INNOVATOR by The Red Bulletin CD 2019 #4

Page 1

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN 04/2019

HEIMISCHES WISSEN

GALAKTISCHES TRAINING

GESUNDES RISIKO

Wie Schweizer Start-ups mit Technik die Welt verbessern

Was Hobby-Astronauten in Israel über das Leben am Mars lernen

Wie du Chancen in Beruf, Alltag und Business nutzt

EN GUETE! 04/19

AUSGABE SCHWEIZ CHF 7

SUPERFOOD INSEKTEN

und sechs ­weitere  Trends, die 2020 unser Leben verändern

IDEAS FOR A BETTER FUTURE

Fettarm, proteinreich, schmackhaft und klimafreundlich: Für Experten sind Heuschrecken, Grillen und Co die Nahrung der Zukunft.

BETTER FUTURE EDITION


FIELDFORCE CHRONO Zürich | Genf | Lausanne | Brunnen | Luzern | Andermatt SHOP ONLINE AT VICTORINOX.COM

MAKERS OF THE ORIGINAL SWISS ARMY KNIFE | ESTABLISHED 1884


EDITORIAL CONTRIBUTORS

Misha Friedman Der gebürtige Moldawier lebt in New York und fotografierte für uns die Buchautorin und Risikomanagerin Allison Schrager – ­inmitten der pulsierenden Hektik des Big Apple. Das tolle Ergebnis und die Story «Sichere Geschäfte» gibt es ab SEITE 2 2 .

HANS GISSINGER/TRUNK ARCHIVE (COVER)

Alex Lisetz fieberte als Kind Mondsiedlungen und Mars-Charterflügen entgegen – und wird bis heute hingehalten. Doch jetzt gibt’s neue Hoffnung. Wie man am Österreichischen Weltraum Forum für bemannte Mars-­Missionen trainiert und wie nahe wir der grössten Reise der Geschichte sind: ab SEITE 36

I N N O V AT O R

Du kannst Zukunft! Ein E-Bike, das sich ganz leicht ins Büro tragen lässt. Köstliche Chips aus altbackenem Brot. Und wunderbarer Humus made by Menschen. Drei von sieben Ideen für ein kluges und nachhaltiges Leben, entwickelt von «Schweizer Pionieren», ab Seite 82. Ganz und gar nicht leicht ist es, in einen 50-Kilo-­ Anzug zu schlüpfen. Im Gegenteil: Das ist eine Herausforderung, die nicht unter drei Stunden zu bewältigen ist. Wissen­schaft­ler aus Österreich quälen sich trotzdem damit ab, und sie tun es in den Wüsten von Israel oder auf ­Tiroler G ­ letschern. Warum? Weil sie derart für ihre ­Reise zum Roten Planeten trainieren. «Marsreisen für Anfänger» ab Seite 36. Megatrends sind Lawinen in Zeitlupe – und sie bewirken epochale Veränderungen. Was jetzt ­gerade losbricht: Flexicurity und Neo-Ökologie, Roboterliebe und Snackification. Ein Überblick – damit du weisst, was auf dich zukommt. Unsere Coverstory ab Seite 60. Viel Spass beim Lesen!

INNOVATOR

3


INHALT BULLEVARD 16 8 18 10 20 12 Insel-Begabung

Tropisch lecker

Ein Schweizer Wissenschafter erfand ein SolarEiland, das Sprit aus Kohlendioxid gewinnt.

Der Saft der Kakaofrucht bringt uns neue Aromen und hilft Bauern vor Ort.

Power-Flitzer

Dieses E-Auto schafft 1000 Meilen  mit nur einem Ladestopp.

PVC? Nein, danke. Über diese Yogamatte freuen sich dein Karma und die Umwelt.

14

4

Diese Chemiker ziehen mit Nanopartikeln in den Kampf gegen Brustkrebs.

SOS im Urwald Ein Stick, der dein Handy in ein Satellitentelefon verwandelt.

Liebe deine Katze Ein Zürcher ForscherTeam arbeitet an einem Katzen-Impfstoff, der Allergikern hilft.

GUIDE 90 92 94

Winzige Heiler

SAVE THE DATE SPE ZIAL

Man’s World Die Co-Founder über die Trends der Männermesse.

96

SAVE THE DATE

Top-Events Die wichtigsten Termine der kommenden Wochen. WORLDWEBFORU M

Das Chef-Update

98

KOLU MNE

Jam-Sessions für Kreative Innovations-Guru Andi Gall über die Vorteile des gemeinsamen Denkens. TECH - HIGHLIGHT

Blick ins Weltall Wir zeigen den Nach­ folger des legendären Hubble-Teleskops.

Was neue Führungskräfte können müssen.

INNOVATOR


I N N O V AT O R

36 FE ATURE

Willkommen auf dem Mars!

FLORIAN VOGGENEDER

Zu Gast bei «AnalogAstronauten», die in Israel das Überleben auf dem Roten Planeten proben.

INNOVATOR

FEATURES

22 28 36 52 58 60 74 82

INTERVIE W

Diese Frau liebt das Risiko US-Ökonomin Allison Schrager weiss, wie du riskante Entscheidungen im Business- und Privatleben triffst.

HOW TO CONVINCE

Die Kraft der Überzeugung Rhetorik-Experte Matthias Pöhm erklärt, wie du mit gesprochener und Körpersprache stets recht behältst.

FE ATURE

In der Astronautenschule Wie analoge Raumfahrer die erste bemannte Mars-Mission trainieren.

GADGE T GUIDE

Mehr Spass, bitte! Selfie-Drohne, Hirntrainer, HantelWecker: Diese Gadgets bringen gute Laune in deinen Alltag.

MEIN START- UP-MOMENT

«Plötzlich konnte ich mit dem Ding Spanisch lernen» Babbel-CEO Markus Witte über den Aufstieg seiner Sprach-Plattform.

COVERSTORY

Hier spricht die Zukunft Essen, lieben, achtsam sein: Diese Megatrends werden uns 2020 prägen.

INTERVIE W

Bilanz eines Top-Bankers Erste-Group-CEO Andreas Treichl über Geld, Steve Jobs und Populismus.

START- UP-SECTION

Schweizermacher Wir präsentieren sieben visionäre heimische junge Unternehmen.

5


Wanted: Leader Lars Ulrich • Co-Founder & Drummer Victor Luo • Principal Program Manager Shane Luke • Senior Director AI & Machine Learning Bharat Vasan • CEO

Worldwebforum.com 8th annual meeting, Zurich, January 16-17, 2020

Charles A. O’Reilly • Frank E. Buck Professor of Management Rashik Parmar • IBM Fellow & Vice President Technology Amar Hanspal • CEO Steve Elliott • Head of Jira Align Arif Khan • Chief Marketing Officer +100 more


I N N O V AT O R

BULLEVARD

JOHANNES LANG

IDEEN FÜR EINE BESSERE WELT

INNOVATOR

7


B U L L E VA R D

NOVATON

KRAFTSTOFF AUS DEM MEER

THOMAS HINDERLING NUKLE AR­ P H YS I K E R   & CEO AM CSEM

Er hatte die Idee für Solarinseln. Ein Jahr vor sei­ nem Tod grün­ dete er die Firma Novaton mit sei­ ner Frau Chris­ tine, die nun sein Erbe fortführt.

8

Der Mann war seiner Zeit weit voraus. Als alle Welt noch unbeschwert Öl, Gas und Atomkraft pries, glaubte er schon an die Kraft der Son­ ne. Und erdachte Solarinseln, die dem Meer das Klimagift Koh­len­dioxid entziehen und es im chemischen Prozess in Methanolkraftstoff um­ wandeln, also Energie liefern. Thomas Hinderling, Jahr­ gang 1946, «wurde damals von vielen als Irrer belächelt», erzählt seine Frau Christine ­Ledergerber-Hinderling. Dabei war ihr Mann eine Koryphäe – Nuklearphysiker, NASA-Wissenschafter, CEO des Swiss Center of Electronics and Microtechnology (CSEM). Er war aber noch viel mehr: «eine Integrationsfigur, ein Forscher, Visionär, einer, der ­unsere Zukunft zum Besseren gestalten wollte – ein Men­

EINE EINZELNE INSEL LIEFERT DIE ENERGIE FÜR TAUSEND HAUSHALTE. GEPLANTER START: SCHON IN DREI JAHREN.

INNOVATOR

NOVATON AG WOLFGANG WIESER JOHANNES LANG

Die Rettung in der Klimakrise? Ein Wissen­ schafter aus der Schweiz erfand Solar­ inseln, die Kohlendioxid in Methanol-Sprit umwandeln können.


I N N O V AT O R Zwei riesige Solarinseln, die auf den Wellen schwimmen. Die Ausrüstung für die chemische Verarbeitung befindet sich auf dem verhältnismässig kleinen Schiff links.

schenfreund», sagt seine Frau. Sie ist Direktorin von Novaton, jener Firma, die sie gemeinsam mit ihrem Mann 2010, ein Jahr vor dessen Tod, gegründet hat. Doch was ist die Idee hinter den mit Sonnenenergie betriebenen Inseln? «Der Schlüssel ist ein neues Device, das das Meerwasser kurz sauer macht, also den pH-Wert senkt», sagen Forscher der Empa in Dübendorf, «das löst das schädliche INNOVATOR

CO² aus dem Meer.» In Kombination mit Wasserstoff (wird ­chemisch mühelos aus Meerwasser erzeugt) entsteht sauberer Kraftstoff: Methanol. Der Inselprototyp ist schon Realität: Mit 86 Meter Durchmesser (Höhe: drei Meter) steht er vorerst – für Hitzetests – in der Wüste des Emirats Ra’s al-Chaima. Und wann wird die erste Insel zu Wasser gelassen? «In

drei Jahren», hofft Leder­ gerber. Meer-Möglichkeiten gibt es viele: den Persischen Golf, die Küsten Südasiens, vor Nordaustralien – da, wo die Wellen nicht höher als sieben Meter sind und die HurrikanWahrscheinlichkeit klein ist. Die Energie, die so eine Insel ­ständig liefern würde: so viel, dass tausend Haushalte versorgt werden könnten. novaton.com  9


B U L L E VA R D

10

INNOVATOR

CHRISTIAN KORNHERR

Der US-Amerikaner Steve Fambro entwickelte ein Elek­tro­ auto, das mit einer Akkuladung dreimal so weit fährt wie die Prestige-Modelle der Konkurrenz. Sein Geheimnis? Konsequenter Minimalismus und visionäre Beharrlichkeit.

APTERA

DAS 1000 - MEILENELEKTRO-AUTO

Sorgsamer Umgang mit Ressourcen gehört zu den grossen Themen unserer Zeit, und für Steve Fambro aus ­Kalifornien ist es sogar zum Lebenskonzept geworden. Vor zehn Jahren kündigte er seinen Job, um der Welt das energieeffizienteste Auto aller Zeiten zu schenken. Das Ding sah aus wie ein Kleinflugzeug, dem die Flügel amputiert wurden, und erhielt deshalb den Namen Aptera («flügellos»), ein Wort aus dem Altgriechischen. Die Hybridversion ­erreichte den unglaublichen

JOHANNES LANG

M O B I L I TÄT


I N N O V AT O R

Kein Blech, kein Alu: Der stromlinien­ förmige Aptera be­ steht aus faserver­ stärktem Kunststoff.

Verbrauch von 0,78 Litern auf 100 Kilometer, trotzdem ging das Unternehmen pleite. «Mit dem Auto waren wir damals unserer Zeit voraus», resümiert Fumbro, «die Leute trauten sich nicht, in hocheffiziente Autos zu investieren.» Davon liess sich der Visionär jedoch nicht entmutigen: «Mein Plan war: weitertüfteln – und war­ ten.» Heute, zehn Jahre später, ist das Flugzeug ohne Flügel wieder da – diesmal mit Elek­ troantrieb und einer nominel­ len Reichweite von 1600 Kilo­ metern. Zur Veranschau­ INNOVATOR

lichung: Das ist rund dreimal so weit, wie es die Elektro-Vor­ zeigemodelle von Tesla, BMW oder Audi schaffen. PRODUKTION AB 2022

Das Geheimnis dieses Technik-­ Wunders ist ein ganz simpler Gedanke: «Wir wollen mit ­weniger mehr erreichen. Mehr Reichweite, mehr Leistung, mehr Sicherheit, mehr Spass – mit weniger Batterien, weniger Bergbau, weniger Energie und weniger Kohlendioxid.» Der technische Kniff des ­Aptera besteht schlicht darin,

Fahrgastraum und Ausstattung auf das absolute Minimum zu reduzieren – alles mit dem Ziel maximaler Effizienz: Leer­ gewicht des Aptera? Nur rund 800 Kilo. Energieverbrauch? Nur ein Fünftel von herkömm­ lichen Elektromobilen. Wenn das Crowdfunding für den zweiten Anlauf des Start-ups erfolgreich verläuft, ist der Produktionsbeginn be­ reits für 2022 geplant. Je nach Akku-Kapazität schwebt Fumbro ein Preis von 34.000 bis 59.000 Dollar vor. aptera.us

STEVE FUMBRO CEO UND CO-FOUNDER VO N A P T E R A

«Die Zukunft der Mobilität sind energieeffiziente, umweltfreund­ liche, aufs Mini­ mum reduzierte Elektroautos.»

