE ENOMMIERTE DOZIERENDE, AUSGEZEICHNETE INFRASTRUKTUREN UND EIN WEITREICHENDES NETZWERK ERMÖGLICHEN DEN STUDIERENDEN AUS DEN BEREICHEN FINE ARTS, MUSIK UND MEDIENKUNST, LITERATUR UND PERFORMANCE ART DIE ENTWICKLUNG UND SCHÄRFUNG EINES EIGENSTÄNDIGEN KÜNSTLERISCHEN PROFILS. MEHR ÜBER ZULASSUNG, ZIELE UND STUDIENAUFBAU UNTER WWW.HKB.BFH.CH

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# SNEAKER !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

Nike Adidas Asics Converse New Balance Puma/Vans Onitsuka Tiger Boxfresh Pointer Hummel

Am 28. Juni 2#13 wurde das rosafarbene Schuhmodell "Mizuno Wave Rider 16" zum Symbol des feministischen Kampfes. Und es ging mega ab auf Ebay. Das lag an der amerikanischen Senatorin Wendy Davis, die in diesen Schuhen elf Stunden gegen das geplante texanische Abtreibungsgesetz anredete. Weil die Regeln für die Technik des Filibustern

ultrahart sind (die Redner müssen permanent stehen, dürfen nichts trinken oder essen und nicht auf die Toilette gehen. Selbst Anlehnen ist verboten), hatte sich die 5#-jährige Demokratin gut vorbereitet. Als Filibustern wird die Taktik einer Minderheit bezeichnet, durch Dauerreden eine Beschlussfassung durch die Mehrheit zu verhindern oder zu verzögern und es ist kein neues Phänomen, sondern geht auf die römische Tradition der Ermüdungsrede zurück. Dass man dazu Laufschuhe trägt, ist aber schon neu. Und geil. An den Laufschuhen liegt es, dass Nike Adidas im letzten Jahr den ewigen Rang eurer Nummer 1 abgelaufen hat. Und da war auch in diesem Jahr nichts zu machen. Das Format Runningsneaker ist noch immer das Richtige. Aber obacht, Converse schleicht sich von Jahr zu Jahr höher, Adidas legt den reinen Stan Smith wieder auf, vielleicht muss in 2#14 doch wieder umgerechnet werden.

# MODE !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

Carhartt Adidas COS Acne Wood Wood Ben Sherman/Cheap Monday Wemoto/Ucon Fred Perry Iriedaily Cleptomanicx

Carhartt ist das Koze der Mode. Sie sind Legionen, sie sind Rom ohne gallische Dörfer, es gibt kein Entkommen, Weltreiche. Zwar rückt der kühle, funktionale Minimalismus von COS und Acne vor. Das finden wir auch gut, logo, aber den Zaubertrank haben sie noch längst nicht erfunden. Das Tolle an Carhartt wie Koze: Sie funktionieren wirklich. Zum Beispiel

als Verbinder zwischen Redaktion und Leserschaft. Man ist in vielem anderer Meinung, jedes Jahr wieder überrascht davon, was der andere so gut findet, doch diese beiden Konstanten bleiben, da kann man sich sicher sein. Das finden wir für ewig miteinander gut. Dasselbe gilt für Adidas. Und an dieser Stelle muss man dem dreigestreiften Haus aus Herzogenaurach auch mal gratulieren. Sie führen seit langem schon von allen Modemarken der Welt die besten Kollaborationen: Opening Ceremony, Jeremy Scott, Dirk Schönberger und natürlich der in diesem Jahr gleich zwei Jubiläen feiernde Yōji Yamamoto (zehn Jahre Adidas Y-3, sein 7#. Geburtstag, Herzlichen Glückwunsch!) liefern allesamt seit Jahren sehr durchdachte Arbeit ab, die nichts zu tun hat mit den vielen lahmen Ergebnissen, die viele andere kurzfristige Beziehungen von Marken auszeichnet. Und: Seit diesem Jahr ist ja auch noch Kanye West von Nike aus ins Boot Adidas gesprungen.

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# GAME !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

GTA V The Last of Us Fifa 14 Tetris Assassins Creed 4 Beyond - Two Souls Call of Duty 4 Bioshock Infinite Civilization V Schach

Wenn's ums Spielen geht, interessieren euch nur die großen Namen: Eklektizismus und Außenseitertum findet man in dieser Aufstellung höchstens als GamesDistanzierungsversuch: Schach und Tetris. Oder Moment mal, ist das nur ein Symptom des Charts-Mechanismus? Ein Blick in die Chart-Rohdaten, Big Data für Arme, enthüllt: Nö. Computerspiele sind eben noch in der Handwerksphase, das muss man akzeptieren - und sich prächtig banal unterhalten lassen. (Was fehlt ist die Civ-VSubchart Moralische Dissonanz: Ghandi, der böseste Führer der Welt.)

# HANDY !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

iPhone 5S iPhone 5 Samsung Galaxy S4 Htc One Nokia 331% Nexus 5 Nokia Lumia 1%2% Fairphone Phonebloks Sony Xperia Z1

2"13 war das Jahr in dem Apple totgesagt wurde. Endgültig. Vorbei mit der Dominanz dieses Mini-Smartphones. 2"13 war auch das Jahr, in dem Apple wieder aufgestiegen ist wie nie zuvor. Rauf, runter. iDingda-Peak? Oft herbeigesehnt, aber nicht in Sicht. Der Dauerbrenner Nokia 331" ist nicht kaputt zu kriegen und wir überlegen schon, ob wir extra für euch nicht eine Wagenladung Nachschub in Uganda kaufen. Die Überraschung aber: Alternativen wollt ihr! So sehr, dass nicht nur Fairphone es in die Charts geschafft hat, sondern selbst das nur als Konzept existierende Phonebloks.

# GADGET !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

iPad iPad Mini Google Glass Raspberry Pi 3D-Drucker Tile Playstation 4 littleBits Kindle MacBook Pro

Da können noch so viele Android-Tablets kommen - die ja durchaus was drauf haben -, aber auf das iPad kann sich jeder einigen. An den ersten beiden Listenplätzen hat sich seit dem letzten Jahr nichts verändert. So weit so gut. Was wir hier nicht so richtig verstehen: wieso ausgerechnet das Google HUD, das man bislang nur auf den Nasen der falschen Menschen auf den falschen Konferenzen sah, hier auf Platz 3 steht. Und dann eine Nerd-Bastelstube, ein 3D-Drucker und ein Schlüsselfinddienst?! Wer soll sich aus so einer Liste einen Reim machen können?

# APP !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

Shazam WhatsApp Soundcloud Instagram Traktor DJ Facebook Google Maps Feedly Beatguide Touchable

Man macht sich viel zu wenige Gedanken darüber, wie wichtig Shazam für den Erfolg der Smartphones ist. Handy hoch und Noten schnorcheln, das machen mittlerweile 4"" Millionen Leute weltweit. Und Shazam weiß deshalb immer besser, was draußen in der Welt für Musik läuft und erstellt daraus schrecklich realistische Chart-Prognosen. DJ Martin Garrix, sagt Shazam zum Beispiel, wird 2"14 ganz groß. Und dass man sich darüber über WhatsApp unterhält und ganz schnell Soundcloud nach Linkverschickungsmöglichkeiten durchsucht - alles kein Wunder.

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DIE BESTEN ARTISTS DES JAHRES PRÄSENTIEREN DIE BESTEN PLATTEN (Warp) !2 Buch: Joachim Meyerhoff - Wann wird es endlich wieder so wie es nie war (KiWi) Acurio (Chefstyler) JON HOPKINS !1 James Holden - The Illuminations (12" Version) (Borde - Kalendula (Alex Bau Remix) (Hidden Recordings) !4 Boards of Canada - Reach For The De Lawrence - Marlen (Carsten Jost & Dj Richard Remix) (Dial Records) !2 XDB - Modula (Sistru - Logo Queen (Cabaret Recordings) !5 Floorplan - Never Grow Old (M-Plant) JESSY LA Truly) !2DJ Rashad - Everybody (Hyperdub) !3 Legowelt - Elementz Of Houz Music (Actres Fabolous (Maybach Music Group) !5 Le1f - Tree House (Greedhead) MODERAT Gernot !1 O Immunity (Domino Records) Szary !3 Oneohtrix Point Never - The Fall Into Time (Software Re Sascha !5 Darkside - Psychic (Matador) !6 Foals - Holy Fire (Warner Bros.) FELIX K !1 W - Beataholic Reformatory (Sony) !3 Marcos Cabral - Dancing On Manhatten (L.I.E.S. Recor Morelli - Spit (Hospital Productions) SCUBA !1 Disclosure - Help Me Lose My Mind (Paul W Woolford - Untitled (Hotflush Recordings) !4 Dense & Pika - Lack Of Light (Hotflush Recordin Watson - Songs To Elevate Pure Hearts (KiNK & Rachel Remix) (Cream Oranization) !2 Eoma (Power House) !4 Walton - Help Me Out (Hyperdub) !5 Ellen Allien – The Kiss (Jesse Pere (Monkeytown Records) !2 James Blake - Retrograde (Universal Music) !3 Mr.Oizo - Amicalem !5 Stimming - Stimming (Diynamic) CLARA MOTO !1 Oneohtrix Point Never - R Plus Se Community) !3 Ritornell - Aquarium Eyes (Karaoke Kalk) !4 Mimu - Elegies In Thoughtful N MARCEL DETTMANN !1 Function - Incubation (Ostgut Ton) !2 L.B. Dub Corp - Unknow Fengler - Focused (Ostgut Ton) !5 Juan Atkins & Moritz von Oswald - Borderland (Tresor) HEL !2 Sleaford Mods - Austerity Dogs (Harbinger Sound) !3 DMX Krew - Micro Life (Abstract Jon's Records) !5 Actress - Silver Cloud (Werkdiscs) LEN FAKI !1 John Beltran - Amazin (Warp) !3 James Blake – Overgrown (Republic Records) !4 Nosaj Thing – Home (Innovative RECONDITE !1 Dense & Pika - Colt (Hotflush Recordings) !2 Felix K. - Stone Edge (Dystop - Primative People (Tale Of Us Remix) (Permanent Vacation) !5 Clouds - Chained To A Dead C (Pictures) !2 Baikal - Why Don't Ya? (Ripperton Remix & Dixon Edit) (Maeve) !3 Daniel Avery It Forever) !5 Holden - Blackpool Late Eighties (Border Community) SASHA PERERA !1 F King / Gold 93 (Kudos Records) !3 Laurel Halo - Chance of Rain (Hyperdub) !4 BLKKATHY Perro (Project Mooncircle) MYKKI BLANCO !1 FKA Twigs - EP 2 (Young Turks) !2 Arca - && Kelela - Cut 4 Me (Fade To Mind) !5 Rihanna - Unapologetic (Def Jam Records) DJ RICHA - Synthdrome At The Disco (Muzique Records) !3 Joey Anderson - Above the Cherry Moon Instincts) !5 Echo 1$6 - Infernal Regions (Lux Rec) ............ 48

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TTEN DES JAHRES: DJ KOZE !1 Album: Bibio - Silver Wilkinson (KiWi) !3 Serie: Louie (FX) !4 Kopfhörer: Bose QC15 !5 Koch: Gastón ) (Border Community) !2 Skudge - Möbius (Indigo Aera) !3 Bodyscrub The Dead (Warp) !5 Four Tet - Buchla (Text Records) LAWRENCE !1 (Sistrum Records) !3 Marcel Fengler - Jaz (Ostgut Ton) !4 So Inagawa SY LANZA !1 Shlohmo - Bo Peep feat. Jeremih (Do U Right) (Yours (Actress Mix 1) (Clone) !4 Omarion - Know You Better feat. Pusha T & ot !1 Omar Souleyman - Wenu Wenu (Ribbon Music) !2 Jon Hopkins ware Recording Co.) !4 Benjamin Damage - Heliosphere (5$ Weapons) K !1 Wamdue Kids - Memory And Forgetting (Sounds.) !2 DJ Krush . Records) !4 Zenit - Ein Leben Für Nichts (Team Avantgarde) !5 Ron (Paul Woolford Remix) !2 Pedestrian - Hoyle Road (Subsoul) !3 Paul ecordings) !5 Recondite - Cleric (Dystopian) ELLEN ALLIEN !1 Neville 2 Eomac - Spoock (Killkill) !3 Wk7 - Higher Power (Hardcore PCK Mix) se Perez Remix) (BPitch Control)SIRIUSMO !1 Siriusmo - Enthusiast micalement (Ed Banger Records) !4 Erobique - Warmer Bruder (Mirau) Plus Seven (Warp Records) !2 James Holden - The Inheritors (Border ghtful Neon (Liska Records) !5 Forest Swords - Engravings (Tri Angle) Unknown Origin (Ostgut Ton) !3 Airhead - For Years (R&S) !4 Marcel or) HELENA HAUFF !1 Cancerdog vs Star Kid - Untitled (Panzerkreuz) bstract Forms) !4 Morphosis - Dismantle / Music For Vampyr (Honest Amazing Things (Delsin) !2 Boards Of Canada - Tomorrow's Harvest ovative Leisure) !5 Hieroglyphic Being - Imaginary Landscapes (Clone) Dystopian) !3 Recondite - Beiz (Trolldans Records) !4 Mano Le Tough Dead Camel (Overlee Assembly) DANIEL AVERY !1 Dauwd - Silverse el Avery - All I Need (Phantasy) !4 Winter Son - Here Is A Ghost (This Is RA !1 Felix K - Flowers of Destruction (Hidden Hawaii) !2 Brrd - Hail Di KATHY - Dem Bones (Deep Ellum Records) !5 Robot Koch - Poder del ca - &&&&& (arca1$$$$$$) !3 DJ Rashad - Double Cup (Hyperdub) !4 RICHARD !1 Florian Kupfer - Lifetrax (L.I.E.S.) !2 Michael Ferragosto y Moon (Avenue 66) !4 Chasing Voices - Awoken By Tears (Preserved

Für alle, die es wissen wollen.

Klartext oder PiepShow? »Freundschaft, viel Geld, Verrat, das alles taugt hervorragend für eine spannende Geschichte.« Ole Reißmann, Spiegel Online

Zeitgeistiges Gezwitscher, heiße Businessnews, politischer Protest – zusammengefasst in 140 Zeichen, verbreitet in Echtzeit: Twitter! Eine kometenhafte Erfolgsstory, ein 11,5-MilliardenDollar-Start-up mit 200 Millionen aktiven Usern. Doch wie sieht es hinter der schönen Fassade aus? Nick Bilton zeigt uns jetzt die schwarze Seite des blauen Vogels. 2013. 336 Seiten, gebunden. € 24,99 Auch separat als E-Book erhältlich

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SASCHA KÖSCH MADE MY DAY

FELIX KNOKE MUSIK

JI-HUN KIM MUSIK

ANDREAS BRÜNING MUSIK

!1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

!1 Sleaford Mods - Austerity (Harbinger Sound) !2 Harry Merry - Australian Sun (Meeuw Muzak) !3 Glen Meadmore - Girline (Amoeba Records) !4 The Knife - Silent Shout Live (Rabid Records) !5 Domotic - Before and After Silence (Clapping Music) !6 Abeloe - Manon EP (Farver) !7 Hidden Cameras x Snowblink The Chauffeur (Arts & Crafts) !8 Aera - Die Pferden (Aleph Music) !9 grim1!4 - Crystal Meth in Brandenburg (Buback) 1! Das Weiße Pferd - Perdido (Echokammer)

!1 Matt Elliott - Only Myocardical Infarcation Can Break Your Heart (Ici d'ailleurs) !2 Orson Wells - Never Lonely No More (LARJ) !3 A Grave With No Name - Whirlpool (Stare Records) !4 Greg Haines - Where We Were (Denovali Records) !5 Baths - Obsidian (Anticon) !6 Bering Strait - Apart (Apollo) !7 On An On - Give In (City Slang) !8 Boe & Zak - Loop For Love (Editainment) !9 Isolée - Allowance (Pampa) 1! DJ Sprinkles - Where Dancefloors Stand Still (Mule Musiq)

!1 Young Echo – Nexus (Ramp Recordings) !2 RP Boo - Legacy (Planet Mu Records) !3 Mark Pritchard - Lock Off-EP (Warp !4 NRFB (Nuclear Raped Fuck Bomb) – Trüffelbürste (Staatsakt) !5 V.A. - Return Flight To Ghana 1974 – 1983 (Analog Africa) !6 Huerco S. - Colonial Patterns (Software Recording Co.) !7 Groupshow - Live At Skymall (Staubgold) !8 BJ Nilsen - Eye Of The Microphone (Touch) !9 Walton – Baby (Hyperdub) 1! Orchestre Poly-Rythmo De Cotonou The Skeletal Essences Of Afro Funk (Analog Africa)

Arttu Kink My Bloody Valentine Tin Man Redshape Source Direct Damiano Von Erckert Public Enemy Tim Hecker The Fall

JAN WEHN MOMENTE

!1 R. Kelly singt über Sexdelfine und den Italian Hero Sandwich of Love !2 Kanye West rantet bei “Sway In The Morning” !3 Jay Z & Beyoncé go vegan !4 Daft Punk spielen unmaskiert Champagner Pong im Sony-Büro !5 Jai Paul macht ein sehr gutes Album, das gar nicht von ihm ist !6 James Blunt gewinnt den Mercury Prize !7 Sufjan Stevens disst R. Kelly & Justin Bieber !8 Miley Cyrus vs. Sinéad O'Connor !9 Justin Biebers Kapuzieneräffchen muss in Quarantäne 1! Kendrick Lamar watscht alle mit seinem “Control”-Verse ab

BENJAMIN WEISS MUSIKTECHNIK-DIY !1 !2 !3 !4 !5 !6 !7 !8 !9 1!

Yocto 3!3 Energy Two Thousand Six Hundred Groovesizer Sonic Potion LXR Drummachine Kit Euroboy The Pyramid Synth MR-8/8 Touch Synthesizer The Jelly Fish Double Delay

TIMO FELDHAUS LOGO-MODE & NO-LOGO-MUSIK

MICHAEL DÖRINGER MUSIK

!1 Maria ke Fisherman & Dean Blunt The Redeemer (Hippos In Tanks) !2 Shallowww & Drake Nothing Was the Same (OVO Sound) !3 NX-2 by Nik Kosmas & Burial Rival Dealer EP (Hyperdub) !4 Anna-Sophie Berger & Bibio Silver Wilkinson (Warp) !5 Heron Preston & Machinedrum Vapor City (Ninja Tune) !6 Nasir Mazhar & I Am The Center. Private Issue New Age Music in America, 195/-199/ (Light in the Attic) !7 Adidas Y3 & Kanye West - Yeezus (Def Jam) !8 Wil Fry & My Bloody Valentine m b v (m b v) !9 Nike & JaKönigJa - Ich bin Stoff und du bist Geist (Hanseplatte) 1! Hood by Air & FKA Twigs - EP2 (Young Turks)

!1 Oneohtrix Point Never - R Plus Seven (Warp) !2 Huerco S. - Colonial Patterns (Software) !3 The KVB - Immaterial Visions Remixes (Cititrax) !4 Moin - EP (Blackest Ever Black) !5 Boards Of Canada Tomorrow's Harvest (Warp) !6 Bandshell - Caustic View (Liberation Technologies) !7 Omar-S - Thank You For Letting Me Be Myself (FXHE) !8 Helena Hauff - Actio Reactio (Werkdiscs) !9 The House In The Woods Bucolica (Exotic Pylon) 1! Grouper - The Man Who Died In His Boat (Kranky)

LEA K. BECKER MUSIK

!1 Daughter - If You Leave (4AD) !2 Mount Kimbie - Cold Spring Fault Less Youth (Warp) !3 SOHN - Bloodflows (4AD) !4 Mt. Wolf - Hypolight (Two Sisters) !5 Natasha Kmeto - Crisis (Dropping Gems) !6 London Grammar - If You Wait (Metal & Dust) !7 Jessy Lanza - Pull My Hair Back (Hyperdub) !8 Deptford Goth - Life After Defo (Merok) !9 Poliça - Shulamith (Memphis Industries) 1! Gold Panda - Half Of Where You Live (Ghostly International)

TIM CASPAR BOEHME MUSIK

!1 Atom™ – HD (Raster-Noton) !2 Jessy Lanza – Pull My Hair Back (Hyperdub) !3 Jeri-Jeri – 8// % Ndagga (Ndagga) !4 DJ Rashad – Double Cup (Hyperdub) !5 Mountains – Centralia (Thrill Jockey) !6 Laurel Halo – Chance of Rain (Hyperdub) !7 Oneohtrix Point Never – R Plus Seven (Warp) !8 Lucrecia Dalt – Syzygy (Human Ear Music) !9 Special Request – Soul Music (Houndstooth) 1! Donato Dozzy – Plays Bee Mask (Spectrum Spools)

RAPHAEL HOFMAN MUSIK

!1 Darkside - Paper Trails (Matador) !2 FauxpasEtMoi - Moonshine (No Label) !3 Bondax - Gold (Snakehips Bootleg) (Relentless) !4 Dense & Pika - Colt (Hotflush Recordings) !5 Pedestrian - Hoyle Road (Born Electric) !6 Darius Syrossian - Can You Feel It (Hot Creations) !7 Nick Behringer - Downtown Grooves (My House Your House) !8 Warm Water - Banks (Good Years Recordings) !9 Dahu - Deep In The Woods (Steyoyokes) 1! Martin Dawson & Andre Crom Gonna Be Alright (Huxley Edit) (Off Recordings)

BIANCA HEUSER MUSIK

!1 Lawrence - Films & Windows (Dial) !2 DJ Richard - Leech2 (White Material) !3 Lawrence - Marlen (Carsten Jost & DJ Richard Remix) (Dial) !4 Burial - Rival Dealer (Hyperdub) !5 James K - Rum EP (Self-released) !6 Inc. - No World (4AD) !7 Baths - Obsidian (Anticon) !8 Seth - Chick On The Moon (UNO NYC) !9 Kim Brown - Somewhere Else It's Going To Be Good (Just Another Beat) 1! Le1f - Tree House (Camp & Street)

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TIM NAGEL MUSIK

THADDEUS HERRMANN MUSIK

ALEXANDRA DRÖNER MUSIK

TOBI KIRSCH MUSIK

!1 In Solitude - Sister (Metal Blade) !2 Duane Pitre - Bridges (Important Records) !3 Destruction Unit - Deep Trip (Sacred Bones) !4 Moritz Von Oswald Trio - Blue (Honest Jon's Records) !5 Antediluvian - Logos (Nuclear War Now!) !6 Ulver with Tromsø Chamber Orchestra Messe I.X - VI.X (Neuropa Records) !7 Mohammad - Som Sakrifis (PAN) !8 Desert Heat - Cat Mask At Huggie Temple (MIE Music) !9 Hecker - Chimärisation (Editions Mego) 1! Kanye West - Yeezus (Def Jam)

!1 The National - Trouble Will Find Me (4AD) !2 Freund der Familie - Alfa (FDF) !3 Kim Brown - Somewhere Else It’s Going To Be Good (Just Another Beat) !4 Recondite - Hinterland (Ghostly) !5 Nick Cave & The Bad Seeds Push The Sky Away (Bad Seeds Ltd.) !6 Rising Sun - Heart & Soul - Strings & Nostalgia (Kristofferson Kristofferson) !7 Jonsson & Alter - 2 (Kontra-Musik Records) !8 Miles - Fainted Heart (Modern Love) !9 The Humble Bee - Henrietta (Our Other Ideas) 1! Sequence Report - Secromance (Tevo Howard Recordings)

!1 Perera Elsewhere - Everlast (Friends of Friends) !2 Traxman - The Architek (Teklife) !3 The Space Lady - The Space Lady Greatest Hits (Night School) !4 Special Request - Soul Music (Houndstooth) !5 Joane Skylar - Orz (Reckno) !6 RP Boo - Legacy (Planet Mu) !7 Felix K - Flowers of Destruction (Hidden Hawaii LTD) !8 Stellar Om Source - Joy One Mile (Rvng Intl.) !9 Filthy Huns - Filthy Huns (Not Not Fun) 1! Moon Wheel - Moon Wheel (Not Not Fun)

!1 Nine Inch Nails - Hesitation Marks (Polydor) !2 The Kyteman Orchestra – The Kyteman Orchestra (Kytopia) !3 Kelpe -The Golden Eagle (DRUT) !4 Oneohtrix Point Never - R Plus Seven (Warp) !5 The Range - Nonfiction (Donky Pitch) !6 Nightmares on Wax – Feelin Good (Warp) !7 The Eels - Wonderful, Glorious (Vagrant) !8 Bibio – Silver Wilkinson (Warp) !9 Dalindèo - Kallio (Sony Finnland) 1! Sonarpilot - Radar (Sonarpilot Audio)

ANTON WALDT WORTE

CHRISTIAN BLUMBERG MUSIK

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!1 Oneohtrix Point Never – R Plus Seven (Warp) !2 Autre Ne Veut – Anxiety (Software) !3 Wanda Group: Masculinity is A Wonderful Thing (Where To Know) !4 Jessy Lanza - Pull My Hair Back (Hyperdub) !5 Patrick Cowley – School Days (Dark Entries) !6 Rainforest Spiritual Enslavement The Plant With Many Faces (Hospital Productions) !7 RP Boo – Legacy (Planet Mu) !8 Fis - Preparations (Tri Angle) !9 Inc. – No World (4AD) 1! IVVVO – Light Moving (Fourth Wave)

Fettrate Fußmerkel Körperklaus Echtzeitgeist Spassemacken Fressesprecher Steckerchecker Wegwerfküken Lifestylelissimo Fickdeppenarschland

CHRISTOPH JACKE MUSIK

!1 Greg Haines - Where We Were (Denovali) !2 Boards Of Canada Tomorrow's Harvest (Warp) !3 Messer - Die Unsichtbaren (This Charming Man) !4 Oneohtrix Point Never - R Plus Seven (Warp) !5 Die Goldenen Zitronen - Who's Bad (Buback) !6 Voigt & Voigt - Die zauberhafte Welt der anderen (Kompakt) !7 Mazzy Star - Seasons of Your Day (Rhymes of an Hour) !8 Goldfrapp - Tales of Us (Mute) !9 Scott Matthew - Unlearned (Glitterhouse) 1! Nick Cave & The Bad Seeds Push The Sky Away (Bad Seed Ltd.)

LARS HAMMERSCHMIDT WOLLEN 2"14

!1 Immer artig sein !2 Mal wieder ie Raveschuhe anziehen !3 Ohne Beine Sportschau sehn

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BASTIAN THÜNE MUSIK

!1 Turbostaat - Stadt der Angst (Clouds Hill) !2 Vinnie Paz - God of the Serengety (Enemy Soil) !3 youAND:THEMACHINES - Behind (Ornaments) !4 Marc Romboy & Kink - Over and Out (Systematic) !5 Ultravox - Mr. X (Chrysalis) !6 Janelle Monae - The Electric Lady (Bad Boy Entertainment) !7 Steffi - Panorama Bar !5 (Ostgut Ton) !8 Clark - Feast/Beast (Warp) !9 Die Goldenen Zitronen - Who's Bad? (Buback) 1! Legowelt - A Cold Winters Day (Clone)

SEBASTIAN WEISS LIVE

MULTIPARA MUSIK

!1 Okkyung Lee - Ghil (Ideologic Organ) !2 Babi - Botanical (Noble) !3 John Wizards - John Wizards (Planet Mu) !4 Lucrecia Dalt - Syzygy (Human Ear) !5 Toshimaru Nakamura + Ken Ikeda + Tomoyoshi Date - Green Heights (Baskaru) !6 Jason Grier - Unbekannte (Human Ear) !7 µ-Ziq - Chewed Corners (Planet Mu) !8 Chris Watson - In St Cuthbert's Time (Touch) !9 Auf - CD (Graumann) 1! Jessy Lanza - Pull My Hair Back (Hyperdub)

WENZEL BURMEIER MUSIK

!1 DJ Rashad - I Don't Give A Fuck (Hyperdub) !2 Tessela - Hackney Parrot (Special Request VIP) (Houndstooth) !3 Lapalux - Guuurl (Brainfeeder) !4 Dean Blunt - The Redeemer (Hippos In Tanks) !5 Tuff City Kids - HFS (Delsin) !6 Julius Steinhoff - You Collect Secrets (Live At Robert Johnson) !7 The-Drum - Narco (Audraglint) !8 Ras G - _G Spot Connection (Brainfeeder) !9 Kanye West - I Am A God (Def Jam) 1! Joney - Summer Of '96 (Saturate)

!1 Murcof & Simon Geilfus (Atonal, Kraftwerk) !2 Monolake (Passionskirche) !3 Hans Joachim-Roedelius (Mindpirates) !4 Lubomyr Melnyk (Grüner Salon, Volksbühne) !5 Forest Swords (Berghain) !6 The Knife (C-Halle) !7 James Blake (Tempodrom) !8 Voices From the Lake (Atonal, Kraftwerk) !9 Bosnian Rainbows (C-Halle) 1! Cloud Boat (Lido)

OLIVER TEPEL MUSIK

!1 These New Puritans - Field of Reeds (Infectious) !2 Lucrecia Dalt - Syzygy (HEM) !3 Diana - Perpetual Surrender (Jagjaguwar) !4 Julia Holter - Loud City Song (Domino) !5 FKA Twigs - EP2 (Young Turks) !6 New Jackson - Sat Around Here Waiting (Hivern Discs) !7 Braids - Flourish // Perish (Arbrutus/Full Time Hobby) !8 JaKönigJa - Ich bin Stoff und du bist Geist (Hanseplatte) !9 Girls Names - The New Life (Tough Love Records) 1! Chinawoman - Kiss in Taksim Square (Self-Released)

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179 — MODE

TEXT TIMO FELDHAUS

GO LOGO MODE üBERSETZT

ZWISCHEN IRL UND URL Das ganze Jahr darüber nachgedacht: Warum nur diese Logos? Keine Antwort. Denn Logos geben keine Antworten. Sie sind ikonische Kraftzeichen des großen Industriekomplexes, farbig gestaltete Repräsentanten von Macht und Markenbewusstsein, abwechselnd Inbegriff von Konsumentensehnsüchten, Identitätsformaten, Vertrauen und Bösartigkeit. Und sie sind leere Hüllen. Auf Kleidung getragen machen sie die Angezogenen zu einer Werbetafel. Und nicht selten gefällt ihnen das sehr gut. Denn Logos sehen fantastisch aus. Und sie fühlen sich auf Pullovern heute richtig an, weil sie aussehen wie das Heute selbst. Wie die Welt und unsere Beziehung zu ihr. Im Bewusstsein durch die hinter den Logos gelenkt zu werden. Offline und Online, am Desktop und auf dem Bürgersteig. Aber: Why? Und warum eigentlich gerade jetzt? Wieso haben sich die coolsten aller Designer nun ausgedacht, große Lettern, klar gezeichnete Embleme, grafische und Markenzeichen auf Sweater und Kleider zu schreiben? Die jungen Spanier von Maria ke Fisherman (Label des Jahres!), Wil Fry, Hood By Air, VFiles oder KTZ machen ganz fantastische Sachen, der Däne Asgar Jule Larsen ebenso. Doch auch der Stardesigner Alexander Wang hat die Zeichen der Zeit erkannt und hängte zuletzt großflächige Statements wie "Parental Advisory Explicit Content" auf die Brust seiner Models. Ganz groß: das "Logomania"-T-Shirt von Roberto Piqueras aus übereinander gelegten Icons von Microsoft, Nintendo, Adidas und Sega. Und der Sweater von Heron Preston, das Kleidungsstück der letzten New York Fashion Week, darauf 17 Logos, etwa M&Ms, Google, Remington oder Nascar. Als Adaption radikalisierte logoübersähte Rennfahrerklamotten, die bei den Designern Nasir Mazhar oder Shaun Samson bis zur Logo-Unterwäsche reichen. Nun lässt sich dies hervorragend aus dem Auge des Nostalgie-Orkans erklären, der uns aus allem möglichen (besonders dem damaligen Rise der Streetwear) Neunzigerjahrezeugs bestehend, heute mit Techwear kombiniert, immer noch hart ins Gesicht weht. Ob dieser mit der angekündigte Sportswear-Kollektion von H&M ein Ende findet, bleibt abzuwarten. Der neurotische Rückbezug auf Logos lässt sich aber auch als Antwort auf den Erfolg von blanken Brands wie Uniqlo oder American Apparel verstehen. Denn das Logo spannt einen emblematischen

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Schirm über Menschen, die sich gerne in Gruppen zusammenfassen lassen. Und wir wollen Gruppen, wir wollen nicht gern alleine sein. Gegen die Anonymität, die die besagten Nologo-Modehäuser ausstrahlen. Das Logo bietet auch (WuTang, WuTang, WuTang!) dem TribalGedanken Platz. Durch das gemeinsame Logo wieder zum indigenen Stamm werden, very contemporary! So muss man auf dem Grunde des Trends immer auch das Gegenteil von ihm suchen, denn dort findet sich nicht eben selten was womöglich grundsätzlich fehlt: Sinnbild, Kollektivsymbol, Wahrzeichen, wahre Zeichen, Dinge von Dauer. Swooooooosh! Shallowww, halb spanisch, halb italienisch, vor zwei Jahren als Label geboren und in Madrid und Stockholm aufgezogen, drucken auch Logos auf kuschelige Sportswear. Sie sind außerdem Erfinder des "Internet Souvenirs". Dafür drucken sie visuelle Memes und Tumblr-Trends auf Kleidung. Bei Shallowww lässt sich gut nachfragen, denn sie sind nicht nur Modedesigner, sondern haben auch Linguistik studiert. Warum druckt ihr Logos auf Kleider? Shallowww nimmt seine Inspiration aus der seichten Ikonographie des Internets, seiner Semiotik, den Symbolen, Texturen und Mustern. Es geht nicht nur um corporate culture. Wir bieten eine Parodie von Konsumerismus und spielen ironisch mit dem Gebrauch des Körpers als Medium für Leere und gesponsorte Nachrichten. Es gibt dieses Jahr einen großen Logo-Trend und wir haben uns einen Spaß daraus gemacht, in dieser Ästhetik versteckte Nachrichten zu kommunizieren. Zum Beispiel beobachteten wir, wie viele Designer den Outlook von Anzügen und Jacken aus dem Motorsport in ihre Arbeit integrierten und entwarfen ein Kleid mit "PRISM US-984XN"-Logos, der Name des US Überwachungsprogramms, aus dem Edward Snowden leakte. Die Idee von Mode, das System aus geschlossenen Kollektionen und harten Deadlines, Runways, großen Logos und Diamanten kollabiert gerade. Wir arbeiten an offenen Textilprojekten, in denen immer neue Produkte entwickelt werden. Wie bei Tumblr ist die Dynamik eigentlich einem Drag-&-Drop-System ähnlich. Daher rührt auch das "2k15" aus der aktuellen Kollektion. Für uns steht dieses Zeichen für Veralterung. Große Brands zeigen gerade ihre Visionen für den Winter 2(14 und jeder ist versucht, das Neueste zu präsentieren um gleichzeitig zu merken, wie schnell sich das vergangen anfühlt. 2(15 klingt für uns vernünftig. Zwei Jahre, keine Kollektion, keine Saisons.