11


B U L L E VA R D

R ECYC L I N G

12

JOHANNES LANG

Wer auf Yoga steht, lebt automatisch nachhaltig? Von wegen! Denn in den aller­ meisten Fällen werden Übun­ gen wie Kopfstand, Krähe und Kobra auf einer zwar billigen, aber auch ziemlich giftigen Matte aus PVC trainiert. Und die werden am Ende ihrer Tage nur allzu oft ein Teil des Gros­ sen Pazifischen Müllstrudels. Den beiden Nürnbergerin­ nen Anna Souvignier, 27, und Sophie Zepnik, 26, wurde das

Im Netz suchten sie nach einer nachhaltigen Alternative, doch sie fanden nichts. Deshalb be­ schlossen die beiden, selbst eine Matte zu entwickeln. «Was gar nicht so einfach war», sagt ­Sophie. Naturkautschuk? Killt den Regenwald. Baumwolle? Braucht zum Wachsen viel Wasser und oft auch Pestizide. Warum also nicht auf ein ­Material setzen, das im Über­ fluss vorhanden ist? – Müll! Die hejhej-mats bestehen aus Schaumstoffschnipseln, wie sie zum Beispiel in der ­Autoindustrie als Abfallprodukt anfallen. Pro Matte (Preis: 129 Euro bzw. rund 140 Fran­ ken) sparen sie so 1,5 Kilo­ gramm Müll ein. Lediglich die hauchdünne oberste Schicht

hejhej-mats-Gründe­ rinnen Sophie Zepnik und Anna Souvignier mit Matte und einer ­hejhej-bag aus recycelten PET-Flaschen

WENN DIE HEJHEJMATTE DAS ENDE IHRER TAGE ERREICHT HAT, BEGINNT IHR LEBEN VON NEUEM.

INNOVATOR

GÜNTHER KAST

Zwei Frauen aus Nürnberg haben mit ihrem Start-up eine Trainingsmatte aus recyceltem Schaumstoff entwickelt.

SCHAUMSTOFFRESTE A L S A LT E R N AT I V E

LENA LICHTBLICK

YOGA MIT REINEM GEWISSEN

im schwedischen Malmö be­ wusst, wo die jungen Frauen Nachhaltigkeitsmanagement studierten. «Wir fühlten uns regelrecht ertappt», gesteht Sophie. «Wir hatten uns bis dahin überhaupt keine Ge­ danken darüber gemacht, aus welchem Material solche Dinger bestehen.»


I N N O V AT O R

besteht aus einem neuen, me­ dizinisch konformen Spezial­ material (aus Thermoplas­ tischem Polyurethan, kurz: TPU). «So kommt die Haut nicht mit a ­ ltem Schaumstoff in Kontakt», erklärt Sophie, «aber auch das TPU ist hundert­ prozentig recyclebar.» Das ­Ergebnis: langlebige, 186 mal 65 Zentimeter grosse, zwei ­Kilogramm schwere Matten. Sie sind fünf Millimeter dünn und garantieren dank einer strukturierten Oberfläche hohe Rutschfestigkeit. G E B R A U C H T E M AT T E E I N FA C H R E T O U R N I E R E N

Am Ende ihrer Tage wird eine hejhej-mat selbst wieder ­re­cycelt – und zu einer neuen Yoga-Unterlage. Wie das geht? Das Konzept heisst «Return to Sender», und das bedeutet: Die gebrauchte Matte wird einfach zurück an die beiden Gründerinnen geschickt. In Bayern (und nicht etwa in Billiglohnländern) entstehen daraus neue Unterlagen für Yoga-Begeisterte. Kreislauf­ wirtschaft eben, perfekt vor­ exerziert. hejhej-mats.com

Yoga-Übungen in freier Natur. Mit der Matte aus Schaumstoffschnipseln ein mehrfach nachhaltiges Vergnügen. INNOVATOR

13


B U L L E VA R D

ERFOLGREICHE TESTS

Alle bisherigen Impfstofftests verliefen vielversprechend. Und schon bald könnte die leidvolle Praxis, eine Katze weggeben zu müssen, weil ein Familienmitglied allergisch auf das Tier reagiert, ein Ende haben. Erst kürzlich wurde eine Studie veröffentlicht, die das Präparat als sicher für die Katze ausweist: Nebenwirkungen sind nicht zu befürchten. Die Markteinführung der Impfung ist für 2022 geplant. hypopet.ch

TIER WIRD IMMUNISIERT Präklinische Tests zeigen: Der HypoPet-Impfstoff kann Probleme bei Katzenallergien beseitigen.

14

Bachmanns Team packte das Problem – erstmals – an der Wurzel: «Wir immunisierten das Tier gegen das Allergen,

INNOVATOR

JOHANNES LANG

Die verblüffend einfache Idee eines Zürcher Forscherteams bringt Hoffnung für Menschen, die auf Katzen mit Schnupfen und Tränen reagieren.

GÜNTHER KRALICEK

TSCHÜSS, ALLERGIE!

damit Antikörper im Körper der Katze diese Allergene ­binden und sie erst gar nicht mehr aus der Katze rauskommen», erklärt Martin Bachmann, Gründer des Spin-off-­ Unternehmens HypoPet AG, das es sich zum Ziel gesetzt hat, diese Erfindung weltweit zu vermarkten.

GETTY IMAGES

GESUNDHEIT

Manchmal sind es ganz und gar einfache Ideen, die zur Lösung eines Problems führen. Ein Forscherteam des Universitätsspitals Zürich erfreute sich vor zehn Jahren ­eines solchen Geistesblitzes: Die Gruppe arbeitete gerade an einem Wirkstoff für Katzenallergiker, wobei sich der Erfolg in Grenzen hielt: «Die Al­lergieforschung verläuft zäh. Antiallergika wirken bei Menschen mal mehr, mal weniger – und zudem bekämpfen sie bloss die Symptome», sagt Martin Bachmann, der auch Leiter des BioMedical Research Department der Univer­sität Bern ist. Doch dann wurde eines Tages in seinem Forscherteam eine ungewöhnliche Idee geboren: «Lasst uns die Katze impfen, nicht den Menschen!» Zur Erklärung: Auslöser ­einer allergischen Reaktion beim Menschen sind nicht – wie viele glauben – die Haare der Katze, sondern ein körpereigenes Protein des Stuben­ tigers, das hauptsächlich im Speichel vorkommt. Bei der Katzenwäsche wird dieses Protein über die Zunge aufs Fell übertragen, gelangt von dort in die Raumluft und landet schliesslich in den Atemwegen des Allergikers. Und schon fliessen die Tränen.


I N N O V AT O R

«LASST UNS DIE KATZE IMPFEN – NICHT DEN MENSCHEN.»

Nicht Haare lösen die allergischen Reaktionen aus, sondern Proteine, die beim Putzen aufs Fell gelangen.

INNOVATOR

15


I N N O V AT O R

B U L L E VA R D

ERNÄHRUNG

DIE SAFT-­ REVOLUTION

FRU CHTFLEISCH AUS DER SOL ARPOWER- PRESSE

Kakaofrucht (Querschnitt): 50 Prozent Schale, 25 Prozent Bohnen, 25 Prozent (weisses) Fleisch

16

Schreiber und seine Mitstreiter Benjamin Kuschnik und ­Michael Acquah beobachten, dass die Bauern das Fruchtfleisch, ­immerhin rund 25 Prozent der Kakao­frucht, einfach ­wegwerfen – und haben eine Idee. Sie regen an, Saft daraus zu pressen, um die Wertschöpfung der Bauern zu erhöhen. Die Sache hat ­einen Haken: Im tropischen Dschungel muss

das Fruchtfleisch sofort ver­ arbeitet werden. Die Lösung: eine solar­betriebene Presse, die in Zusammenarbeit mit der Z ­ ürcher Hochschule für An­gewandte Wissenschaften (ZHAW) und der ETH Zürich entwickelt wird. Neun Kakao­ schoten ergeben rund ein Kilo Fruchtfleisch, aus dem sich 200 Milliliter pures Koa pressen lassen. Gerade elf Liter ­täglich fliessen 2017. Heute sind es hundertmal so viel, der Fruchtsaft wird ein Über­ raschungserfolg. «Köche, Konditoren und Barkeeper sind ganz scharf auf dieses neue Aroma», sagt Anian Schreiber. Mittlerweile machen 1041 Kakaobauern aus 35 Gemeinden mit – und verzeichnen dank der schweizerischghanaischen Partnerschaft ein Umsatzplus von 30 Prozent. #koaimpact

Anian Schreiber kam im Dienste des Solarstroms nach Afrika und entdeckte, dass sich aus Kakao exklusiver Saft pressen lässt.

INNOVATOR

JOHANNES KORNACHER

Als Anian Schreiber vor einigen Jahren nach Ghana kommt, hat er ganz andere Pläne. Er will die Menschen in den Dörfern mit Solarstrom versorgen. Er lernt Kakaobauern kennen und sieht, wie sie arbeiten – 800.000 von ihnen machen das westafrikanische Land zum zweitgrössten ­Kakaoproduzenten der Welt.

AKOS NEUBERGER

Er schmeckt angenehm süss: nach Marzipan, Mango und Mandarine; ­exotisch sauer: nach Ananas, ­Melone und Litschi; und er birgt feine Umami-Nuancen: ein bisschen Birke, ein Hauch von Heu, Tomate und etwas Mandel. Der Saft, der aus den Tropen stammt, heisst Koa. Reine Natur, frei von ­Zusätzen, ein perfektes Beispiel für nachhaltiges Wirtschaften. Die Idee dazu hatte ein deutscher Wahlschweizer.

JOHANNES LANG

Ein Schweizer Start-up macht aus der Kakaofrucht – nein, nicht Kakao, sondern einen Saft, der uns die Tropen geniessen lässt.


Mehr Auto fürs Geld kia.ch

Bewegend. In jeder Hinsicht.

Erleben Sie die grosse Leidenschaft, die alle Grenzen sprengt. Der neue Crossover von Kia zieht mit seinem urbanen Look alle Blicke auf sich und begeistert auch mit inneren Werten: fortschrittlichster Kia-Technik, maximalem Komfort – sportlich, sicher und mit jeder Menge Raum für Individualität.

Der neue Kia XCeed ab CHF 23’950.– Erfahren Sie mehr auf kia.ch Abgebildetes Modell: New Kia XCeed Style 1.4 T-GDi aut. mit 7-Stufen-Automatik DCT (Doppelkupplungsgetriebe), (inkl. Optionen: Panoramaglasdach CHF 1’500.– und Metallic-Lackierung CHF 650.– = CHF 2’150.–) CHF 38’700.–, 5,9 l/100 km, 135 g CO2/km, Energieeffizienzkategorie F, CO2-ETS 31 g/km, Emissionsklasse Euro 6d Temp, New Kia XCeed 1.0 T-GDi man. CHF 23’950.–, 5,7 l/100 km, 130 g CO2/km, Energieeffizienzkategorie E, CO2-ETS 30 g/km, Emissionsklasse Euro 6d Temp. Durchschnitt aller in der Schweiz verkauften Neuwagen: 137 g CO2/km (unverbindliche Preisempfehlung inkl. MwSt.). CO2-ETS = CO2-Emissionen aus der Treibstoff- und/oder der Strombereitstellung. Fahrweise, Strassen- und Verkehrsverhältnisse, Umwelteinflüsse und Fahrzeugzustand können Verbrauchs- und CO2-Emissionswerte beeinflussen. Die angegebenen Verbrauchs- und CO2-Emissionswerte wurden nach dem WLTP-Messverfahren auf dem Prüfstand ermittelt und in NEFZ-Werte umgerechnet.


B U L L E VA R D

Österreichische Chemiker entwickeln eine neue Therapie gegen Brustkrebs. Die Behandlung soll erkrankte Zellen präzise zerstören. Weil sie i­hnen so ­nahe kommt wie nie zuvor.

Gemeinsam sollen sie in Zukunft krebskranke Zellen bekämpfen: ein Spuren­ element namens Selen und winzige Kapseln, die sich ­Nanopartikel nennen. «Damit wollen wir Patientinnen mit Brustkrebs noch besser und effizienter therapieren», sagt die Chemikerin Doris Ribitsch. Mit ihrem Team entwickelt sie am Austrian Centre of Indus­ trial Biotechnology (acib) im niederösterreichischen Tulln

18

KRANKES GEWEBE IM VISIER

Im Labor arbeitet man deshalb daran, den Wirkstoff Selen ganz gezielt zum Tumor zu bringen: das Transportmittel sind Nanopartikel, winzige Proteinkapseln. Wie kleine Kügelchen sehen sie aus. Diese hüllen sich um den Wirkstoff und bewegen sich direkt zum kranken Gewebe. Dort erst öffnen sie sich. «Die Nano­ partikel bestehen aus dem Protein Humanalbumin und aus Seidenprotein. Das eine ist für die Triebkraft zu den Krebszellen zuständig, das andere sorgt dafür, dass die Kügelchen das Selen an der kranken Zelle freisetzen», so

Ribitsch. Damit sie das Tumor­ gewebe im Körper finden, sind die Nanopartikel darüber hinaus mit Antikörpern aus­ gestattet. Diese reagieren auf Moleküle, die spezifisch für Brustkrebs sind. Und leiten damit den Wirkstoff präzise zu den kranken Zellen. Das Forschungsprojekt «Neosetac» (New Seleniumbased Targeted Nanocapsules to treat Breast Cancer) wird vom EU-Programm Horizon 2020 unterstützt. Und das ist gut so. Mehr als 350.000 Frauen erkranken in Europa jährlich an Brustkrebs. Auf die Nanopartikel-Helfer müssen sie aber noch etwas warten: «In etwa zehn Jahren könnte es so weit sein», hofft Ribitsch. acib.at

INNOVATOR

MARLENE GROIHOFER

NANO -TAXI ZUR HEILUNG

KLAUS PICHLER

FORSCHUNG

eine neue Art der Tumor­ behandlung. Innovativ daran sind sowohl der Wirkstoff als auch die Methode. Selen ist eigentlich dafür bekannt, als Nahrungsergän­ zungsmittel unsere Immun­ abwehr zu stärken. Wird es hoch dosiert verabreicht, kann es jedoch auch Krebszellen zerstören. «Deshalb isolieren wir Selenverbindungen aus Pflanzen und entwickeln deren zytoxische Eigenschaften, also ihre Fähigkeit, Zellen zu schädigen, weiter», sagt Ribitsch. Künftig soll Selen dann im Körper von Brust­ krebspatientinnen Zellen ver­ nichten – allerdings nur die kranken: «Chemotherapien können auch gesundes Ge­ webe schädigen, was den Kör­ per schwächt und zu starken ­Nebenwirkungen führt», er­ klärt Ribitsch. Genau das will die neue Therapie vermeiden.

JOHANNES LANG

Aus Kokons wird Seidenprotein isoliert. Dieses dient zur Herstellung von Nanopartikeln, die den Wirkstoff direkt zum Tumor transportieren.


I N N O V AT O R

Chemikerin Doris Ribitsch mit Kokons der Seidenraupe, der Basis für eine neue Methode, gegen Brustkrebs vorzugehen.

DIESE NEUE METHODE SOLL NEBENWIRKUNGEN VON CHEMOTHERAPIEN VERMEIDEN. INNOVATOR

19


I N N O V AT O R

B U L L E VA R D

Ein US-Start-up macht aus deinem Handy ein Satellitentelefon – und das kann dir bei deinen Abenteuern in der Wildnis das Leben retten.

20

FELIX DIEWALD

LET’S STICK TOGETHER

rechnet Pitt Grewe vor. Dazu kamen komplizierte Verträge, die bei einem längeren Trip bis zu 200 Franken oder mehr kosten können. Den Bivystick gibt es bereits um knapp die Hälfte. Er funktioniert dank eines Guthaben-­Systems, das ohne Anmeldung und Laufzeit auskommt. Das Basispaket gibt es um rund 18 Franken für einen Monat, die All-inclusive-Version um 60 Franken; darin ent­ halten: Location-Tracking und Wettervorhersage. Und für den Fall, dass dem Handy-Akku in der Wildnis der Saft ausgeht, hat man den Stick mit einer Extra-­Batterie ausgestattet. bivystick.com

Der Bivystick: knapp 200 Gramm leicht, 14,3 Zentimeter lang, per Karabiner befestigbar

INNOVATOR

GETTY IMAGES

M O B I L I TÄT

Wo die Natur besonders wild ist, hat dein Handy meist keinen Empfang. Für Abenteurer birgt das Probleme. Wie ohne Netz ein Lebens­ zeichen, einen Notruf oder eine GPS-Position verschicken? Profis setzen daher auf Satel­ litentelefone. Doch die sind teuer in Anschaffung und ­Verwendung. «Wir wollten ein Satellitentelefon, das sich ­jeder Outdoor-Sportler leisten kann», sagt Pitt Grewe vom US-Start-up Bivystick. Dafür setzt das Entwicklerteam nicht auf ein Extra-Gerät, sondern auf das Handy. «Das hast du sowieso dabei, auch wenn du draussen in der Natur keine Verbindung hast.» Mittels eines 14,3 Zentimeter langen Sticks, der sich via Bluetooth und einer App verbindet, wird das Smartphone einsatzbereit – und zwar unabhängig davon, wie abgelegen dein Stand­ort ist. «Wir ­haben ein weltweites Netz mit 66 Satelliten. Wenn du den Himmel siehst, hast du auch Empfang.» Bisher gab es Satelliten­ telefone ab rund 700 Franken,

JOHANNES LANG

Unterwegs im Dschungel: Dank Bivystick bleibst du mit der Welt in Verbindung.


Schadenskizze

en Wi r f i n d d e en d ie p a s s r I h r fü L ö s u n g me n . h e Un t e r n i o n a l e r eg Un s e r e ng h i l f t u r e k n a Ver ei. u n s d ab

Was immer kommt – wir halten Ihrem Unternehmen den Rücken frei. mobiliar.ch/kmu


Text  JONAS VOGT

Fotos  MISHA FRIEDMAN

22

S I C H E G E S C

INNOVATOR


Besser ent­ scheiden – in fünf Schritten. Die New Yorker Ökonomin Allison Schrager erklärt, wie Risikomanage­ ment funk­ tioniert. Und dass dieses Wissen auch im normalen ­Leben ganz nützlich ist.

R E H Ä F T E INNOVATOR

Die 8,6 Millionen Einwohner von New York City ­gehen jeden Tag Risiken ein. ­Allison Schrager weiss, was sie ­dabei besser ­machen könnten.

23


Allison Schrager ist Ökonomin, Fachgebiet: Altersvorsorge. Klingt trocken, ist es aber nicht. Das zeigt schon der Titel ihres Buches. Er lautet übersetzt «Kommt ein Ökonom ins Bordell». Schrager erklärt darin in lebensnahen Beispielen die Anatomie von Risiken. Und wie wir lernen können, mit ihnen umzugehen – um damit bessere Entscheidungen zu treffen. the red bulletin inno­vator: Ihr Buch ­beginnt mit Ihrem Besuch in einem Bordell in Nevada. Was hat eine Forscherin in einem Bordell zu suchen? allison schrager: Ich ging einer Frage nach: Warum ist legale Prostitution in Nevada so erfolgreich? Wo die Freier dort doch deutlich mehr zahlen müssen als auf der Strasse – und den Frauen dort trotzdem weniger Geld bleibt. Und wie lautet die Antwort? Ganz einfach: Risikomanagement. Für die Prostituierten kompensiert die relative Sicherheit den Verdienstausfall, und die Freier müssen keine Angst haben, ins Gefängnis zu kommen. Es ist unterm Strich einfach ein guter Deal für beide Seiten, die auf diese Weise ein kalkuliertes, eben ein „smartes“ Risiko eingehen.

Wovon reden wir eigentlich, wenn wir das Wort «Risiko» verwenden? Die meisten Menschen betrachten Risiko als etwas Schlechtes. In der Ökonomie ist damit aber etwas anderes gemeint: nämlich alle Möglichkeiten – gute wie schlechte. Sie haben für Ihre Forschung mit vielen erfolgreichen Menschen gesprochen. Was haben diese gemeinsam? Sie sind alle sehr gute Risikomanager. Erfolgreiche Menschen machen sich bewusst, warum sie Risiken eingehen, und wissen, wie sie die Gefahren minimieren. Das Erstaunliche: Viele dieser Menschen hatten keine spezielle Ausbildung. Trotzdem managen sie Risiko auf eine planmässige, methodische Weise – so als hätten sie Finanzmanagement studiert. Die Gesellschaft tendiert dazu, Menschen zu glorifizieren, die grosse Risiken eingegangen sind. Warum? Unsere Gesellschaft hat eine seltsame Beziehung zum Risiko. Wenn wir sagen, etwas ist riskant, meinen wir im Normalfall: Tu es nicht! Aber wir bewundern auch waghalsige Menschen, die mit dem Kopf durch die Wand gehen. Eine Gruppe, die dabei fast übersehen wird, ist jene, die sehr sorgfältig und bedacht Risiken eingeht. Wie treffen wir bessere Entscheidungen? Das kann man trainieren. Man kann lernen, Wahrscheinlichkeiten realistischer einzuschätzen und die richtigen Werkzeuge einzusetzen. Die sind nicht nur in der Finanzwelt interessant – sondern für jeden Bereich des Lebens.

Lebe deinen Traum, aber lebe ihn klug. Nimm dir nicht einen Riesenkredit auf, sondern sichere dich vielfältig ab.

Was genau ist ein smartes Risiko? Ein smartes Risiko bringt dich deinem angepeilten Ziel näher. Und gleichzeitig minimiert es die Gefahr, damit zu scheitern. 24

INNOVATOR


Schragers Weg war nicht immer direkt: Mitte der 2000er schrieb sie für die Web­site des «Economist». Unbezahlt.

«HINTERTÜR O F F E N H A LT E N »

Schragers fünf Schritte zu einer besseren Entscheidungsfindung.

Planen

Minimieren

Setze dir nur Ziele, die du auch wirklich erreichen willst. Noch wichtiger: ­Definiere deine Ziele prä­ zise: «Ich will heiraten» braucht ein anderes Risiko­ management als das Ziel «Ich will glücklich ver­ heiratet bleiben».

Halte das Risiko minimal: Du willst 50 Aktientitel kaufen? Kauf lieber 500! Gehen davon 25 Firmen pleite, ist es egal.

Prüfen Hinterfrage vor deiner Entscheidung alles, was du schon sicher zu wissen glaubst. So beugst du fata­ len Fehlern vor. Denn wer unbeabsichtigt von einem Irrtum ausgeht, dem hilft später das beste Manage­ ment nichts mehr.

INNOVATOR

Managen Stelle dir alle guten und schlechten Optionen vor und sorge dafür, dass die schlechten, falls sie ein­treten, nicht zu viel Schaden anrichten.

Flexibel sein Unerwartetes passiert oft. Halte dir also eine Hinter­ tür offen, falls deine Pläne den Bach runtergehen.

Stellen wir uns vor: Ich bin Journalist, backe aber auch fantastische Cupcakes. Soll ich meinen Job aufgeben und ­einen Cupcake-Shop eröffnen? Wenn das Ihr Traum ist, dann sollten Sie das wahrscheinlich tun. Aber Sie ­sollten es eben auch auf kluge Weise machen. Nicht Hals über Kopf einen ­Riesenkredit aufnehmen, sondern sich über verschiedene Finanzierungen absichern. Das Wichtigste ist: Es muss wirklich Ihr Ziel sein. Sie schreiben, dass sich Menschen ­ihrer genauen Ziele gar nicht bewusst sind. In Ihrem Buch führen Sie das ­Beispiel an, dass «Ich will heiraten» und «Ich will glücklich verheiratet ­bleiben» k ­ eine identischen Ziele sind … Genau. Im ersten Fall ist es rational, die erste Person zu heiraten, die einen wirklich liebt. Im zweiten braucht es aber andere Überlegungen. Diese können zu derselben P ­ erson führen, müssen aber nicht.

25


Schragers wichtigste Aussage: Menschen sollten sich nicht fragen, ob es sinnvoll ist, ein ­Risiko einzugehen. Sondern wie sie es kalkulierbar ­machen können.