WEEE BUYYY GOLDDD & Internet Souvenirs 3 sind erhätlich auf shallowww.biz

»Es geht nicht nur um corporate culture. Wir bieten eine Parodie von Konsumerismus und spielen ironisch mit dem Gebrauch des Körpers als Medium für Leere und gesponsorte Nachrichten.« Shallowww

Was steckt hinter den "Internet Souvenirs"? Mit ihnen verarbeiten wir Muster, die es online zu einer großen Bekanntheit gebracht haben, als Prints auf Kleidern. Uns fiel auf: Mit ihrem fortschreitenden visuellen Wert verloren sie gleichzeitig an Substanz und ihr Verhältnis zum Real Life. Wir spielen mit diesem gestörten Verhältnis von Signifikant und Signifikat, an dem ein Bild online heute leidet. Zum Beispiel Marmor, aus dem man Statuen formte, oder Wasser, um seinen Körper zu erfrischen. Marmor war das erste Bild, an dem wir zeigen wollten, wie das Internet und visuelle Feeds die Mechanismen unseres Gedächtnisses verändern. Gewöhnlich als Material benutzt, um damit Skulpturen zu formen, wurde Marmor zu einem Muster. Mit seiner Meme-Werdung verlor er aber all seine physikalischen Qualitäten wie etwa Kälte oder Schwere. Wir entschieden uns, den menschlichen Körper damit zu bedecken, so wird er zu einer stofflichen Skulptur. Außerdem hält die Kleidung den Träger warm, womit wir wiederum mit einem verlorenen Feature spielen. Und wir mixen Homewear, Underwear und Nightwear. Dabei arbeiten wir nur mit sehr guten Materialien und Manufakturen in Italien und Spanien. Shallowww produziert lokal um global zu verkaufen, hauptsächlich über das Internet. "Internet Souvenirs" verhält sich wie unsere ältere Kollektion "Meme Index". Wir glauben, dass Muster heute so einen Stellenwert haben wie Symbole, und eine junge Generation fühlt sich durch universelle visuelle Sprachen repräsentiert. Beide Kollektionen reflektieren, wie BildfeedNetzwerke wie Tumblr oder Instagram die Konstruktion unserer Wahrnehmung, etwa durch Wiederholung und kleine Variationen, beeinflussen.

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hemd: carhar t t / jacke: hugo / hose: y-3 / schuhe: new balance leggings: nike / jacke: julian zigerli / schuhe: y-3

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jacke: julian zigerli / top: nike

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foto: ruinĂŠ neven allgeier & benedik t fischer haare & make-up: johanna prange models: janina, luzie, christopher @ cream models

hemd: ucon acrobatics / weste: nike / shor ts: carhar t t kleid: henrik vibskov / leggings: henrik vibskov / schuhe: new balance

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shir t: julian zigerli / hose: y-3 / schuhe: pointer

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179 — WARENKORB

NICK BILTON TWITTER Eine der großen Geschichten, die Nick Bilton in "Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat" erzählt, ist vor allem die des Chaos hinter einer nach außen oft so geschlossen wirkenden Firma wie Twitter. Und selbst nachdem man das extrem gut recherchierte Kleinklein voller Spannung und gewissen Anflügen von Wahnsinn durch hat, ist einem nicht klar, wie Twitter überhaupt so weit kommen konnte. Wir kennen die Charaktere bereits aus den anderen großen Firmen-Filmen. Und ja, Nick Biltons "Twitter" ist wie gemacht dafür, auch einmal ein Film zu werden: die Selbstüberschätzung und das kreative Chaos, die unsichtbaren Hände der Führung und die Glücksmomente, die Menschen im Hintergrund. Die vier Gründer von Twitter, Noah Glass, Evan Williams, Biz Stone und Jack Dorsey, waren nicht, wie so oft in anderen Büchern, abwesend und mussten von Bilton durch Erzählungen Dritter herbeifiltriert werden. Dennoch merkt man es ihren Charakteren in den Grundzügen manchmal nicht an, auch wenn es einen Detailreichtum gibt, der in solchen Firmendramen selten ist. Denn oft genug lassen sie selbst die Hüllen fallen. Und auch Social Media selbst ist ein Teil der Recherche des Buches gewesen, die Tweets, Blog- und Facebook-Posts, selbst Bilder der Beteiligten sprechen immer mit. Natürlich gibt es die Dramen der Posten, die immer unsicher zu sein scheinen, die Intrigen, die - wenn man weiß was seit dem IPO wirklich auf dem Spiel steht - immer rasanter zu werden scheinen, aber dennoch hält Bilton einen gewissen Abstand, der sich nicht darin ergeht, die Charaktere des Dramas mit Freude leiden zu sehen und ihnen, egal wie oft das irre verlockend gewesen sein mag, eine konsequente innere Motivation und damit Eindimensionalität zu unterstellen. Es gab aber auch schon so genug an Detailreichtum. Twitter bleibt nach diesem Buch die Erfahrung einer in die Mühlen der Start-ups geworfenen gemeinsamen Unternehmung, die über Freundschaften und Zweckgemeinschaften schnell hinaus ist. Ist dies die definitive Geschichte von Twitter? Wohl kaum. Bei dem Alter der Firma und der Menge an Beteiligten, auch hinter den Kulissen, wird Twitter auch weiter Geschichten produzieren und sicher auch die ein oder andere, die mit dem Bild, das man nach Biltons unfreiwilligem Sittenroman der Internetgrößen bekommt, nicht ganz übereinstimmt. Eins aber kann man schon jetzt sagen: Bilton lockt einen nie auf falsche Fährten nur um seine Geschichte voran zu bringen. Denn Twitter ist schon Geschichte. Nick Bilton, Twitter: Eine wahre Geschichte von Geld, Macht, Freundschaft und Verrat, ist im Campus Verlag erschienen.

WOLFGANG HERRNDORF ARBEIT UND STRUKTUR Man liest das Vorwort und will einfach nur losheulen. So ist das mit "Arbeit und Struktur", dem letzten Buch von Wolfang Herrndorf, der sich im August, dreieinhalb Jahre nach dem die Ärzte in seinem Kopf ein Glioblastom diagnostizierten, am Ufer des Berliner Hohenzollernkanals erschossen hat. Aber dann liest man weiter und muss auch oft schmunzeln, manchmal laut lachen. 3" Seiten später bleibt’s einem wieder im Halse stecken und man schluckt vergeblich. Und immer wenn man das silbrig-glänzende Lesebändchen zwischen zwei Seiten legt, geht es rund im Kopf: "Arbeit und Struktur" ist ein Buch über das Sterben. Aber so intensiv, wie Herrndorf seine drei letzten Jahre gelebt hat, ist es auch eines über das Leben und Machen und Tun. "Arbeit und Struktur" hat Herrndorf als Blog gestartet. Es war ein Blog, der trotz seines Tagebuchformats und der Öffentlichkeit im Internet nie zu nah an ihm dran war. Genau so hat Herrndorf schon mit "In Plüschgewittern" auf das ganze Berlin-MitteDing draufgeguckt, im unprätentiösen Wechselspiel alles erst herangeholt und dann wieder weggeschoben. Genau so in "Tschik", das darüber hinaus als Beweis dafür fungierte, dass Coming-of-Age-Prosa nicht immer nur Emblematik bedeuten muss. Herrndorf hat stets ruhig erzählt. Diese Contenance und Selbstbeherrschung hat er sich auch als Kranker bewahrt. Bis ganz zum Schluss. Auch da war noch alles klar und deutlich, ganz wohlüberlegt und ruhig. Wolfgang Herrndorf, Arbeit und Struktur, ist bei Rowohlt erschienen.

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KRAFTWERK-BIOGRAFIE DER SYNTHESIZER ALS VOLKSWAGEN Sie leben noch! Nur sprechen, dass tun sie schon lange nicht mehr. Obwohl, Ralf Hütter, der alte Gralshüter, tourt das immer noch glänzende Kraftwerk seit kurzem ja ohne Florian Schneider (ab 2""9 komplett von Bord) durch die Kunstwelt. Und redet dabei schon gelegentlich mit Journalisten. Aber nicht mit David Buckley. So geistern vornehmlich Sekundärzitate über die immerhin knapp 4"" Seiten, die der renommierte britische Autor, der seit langem Lehrbeauftragter für Popkultur an der Ludwig-Maximilian-Universität in München ist, zusammengetragen hat zu einem Buch, dass wie ein V-Kra-

gen-Pullover aussehen möchte. Warum eigentlich wie ein V-Neck? Das ist nicht ganz falsch, soll es doch wohl die zackige Zugeknöpftheit und den Formalitätszwang der Musikarbeiter suggerieren. Doch sah man sie je in einem V-Neck? Und steht dieser im Kabinett der Moderegeln nicht auch für Merino-wollige Weichheit? Fehlt da nicht rotschwarzer Schlips und Kragen? Es ist eben, wie so vieles auf der Welt und auch einiges in dem Buch, leider nur halb richtig. Und wenn der Wälzer dann im Untertitel reißerisch zur "unautorisierten Biografie" wird, dann heisst das trotz dieses Wendungsversuchs eben doch nur: die wollten nicht mit ihm sprechen. Und Ralf und Florian, die beiden genialen Starköpfe, sie fehlen. Neben alten deutschen Weggefährten (fast alle stinksauer) sprach Buckley dafür mit Fans und Beeinflussten, zum Beispiel: Peter Saville, Moby, John Foxx, Andy McCluskey (OMD). Was dem Buch wiederum eine schöne Wendung gibt, kommt doch so die Entstehung des anglo-germanische Komplexes der jüngeren Musikgeschichte ans Licht. Im Spiegel von Stimmen aus UK entsteht die deutsche Stimmung der 6"er und 7"er, aus der Kraftwerk sich entwickelte: Sich, und diese "Volksmusik der Fabriken", die sie in in verschiedenen Formationen im schnieken D-Dorf aus dem Kraut schälten und, an Beuys genauso wie an Stockhausen geschult, die Idee der Musik dieser Welt für immer verändern sollte. Oft wirkt das Buch leider zu wenig am verrückten Detail interessiert, die Übersetzung etwas hingeschludert, Sätze und Absätze fad. Nun muss ich allerdings selbst einräumen: Ich habe das Buch exakt nur halb lesen können, die Deadline ließ mir leider kaum Zeit, aber das reicht ja auch. Für viele Hörer hört das Kapitel Kraftwerk eh nach "Radio-Activity" auf. Und allein bis dato lässt sich von tollen Dingen lesen. Weil es auch eine so tolle Geschichte ist. Etwa die Beziehung des Stücks "Autobahn" zum amerikanischen Genre des Road Song, die Liebe von Ralf Hüter zu den Beach Boys, die fiese Geschäftstüchtigkeit der Düssi-Boys. Und ihre Ästhetik, die auf einer Begeisterung fürs Reisen genauso fusse wie auf der Anbetung der freien Natur

(ihr Studio nennen sie "elektronischen Garten"), die oft und durch Kraftwerk nochmals schön abgeordnet als Facette der immergleichen deutschen Psyche behandelt wird. Was für einen befreiten Umgang die Beatles der elektronischen Musik selbst mit ihrer Identität pflegten, wie uneindeutig verspielt deutschtümelnd sie durch die USA hüpften, als Deutschland noch voller originaler Nachnazis war und sich in ihrer Stiffness nicht festnageln ließen, das kommt in dem Buch gut zusammen. Dazu gehört auch die Art, wie die beiden schnöseligen Buben (Probleme mit Frauen sollen sie auch gehabt haben, auf jeden Fall Ralf!) die Ablehnung zu einer strukturellen Leitidee machten. Schön, wie der "Ehemalige" Wolfgang Flür dafür tief in die Sprachgeschichtswunderkammer greift: "Sie wollen absolut für sich sein. Keine Vermischung mir feindlichen Kulturen; nicht 'feindlich', sondern fremden Kulturen." Sowas gefällt den Briten halt. Toll auch, wie Kraftwerk einmal vor den Jackson 5 im Ami-TV spielten, und es ihnen, logischerweise, überhaupt nicht zusagte. Wie ihnen die USA eben grundsätzlich so gar nicht zusagten. Und Geld hatten sie, immer schon: "Ich erinnere mich, dass mein erster Synthesizer so viel kostete wie mein Volkswagen", wird Ralf Hütter 2""3 (ohne Quellenangabe) zitiert. Vom Riesenbenz Florians wird nicht geschwiegen. Aber auch nicht von der Mulitmedialität, die sie in der Happening-Szene der 6"er gelernt hatten und damit die Rockmusikbühnen durcheinanderbrachten, dem DIY-Credo, das sie dem Punk vorwegnahmen. Am besten ist das Buch aber dann, wenn vom gemeinsamen Fußballspiel erzählt wird, oder der parallel zu Kraftwerks Aufstieg vonstatten gehende Erfolg ihres alten Düsseldorfer Friseurs Herr Rindlaub aufgedeckt wird. Doch bei dem Auffinden genau solcher Geschichten, so bildet man sich ein, wäre noch Luft nach oben gewesen. Aber das kann ja im zweiten Teil noch kommen. tbc. TIMO FELDHAUS Kraftwerk, Die unautorisierte Biografie, ist im Metrolit Verlag erschienen.

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179 — WARENKORB

WESTERN DIGITAL MY CLOUD EX4 Dass Western Digital besonders benutzerfreundliche Netzwerkspeicher für den Privatbereich kann, wussten wir. Jetzt legt das Unternehmen mit einer SchnellCloud für Pro-Anwender und Selbständige nach: Die My Cloud EX4 bietet viel Speicherplatz (bis zu 16 TB auf vier Platten), robuste Datensicherheit, Schnell-Backups (auch TimeMachine) und eine problemlose Einrichtung im lokalen Netzwerk. Lange Feature-Listen sucht man bei ihr zunächst vergebens - spart sich dabei aber auch die Einrichtungs-Fummelei anderer HeimcloudLösungen. Anschließen, Software installieren, Cloud benutzen - so einfach ist das. Wer will, verbindet die My Cloud mit einer Dropbox, nutzt sie als Streamingserver oder Blog-Host. Vor allem aber glänzt sie als schneller, geräuscharmer Zentralspeicher, auf den auch von unterwegs zugegriffen werden kann - übrigens ohne Installation eines DynDNS-Dienstes, wenn man sich über die WD-Website registriert. Eine Einbindung des Netzspeichers übers Internet als FestplattenPfad ist aber nicht möglich - hoffentlich wird das noch nachgerüstet, technisch dürfte es kein Problem sein. Wer dennoch komplexere Dienste braucht, sich mit Raid-Konfigurationen und advancten ServerFunktionen herumschlagen will, findet in der Anleitung sein Glück: Unter der Haube verbergen sich dann doch etliche Pro-Tools. Ganz praktische Freude macht übrigens die solide Laufwerks-Auswurfmechanik: Festplatten rein und raus nach dem PEZ-Prinzip. HDJ! Preis: leer 38# Euro, 8 TB ca. 8## Euro, 16 TB ca. 1.2## Euro

COMEBACK DER SNEAKER STAN SMITH Nicht wenig Menschen denken heute Stan Smith ist ein Schuh und kein Mensch. Wo sie recht haben: Der Schuh ist viel größer geworden als der Tennisspieler es je war. Doch der Wimbledon-Sieger von 1972, er lebt. Man kann ihn nun wieder in einigen neueren Videos sehen, wo er die Klassizität des nach ihm benannten Turnschuhs erklärt. Total sympathischer Typ! Und: er trug ja wirklich den ersten, komplett aus Leder gefertigten Schuh auf dem Court. Und ebendieser Adidas Sneaker, für den die Worte Einfachheit, Zeitlosigkeit und Weiß extra erfunden wurden, er feiert gerade sein Comeback. Anfang 2'14 folgt der erste reguläre Drop, bevor im Juli des Jahres die zweite Welle anrollt. Der Stan Smith ist ab dem 15. Januar zurück im Handel und kostet 99,95 Euro.

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MINI JAMBOX BY JAWBONE Die Jambox by Jawbone ist bereits eine Ikone unter den Wireless-Lautsprechern. Ihr außergewöhnliches, sehr detailliertes, hochwertiges Design, der Mut zur Farbe, das durchdachte Bedienkonzept - all dies setzt sich auch in der Mini Jambox by Jawbone bruchlos fort. Mini mit allen Vorteilen ist der Lautsprecher dennoch: 15 Zentimeter lang und damit durchaus taschenfertig, mit 255 Gramm fast ein Fliegengewicht, aber dank ihrer Bauweise wirkt die Mini Jambox by Jawbone dabei doch immer edel. Man könnte sich in den schimmernden LautsprecherSimulationen verlieren... Der Sound ist dank NeodymTreibern und einem passiven Bassradiator perfekt austariert. Nicht zu laut, damit es nie zu Verzerrungen kommt, dafür aber sehr ausgeglichen und klar in allen Frequenzbereichen. Und die Bedienung leuchtet sofort ein: große Tasten, die auf dem Smartphone auch noch Sonderfunktionen haben; Siri aktivieren (bei Android: Google Now) und Gespräche annehmen, die dann ganz problemlos über die Mini Jambox by Jawbone in klarer HD-Voice-Qualität weitergeführt werden können. Überhaupt ist das Jawbone-eigene App-Konzept mit seiner Integration von iTunes-Playlisten und StreamingServices sehr durchdacht. Natürlich kann man auch hier zwei Lautsprecher nutzen, oder auf Bluetooth verzichten beziehungsweise zur Klinke greifen. Die zehn Stunden Batterielaufzeit reichen eigentlich immer für einen kabellosen Tag. Keine Frage, so wie das Armband und App-System UP by Jawbone zum Standard unter den persönlichen Gesundheitsbegleitern geworden ist, ist die Mini Jambox by Jawbone mit ihrem unverwechselbaren Design und Sound auf dem Weg die Schreibtische und Jackentaschen dieser Welt zu erobern. Preis: 18# Euro jawbone.com/speakers/minijambox erhältlich bei Gravis www.gravis.de

MOTO G OBERLIGA ZUM NIEDRIGPREIS Auch wenn die Unabhängigkeit von Motorola und Google immer wieder betont wird, nach dem Moto X und jetzt dem Moto G ist aus ihnen doch eine neue Firma erwachsen. Denn irgendwie erfüllt das Moto G fast genau die Ansprüche, die man auch an ein Nexus stellt. Highend-Smartphone zu einem unschlagbaren Preis (€ 17# für 8GB, € 199 für 16). Quadcore-Snapdragon, 4,5-Zoll/72&p-Display und durch und durch eine Verarbeitung die einen keine Sekunde denken lässt, man hätte etwas in der Hand an dem gespart worden wäre. Die Farben, die Blickwinkel, alles am Screen leuchtet, es liegt perfekt in der Hand, Android Jellybean in klassischster Version ohne Schnickschnack und das Upgrade auf KitKat passiert schon nächsten Monat. Nichts auf dem Moto G erinnert an frühere Generationen (dieses Preises): kein Warten auf Apps, kein unerwartetes Ruckeln im Browser, schnelles Multitasking. Das Moto G scheint selbst bei aufwändigeren Spielen nie an seine Grenze zu geraten. Man ist sofort versucht, das Moto nicht gegen seine Preisklasse, sondern gegen die Flaggschiff-Smartphones antreten zu lassen. Doch dann würden sich auch die Punkte offenbaren, an denen der Preis seinen Preis hat: Die 5-Megapixel-Kamera ist schummrigem Licht nicht gewachsen - auch wenn sie am Ende farblich intensive Fotos macht, die niemandes Instagram-Ruf schädigen würden. Und natürlich kann man kein LTE erwarten - was aber in Deutschland zu verschmerzen ist. Wer aber eh lieber mit einer DSLR Bilder schießt und auf der Suche nach einem Oberliga-Smartphone für einen fast lächerlichen Preis ist, das auch in Jahren noch mithalten kann, der ist beim Moto G so gut aufgehoben wie sonst nirgends.

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sie ja eine starke Datenbeschränkung bei ihrem Anbieter haben. In Norwegen haben die meisten unbeschränkte Datenverträge für mobile Endgeräte. Man kann natürlich in allen Clients immer aussuchen, in welcher Qualität man streamt, oder ob man die Titel im OfflineModus speichert.

WIMP HIFI-STREAMING Musikstreaming ist praktisch, hat aber einen entscheidenden Makel: die oft suboptimale Audioqualität. Der Streaming-Dienst WiMP hat mit HiFi jetzt einen Sprung nach vorne gemacht: weite Teile seines Angebots lassen sich nun lossless streamen. Pål Bråtelund, die treibende Kraft hinter dem HiFi-Service bei WiMP, gab uns ein Interview über Erfahrungen, Anforderungen und Ausblicke der Qualitätsrevolution in AudioStreaming.

Wie reagierten die Künstler auf HiFi? Die waren sehr glücklich, weil wir ihre Musik endlich in der Qualität streamen, in der sie gedacht war. Wir haben einige Künstler, die WiMP auch mit exklusiven Inhalten unterstützen. Die Plattenfirmen waren auch froh drüber und es gab keine, die sich geweigert hätte, auf HiFi einzugehen. Das Gegenteil war der Fall: Manche wollten, dass bestimmte Musik nur noch via HiFi ausgespielt wird, nicht zuletzt auch, weil sie dann mehr Geld bekommen. Aber darauf konnten wir nicht eingehen, weil einige HiFi-Abonnenten dann plötzlich manche Titel nicht mehr hören können, wenn sie unter schlechteren Netzbedingungen streamen.

Wie sind eure Erfahrungen mit WiMP HiFi bislang? Wir waren überrascht und dachten, HiFi würde zunächst Mal nur Audiophile ansprechen. Aber es waren doch viel mehr Nutzer. Das war ein bisschen so, wie wenn man eine Party für ein paar Freunde macht und dann kommen alle anderen auch. Wir waren überwältigt, wie viele Menschen wirklich ernsthaft an guter Soundqualität interessiert sind. Wir hatten Wetten abgeschlossen, wie viele wohl HiFi nutzen würden. In den ersten drei Wochen haben wir das Ziel erreicht, das ich mir für ein ganzes Jahr gesetzt hatte.

Werden die Mitbewerber im StreamingMarkt nun schnell aufschließen? Ja, einerseits hoffe ich natürlich, dass sie eine ganze Weile brauchen werden, um aufzuholen. Andererseits ist eine hohe Audioqualität auch so entscheidend, dass man natürlich auch will, dass alle in den Genuss kommen können. In Frankreich gibt es schon jetzt einen sehr guten Service, der auch lossless anbietet. HiFi ist bislang in fünf Ländern verfügbar. Allein die Files zu bekommen, hat aber schon sehr lange gedauert, das heißt, dass wir einen Vorsprung haben. Der Hauptfokus vieler anderer Firmen in diesem Geschäft ist es aber auch, im typischen Silicon-Valley-Stil schnell zu wachsen. Für uns ist es wichtiger, ein qualitativ guter "Plattenladen" zu sein.

Wie belastend ist HiFi-Streaming für die Infrastruktur? Viele denken, die Bandbreite würde uns exorbitant mehr kosten. Aber unsere Erfahrung ist, dass es nicht wirklich viel teurer ist. Die zweieinhalb bis dreifache Dateigröße ist für uns skalierbar, weil unsere Server sehr robust sind. Wie kam es zu der Entscheidung, HiFi nicht erst auf Rechnern, sondern auf mobilen Endgeräten zu starten? Da sind viele Faktoren zusammengekommen. Ich habe mir unsere Datenbanken mal genauer angesehen und musste feststellen, dass die Plattenfirmen ihre Musik-Dateien fast immer in MP3s mit 32#er Qualität geliefert hatten. Diese dann zu transkodieren war immer schon eine schlechte Idee. Wir haben uns also für den qualitativen Vorteil aller Streamingformen entschlossen, alle Files neu in lossless zu ordern. Als wir dann große Teile des Katalogs in verlustfreier Qualität hatten, überlegten wir uns: Warum nicht die Nutzer daran teilhaben lassen? Zunächst haben wir das auf Android getestet, weil Android sehr flexibel ist und FLAC-Support nativ unterstützt. Dann folgten Sonos und Bluesound. Bei der Entscheidung, ob

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wir als nächstes iOS oder Desktop machen würden, war es schon komplizierter. Zunächst hatten wir überlegt, einen eigenen FLACDecoder für iOS zu machen, aber haben dann bemerkt, dass jedes Mal, wenn Apple ein System-Update macht, etwas daneben gehen könnte. Also haben wir lieber alle Tracks in ALAC (Apple Lossless) dafür umformatiert. Als es dann an die PCs und Macs ging, kamen bei den Plattenfirmen zusätzlich diverse Bedenken auf, weil es um die Sicherheit der Files ging. Lossless bedeutet für sie eben auch, dass die Files wertvoller sind. Wir haben aber mit ihnen an diversen Sicherheitsstrategien gearbeitet und haben mittlerweile ein Ergebnis, das ich

schon auf meinem Rechner laufen habe. Über Weihnachten wird das noch ein wenig mehr getestet und dann wird es – in den nächsten Wochen - auch HiFi für die Desktop-Version geben.

Wie groß ist der Anteil an HiFi-Tracks in eurem Katalog? Mittlerweile sind wir bei circa 7# Prozent des Gesamtkatalogs. Aber wenn man sich ansieht, was die Leute davon wirklich im letzten Jahr gehört haben, würde ich sagen, dass wir mit HiFi jetzt schon eher einiges über 9# Prozent liegen. Wir werden wohl auch nie den gesamten Katalog als HiFi anbieten, denn zum einen gibt es Veröffentlichungen, an denen wir nicht sonderlich interessiert sind, KaraokeAlben etwa, zum anderen gibt es einige auch gar nicht mehr in besserer Qualität. Über kurz oder lang werden es aber 9# Prozent des Gesamtkatalogs werden.

Wie viele Files müsst ihr für jeden Track jetzt vorbereiten? FLAC und ALAC. Ein drittes Format für HiFi wollen wir nicht, weshalb es auch keinen Support für Windows Phone, das lossless einfach nicht unterstützt, geben wird. Für die klassischen Premium-Accounts haben wir AAC 32# und für den Rest AAC +96. Für viele User ist diese kleine Rate wichtig, weil

Wird euer Player für den Mac irgendwann auch ein nativer Client werden? Wir nutzen nicht gerade sonderlich viel von der Air-Plattform in unserer App für Mac, das ist eher Flash-basiert. Aber in naher Zukunft wird es in dieser Richtung ein paar Neuigkeiten geben und auch ein paar Überraschungen. Es wird sich viel tun was die Clients für WiMP betrifft. Auf allen Geräten.

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DE:BUG PRÄSENTIERT — 179

29.#1. – #2.#2 Haus der Kulturen der Welt, Berlin

Transmediale 2014 afterglow Der Rausch ist zu Ende, jetzt geht es darum, auf dem Scherbenhaufen der Internet-Hoffnungen in die Zukunft zu tanzen. Die diesjährige Transmediale feiert den Afterglow, dieses Nachglimmen eines Rausches: Welche Aufgaben hat Internetkunst, wie steht es um die Kritik von Postinternet-Kunst und Prädigitalismus? "Wir untersuchen, wie in der postdigitalen Gegenwart einstige Schätze der Medientechnologie und der Medienpraktiken zu Müll werden", versucht sich die Festivalleitung an einer Erklärung. "Nachdem Medientechnologien voll und ganz in unser tägliches Leben integriert wurden, ähneln sie mehr und mehr Rohstoffen und schaffen sowohl physische als auch immaterielle Abfallprodukte." Ist spannend, finden wir und haben uns diesem Thema in diesem Heft als Special gestellt. Auf der Transmediale folgt dann die künstlerische Aufarbeitung, mit Talks und Screenings, Workshops und Lectures - und natürlich dem hervorragenden Musikprogramm des Club Transmediale (siehe nebenan). Zu den bislang angekündigten Künstlern gehören Pinar Yolda mit ihrem Werk "An Ecosystem of Excess", Jamie Allen und David Gauthier verbinden mit "Critical Infrastructure" die Festivalarchitektur mit sozialen Situationen und Marc Schwierin zeigt in dem von ihm kuratierten Filmprogramm unter anderem Filme von Luther Price,1 Louis Henderson und Elizabeth Vander Zaags "Digit". Das Konferenz-Programm dreht sich um das Wortspiel "From Hashes to Ashes" über neue politische Identitäten innerhalb des Afterglow-Moments, mit interessanten Sprechern wie Jacob Appelbaum, Laura Poitras und Benjamin H. Bratton. Foto: Ben Hattenbach Artwork: Manuel Bürger www.transmediale.de

25.'1. Live Music Hall, Köln 26.'1. Wagenhallen, Stuttgart 28.'1. Steintorvariete, Halle/Saale 29.'1. Festsaal K4, Nürnberg 3'.'1. Postbahnhof, Berlin 31.'1. Grünspan, Hamburg 24.#1. – #2.#2. Berlin

CTM 2014 – Dis Continuity Diskontinuität ist Motto und Leitmotiv des CTM-Festivals 2'14. Der Kontrast zwischen dem Einfluss und der Rezeption verschiedener Musiker, Pioniere sowie aktuelle Acts, soll durch das Lineup offengelegt werden. Da steht der karge Rave-Gegenentwurf von Actress Seite an Seite mit dem japanischen Fehlerfetischisten Yasunao Tone und die Grande Dame des Golden Pudel Clubs Helena Hauff unweit von MinimalismUrgestein Charlemagne Palestine auf dem Billing. Der Dialog wird durch Vorträge zu verschiedenen Strömungen innerhalb der Kultur experimenteller Musik weiter vertieft, unter anderem kommt Christian Zanési von den "Groupe des recherches musicales"Studios zu Wort. Lichtinstallationen (u.a. "n-polytope", eine Weiterentwicklung der Licht- & Klangspektakel "Polytopes" von Komponist und Architekt Iannis Xenakis im Stattbad Wedding) und Workshops vervollständigen die transmedialen Festspiele. Das Festival findet vom 24. Januar bis 2. Februar in diversen hochrangigen Venues in Berlin statt. www.ctm-festival.de

Karl Bartos Off The Records Tour Ende Januar präsentiert Ex-Kraftwerker Karl Bartos sein im Frühjahr erschienenes Album "Off The Record" mit einer audiovisuellen Liveshow: auf einem Leinwand-Triptychon werden das Set begleitende 9' Minuten Film zu sehen sein. Der Aufwand mag verblüffen, waren doch die Songs der aktuellen Platte aus Fragmenten von Uralt-KraftwerkTracks entstanden und eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Die Pressestimmen überschlugen sich ungeachtet dessen: "the Kraftwerk record that Kraftwerk, it seems, are unable to make" hieß es gar. Natürlich wird Bartos auch ein paar Kraftwerk-Classics spielen, der Fokus liegt aber auf dem synchronen Tanz der Einsen und Nullen zwischen Speakern und Videoscreen. Den seligen Zeiten von "Radioaktivität" und "Computerwelt" darf man natürlich nachtrauern. Wenn man sich aber ins Gewissen ruft, dass Kraftwerk sicherlich nichts weniger wollten als Nostalgie zu erwecken, ist man auf einer der sieben Shows gut aufgehoben.