Sie definieren fünf Schritte zur besseren ­Entscheidungsfindung. Über den ersten, die Ziele, haben wir bereits gesprochen. Was sind die nächsten vier? Der nächste ist, verzerrte Wahrnehmungen ­los­zuwerden, die sind Gift für das Risikomanage­ ment. Klassisches Beispiel: Wir denken, dass beim Pokern unser aktuelles und das nächste Blatt irgendwie zusammenhängen. Oder der Krimi­nelle, der meint, weil er mit Steuerhinter­ ziehung durchgekommen ist, wird er auch mit Betrug durchkommen. Das sind alles Sachen, ­die wir ­sicher zu wissen glauben. Und so entste­ hen ­Fehler … Der dritte Schritt wäre: nicht mehr ­Risiko einzugehen als nötig. 26

Wie funktioniert das? Im Finanzwesen erreicht man das mit Diver­ sifizierung. Lieber Aktien von 500 Firmen besitzen als von 50. Das ist ein sehr wichtiges Konzept, nicht nur bei der Anlage. Nehmen wir wieder den Journalisten: Ich könnte mich darauf konzentrieren, der beste Schreiber zu werden. Aber dann bin ich nur so lange sicher, solange man Schreiber braucht. Ich könnte zum ­Beispiel auch zusätzlich Programmieren lernen. Kommen wir zum vierten Schritt. Das ist das eigentliche Management. Wenn wir uns Risiko als Verteilung von guten und schlechten Optionen vorstellen, wollen wir die

INNOVATOR


schlechten so gering halten wie möglich. Eine der Möglichkeiten ist Hedging. Dabei gebe ich potenzielle Vorteile auf, um potenzielle Nachteile abzufedern. Ein einfaches Beispiel: gegen das eigene Fussballteam wetten. Wenn es gewinnt, fühlt man sich zwar etwas schlechter, weil man Geld verloren hat. Aber dafür hat man auch einen Trost, wenn sie verlieren. Die andere Möglichkeit ist die Versicherung. Dabei behalte ich alle Vorteile und bezahle jemand anderen dafür, die Nachteile zu übernehmen. Wir haben schon darüber gesprochen, dass sich diese Mechanismen auf alle Lebensbereiche übertragen lassen. Was wäre Hedging und Insurance im Kontext eines Dates? Hedging wäre zum Beispiel, sich nie ganz auf jemanden einzulassen. Man erlebt zwar nie das ganze Hoch der Liebe, aber man wird auch weniger verletzt. Insurance wäre, sich jemanden in der Hinterhand zu halten, auf den man im Zweifelsfall zurückgreifen kann. Das sind aber moralisch eher zweifelhafte Tipps. Wir haben noch nicht über die Unsicherheit gesprochen. Das ist der letzte Punkt, der immer zu wenig Aufmerksamkeit kriegt. Es können immer Dinge passieren, mit denen man nie im Leben gerechnet hätte. Man sollte eine gute Risikomanagement-Strategie haben, aber so flexibel bleiben, dass man noch reagieren kann. Nehmen wir wieder den Cupcake-Shop. Sie haben einen wunderbaren Businessplan, haben alles ausgearbeitet, Kredite aufgenommen – und plötzlich kommt es zu einem grossen Ausbruch von Diabetes. Damit konnten Sie nicht rechnen. Dann müssen Sie flexi­ bel genug sein, Ihre Pläne zu ändern.

Wette gegen dein eigenes ­Fussballteam. Wenn es gewinnt, freust du dich über deren Sieg – wenn es verliert, über das Geld.

INNOVATOR

Allison Schrager: «An Economist Walks into a Brothel. And Other Unexpected Places to Understand Risk», Preis: 19,90 CHF

Wenn ich morgen meinen Chef treffe, um eine Gehaltserhöhung zu ver­ handeln: Was sollte ich im Vorfeld ­bedenken? Zuerst einmal die Klassiker: Ich sollte mir einen Überblick über die finan­ zielle Situation meines Unternehmens verschaffen und eine realistische Einschätzung haben, was mein Beitrag ist. Aber es gibt in Verhandlungen auch Hedging-Strategien. Das heisst, ich biete meinem Chef mehrere Optionen an: Ich möchte gerne zehn Prozent mehr Gehalt, würde mich aber auch mit fünf Prozent zufriedengeben, wenn ich dafür mehr Urlaubstage bekäme. Das schwächt die Verhandlungsposition für die erste Option, aber die Chance steigt, dass ich überhaupt mit etwas rausgehe. Und wenn ich zwei Start-ups vor mir habe: In welches soll ich investieren? Das ist einfach: in beide. Nach all Ihren Forschungen: Treffen Sie heute bessere Entscheidungen? Nicht immer, aber meistens. Das ­Training, das Bewusstmachen der ­Mechanismen hilft auf jeden Fall. Kann das jeder lernen? Na klar! Was ich in meiner Forschung gelernt habe: Jeder hat das in sich. Jeder hat einen Aspekt im Leben, wo er Risiken sehr klug und methodisch eingeht. In ­anderen Bereichen wird man aber über­ rollt, wenn man die Wissenschaft dahinter nicht versteht. Wenn man Menschen darauf hinweist, dass sie diese Mechanismen bereits anwenden, können sie sie besser auf andere Lebensbereiche übertragen.  27


INN OVATOR WIS SEN

HOW TO CONVINCE VO LL

ÜBER ZEU G EN SCHRIT TEN

IN

Man muss nicht recht haben, um recht zu behalten. Denn – sorry, Debattier-Fans – es entscheiden nicht die besseren Argumente dar­ über, wer in Diskussionen die Oberhand behält oder andere in seinen Bann zieht. Es geht um einen feinen Mix aus gesprochener und Körpersprache. Also weniger darum, was du sagst. Mehr darum, wie du’s sagst. Hier kommen 18 Tipps vom Rhetorik-Experten Matthias Pöhm, die deine Überzeugungskraft steigern werden.

Aufgezeichnet von Reiner Kapeller

28

INNOVATOR


Verwende erprobte Satzmuster Ganz egal, was der Inhalt des Ge­ sprächs ist: Es gibt erprobte Satz­ muster, die das Gesagte auf ein Po­ dest stellen. Der Zuhörer rechnet dann unbewusst mit etwas Wich­ tigem. Im Gespräch klingt das so: «Jetzt sage ich Ihnen, warum wir ab morgen eine neue Produktlinie brauchen.» Sofortige Spannung kann man auslösen durch Sätze wie «Jetzt kommt’s», «Passen Sie auf» oder «Hören Sie hin».

Nutze die Kraft von Beispielen «Der grösste Fehler – und daran scheitern fast alle meine Semin­ arteilnehmer – ist unkonkretes, allgemeines Dahergerede.» Ein Satz wie «Unsere Massnahme bringt Zeitersparnis» erzeugt keine Wirkung. Besser sind konkrete Beispiele: «Wenn wir das tun, sparen wir fünf Stunden Arbeits­ zeit, Woche für Woche, die wir in andere Projekte stecken können.»

Erzeuge bei deinem Zuhörer Bilder Abstrakte Schlagwörter bedeuten für das Hirn Schwerarbeit – weil es sie in Konkretes übersetzen muss. Wer überzeugen möchte, muss es den Gehirnen seiner Zu­ hörer leicht machen. Im Idealfall lässt er Bilder entstehen. Also nicht: «Trotz günstiger Rahmen­ bedingungen steht uns dieses Jahr eine negative Umsatzentwicklung bevor. Der Turnaround ist alter­ nativlos.» Sondern: «Obwohl die Konjunktur brummt, sind die Umsätze im Keller. Wenn wir nicht sofort gegensteuern, fahren wir den Karren an die Wand.»

INNOVATOR

Wer wirklich überzeugen will, streicht «Ich glaube», «Ich finde», «Ich denke», «Ich würde meinen» aus seinem Wortschatz.

Verzichte auf Weichmacher Wer wirklich überzeugen möchte, streicht folgende Ausdrücke aus seinem Wortschatz: «Ich glaube», «Ich finde», «Ich denke». Das gilt auch für den Konjunktiv «Ich würde meinen» etc. – weg damit! Auch Sprachmarotten wie «eigent­lich», «sozusagen, »natürlich», alles Unfug. Auch «äh», «dann», «und …» sowie der Schweizer Klassiker «oder?» – ein für alle Mal löschen.

Sprich langsam, das verleiht Gewicht Manche glauben, schnell reden zeugt von Expertise. Stimmt nicht. Der Mensch merkt sich langsam Gesagtes besser. Instinktiv spüren wir: Wenn jemand seine Rede­ geschwindigkeit verlangsamt, kommt etwas Wichtiges.

29


Gönn dir ruhig eine Pause

Geh (mit deiner Stimme) in die Tiefe

Manchmal sollte man nicht nur langsam sprechen, sondern gleich gar nicht. Denn eine Pause vor wichtigen Aussagen erzeugt ­Spannung. Und wer am Ende eines Satzes pausiert, lässt das zuvor Gesagte nachklingen und wertet es dadurch auf. Im Dialog reichen zwei Sekunden, vor Publikum sind drei ideal. Fühlt sich zu Beginn ewig lange an, wird aber schnell natürlich.

«Einen grossen Fehler, den bestimmt ein Drittel meiner Teilnehmer macht, haben wir unseren Lehrerinnen und Lehrern zu verdanken.» In der Schule wurde uns eingetrichtert, am Ende einer Frage mit der Stimme hochzugehen. Doch das wirkt nicht selbstbewusst. Wer überzeugen möchte, senkt am Ende der Frage die Stimme.

Lerne, dein Visavis zu bestätigen Kennt jeder: Einmal kurz einen Gedanken geformt, schon fällt einem der andere ins Wort. Wer gleich wieder zum Zug kommen möchte, wartet darauf, bis der andere etwas sagt, das man bestätigen kann. Angenommen, dein Gegenüber sagt: «Wir sollten uns jetzt eher mit den Personalkosten beschäftigen.» Dann sagst du: «Ja, die Personalkosten sind definitiv etwas, das wir uns zu gegebener Zeit näher ansehen sollten. Aber jetzt zurück zu meiner Idee.» Den anderen bestätigen, das Wort übernehmen, ein neues Thema einleiten.

30

Hundertmal gehört, und trotzdem macht es so gut wie keiner: Wer im Gespräch den Namen seines Gegenübers verwendet, wirkt sofort überzeugender und kommt sympathischer rüber.

Sag es ruhig noch einmal Wiederholungen verdichten eine Aussage, machen sie eindringlicher und bedeutender, verstärken sie. Noch einmal: Wer etwas wiederholt, verstärkt nicht nur Bedeutung und Eindruck des Gesagten, sondern verstärkt auch seine Aussage.

Nenn dein Gegenüber beim Namen Hundertmal gehört – und trotzdem macht es so gut wie keiner. Wer im Gespräch den Namen des anderen verwendet, wirkt überzeugender und sympathischer. Und wer sympathisch rüberkommt, kann auch eher mit Zustimmung und Unterstützung anderer rechnen.

INNOVATOR


Tiefe Einblicke in Motivation, Selbstvertrauen und Talent zum Nachlesen.

«Präsentieren Sie noch oder faszinieren Sie schon?» Emotionale Rhetorik statt PowerPoint – von Matthias Pöhm.

«Überzeugt!» Der deutsche Autor Jack Nasher erklärt, wie man mit optimierter Eigendarstellung Kompetenz zeigen und die Menschen so für sich gewinnen kann.

Verwende Vergleiche Menschen lieben Vergleiche. Sie sind leicht verständlich und überzeugen auch auf einer tieferen Ebene. Beispiel gefällig? «Ich höre in Seminaren immer wieder, dass man nicht authen­ tisch wirkt, wenn man rhetorische Techniken anwendet. Darauf antworte ich mit einem Vergleich. Der geht so: ‹Du hast früher als Kind in die Hose gemacht. Das war authentisch. Irgendwann hat man dir beigebracht, das nicht mehr zu tun. Authentisch wäre, weiter in die Hose zu machen.› Authentisch, das ist Aussenwirkung, nicht mehr.»

Übertreib es nicht (oder nur selten)

«Die Kraft der Überzeugung» Praxiserprobte Ideen und Tipps, wie man Selbstbewusstsein ausstrahlen und Überzeugungsarbeit leisten kann – von Ralph Strassner.

INNOVATOR

Wer es mit einem Stilmittel übertreibt, erzeugt das Gegenteil dessen, was er erzeugen wollte. Doch gerade zu ­B eginn zahlt sich Mut aus.

Egal welche Technik, egal welche Methode: Nur gut dosiert einge­ setzt funktioniert sie einwand­ frei. Wer es mit einem Stilmittel übertreibt, erzeugt das Gegenteil dessen, was er wollte. Doch gerade zu Beginn zahlt sich Mut aus. «Generell ist es so: Die meisten verwenden rhetorische Techniken im Untermass. Also ermutige ich sie, ins Übermass zu gehen. Denn im Alltag werden sie nicht alles umsetzen, durch die Auf­ forderung zur Übertreibung kann ich sie ins Idealmass schieben.»

31


So geht Souveränität. Wie du eine großartige Rede hältst, mit facettenreicher Stimme faszinierst und selbst die schlimmsten Nerven­sägen zu gebannten Zu­hörern machst – kurz, einen perfekten Auftritt hinlegst: vier Top-Tipps.

Sprich mit deinen Händen Es gibt viele Möglichkeiten, ­Hände und Arme einzusetzen. Fast alle sind falsch. Hände hinter den Rücken? Falsch. Hände in die Hüfte gestützt? Falsch. In die Hosen­taschen? Falsch. Verschränkt? Auch falsch. Merkel-­ Raute? Ganz falsch, denn die deutsche Kanzlerin hat ihre Unterarme waagrecht, oft sogar wie ein Dach nach oben gefaltet und auf Höhe des Brustbeins. Klassische Opferrolle. Die einzig richtige Position: Die Unterarme leicht nach unten abgewinkelt und die Hände auf Höhe des Bauch­ nabels locker zusammenhalten.

Erzeuge mit Gesten Nachdruck Mit Gestik kann man richtig gut überzeugen. Das heisst: Verwende deine Hände, um Dinge deutlich zu machen. Wer sagen möchte, dass eine Neuerung im Betrieb drei Vorteile bringt, zeigt seinem Gegenüber gut sichtbar drei Finger und sagt: «Erstens: Wir werden kürzer arbeiten» (Daumen rauf), «zweitens: Wir werden mehr schaffen» (Zeigefinger ebenfalls rauf) «und drittens: Die Leute sind zufriedener» (Mittelfinger kommt dazu). Die Geste bleibt nach dem letzten Satz noch für drei Sekunden aufrecht. So geht Meinungsführerschaft.

Verwende deine Hände, um Dinge deutlich zu machen. Wer sagen will, dass eine Neuerung drei Vorteile bringt, streckt gut sichtbar drei Finger in die Höhe.

«Rhetorik, die im Kopf bleibt» Glänze als Redner: top­bewerteter Gratis-Podcast der Schauspielerin, Trainerin und Rednerin Birgit Schürmann.

«Profi» App für professionelles Sprechen. Phonetikerin Monika Hein erklärt, wie du deine Stimme ideal einsetzt.

www.directpoint.ch Richtiges Selbstmanagement – die SubWeb­site von post.ch gibt einen Überblick über Auftritt, Körpersprache und No-Gos.

«Spontan sprechen» YouTube-Channel von Sprachspezialistin Isabel García. Hier lehrt sie, wie du dir Respekt verschaffst.

32

INNOVATOR


Firmenspesen im Griff, Prämienmeilen im Gepäck. Bestellen Sie Ihre neue Business Kreditkarte und erhalten Sie bis zu 30’000 Prämienmeilen.

cornercard.ch/business


MATTHIAS PÖHM, 59 Rhetoriktrainer, Buchautor und Inhaber der Pöhm Seminarfactory

Schau den Leuten auf die Nase Wer anderen nicht in die Augen schaut, dem wird misstraut. Und misstrauische Menschen zu überzeugen ist verdammt schwer. Die gute Nachricht für alle, die nur schwer Blickkontakt halten: Es reicht, wenn man seinem Gegenüber auf die Nase schaut. Eye-Tracking-Untersuchungen haben gezeigt, dass niemand den Unterschied merkt.

Sei standfest wie Barack Obama

Nutze die Kraft der Sympathie

Die gute ­N achricht für alle, die nur schwer Blickkontakt halten: Es reicht, wenn man seinem Gesprächspartner auf die Nase schaut.

Manchmal ist das eigentliche Anliegen nebensächlich, und Überzeugung gelingt auf anderer Ebene. Etwa, wenn man eine Person zum Lachen bringt, sie zum Essen einlädt oder mit ihr etwas trinken geht. «Sympathie öffnet Tür und Tor – es ist faszinierend, in welchem Ausmass sie das tut.»

Spare dir deine Energie Bei manchen Themen versagt sogar die beste Technik. Religion etwa, Verschwörungstheorien genauso. Wenn jemand glaubt, dass Gott die Welt in sieben ­Tagen schuf und Bielefeld nicht existiert (ja, die Theorie gibt’s), dann sollte man seine Energie lieber sparen. Es ist nämlich so: Argumente zählen nicht, wenn sie auf Glaube treffen. Glaube ist nicht überzeugbar. PRIVAT

Wer überzeugen möchte, muss überzeugend auftreten. Das heisst: Ab sofort keine einge­ knickten oder gar verdrehten Beine mehr, sondern das Gewicht gleichmässig verteilen. «Obama ist super, ­seine Beine wirken wie Säulen.»

Matthias Pöhm, 59, ist einer der bekanntesten Rhetoriktrainer im deutschen Sprachraum, Autor und Inhaber der Pöhm ­Seminarfactory mit Sitz in Bonstetten. Ursprünglich Software-­ Ingenieur, hatte Pöhm 1990 sein Schlüsselerlebnis, als er bei einer Betriebsversammlung zum Reden aufgefordert wurde – und scheiterte. Diese Erfahrung veranlasste ihn, Rhetorikkurse zu besuchen und öffentliches Reden zu üben. Seit 1997 ist Matthias Pöhm Trainer für Rhetorik. Er lehrt Techniken für freies Reden, Körpersprache und Schlagfertigkeit.  poehm.com

34

INNOVATOR


Zeit, umzuschalten. ALLE VOLVO MODELLE SIND JETZT AUCH ALS PLUG-IN HYBRID ERHÄLTLICH. Wir bei Volvo sind davon überzeugt, dass Fortschritt und Nachhaltigkeit sich perfekt vereinen lassen. In einem Antrieb, der mehr bewegt als nur das Fahrzeug. Deshalb bieten wir Ihnen jedes Modell ab sofort auch als Plug-in Hybrid an. So können Sie mit nur einem Knopfdruck auf den rein elektrischen und vollkommen emissionsfreien Modus umschalten. Gleichzeitig sind Sie auf längeren Strecken unabhängig von Ladestationen.

AB SOFORT

MIT 12 MONATEN GRATIS-STROM*

MEHR ENTDECKEN AUF VOLVOCARS.CH/HYBRID

INNOVATION MADE BY SWEDEN.

* Bei Kauf eines neuen Volvo Plug-In Hybrid ab dem 16. Oktober 2019 bei einem offiziellen Volvo Vertreter. Gültig für Fahrzeuge, die im Abrechnungszeitraum, der frühestens in der KW 20/2020 beginnt, ein ganzes Jahr gefahren werden. Einmalige Rückerstattung der Kosten für das Stromtanken nach Ablauf des Jahres. Die Abrechnung erfolgt ausschliesslich über die Volvo On Call App und unter Berücksichtigung des tatsächlichen, in der Volvo On Call App ausgewiesenen Stromverbrauchs (Pure Mode) zu einem Ansatz von 25 Rappen/kWh. Die Erstattung erfolgt über die Volvo On Call App. Nicht gültig für Mietwagen. Gültig bis auf Widerruf. Volvo Swiss Premium® Gratis-Service bis 10 Jahre/150 000 Kilometer, Werksgarantie bis 5 Jahre/150 000 Kilometer und Verschleissreparaturen bis 3 Jahre/150 000 Kilometer (es gilt das zuerst Erreichte). Nur bei teilnehmenden Vertretern. Abgebildete Modelle enthalten ggf. Optionen gegen Aufpreis.


F Ü R

36

A N

INNOVATOR

KATJA ZANELLA-KUX

M A R S R


E I S E N

F Ä N G E R

INNOVATOR

37


ÖS TERREI CHISCH E WIS SENSCHAF TLER PL AN EN

D IE AM BITIO NIERTE S TE E XPED ITI O N ALLER Z EITEN : D EN ERS TEN BEMAN NTEN MARS - FLU G .

GREGOR KUNTSCHER

R AUMEINSATZ IN TIROL Zwei «Analog-­ Astronauten» beim Training auf der Erde: Sie verhalten sich, als wären sie auf dem Mars – deshalb der Zusatz «analog».

38

INNOVATOR


Mit le b e n s e c h te n Te s t mis sio n e n . Mit u n ko nve n tio n e lle n E x p e rim e n te n . U n d m it e in e m ü b e rr as c h e n d e n Cre d o: M a c h je d e n Ta g s o v ie le Fe h le r, w ie d u ka n n s t .

Text ALEX LISETZ


N

Für jeden Aussen­ einsatz legen die ­Analog-Astronauten ihre volle Aus­ rüstung an.

Noch läuft in der Druckkammer alles nach Plan. Die Raum­ anzüge: versiegelt. Die Sauerstofftanks: voll. Dann der grosse Moment: Die Schleu­ se öffnet sich, und die Astronauten ­b e­t reten zum ersten Mal die Mars-Ober­ fläche. Der Komman­ dant geht voran. Er dreht sich zur Raumstation um – und da passiert es.

Er löst einen Wackelkontakt in seinem Headset aus. Ein hochfrequenter Ton fährt ihm bis ins Mark. Eine Fehlfunk­ tion des Lautsprechers. Ein ohren­ betäubendes Pfeifen, das sich nicht abstellen lässt. Es wird sein Trommel­ fell zerreissen, wenn er nicht gleich … Er löst die Not-Entriegelung aus, schleudert seinen Helm in den Sand. Endlich Stille. Seine Ohren klingeln noch, aber sein Trommelfell scheint ohne Schäden geblieben zu sein. Erst jetzt bemerkt er die betroffe­ nen Gesichter seiner Teamkollegen. 40

INNOVATOR


LEHRBERUF ASTRONAUT Wäre diese Mars-Mission nicht nur ein Test und wäre das hier nicht in Wirklichkeit die Wüste Utahs, dann wäre er jetzt tot. Wieder einmal. Gernot Grömer, 44, starb schon viele Heldentode. Der Astrophysiker aus St. Florian in Oberösterreich ist Direktor des ÖWF, des Österreichischen Weltraum Forums. Diese Forschungseinrichtung ist ein Think-Tank von 200 Wissenschaftlern aus 25 Nationen, die über die Grenzen unseres Planeten hinausblinzeln. Ihre spannendste Aufgabe: simulierte Mars-­ Missionen. Diese aufwendigen Forschungs-Camps stellen die realen Bedingungen auf dem Mars möglichst originalgetreu in irdischer Umgebung nach. Das bedeutet: Die Crewmitglieder müssen wochenlang auf engstem Raum in einer von der Aussenwelt ­abgeschotteten Station leben, die ­irgendwo in einer menschenleeren Steinwüste abgestellt wurde. Ins Freie dürfen sie nur in Raumanzügen, um Gesteinsproben zu sammeln oder Messungen vorzunehmen. Das Ziel dieser Praxistests: Dank der dabei gewonnen Erkenntnisse sollen künftige Mars-Expeditionen sicherer, effizienter und erfolgreicher werden.

Damit die Wissenschaft bei jeder Testexpedition so viel wie möglich

FLORIAN VOGGENEDER

für die Zukunft lernt, wenden Grömer und sein Team eine unkonventionelle Methode an. Fehler sind nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. «Alles, was schiefgeht, bringt uns weiter», sagt Grömer. Dasselbe Prinzip hat schon vor 140 Jahren ein gewisser Thomas Edison ausprobiert. «Ich bin nicht ­gescheitert – ich kenne jetzt 10.000 Wege, wie man eine Glühbirne nicht baut», soll er vor seinem Durchbruch gesagt haben. Grömers Version klingt noch ein bisschen knackiger: «Wir kennen schon 1000 Wege, wie man am Mars sterben kann.» INNOVATOR

25

Jahre alt muss mindestens sein, wer sich um die Ausbildung als Analog-Astro­ naut bewirbt. Maximalalter: 45; Grösse: 165 bis 190 cm; Mindest­ gewicht 55 kg.

5

Monate dauert die Vor­ bereitung für die Mars-Simulation. Sie umfasst Theorie­seminare, Sportprogramm und praktische Übungen.

14

Bewerber wurden 2019 zur Ausbildung zu­ gelassen. Sechs dav­on nehmen an der Simulation 2020 teil, die ­übrigen kommen bei anderen Einsätzen zum Zug.

Der Mars ist kein besonders gemüt­ liches Reiseziel. Die Temperaturen sinken an kühlen Tagen auf minus 110 Grad Celsius. Die Atmosphäre ­besteht zu 95 Prozent aus Kohlenstoff­ dioxid. Und sie ist so dünn, dass die kosmische Strahlung fast ungefiltert durchdringt. Auf lange Spaziergänge möchte man da lieber verzichten. «Unser Job ist, paranoid zu sein», sagt Grömer, «weil jeder winzige Fehler am Mars katastrophale Auswirkungen ­haben kann.» Darum denken Grömer und sein Team jeden Tag darüber nach, was am Mars alles schiefgehen könnte und wie man darauf reagieren soll. Was tun, wenn ein Dichtungsring am Raumanzug porös wird? Wenn der Funkkontakt zur Erde abbricht? Wenn nicht irgendein Crewmitglied krank wird, sondern der Arzt?