Foto: Katja Ruge www.karlbartos.de

23. – 26.#1. St. Aposteln-Basilika, Köln

9. Ambientfestival Zivilisation der Liebe Vom 23. bis zum 26. Januar wird in der St. Aposteln-Basilika in Köln nach musikalischer Vollkommenheit gesucht – klassische Vergangenheit trifft elektronische Zukunft, die spaces in-between stehen im Mittelpunkt des diesjährigen Ambient-Festivals. Die Expedition findet unter dem sinnbildlichen Motto "Alpha et Omega" statt und lässt jeden Abend drei Künstler mit nur spärlich beschrifteter Landkarte auf die Suche gehen. Die continuous music von Minimalist Lubomyr Melnyk wird ganz anders anmuten als die Sets der Piano-Experimentalisten Poppy Ackroyd und Hauschka und doch nach dem Selben greifen. Die Sehnsucht nach einem Link der Vergangenheit zur Zukunft ist allen auftretenden Acts gemein. Zum ersten Mal in der Geschichte des Festivals gibt es dieses Jahr eine Auftragsarbeit zu hören – Rafael Anton Irisarri aus Washington erstellt am letzten Festivalabend mittels Field Recordings, die er in den Tagen unmittelbar vor der Veranstaltung in Köln sammeln wird, eine sonifizierte Karte der Domstadt. Dem Prozess darf eine begrenzte Anzahl an Teilnehmern im Rahmen zweier Workshops, ein Mal in urbanem Setting und anschließend im Studio, beiwohnen. Foto: Darius Kupczak www.ambientfestival.de

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179 — MUSIKTECHNIK

TEXT IRIS DANKEMEYER

WARSTWARE KONSTRUKTIVE IGNORANZ

Simon Schäfer baut Instrumente, die es sonst nicht gibt. Er amalgamiert Heimcomputer mit Pappkartons, modifiziert Telefone, hackt Videomixer und Konsolen und zerlötet zuletzt Drumboxen und Kinder-Keyboards. DE:BUG traf den Circuitbender und Hausbesetzer, der sich "der Warst" nennt, in Berlin für ein Gespräch über magische Kaputtheit, persönliche Steckersuche und Chipvoodoo.

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Wie bist du zum Circuitbending gekommen? Ich habe vor 13 Jahren damit angefangen, weil ich dachte, dass ich so leichter an Geräusche komme, die sonst nicht da sind. Ich wollte gern einzigartige Klänge und nicht Geräte, die in Serie produziert werden. Was unterscheidet deine Geräte von Allesboxen? Alles! Erstmal musst du alles von Hand machen, es gibt keine Automatisierung. Natürlich kann ich im Prinzip alle möglichen Parameter und zusätzliche Oszillatoren einbauen. Aber in der Regel gibt es keine Synchronisierung und du kannst sie nicht einfach an den Rechner hängen. Anstatt von MIDI-Vernetzung musst du deine Ohren verwenden. Natürlich kannst du meine Geräte auch als “Grooveboxen” verwenden, es klingt nur komisch, minimaler, reduzierter, und ist nicht synchron mit deinem Sequencer. Dass Geräte immer zentral gesteuert werden müssen, das ist ja Gleichschaltung! Bei vielen Geräten ist der Workflow auf Sauberkeit ausgerichtet, auf cleane Sounds und klare Bedienbarkeit. Meine Geräte sind bedienbar, aber du kannst sie trotzdem auch ins Chaos drehen und wieder zurück.

Geht es auch um die Spontaneität von Live-Situationen? Absolut. Bei Konzerten finde ich es am spannendsten, wenn etwas Unerwartetes passiert. Ich hör lieber ein Konzert über eine Scheißanlage als wenn das wie von Platte klingt. Vieles, was es zur Zeit live an elektronischer Musik gibt, empfinde ich als ein Zurückschwappen aus der DJ-Kultur. Denen reicht es nicht mehr aufzulegen, die wollen ihren Liveact ein bisschen cooler gestalten und nehmen einen Controller. Und dann gibts steriles Ableton-Lego aus vorproduzierten Loops. Ich hab elektronische Musik mit Industrial gelernt und mir geht die Überproduziertheit extrem auf den Sack. Alle Stimmen im Radio sind heute durch Autotune gezogen, es darf kein Fehler mehr passieren oder er ist per HumanizerPlugin als quasi-menschlicher Vibe ins System einkalkuliert. Was ist deine Klangästhetik? Meine Geräte klingen auf digitale Art sehr dreckig, die Sounds sind meist etwas verzerrt und die Rhythmen holpern. Natürlich hängt die Klangcharakteristik sowohl vom Gerät als auch vom Spieler ab. Zur Zeit jamme ich viel und es ist egal, ob mit einer Bluesband oder jemandem, der Beats liefert. Speziell mit Bands ist es spannend, weil mein

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zerlege, mach ich es doch nicht kaputt, sondern zu mehr als es vorher war! Digitale Geräte klingen bei dir analoger als vorher. Als ich angefangen hab, mich mit elektronischer Musik zu beschäftigen, konnte ich mir analog nicht leisten, also hab ich Digitalschrott genommen. Dann hab ich mich langsam wegbewegt von Instrumenten mit Keyboards. Das fand ich als Ansteuerung für Synthesizer immer irritierend. Ich spiele doch kein Klavier. Außerdem wehre ich mich gegen den verbreiteten Aberglauben, dass nur analog gut klingt. Die Hörgewohnheiten haben sich extrem entwickelt, die Leute sind mittlerweile an alle möglichen Aliasing-Sounds gewöhnt. Jeder hat schon einmal MP3s gehört. Wenn du analoge Wellenformen in digitale umrechnest, dann ist das natürlich nicht sauber. Jeder kennt die Komprimierungssounds, die sind mittlerweile Kulturgut, das jetzt auch zur Produktion verwendet wird. Ich setze das gezielt ein. Was bedeutet das genau? Ich gehe an diese Geräusche quasi wieder analog heran und orientiere mich an Synthesizern. Ein Gitarreneffekt wie das Zoom 5%5 klingt extrem digital, wenn du also einen vollen Gitarrensound haben willst, ist das Käse, die Wärme ist da nicht drin. Für elektronische Musik ist das wiederum recht cool. Im Moment ist der 5%6 mein Lieblingstierchen. Der ist für Bass gebaut, bringt also tiefere Frequenzen, da hab ich den Ausgang direkt wieder auf den Eingang gelegt wird, also quasi ein internes Feedback eingebaut. Feedbacks sind ja eine analoge Angelegenheit so wie NoInput-Mixer im Prinzip krude analoge Synthesizer sind. Da bekomme ich einen relativ klaren Sound, dazu kommen meine Schalterchen für Glitches, Ringmodulator- und Bitcrusher-Effekte.

Sound da nie bedient wird. Allein benutze ich meine Sachen derzeit hauptsächlich mit meiner Stimme und daraus kann ich von sphärischen Drones bis zu Gabbabeats eigentlich alles bauen. Kann außer Dir jemand Deine Instrumente spielen? Es braucht ein bisschen Übung, weil es keinen Speicher gibt und damit keine Presets. Wenn ich das jemandem in die Hand gebe, findet der sich aber schnell zurecht. Die Dinger sind recht klar gebaut, es gibt also verschiedene Sektionen: hier Pitch, da Feedback, hier Tonänderung etc. Wenn ein Loop läuft, dann wird der ziemlich krass verstärkt, also musst du am Mixer nachregeln. Ich möchte meine Instrumente von der Masse abheben, auch von der Masse der BendingInstrumente. Sie sollen ein bestimmtes Element von Unvorhersehbarkeit haben - verknüpft mit der Möglichkeit, das Ding trotzdem musikalisch zu spielen. Auf der Oberfläche ist sichtbar, wie die Struktur funktioniert. Welche Rolle spielt dabei Ästhetik? Ich hab visuelle Kommunikation studiert, später Bildhauerei. Als freier Künstler hatte ich die Angewandten immer um mich herum, die haben immer ganz andere Fragen gestellt. Man kennt dieses klassische Vorurteil, dass du beim Bending hier und da irgendwas drückst und irgendwas passiert, aber keine Ahnung was. Die einfachste Interface-Lösung ist üblicherweise eine Patchbay. Das wird dann immer als dieses besondere quasi-analoge Ding angepriesen. Chinch-Buchsen kriegst du im Achterpack, die sind superfix eingebaut, sind aber unpraktisch und sehen scheiße aus. Darum hab ich mich auf Schalter reduziert, ich hab meine Spezialschalter gefunden, die sind klein, aber relativ robust. Es geht mir vor allem darum, dass man in Live-Situationen gut auf sie zugreifen kann, dass man sie expressiv spielen, also auch mal an ihnen herumreißen kann. Warum hast du beim WAOSS PAD dann die LEDs gewechselt? Das wäre doch nicht nötig gewesen! Doch, denn das sieht cool aus. Am Ende sollen das schon neue Dinger werden. Ich sehe die nicht als Skulpturen, aber sie haben skulpturale Anteile. Ich bin Bildhauer, die Idee vom Unikat ist wichtig. Es sind Einzelanfertigungen, aber keine Kunst, sondern Handwerk.

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»Alles funktioniert heute selbstverständlich, es weiß nur niemand, warum. Wir bedienen quasi magische Artefakte.« Sind deine Instrumente Second-Hand-Elektronik für die Wegwerfgesellschaft? Dahinter steht schon ein Recyclinggedanke. Alles funktioniert heute selbstverständlich, es weiß nur niemand, warum. Wir bedienen quasi magische Artefakte. Leute werfen ihre Rechner weg, wenn sich Windows aufhängt. Dabei sitzt das Problem oft vor der Maschine. Was die Geräte angeht, die uns umgeben, besteht einerseits ein unheimlicher Respekt: niemand will irgendwas kaputtmachen. Das schlägt am Ende ins Gegenteil um, denn andererseits werden die Sachen weggeschmissen, sobald es was Neues gibt oder irgendein kleiner Fehler auftaucht. Welche Rolle spielt da das Circuitbending? In Workshops ist es meist die Hauptaufgabe, den Leuten zu erklären, dass es ihre Sachen sind. Man muss den Leuten klarmachen, das eh schon alles Schrott ist, 'schraubt's doch mal auf, 12 Volt tun nicht weh, da kann nichts passieren!' Es gibt diese Schranke bei Leuten im Hirn, dass etwas nur so funktionieren darf, wie es vorgesehen ist. Circuitbending wird oft als Kaputtmachen wahrgenommen. Ich bin für einen Umgang der liebevollen Härte: Wenn ich ein Gerät

Du schraubst nicht nur Audio-, sondern auch Videoware, Telefone, Gameboys, und du hast das nPad erfunden. Mittlerweile hast Du dich vor allem auf Effektgeräte spezialisiert. Gibt es ein bestimmtes Vorgehen, das du bei Musikgeräten anwendest? Vor ein paar Jahren ist der LTC 1799 aufgetaucht, der war ein Gamechanger für alles, was Circuitbending angeht. Alle digitalen Instrumente sind im Prinzip aufgebaut wie ein kleiner Computer und irgendwas muss für den Prozessor einen Takt liefern. In allen Geräten ist ein Quarzkristall verbaut, der für die Taktung zuständig ist. Wenn man den raus- und den LTC reinlötet, dann kann man sämtliche digitale Geräte runter- und hochpitchen. Den verwenden eigentlich alle, weil der einen extrem sauberen Takt liefert, den man stufenlos variieren kann. Weißt du, was du tust? Bei Circuitbending finde ich wichtig, das Amateurhafte sehr hochzustellen. Das bezieht sich auch aufs Digitale, bei Analogmodifikation wird eher gemoddet, da braucht es eigentlich mehr Expertise. Sicher hab ich ‘ne Menge über Elektronik gelernt, aber wenn ich etwas aufschraube, dann hocke ich auch erstmal wieder da, ich kann höchstens aus der Erfahrung beschreiben, was ich tue, aus dem Gefühl. Ich will gar nicht zu viel darüber lernen, ich möchte gern weiter auf Platinen im Unbekannten rumstochern. Es ist konstruktive Ignoranz: am Ende geht es ja doch ums Spielen.

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179 — MUSIKTECHNIK — TEXT SASCHA KÖSCH

TEXT BENJAMIN WEISS

Preis: 1399 Euro

Preis: ca. 85 Euro

ICONNECTIVITY MIDI 2+ MIDI UND AUDIO ZWISCHEN RECHNER & IPAD

D ie s e k le i ne B ox i s t bahnbrechend: Sie verbindet iPads und Rechner zu einem Audio- und MIDI-Netzwerk, zu einem sagenhaften Preis.

Mit iConnect Midi 2+ und iConnect Midi 4+ können MIDI- und Audioströme gleichzeitig und so gut wie latenzfrei über das Audio-passThru-Protokoll übertragen werden. Die kleinere Version Midi 2+ ist jetzt erhältlich.

PIONEER CDJ-900NXS FLAGSCHIFF FÜR FAST ALLE

Die NXS-Serie bekommt mit dem CDJ-900NXS endlich eine Konkurrenz unterhalb des Highend-Players 2000nexus.

Um fast 5"" Euro billiger, haben es überraschend viele Funktionen des großen Bruders auf den 9""NXS geschafft. Allen voran das große LCD mit farbigen und zoombaren Wellenformen, das obendrein Artwork und andere Listen anzeigt. Damit ist der Überblick über den Track endlich auch hier so komfortabel, wie man es von der Software gewohnt ist. Natürlich ist alles perfekt in die Rekordbox-Software integriert und auch das Abspielen von Tracks per Smartphone, PC, Tablet oder via USB hat seinen Weg auf den neuen CD-Player gefunden. Ebenso wie die Funktion, Tracks via LAN über bis zu vier Decks zu teilen. Natürlich funktioniert auch hier der Sync-Button ohne Probleme. Pioneers Dominanz auf diesem Markt wird der 9""NXS definitiv festigen, denn selbst für diejenigen, die zuhause bislang auf den Luxus eines CDJ2""" verzichteten, ist das Handling aus dem Club völlig bekannt. Auch die Software des Players lässt wenig aus: Beat Divide für Staccatos, Slip Mode, das man zum Beispiel von Traktor als Flux-Modus kennen, perfektes Quantisieren in Loops, Beatsync und natürlich die bekannten Endloops, die keinen Track je auslaufen lassen. Personalisierung funktioniert über den Import eigener Settings, so dass sich der Player im Club genau so verhält wie zuhause. Nebenbei spricht der 9""NXS auch noch MIDI, so dass er sich selbst mit anderer Software als Rekordbox versteht. Auch die Klangqualität lässt nirgendwo zu wünschen übrig. Was die Hardware betrifft, sind die Änderungen allerdings nicht so drastisch und man fühlt sich noch stark an den 9""er erinnert – auch wenn einiges wesentlich robuster wirkt. Natürlich sind nicht alle Funktionen des CDJ-2""" auf den 9""NXS gewandert, vor allem wird man die Einstellungen für das Jog-Wheel und die Hot Cues vermissen. Was Loops und deren Manipulation betrifft, wurde allerdings nichts ausgelassen, so dass die Entscheidung bei diesem Preis für viele leicht fallen dürfte.

Einrichten und anschließen In dem kleinen, soliden Metallkasten sind Anschlüsse für zwei MIDI-DIN-Pärchen, zwei USB- und eine Netzteil-Buchse; für neuere iPad/iPhone-Geräte, muss noch Apples Lightning-Adapter dazu gekauft werden. Die Konfiguration geschieht über eine eigene Software, die Configs als Firmware ins Gerät schreibt. iPad als Instrument und Plugin mit Touch-Oberfläche Das iConnect Midi 2+ ist schnell genug, um eine App über MIDI zu steuern und gleichzeitig deren Audiosignal umgewandelt im Rechner zu empfangen. Das eröffnet ziemlich abgefahrene Möglichkeiten, gerade auch mit längst eingemotteten Apps: keine Midi-überWiFi-Fummelei, wie früher, sondern einfach anschließen und los geht's. Dabei lassen sich nicht nur Synths und andere Instrumente prima nutzen, sondern auch Effekte und die inzwischen ziemlich breitgefächerte Auswahl an MIDI-Controllern, mit denen sich über die MIDI-DIN-Anschlüsse natürlich auch externe Geräte steuern lassen. Kollaboration mit mehreren Rechnern Am zweiten USB-Port kann statt des iOS- Geräts auch ein zweiter Rechner angeschlossen werden, was die Zusammenarbeit an einem Projekt mit zwei Rechnern erheblich vereinfacht. Neben den umfangreichen MIDI-Fähigkeiten, die allein den Preis schon rechtfertigen würden, ist das Audio passThru des iConnect Midi 2+, mit dem mehrere Rechner zum Audio- und MIDI-Netzwerk verbunden werden können, ein Killerfeature, bei dem man sich wieder einmal fragt, warum Apple das nicht bereits selbst integriert hat. Fazit Das iConnect Midi 2+ ist für alle, die ihr iPad ernsthaft zum Musikmachen benutzen eine echte Empfehlung. Ich hatte nur geringfügige Probleme, ein bisschen musste ich mich an die vielfältigen Routing-Möglichkeiten der iConfig-Software gewöhnen. Total Recall, wie man es von der DAW und Plugins sonst gewohnt ist, gibt es natürlich nicht. Trotzdem ist der Gebrauch des Interfaces wesentlich unkomplizierter als der von externer Hardware.

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TEXT PETER KIRN

BILD BENJAMIN WEISS

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Preis: 249 Euro

FYRD INSTRUMENTS MTRX-8 HACKBARER HARDWARESEQUENZER

Computer haben uns ja ein bisschen verwöhnt. Und auch, wenn Hardware-Sequenzer mit taktiler Kontrolle punkten können, so müssen sie doch mit Software konkurrieren, die eine Vielzahl an Parametern steuern kann.

Der MTRX-8, ein Boutique-Controller vom französischen Musiker und Ingenieur Julien Fayard, soll all diese EditierFunktionen in einer Stand-alone-Hardware vereinen. Mit seiner austauschbaren Open-Source-Firmware lässt sich der Sequenzer an verschiedene Instrumente anpassen. Die mitgelieferte "Jam Machine"-Firmware ermöglicht zudem das Steuern von Drummachines und Synths. Glattglänzende Oberfläche aus schwarzem Acryl, elegante LED-Ringe und ein LCD-Display machen das Gerät schick und angenehm futuristisch. Die Seitenteile aus Holz sorgen für eine leichte Neigung, sind aber leider nicht abnehmbar und erschweren somit ob ihrer Sperrigkeit den Transport. Aber: Der Open-SourceGedanke wird beim MTRX-8 auch auf das Gehäuse übertragen. Auf der Website lassen sich Diagramme und Vorlagen zum Ausdrucken eigener Cases herunterladen. Der MTRX-8 bietet neben class-compliant USB MIDI auch Ein- und Ausgänge in MIDI DIN, allerdings wäre ein zweiter MIDI-Ausgang ganz praktisch gewesen. Das

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Feature, an das man sich beim MTRX-8 gewöhnen muss, ist das Jogwheel. Auf den ersten Blick wirken die 4x2 Buttons nämlich wie Encoder, sie sind aber Buttons. Um Parameter wie etwa Pitch einzustellen, muss zunächst der entsprechende Step-Button gedrückt und dann das Jogwheel gedreht werden. Das Jogwheel ist sehr präzise und fühlt sich gut an, aber das bedeutet natürlich, dass für jeden Step-Edit zwei Hände gebraucht werden. Beeindruckende Funktionen Um in die Tiefen der Sequenzerfähigkeiten des MTRX-8 einzutauchen, müssen erst mal einige Menüs durchforstet werden: vier Buttons oben toggeln zwischen Pages und Steps, insgesamt gibt es also 4x8 = 32 Steps. Im StepSequenzer wird per Page zwischen Parametern wie Pitch und Velocity umgeschaltet. Wenn der vierte Button oben gehalten wird, können Parameter aus dem ConfigMenü ausgewählt werden. Mit allein sieben Pages für den Step-Sequenzer verliert man da schnell die Übersicht. Sobald man sich ein bisschen eingefuchst hat, offenbart der MTRX-8 aber seine beeindruckenden SequenzerFeatures. Die Default-Firmware "Jam Machine" kombiniert vier verschiedene Funktionalitäten: ein Step-Sequenzer, ein Drum-Sequenzer und zwei Pages für ControllerFeatures. Der Step-Sequenzer erzeugt monophone 8-Step-Patterns. Die lassen sich zu längeren Patterns verketten, so dass bis zu 64 Steps mit den Laufrichtungen vorwärts, rückwärts und Ping Pong möglich sind, die dann in 16 Preset-Slots abgespeichert werden können. Leider kann man nicht mehrere Layer gleichzeitig kontrollieren oder polyphone Sequenzen erzeugen, so dass der StepSequenzer am besten für Basslines funktioniert. Der Drum-Sequenzer hingegen kann mehrere Layer haben. Bis zu fünf verschiedene Stimmen/MIDI-Noten sind möglich, die in einem festen 16-Step-Raster laufen. Mit

der Chain-Funktion können hier bis zu acht Patterns aneinandergehängt werden. Dazu lassen sich Viertel-, Achtel- oder Sechzehntel-Drumrolls und SechzehntelSwing erzeugen. Die Knobs-Page macht aus dem MTRX-8 eine Controller-Oberfläche mit vier Banks á vier Parameter. Hier lassen sich auch mehrere Parameter gleichzeitig ändern, indem man sie gedrückt hält und über das Jogwheel editiert. Die vierte Page ist schließlich fürs Abspeichern von Presets zuständig und erlaubt die Kombination verschiedener Patterns und Parameterwerte über die drei Modi hinweg. Button & Jogwheel Der MTRX-8 ist kein perfekter Step-Sequenzer für jede Anwendung, überzeugt aber bei schnellen Drum Patterns und Basslines. Die Knobs-Page kommt dazu mit nützlichen Presets wie zum Beispiel für die Korg Volca-Serie, Dave Smith Tetra und Mopho und zwei weitere Open SourceSynths: Shruhi und Meeblip. Erwähnenswert ist zudem, dass der MTRX-8 sowohl mit dem Rechner wie auch mit externer Hardware gut zusammenarbeitet. An den Rechner angeschlossen funktioniert er als USB-MIDI Interface, mit Hardware ist er ein Standalone-Sequenzer. Für die Synchronisation mit dem Rechner wird ein MIDIPattern mitgeliefert, das dann etwa mit Ableton benutzt werden kann. Die einzige Einschränkung des MTRX-8 ist das Konzept von Button und Jogwheel. Ein paar mehr Kontrollelemente mehr, dafür weniger Menüs zum Durchsteppen wären nicht schlecht. Wer mit dem MTRX-8 aber hauptsächlich Dance Patterns finetunen und Basslines basteln will, ist hier bestens und günstig bedient.

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179 — MUSIKTECHNIK

TEXT THOMAS LINDEMANN

Aufpreis: ca. 2000 Euro

YAMAHA SILENT PIANO KLIMPERN GEGEN DEN STRICH

Die Yamaha-Silent-Pianos der Reihe "SH" sind echte Klaviere, die sich stumm stellen lassen und dann ein Modul mit digitalen Sounds ansteuern. Mehr noch: Sie setzen die Idee der Silent- und Midi-Pianos zum ersten Mal auch wirklich gut um. Jetzt kann die Musikszene kommen, die darauf aufbaut.

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Das Klavier führt, etwas überraschend, in der Szene von Bastlern, elektronischer Musik und Avantgarde immer nur ein Schattendasein. John Cage steckte in den Vierzigern Radiergummis, Schrauben und anderes nach einem selbst erfundenen Muster zwischen die Saiten eines Flügels und schuf so die Klangidee "Prepared Piano", die seitdem immer wieder mal irgendwo aufscheint; Volker Bertelmann alias Hauschka etwa benutzt es bis heute als sein Markenzeichen und verwendet zum Beispiel Tischtennisbälle, die auf den Saiten herumtanzen. Zuletzt haben auch Sven Weisemann, Brandt Brauer Frick und Nils Frahm mit PianoImprovisationen und -Präparationen den auratischen Klang des Klaviers in den Techno geholt. Mit der Präparation aber hat es sich auch mit dem kreativen Verändern des Klavierklangs getan. Wenn der Konzertpianist Francesco Tristano, der auch ein fantastischer DJ ist, im Berliner Watergate seine Koffer aufmacht um eine Nacht lang einzuheizen, hat er auch ausschließlich Instrumente wie eine Motif XF8 Workstation dabei. Andere,

die als Pianisten auffallen, spielen meist nicht-elektronisch, ganz klassisch. Wie der schon genannte Nils Frahm, auf dessen neuem Livealbum "Spaces" zwar Effekte zu hören sind, im Kern aber: gut gespieltes Klavier. Dabei tut sich im Moment eine neue Möglichkeit auf, das Klavier als quasi-elektronisches Instrument zu benutzen. Derzeit ist noch gar nicht absehbar, wohin all das führen kann. Ein Grund dafür ist, dass die Silent-Technologie, um die es hier geht, aus höchst bürgerlichen Gründen erfunden wurde. Man stört niemanden, wenn man sie verwendet. Bei den 21 Pianos und Flügeln von Yamaha, die mit dem "Silent SH" ausgestattet werden (von dem 2,3$ Meter langen C7X für rund 5$.$$$ Euro bis zu dem Klavier P116, etwa 7$$$ Euro) schiebt sich auf Knopf- beziehungsweise Pedaldruck eine Leiste vor die Hämmer, so dass diese die Saiten knapp nicht mehr erreichen können. Am Spielgefühl ändert das nichts. Digitalisiert wird der Anschlag optisch, Plättchen mit Grauverläufen werden mit rotem Licht durchmessen. Das funktioniert so gut, dass selbst Profis praktisch keinen Unterschied wahrnehmen. Die Konzertpianistin Martina Filjak etwa, gelobt von der New York Times, bekennt sich offen dazu, an einem Yamaha Silent-Flügel zu studieren. Sie lebt nun einmal in einer Mietwohnung. Es gab auf dem seltsamen kleinen Markt der SilentPianos in den letzten Jahren einen kleinen Kampf der Giganten: Kawai gegen Yamaha, zwischendurch gestört von unbekannteren Unternehmen wie Pianodisc. Unter Pianisten war Yamahas Technologie immer die am besten akzeptierte, weil fast einwandfrei spielbar. Leider waren die Sound-Module klanglich enorm rückständig. Ein Aufpreis von circa 2$$$ Euro (verglichen mit dem Klavier ohne SilentFunktion) war bisher für ein eigentlich minderes Klangmodul fällig. (Sehr ärgerlich: Yamaha will kein Upgrade für ältere Silent-Pianos anbieten.) Dennoch muss man den Japanern lassen: Da nun im neuen Silent-System "SH" endlich auch der Klang stimmt, dürfte dieses System für einige Zeit konkurrenzlos sein. Eigentlich ist es gerade zum ersten Mal überhaupt erst soweit, dass Silent-Pianos wirklich ernst zu nehmen sind. Dazu, dass man so etwas heute überhaupt sagen kann, tragen auch die Samples des CFX bei, die im Silent-System "SH" verwendet werden – Aufnahmen des neuen 2,75 Meter langen großen Yamaha-Flügels. Alle 88 Töne wurden einzeln aufgenommen mit binauralem Mikrofon, also per Kunstkopf, so dass sich ein besonders bestechendes Gefühl ergibt, vor dem Flügel zu sitzen. (Wobei es um Mikrofonierung – und somit auch die Frage, ob das derzeit modische binaurale Aufnehmen sinnvoll ist oder nicht - unter Soundfreaks freilich eine ausufernde Debatte gibt.) In Tests und Werbung wird normalerweise immer nur das biedere Argument "Man stört die Nachbarn nicht" angeführt. Aus dieser Tiefe des bürgerlichen Denkens fällt es erst einmal schwer, in die Sphären echter Avantgarde zurückzukommen. Das sollte man aber. Denn es ist durchaus aufregend, erstmals mit einer vollwertigen (und hervorragenden) Klaviertastatur alles spielen zu können, was Midi zulässt. Und die 19 guten, eingebauten Sounds ohnehin – auch wenn die meisten sich nur für das Piano interessieren werden, Fender Rhodes gibt es anderswo bessere, und man hat ja Midi eingebaut. Die Klänge passen übrigens auf nur 256 MB, was etwas überrascht – das Luxus-Piano "Alicias Keys" von Native Instruments etwa ist 17 Gigabyte groß. Trotzdem klingt "SH" tatsächlich gut (und es sei daran erinnert, dass auch Clavia Nord bis heute erschütternd kleine Speicherchips verwendet). Das digitalisierte Piano CFX besitzt die für Yamaha typische Klarheit und Prägnanz, der Bass ist wuchtig, schmiert aber nicht, der Diskant perlt fein und genau. Die Mitten könnten etwas mehr Kraft vertragen, das ist aber nun schon Mäkelei auf sehr hohem

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Niveau und lässt sich zudem ausgleichen, schließlich kann man diesem Sound – wenn man so denkt, wie es hier empfohlen sei – Kompression und Equalizing hinzufügen. Denn neben all den technischen Spielereien (direkt auf den USB-Stick absamplen, was man spielt, oder: per App das gespielte als Notenbild ausgeben) interessiert musikalisch eigentlich nur eins: Eine neue Handhabung des Klaviers und ein neues Spielgefühl, das diese Technik erlaubt. Denn das Sein bestimmt auch hier das Bewusstsein. Wer die Tastatur einfach mal auf Silent stellt und den Midi-Out-Buchse mit seinem sonstigen Heimstudio verkabelt, kann dieses womöglich neu erleben. Einen Moog Voyager mit einer festen Pianotastatur zu spielen, holt auch neue Melodien aus dem Synthesizer heraus, den man sonst immer nur mit superschnellen, weichen Keys kennt. Zurzeit gehört Fantasie dazu, diese Gerät wirklich kreativ zu nutzen. Ryuichi Sakamoto, der einst ja die ElektropopGiganten Yellow Magic Orchestra gründete, aber von Haus aus Pianist ist, hat eine ganz eigene gefunden: Er spielt dazu das Yamaha Disklavier, eine etwas erweiterte Version der Silent Pianos. Es kann Midi-Informationen mittels kleiner Motoren an die Hämmer weitergeben, ist also letztlich ein modernes Player-Piano. Statt einer gelochten Notenrolle steckt eben ein Computer drin. Sakamoto koppelt live auf der Bühne zwei Midi-Flügel aneinander. So kann er ein Pattern spielen, es per Fußschalter an den zweiten, sozusagen unbemannten Flügel schicken, und von dort aus klingt es sofort als realer, mit den Hämmern auf den Saiten erzeugter Klang in der selben Dynamik weiter. Sakamoto schichtet dann am ersten Flügel Melodien darüber. Er hat damit als der wohl erste Musiker der Welt quasi eine Loop-Station mit echtem Flügelklang geschaffen. Phreaken und gegen den Zweck benutzen lassen sie sich vor allem mit Amps. Das Gefühl, ein Klavier mit einem große Klinke-Ausgang zu haben, ist nun einmal wirklich neu und kann sehr beflügeln. Empfehlenswert ist natürlich der Gitarrenamp mit viel Overdrive. Aber auch ein Moogerfooger Ringmodulator, ein gutes Filter, oder gern alle drei in Reihe verrichten interessante Dienste. In den letzten Jahren fielen immer wieder klassisch ausgebildete Pianisten auf, die in der Elektro- und Experimental-Szene aktiv wurden. Von solchen Künstlern, und vielleicht auch von ihren musikalischen Nachfolgern, die sich kein Studio mit toller Mikrofonierung leisten können, müsste nun eigentlich noch viel mehr kommen. Sie müssen dazu ein von Yamaha zum Zweck, nicht aufzufallen, geschaffenes System nur ein bisschen gegen den Strich verwenden. Schön, das der Hersteller uns also praktisch ins Subversive hineindrängt.

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Acoustic State

Silent State

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01

Actress Ghettoville Werkdiscs/Ninja Tune

02

Pink Skull Huitlacoche My Favorite Robot Records

03

Achterbahn D’Amour Odd Movements Acid Test

04

Flying Lotus Ideas Drafts Loops Not On A Label

05

Burial River Dealer EP Hyperdub

06

Childish Gambino Because The Internet Glassnote

07

Nina Kraviz & Luke Hess Mr. Jones EP Rekids

08

Haf Haf Notch LP Gang Of Ducks

09

Archie Pelago Lakeside Obelisk Archie Pelago Music

10

Soulphiction When Radio Was Boss Pampa Records

11

Break SL Haisel Stieht UV Limited

12

Vessels Elliptic EP Cuckundoo Records

13

Frits Wentink Fluffy Tit Wolfskuil Ltd.

14

Lord Of The Isles 301C Symphony Permanent Vacation

15

Redshape Wires Present

16

Illum Sphere Ghosts Of Then And Now Ninja Tune

17

Mouse On Mars Spezmodia EP Monkeytown

18

Mikal Immaterial EP Metalheadz

19

Trus’Me Somebody Prime Numbers

20

Alien Rain Acid Reign Deep Sound Channels

21

Magic Mountain High Tiny Breadcrumbs Off Minor

22

Neneh Cherry Blank Project Smalltown Supersound

23

Raz Ohara Moksha Album Label

24

Douster Iz U High No Brainer Records

25

Twwth Thousand Million EP Signal Life

ACTRESS GHETTOVILLE [WERKDISCS/NINJA TUNE]

PINK SKULL HUITLACOCHE [MY FAVORITE ROBOT RECORDS]

www.werkdiscs.com

www.cosmic-disco.com

Bei seinem inzwischen vierten Album angelangt, enthält die Musik für Actress angeblich keine lesbare Sprache mehr. Nun ist es mit der Sprache in der Musik zwar ohnehin so eine Sache, weil die sich ja nie ganz eindeutig entziffern lässt. Was bei "Ghettoville" allerdings auffällt, ist der fortgeschrittene Zustand des Verfalls, in dem man den Großteil seiner Tracks vorfindet. Schon die erste Nummer, "Forgiven", erinnert auf den ersten Eindruck mehr an Industrial-Etüden, als an Weiterentwicklungen von House und Bassmusik. Man ist geneigt, an beschädigtes Fabrikgerät zu denken – mit einer gut geschmierten Tanzflächenmaschine hat das alles sehr wenig zu tun. In recht ähnlicher Stimmung geht es zunächst weiter. Zwischendurch kommt nach und nach Bewegung in die Sache, in "Corner" noch verhalten und mit einer herrlichen trashigen Synthie-Bläser-Melodie, dann, in "Birdcage" zum Beispiel, beginnt der Groove wieder ein wenig an die rumpelnde Motorik von "Splazsh" anzuknüpfen, mit diesem aggressiven Schaben im Beat, das es bei Actress so häufig gibt, wie wenn jemand mit der geballten Faust in der Hosentasche tanzt. Dazwischen bricht sich immer mal eine schwer nostalgische Melancholie Bahn, als trauere Cunningham der verlorenen Zuversicht in seine Musik nach. "Street Corp" lässt die Flaschenhälse erst euphorisch aneinanderkrachen und lädt dann, begleitet von schaurig-schönen Gehörgangkratzern und alles zermalmendem Bassbrummen, zum polyphonen Pusten über die Öffnung der zur Hälfte leergesoffenen Kannen ein. Und wo wir schon bei Unbehagen sind: "Time" britzelt, flimmert, zittert und reibt sich behände durch die Boxen und flüstert einem dämonisch fauchende Sprachfragmente in den Nacken, bis die Härchen sich aufstellen. "Frontline" pumpt sich hinter der fest verschlossenen Clubtür zu einem Endlose-Stampfer auf, während es einen bei "Gaze" mit zerhackstückeltem Störgeräusche-Soulsample sofort komplett hineinzieht. Einigen Stücken lässt Cunningham dabei kaum mehr als zwei Minuten Zeit, um ihre Botschaft zu verkünden – oder eben nicht. Vielleicht sollte man aber auch nicht zu allzu sehr von den Worten der Ankündigung auf die "Sprache" der Musik schließen. Ganz sicher ist "Ghettoville" ein anderes Statement als die vorangegangenen Platten. Der Beat ist zurück, wird jedoch weitgehend aus dem Club-Zusammenhang gerissen, darf meistens lediglich Fragment sein. Das kann man ebenso gut als Abstraktion und Suchbewegung verstehen, ohne in jedem verrauschten Rumpeln gleich einen Schwanengesang erkennen zu müssen. Und wenn in "Rap" eine verfremdete Stimme "Wrap yourself around me" singt, ließe sich das durchaus als Aufforderung verstehen. Als kleine Aufmerksamkeit Cunninghams an seine Fans gibt es "Hazyville", das erste Album von Actress, in remasterter Form als Zugabe obendrauf. TCB

Irgendwie hört man schon am Namen, dass Pink Skull mal eine Band war. Eine Liveband, wie man mit etwas Abstand sagen würde. Und Amis. In wechselnden Besetzungen rings um Justin Geller und Julian Grefe gehört seit einer Weile Joe Lentini (den man vielleicht von seinen Releases auf Schematic kennt) dazu und ihr Sound hat sich in etwas verwandelt, dass uns schon mit den letzten EPs auf Days Of Being Wild und My Favorite Robot Records gepackt hat. Und jetzt? Das Album! Es hält nicht nur, was die EP schon versprochen hatte, sondern ist durch und durch ein Meisterwerk. Jeder Track wirkt irgendwie wie aus Stein gemeißelt. Hier wird um jeden Sound gekämpft. Egal, ob es in flatterigen Breakbeats oder geraden Drums losgeht, die Tracks sind voller darker Angriffslust, verrückter Breaks, unglaublich gedämpfter Synths, Stimmungen, Magie. Ich würde mir wünschen, man verpflichtete Pink Skull für den nächsten "Blade Runner". Das wäre konsequent. Ihre Basslines brechen Knochen, ihre Sounds zeugen vom Wissen um die Vergangenheit der Synthgeschichte, sind aber alles andere als rückwärtsgewandt, und in jedem der Stücke steckt diese Energie, die einem die Zukunft verheißt. Diese Einsamkeit der Dystopie, in der sich doch irgendwie ein Versprechen einer Welt findet, die voller Geheimnisse und Spannung steckt. Ein Album für den Floor, fürs Hirn, voller Funk und doch voller Geschichten. Wie schon der Titel. "Huitlacoche". Sieht aus wie angeranztes Hirn. Oder schlimmer. Wie Dinge halt aussehen, die sich Maisbeulenbrand nennen. Jahrelang als Schädling bekämpft, landet das Zeug mittlerweile in den Sternerestaurants als mexikanischer Trüffel. Die Mexikaner wussten das schon immer. Gesund ist es auch noch. Und schwer zu tippen. Warum wir das erzählen? Weil es so gut passt. Die Pilzeuphorie der Halbwahnsinnigen, die mexikanischen Mythen die die US-Seele immer wieder durcheinandergebracht haben. Pink Skull sind Psychic-TV-Fans, Faust, Can. Lieben ihren modularen Synth. Die Wüste vermutlich. Das perfekt Unnachahmliche im Unperfekten. Das Kaputte mit Hintergedanken. Die Zerstörung als Mittel der Entdeckung. Und die innere Reise, die nirgendwohin führt, außer zu unerwarteten Ergebnissen, die sich lohnen. Und all das kann man in den Tracks des Albums fast schmecken. Glanz? Nein, Gewucher führt zum Glück. Mutanten, abseitige Ideen, die Reste des Unentdeckten mitten in einer durchleuchteten Welt. "Huitlacoche". Wie schmeckt das? Je nachdem wen man fragt wie Erde, Dreck, Müll, oder nussig, süsslich, fruchtig, göttlich. Erste Farmer in den Staaten infizieren schon ihre Felder . Eine Goldgrube. Und die Etymologie zuletzt. Schlafende Scheiße. So, jetzt haben wir Hunger. Wird gestillt durch Hören des Albums in Dauerschleife. BLEED

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FLYING LOTUS IDEAS+DRAFTS+LOOPS [NOT ON LABEL]

BURIAL RIVAL DEALER EP [HYPERDUB]

ACHTERBAHN D'AMOUR ODD MOVEMENTS [ACID TEST]

www.flying-lotus.com

www.hyperdub.net

awww.absurdrecordings.com

Der Titel macht’s schon klar: Flying Lotus hat aus einer Laune heraus mal eben seine Archive auf links gekrempelt und über Nacht eine ganze Reihe Leftovers, Outtakes und Skizzen für die Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Zumal Steven Ellisons Resterampe über weite Strecken einfach zehnmal tighter klingt als ein Gros der derzeitigen Beatscience-Releases da draußen. Aber hören wir doch mal rein. Wie man es von Superbrain FlyLo gewohnt ist, tummelt sich auf "Ideas+drafts+loops" so ziemlich alles von flimmernden Freidrehern wie "Such A Square" und dem schwurbeligen "Tree Tunnels" bis hin zum Noise-Traktat "Osaka Trade". Unter den sage und schreibe 25 Tracks findet sich sogar eine radgy Captain-Murphy-Abfahrt "Between Villains" mit Victor Vaugh und Earl Sweatshirt. Und wo wir schon bei Features sind: Da hat’s sowohl stampfende AvantTracks mit Shabazz Palaces ("Hide Me"), glitchiger WonkyWahnsinn mit Baths ("Little Hours") oder eher klassisches Material für das sich FlyLo die beiden UnderachieversMCs in die Booth geladen hat ("Adventure Sound"). Als Bonus-Cut hat sich auch der ziemlich fluffig-puffige "Black Skinhead"-Thundercat-Rework von Kanye West in den ZipOrdner geschlichen. Absolut empfehlenswert. JW

Produzentenenigma Burial hat, wie letztes Jahr pünktlich zu Weihnachten, eine neue EP in die hungrigen Ohrschluchten seiner Jünger geworfen. Erst mal semi-aufregend, doch Vorsicht: die Innovationen in der Emotionspalette seines Schaffens, die Burial durch das stark konzeptuelle “Rival Dealer“ einführt, sind groß, wahrscheinlich zu groß für viele Bewunderer des Südlondoners. Das knarzige "vinyl crackle" ist immer noch da, man fühlt sich zu Hause. “This is who I am“ proklamiert ein Sample, weißes Rauschen, dann ein gleißend heller Lichtstrahl, raus aus dem großstädtlerischen Selbstmitleid, rein in den Äther. "You try to find yourself. But you always run away." Die überbordende Euphorie wird einem entrissen, man findet sich kurz in einem klaustrophobischen Klangvakuum wieder, bevor alles nochmal tiefschwarz wird. Dann: “Now the sunlight's come“. Allerdings! Ab jetzt wird weder vor Sitar-Samples, turnhallengroßen 80s-Snares noch vor Auto-Tune halt gemacht. Wo der Opener wie bloßes Weiterspinnen einer Soundästhetik klang, mutet die EP spätestens jetzt an wie ein Psalmbuch, gar wie ein sonifizierter Götze, der dir mit unterschwelligen Botschaften zur Selbstfindung verhilft, wenn du gut und oft genug zuhörst. Es scheint, als wären die zahlreichen Samples beinahe das Herz der kleinen Platte, die Basis der Klangkörper, die zwischen den Zeilen agieren. TN

CHILDISH GAMBINO BECAUSE THE INTERNET [GLASSNOTE]

NINA KRAVIZ & LUKE HESS MR. JONES EP [REKIDS]

www.glassnotemusic.com

www.rekids.com

Donald Glover hatte man als Rapper lange eher nicht auf dem Schirm. Wenn überhaupt als "Community“-Schauspieler und Comedian. Und wenn so jemand dann beschließt, jetzt auch mal Musik zu machen, kann das gehörig nach hinten losgehen. Drake hat bereits bewiesen, dass man als angehender Musiker mit Mattscheibenvergangenheit aber auch richtig was reißen kann. Das schafft auch Childish Gambino mit seinem neuen Album. Denn solche Platten sind dieser Tage selten. Was für ein geiler opti- als auch pessimistischer Titel das schon ist: "Because The Internet“. Klar, Childish Gambino fährt hier die Drake-Masche des melancholischen Millenials: jeder mit jedem und doch für sich allein. Dieses larmoyante Gefasel von Freundeskreisen in RL und VR und dem generellen Kontrollverlust hat man jetzt ja schon zu genüge durchgekaut. Aber Childish Gambino gibt dem Ganzen mit "Because The Internet“ einen neuen Dreh. Die 19 Songs und Skits erzählten auf unglaublich atmosphärische Weise vom täglichen Treiben im Netz. Jedoch nie analytisch oder gar besserwisserisch, sondern so naiv und sehnsüchtig, wie sich wohl ein Gros der User Tag für Tag durch den Stream klickt. Um den künstlerischen Anspruch eines Kanye West erweitert, liefert er zum richtigen Verständnis auch noch ein 73-seitiges Drehbuch mit. Groß. JW

Ehrlich gesagt, ich blick nicht ganz durch. 10 Tracks ist diese EP lang? 6 Tracks plus Remixe? Was haben die vor bei Rekids? "Remember" ist schon mal ganz groß. Zwei Stimmen im Zwiegespräch, dazu Grooves auf Hochspannung und immer tiefer in sich verschliffene Intensitäten, die irgendwann einfach alles mitreißen und doch von der ruhigen Stimme von Nina noch perfekt ihren stimmungsvollen Anfang bewahren. "Black & White" bleibt reduziert, aber dampft eher in seinen sphärisch weitläufigen Sounds und dem lässig aus dem Ärmel geschüttelten Swing der Grooves, die alle zusammen irgendwann auf einen Track hinauslaufen, der fast wie zu Weihnachten bimmelt. "Desire" ist einer dieser typischen Kraviz-Tracks, endlos und immer wieder mit kurzen Vocals angeheizt in einem Schwebezustand, der einfach nie zur Ruhe kommen will. "Mr Jones" stellt den Sprechgesang zu fast reduziert flüsternden Hintergrundgeräuschen und stapfigem Groove in den Vordergrund und zerstört sich dann selbst mit diesen leicht angegruselten Melodien und Sounds, die im "2008 Home Listening Mix" irgendwie am albernsten und damit auch besten wirken. Eine intensive, oft reduzierte, durch und durch perfekte EP, die irgendwie auch eine Antithese zu Nina Kraviz als DJ sein will, aber das hatten ihre EPs schon immer an sich. BLEED

Ganz klar die Acidplatte des Monats. Mehr noch. Wie immer bei Acid Test. Achterbahn D'Amour lösen sich endgültig von der Nostalgie von Acid, konzentrieren sich aber gleichzeitig noch mehr auf Acid selbst. Was mag das bedeuten? Nicht die vielen Erinnerungen an die endlosen Wandlungen des Acidsounds hört man hier raus, sondern das Eintauchen in eine Welt aus dessen Fundamenten heraus ein Sound erfunden werden will, der unmissverständlich in Acid enden muss, aber dabei nicht die Idee, sondern die Konstellationen, die Versuchsanordnungen, die Musik, die aus der inneren Beschränkung heraus doch keine Grenzen kennt, ansteuert. Das Album ist keine Ode an die Oldschool. Die Strobegewitter, die Säure, die Härte, die hypnagogischen Zustände oder den trippigen Traum. Es ist - wenn überhaupt - eine Hymne auf die Methoden, die Mittel, die abgesteckten aber doch scheinbar endlosen Soundwelten der "typischen" Hardware. Hier schnarrt vom ersten Moment an alles so deep in den analogen Welten der Rolandsounds, klingt dabei aber doch immer so erfrischend und direkt, dass man bereit ist, Acid als die Lyrik des Jahres zu küren. Immer leicht angezerrt, aber doch elegisch, die Basslines untereinander verwoben mit den Flächen, die Sounds so rhythmisch und klar, so... Doch bevor wir hier ganz in Begeisterung aufgehen, und uns von den Tracks wegtreiben lassen in die Wälder aus pastellfarbenen Stroboskopen, einen Schritt zurück. Ein Acidalbum. Daran haben sich viele versucht. Oft klingt es wie Manual. Wenn alles gut geht, aber ist es so viel mehr. Ein Hinabsteigen in einen ganz eigenen Sound, der heute mehr als damals, nicht einfach nur das Entdecken eines Aufbruchs in eine Welt eigener Physis ist, sondern dort auch eine Menge alter Bekannter trifft. Wir sind nach den ersten Tracks von "Odd Movements" nicht nur gar nicht mehr aus diesem Universum herauszubekommen, sondern entdecken das große Kino hinter dem Genre, diese feinfühligen Momente in denen - egal wie stark die Verführung bei Acid auch sein mag - man sich konfrontiert sieht mit diesem Einzigartigen. Dieser unnachahmlich schönen Gewalt von Musik, die sich nicht einfangen lässt, egal ob die Wege vielleicht vertraut wirken. "Odd Movements" ist ein Monument. An Acid, in Acid und weit darüber hinaus. BLEED

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UNTOLD

ALLES FÜR DEN BASS, FÜR DEN CLUB T Malte Kobel - F Liam Ricketts

ALBEN V.A. - Hand Out Extended Chapter [Amam Extra/022] Eine Compilation mit Tracks von Renato Figoli, Niro, Alessio Mereu, Tobia Coffa uvm., die den Sound von Amam brilliant auf 10 Stücken purer Dubs und minimaler Gespenster auf den Punkt bringt. Vom ersten Track an zeigt sich, dass Amam eigentlich eine Art Soundsystem ist. Nichts hängt hier fest, alles ist im tiefen Dubschwung, immer bereit für eine Attacke, eine unerwartete kurze Bassline, die Räume hinter dem Hall. Dabei fallen wir von einem deepen Monster in die Tiefen von Detroit, von den dunklen Straßenszenen voller glitzernder Oberflächen und kurzer Blicke der Intensität in eine Welt, in der das Pulsieren einen über sich hinaus treibt, und bei aller durchgehenden Melancholie und Darkness der Tracks, vielleicht sollte man besser glücklichen Verlassenheit im Sound sagen, finden sich doch auch Momente, an denen es einfach nur um die Verzückung geht. Eine der schönsten Compilations zwischen Minimal, Dub und mehr, die uns dieses Jahr untergekommen ist. bleed Sendai - A Smaller Divide [Archives Intérieures] Modular Synth-Fummler Yves De Mey hat sich ein zweites Mal mit Peter Van Hoesen, der am PC editiert und nachbearbeitet hat, zusammengetan, um die Bauteile der elektronischen Tanzmusik in die äußerste Abstraktion zu überführen. Heraus kommen dabei 45 Minuten, die wie eine warm-fließende, weniger rhythmische Version der White-Noise-Orgien von Emptyset klingen – oder auch wie die nervöseren Platten eines Keith Fullerton Whitman, dabei aber mit entschiedenem Techno-Background. Interessenten des momentan so herrlich vitalen Noise/Techno-Wechselspiels werden auf “A Smaller Divide“ definitiv neues Futter finden, allerdings hat die Platte eher das Feel eines Jams zweier Nerds als die theoretische Strenge eines Raster-Noton-Releases, ganz zu schweigen von der Dancefloor-Brutalität eines Pete Swanson. tn

Der Bass war schon immer da. "Angefangen hat es 1993 zur Blütezeit des Jungle: Mein Kopf zwischen überdimensionierten Jamo-Speakers. 15 Jahre später fand ich mich dann bei DMZ in Brixton wieder, mit dem Kopf in der Bassbin." Das ist Jack Dunnings Geschichte. Eine Geschichte, die vermutlich so manch ein Brite, der Anfang der 90er alt genug war, um den Anfang des "Hardcore Continuums" (so Simon Reynolds umstrittene These) mit zu erleben, erzählen könnte. Jack Dunnings Geschichte ist dann aber eine doch etwas andere und für uns relevantere. 2008 erscheint sein erster Release als Untold auf Hessle Audio, er gründet das Label Hemlock und Dubstep befindet sich (schon) wieder auf dem absteigenden Ast. "Hardcore Continuum hin oder her, für mich ist diese Energie, die die Anfangstage prägten, der rote Faden, der sich durch die Geschichte zieht. Diese wahnsinnige Kreativität und Innovation. Im Grunde in Form einer Bassline, deep und körperlich, die all die Genres verbindet: Rave, Jungle, Grime, Dubstep." Eigentlich hat sich in 20 Jahren also gar nicht so viel geändert. "Aber ob jemals noch etwas Vergleichbares wie in Croydon, dem Geburtsort des Dubstep entstehen wird, bezweifle ich." Dafür fehle dank Social Media und globaler Subkulturanteilnahme einfach die Ausdauer, so Dunning. Aus den Ausfransungen der Londoner Dubstep-Brutstätten DMZ und FWD entwächst um 2008 allmählich eine neue Generation, die in den folgenden Jahren die UK-Bass-Szene ihr Eigen nennen wird: Peverelist, Pearson Sound, Ben UFO, Joy Orbison, Blawan blablabla. Mittendrin Jack Dunning, der mit Hemlock eines der zentralen Labels betreibt und unter anderem den frühen James Blake an die Noch-Nicht-Massen führt. Während James Blake den Weg ins durchkomprimierte Radio findet, spaziert Dunning weiterhin auf dreckigem Beton-Bass-Boden. Der Vergleich hinkt. Der Bass als fundamentale und weltanschauliche Figur bleibt aber in Untolds Schaffen erste und wichtigste Bezugsquelle. So auch auf "Black Light Spiral", seinem Debüt-Album, das jetzt auf Hemlock erscheint. Auch wenn Debüt absurd klingt, ist es de facto Untolds erster wirklicher Langspieler. Eine ziemliche Kluft macht sich zwischen den ersten Veröffentlichungen, mit beiden Beinen fest im Dubstep, und den doch sehr noisigen Auswüchsen anno 2013 bemerkbar. Die monumentale "Change in Dynamic Environment"-EP von 2012 und die erst kürzlich erschienene Single auf 50Weapons waren konzeptuell als "Übungen über Breakbeats und Jungle" gedacht; "Black Light Spiral" ist hingegen in nur zwei Wochen ausgespuckt worden. Diese Liveness wohnt den acht Tracks inne. Ein urbanes Dokumentieren von Noise, Rohheit, Dreck. Ein Gegenentwurf zu shiny Hochglanzfassaden. Dass Dunning sich im Vorfeld viel mit No Wave und Post Punk beschäftigt hat, kann man erahnen, klanglich sitzt "Black Light Spiral" aber eher zwischen zeitgemäßer Experimentierfreude und einem zukünftigen, wenn nicht utopischen Ideal von Clubmusik. Die Kickdrum verschwindet zunehmend unter einem schwarzgrauen Teermus an Subbässen und zerriebenen Backsteinen. Irgendwo (immer noch) ziemlich britisch. Optimistisch bleibt Dunning aber dennoch: "Ich glaube, dass die Leute zunehmend der Musik wegen in die Clubs gehen, auch wenn das bedeutet, die heilige 4/4 zu opfern. Neulich stand ich mit Russell Haswell im fabric und sah Vatican Shadow dabei zu, wie er minutenlang weißes Rauschen in den Raum warf. Die Leute haben diese Energie gefühlt. Warum also sollte man sechs Stunden den gleichen Track spielen? Bring it on." Hauptsache, der Bass ist da. Untold, Black Light Spiral, erscheint am 24.02. auf Hemlock.

The Smiling Buddahs - The Alps [Base/base1312] Sehr sympathisches Release. Wir sind uns nach wie vor nicht ganz sicher, ob sich hier jemand den Traum einer eigenen Weihnachtsplatte erfüllt hat, bei all dem süßlichen Klingeln und Knuspern, den wehend pathetisch flausigen Flächen und eisigen Gipfeln. Nun gut, da gibt es zwischendurch auch mal einen Technobrecher, aber hey, auch unter der Tanne will man feiern. Sehr poppig zuweilen, verknufft digital und spleenig durch und durch und immer mit dem Blick auf die Weite der ... äh, Alpen. bleed Shifted - Under A Single Banner [Bed Of Nails/NAIL007] Es verwundert nicht besonders, dass Shifted nun nach seinem ersten Album auf Mote-Evolver mit seinem zweiten bei dem von Dominick Fernow kuratierten Label "Bed Of Nails" gelandet ist. Weshalb? Der Klang, welchen Shifted (auf "Under A Single Banner") präsentiert, reiht sich nahtlos in die Grundidee und -stimmung der bisherigen Bed-Of-Nails-Veröffentlichungen von Vatican Shadow, Bronze Age, Christian Cosmos, Violet Poison und Rainforest Spiritual Enslavement ein - im Prinzip kühle Electronica-Musik mit oder ohne industrielle Rhythmen. Das Album "Under A Single Banner" ist dabei zudem Hybrid zweier musikalischer, grundlegender Ausdrucksvarianten seitens Shifted geworden, die sich beim Hören von den vielen seiner Haupt- und Nebenprojekt-Veröffentlichungen abstrahieren lassen - und zwar auf der einen Seite Ambient- bzw. Noise-Varianten sowie auf der Anderen eher zerstörte Technoproduktionen. Das Ergebnis ist ein rau und kühl fließendes, zeitweise noisiges, jedoch sehr strukturiertes Album, welches von der Kernidee bereits auf puristische, karge Grundzüge aufgebaut/reduziert worden sein muss. Stücke wie "Burning Tyres" sind jedoch durch eine hypnotische, tribalartige Rhythmik so sehr mit Spannung aufgeladen, dass sie definitiv auch im Club funktionieren werden - zeitweise melancholisch, zeitweise resigniert, zeitweise aggressiv, kombiniert dieses Album diverse Stimmungen, die in Zusammenwirkung mit den tiefen, bedrohlichen Basstönen Künstler wie Marcel Dettmann oder Sandwell District vollends überzeugen konnten. jonas I Break Horses - Chiaroscuro [Bella Union/BELLACD428 - PIAS/Cooperative] "Winter Beats" war und ist ein traumschwelgerischer Indie-Tanzboden-Hit. Und nun entdeckt das schwedische Duo die spannenden Seiten des Synthie Pop, ein Song wie "You Burn" kreuzt tatsächlich Ultravox der "Vienna"-Phase (1980), ebenso frühe Visage mit einem (weiblichen) Hauch Mazzy Star, This Mortal Coil und, ja, einer Prise Lana Del Rey. Wobei letztere wahrscheinlich von ersteren ihre popularisierte Hauntology hat. Jedenfalls scheint Maria Lindén auf "Chiaroscuro" deutlich weggeschossener, man möchte mir ihr sein. Der produktive Schritt zurück führt nach vorn: I Break Horses koppeln Dream Pop, Synthie, New New Wave und leicht Technoides und zeigen (mal wieder, aber deutlicher als zuvor), dass die Achtziger auch saugeil sein konnten. Mythos von der Trash-Dekade zerstört. Danke, Maria! cj

Run The Jewels - Run The Jewels [Big Dada/Ninja Tune - Rough Trade] Für Run The Jewels hat sich Beat-Produzent El-P (Company Flow, The Weathermen) mit dem Rapper und OutkastKumpel Killer Mike zusammen getan. Bad Boys mit kräftigen Beats aus vermeintlich billigen Drumboxes, Public-Enemy-Störgeräuschen und -Sirenen, cheesy Synthesizersounds und Stadionrock-Gitarrensamples. Kompakt, kraftvoll und gefährlich klingt das. Und ein Weihnachtslied gibt's als Bonus noch obendrauf. Was will man mehr. www.bigdada.com asb Young Fathers - Dead [Big Dada/Ninja tune - Rough Trade] Das Debut des Trios aus Edinburgh erschien vor ein paar Monaten bei Anticon, mit dem zweiten Album sind die Young Fathers nun bei Big Dada gelandet. Musikalisch sind sie passenderweise irgendwo zwischen Why? und Roots Manuva zu verorten. Das ist aber noch nicht alles. Über experimentellem Hip Hop und Rap hinaus arbeiten sie nämlich auch mit tollem mehrstimmigen Soul-Gesang, afrikanischen Beats und manchmal schon fast an Trap-Klangästhetik angelehnten Sounds an ihrer sehr eigenständigen Musik. Das liest sich vielleicht schwer verdaulich, klingt aber trotz abstrakter und ungewöhnlicher Elemente stets eingängig. Spannende Arrangements, schöne Melodien und tolle Gesänge. www.bigdada.com asb Luminance Ratio - Reverie [Bocian Records] Luminance Ratio ist ein frei improvisierendes Quartett aus Italien und dem Umfeld von Airchamber 3. Digitale Klänge mischen sich recht organisch mit Tapes, akustischen und elektrischen Instrumenten, wobei Gitarren, Bass und Perkussion manchmal sogar völlig unakademisch ein wenig an Kraut und Psychedelic gemahnen. Gastmusiker an Saxofon, Bassklarinette und Cello sorgen für eine weitere Ausdehnung des klanglichen Spektrums, und stilistisch bewegt sich die Musik weit schweifend zwischen Improv, Drone und Ambient. Spannend und sehr stimmungsvoll. asb 20.SV - The Great Sonic Wave [Cavity/CD04 - Metamkine] Über einen Zeitraum von fünf Jahren hat 20.SV a.k.a. Osman Arabi im libanesischen Tripoli und El Mina Stahl- und Eisenobjekte zu digitalem Staub und Kiesel zermahlen, zu glitzerndem Sand und fließendem Beton, bis auch der letzte Farbeinschlag Neubauten oder wieder aktuell auch Arovane aus ihnen entwichen ist und nur noch sonnengebleichtes, krisselndes Grau den DoomTopf füllt. Das Ganze auf mittlerer Flamme eine halbe Stunde aufgekocht, bis es in der Küche stürmt: davon könnte im Raster-Noton-Viertel jeder satt werden. Aber dann: Auftritt Gast-Koch Alan Dubin aus New York, eben noch am Herd mit Äänipää (also O'Malley und Vainio), der auf Arabis Höllenbrettchen noch lebendig auf Bissgröße geschnippeltes "Repent!"-Gekrächze erster Güteklasse dazugibt. Die Folge? Man wird davon besoffen und isst so lange weiter, bis man platzt. Raffiniert! Der exzellente Laden, der uns das Meisterstück an den Tisch liefert, hatte übrigens drei Jahre zu und gehört Gert-Jan Prins. Was macht der eigentlich? www.gjp.info multipara Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra - Fuck Off Get Free We Pour Light On Everything [Constellation/CST099 - Cargo] Das Debütalbum "He Has Left Us Alone, But Shafts Of Lights Sometimes Grace The Corner Of Our Rooms…" aus dem Jahr 2000 bleibt für mich eine absolute Inselplatte des totalen Desolatseins. Was der damalige orchestrale Ableger des noch fulminanteren Orchesters Godspeed You! Black Emperor an Melancholie, Verlorensein und Verzweiflung klanglich verwirklichte, war begeisternd. Mittlerweile ist das Kollektiv definitiv rockiger geworden, ab und zu fast einen Schritt zu weit zurück. Intensiv bleiben sie freilich, und wie! Wandel in Besetzung und Namen hin oder her: Treu sind sich Mt. Zion geblieben, stets politisch, da bleibt nicht nur in Montreal und Kanada genug zu monieren. "Fuck off get free" eben. Zwischen all dem Protest finden sich aber auch (beinahe) Schlaflieder wie das stille "Little Ones Run". www.cstrecords.com cj @c - Ab OVO [Crónica/Crónica 085 - A-Musik] Auch ohne die das Unterbewusste nach außen kehrenden eindringlichen Traumbildszenen von "OVO", letztjähriges Werk des Marionettentheaters von Porto, entfaltet die dafür komponierte Musik von @c ein surreales Element, das sich nicht zuletzt auf ihren virtuosen Umgang mit Raumkomposition stützt, und natürlich auf ihr Füllhorn an kleinsten Sounds: Kopfhörermusik. Ganz unklar bleibt lange, was für Quellen die beiden Crónica-Macher diesmal im Rechner verarbeiten und sie in konstant fließender Bewegung durch kühl-industrielle Hallräume vorbeiziehen lassen wie Wetter. Immer spürt man, dass Miguel Carvalhais und Pedro Tudela genau wissen, was sie wollen, dass sie jeden ihrer durchnumerierten Klangkörper beständig formen und ihm so eine ganz besondere Lebendigkeit verleihen. Hier haben sie aus dem