Grömers Paranoia ist die Lebensversicherung jener Entdecker, die

eines Tages wirklich zum Mars fliegen werden. «Wir wissen nicht, welche Über­ raschungen uns da oben erwarten», sagt Grömer. «Darum müssen wir zumindest auf die Probleme vorbereitet sein, die wir uns schon jetzt vorstellen können.» Aus diesem Grund verwenden die Wissenschaftler des ÖWF nicht nur Computersimulation oder gehen ins Labor, sondern in die Wüsten Utahs und des Oman, auf Tiroler Gletscher und in die Dachstein-Eishöhlen. Dort leben und forschen Sechserteams so­ genannter «Analog-Astronauten» bis zu vier Wochen lang in nachgebau­ ten Raum­stationen. Diese dürfen sie nur für konkrete Forschungsaufträge verlassen: zum Beispiel, um Bodenproben zu sammeln und zu analysieren – und dann nur im Raumanzug. Nach dem Essen schnell einmal die Beine vertreten ist dabei keine Op­ tion. Allein das Anlegen des 30 bis 50 Kilogramm schweren Anzugs

DIE FAKTEN  41


Die ÖWF-Wissenschaftler lieben Probleme nicht, weil ihnen ohne

langweilig wäre. Sondern weil jeder Irrtum und jede Verzögerung, jeder technische Defekt und jedes menschliche Versagen die Wissenschaft ein bisschen schlauer macht. «Jeder Fehler, den wir jetzt machen, rettet einem Astronauten in der Zukunft das Leben – weil er ihn nicht mehr machen muss», sagt Grömer. Deshalb sind Fehlleistungen bei den ­simulierten Mars-Missionen nicht nur erlaubt. Sie werden sogar provoziert. «Wir möchten die Konsequenzen von jedem Fehler kennen. Denn nur dann können wir uns dagegen wappnen.» Manchmal begeben sich die Analog-­ Astronauten dafür nicht nur virtuell in Lebensgefahr, sondern auch real. Beispiel: «Wir glauben, dass es auf dem Mars regelmässig zu heftigen Wind­hosen mit starken Entladungen kommt», sagt Grömer. «Darum haben wir mit einer 6-Megavolt-Teslaspule die Schutzwirkung unserer Rauman­ züge gegen Blitzschlag getestet.» Fazit: Der Anzug schützte wie erhofft. «Der Kollege mit dem Defibrillator, der daneben wartete, durfte untätig bleiben.»

B

ei den Test-Missionen des ÖWF geht es aber nicht nur darum, Gefahren zu erkennen – sondern auch darum, Chancen besser zu nützen. Der erste bemannte Mars-Flug ist unsere Chance, riesige Mengen von neuem Wissen zu erwerben. Denn die ersten Menschen auf dem Mars werden nicht nur stur Daten sammeln wie die unbemannten Sonden vor ihnen. Sie werden diese Daten auch gleich vor Ort interpretie-

«Unser Job ist es, paranoid zu sein, weil jeder winzige Fehler am Mars katastrophale Auswirkungen haben kann.» GERN OT GRÖ M ER , LEITER D E S ÖS TER­ REICHISCH EN WELTR AU M FO RU M (ÖWF )

ren und daraus Entscheidungen ab­ leiten. Vielleicht erweist sich zum ­Beispiel ein zufällig entdecktes Seitental als geologisch besonders interessant. Dann werden die Astronauten vom ­ursprünglichen Plan abweichen und dort gezielt nach bestimmten Gesteins­proben suchen. Doch wie erkennt man Strukturen? Wie interpretiert man Zusammen­ hänge in einer öden Landschaft, in der alles gleich auszusehen scheint? Genau das werden die Analog-Astronauten 2020 in der Wüste Negev in Israel trainieren. Die Methoden, die sie sich dabei aneignen, sollen der ersten realen Mars-Mission helfen, effizienter zu ­arbeiten. Denn Zeit ist auf dem Mars kostbar – für mehr als ein paar Wochen werden die mitgeführten ­Ressourcen nämlich nicht reichen.

Um produktiver arbeiten zu können, entwickeln die ÖWF-Wissen­

schaftler nicht nur intelligentere Analyse­methoden – sie setzen auch neue technologische Meilensteine. Einer von ihnen ihr der Raum­ anzug-Simulator «Serenity».

42

FLORIAN VOGGENEDER, CLAUDIA STIX, PAUL SANTEK

beschäftigt zwei Crewmitglieder für drei Stunden. Seit 2006 fanden zwölf Missionen statt. «Jede einzelne war eine logistische Kapriole», sagt Grömer. Kurze Kunstpause, dann: «Gott sei Dank.»

3  Ein Raumanzug wird in einer ­Messkammer der Uni­versität Innsbruck ­getestet, um seine  Funk­anlage zu überprüfen.


1  Den ÖWF-Direktor ­Gernot Grömer prä­sen­ tiert die Sendung «P.M. Wissen» im öster­ reichischen Fernsehen. Er nahm an bisher allen Mars-Simulationen teil.

2  Das Mission Support Center in Innsbruck ist die Kommandozentrale der Mars-Simulation. Die Analog-Astronauten treffen aber auch viele Entscheidungen selbst.

2

1 3

4

4  Analog-Astronauten suchen beim L.I.F.E.-Experi­ment mithilfe Laser-induzierter Fluoreszenz-Emission nach mikrobiellem Leben. INNOVATOR

43


«In ihrer Nische sind die österreichischen Wissenschaftler inzwischen so anerkannt, dass sogar die NASA gern auf ihre Expertise zurückgreift.»

44

INNOVATOR


TESTFAHRT AUF QUAD - BIKES Zwei Analog-­ Astronauten loten bei einem Aussen­ einsatz aus, was Staub an einem Raumanzug anrichten kann.

VIER FAQs ZUM MARS WANN

wird der erste bemannte MarsFlug stattfinden? Vermutlich zwischen 2040 und 2050 – je nach politischer und technischer Entwicklung.

WIE

lange wird man zum Mars unterwegs sein? Man rechnet mit einer Reise­ dauer von etwa 200 Tagen in einer Richtung.

WAS

macht den Mars für uns so interessant? Er hat eine Atmosphäre und ist der Erde von allen Planeten am ähnlichsten.

WARUM

FLORIAN VOGGENEDER

war die Ent­ deckung von flüssigem Wasser am Mars so eine Sensation? Weil wir Wasser für die Voraussetzung von Leben halten. Wir vermuten, dass dort, wo flüssiges Wasser existiert, einfaches Leben entstanden sein könnte.

Der gemeinsam mit internationa­ len Universitäten entwickelte Schutz­ anzug schützt vor Staub, Kälte und Kontaminierung und versorgt mit Sauerstoff. Zusätzlich kommuniziert er aber auch mit seinem Träger (siehe Kasten auf Seite 50). Der Anzug ist nicht die einzige Neuentwicklung, bei der die ÖWFForscher quasi Geburtshilfe geleistet haben. Einige Technologien, die sie bei den bisherigen Mars-Simulationen getestet haben, sind sogar schon im Alltag angekommen – zum Beispiel ein In­stru­ment, das Neurologen der Uni Innsbruck zum Erkennen von ­gefährlicher Übermüdung entwickelt haben. Dieses Messgerät analysiert die Tätigkeit der Gehirnwellen anhand von Pupillen­durchmesser-­Schwan­ kungen – und hilft nun der Polizei in mehreren osteuropäischen Ländern, fahruntüchtige Lkw-Fahrer aus dem Verkehr zu ziehen.

I

nzwischen geniessen die ÖWF-Missionen inter­ national einen solch guten Ruf, dass vor jeder Mission Forscher aus aller Welt ihre Projekte dafür ein­ reichen. Ein paar Dutzend dieser ­Projekte werden ausgewählt und in die Mission integriert. Bei der Israel-­ Mission 2020 testen die Analog-Astro­ nauten zum Beispiel Fluggeräte und fahrende Roboter mit künstlicher In­ telligenz. Ein anderes Experiment soll die Veränderung der Darmflora der Crew durch die einseitige Ernährung in ­isolierter Umgebung unter grosser Stressbelastung untersuchen. In ihrer Nische sind die österrei­ chischen Wissenschaftler inzwischen so anerkannt, dass sogar die NASA gern auf ihre Expertise zurückgreift. «Bei einem kniffligen Problem», sagt Grömer, «hiess es schon ein paarmal: ‹Ask the Austrians.› Eine grössere An­ erkennung kann man sich gar nicht vorstellen.»

Doch wie real sind die Science-­ Fiction-Fantasien des ÖWF? Und

wie wahrscheinlich ist es, dass all die gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich irgendwann von echten Mars-Astro­ nauten angewendet werden?

INNOVATOR

45


DIE FAKTEN

WO GEHT’S HIER ZUM MARS? Der Mars ist nach dem gleich­ namigen römischen Kriegs­ gott benannt und zwischen 54,5 und 401,3 Millionen Kilo­ meter von der Erde entfernt. Er gilt als erdähnlichster ­Planet und rotiert in 24 Stun­ den und 37 Minuten einmal um die eigene Achse. Für ­seine rote Färbung ist Eisen­ oxid-Staub verantwortlich.

Der Mars ist rund eineinhalb mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde. Sein Durch­ messer beträgt gut die Hälfte jenes der Erde, seine Masse nur ein Neuntel von ihr. Der Mars hat wie die Erde polare Eiskappen, aller­ dings einen Mond mehr als wir.

46

INNOVATOR

3QUARKS/GETTY IMAGES, NASA

ERDE VS. MARS


600  km/h STAUBSTÜRME Die Staubstürme auf dem Mars ­erreichen bis zu 600 km/h, richten aber wegen des schwachen Luftdrucks keine Schäden an – der einzige gravierende Regie­fehler im Hollywood-Blockbuster «Der Marsianer» (2015).

3,711  m/s² GRAVITATION Die Mars-Schwere­ beschleunigung beträgt nur ein Drittel von ­je­ner der Erde. Für Riesen­sprünge wie auf dem Mond reicht das nicht – aber für einhän­ dige Klimmzüge.

PLANET DER ROBOTER Wenn man so will, ist der Mars der einzige von Robotern bewohnte ­Planet: Seit den 1970er-Jahren lan­deten dort Sonden. Aber noch keine einzige konnte wieder zurückkehren.

1971

DIE PIONIERE 1965 passiert die erste Sonde den Mars und schiesst 22 Fotos, 1971 landet das erste irdische Objekt – das Landemodul der Sowjet-Sonde «Mars 3». Die erste weiche Landung gelingt 1976 den USSonden «Viking 1» und «Viking 2», die ­zusammen über 50.000 Fotos liefern.

2012

–55 ° C 1960

INNOVATOR

TEMPERATUR Die Durchschnittstemperatur auf dem Mars beträgt – 55 °C. Je nach Jahreszeit und geo­ grafischer Lage kann es aber auch + 20 °C warm oder – 110 °C kalt werden.

NEUGIERIGER ROVER Die Celebrity unter den Mars-Sonden ist «Curiosity». Der autonome Rover des Mars Science Laboratory landete 2012 im Auftrag der NASA auf dem Mars und führt dort noch immer Untersuchungen durch.

2020 EUROPÄISCHER BEITRAG Die aktuellste Mission: 2020 soll der europäische «Exo Mars Rover» gezielt nach Spuren von Leben suchen. Seine Finanzie­ rung ist aber bis jetzt nicht gesichert.  47


«Der erste Mars-Astronaut ist ­ ereits geboren, die erste bemannte b Mars-Mission wird in 20 oder 30 Jahren stattfinden», ist Gernot Grömer überzeugt. Dass wir dazu 2019 technisch noch nicht in der Lage sind, ist für ihn kein Gegenargument. «Gut, wir haben heute keine Schwerladerakete in der Garage», sagt er. «Und wir müssten die Entwicklung von 3D-Druckern voran­ treiben, weil wir am Mars sicher nicht ohne auskommen.» Doch das, sagt er, seien lösbare Probleme. «Es hakt noch am gesellschaftlichen Willen, die Raumfahrt voranzutreiben. Mit einer gemein­ samen Kraftanstrengung könnte man die fehlenden Puzzleteile leicht finden.» Gerade die heimische Politik könnte da ruhig noch ein bisschen ambitionierter sein, findet er – auch weil österreichische Wissenschaftler an vorderster Front aktiv sind. Und die Kosten? Die seien halb so dramatisch, meint Grömer. «Eine reale Mars-Mission würde dem durchschnittlichen Europäer pro Jahr ein Big-Mac-Menü kosten», sagt er.