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ALBEN ursprünglichen Soundtrack ihre Stücke Nr. 98 bis 103 abgeleitet (daher der Albumtitel); die 100, das längste Stück hier, feiern sie mit Gästen. Die introvertierten Gitarrenklänge eines Tam, Sara Henriques portugiesische Lautfragmente, recht versteckt Shirley Resendes Akkordeon: ein Ruhepol. Auf 102 darf sich dann ganz langsam eine Pianofigur aus dem Ei pellen, perkussive Klinger treten erst im letzten Stück wirklich hervor. Aber wenn sie überm Brummteppich von 101 ihre mechanischen Pseudo-Guiros auf- und ab-, vor- und zurückschwellen lassen, sind @c in ihrem stärksten, eigensten Element. www.cronicaelectronica.org multipara Ensemble Economique - Light That Comes, Light That Goes [Denovali/DEN187 - Cargo] Verwaschene Synthies, hier und da eine Violine, überall samtweiche Düsterheit - you know the drill. Brian Pyles erste Veröffentlichung für Denovali schmiegt sich perfekt an die Labelästhetik. Atmosphärisch, nachttrunken, ambientig, aber auch ein wenig im Kreis wandernd. Auch auf “Light That Comes, Light That Goes“ ist vieles nicht so gefährlich und mutig wie einem vielleicht suggeriert werden will. Pyle ist dennoch ein stimmiges Album gelungen, das allerdings eher wie ein Klangtagebuch wirkt und wohl keiner außer ihm selbst bis zum Punkt einer großen Wirkung entschlüsseln kann. Ausnahme: der Opener. Die leidende Flüsterstimme mit Italo-Horror-Triangeln im Hintergrund ist unmissverständlich. Fans des Labels sollten zugreifen, alle anderen vorher mal reinhören. www.denovali.com tn Magik Markers - Surrender To The Fantasy [Drag City/DC482 - Rough Trade] Rausgeschossen. Die Magik Markers erinnern einen erfreulicherweise daran, dass die Welt nicht nur aus Alltag besteht. Verhuscht klingt zu niedlich. Deutlich sind sie aber auch nicht. Das (nun wieder) Trio verschwimmt in seinen Sounds schon ganz gehörig, eingerahmt von Distortion und Feedback rutschen die Songs durch den Winter und scheinen doch (siehe das Cover von "Surrender To The Fantasy") auch Farbe, Sommer und Crazyness auszustrahlen. Bei "Mirrorless" sowie vor allem "Acts of Desparation" und "American Sphinx Face" fällt einem plötzlich angenehmst ein, dass Spacemen 3 mal richtig harte Drogen genommen und die Flaming Lips "You're fucked if you do, and you're fucked if you don't" gesungen haben. Schwitz. Homerecording. Ab in die Garage. Lauter drehen. Und sich rausschießen. Gleich nochmal. "Ooo, who, who". Schepper. www.dragcity.com cj David Berezan - Allusions sonores [Empreintes DIGITALes/IMED 13122 - Metamkine] Dass Klänge und unser Umgang mit ihnen sich nicht in einem abstrakten Raum abspielen, sondern immer mit einer Fülle von Funktionen, Zusammenhängen, Bedeutungen aufgeladen sind, zieht sich durch diese Sammlung von fünf jüngeren Stücken des elektroakustischen Komponisten David Berezan. Keine Überraschung, dass sich diese Ausrichtung (im akusmatischen Kontext keine selbstverständliche) etwa darin zeigt, dass gleich zwei davon Aufnahmen aus Bali verarbeiten, dessen gesellschaftlicher Alltag auf ganz besondere Weise musikalisch-rituell durchwirkt ist: Eine Komposition rund um die Klangwelt eines Galungan-Fests wie auch eine Klangdiffusions-Etüde über einen einzelnen Daumenklaviersound. So richtig zum Schillern kommen Assoziationen im letzten Stück, das die zirpenden Töne sogenannter Nachtigallen-Böden – Quasi-Alarmanlagen einiger japanischer Tempel und Paläste – zum Ausgang nimmt. Den Anfang macht ein nicht weniger inspirierendes Stück zu Klang- und Funktionsaspekten um Meeresbojen – Wasserplätschern, elektronische Signale, Positionsbestimmung; und schließlich, als ganz persönlicher Kern: ein Klangfächer der Badlands um Calgary/Alberta, die Heimat von Berezan (der inzwischen akademisch in Manchester verankert ist). Alles klare Ideen, weniger Klangreisen als Einladungen in aufgespannte Räume, deren Geschichten und Situationen auf eigene Faust nachzuspüren. www.empreintesdigitales.com multipara Optimo - Dark Was The Night [Endless Flight/efcd11 - Kompakt] Große Mission: Blind Willie Johnsons Song "Dark Was The Night, Cold Was The Ground“ als Ausgangspunkt einer Mix-CD. Zusammen mit Bach, Beethoven, Gamelan-Musik und indischen Ragas wurde der Song als musikalischer Garant für menschliche Kultur auf Mutter Erde auf goldenes Vinyl gepresst und mit dem Voyager Spaceship 1977 ins All geschossen. Der Blues-Song als Botschaft der menschlichen Einsamkeit, so heißt es. Soweit der mögliche (Pressezettel-)Background. Sonderlich happy geht es auf den 21 Tracks auch tatsächlich nicht her. Eher zeigt sich ein (typisch) britisch-schottischer Gang durch (post)industrielle Brachlandschaften, allerdings nicht im strengen wavigen Sinne. Denn Scheuklappen tragen die beiden Schotten auch dieses Mal nicht: Von Terrence Dixon zu Recondite, Kode9 und Byetone, Florian Hecker und Nurse With Wound zu den Kölner Voigten. Sehr schön wie Konzepte und Ästhetiken ganzer Musikkulturen schlichtweg ignoriert und in teils sehr holpriger, rauer Dichte technisch ruppig zusammengewurstet werden. Dem Gegenstand tun sie dabei aber

keine Gewalt an. Im Gegenteil kommt in dieser fast punkigen Herangehensweise das Dramatisch-Dystopische erst so richtig triefend zur Geltung. Vielleicht müsste man den Empfängern im All nur noch erklären, dass hierzuerde zu solcher Musik auch getanzt wird und dabei sogar wirklich Freude aufkommt. www.mulemusiq.com/ malte

ger denn je. Manchmal vielleicht ein wenig zuviel Hercules & Love Affair im Sound, aber ansonsten überrascht Planningtorock mit Tracks, die trotz all ihres Pathos die Message durch die Ohren in den Kopf und auf die Tanzflächenfüße sendet. Sehr schön, und überrascht immer wieder. Für das streng-sperrige Theoretische gibt es schließlich auch entsprechende Autoren. bth

Pangaea - Fabriclive 73 [Fabric - Rough Trade] Ein darkes Gewusel, das war zu erwarten, aber natürlich auch immer Tracks, die voller deeper Stimmung sind. Egal, ob die Beats flattern oder tief in die Tunneltechnowelten hinabgestiegen wird, es geht immer um die dunkle Peaktime, in der man sich in den blitzend klonkigen Welten mit ganzem Körper verliert. Schnell, dicht gemixt, überleben die einzelnen Tracks hier dennoch, weil sie einfach in sich zu untoolig sind. Definitiv ein böser Mix, der doch irgendwie nicht nur auf Gewalt der Sounds aus ist, sondern immer wieder im Schreddern ein Licht findet. Bonuspunkte für den "Something For Your Mind"-Mix von Speedy J. www.fabriclondon.com bleed

Matt Elliott - Only Myocardial Infarction Can Break Your Heart [Ici D'Ailleurs/IDA092 - Cargo] Irre. Matt Elliott kauerte vor langer Zeit mit Hoodie-Kapuze auf dem Kopf in sich versunken in der Ecke auf dem Boden des Kölner "Gebäude 9" und zelebrierte neben angekränkelt-coolem AntiStartum auch gleich noch den düstersten und intensivsten Breakbeat, den ich damals kannte. Photek war Pop. Third Eye Foundation hieß Elliott und verunsicherte und begeisterte gleichermaßen für eine ganze Reihe von Alben. Als Matt Elliott verwandelte er sich in einen akustischen Liedermacher mit grummelnd-sonorer Stimme, von mir aus ein Crooner und Ex-Tanzboden-Laptop-Typ, der Johnny Cash und auch immer wieder osteuropäische Einflüsse entdeckt hat. Das kann dann schon mal über 8 oder 17 Minuten gehen. Lang, aber nie langweilig. Grummel-schrumm. Und dennoch auf (s)eine Art sehr edel. www.icidailleurs.com cj

Hospitality - Trouble [Fire/53941 - Cargo] Die britischen Primitives, die mal nach The Jesus & Mary Chain den Noise Pop verkündeten, haben neulich ja ein leider schlimm-langweiliges Comeback-Album produziert. Gar nicht nötig, vielleicht besser lassen, denn in diesem Fall gibt es viel spannendere junge Bands. Hospitality koppeln diese Attitüde, ein bisschen Indie und Noise und Beat Pop mit Saint Etienne und aha - sogar einem kleinen weiblichen Crooner-Einschlag à la Cat Power (v.a. die Stimme). Amber Papini, Brian Betancourt und Nathan Michel spielen einen Synthie-geprägten Gitarren-Pop, der durchaus dancige Elemente aufgesogen hat, lassen auch mal Soul und Funk durch die Hinterstube herein. Angenehmes Indie-Einlullen. Schön. www.firerecords.com cj Haf Haf - Notch LP [Gang Of Ducks/GOD004] Gang Of Ducks setzt seine Serie ziemlich außergewöhnlicher Releases hier nahtlos auf einem Album von Haf Haf fort, der, die, das alles zertrümmert, was ihm, ihr unterkommt und dabei doch irgendwie noch eine Illusion von Groove erzeugt. Peitschen, Synths am Rande des Zusammenbruchs, kaputter Rock auf 17 UpM, Kellersound für verwirrte HipHop-Epigonen der verschrobenen Art, Opern der industriellen Verzückung eines Slowmoraves belgischer Ketaminüberdosierten und mehr. Eine Platte, die wie mit einem Bagger produziert klingt, eingerissen, umgecoded und am Ende doch irgendwie mit letzter Kraft wieder auferstanden. Eigenwillig, intensiv, böse, dark und doch voller Spannung. bleed Les Vampyrettes - Les Vampyrettes [Grönland - Cargo] "In den Löchern, auf den Halden lauern seltsame Gestalden! Aus der Säure, aus dem Schrott; aus dem Schleim und aus dem Kot - wo Blastik und Blasma sich verbanden, kriechen sie hervor, die Biomutanten!" Heidewitzka! 1980 tat sich der Ex-Can-Bassist Holger Czukay mit Conny Planck zusammen, jenem Mann, der fast jedes wichtige Krautrockalbum der 70er und frühen 80er produziert hat. Drei verstrahlte Hörstücke, für die jeweils eine Bassfigur, sparsamst effektive Perkussion und geheimnisvolles Blubbern, Klappern und Wabern ausreichen. "Der Irrsinn kriecht von West nach Osten; die Augen fangen an zu rosten..." Doll! asb Lubomyr Melnyk - Windmills [Hinterzimmer Records/HINT19] Der Hochgeschwindigkeits-Pianist und Minimalist Lubomyr Melnyk, Begründer des "Continuous Music"-Konzepts, hat sich für sein jüngstes Opus von einem frühen Disney-Zeichentrickfilm inspirieren lassen. "Windmills" erzählt aus dem Leben einer jahrhundertealten Windmühle, der die Naturgewalten kräftig zusetzen und die sie am Ende dahinraffen. Die mit zwei ausgedehnten Teilen und einem langen "Song" angelegte Komposition hebt langsam an, nimmt Fahrt auf und rattert dann, Melnyks Ansatz gemäß, ununterbrochen voran. Seine rasenden gebrochenen Akkordfiguren, aus denen sich die Melodien herausbilden, erinnern ein bisschen an geloopte Passagen aus Chopin-Etüden, die ständig variiert werden und aus deren Dickicht immer neue Oberton-Konstellationen entstehen. Bei Melnyks Harmoniefolgen ist es manchmal nicht weit zum Kitsch, und im "Song Of Windmill's Ghost " wird der Grat mitunter überschritten. Faszinierend ist jedoch auch in solchen Momenten sein schier unmenschliches Durchhaltevermögen, das einen, wie es sich bei gutem Minimalismus gehört, fast unbemerkt an einen anderen Ort trägt. tcb Planningtorock - All Love´s Legal [Human Level Recordings/HL004] "Fall in love with whoever you want to." Und scheißt auf Gender-Grenzen. Das Ganze auf Albumlänge serviert und mit Titeln wie "Misogyny Drop Dead", "Beyond Binary Binds" oder "Patriarchy Over & Out" garniert, weiß man sofort wo bei Planningtorock, die sich konsequenterweise ihren Passnamen in Jam hat wechseln lassen, die Reise hingeht. Bei der zukünftigen Koalition unter SPD/CDU, Parteien, die nicht gerade für Toleranz stehen, und dem weltweiten Erstarken homophober Tendenzen, die sich in Gesetzen äußern wie in Russland, ist das nöti-

Farhot - Kabul Fire Vol. 1 [Jakarta Records - Groove Attack] Farhot hat sich mit einer Handvoll Beats über die Jahre als Produzent ein ziemlich beeindruckendes Standing über die Grenzen von Hamburg und Deutschland hinaus erarbeitet. Mittlerweile ordern nicht nur Haftbefehl, sondern auch Nneka und Talib Kweli eigenständige Produktionen aus der Hansestadt. Kweli ist neben Ms. Dynamite sowie Kano & Giggs aber der einzige Gast auf "Kabul Fire Vol. 1". Das Gros der Tracks bleiben straighte Instrumentals, deren Dichte und Komplexität wirklich selten in der deutschen Beatlandschaft sind. Arrangements, die man wenn überhaupt erst nach fünf Hördurchgängen so langsam dekodieren kann. Das hier sind keine patternfixierten Leftovers, sondern die komplexe Konstruktion von Frickel-Epen, deren HipHop-Basis aus knallendem Drumprogramming und Hang zu Sample-Spielereien Farhot mit folkloristischen Verweisen auf sein Heimatsland Afghanistan spickt. www.jakarta-records.de jw Tara Jane O'Neil - Where Shine New Lights [Kranky - Cargo] Tara Jane O'Neils neues Album erscheint passenderweise auf Kranky. Ambient, dronig und melancholisch klingt die Musik, schwebend und träumerisch, dabei aber immer klar und frisch. Eine Gitarre, einfachste Perkussion und (mehrstimmiger) Gesang. Ein weiter Weg von ihrer Mittneunziger Art-Punk-Combo Rodan bis hier her. Mal taucht ein wenig Country auf, mal erinnert der Rhythmus an Musik von nordamerikanischen Ureinwohnern. "Where Shine New Lights" wirkt insgesamt irgendwie zufrieden, aber mitnichten satt; die Musik klingt vielmehr sehr geerdet, repetitiv, rituell und hypnotisierend. www.kranky.net asb Felix Kubin mit Mitch & Mitch - Bakterien & Batterien [Lado ABC/Gagarin Records/LadoA/12/GR2030] Der relative Einzelgänger und einstige Elektronik-Purist Felix Kubin hat sich mit "Bakterien & Batterien" der bisher wohl größten Veränderung seiner Musikerlaufbahn gestellt. Mitch & Mitch ist nämlich eine neunköpfige Bigband aus Warschau, und obwohl die Kombination von eigenbrötlerischer Elektronik und kollektiver Akustik erst einmal für Vorab-Stirnrunzeln sorgen könnte, darf beim Ergebnis Entwarnung gegeben werden: Kubins Synthesizer verstehen sich ganz prächtig mit den Bläsern, dem Xylofon und den übrigen Instrumenten, die bei dieser Begegnung aufgeboten werden. Für die Kubinsche Komik und den polnischen Humor gilt dasselbe. Man nehme nur den WeltraumkrimiSoundtrack "Creeper": Wer dabei nicht ins Grinsen kommt, sollte wohl doch besser etwas anderes hören. Das wäre dann allerdings schade, denn die Platte hat durchaus noch einige weitere Höhepunkte zu bieten. Mit den allerbesten Empfehlungen. www.ladoabc.com tcb Strand - Bankstaz Paradize [Lovemonk/LMNKV99 - Groove Attack] Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich ein Spanier, den es nach Brüssel verschlagen hat. Nach Veröffentlichungen auf City Centre Offices und Project Mooncircle ist er nun mit einer Single bei Lovemonk aus Madrid am Start. Durch die Zusammenarbeit mit einer Bläsersektion, Analogsynthies und digital generierten Gitarren ist er auf diesem Label, das sich dem Eklektizismus verschrieben hat, glänzend vertreten. Das Beatgerüst ist erwartbar progressiv, durch die analogen Instrumente kommt aber immer etwas Harmonie ins Spiel und man fühlt sich an Tage erinnert, als der Hiphop noch gerne experimentierte. Da wundert es auch nicht, dass der Spanier schon von Hudson Mohawke durch den Wolf gedreht wurde. Der Remix hier ist nun aber von Om Unit, der meines Wissens aber schon bessere Arbeiten hinter sich hat. www.lovemonk.net tobi

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ILLUM SPHERE BLOCKADE UND WAHNSINN T Wenzel Burmeier

ALBEN V.A. - Sopa de Tartaruga (Beats & Raps inspired by The Ruffcats) [Melting Pot Music/MPM 176 - Groove Attack] Einige Jungs aus dem Melting-Pot-Umfeld haben sich von den Ruffcats, genau, das ist die Backing Band von Flo Mega, zu eigenen Tracks inspirieren lassen. Das Ganze nennt sich dann "Sopa de Tartaruga", beteiligt sind u.a. Retrogott & Hulk & Hodn, Adlib und der mir noch nicht bekannte Figub Brazlevic mit einer schönen Instrumentalnummer, die echte Oldschool- Qualitäten beweist. Eine schöne Idee, mit nur acht Tracks fälllt diese Zusammenstellung dann jedoch etwas kurz aus. Da hätten sich vielleicht noch ein paar mehr Produzenten finden können, oder? Keine Ausfälle finden sich darunter, ist also eine Empfehlung wert. tobi Trophies - You Wait To Publish [Monotype Records/mono068 - A-Musik] Die sich in einen hellwachen Deliriumstrudel fiebernden SprechtextBausteine Alessandro Bosettis, die metropolitanes Leben und Kunstdiskurs-Smalltalk in Unsinnsdichtung hinüberklappen lassen, hätten an sich schon Biss genug. Ein richtiges Pfund werden sie im Bandformat von Trophies, wo Kenta Nagai Bosettis Phrasierung auf der bundlosen E-Gitarre spiegelt wie ein flackernder Schatten, während Alleskönner Tony Buck am Schlagzeug Feuer unterm Arsch macht (wann bitte haben 5/4 je so gerockt wie im zweiten Stück?). Bosetti schmeckt mit Keyboardloops und elektronischer Textur ab, da und dort komplettieren Hilary Jeffreys Posaune oder Els Vandeweyers Vibraphon, und alle sechs Stücke lassen den kontrollierten Wahnsinn früher Talking Heads wiederaufleben, überhaupt ein nervös gezacktes New York der frühen Achtziger, in dem Avant-Jazz, Funk, Pop, Weltmusik wie in einem Reaktor kollidierten: Auf Celluloid hätte man das kathartische quasi-Berliner Projekt mit Kusshand genommen. Ein Volltreffer für Monotype. multipara

Ryan Hunns musikalische Sozialisation beginnt bei Vox Pop, einem Second-Hand-Plattenladen im nördlichen Zentrum Manchesters. "Ich habe während des Studiums dort gearbeitet. Der Laden bestand aus drei Typen in den Vierzigern, einem 30-Jährigen und mir; gerade mal 20 Jahre alt, umgeben von einem Haufen alter Platten. Diese Menge an Musik war schon absurd. Zuhause gab es halt Fleetwood Mac, Hendrix oder die Beatles und plötzlich hörst du von Soul über Disco, Jazz und Dub bis hin zu Psych- und Krautrock so ziemlich alles. Das war wohl die beste musikalische Schule, in die ich gehen konnte." Mit hohem Respekt erzählt Ryan von den Lektionen im Cratediggen denen seine eklektischen Selections geschuldet sind. Anfangs noch unter eigenem Namen, später dann als Illum Sphere spielt Hunn DJ-Sets, in denen sich Jazz und Techno bei 130 BPM liebevoll das Ja-Wort geben. Als Spielplatz für ihre illustren Sets starten Ryan und sein Kollege Jonny Dubs vor fünf Jahren "Hoya:Hoya": Veranstaltungen mit 300 Gästen und unangekündigten Surprise-Sets von Größen wie Flying Lotus, Actress, Kode9 und Four Tet. In den letzten vier Jahren fasst Ryan seine Sozialisation schließlich auch in eine eigene Ästhetik und veröffentlicht als Illum Sphere eine Reihe an EPs auf Fat Beats, Martyns 3024, Pinchs Tectonic und der Hype-Maschine Young Turks. Releases, die sich spielend zwischen Sci-Fi-HipHop-Beats à la Brainfeeder, Geister-Garage von Burial und dem Unterwasser-Techno von Drexciya bewegen – aus Mangel an Zuschreibung oft in einem UKBass-Kontinuum verortet. "Ich verarbeite Einflüsse stets in meinem eigenen Sound, anstatt reine HipHop- oder House-Track zu produzieren", sagt der Brite und fügt respektvoll hinzu: "Was nicht heißen soll, dass ich straighte Sachen nicht gut heißen würde. Ganz im Gegenteil, ich verehre viele Musiker, die es geschafft haben, eine bestimmte Disziplin zu meistern." Voller Achtung spricht Hunn aber nicht nur über Ikonen und Mitstreiter, auch dem eigenen Werk scheint er mit größtem Respekt zu entgegnen: "Ich habe ewig an der Produktion gesessen. Es gab in den letzten Jahren schon ein paar Entwürfe, die ich allerdings immer wieder verworfen habe. Es gab auch totale Blockaden, dieses Album hat mich zum Teil echt wahnsinnig gemacht", sagt Ryan geradezu demütig. Zögernd sucht er nach einer Rechtfertigung, hält einen Moment inne und erklärt schließlich, dass er eben ein richtiges Album machen wollte und nicht bloß keine starke Single mit Anhängseln: "Es ging mir um das Projekt als Ganzes. Stücke haben Intros und Outros, die Tracks gehen eben genau in ihrer Anordnung auf." Ich erzähle ihm, dass ich das Ergebnis sehr stimmig finde. Dass es zwar in der Tat keinen Hit im klassischen Sinne gäbe, dass die Platte als Ganzes, mit ihren kleinen Melodien und E-Pianos, aber einen ganz eigenen Homemade-Pop-Sound habe. Außerdem offenbart sich da bereits im cineastischen Opener "Liquesce" ein sonderbar fluides Moment, dass die kommenden 45 Minuten ganz eigentümlich an einem vorbeifliegen lässt. Sichtlich erfreut löst sich das Schwerfällige in Ryans Worten und als ich schließlich noch nach seiner neuen Heimat Ninja Tune frage, erzählt er voller Elan vom kleinen Siegeszug des Majors unter den Indies: "Es fühlt sich wirklich gut an, gerade jetzt Teil des Labels zu werden, wo das Ganze in eine neue Richtung geht. Da gibt es Ähnlichkeiten zu Warp vor ein paar Jahren, als Leute wie Hudson Mohawke, Rustie, Oneohtrix Point Never und natürlich auch Flying Lotus gesignt wurden; mal abgesehen von Mark Pritchard, der nun zurück ist. Es scheint mir wirklich so, als wenn diese zwei großen UK-Independents nun nach über 20 Jahren wieder richtig an den Start gehen." Wenn da mal nicht zwei Generationen an Geistern am Werk sind. Illum Sphere, Ghosts Of Then And Now, erscheint am 10.02. auf Ninja Tune.

6th Borough Project - Borough 2 Borough [Delusions Of Grandeur/DOGLP03] Kann das Album halten, was man von 6th Borough erwartet? Ja. Durch und durch. Extrem lockere Grooves, perfekt inszenierter Soul, die ein oder andere Downtempo-Nuance für die Nacht nach den Nächten, klar, aber wirklich gut wird es immer erst im Detail. Denn der Soul als Referenz mag noch so typisch sein, die Verwandlung ist es nicht. Der Swing ist manchmal so gebrochen und unerwartet, dann wieder so voller 70er-Jahre-Euphorie, immer mit genau dem Hauch Disco, der noch nicht zu viel ist. 6th Borough Project behandelt seine Referenzen mit einem Bausch aus Watte, umgarnt sie, will sie in aller Zartheit in ihre Beats integrieren, aber doch das Geheimnis dahinter entdecken. Und was sie wollen schaffen sie auch mit Links. Downtempo-Disco am Ende. Nicht wenn es nach 6th Borough Project geht und der Sound Disco sowieso nur noch am Rande braucht. Das gelingt und fällt nie ins Formelhafte. bleed Illum Sphere - Ghosts Of Then And Now [Ninja Tune - Rough Trade] Nun, was soll über das Debüt-Album von Illum Sphere geschrieben werden? Lobende, begeisterte und begeisternde Worte, einiges, so sollte und könnte man annehmen. Eine Möglichkeit wäre, jede Menge Schlagworte aneinanderzureihen: Electronica, LA-Beatszene, Jazz, Sci-Fi, Sun Ra, Four Tet, Lone ... Das würde aber dem eigentlich Erklungenen nicht wirklich Rechnung tragen. Vielleicht geht es aber gar nicht anders als über ein wild-flüchtiges Assoziieren, schließlich begegnet einem ein durch und durch verwaschener, durchgespülter Stream an Anknüpfungspunkten, Musiken, Ideen, Fetzen von Samples und FieldRecordings und vor allem viel Knistern. Die unzähligen Anknüpfungspunkte bieten aber weniger eine konkrete Angriffsfläche, sondern huschen vielmehr an der Wahrnehmung vorbei, entziehen sich und lassen einen nach 13 Tracks noch immer vage und unwissend zurück. Computerspielmusik: Aus allen Ecken purzeln die Klänge, die kleinen und großen Pulse und Beats auf einen zu. Game Over. Neustart. Ein ständiges Morphen und Wandeln zwischen Orten und Geschehnissen. Das Vorbeirauschen fiktiver Game-Welten. Nächstes Level. Am Ende bleibt vieles oft nur Möglichkeit, eine Abzweigung im Gameplay. Ob das nun das gerade Spannende und Zeitgeistige, weil das Album als offener Prozess, als Kinderspielplatz gedacht wird, oder aber Manko ist, weiß der Schreiber auch noch nicht genau. Viele Fragezeichen, also nochmal von vorne. Vor allem, weil der Anfang so bezaubernd ist. malte Bear//Face - Remixes [Not On Label] Bear//Face war einer von den Strategen, die die neue Langsamkeit aus dem House von vor ein paar Jahren in 2013 mir nichts dir nichts auf das Laptopproduzentenprozedere übertragen hat. Und weil das Klicken durch die Cloud auf Dauer unübersichtlich wird, gibt’s zum Jahresende noch schnell eine Compilation der besten Bear//FaceRemixe. Das Cover, in dunkles Lila gefärbt, ist natürlich eine klare Referenz an den superslowen Houston-Sound. Folglich screwed und chopped sich Bear//Face durch R’n’B-Retorten und 2k13-Hypes, was das Zeug hält und liefert slowe Soundsauce, die das jeweilige Original wie Treibsand herunterzieht. A$AP Rockys Nostalgia-Flow wird hier genau so abgebremst wie Lauryn Hill oder Ginuwine, James Blake und Justin Timberlake. Wie das bei den ganzen sprunghaften Jungspunden so ist, hat auch Bear//Face es nicht so mit dem vernünftigen Mastern. Hier wird direkt vom Laptop in die Wolke exportiert, was zur Folge hat, dass nicht alles quantisiert und crispy klingt. Aber wer es low, slow und sloppy mag, ist hier genau richtig. jw

Jar Moff - Financial Glam [PAN/PAN 49 - Boomkat] Wo Hip-Hop und Klangkunst sich treffen. Klingt etwas sehr abgedroschen und populistisch, aber so könnte man in etwa Jar Moffs Collagen benennen. HipHop aber nur noch in abstrakt-theoretischer Denke, denn der Grieche, der vor circa einem Jahr auf PAN sein erstes Album veröffentlichte, schnipselt und schneidet, klebt und bastelt seine Musik: Dekontextualisierung, Rekontextualisierung. Soundtechnisch ist das aber näher am Free Jazz und kruder Elektroakustik als an streetaffiner Groovigkeit. Hier geht es um Zerstörung, Aneignung, Umdeutung und Wiederaufbau. Erstaunlich sind vor allem die dynamischen Entwicklungen der beiden 20-minütigen Stücke: überstrapaziertes Schichten bis zur beinahen Unkenntlichkeit, dann aber auch Momente der Konzentration und Stille. PAN verabschiedet sich mit einem brachialen Finale aus einem erfolgreichen Jahr. www.pan-act.com malte Heatsick - Re-Engeneering [PAN - Boomkat] Der Eröffungstrack von Steven Warwicks neuem Album geht recht funky und straight nach vorn, eine Frauenstimme sinniert über das moderne Leben. Danach geht es instrumental und minimalistisch housig weiter, repetitiv und groovend. Im weiteren Verlauf missglückt der Versuch, die Musik mit eher hölzernem männlichen Gesang und uninspiriert klingenden Blasinstrumenten aufzupeppen. Die restlichen Tracks bewegen sich dann auf dem schmalen Grad zwischen spannender abgespeckter und knapp gehaltener Tanzmusik und eher unaufregender musikalischer Skizzensammlung. www.pan-act.com asb NHK'Koyxen - Dance Classics Vol. III [PAN/PAN 42 - Boomkat] Der Japaner Kouhei Matsunaga mit dem dritten Entwurf der DanceClassics-Serie auf PAN. Dance Classics ist als ironisches Statement aber leider etwas sehr offensichtlich. Klassisch ist der Zugang höchstens, weil immer wieder Anlehnungen an AFX auftauchen. Ansonsten zeigt sich wie auch schon bei den zwei anderen Compilations ein frickeliges, nervöses Spiel aus Techno-Dekonstruktion. Im Grunde sind die 8 Tracks aber reine funktionelle Tools, nur dass sie wohl als solche weniger ihre Funktion finden werden. Irgendwie komme ich nicht drumherum, mir einen zappelig-verkopften Menschen in Osaka vor einem verstrahlend-leuchtenden Screen vorzustellen, der wie wahnwitzig Spuren schiebt und Sounds schneidet und zwischendurch immer wieder zu den gerade gebastelten Beats zuckt. Das "Organische" der Schmetterlinge auf dem wie immer schönen Cover mag auf dieses Bild aber so gar nicht drauf passen. www.pan-act.com malte Bohren & Der Club Of Gore - Piano Nights [PIAS/PIASCD4804 - Rough Trade] "Verloren (alles)". Schluck. Diese Mülheimer Herren haben schon Leben gerettet. Auf ihre Art. So oder so. Wer ihr epochales Album "Sunset Mission" noch nicht kennt, sollte zwangsverpflichtet werden, auf freiwilliger Basis, versteht sich. "Piano Nights" klingt so geschmeidig stoisch wie alle anderen Alben und EPs, seit die Ruhrpottler im Anzug dem ganz harten Zeug den Rücken gekehrt haben. Ich habe neulich das Comeback von Richard Clayderman miterleben müssen. Ich hätte ihm Bohren und ihren Fender Rhodes zur Seite gewünscht: Mit Dunkelheit, ganz viel Trockeneis, Langsamkeit und diesen unglaublichen Ansagen bei Live-Konzerten: Wie ihr Stadt-Kompagnon Helge Schneider auf Codeine oder Opium. Bohren & Der Club of Gore bleiben eine geisterhafte Erscheinung mit düsterstem slowest Jazz(core). Im Hals steckenbleibendes Lachen, tief aus uralten Kehlen, inbegriffen. Nix Hui Buh, diese Mülheimer Wolke hier nebelt dich vollkommen ein. "Komm zurück zu mir". Puh. www.piasrecordings.com cj Ital Tek - Control [Planet Mu Records] Schon mit "Nebula Dance" rückte Alan Myson ab von früheren komplexen dunklen Dubstep-Kompositionen. "Control" zeigt ihn eine Ecke besser gelaunt und footwork-beeinflusst entschlackt. Die Musik klingt immer noch hymnisch und weit, ist aber straighter, klarer und dabei entspannter geworden. Und fluffiger. asb Bintus - Live* & Locked [Power Vacuum] Milo Smee, Chef des jungen Power-Vacuum-Labels und unter dem Pseudonym Bintus bisher für zwei hauseigene Singles verantwortlich, macht es einem mit seinem ersten full-length nicht leicht. Sieben fiebrige Acid-Techno-Fantasien mit entschiedenem Blick auf den DistortionRegler, die alle in einem locked groove enden. Mutierte 808s, Basslines, die den leuchtgelben Smiley zu einer bösen Fratze werden lassen, dann Stasis – bis man die Nadel zum nächsten Track bewegt. "Live* & Locked" lebt von seiner Böswilligkeit, die nie zur puren Attitüde wird. Die analoge Hardware harmoniert in Bintus' Paralleluniversum perfekt mit dem PC, der Klang der Platte bleibt vital und doch staubtrocken. Ein wunderschöner Acid-Alptraum mit Blick nach vorne. tn