DAS MARSHABITAT Die «Kepler Station» in der Negev-Wüste (Israel): Hier werden die Analog-­ Astronauten im Ok tober 2020 leben und arbeiten. Ein fairer Preis für das grösste Abenteuer der Menschheit, die

­ mbitionierteste Reise der Geschichte a – und vielleicht sogar die faszinierendste Entdeckung aller Zeiten? «Ausserirdisches Leben zu finden», sagt ­Gernot Grömer, «wäre natürlich die grösste Sensation, die man sich vorstellen kann.» Bereiten sich die Analog-Astro­ nauten etwa auch auf die Konfron­ tation mit kleinen grünen Männchen vor? «Wir werden uns nicht auf Faustkämpfe mit Marsmenschen einlassen müssen», sagt Grömer, «aber wir werden uns auf die Suche nach Zellen oder Zellfragmenten machen.» Denn es gibt Indizien dafür, dass auf dem Mars Leben existiert haben könnte. Denn Leben, wie wir es kennen, ist von Wasser abhängig. Und Wasser hat es dort einmal in flüssiger

1

2

9

FLORIAN VOGGENEDER, CLAUDIA STIX

1 Richtfunkanlage Für die Kommunikation mit der Mission Control.

STEINESAMMLER Der Mars-Rover „Puli Rocks“ sammelte bei der Simulation 2015 Gesteinsproben – ferngesteuert von Puli Space in Ungarn.

48

INNOVATOR


2 Kommandostelle Hier werden auch die Raumanzüge angelegt.

3 Arztpraxis Mit Medikamenten­ depot und Unter­ suchungsraum.

3

5 Wasserlager 6 Wassertank

4 Wohnbereiche In den Containern dieser Zeile können sich die Analog-Astro­ nauten zurückziehen.

4 5

6

7 8

9  Science Labs Hier werden Instrumente repariert und wissenschaft­ liche Geräte gelagert. Auch ein Pflanzenwuchsexperiment wird hier durchgeführt.

8  Aufblasbare Habitat-Strukturen Eigens für diese Mission entwickelt und konstruiert – mit notfallmedi­ zinischer Station, 3D-Druckbereich, Robotik-Lab, Besprechungsraum.

7 Logistikbereich inkl. Esszimmer und Entspannungsecke.

DIE STATION

Form gegeben – wenn auch nur für ­einen relativ kurzen Zeitraum von ein paar hundert Millionen Jahren. Mög­ licherweise sind auf dem Roten Plane­ ten sogar einmal Flüsse und Meere dahingeplätschert – und in denen könnten Bakterien oder andere ein­ fache Lebensformen entstanden sein. Lauern also womöglich gefährliche Aliens auf die Astronauten? «Um­ gekehrt», sagt Grömer, «wir müssen INNOVATOR

aufpassen, dass wir kein existieren­ des Ökosystem zerstören oder für die Forschung verunreinigen – die Menschheit hat da ja schon genug Übung darin.» In der Negev-Wüste werden die Wissenschaftler nach Wegen suchen, so rücksichtsvoll wie möglich nach Spuren des Lebens zu suchen – und dabei gewiss wieder einen Fehler nach dem anderen machen.  49


DER ANZUG

«MEDIZINISCHE UND PSYCHO­ LOGISCHE VERSUCHE»

Head-upDisplay

Die deutsche Mikro ­ biologin Anika Mehlis , 3 8 , wird bei der Mars-­ Simulation 2020 die E xperimente an Mensch und Maschine leiten.

Kamera­

Ventilations­ system

inno­vator: Bei der Mars-Simulation 2020 verbringen Sie vier Wochen isoliert in der israelischen Wüste. Wie vertreibt man sich da die Zeit? anika mehlis: Uns wird keine Zeit zum Verschnaufen bleiben. Wir führen eine Vielzahl von Ex­ perimenten durch, dazu kommen die alltäg­lichen Notwendigkeiten: Essen zubereiten, Reparaturen durch­führen.

Display und Keyboard Suitport für den Einstieg von hinten

Exoskelett für die Druck­ simulation

Ein typischer Tag …? … ist zwei bis drei Tage vorher straff durchorganisiert. Bei un­ vorhergesehenen Problemen – wenn etwa ein Sturm das Verlas­ sen der Station gefährlich macht – wird improvisiert. Ansonsten sind die Aufgaben der Astronauten auf 15 Minuten genau festgelegt. «Analog-Astronauten»? So nennen wir die Teilnehmer der Mission, weil sie analog zu echten Astronauten die gleichen Auf­gaben haben und mit den gleichen Pro­ blemen fertigwerden müssen.

Mit dem 35 Kilogramm schweren Raumanzug-Simulator «Serenity» sind bis zu fünf Stunden lange Aussen­ einsätze möglich. Der Anzug misst selbständig Körperkerntemperatur, Sauerstoffversorgung, Herzschlag und Hirnstromaktivität seines Trägers, macht automatisch Audio- und Videoaufnahmen und ist für Temperaturen von 0 bis 60 Grad konzipiert.

50

Als Schnittstelle zwischen Mensch und Computer fungiert ein Head-up-Display und ein vereinfachtes Keyboard. So können die Analog-Astro­ nauten unter realen Bedingungen trainieren – auch wenn der Anzug nicht für den tatsächlichen All-Einsatz geeignet ist. Der Einstieg in den Anzug erfolgt von hinten über den inzwischen patentierten «Suitport».

OEWF-BERNHARD KALIAUER DESIGNSTUDIO

RAUMSCHIFF ZUM ANZIEHEN

Ihre Aufgabe als Mikrobiologin? Wir werden am Mars nach DNA oder Zellfragmenten suchen. ­Dabei müssen wir verhindern, dass wir selbst die Mars-Ober­ fläche kontaminieren. Da kann ich als Infektiologie-Expertin wertvolles Wissen einbringen. Sie sind selbst also auch ­Versuchskaninchen? Wir alle unterziehen uns medizi­ nischen und psychologischen Ex­ perimenten. Man weiss nun mal nicht, wie ein Mensch damit klar­ kommt, 200 Millionen Kilometer von der Erde entfernt zu sein.

INNOVATOR

VOG.PHOTO

Taschen­ fixierung


«WIR HABEN STRESS­G RENZEN AUSGELOTET» Cardio -Workout und Reiskörner zählen: So erlebte der Innsbrucker Physiker Rober t Wild, 37, seine Astro­n auten-­ Ausbil­d ung für die Mars-­S imulation 2020. inno­vator: Was ist die eine ­Eigenschaft, die jeder angehende Astronaut mitbringen muss? robert wild: Man braucht nicht eine Stärke, sondern eine Kombination vieler unterschiedlicher Stärken. Die Grundlage sind aber Team­fähigkeit und technischer Back­ground.

1 2

Ihre Stärken? Ich habe in den USA Physik studiert, meine Forschungsgebiete sind Materiewellenbeugung und Quantenmechanik ultrakalter Atome. Und ich habe ein gutes Gespür in Field Missions. Was muss ein Astronauten-­ Lehrling alles lernen? Es gab theoretische Seminare, etwa über Sternenkunde und Geologie. Für jeden ein indi­viduell ­erstelltes Kraft- und Konditions­ training – und viele praktische Übungen. Welche praktischen Übungen? Etwa Glove Exercises. Wir übten, mit klobigen Handschuhen feinmechanische Aufgaben zu be­ wältigen. Auch das Anziehen des Raumanzugs war eine Heraus­ forderung. Mit allen Sicherheits-­ Checks beschäftigt das zwei Leute für drei Stunden.

1  Robert Wild in der «OPS» – der Station, an der die Telemetrie­ daten der Raumanzüge ausgewertet werden.

INNOVATOR

2  Anika Mehlis beim Techniktraining: Hier justiert sie im «Trockentraining» eine Richtfunkantenne.

Ein Geduldstest? Unsere Stressresistenz wurde auch auf andere Weise getestet. Einmal musste ich mit Zeitdruck weisse und schwarze Reiskörner zählen und sortieren, während ich ständig abgelenkt wurde. So haben wir unsere Stress­grenzen ausgelotet.

51


Würdevolle Selfies, ein Duft-DJ-Set und ein Wecker, der dich fitter macht? Hier sind sieben Gadgets, die den Spassfaktor im Leben erheblich steigern.

HIER KOMMEN DIE ALLTAGSOPTIMIERER 52

INNOVATOR

AIRSELFIE

Text: MARC BAUMANN


AIRSELFIE 2

SMARTE SELFIE - DROHNE

Was würde Albrecht ­Dürer zu Kim Karda­shian sagen? Dürer malte im Jahr 1500 sein Meisterwerk «Selbstbildnis im Pelzrock», Kardashian wurde weltberühmt mit Duckface-Selfies vor dem Klospiegel. Vom ­Ölgemälde zum Selfiestick – kulturell ein ­langer Weg nach unten. Aber man kann auch 2019 würdevoll Selbst­ porträts anfertigen: mit der Drohne «AirSelfie2», die selbst Dürer gefallen hätte. Vier bürstenlose INNOVATOR

Motoren, 80 Gramm leichtes Aluminium­ gehäuse – und jede ­Menge Technologie: Gesichts­erkennung, 16 Gigabyte Speicherplatz, eine 12-Mega­pixel-­ Kamera und HD-Videos, aufgenommen wahl­weise im «Capture me»-Modus vor einem schwebend oder im 360-Grad-­ Modus um einen kreisend. Die Drohne kann sechs Minuten in der Luft bleiben und sich bis zu 20 Meter entfernen. PREIS: CA. CHF 230 AIRSELFIECAMERA.COM

53


MOODO

ANSPRECHBARER DUFTSPENDER

PREIS CA. CHF 110 MOODO.COM

ST. LEONHARD

HIRNTRAINER FÜRS HAND­G ELENK Die gute alte Uhr muss sich etwas einfallen las­ sen, wenn sie weiter an unseren Handgelenken hängen will – und nicht im Museum. Ihr grösster Feind ist unsere Smart­ phonesucht, da ist es nur logisch, dass die Uhr mit den Mitteln des Internets zurückschlägt: Diese ­futuristisch aus­sehende und erstaunlich günstige Uhr von St. Leon­hard zeigt die Zeit im Binär­ code an. Wer kein Pro­ grammierer ist, der

braucht ein wenig, bis er die Umrechnung begreift (man addiert die obere Reihe für die Stunden, die untere für die Minuten). Das sorgt für Gehirn­ training und herrliche Entschleunigung im hek­ tischen A ­ lltag. Dennoch vertraut man in den ers­ ten Tagen bei wichtigen Terminen besser nicht ­allein auf die Binäruhr. Doch hat man den Dreh erst mal raus, darf man sich der neidischen Blicke der Nerds gewiss sein. PREIS CHF 20 AMAZON.COM

54

INNOVATOR

MOODO, VESARO, PEARL

Hören, sehen, riechen, schmecken, tasten. Fünf Sinne hat der Mensch, drei kennen Google Home und Alexa schon: was du hörst (Spotify), siehst (Netflix) und schmeckst (Lieferando). Jetzt kommt ein vierter Sinn dazu: Wer seinen Sprachassistenten mit der Moodo Box verbin­ det, kann per Zuruf den Geruch daheim ändern. Man füllt die Box mit vier Geruchskapseln, die lassen sich per App ein­ zeln aktivieren oder als Lieblingsduft mischen.

­Duft-DJ nennt der Her­ steller das. Neben Klas­ sikern wie Vanille und ­Lavendel gibt es etwa auch «Oriental Delight». Die Düfte sollen unser Wohlbefinden steigern, weniger esoterisch ­ausgedrückt kann man Wohnungs­düfte wie «Katzenklo» oder «Mist, den ich eigentlich hatte rausbringen wollen» nun sanft k ­ orrigieren.