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ALBEN Jojo Hiroshige/Paal Nilssen Love/Pika/Lasse Marhaug - Osaka Fortune [Premier Sang/PS007] Norwegen gegen Schweden im Noise-Deathmatch. Jojo Hiroshige (von den Japanoise-Urviechern Hijokaidan) und Pika, Drummerin aus dem Acid-Mothers-Temple-Umfeld, haben sich mit den beiden Norwegern Paal Nilssen-Love (ebenso an der Schießbude) und Lasse Marhaug im titelgebenden Osaka getroffen und miteinander, gegeneinander, füreinander gespielt. Hier wird mit einem full on-approach Exzentrikern aus dem Free Improv-Lehrbuch wie Borbetomagus gehuldigt, ohne je zum bloßen, theoretischen Abklatsch zu werden – sei es nur Pikas Stimme, die hier und da aus dem Dickicht dringt, oder Marhaugs ultradreckige wall of sound, die wie eine statische Konvulsion über den anderen Musikern schwebt. Coltranes “Interstellar Space“ auf Meth statt Acid. tn Rain Dog - Two Words [Project Mooncircle/PMC125 - HHV] Eigentlich kann man es ja schon gar nicht mehr hören. Zu gleich und austauschbar klingt jene Musik, die aus den ganzen Schlafzimmern das Internet flutet: In Sachen Takt, scheint sich herumgesprochen zu haben, macht sich ein Grenzgang zwischen Garage und Rap wohl ganz gut, die Chords können gerne bei gefühlsduseligen R’n’B-Slowjams abgeguckt sein und die Vocals dürfen eigentlich überall herkommen. Diesem Geheimrezept einer ganzen Generation folgt auch Rain Dog auf seinem Debüt "Two Words". Samuel Evans cuttet Gesangsspuren von Tom Waits, Joni Mitchel, Ella Fitzgerald und dem Portico Quartet und legt das Ganze auf schwere, endlose Melancholie. Garniert mit Samples aus Filmen und Serien, entsteht so eine wirklich schöne Moodmusik, die aber keine Offenbarung, sondern mehr ein solides Album aus einem weiteren Schlafzimmer ist. Nett. www.projectmooncircle.com jw Radial - Crux [Radial Records/RDL001] Sehr swingend und locker in den Beats, dann wieder massiv und mit einer dunklen Technogewalt, fast altmodisch in dem Beharren auf diese eine Sequenz, plötzlich voller weicher Töne und mit einer so sanften Geste, dass man den Boden unter den Füßen verschwimmen sieht, oder mit abstrakten Breaks, die fast nach HipHop klingen und eine Begleitung aus den besten Zeiten von Electronica bekommen. Wir sind uns nicht ganz sicher, was wir aus diesem Album machen sollen. Gerade die melodischeren Phasen sind grandios, die härteren manchmal etwas schroff, und erst gegen Ende finden beide perfekt zusammen. Vielleicht will es einen inneren Kampf darstellen, der sich am Ende erst löst? Wir müssen jetzt noch mal von vorne unter diesem Aspekt alles neu hören. bleed The Necks - Open [ReR Megacorp/ReRNECKS11] Mit "Open" kehren The Necks wieder zu ihrer bewährten Ein-Stückdas-sich-über-eine-Stunde-kontinuierlichweiterentwickelt-Form zurück. Programmatisch schon der Titel, dem Schlagzeuger Tony Buck, Pianist Chris Abrahams und Bassist Lloyd Swanton im Verlauf der 68 Minuten ihrer Improvisation mehr als gerecht werden. Angefangen mit den MonochordTönen Tony Bucks über die nach dem ersten Drittel einsetzenden Orgelakkorde bis hin zu den später hineingestreuten Gitarrenklängen, geht dieses Album durch die unterschiedlichsten Stadien hindurch. Im Vergleich zu früheren Beiträgen mag das Ergebnis diesmal weniger rigoros ausgefallen sein, doch The Necks wären nicht The Necks, wenn sie auch mit einer so bunten Palette an Einfällen nicht umzugehen wüssten. Eine Art Synthese ihrer Ästhetik. tcb Mogwai Rave Tapes [Rock Action/rockact80cd - Rough Trade] Diese Schotten waren zusammen mit Arab Strap vor 15 Jahren so ziemlich der sympathischste dunkle Weg zur Selbstreinigung auf der einen und zur Flucht aus ausgetretenen Alternative Rock- und Trainspotting-Pfaden auf der anderen Seite. Deswegen wurde zumindest für Mogwai auch der Begriff Postrock mit geschaffen. Wo Tortoise oder UI eher jazzig-elektronisch wurden, waren Mogwai immer die brachiale und langsame Seite des Rocks nach dem Rock. Beeindruckend, majestätisch, mit den weicheren und hoffnungsvolleren Sigur Ròs zusammen die wohl erhabenste Resignation seit langem. Zwischendurch haben die Glasgower ein eigenes Label gegründet, viel getourt, Soundtracks geschrieben und sogar angefangen zu singen. Die "Rave Tapes” knüpfen nun an dem ebenso tollen Vorgänger "Hardcore Will Never Die But You Will“ aus 2012 an: Elegische, für Mogwai fast ruhige Klänge. Große Gelassenheit wie auf dem erstem Song "Heard About You Last Night“ strahlt Souveränität aus. Aber bitte nicht falsch verstehen, Mogwai sind weder selbstzufrieden noch heiter geworden. Nein, diese Band bleibt wunderbar in Moll und postkrautig. Köpfe erhaben senken und sich dann fallen lassen, das geht auch noch knapp eineinhalb Dekaden nach "Come On Die Young“. Sehr tief. Sehr mitreißend. www.rock-action.co.uk cj

Simon James Phillips - Chair [Room40/RM458 - A-Musik] Wenn man Simon James Phillips' "Chair" mit dem großartigen, leider bisher einzigen Pedal-Album vergleicht, das Phillips gemeinsam mit seinem Pianistenkollegen Chris Abrahams aufgenommen hat, bekommt man einen guten Eindruck davon, wie groß sein Anteil an der Musik von Pedal gewesen sein muss. Die dichten Akkord-Cluster, die er etwa im ausladenden ersten Stück "Set Ikon Set Remit" aufeinander türmt, klingen wie eine Fortsetzung von Pedal im Alleingang. Philips geht es bei dem Klang seines Instruments immer auch um die Resonanzen, also das, was der Raum von den gespielten Tönen zurückwirft, und so ist es nur konsequent, dass er "Chair" in der unter Pianisten sehr beliebten Berliner Grunewaldkirche aufgenommen hat. In einigen Stücken spürt er isolierten Tonkombinationen nach, ähnlich wie in den Klavierkompositionen Morton Feldmans, wobei auch hier der Raum ganz bewusst als Instrument mitgenutzt wird. Wunderbar. www.room40.org tcb Francis Harris - Minutes Of Sleep [Scissor & Thread] Schwellende Sphären, wabernde Synthesizer und lieblich schallende Vocals. Mal eine Trompete, mal ein Piano, mal ein Cello, die im Vordergrund dezente Akkorde spielen und sich dem rauschenden Bach an verborgenen Pads und Einflüssen verschiedener Musikgenres wie Blues oder Jazz anschmiegen. Störgeräusche, die mal kurz, mal lang einen Sog an mystischer Stimmung erzeugen. Ein wohl gewählter Albumtitel, der sich als roter Faden durch das Album zieht, jedoch durch die Abwechslung von Instrumenten und Beats im Laufe des Albums immer interessanter wird. "Minutes Of Sleep" ist voll von Mood-Miniaturen wie "Blues News", das durch seine träumerischen Vocals in die Tiefen der Meditation abtaucht bis hin zu "New Rain", das durch strukturiert-stetige Beats mit gedämpfter Percussion glänzt. rh Bus - Eagles [Shitkatapult/strike 146 - Alive] Es ist quasi 2014. Hier erklingen die späten Neunziger. Berlin. Dunkle Nacht. Dub. Klar, der Betke. Das WMF. Die Bunz. Und über, unter, neben und in allem: Basic Channel. Bus aka Tom Thiel und Daniel Meteo hat da ja auch seine Vergangenheiten. Wichtiger, das sind die Ursprünge, doch Sound und auch Visuals (Cover) sind im Hier und Jetzt. Man hört die Herkunft, und doch ist das mehr als eine zweite Chance für Zuspätgekommene oder ein nostalgischer Aufguss für Gestrige im PopSinne. Nein, das alte Zeug wieder rauskramen, die phantastischen, lebensrettenden Alben von Pole oder Rhythm & Sound und mischen mit Bus, von mir aus auch deren alte Sachen. "Eagles" knallt schleichend, das muss laut sein, nix kleine Geräte, schlechte Boxen oder im Vorübergehen: Konzentrierter Bass, klare Aufforderung, diese Tracks wollen niemals nebenbei konsumiert werden, die wollen ins Hirn und in den Arsch treten und bewegen. So ist das. Wahnsinn. www.shitkatapult.com cj Neneh Cherry - Blank Project [Smalltown Supersound - WAS] Ein wenig absurd war das schon: Da gab es 2012 doch tatsächlich ein Video zu einem Remix einer Cover-Version eines alten Songs aus dem Jahr 1980. Schon klar, anything goes. Wäre der Remix nicht von Four Tet und Suicides "Dream Baby Dream" nicht von der Schwedin Neneh Cherry interpretiert gewesen, wäre das Stück wohl in den Weiten des Webs versunken. Doch es zeigte, Kieran Hebden hat Gefallen an der Stimme von Cherry gefunden, einen zweiten Remix später sitzt er in seinem Studio, um "Blank Project" zu produzieren. Fokus-Änderung: Die LP ist nämlich das erste Soloalbum seit 16 Jahren dieser in einem hoch kultivierten Umfeld aufgewachsenen Rapperin, Texterin und Poetin. In lediglich fünf Tagen mit dem Londoner Duo RocketNumberNine aufgenommen, sind die zehn Songs unglaublich direkt mit ihren minimalistischen Zutaten. Den Jam-Charakter hat Hebden nicht nur nicht geglättet, sondern domestiziert. Ein paar Drum-Rhythmen, pointierte Synthies und immer wieder diese Stimme von Cherry. Das großartige "Across The Water" beherbergt diese Vielfalt: Ob Spoken Word, Kreischen, Rock-Göre oder Soul-Wärme – die Tochter des JazzMusikers Don Cherry ist sowohl im Bereich der reduzierten Electronica als auch im Grunge-infizierten Rock-Metier ein Brett. Dank ihres Umgangs mit der Abhängigkeit in und nach Liebesbeziehungen, der Sucht nach Verletzung und Heilung, der menschlichen Imperfektion und all den gräulichen Schattierungen unseres Seins, darf "Blank Project" als modernes Quasi-Manifest der Beatnik-Generation betrachtet werden. Oder aber als beeindruckend vielseitiges und erstes LP-Highlight 2014. Your choice! www.smalltownsupersound.com Weiß Thug Entrancer - Death After Life [Software Recordings] Der Musik von Thug Entracer ist mit Worten gar nicht so einfach beizukommen, schon gar nicht mit Schlagworten. Man kann es ja trotzdem mal versuchen: Juke, Footwork, House, Electronica, Minimal, Acid – das könnten so begriffliche Landmarken sein, die man in den musikalischen Landschaften von Ryan McRyhew errichten könnte, nur müsste man vor jeden von ihnen eine Kette aus Präpositionen wie Post-, oder Quasi- knüpfen. "Death After Life", das aus acht einfach durchnummerierten Tracks besteht, wirkt gewissermaßen unfertig (was wohl mit dem sehr schmalen Equipment zu tun hat, das hier benutzt wurde), zugleich ist es ungemein kleinteilig und "ausproduziert". Die Tracks sind zu tanzbar und schlicht auch zu cool, als dass man sie als Klangstudien bezeichnen könnte. Gleichzeitig ist da eine zurückhaltende, bisweilen klinische Produktion, die spürbar macht, dass der Mann aus Chicago nicht einfach Tanzmusik machen will, sondern offensichtlich Gefallen daran findet, diese gleich noch unters Mikroskop zu legen. Würden DJ Rashad und Pole kollabieren, klängen sie vielleicht wie

Thug Entracer. Würde RP Boo eine Platte für Raster-Noton machen, klänge die vielleicht wie Thug Entracer. Mit anderen Worten: Nichts klingt wie Thug Entracer, und das ist doch eine tolle Nachricht. blumberg R. Kelly - Black Panties [Sony - Sony] R. Kelly, Großmeister des subtilen Sex-Songwritings, ist zurück! Über die Musik müssen wir gar nicht weiter reden: kein mühsam zurechtkonstruierter MotownSoul, sondern eine Rückbesinnung auf den käsigen Contemporary-R’n’B der Neunziger. Auf "Black Panties", der Name deutet es natürlich schon an, dreht sich eigentlich alles wie schon immer um Sex. Kelly als Krümelmonster an der Keksdose, Kelly als Exhibitionist auf dem Balkon, Kelly als Grimassenschneider vor dem Schlafzimmerspiegel, Kelly als Trainer beim Sex-Workout, Kelly auf Knien, während er einer Vagina den Antrag zur Vermählung macht. Das darf und kann nur R. Kelly. Totaler Quatsch. Aber: lustiger Quatsch. jw Steve Moore - Pangaea Ultima [Spectrum Spools/SP032 - Anost] Die Musik des Zombi-Keyboarders wird hier zum Ereignis durch eine besondere Qualität, die auch im Popformat seiner jüngsten Kollaboration auf Planet Mu mit Daniel O'Sullivan als "Miracle" durchscheint, solo aber erst wirklich zur Geltung kommt: ein verführerisches Understatement, das Treffsicherheit im Ausdruck über clevere Einfälle oder psychedelischen Glitzer stellt. Sein sparsam instrumentierter klassischer Synth-Sound aus Arpeggien, feinen rhythmischen Verschiebungen und glimmenden Bögen transformiert nämlich in der Tat die geologischen Referenzen in Album- und Tracktiteln, überhaupt den "kosmischen" Traditionszusammenhang seines Klangvokabulars in die virtuelle Leere illusionärer Minimal-Landschaften, die angedeutet aus sich perspektivisch verschiebenden Vektoren über einen Computerbildschirm gleiten, als Kulissen für nichts als ihre eigene Machbarkeit, Entwurf der Ödnis einer konstruierten Zukunftswelt. Eine Art unterkühlte Vaporwave der frühen Achtziger, als elektronische Sounds noch aus Prinzip für kalt genommen wurden, weil als Ersatz. Steve Moore hat keine Angst vor Langeweile: Durch den Flirt mit ihr wird seine Musik unheimlich, spitzt man die Ohren in ihr subjektloses Dunkel. Sehr gut, und der Neuschlafstadt-Tiefgaragen-Lounge von "Logotone" nebenbei ein prima Einstieg für Liebhaber alter Source-Platten. www.spectrumspools.com multipara Max Eilbacher - Red Anxiety Tracers [Spectrum Spools/SP031 - Anost] Max Eilbacher, der im vergangenen Jahr unter anderem auf dem Matmos-Album "The Marriage Of True Minds" zu hören war, hat mit "Red Anxiety Tracers" seine Debüt-LP vorgelegt. Der Musiker aus Baltimore hat die beiden Seiten dieser Platte zu zwei durchgehenden "Suiten" gemixt, in der die Übergänge von einem Stück zum nächsten kaum zu erkennen sind, so konstant ist der Fluss der Klänge, in dem Element um Element hinzugefügt, aufeinandergelegt und wieder weggenommen wird. Mit ruhigem Ambient hat das alles jedoch nur wenig zu tun. Eilbachers Mischung aus Störfrequenzen, modular erzeugten Tönen und Musique-Concrète-Anleihen lässt mehr an eine Zugfahrt durch sehr abwechslungsreiche Landschaften denken, als an losgelöstes Schweben im Irgendwo. Besonders schön ist, wie Eilbacher dabei durchgehend die Balance zwischen konkret und diffus zu halten versteht. tcb Family Fodder - Monkey Banana Kitchen [Staubgold/Staubgold 130 - Indigo] Die Neuausgabe des 1979er Debutalbums von Family Fodder (mit zwei Singles und einer EP als Zugabe) führt einmal mehr vor, was für eine musikalisch unvergleichlich spannende, offene Zeit damals in England herrschte. Vielleicht hat es die Band um Multiinstrumentalist Alig Pearce, die all die Jahre im Verborgenen fortexistierte, deshalb nie ins große Rampenlicht geschafft, weil sie vor allem ein durch hunderte Line-Ups morphendes, spielerisches Studioprojekt geblieben ist, obgleich die Musik hier eigentlich wie für die Bühne geschaffen klingt. Als Nachgeborener rätselt man, ob da etwa neben Rip Rig + Panic oder Pigbag kein Platz mehr war. In den dichten, melodischen Arrangements, in denen noch die Siebziger nachhallen, brechen sich immer wieder Experimente Bahn (dass die Synths noch Keyboard heißen, führt in die Irre), ohne dass der kompakte Zusammenhalt als Pop-Band je verloren ginge. Und ihr spritziger Vorwärtsdrang macht Laune. Unter den insgesamt zehn Musikern finden sich alleine sieben mit Percussion, allen voran Charles Bullen (hier an den Drums, anders als bei This Heat, wo es offensichtlich einfach zu viel Talent auf einem Haufen gab); das Yéyé-Spirit-Residuum von Dominique Levillains mehrsprachigen Vocals (neben einer Hommage an Satie gibts auch eine an Schubert) verleiht dem Band-Sound ewige Jugend, und mit ihrem soliden Dub-Handwerk und dem Timbre Ian Halls können sie sogar schon mal auf halber Strecke zwischen Scientist und The Police landen ("Bass Adds Bass"). www.staubgold.com multipara Bahru Kegne - In Memory Of [Terp] Bahru Kegne spielt die Masinko, ein einsaitiges Streichinstrument. Das von Terrie Ex betriebene niederländische Label Terp stellte jetzt mit "In Memory Of" eine Compilation mit bisher nur auf Kassette veröffentlichten Kompositionen des Äthiopiers aus den Jahren 1988 bis 1996 zusammen. Minimale mantraartige Musik, unterstützt meist nur von einer Drumbox und loopartigen Keyboards, die die musikalische Repetition auf die Spitze treibt und dadurch eine unglaubliche meditative Kraft entwickelt. asb

Chalachew Ashenafi - Fano [Terp] Der Masinkospieler Chalachew Ashenafi tourte viel mit der niederländischen Band The Ex und starb im letzten Jahr. "Fano“ versammelt die letzten Aufnahmen des Azmaris, eines politischen Kommentators der äthiopischen Lebensumstände. Seine Musik ist minimalistisch, sehr grooveorientiert und äußerst tanzbar, sodass sie auch ohne Sprachkentnisse wunderbar funktioniert. www.terprecords.nl/ asb BJ Nilsen - Eye Of The Microphone [Touch - Cargo] BJ Nilsen sammelte für einen Lehrauftrag in London die verschiedensten Klänge der Metropole und arrangierte daraus ganz nebenbei ein geradezu klassisches Fieldrecording-Album. Mal steht der Hörer mitten im Chaos einer Innenstadtkreuzung, dann wieder eine halbe Stunde außerhalb in einer ruhigen und ländlichen Gegend an einem Weiher. Drei Kompositionen voller Wellenschlagen, Verkehrs- und Maschinengeräuschen, Möwengeschrei, Kirchenglocken und Telefonklingeln, die sich genießen lassen wie ein spannendes Hörspiel. www.touchmusic.org.uk asb Nostalgia 77 - A Journey too far [Truthoughts/TRU284 - Groove Attack] Mit dem fünften Album legen Nostalgia 77 noch mal einen drauf. Das Label Truthoughts aus Brighton hat von Anfang an festgehalten an diesem Projekt von Benedic Lamdin, mit der neuen Platte könnte nun endlich der Durchbruch gelingen. Immerhin wurde inzwischen auch schon bei der Produktion von Jamie Cullum mitgeholfen. Ob das jetzt zu mehr Reife geführt hat oder wie der erneute Qualitätssprung zum letzten Album zustande kommt, mag ich nicht zu beurteilen. Jedenfalls ist das neueste Werk sehr geschickt instrumentiert und kann einen wirklich berühren. Dezent wurde hier schon immer vorgegangen, nun ist der folkige Aspekt noch etwas mehr in den Vordergrund gerückt. Vielleicht liegt es daran, dass Sängerin Josa Peit jetzt vollwertiges Mitglied geworden ist. Auf jeden Fall sind Kompositionen dabei heraus gekommen, die auch in paar Jahren noch Bestand haben werden. So darf es weitergehen. www.tru-thoughts.co.uk tobi Maile Colbert - Come Kingdom Come [Two Acorns/2A03 - A-Musik] Verpackt in Saurierillustrationen, entführt uns dieser ExperimentalOpern-Soundtrack in die Tiefe eines staubkorngroßen Jahrtausends. Klingt nach Bombast, ist aber alles andere. Entlang der Offenbarung des Johannes entfaltet Maile Colbert, zwischen den USA und Portugal pendelnde Klang- und Videokünstlerin, ein zart und elegant, durchgängig wie in einer Flüssigkeit schwebendes, dabei auch immer wieder beinhart elektroakustisch durchsetztes Schattenspiel aus verzauberten Signalen unserer Existenz, das Sonnensystem verlassend. Gabriela Crowes Gesangsstimme wandelt mit uns durch die Jahrhunderte, von Latein und Mittelalter bis zur Poesie von Colberts Bruder Ian, und in diesem feinen apokalyptischen Wirbel umstreicheln sich wie auf einen Vorhang projiziert Wind, Wasser, Fauna, Daumenklavier, Harmonica, Glocken, Orgel, VLF-Aufnahmen, Chöre, eine Drummachine und immer wieder sacht schreitende Streicher und Stimmen. Das atmet Frieden, auch eine gewisse erhabene Trauer, ekstatische Mystik und öffnet eine ganz andere endzeitliche Perspektive als etwa Messiaen. Das auf Celers jungem Label zu finden, ist natürlich extra spannend. multipara James Vincent McMorrow - Post Tropical [Vagrant Records - Alive] "Post Tropical" also, ja? Kurz nachgeschlagen. Das ist quasi das, was von einem tropischen Wirbelsturm übrig bleibt. Ein laues Lüftchen. Passt ziemlich gut, wenn man sich das neue Album von James Vincent McMorrow so anhört. Während das erste Album "Early In The Morning" noch ziemlich nach Weirdo-Beardo-Folk klang, tönt "Post Tropical" irgendwie ganz anders und tatsächlich auch einfach besser. Immer noch haucht Mc Morrow seine Gesangspassagen so fein daher, dass sie ob ihrer fragilen Gefühlshaftigkeit beinahe zu zerbrechen drohen. Aber statt Banjogeschrammel haucht er die Klagelieder über Harfen, Bläser und gedämpfte Gitarren. Das klingt manchmal nach dem Landflucht-Folk von Bon Iver, ist aber mit seinem FrickelSelbstmacher-Charme irgendwie doch ganz anders. Und vor allem sympathisch unfertig. www.vagrant.com jw Man Is A Rope - Expensive Cuts [Variance New York/VNY-1] "Man Is A Rope" ist keine Band, sondern ein Projekt des in New York lebenden Künstlers und Produzenten Evan T.Q. Kreeger, welcher zusammen mit David Summer (Function/Sandwell District) Mitte der 90er Jahre das Manhattaner Studio "Inanimate Objects" gründete. Aber erst 2011 entwickelte er nach einer Zusammenarbeit mit Karl O`Connor die Idee von "Man Is A Rope". O`Connor hat vor allem das Stück "Boy´s Weekend" beeinflusst. Indem Kreeger Elemente aus Birmingham-/Detroit-Techno, No Wave und Filmmusik verwendet, bekommen die Stücke ihre einzigartige, dynamische und dunkle Atmosphäre, die komplex vermengt wirkt. Dadurch, dass er Live-Instrumental- und Vocal-Aufnahmen mit analogen Effekten vermischt, formt sich eine elektronische Hybridmusik fern von den normalen Loops und Samples. Die Stücke entstanden zudem parallel zu Videoarbeiten, weshalb die Konzeption der Musik auch stark mit eben jenen Arbeiten verwoben ist und eine intensiv symbiotische, synästhetische Seite aufweist. Die Stücke erzählen Geschichten. Dabei gilt: Das Ohr bedient das Auge. jonas

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SINGLES Act Yo Age - Air Tracks EP [Air Signs Music] Fast schon stur in dem beständig wummernden Funk der zerhackten Stimmen und schnurgeraden Oldschoolbeats. "Change" ist genau der falsche Titel, aber er passt doch. Und diese Trompetensynths. Was für ein albernes Pathos in der Zwangsjacke. Dass sie auch lockerer können, zeigt die Rückseite, die nahezu den gleichen Groove vortäuscht, dann aber plötzlich zu einem swingenden Stück vorbildhafter Ravegarage wird. bleed Fabian Feyerabend - EP [Allyoucanbeat] Vier massive Tracks, die sich dennoch Detroit verpflichtet fühlen und mit ihren stellenweise wummernden, stellenweise einfach nur wild um sich kickenden Grooves die perfekte Balance für einen Sound aufmachen, der in seinem Schwanken zwischen Erhabenheit und Einpeitschen immer wieder die Floors wie kein zweiter rocken kann. bleed Nachtbreaker - Lonely Wally EP [Apparel Music/LTD006 - WAS] Schön swingende Grooves voller verwirrter Kanten, deepe Szenerien im Hintergrund, glöckchenhafte Aufweckphasen, verwaschene Killersamples, "Lonely Wally" räkelt sich so schnuffelnd ins Unterbewusste unserer Seele, dass man den Track einfach über sich gießen möchte, wie einen Schokoladenbrunnen der Verjüngung. "Banne et Lelle" beginnt ähnlich unscheinbar, aber auch hier schwirrt zwischen der unwahrscheinlichen Präzision des Swings, den verrückten Hallräumen und dem glucksenden Slowmotion-Groove immer wieder ein doppelter Boden herum, der das Stück ähnlich wie "Blazoen" mit seinen freien Jazzeskapaden irgendwie aus dem Ruder laufen lässt, was einen dabei aber nur noch mehr begeistert. Und dann noch der pastorale Swing von "Aauw" mit seinen Schlittenglöckchen und dem ultradeep davonrennenden Bass. Große Platte. www.apparelmusic.com bleed Archie Pelago - Lakeside Obelisk [Archie Pelago Music/AP003] Was für ein Meisterwerk schon wieder. Archie Pelago gehört zu den ganz wenigen "Bands", die es schaffen, ihre Bläser und sonstigen Instrumente perfekt in den deepen warmen Sound zu integrieren, jazzig zu sein, elektronisch durch und durch, ohne dabei jemals den Boden zu verlieren, der immer wieder fordert, das Außergewöhnliche zu suchen. Swingende Beats, komplexe Arrangements, die bei anderen völlig überfrachtet wirken würden, in perfekter Balance, mit jedem Track neu erfinden, was man will und dabei doch nie ziellos wirken. Und dann noch nebenbei einen ultrawuseligen Amentrack raushauen. Perfekte EP durch und durch. bleed Appleblim & Komon - Jupiter Ep [Aus Music - WAS] Fast albern sind die Oldschoolmomente, mit denen "Jupiter" hier beginnt, aber dann wird es immer phantastischer, bewegt sich in den Fußstapfen zwischen Red Planet und Cobblestone Jazz mit einer Extraportion Bass und wuseligeren galaktischen Angklängen und kommt auf dem Rest der EP natürlich auch wieder mal auf Garage zu sprechen, wenn auch in abstrakterer und eher angedeuteter Form. Drei Tracks, in denen die beiden offensichtlich ihre deepsten melodischen Detroit-Vorlieben ausgelebt haben, dabei aber doch die Beats im Vordergrund lassen. Sehr schön. www.ausmusic.co.uk bleed Vaal - Cine [Baastard/006] Ben Hoo lässt in seinem Remix das Piano langsam vorgedünstet anklingen, dabei kuschelt es im Hintergrund so gut, der Groove clickt vor lauter Glück, dass man perfekt auf den großen pathetischen Anschlag der Trompeten-Synths vorbereitet ist, die ich sonst verabscheue, die hier aber einfach mal perfekt passen und bei aller 70er-Attitude doch eine nicht so nostalgische Magie haben. Luca C rubbelt seinen Remix etwas straighter auf die Chords aus und landet doch in einer völlig verzückten Welt aus grabendem Groove und klingelnden Glöckchen, am Mind-Against-Remix allerdings stört mich das Pathos des Tracks dann doch zu sehr. bleed Alchemyst - Lucy Ep [Bad Animal/004 - Decks] Die beiden Tracks von Alchemyst sind deepe dunkle Technomonster mit Gefühl. Ihr wisst schon. Holzige Bassdrum, darke aber doch feine Soundscapes, raschelnd aufgeriebener Groove, magische Wucht in allem und am Ende doch eine Sehnsucht nach Detroit. Brilliant gemacht und dabei doch voller Erhabenheit. Die beiden Remixe von Moerbeck und Monomood sind einen Hauch bissiger und schrabbeliger, etwas industriell fast schon, aber passen doch gut ins Gesamtbild der EP. bleed

Renaissance Man - Hard Feeling M.E.S.H. Variations [Black Ocean] Der "G.A.U.S.S."-Mix ist schon mal brachial. Unglaubliche, aber doch eher schleppende Breakbeats, massive Soundwelten, die immer wieder auf und abgebaut werden, ein Schwärmen in den Weiten der von den Breaks aufgerissenen Tälern, ein massives Zusammenbrechen und Wiederauferstehen ohne Unterlass. Und der abstraktere "M.E.S.H."-Mix ist genauso voller phantastischer Sounds, aber völlig abstrakt im Vergleich, und nach den beiden Stücken ist man jedenfalls wieder ganz und gar davon überzeugt, dass es eine Welt nach Breakbeats und House, nach Footwork und Breaks, nach Bass und dessen Auflösung gibt, denn davon klingt hier nie auch nur ein Hauch an. bleed Fedka The Irritant - Honk Honk [Bonus Round Records] Was für ein Wahnsinn. Die Synths drehen vom ersten Moment an durch, suggerieren eine Funkband in den hintersten Reihen des Soundschlamms, und immer wieder ist es Jazz (der HonkytonkArt), der hier hinter allem Geschredder so blauäugig durchblitzt, dass man sich fragt, warum das noch niemand vorher gemacht hat? Ravend wirre Tracks, die immer über die Stränge schlagen, aber dabei doch so albern wirken, dass man ihnen ihre Kratzbürstigkeit abnimmt. Und wenn man ihn eine Weile alleine lässt, dann taugt Fedka The Irritant bestimmt auch als Polkawummertechnoband auf dem Umlandrave. Irre. Aber, ach was aber, klar und sehr sympathisch. bleed Ellen Allien & Thomas Muller - Free Nation EP [Bpitch Control - Rough Trade] Die beiden machen je einen eigenen Edit ihrer beiden Tracks, und es ist überraschend ruhig und elektroid in den Ellen-Allien-Versionen. Beherrscht, aber doch voller sprotziger Synths, konzentriert, aber doch mit einer inneren Aufruhr. Die Thomas-Muller-Edits (nun begreift man auch, warum die beiden in ihren Vorstellungen so weit auseinander lagen, dass die Edits Sinn machen) überschlagen sich auf "Delta Zoo" eher mit wummsigem Housesound, und auf "Free Nation" verliert es sich ein wenig, wo Ellen Allien konzentriert und krabbelig bleibt. Merkwürdige Zusammenstellung, die einzeln viel mehr gewirkt hätte. bleed Ellis De Havilland Born Out Of Cheapness And Frustration Part 1 & Two [Bunker] Die Bunker-4000-Serie bringt hier eine Sammlung von Tracks aus dem Chicago Underground heraus, die in ihrer wilden Acidästhetik ganz schön loshämmern und dabei doch in dem dichten Sud ihrer Aufnahme auf Tape manchmal etwas zu sehr im Brei versinken. Für Freunde der Geschichte von Acid sicher ein perfektes Fest, wir finden es manchmal doch einen Hauch zu kaputt, wenn es aber seinen Weg durch den Bandsalat findet, dann kicken die Tracks mit einer Freude an der 303, die man einfach genießen muss. bleed Formally Unknown - Untitled EP [Capital Bass/CB004] Funky. Breite Bassmomente, dichte harmonische Breaks, ravende Zuckungen von Breaks bis Techno, immer spartanisch, aber doch präzise bis ins Letzte arrangiert, voller freakiger Sprunghaftigkeit, darkem Gewissen und einer Monumentalität, die sich nicht allzu ernst nimmt. bleed Femme En Fourrure - The Beach EP [Cocoa Music] Die EP klingt wie ein Nebel verhangenes Moor inmitten einer Großstadt bei Nacht. Einsam, erdrückend, unheimlich. Damit ist der Sound noch wesentlich sphärischer und hypnotischer als bei ihrem Debütalbum, das doch den technoiden Convex-Industries-Rahmen im Juni etwas aufbrach. Gedankenschwer legt sich die kratzig theatralische, heruntergepitchte Stimme über die schleppenden Downtempo-Drums, erinnert zwangsläufig etwas an Fever Ray. Seicht funkeln immer wieder trashbehaftete Synthie-Irrlichter im Nebel auf, brechen die Einsamkeit, leuchten aber nur schwach und verlieren sich in der verschwommenen, wabernden Soundästhetik. Die Kickdrum ist präsent, dominiert aber nicht, ist nur Sklave einer soundgewordenen Dystopie, die wie eine schützende Gewissheit über den schlaflosen Geistern der Stadt schwebt. Der Remix zum Titelstück "The Beach" von Maria Minerva ist wesentlich indielastiger, übersetzt die Dystopie in einen verklärten Hoffnungsschimmer. ck Chymera - Death by Misadventure Remix Collection [Connaiseur Recordings/CNS017D] Der Clemens-Ruh-Remix macht schon mal den perfekten Einstieg. Sanftes Piano, klingelnd und doch nicht zu kitschig, flausig dichte Hintergründe, schimmernde Melancholie. Ein Track, der einen einfach aus der Welt hebt in eine vergeistigtere, die auf dem Floor dennoch nicht verliert. Darbinyan verlegt sich dann auf die dunkleren Breaks und übertreibt es vielleicht ein wenig mit den kitschigen Melodien, der Vic-Mella-Remix erinnert mich ein wenig zu sehr an Barmusik, aber mit Spielplatzbackdrops wie auf dem Estebele-Remix macht man nie was falsch und kommt den sanften Originalen von Chymera auch wesentlich näher. bleed

Vessels - Elliptic EP [Cuckundoo Records/Cuck 9] Wunderschöne, fast klassiche Indietronica irgendwie. "Elliptic" schwingt sich vom ersten Sound an auf und bringt die Synths zum Summen, groovt klassisch mit Schlagzeug durch den Hintergrund und säuselt immer wieder in den Breaks zwischen einer Folkfusion und Krautrock herum. Wenn sie auf Angriff schalten wie bei "Blue Clouds", gefallen sie mir aber noch besser, weil dann die Energie einfach auf jeden Sound überzuspringen scheint, und auch auf ihren klassischeren Tracks mit Gitarre fühlen sie sich noch mehr zu Hause und rocken alles nieder. Sehr schöne EP zwischen allem, was früher mal ein Stuhl war. bleed Alien Rain - Acid Reign [Deep Sound Channels/DSC002 - Clone] Schon ein richtig dreckiger Acidfucker, den Milton Bradley hier serviert. Erinnert ein wenig an die ruhigen BSeiten von alten X-Trax, aber so Benelux-beeinflusst wie Bradley ist, verwundert das kaum. "Acid Reign 2" geht vor allem hypnotisch zur Sache, gibt dem Track genug Entfaltungsmöglichkeiten bei acht Minuten Laufzeit und bounced ungemein mit dem Quentchen mehr an Bassdrum-Decay, dass es dafür braucht. Der erste Teil auf der A lässt die distorted 303 richtig schmatzen und sorgt mit Abandoned-Places-Atmo für ein wohligschauriges Empfinden. Strobo und Amphetamine pur. www.shipwrec.org bth V.A. - 100DSR/VAR5 [Delsin/100dsr/var5 - Rushhour] Die geliebten Menschen von Delsin haben letztes Jahr ihren hundertsten Release gebürtig zelebriert. Die fünfteilige 12“-Serie kommt nun zum Ende. Da darf man auch schon einmal ein wenig nostalgisch werden: BNJMN mit sehr kurzem Opener. Delta Funktionen mit fies verzerrtem Subbass-Knattern und grober Säge. Herva geht da ein wenig frickeliger an die Sache, skippt durchs Radio und bastelt sich so ein Stück Musik: ein paar Breaks hier, ein wenig Rauschen da und fertig ist ..., ja was denn eigentlich? Die B-Seite kommt mit Bleak und John Beltran straighter und deeper daher. Vor allem Beltran, der die Ehre hat die Serie zu beenden, fährt mit einem Tieflader Pathos vor und einer leider etwas sehr komprimierten Kick. Trotzdem ist “Return To Nightfall“ einer dieser wunderbaren Endlostracks, die immer noch wieder eine Runde weiterdrehen (müssen), Schicht um Schicht, Fläche um Fläche - Repeat und Repeat und Repeat. www.delsinrecords.com malte Lawrence - Films & Windows Remixe [Dial - Kompakt] XDB macht den Anfang mit seinem Remix von "Angels At Night". Sehr gefühlvolles langsames Anschleichen an das Thema, harmonisch breit gefächert angelegt, elegisch und doch mit einem sehr sanften Kick, der Lawrence alle Ehre macht, auch wenn ich ein wenig den Bass vermisse. Stephen Tang federt direkter in etwas verschwommenen Synthwelten, die doch klar in Richtung Detroit driften, und Carsten Jost und DJ Richard beenden die EP mit einem überraschend minimalen Charmer. www.dial-rec.de bleed Valanx - Ejecta Remixes [diametric/19-diam - DNP] Von dem vorausgehenden Valanx-Album "Ejecta" erscheint jetzt die Remix-EP auf Arne Weinbergs Label diametric. Vier Künstler haben auf der 12-inch ihr liebstes Stück des Albums neu interpretiert und mit ihren eigenen Wendungen und eigenem Klang versehen. Darunter zum Beispiel "ADMX-71" aka "Adam X". Seine Version von "Trail Of Conjuration" greift vor allem den Tribalcharakter des Originals auf und überträgt ihn in ein dunkles, industrielles Warehouse-/Rave-Technostück, getränkt von der synästhetischen, geistigen Vorstellung einer verlassenen Industriehalle - voll von Stroboskoplicht und Nebel."The Exaltics" ließ sich als weiterer großer Name nicht nehmen, eine Reinterpretation beizusteuern und kreierte aus "Beyond doubt" ein metallisch klingendes, gut durchdachtes industrielles Monster mit einer starken und sehr dominanten Subbassline. Die zwei weiteren Remixe kommen von CRC und Louis Haiman und stehen den anderen in ihrer Qualität nicht nach. Vor allem der Haiman-Remix von "Legion v2" ist ein hervorragendes Dubtechnostück geworden, in welchem der Subbass und die tiefen Rhythmen einen mit endlosen Echos und Reverbs hypnotisierend, wirbelnd für sich unaufhaltsam vereinnahmen. Vinyl only, so be fast. jonas Kill Frenzy - Naked Piano [Dirty Bird] Manchmal ist Dirty Bird einfach überragend. "Naked Piano" von Kill Frenzy ist so ein Stück, das einen lehrt, niemandem zu vertrauen. Erst dunkel anschleichen, dann Peaktimesamba vortäuschen, dann auf die breiten Basswellen zurückfallen und am Ende auch noch einen Slowmotionbreak reinmogeln. Killer. "For The Ladies" ist Booty unter klinischen Bedinungen. Alles im gleißenden Licht des Operationssaals, aber doch irgendwie so bling. Eine alberne Platte, die aber doch immer wieder über sich hinaus wächst. bleed

Peace Division - Club Therapy Remixes [Dogmatik Records/DOG1205] Das Original ist ein funky zuckelndes Monster mit einem Hauch Bigbeat, der mich dennoch nicht stört. Die Stimme dazu ist so lässig, auch wenn es nicht gerade ultraoriginell ist, zu sagen: Ich brauche einfach nur gute Musik. Der Ton machts. Dan Ghenacia kommt da nie auch nur ansatzweise ran, aber Red Rack'em macht einen verzaubert detroitig abseitigen Mix dazu, der in seinem ständigen Wechseln der Oberflächen nur noch mehr perfekte Verwirrung stiftet. Ein Stück, das einem wie Quecksilber ständig durch die Ohren rinnt und einem doch so nah geht. Verwegen. bleed Oake - Vollstreckung [Downwards Records/DN058] Auf "Offenbarung" folgt nun die zweite EP "Vollstreckung", wie auch schon die erste auf Regis' und Females Label Downwards erscheinend. Um die generelle Bewertung vorwegzunehmen: Man mag sogar sagen, dass diese zweite EP die erste noch einmal übertrifft - sie ist noch gedrungener, kühler, atmosphärischer und schlussendlich auch kräftiger. Die alles umschließende, finstere, bedrückende, kryptisch anmutende Rahmenatmosphäre spiegelt sich dabei besonders in "Tuturden Glit Chreteen Dwe" und "Wekanee Sinn Redrech Enjenn" wieder. Außergewöhnliche, dramatisch technoid schlagende Trommelschläge kommen hier zusammen mit ebenso außergewöhnlichen Vocalarrangements, welche in der Kombination die Synergieeffekte aus Techno, Drone, Wave und Post-Punk in nahezu idealer Art und Weise bündeln. Damit bildet Oake in Perfektion genau das ab, was Downwards musikalisch prägt und ausmacht. Es dürfte bei dem Output nur eine Frage der Zeit sein, bis Oakes erstes Album erscheint. Man darf hoffen. jonas Divvorce - Vanessa (A Dreamer) [Fifth Wall/5Wall009] Die zweite 12“ des aus Brooklyn stammenden Künstlers Divvorce kommt auf seinem noch jungen mit Hound Scales gegründeten Label Fifth Wall heraus. Für rauen Warehouse-Klang mit bevorzugt intensiven Kickdrums umgeben von einer eisigen Atmosphäre stehend, transferiert er diese Kernmerkmale auf zwei recht unterschiedliche Weisen in seine Stücke "Wander 7" und "Roquentin's Release". Während "Wander 7" eher mit einem funky Vocal housig-mäandert, bildet "Roquentin's Release" dann mit seinem wesentlich gröberen und technoideren Klang das vervollständigende Pendant dazu. Wirklich gelungene Remixe von Unklone und Physical Therapy runden die EP ab. jonas Johannes Heil - The Spirit Molecule [Figure SPC/Q - Intergroove] Zwei Versionen. Beide 20 Minuten. Endlose Dubs, Konzentration bis ins letzte kleine Rauschen, zeitlos und so in sich gekehrt, dass man nach einer Weile nicht mehr das Gefühl hat, Musik zu hören, sondern sich in einem Raum wiederfindet, der irgendwie anders geworden ist. Musik, in die man sich ganz versenken muss, damit sie wirkt, dann aber ist sie in ihrer Abstraktion auf eine Art minimal, die wir lange nicht mehr gehört haben. Ein Release für - wie sagen wir das - Kenner. Dubtechno in Reinstform. bleed Sides of Chaz - Sweat Tea [Fork and Spoon] Chaz Bundick ist schon ein irrer Typ! Wer erinnert sich nicht gerne an seine in bester Chillwavemanier daherproduzierten, superentspannten Abhänger-Alben als Toro Y Moi. Schon währenddessen frönte Bundick mit diversen Seitenprojekten wie Les Sins oder eben Sides of Chaz dem multiplen Muckertum. Mit dem schönen Namen "Sweat Tea“ kommt jetzt eine neue Sides-of-Chaz-Single um die Ecke. Ein ziemlich verkifftes Stoner-Songwriter-Stück, auf dem geschrammelt, gepickt, gegniedelt und genölt wird, was das Zeug hält. Dem steht die B-Seite "Take My Car" in nichts nach. jw Federleicht - Realtime Sessions 01 [Form Resonance/FR019] Ich muss sagen, so gefallen mir Federleicht am besten. Im Rohschnitt. Die Sounds und das Zusammenspiel wirken hier einfach ruffer, direkter, verwirrter, aber doch voller Energie und haben auch ständig einen Blick für alles jenseits des Floors. Versponnen, aber manchmal eben auch purer deutscher Housesoul, dann wieder Kleinode für den charmanten Floor, sommerliche Momente und als Ganzes mit genau dieser Balance aus Experiment und Floor, dieser unbekümmerten Direktheit, die es braucht um Federleicht-Tracks wirklich zum Schwingen zu bringen. bleed Franco Vizzo feat. Brenda Alfonso - Unless Your Memory [Get Slow/005 - Decks] Allein wegen des Marino-Remixes des Titeltracks ist das eine phantastische EP. Man hat das Gefühl, die breiten Flächen würden immer ruhiger, alles führe einen auf diesen Punkt zu, an dem man ganz Ohr ist, lauscht selbst auf das kleinste Geräusch, und der Groove sitzt so schleppend auf allem, dass man sich in ihm aufhängen möchte. Grandioser Slowmotion-Soul für Verliebte auf dem Floor. Ein Meer von Tränen des Glücks. Das Original ist wesentlich dichter und dubbiger und weit näher an einem DeepHouse-Sound, aber auch sehr elegant,

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SINGLES und die Vocals zwischen Sprechgesang und Deepness, die rückwärts gedrehten Flächen zwischendrin, alles grandiose Momente. Jouhi macht daraus einen technoiden Stomper voller Verheißung, und auch das ist pure Magie. bleed Joe - Punters Step Out/Club Scared [Hemlock/HEK022 - S.T. Holdings] Der Brite Joe nun wieder auf Hemlock, nach gefeierter 12“ auf Hessle Audio. Die A-Seite mit “Punters Step Out“ groovt sich auf einem hoch- und runtergepitchtem Zirkussynth ein und bohrt sich Runde um Runde tiefer in den Funk hinein. Das sorgt anfänglich für kurze Irritationen, dann aber zu kuriosem Schmunzeln. Auch die B-Seite “Club Scared“ wird, falls wirklich im Club gespielt, zu irritierenden Selbstreflexionen führen. Inmitten von verfunkten Alltagssounds spricht eine neurotische Frauenstimme: “This is the hook of this track. The hook is the bit you pay attention to, this is what you take home with you. Stop listening! [...] I‘ve heard this before, is this the same as everything else?“ Nicht wirklich, und ein wirklicher Hook findet sich hier auch nicht. Schöne desillusionierende Ironie. www.hemlockrecordings.co.uk malte S3A - Suspecte EP [Hold Youth/010] Unscheinbare EP mit sehr breakigen Grooves, albernen Stimmen, wirren Rhodes, göttlichen Stimmungen zwischen Funk und purer Bezauberung, ab und an mal ein funkiger 909-Slammer dazwischen, dann wieder voller discoidem 70s Gefühl. Und das alles in dieses leicht gedämpfte Licht getaucht, dass die Produktion der Platte gleich mal zwei Jahrzehnte in die Vergangenheit zu katapultieren scheint, aber dennoch perfekt passt und hier irgendwie noch mehr Wirkung aus den Tracks herausholt. Wunderschön. bleed Nicholas - The Music Lives [Home Taping Is Killing Music/017] Klassische Deephouse-Tracks irgendwie, die Grooves feine Samples, die Harmonien wie aus einem Traum, der Swing elegant abgeschliffen und voller Tiefe. Nicht konstruiert, sondern gejammt wirken die Tracks, Stück für Stück aus dem tiefen See von Deephouse gefischt und immer wieder mit einer kleinen Überraschung aufwartend. Stücke, die vom ersten Moment an ganz Herr ihrer selbst sind und dann anfangen, genau in den richtigen Momenten mit ihrem Gewand zu spielen. Drei perfekte, soulig-klare, sehr amerikanisch klingende Housetracks, die für mich perfekt im schnippisch swingenden Orgelstakkato von "Running Into Time" in ihre Discovergangenheit zurückfinden. bleed Edmondson - Chestnut Ave [Hypercolour Digital/HYPEDIGI037] Ich liebe diese Tracks, die mit fast nichts schon so viel Stimmung aufbauen können, dass man weiß, wenn es mal losgeht, dann ist man von der puren Größe der Tracks einfach überwältigt. Edmondsons "Tendancy" ist so ein Track. Flüsternd durch und durch, steppend smooth und wie aus zerlassener Butter der Groove, doch so massiv, dass man sich von ihm die ganze Nacht umarmen lassen möchte. "U Belong" ist kantiger und abstrakter, aber ebenso geprägt von diesem perfekten Gefühl für den kleinsten Sound, der Titeltrack ist ein unwirklicher jazziger Housegroove, der vor dem inneren Auge verhallt und "Don't Stop" die perfekte Illusion eines Discotracks durch 1000 Schleier der Erinnerung getarnt. bleed Esteban Adame - Brown Dream [Ican/010] Sehr schönes dichtes Release, auf dem vor allem das quietschig deepe "Here First" mit seinen zerrupften Stakkatopassagen, dem Cheaposynthsound in deepesten Grooves und der unnachahmlichen Annäherung an einen Chicagosound, den es nie gegeben hat, ein Killer ist. Aber auch das verträumt galaktische "Assimilation" hat einen sehr eigenen Charme, der den trudelnden Melodien den perfekten Rahmen aus dubbig dichtem Fundament verpasst. bleed Avalon Emerson - Pressure / Quoi! [Icee Hot/IH006] Irgendwie wirkt "Pressure" am Anfang so, als hätte es sich verirrt. Zwischen den holzig stampfenden Bassdrums und dem aufgedrehten Soul des Divenvocals in kurzen Schnitten muss das Ding erst mal Fuß fassen. Und wenn das geschieht, dann hört man puren Terror der hängengebliebenen Samples. Deephouse mit dem Holzhammer. Immer gut. Wahnsinniger noch "Quoi!", das sein zentrales Sample gleich völlig auseinanderreißt und eine Welt voller Explosionen in unnach-

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ahmlich abstraktem Funk an die Wand wirft. Gewaltige Tracks. Und Tuff City Kids machen dem in ihrem "Rusty Blade Remix" alle Ehre. Ein Acidfeuer der reinsten Form, das manchmal über seine eigenen Bassdrums stolpert. Eine Ode an Intensität und Zurückhaltung. Energie muss man formen. Das wissen die beiden. Der "Clean Shave" erinnert eher an die Zeiten, als Acid noch die Trompete der Hiphouse-Welt war. Aber ist auch bezaubernd. 4 Killertracks. www.iceehot.com bleed Beaka - Beaka EP [Infinite Machine/IMO022] Was für böse Basslines! Allein deshalb ist die EP schon ein Killer. Harsche trocken gerollte Grooves, Basslines auf Angriff, schnippische Brüche überall, massiv berstender, aber doch trocken darker Funk, "InDisguise" reißt einem das Herz raus und spuckt es einem vor die Füße, wo es glücklich zuckt bis die Nacht zu Ende ist. "Killjoy" mit seinen abgebrochenen Breaks ist auf seine Art noch böser und lässt einen immer wieder zwischen Slowmotion, Erstarrung und Raserei wechseln, "Subconciousness" ist einer dieser perfekten abstrakten Dubsteptracks voller rhythmisch komplexer Kniffe und Wagnisse, die in letzter Zeit viel zu selten geworden sind, und mit "Timelapse" gibt es am Ende noch Versöhnung in einem Traum eines Soundsystemsounds aus der Parallelgalaxie. bleed Silent Servant / Powell - Jealous God 03 [Jealous God/JEL03] Silent Servant und Powell. Alles, was diese Künstler aktuell anfassen, wird wahrlich zu schwarzem Gold. So auch diese EP, die dritte Veröffentlichung des Avantgarde-Techno-Labels "Jealous God". Dabei hat das Stück "Lust Abandon" von Silent Servant einen sehr klassischen, hypnotischen Charakter, der sich jedoch mit einem dubbigen, nach Vintage-Synthesizersamples klingenden und mit dunklen Vocals versetztem Sound paart und somit wiederum eigentlich doch gar nicht in die Rubrik des klassischen Technos passt. Außer eben in dem Kontext oder Verständnis von Vintage als Klassik. Der Remix von Powell übersteigt das dann bisher gehörte noch einmal an Qualität. Powell überträgt seinen rhythmischen, charakteristischen Drumsound perfekt in seine Interpretation von Silent Servants Original und besticht somit wieder einmal gnadenlos. Fazit: hervorragend. jonas Falke - Algebra [Kann Records/016 - DNP] Verrückte EP, die sich auf nichts länger einlässt, ihre Tracks mal schnell auf säuselnde Melodien auflaufen lässt, ihren kaputten Sound pflegt wie ein Geheimnis, dabei so unbefangen scheppert, dass einem ganz warm ums Herz wird, die jedoch auch ruhigere Momente findet, in denen die Synths keine andere Bestimmung haben, als der Schönheit zu huldigen. Eine Platte, die durch und durch summt, von diesem sonnendurchfluteten Glück beseelt, dass sie immer das Richtige machen muss, ob sie will oder nicht. Eine Platte mit Stücken, die man umdreht wie Steine am Ufer eines Bachs, um zu sehen, was sich darunter verbirgt. www.kann-records.com bleed DJ Spider & Franklin De Costa Genetically Modified Tracks [Killekill/016] Was für ein Team. Spider und De Costa. Der eine sorgt für die harschen Verdichtungen, der andere für den deepen Killerflow, und beide zusammen lassen sich auf den vier Tracks der Ep einfach nicht stoppen. Wilde Eskapaden zwischen verkanteten Synthsequenzen, unterschwelligen Explosionen und Stimmungen, in denen einem die Angst unter der Hirnrinde zu einer unnachahmlichen Spannung gerinnt. bleed Mr. Ho & Florian Blauensteiner - Gratitude EP [Klasse Recordings/029] Der Titeltrack zittert vom ersten Moment an. Sind das diese leicht zuckelnden Hintergründe, ist es diese in ihren LFOs aufgeriebene tragisch klare Melodie, oder geht es doch nur darum, uns auf diese weit im Hintergrund deep schwärmende Bassline vorzubereiten. Musik, die vom ersten Moment an eine Tiefe fordert, die nur der Boden ist, für diese überglücklich säuselnd tänzelnde Melodie mittendrin. "Crescendeux" wirkt anfangs etwas störrisch, rockt dann aber mit seinen perfekt platzierten Melodien und kurzen Bassline-Ausläufern wie ein Deephousemonster mit Drum-and-Bass-Träumen. Die Remixe von Roman Rauch (träumerisch und mit unwirklichen Vocodersynths) und Maxwell Church (verrückt, quadratisch, Protodetroit und voller Energie) sind die perfekte Ergänzung zu den wirklich magischen Tracks. bleed Maksim Dark - Undercraus EP [La Bohème Recordings/002] Bassig monumental, langsam nach vorne drängend, die runtergepitchte Stimme verheißungsvoll, eine sanfte Lichtung mittendrin, ein düsteres Technomonster wie es im Buche steht. Nicht im Wald. Ach. Die Basslines riechen bestimmt nach Timber. Die Tracks stehen

bestimmt im eiskalten Nebel einer an den Rändern unwahrnehmbar in sich verschwimmenden Welt. Ein Stil, den Maksim Dark auf den anderen Tracks übrigens perfekt weiter entwickelt. Und das Wichtigste daran: der Funk der Basslines ist unerschütterlich in alles eingegossen wie Blei. Jeder Track klingt wie der andere? Ja. Und das ist auch gut so. bleed

ren Ideen in Tanz-Wallung versetzten. Das Teil hier springt und hüpft und atmet im Hier und Jetzt frühen Techno, Gabba, Break Beat, Glitch und überhaupt IDM bis zum Umfallen und Weitermachen. Furztrocken und dennoch sowas von funky. Dieser Titeltrack oder das Ding "Migmy"! Rave on. Haha. cj

Alight - Iridis EP [Local Action/014 - WAS] Eigentümliche Platte, die fast als Kammermusik beginnt. Streicher und Beats. Das ist alles, was "Caligo" braucht, um die EP zu eröffnen. Und wer nach dieser Hymne den vollen Einstieg erwartet, wird erst mal mit dem völlig in die Tiefe verlagerten "Darqa" überrascht, das erst nach langem Intro die Bässe rausholt und dann völlig abstrakt schwebend im Sound bleibt. "Iridis" reißt es dann mit monströs angezerrter Bassline auf und bewahrt sich doch dieses Mystische im Hintergrund, dass die Welt von Alight zu bestimmen scheint. "Obelisk" ist dann der kurze Ausflug in die Gefilde des House, aber auch hier ist klar, es geht um etwas anderes als den Floor. bleed

Moderat - Last Time [Monkeytown Records - Rough Trade] Die EP kommt als Doppel-10". Ach. Ich bin verliebt. Der Track verblasst für mich immer ein klein wenig hinter den Vocals, die zwar voller dürrem Soul sind, mich aber irgendwie eher als Sound, denn als Pop packen. Weshalb ich mich auf dieses Touralbum freue, das alle Moderat-Tracks des Albums wie hier bei "Last Time" noch mal als Instrumentals bringt. Da genießt man die langsam geschichteten Harmonien, die brummigen Sounds, die pure Eleganz der euphorisierend in den Himmel ragenden Melodien irgendwie noch mehr. Jon Hopkins versteigt sich in diesen Sound am roten Faden der Bassline und lässt ein Monster der Italodisco auf Stepperpfaden auferstehen, das einen vom ersten Sound an mitreißt. bleed

HNNY - Tears EP [Local Talk/LT041] Beginnt auf "Gymnastics" erst mal wie eine völlig überzogene Discoeditplatte, die schon so nach Nylonstrümpfen riecht, dass man es kaum aushält, es sei denn man liebt auch Daft Punk, dann aber wird es auf "No Tears" so magisch und verzaubert, dass man es kaum glaubt. Kurze abstrakte Samples, swingend steppender Groove, viele Filter auch hier, aber alles so zart und ausgewogen mit dennoch so mächtig deepem Bass, so eruptiv und angeschnitten, ach, House müsste immer so sein. "Tears" ist die Version davon mit mehr Vocals, und die passen perfekt. Beide unschlagbar. bleed Cashmere Cat - Wedding Bells EP [LuckyMe] Cashmere Cat ist das Projekt von Magnus August Høiberg. Nachdem der als DJ Final mal bei den DMC Championships vorstellig wurde, entschied er sich aber wenig später, die 1210er erstmal in den Keller zu stellen und lieber auf der MPD rumzuhämmern. Der Outstanding Track der EP ist mit Sicherheit "With You". Verträumtes Klavergeklimper zieht einen rein und wenn man gerade die Arme hinterm Kopf verschränkt, knallen die Kastagnetten samt verdrehten Vocalspielereien und ordentlich Brummbass rein und machen den Track zu einer glitchigen Spieluhr sondergleichen. jw Mikal - Immaterial EP [Metalheadz] Es macht doch in diesen Tagen so viel Spaß wie schon lange nicht mehr, Drum & Bass in seinen verschiedenen Ausprägungen und im Kontext des barrierefreien Bass-Music-Amalgams zu hören. Die hier vorliegende "Immaterial"-EP des Briten Mikal führt recht eindrucksvoll vor, wie sich pumpender Trap, zappelnder Juke und erhabener Oldschool-Drum&Bass verstehen, voneinander profitieren und lernen können. Doch Mikal macht es anders als Machinedrum oder OM Unit, die den Spieß umdrehen und eher den Dancefloor in den Dienst ihrer Musik, ihrer verschachtelten Drum-Patterns zu stellen scheinen. Das tut Mikal ganz klar nicht. Er schreibt Tunes für genau diesen einen Ort, gibt sich dessen Regeln hin, erfüllt die Erwartungen des Aufgeschlossenen. Das mag dem ein oder anderen gegen den Integritätsstrich gehen, steht aber im Grunde genommen genau in ihrem Dienste, weil die Idee, auch wenn sie selber nicht neu ist, so überraschend gut und zeitgeistig ausformuliert wurde. Und wenn "Killa Soundboy" geradezu pathetisch die Halftime zelebriert und ganz im Sinne des Juke ein vollkommen zerschnipseltes Rude-Boy-Sample sich in die Obhut eines Backbeat begibt, fühlt man sich auf der Tanzfläche so zuhause wie schon lange nicht mehr. ck Studio Bruno - Franconia Sessions [Mutual Musik/004 - D&P] Sehr stimmungsvolle Tracks, die selbst in den hintersten Dynamiken noch alles beherrschen. Zwei breit rollende tuschelnde Monster aus kaputten Synths, feingliedrigen Grooves voller Überraschungen, donnernder Grundstimmung und perkussiv jazzigen Untertönen. Solche Tracks wären normalerweise 12 Minuten lang. Mindestens. Johannes Beck, Stefan Bennemann und Sevensoul in deep concentration. www.mutualmusik.com bleed Mouse On Mars - Spezmodia EP [Monkeytown/Monkeytown038 - Rough Trade/Good To Go] Die Mäuse Jan St. Werner und Andi Toma plus Umfeld (z.B. Markus Popp aka Oval) waren seit ihrem fulminanten Debüt "Vulvaland" 1994 schon immer außerordentlich reflektiert. Da wird Software gleich selbst erschaffen wider die Presets. Da wurde mal eben nebenbei ein lesenwertes Suhrkamp-Taschenbuch zur vorgemischten, also per Presets gesetzten Welt ("Vorgemischte Welt", von Jan St. Weiner und Klaus Sander herausgegeben) veröffentlicht. Ihre neue EP macht Spaß so wie die Ex-Kölner fast immer mit ihren Beats, Sounds und ir-

Douster - Iz U High [No Brainer Records/NBR039] Stolz stampft dieser Track mit seinem albernen Vocal in die Oldschool. Da wird um jeden Millimeter holzigen Grooves gekämpft. Die Synths quietschen in den Breaks als Verheißung der ersten Euphorie, die Reduktion in den Elementen bleibt konsequent und wummsig, aber doch so voller perfekter Chicagobalance, dass man durch den Raum fliegt, und auch der nächste Track, "Why Yo Shoe So Big" ist in diesem unverschämt rabiaten Killersound der ersten Stunde. Sinnlos verschwenderische Flächen, wummernde Basslines, alberne Vocals, und perfekte Inszenierung einer Welt, die gar nicht so stattfand, aber doch so real ist, wie sie herbeihalluziniert wird. Richtig booty wird es dann auf "Stone", hier hat man sich aber von dem Originalsound schon so weit in klonkigen Welten der Soundscapes drumherum entfernt, dass es einfach eine Freude ist, diese Dissoziation und Auflösung von Chicago miterleben zu dürfen. Dazu kommen noch zwei, mal elegisch breit wahnsinnige, mal steppend glucksige Remixe von Curses und Night Drugs. Killer EP. bleed Liss C. - Data Thin EP [Nulldreißig/001D] Eigentümliche Technotracks der alten Schule. Ein paar Sequenzen, wühlende Bässe, wilde Momente, dichte Spären. Musik wie aus dem Stahlwerk, aber doch subtil und voller Geheimnisse, einfach und direkt, aber doch voller Intensität in den langsamen Modulationen und dem Willen im richtigen Moment anzugreifen. bleed Magic Mountain High - Tiny Breadcrumbs [Off Minor/OMR02] Fängt ja gleich gut an. Die drei Impro-Herren zwirbeln von der ersten Sekunde an dissonant und verdaddelt an ihren Knöpfen. Genau so, wie man es von MMH mittlerweile also erwartet - und weshalb sich ihre Platten auch mit kaum etwas anderem zur Zeit verwechseln ließen. Erstes Highlight ist hier “Riptide“: ein knapp zehnminütiges in sich kreisendes Monstrum mit herrlich-versteckt grummelnder Bassline. Unermüdlich und nahe an der Grenze zum Überwältigtsein. Triptide wäre als Titel auch angemessen gewesen. “Don‘t Cry For Me Argentina“ auf der B-Seite nimmt dagegen ein ganz anderes Tempo auf bzw. lässt es einfach vor der Studiotür stehen. Thereminartige Weltraumsounds und ein heftig-groovender Bass, viel mehr braucht es gar nicht. Sehr weit draußen ist das, was hier scheinbar mit ein paar Krümeln zusammengeklaubt wurde. malte The Analog Roland Orchestra - Grown EP [Palham] Neues Heim, neues Glück. Kurz nach seinem Umzug von München nach Berlin konserviert uns TARM den Sommer 2013 in Form eines zurückgelehnt-entspannten Tracks, den man dieser Tage nötiger denn je braucht. Wärme, auch so eine Sache, die der WInter trotz angekündigten Klimawandels einfach nicht drauf haben will. In DownbeatManier fendert das Rhodes bei "Grown" auf einem Rollweg durch die Gehörgänge. Das wärmt nicht nur von innen, sondern macht im Belohnungszentrum einen Heidenspaß. Auf der B schleppt sich die Erholung auf einem geraden Beat weiter, "sticky" wird der Edit benannt, was in etwa der Wirkung entspricht. Gelungen. bth Soulphiction - When Radio Was Boss [Pampa Records/019 - WAS] Ach. Ich liebe das auch. Radiostimmen. Von damals. Die Kompression ist schon so eigen. Und dann kickt Soulphiction mit diesem gewaltigen Basslinemonster drüber weg, wirft immer wieder neue Samples der Erinnerung quer durch den Raum, zerreißt Stimmen darüber und streuselt all das zu einem so hymnischen Stück zusammen, dass man mit ganzer Seele mitsummt. Der Downtempo-Track auf der Rückseite, "Maybachswagger", ist dem smarteren Grooven auf den Landstraßen gewidmet und hat so viel Soul wie nur die Geschichte im Rückspiegel haben kann, weil vorne ist alles geblendet. Keine Frage, Soulphiction ist immer in Höchstform. bleed

AND THOSE WHO WERE SEEN DANCING WERE THOUGHT TO BE INSANE BY THOSE WHO COULD NOT HEAR THE MUSIC

Friedrich Nietzsche 16.12.13 23:12


179 — REVIEWS

SINGLES Lord Of The Isles - 301C Symphony [Permanent Vacation] Eine Symphonie! Ok. Da will es um Melodien gehen. Um Arrangements. Um etwas, das sich über mehrere Bewegungen streckt und dabei doch eins ist. Und das kann "301C Symphony". Der Titeltrack ist genüsslich elegisch voller Schönheit, erinnert in seiner Art, immer weiter zu treiben und doch diese eine zentrale Melodie zu bewahren, fast ein wenig an Matthew Jonson, aber wie sollen sie dann noch weiter machen? "co2o" versinkt in diesen genüsslichen Basslines und dem sprotzigem Groove, der mit seinen spinettartigen Melodien am Ende immer mehr wirkt wie ein Ravetrack für den ersten Sommerregen, "Fyne" ist ein melancholisches Stück voller Chords und Orgeln, Glöckchen und Synthwirbeln im Tanz, "Horizon Effekt" noch einen Hauch kitschiger mit seinen Summgesängen, und "Western Electric" legt sich an den Strand und sonnt sich. Eine Platte, auf der die Synth-Arpeggios alles sind und doch eine gewisse zarte Erinnerung an Detroit aufkommt. bleed Baunz - Out Of The Window [Pets] Wir sagen es gleich, Andre Kronert verweist hier alle auf ihre Plätze. Was für ein Monster! Techno mit voller Wucht und doch so gefühlvoll durch die einfachen Vocals, dass man es kaum glaubt. Ein Stück, das die Hallen zum Beben bringt und dabei doch einfach nur eine Idee in Stein gemeißelt ist. Das Original ist ein Funkstück, dem auch der Walker-&Royce-Remix Tribut zollt, aber irgendwie kommen wir doch auf diesen Kronert-Mix zurück, denn so süßlich das funkt, wir lassen uns gerade lieber mitreißen. bleed Redshape - Wires [Present/011/012 - Clone] Zwei grandiose 12"s die auch zusammen als digitales Release veröffentlich werden. Die beiden Versionen von "Made Of Steel" sind in ihrer euphorisch krabbelnden Art voller Spannung und entwickeln sich mehr und mehr zu bebenden Detroit-Monstern der dritten Art, mit Tragflächen-Synths, immer weiter zusammengezurrter Energie, die aus dem Zentrum zu lodern scheint und am Ende in eine grandiose Weite überschlägt. "Wires" ist dieser lose Zusammenhang von Grooves,

179 die aus dem Rahmen flattern, immer wieder zurückschwingen, zusammengehalten von dieser unwirklichen Bassline, die mit sanften Sägezähnen doch so massiv den Floor durchgräbt und aus dem Lot bringt, und irgendwann, bevor man nicht mehr ganz durch sieht, löst sich alles wieder in ihr auf. Killertracks durch und durch, die weder Hirn noch Körper stillstehen lassen, keine Sekunde. bleed Trus’Me - Somebody [Prime Numbers - Groove Attack] Gab ja nicht gerade wenige DJs, die "Somebody“ 2013 in ihre Sets integrierten. Der Hitalarm schlug beim ersten Durchgang der LP "Treat Me Right“ dann doch recht schnell aus. Zurecht! Der pumpende Track mit seinem schmutzigen Bass und den Staccato-Claps kommt nun endlich auf eine 12-Inch. Moscas Remix ist für alle Slowdancer eine Wonne – eine Schippe Bass drauf und eindeutig mehr Sex. Afterhour, ick hör dir trapsen. Weiß Jack Murphy - Reference 04 [Reference/REF04] Es ist ein irgendwie dummes Wortspiel, und dennoch bietet es sich hier förmlich an: Jack Murphy produziert "Jacking Techno". Mit seiner nun vierten Veröffentlichung präsentiert das Label Reference kräftig stoßende und zudem rhythmisch sehr gewandte Stücke, die mit ihrer hypnotisch-mysteriösen Atmosphäre und ihrer eher dunklen Klangfarbe den Hörer pausenlos in den Bann ziehen. Die allen Stücken gemeinen schönen, flächigen Ebenen und Elemente finden in Stück B1 ihren Höhepunkt. Die fast schon melancholisch-klagende Atmosphäre dieses Stückes lässt vermuten, dass man es am Ende manch einer durchtanzten Nacht als Outro wird hören können. jonas Bakongo - Branches / Rolling Blackouts [Roska Kicks & Snares/MR034] Swing und Bassline, trockene Grooves und Albernheiten, Darkness und das rettende Ufer gleich hinterher. Das kann diese EP perfekt. "Branches" ist ein einfacher Roller, ganz auf die Bässe konzentriert, immer wieder mit überraschenden Stops und am Ende doch irgendwie ein Tool. Aber was für eins. "Rolling Blackouts" ist mir in den Synths leider das geht denen schon mal durch - einen Hauch zu kitschig, aber wäre auch ein ravendes Monster der besten Art gewesen, damals, als diese Sounds in England groß

wurden. Ob man die etwas cheapen Synths jenseits dieser Nostalgie wirklich genießen kann, da sind wir uns noch nicht so sicher. bleed Twwth - Thousand Million EP [Signal Life/SGNLF06] Abstrakte Wummertracks mit konsequent durchdachten Beats an der Grenze zu Bass, die mit ruffen Vocals und perfekt arrangiert durch die Luft wirbelnden Snares und Toms in allen Tonlagen ständig ins Wackeln zu geraten scheinen. Ein Finne? Wären wir nicht drauf gekommen. Irgendwie einen Hauch klassisch in den ravigen Sounds, aber immer mit einem sehr eigenwilligen Humor, der schon mal etwas (ui, ist das deep) selber einwerfen kann und die Basslines auch schon gerne bis zur Albernheit loswummern lässt. Und selbst die kitschigen Soulvocals werden hier eher zertrümmert, als aus ihrem Seelchengefühl heraus eingesetzt. Jeder Track ein Killer voller Überraschungen. bleed A.O.T - Rundgång EP [SonuoS/S004 - WAS] Das schwedische Wort "Rundgång" lässt sich mit "Feedback" übersetzen. A.O.T kreierte das Titelstück nämlich nur mit "Feedbackklang". Entstanden ist daraus eine sehr eigenwillige und einzigartige Interpretation von Half-StepMusik versehen mit tiefen Bass, synkopierten Bleepklängen und Vocals. "Woot!" hingegen hat mit seinem scharf schlagenden, noisigen Rhythmus, einem kreischenden Sample und einem tief brummenden Subbass einen definitiv anderen, noch wesentlich stärker zerstörten, aggressiven Charakter. Das dritte Stück rundet die EP dann aber auch emotional für den Hörer (passend nach so viel eher aggressiver Musik) ab - sein subtiler Remix gleitet in Pianomusik über und lässt einen selbst schlussendlich melancholisch, harmonisch in die Musik versinken. Eine sehr unterschiedliche, aber abwechslungsreiche EP mit Höhen und Tiefen in der emotionalen Aufgeladenheit. jonas Channel Xero / Hard Logic My Name Is Steve EP [Southern Fried Records/ECB384] Was ist denn hier los? Die Synths brabbeln quirlig und überdreht, dann grüßt einen auch noch jemand, hallo Steve, du auch, und dann wird es immer wilder und verrückter, lässt die Claps durch den Raum fliegen und ist ganz und gar in diesem von innen explodierenden Technosound krabbelig aufgeschnürter Art konzentriert, der immer wilder wird und mit sehr seltsamen Stimmen garniert ist, die einen am Ende völlig verwirren. Was für ein Monster der Danebenheit. Kaputt und doch so wahr. Hard Logic ist das Gegenteil. Völlig aufgeräumter entkernter Sound rings um wohlig breite Subbässe, flausig voller

Deepness, in sich gekehrt und doch so voller Masse auf dem Floor, ein Trip eher als ein Angriff und dabei doch genau so gewaltig. "Resonecho" ist dann ein Oldschoolrodeo mit klonkigen Triolen und süßer Stimme. Brilliante EP, die sich mit nichts vergleichen lässt. bleed youngTEE - The Stalker [Southern Fried Records/ECB385] Ich bin schon bei "Brooks Personal Alarm Remix" hängengeblieben. Steppt zu gut, Killerbasslines voller Schnarren, brilliante Melodiesprengsel, perfekt aufgebaute Stimmung, schnell und dann abräumen. Kann er. Der Housemix ist voller wild alberner Retroreminiszenzen an die erste UK-Ravezeit, aber auch ein kitschiger Vocaltrack, der "Joyboys"-Mix etwas enttäuschend und das Original einfach eine Downtempohymne für alle, die gerne in den Floor heulen. Ultraputziger Soul vom feinsten. bleed Alveol and Genoveva Sleeping Flower EP [Stem Records/STR006] Brilliant überschichtete Platte, auf der man immer wieder das Gefühl bekommt, man höre alles doppelt. Die fragilen Vocals von Genoveva in dem Sud aus sich überschlagenden Melodien, die doppelten Böden, die auseinanderbrechenden Grooves, und doch wirkt alles in dieser einzigartig frühlingshaften Perfektion, die die Erde aufbricht und etwas Neues ankündigt. Massiv, aber doch voller Gefühl. Der Lake-People-Remix bringt dem etwas mehr Floorwumms bei, bleibt sehr überschwänglich, ist dabei aber doch nicht ganz so aufrührend, sondern etwas klassischer in den Melodien. "Close" kommt im Herzel-und-Genoveva-Remix, der mit einem massiven Pathos gleich vom ersten Moment an klar macht, das es hier um diesen Moment geht, an dem alles in einem Peak zusammenfällt und sich völlig neu ausrichtet, und der Veil-of-Maya-Remix ist voller breit perkussiv swingender Gefühle. Eine EP, die bei allem, was sie von einem fordern mag, doch immer bereit ist, einen so mit Gefühlen zu überfluten, dass man sich gerne überwältigen lässt. bleed HVOB - Lion [Stil Vor Talent/118 - WAS] Diese knuffige Stimme. Dieses Pianopathos. Keine Frage, das ist ein poppiger Überhit für frisch Verliebte, und auch wenn es mittendrin irgendwie eine Oldschoolandeutung gibt, ist das doch lupenreiner Festivaltrance (in gut). Auch das klingelnde "28th" geht einen ähnlichen Weg,

aber ist nicht ganz so direkt dabei. Die Remixe kommen von Stimming der dem Ganzen noch einen gewissen Sonnenaufgangscharme verpasst, der fast noch knuffiger ist und Wolfram für die Großraumdisko. bleed Till Von Sein - Da Beach Bum EP [Suol/052 - Rough Trade] Am liebsten ist uns Till von Sein, wenn er ganz genüsslich in den Melodien schwelgt und das Pathos aus seiner Badehose kratzt. Das macht er hier perfekt auf "Tilly's Jam", und man hört dem Track an, dass er sich in sich selbst, oder auch in alles verliebt hat, und das trägt ihn durch seinen sanft swingenden Groove bis ins Herz eines jeden Ravers. Das knuffige "Don't You Eva" ist aber auch herzallreliebst und quietscht im Groove so angekatert, dass man ihm einen Klaps geben möchte. Aber hier hätten wir uns doch eine Version mit etwas reduzierteren Vocals gewünscht. www.suol.com bleed Urban Soul - Alright [Systematic/SYST1011 - Intergroove] Zwei perfekte Mixe, die einem zeigen, wie man House und klassische Soul-Vocals auf eine Art zusammenbringen kann, die nicht gewollt klingt. Der Mix von Phil Weeks ist in seinem klingelnden Sound zwischen zarten Momenten und wummernder 909-Schule ein Killer, und der NY Stomp klingt fast schon wie Pop, wird aber immer wieder von der Killerästhetik der Vocals in ihren harmonischen Wechseln und dem upliftenden Thema aufgefangen. Wir wünschen dem Track glatt mal einen Charterfolg. Wäre nicht der erste Garage-Klassiker, der zu spät wiederentdeckt wird. bleed Break SL - Haisel Stieht [UV Limited/002] "Haisel Stieht" ist schon mal ein unglaublich sweetes Stück. Ein Jazzgitarrenkuschelding, das sich dann auch noch in einen völlig absurden Dresdner Volksklassigergesang wandelt, der einfach zu albern ist, auch wenn er so inbrünstig vorgetragen wird. "Zauberhafte Fantasie" ist dann ein jazzig untertemperiertes Stück mit perfekt swingenden Kontrabässen und wahnsinnig brodelnden Sounds im Hintergrund. Ein völlig für sich stehendes Release, das ein Mal mehr zeigt, dass Break SL nun wirklich alles kann und dabei immer neue Welten für sich entdeckt. Ich lern jetzt mal den Text auswendig. bleed

Modern Deep Left Quartett - Ditch Pig [Wagon Repair/WRL012 - Alive] Sehr spleenig vom ersten Moment an, aber mit einer Betonung auf Funk, keine Frage. Verdreht in den perlenden Melodien, den kurz aufscheinenden Chords, quirlig und doch aus einem Guß. Drei sehr verschiedene Ansätze, die sich immer als Jam entfalten und die perfekte Grundlage für die Musikalität und die reduziert jazzigen Einwürfe bilden, auf denen die Tracks dann davon driften und einen auf eine Reise mitnehmen, auf der man immer wieder leicht in die Seite geknufft wird. Und auch der Samba-Track am Ende ist nicht einfach nur Techno-Samba. bleed Patten - Eolian Instate [Warp/WAP358 - Rough Trade] Für mich die Warp-Platte des Jahres. Ja. So verrückt in sich geknautscht die Sounds, so aus einem unwirklichen Guss zusammengemorpht, so voller gequält überquellender Euphorie vom ersten Track an und dabei doch nie auf einen Sound festgelegt. Genau so muss eine Warp-Platte sein. Vielleicht hänge ich aber auch anderen Tagen hinterher. Irgendwie verschlossen in sich, voller Geheimnisse, voller Versprechungen, völlig unklar was daraus werden soll, aber doch mit einer so überragenden Perfektion in den einzelnen Tracks, dass ich immer völlig erschlagen bin. bleed Frits Wentink - Fluffy Tit [Wolfskuil Ltd./024] Killer! Hört man schon bei den ersten herumgeisternden Synthmelodien. Knallige Grooves, die sich bis in die G a ra g e -We l t e n vortasten, ohne dabei an Kicks zu verlieren, überragende Sounds, die immer wieder völlig überraschend um die Ecke kommen, eine so upliftende Stimmung und ausgelassene Heiterkeit, dass man einfach jeden Break schon vorweg feiert, weil man weiß, gleich kommt etwas noch Grandioseres. Musik, die einem immer mehr verspricht und das auch mit einer Lässigkeit einlösen kann, dass man sich wundert, warum das nicht viel öfter geschieht. Drei brilliante Außenseitertracks, die für mich so stilbildend sind wie wenig diesen Monat, wobei aber doch klar ist, dass ihm das so einfach keiner nachmacht. Dancefloor von innen neu erfinden. Ist auch wirklich nicht die einfachste Aufgabe. Aber Frits Wentink macht das mit links. bleed

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IM PRESSUM 179 DE:BUG Magazin für elektronische Lebensaspekte Schwedter Straße 8-9, Haus 9a, 10119 Berlin E-Mail Redaktion: debug@de-bug.de Tel: 030.28384458 Fax: 030.28384459 V.i.S.d.P: Sascha Kösch Redaktion: Timo Feldhaus (feldhaus@de-bug.de), Jan Wehn (jan.wehn@de-bug.de), Felix Knoke (felix.knoke@de-bug.de), Sascha Kösch (sascha.koesch@de-bug.de) Bildredaktion: Lars Hammerschmidt (lars.hammerschmidt@de-bug.de) Review-Lektorat: Tilman Beilfuss Redaktions-Praktikanten: Raphael Hofman (dj-bloom@live.de), Tim Nagel (nagel.tim@gmx.de)

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Texte: Anton Waldt (anton.waldt@de-bug.de), Sascha Kösch (sascha.koesch@de-bug.de), Timo Feldhaus (feldhaus@de-bug.de), Felix Knoke (felix.knoke@de-bug.de), Benjamin Weiss (nerk@de-bug.de), Wenzel Burmeier (wenzel.b@gmx.net), Peter Kirn (peter@ createdigitalmedia.net), Malte Kobel (maltekobel@gmail.com), Michael Doeringer (doeringer.michael@gmail.com, Michael Aniser (michael.aniser@gmail.com), Lea Becker (lea_becker@gmx.net), Nina Franz (verninen@gmail.com), Iris Dankemeyer (dankeiris@googlemail.com), Thomas Lindemann (tom@heilmannlindemann.de) Illustrationen: Harthorst, Lars Hammerschmidt Fotos: Mikael Gregorsky, Ruiné - Neven Allgeier & Benedikt Fischer, Lars Hammerschmidt, Benjamin Weiss Reviews: Sascha Kösch as bleed, Jan Wehn as jw, Andreas Brüning as asb, Christoph Jacke as cj, Tobi Kirsch as tobi, Multipara as multipara, Bastian Thüne as bth, Tim Caspar Boehme as tcb, Christian Blumberg as

blumberg, Christian Kinkel as ck, Sebastian Weiß as weiß, Jonas Eickhoff as jonas, Tim Nagel as tn, Raphael Hofman as rh, Malte Kobel as malte Artdirektion: Lars Hammerschmidt (lars.hammerschmidt@de-bug.de) Axel Springer Vertriebsservice GmbH Tel. 040.347 24041 Druck: Frank GmbH & Co. KG, 24211 Preetz Eigenvertrieb (Plattenläden): Tel: 030.28388891 Marketing, Anzeigenleitung: Mari Lippok, marketing@de-bug.de, Tel: 030.28384457 Andreas Ernst, andreas.ernst@de-bug.de, Tel: 030.28388892 Es gilt die in den Mediadaten 2013 ausgewiesene Anzeigenpreisliste. Aboservice: Bianca Heuser E-Mail: abo@de-bug.de

De:Bug online: www.de-bug.de Herausgeber: De:Bug Verlags GmbH Schwedter Str. 9a 10119 Berlin Tel. 030.28388891 Fax. 030.28384459 Geschäftsführer: Sascha Kösch (sascha.koesch@de-bug.de) Debug Verlagsgesellschaft mit beschränkter Haftung HRB 65041 B, AG Charlottenburg, Berlin Gerichtsstand Berlin UStID Nr.: DE190887749 Dank an Typefoundry OurType und Thomas Thiemich für den Font Fakt, zu beziehen unter ourtype.be

Microsoft Surface 32 GB: M. Bentler, Dortmund; Nokia Lumia 1020: H. Seidel, Peitz; Sonos Play:3: A. Atmaca, Hemsbach; Canon PowerShot SX510: M. Baumgarten, Iserlohn; Lenovo Yoga 10: F. A. Koelker, Krefeld; Western Digital 2TB: J. Baerweiler, Berlin; Dockers Pulli: D. Schumacher, Berlin; Dockers V Ausschnitt aus der K1 Premium Linie: W. Cremer, Wuppertal; K.O.I Jeans Clovis: U. Hegewisch, Woerthsee; Philips BR-1X: T. Ehmann, Stuttgard; Urbanears Zinken: V. Berger, Stollberg und P. Sperling, Braunschweig; Native Instruments MASCHINE Studio: R. Wagner, Berlin; Native Instruments TRAKTOR S4 MK2: S. Rösler, Berlin; Ableton Live 9 Standard Box: J. Hauck, Mannheim; AKAI Professional MPC Element: G. Logemeier, Ulm; Apogee ONE iPad und Mac: D. Tiemann, Bielefeld; ZOOM iQ5: P. Romeike, Leipzig; Labelpaket Ostgut Ton: V. Bartsch, Erlangen und D. Schulz, Hamburg; F301 Laptoptasche MOSS von Freitag: R. Herbrik: Berlin; QWSTION Weekender in Pacific Navy: P. Bode, Moers; Monkeytown Records Labelpaket: L Maldacker, Steinbach; 50WEAPONS Labelpaket: L. Wagner, Graz; Pampa Labelpaket: J. Ludwig, Berlin und J. Palzer, Berlin; Smallville Labelpaket: A. Hoffmann, Hannover; R. Schifferegger, Wien

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FOTO LARS HAMMERSCHMIDT

MUSIK HÖREN MIT

PLANNING T O R O C K 80

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Planningtorock, All Love's Legal, erscheint am 10.02.2014 auf Human Level Recordings

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TEXT BIANCA HEUSER

Jam Rostron veröffentlichte 2""6 mit "Have It All" ihr erstes Album. Die feministische Agenda definiert seitdem ihren künstlerischen Output und ihr drittes Album "All Love’s Legal" auf dem eigenen Label Human Level fordert nun deutlicher denn je das Ende von Sexismus und Homophobie. Dies zum Anlass genommen, spielten sich Planningtorock und De:Bug-Autorin Bianca Heuser gegenseitig Platten vor und sprachen über Beyoncés Feminismus, tolle Produzentinnen ohne Major-Deal und den als ironisch deklarierten Sexismus von Odd Future. Burial – Come Down To Us (Hyperdub, 2"13) Bisher gab es zu dieser EP gemischtes Feedback, Auto-Tune scheint kein sonderlich beliebter Effekt zu sein. Ich spiele dir diesen Song aber vor, weil die Platte eine AntiBullying-EP sein soll. In einer kurzen Mitteilung erklärte Burial, dass die Musik denen helfen soll, die nicht an sich und ihr Potential glauben. Du selbst sagst auch, dass du gern nützliche Musik machen möchtest. Ja, das ist eine interessante Frage: Wie kann Musik das erreichen? Wenn die Tracks diese Gefühle tatsächlich in jemandem hervorrufen, finde ich das großartig. Es gibt keine Hierarchie zwischen guten und schlechten Sounds. Natürlich kann ein Geräusch irgendwann etwas erschöpft sein, aber jeder Effekt hat Potenzial und man darf benutzen was man möchte. Der emphatische Ansatz dieser EP ist auch wirklich viel interessanter. Und schöner. Als wäre es nicht genug, so unterhaltsame Musik zu machen, verleiht Burial ihr noch einen anderen Zweck. Beyoncé – Pretty Hurts (Columbia Records , 2"13) Auch Beyoncés Musik möchte ihren Zuhörern eine positive Message vermitteln. Für mich ist sie ein tolles feministisches Vorbild für Mädchen, die aus diversen Gründen entweder keinen Zugang oder kein Interesse an der Musik von tollen Frauen wie Kathleen Hanna, Kim Gordon oder dir haben. Im Gegensatz zu den meisten Popstars bezeichnet sie sich offen als Feministin und thematisiert Sexismus und darauf beruhende Diskriminierung sowohl in ihrer Musik als auch in Interviews. Ich fand toll, wie Beyoncé den Normen der Veröffentlichung eines Albums getrotzt hat. Sie hat dieses Album einfach auf den Markt geworfen, das fand ich sehr inspirierend. Dann ist sie noch eine Schwarze und damit von einer Diskriminierung betroffen, die wir beide nie erfahren werden, weil wir Weiße sind.

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Die Diskriminierung schwarzer Frauen ist ein riesiges Problem und wird ständig übergangen. Wegen all dem halte ich sehr viel von ihr. Ich mag, wie simpel sie diese Probleme formuliert. Damit macht man es einem Publikum schließlich leichter, einen zu verstehen. Das machst du auf deinem neuen Album auch. Auf jeden Fall. "Patriarchy Over & Out", "Misogyny Drop Dead" – das ist die Message, viel simpler geht es gar nicht. Ich finde es toll, wie Beyoncé in "Flawless" singt: "I’m not just his little wife". Die HeteroEhe als soziale Norm gibt mir nichts. Und ich finde toll, dass auch Beyoncé sie in Frage stellt. Sie steht für sich selbst ein, das finde ich aufregend. Ich wünsche mir trotzdem, dass in Zukunft auch andere die Möglichkeit haben, einfach so ein Album herauszubringen, dem Aufmerksamkeit zuteil wird. Pursuit Grooves zum Beispiel ist nur eine von vielen Produzentinnen, die um ein Minimum an Aufmerksamkeit kämpfen müssen. Das bricht mir das Herz, aber das Monopol des Pops ist natürlich nicht Beyoncés Schuld. James K – Drunktrack (Self Release, 2"13) Auch die Amerikanerin Jamie Krasner, die Musik als eine Hälfte der Band Seth auf UNO NYC veröffentlicht, hatte mit ihrem Soloprojekt James K bisher wenig Erfolg, ein Label zu finden. Ihr erstes Release, die "Rum EP", hat sie schließlich selbst veröffentlicht. Das klingt toll! Siehst du, genau das ist das Problem: Diese Musik ist fantastisch, ich wusste nur einfach nichts von ihr. Pop überschattet einfach so viel tolle Musik. Beyoncé trägt daran aber, wie gesagt, wirklich keine Schuld. Sie bricht Normen. Seit sie ein Kind ist, musste sie sich ihren Platz erkämpfen, denn der ist einer Frau, und speziell einer schwarzen Frau, wirklich nie sicher. Toll finde ich, wie sie mit der Industrie spielt. und ich hoffe, das zahlt sich irgendwann für Künstlerinnen wie James K oder Pursuit Grooves aus. Pursuit Grooves – Dearest Nature (What rules, 2"13) Sie hat auch einen Remix für meinen Track "Misogyny Drop Dead" gemacht, aber das hier ist mein Lieblingstrack. Das ganze Album ist toll, aber das hier ist so fresh. Es bricht mir das Herz, sie so hadern zu sehen. Ich möchte nur, dass sie die Aufmerksamkeit bekommt, die ihr gebührt. Das ist mir besonders bei Produzentinnen wichtig. Fatima Al-Qadiri, Cooly G, Laurel Halo, das sind alles großartige Produzentinnen. Und Paula Temple übrigens auch:

»Dass viele Leute sagen, HipHop sei sexistisch, finde ich übrigens unerhört. Musik ist generell sexistisch, wacht auf!«

Paula Temple – Colonized (R&S, 2"13) Paula ist wirklich eine der besten Produzentinnen, die ich kenne. Ihre Musik ist so hart. Sie ist gerade nach Berlin gezogen und teilt sich ein Studio mit mir und rRoxymore. Eine Split-12“ von meinem Track "Patriarchy Over & Out" und ihrem "Wheel Of Fortune" war das erste Release meines Labels Human Level. Oh, und Mokadem ist auch toll, eine ganz junge Londoner Produzentin, die auch gerade an einem Remix für mich arbeitet. Lana Del Rey – Gods & Monsters (Mokadem Remix) Das ist der erste Lana-Del-Rey-Remix, der nicht nach ihren Vocals auf einem fremden Track klingt. Ja, das stimmt. Den meisten anderen fehlte es ein wenig an Sensibilität, das war zumindest mein Gefühl. Mokadem ist keine Sängerin, darum arbeitet sie viel mit fremden Vocals. Bei CREEP ist das ja ähnlich: Keine von beiden kann oder mag singen, darum arbeiten sie auch regelmäßig mit unterschiedlichen Sängerinnen. Frank Ocean – Thinkin Bout You (Def Jam, 2"12) Ah, Frank! Der Moment, in dem Frank Ocean sich als schwul outete, war unglaublich. Leider hat er damit auch aufgezeigt, wie groß das Problem Homophonie noch ist. Ich konnte gar nicht glauben, dass ihm von all diesen sehr verschiedenen Menschen so viel Hass entgegenschlug! Gleichzeitig muss ich aber auch sagen, dass - obwohl das ein wichtiger Schritt war - immer noch viel zu wenig darüber reflektiert wird, wie über Frauen in Musik berichtet wird. Ich würde mich so gern mit Frank darüber unterhalten. Dass viele Leute sagen, HipHop sei so sexistisch, finde ich übrigens unerhört. Musik ist generell sexistisch, wacht auf! Es scheint allerdings auch niemanden zu stören, wenn Kendrick Lamars größter Hit das Wort "Bitch" im Titel trägt.

Oder dass R. Kelly junge Mädchen missbraucht. Das finden alle okay. Ich folge vielen dieser Diskussionen auf Twitter und dachte mir: Wie sähe es aus, wenn diese Mädchen Weiße wären? Ich bin mir sicher, dass das eine ganz andere Situation wäre. Unklar ist mir auch, was Frank Ocean eigentlich mit den Odd-Future-Jungs verbindet. Deren Sexismus und Homophobie gibt sich ja als ironisch aus, aber das macht es nicht besser. Sexismus ist in unserer Gesellschaft wirklich noch viel zu allgegenwärtig um ihn ironisch in seine Arbeit einzubeziehen. Man könnte so viel mehr machen! Es gab ein besonders beunruhigendes Video, in dem Tyler, The Creator im Keller mit einer kopfüber aufgehängten ausblasbaren Puppe zu sehen ist. Ich frage mich: Für wen ist das gedacht, was ist die Motivation dahinter, wo führt das hin und was ist die Message? Lyrics, Visuals und Musik sind sehr mächtige und einflussreiche Botschaftenträger. Man muss ja nicht übermäßig vorsichtig sein, aber man sollte schon wissen, wen seine Arbeit erreicht und was sie auslöst. Ist jetzt die Zeit mit den Symbolen dieser Diskriminierung zu spielen? Sich ein bestimmtes Vokabular zurückzuholen, ist ein interessanter Ansatz, aber dafür sind wir noch nicht bereit. Die Leute sehen ja noch nicht mal, wo das Problem liegt und bedienen sich völlig unbedacht desselben Vokabulars. Ich würde Tyler, The Creator gerne fragen: Was ist, wenn deine Zuhörer die Ironie nicht verstehen und für Schlechtes nutzen? Und: Worum geht es eigentlich?

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179 — FÜR EIN BESSERES MORGEN

TEXT & ILLU HARTHORST

WIDERLICHER NACHMERKEL AUF DER ZUNGE

Ohrenmausen, Ohrabgleich, Zuhördienst: Nichts zu verbergen? Sei doch froh, wenn mal jemand zuhört! Aber die Hallelujastullen auspacken und mal alles von der Seele reden ist bestimmten Leuten wohl einfach zu einfach, die lieber immer den blöden Sinnficker raushängen lassen müssen und Rührpornos auftischen: Hilfe, mein böser Datenzwilling schreibt einen Lebensverdopplungsroman! Tickt the real lost generation wirklich so oder liegt es vielleicht einfach am Wetter? Die Homöopathen ohne Grenzen jetten ja zum Beispiel zu dieser Jahreszeit immer an - Nomen est omen! - total exotische Locations zum Helfen & Relaxen. Von wegen Gutes tun und dabei den gigantomanischen Neujahrskater zu Tode schinden: Verspannung, Kopfschmerz und elendes Gewissen lösen sich in der Moskitohölle des Lepralagers schon beim Begrüßungsdünnschiss in feinstes Wohlgefallen auf! Aber diese Homöopathen feiern eben auch so unfassbar entgrenzt brutal - Fick mich! - Alter! Party! Da kommt der Otto Normaleingegrenzte mit seiner Aspirin-C-Plus-Brausetablette im Kulturbeutel natürlich überhaupt nicht mal ansatzweise mit: Punschverdünner, Kokainglobuli und Biolustknabberkram, hemmungslos von Halloween bis Dreikönige da kriegt man schon vom Zuhören einen total widerlichen Nachmerkel auf der Zunge! Trotzdem oder gerade deshalb nehmen sich die Homöopathen ohne Grenzen natürlich richtig viel Zeit für jeden einzelnen Patienten: Ein Gespräch über die emotionalen Wurzeln der Lepra führen, kann man nicht mal eben zwischen Tür und Angel! Und wenn mal ein Lepröser keine Lust auf Denkprozesse anstoßen hat und seine anständige Spritze fordert, muss ein echter Homöopath aus Schrot und Korn auch mal ein Exempel statuieren, um den Herren Eingeborenen die Lust an derartigen Vorfällen zu versalzen! Nur mal so zum

Beispiel könnten die homöopathischen Aktivitäten im Lepralager suspendiert werden, um zum Beispiel mal einen Badetag einzulegen: Afterarzt, Duttengretel und Kartoffelchips der Marke Zweifel, später vielleicht noch eine Runde 5 gegen Willy … Mit aussätzigen Hottentotten kann man’s ja machen! Weil so richtig über den Weg trauen tut denen ja doch niemand, von wegen vorne rum immer höflich, aber niemand weiß so richtig, was sie wohl wirklich im Schilde führen? Keine Sau versteht ihre Sprache, sie haben keine Smartphones und benutzen keine Kreditkarten - diese Hottentotten kriegen nicht mal Post! Wie soll sich da jemals ein partnerschaftliches Vertrauensverhältnis entwickeln können? Soll der BND etwa Praktikanten in den Busch schicken, um das Lagerfeuergeschnatter abzuschnorcheln? Damit die sich ein posttraumatisches Stresssyndrom einfangen und dann haben wir den Salat? Früher, also zu Kaisers Zeiten, hat man ja übrigens nicht "Stresssyndrom" gesagt, wenn ein Praktikant den Kolonialdienst in Neu-Pommern, Neuguinea, nicht verkraftet hat, sondern: "Er ist verkaffert". Was natürlich total protonazimäßiger Sprech ist, zugegeben, aber damit sind wir dann wenigstens quitt, weil: "Kulturbeutel" sagt man erst recht nicht! Das ist nämlich nicht nur proto-, das ist voll endnazimässig, von wegen mit Kulturbeutel im Landser-Rucksack alle zu Untermenschen erklären. Genau das - um mal wieder aufs Thema zu kommen - nervt so ab mit diesen Homöopathen: Dass man keine 5 Minuten mit ihnen plaudern kann, ohne bei so richtig krankem Nazischeiß zu landen. Aber so sind sie, die Holzhammermethoden der Kampfgruppe gegen Unschuldigkeit! Für ein besseres Morgen: Klappschwein raus, kabellose Kackmaschine in Klump hauen und nie vergessen: Vorfreud ist immer noch der schönste Freud!

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