VESARO

F1 - SIMULATOR FÜR DEIN ZUHAUSE

Was tun, wenn man grosser Formel-1-Fan ist, aber zugleich jeden Freitag bei Fridays for Future für Umweltschutz demonstriert und aus Protest keinen Führerschein hat? Die Lösung: ein VR-Renn­ simulator (und im Fall des «Vesaro VR Stage 5» wäre ein Lottogewinn gut, das Ding kostet über 44.000 Franken). Da Vesaro die Renn­ INNOVATOR

simulatoren im Modulprinzip verkauft, bekommt man sie abgespeckt um knapp 3200 Franken. Teuer wird es beim High-End-Sitz, der einen beim Beschleunigen in die Polster drückt und beim Rennen durch-

schüttelt, oder bei der «3-Screens-Version». So oder so: Stressabbau ist hier garantiert. Und wer billiger fahren will, muss Carsharing mit dem Nachbarn machen. PREIS AB CHF 3200 VESARO.COM

55


HANDPRESSO

KAFFEE ­ MASCHINE FÜRS AUTO

Bei der schriftlichen Führer­scheinprüfung gibt es die Frage, was gegen Müdigkeit am Steuer hilft. Zur Aus­ wahl steht auch die Ant­ wort «Kaffee trinken, weiterfahren». Sagen wir mal so: Wer das an­ kreuzt, sollte bei den restlichen Fragen nicht mehr allzu viel falsch machen. Die richtig Ant­ wort lautete natürlich: «Rechts ranfahren, eine

Pause einlegen». Mit dem «Handpresso« gibt es jetzt die Möglichkeit, beim Zwischenstopp nach etwas Schlaf gleich noch einen munter­ machenden – und wohl­ schmeckenden – Kaffee zu brühen. Einfach den Handpresso in die 12-Volt-Zigaretten­ anzünder-Buchse ­s tecken, Kapsel oder ­gemahlenen Kaffee ein­ legen, Wasser dazu und Gerät im Getränkehalter befestigen. Kaum zwei Minuten später sind 50 Milliliter Espresso fertig. Und das Ergebnis kann sich sehen bzw. schmecken lassen – der Hersteller verspricht gar Kaffeequalität «wie vom ­Barista».

KDC

MINIATUR PROJEKTOR FÜRS HEIMKINO 56

INNOVATOR

HANDPRESSO, PEARL, KDC

PREIS CA. CHF 175 HANDPRESSO.COM


Wecker nerven, weil man sie nur braucht, wenn man früher auf­stehen soll, als der Körper will. Zum Trost gibt es eine grosse Auswahl an Quatsch-Weckern, die einen müde lächeln lassen: der Kaffee-Wecker

(tröstet mit frischem Getränk), der Tennisball-Wecker (werfen) oder der Batman-Wecker (Gotham braucht dich, steh auf!). Neu auf dem «Quatsch, aber lustig»-Thron: der Hantelwecker. Der lärmt, bis

man die Hantel oft genug gestemmt hat. Dass die Aufschrift «10 kg» etwas übertrieben ist (real: 500 Gramm) muss man dem Übernachtungs­ gast ja nicht sagen. PREIS CA. CHF 15 PEARL.DE

INFACTORY

WECKER MIT TRAININGSEFFEKT

Die Weltwirtschaft schwächelt, die Digitalisierung erschüttert die Branchen. Welchen Beruf sollen junge Leute in diesen unsicheren Zeiten erlernen? Ganz einfach: Augenarzt. Denn wenn INNOVATOR

man eins vorhersagen kann, dann: Sehschwäche. Es wächst nämlich eine Generation heran, die es schafft, alle acht ­Staffeln von «Game of Thrones» am Handy zu sehen. Wer nicht Stammkunde beim Optiker werden will, sollte über den «Cube Smart Beam Laser Projector» von UO nachdenken. Der Mini-Beamer verwendet Lasertechnik und bringt es auf bis zu 150 Zoll Darstellungsgrösse

(fast vier Meter Durchmesser). Realistisch sind zwei M ­ eter Bild­ diagonale. Die wirft der sechs Zentimeter kleine Würfel eindrucksvoll an Wand oder Decke – und zaubert so ein ­kleines Heimkino. PREIS CA. CHF 300 KDCUSA.COM

57


BABBEL ERZÄHLT VON MARKUS WITTE (CEO)

Der Gründer der Sprachenlern-Plattform Babbel erzählt, wann ihm und dem Team klar wurde: Ihre Idee könnte zünden. Über eine Million Nutzer lernen heute mit Babbel Fremdsprachen.

E

58

ine ­Million Nutzer lernen mittlerweile mit Babbel Fremdsprachen. Gründer Markus Witte erzählt, wann dem Team klar wurde, dass ihre Idee zünden könnte.

det. Damit hätten wir nie gerechnet – das war ein geiles Gefühl. Mein Mitgründer Thomas Holl und ich waren auf einem Event und sind den ganzen Abend mit einem breiten Grinsen rumgelaufen.

innovator: Markus, gerade erst musstet ihr in Berlin mit euren 750 Teammitgliedern in ein grösseres Gebäude ziehen, gleichzeitig expan­ diert ihr in die USA und habt ein eigenes Angebot für Sprachreisen gestartet. Er­ innerst du dich heute noch, ob es in der Gründungs­ phase diesen einen Moment gab, in dem du gemerkt hast: Das mit Babbel, das könnte tatsächlich funk­ tionieren? markus witte: Nicht nur an einen! Der erste war der Tag, an dem wir live gingen: der 15. Januar 2008. Schon in den ersten Stunden nach dem Launch hatten sich mehrere tausend Menschen angemel-

Wie lange genau hielt dieses Hoch­gefühl an? Bis zum Monatsende. Dann merkten wir: Die Nutzer finden unsere Idee zwar ganz toll, aber das mit dem ­Online-Sprachenlernen klappt nicht. Im Grunde hatten wir einen ganz stumpfen Vokabel­ trainer herausgebracht. Mit dem hätte man in hundert Jahren keine Sprachen lernen

Zur Person. Ursprünglich wollte Markus Witte Soft­ ware für Musiker ent­ wickeln. Jetzt bringt er digitale Sprach­ kurse gross raus.

Von Sprachen hattet ihr kei­ ne Ahnung? Wo kam denn dann die Expertise her? Genau das haben wir uns zu dem Zeitpunkt auch gefragt. Das Bizarre an unserer Branche ist ja, dass viele glauben, sie müssten ihren Content überhaupt nicht selbst produzieren.­Wir zum Beispiel wollten das einfach über die Community lösen. Wir ­dachten, wir müssten bloss einen Italiener und einen Deutschen zusammenbringen, und die könnten sich dann gegenseitig unterrichten. Das ist dann ziemlich schnell schiefgegangen. Welche Korrekturen brach­ ten die Wende? Wir hatten eine Frau eingestellt, die Inhalte aus Schul­ büchern in die App übertragen sollte. Sie sagte irgendwann: «Das nächste Mal produzieren wir den Content selbst.» Wir wussten nicht, ob wir das hinbekommen würden, aber wir haben das 2009 einfach gemacht, und das war dann der nächste grosse Moment. Nicht die Technik war das Problem – die war bei uns immer solide –, sondern die Struktur. Babbel wurde vom Vokabeltrainer zur Sprachlern-App mit klarer Didaktik. Heute arbeiten über 150 Sprachlernexperten an der Kursentwicklung. War euch sofort klar, wie wichtig dieser Schritt war? Nein, das ist quasi im Vorbei­ gehen passiert, niemand von uns dachte: «Jetzt ist der Moment, in dem wir unser grosses Problem lösen.» Es war eher so: «Na ja, wenn sie es sagt, dann machen wir das mal.» Plötzlich konnte man mit dem Ding tatsächlich Französisch oder Spanisch lernen.

INNOVATOR

MIRELLA FRANGELLA

DIE ERFOLGSSTORY VON

können. Wir hatten in der Sache bloss ein grosses TechProblem gesehen und uns gedacht: Wir sind Techies, also lösen wir das mal. Aber das Problem war sehr viel kom­ plizierter.


«Plötzlich konnte man mit de m D ing tat s ächlich Französisch o de r Spanisch le rn en . »

Woran habt ihr das gemerkt? Für mich waren immer die Momente entscheidend, in denen ich einzelne Menschen im wirklichen Leben traf, die sagten: «Hey, ich nutze eure App, und ich habe damit Französisch gelernt!» Das passiert mir mittlerweile oft. Das sind Momente, wo sich das Ganze wirklich cool anfühlt. Das Gefühl kriegst du nicht, wenn du nur Nutzerzahlen auswertest. Wann wusstest du endgültig, ihr habt es geschafft? Dieser eine Happily-ever-afterMoment passiert nicht. Natürlich gibt es Meilensteine: eine Million zahlende Kunden im Jahr 2016 zum Beispiel. Das ist aber wie mit dem Älterwerden. Man arbeitet nicht darauf hin, vierzig zu werden … Doch, ja: Manchmal muss ich mich kneifen und frage mich: Echt jetzt?

Vom ersten Gedanken bis zum erfolgreichen Unternehmen: 2008 Der Launch Babbel geht 2008 online. Noch am sel­ ben Tag melden sich mehrere tausend User beim Sprach­ lerndienst an.

INNOVATOR

201 3 Preise Babbel wird mit den prestigeträchtigen Awards «digita 2013» und «Inno­ vate 4 Society» ausgezeichnet.

2016 1 Million Ein Meilenstein: Das Unternehmen verzeichnet erst­ mals über eine ­Million zahlende Babbel-User.

201 8 100 Millionen Babbel erwirtschaf­ tet einen RekordJahresumsatz von 100 Millionen Euro.

Zusammengefasst: Was war euer Erfolgsrezept? Dass wir kein Geld hatten. Wenn du Geld hast, ist es verlockend, den eingeschlagenen Weg beizubehalten, und man kommt nie an den schmerzhaften, aber entscheidenden Punkt, an dem du merkst: Verdammt, die Richtung ist grandios falsch … Aber dann gibt es auch noch etwas anderes. Nämlich? Du brauchst auch Glück.

babbel.de

59


GESUNDHEIT

DIGITALISIERUNG

INDIVIDUALISIERUNG

MEGATRENDS TE X T   60

JAKOB HÜBNER

INNOVATOR


GENDER SHIF T

NEO - ÖKOLOGIE

2020 INNOVATOR

Werden Maschinen die Umwelt retten? Können wir uns gesund essen? Digital lieben? Experten sagen Ja. Ein Blick auf die wich­t igsten Treiber des globalen Wandels.

61


Was macht einen Trend zum Megatrend? Megatrends sind Lawinen in Zeitlupe. Man muss sie nicht voraussagen, denn sie sind schon da. Wie Konsumverhalten, Statistiken und Um­fragen zeigen, sind Megatrends die grössten Kräfte des Wandels: Sie schaffen epochale Veränderungen, indem sie alle Aspekte von Wirtschaft und Gesellschaft massgeblich bestimmen. Nicht auf kurze, sondern auf lange Sicht. Megatrends sind komplex­– und unberechenbar. Aus unzähligen Sub- und Nebentrends ­bestehend, vernetzen und beeinflussen sie sich gegenseitig und generieren so laufend neue Chancen, unser Leben zu optimieren.

Faktische Angaben stammen von Schweizer Zukunftsforschern sowie aus der Dokumentation der Zukunftsinstitut GmbH, Frankfurt am Main (www.zukunftsinstitut.de)

62

INNOVATOR INNOVATOR


Megatrend

DIGITALISIERUNG

Maschine denkt, Mensch lenkt

Die Zukunft gehört der Symbiose aus menschlicher ­Kreativität und ­künstlicher Intelligenz.

F

Okay, in Zeiten rasend schnell wachsender Digitali­ sierung haben sich Maschinen ein paar – kognitive – Eigen­ schaften angeeignet, in denen sie uns durchaus überlegen sind. Sie schlagen uns im Schach, rechnen millionen­ fach schneller, und ihre selbst­ lernenden Algorithmen führen zu immer erstaunlicheren ­Resultaten – denken wir nur an User-­angepasste GoogleSuche-Ergebnisse oder auf uns zugeschnittene Werbung im Netz. Aber mit mensch­ lichen Grundkompetenzen können sie nicht mithalten: Kreativität und Schöpferkraft.

Wohin geht der Trend? Die gute Nachricht: «Maschinen und künstliche Intelligenz wer­ den uns sogar kreativer ma­ chen», sagt US-Trendforscher Tim Leberecht, «weil sie uns repetitive und monotone Tätig­ keiten abnehmen.» Dadurch haben wir mehr Zeit, u ­ nsere schöpferische Arbeitskraft zu nutzen. «Ärzte werden wieder heilen statt abfertigen, Journalisten wieder inter­ pretieren statt copypasten, und Handwerker werden wieder gestalten statt nur zusammenbauen.» Die Maschinen werden Augen machen.

«Künstliche ­Intelligenz wird jene wettbewerbsfähiger  machen, die sie schnell adaptieren.» G e o r g e s   T.  R o o s , L u z e r n e r Tr e n d - u n d Z u k u n f t s f o r s c h e r

ED/CAMERA PRESS/PICTUREDESK.COM

Kreative künstliche Intelligenz, von Menschen ­programmiert – der ­malende Roboter Ai-Da

Fürchten Sie, dass Ihnen ein Roboter mal den Job wegnimmt? Dass ein Blech­ trottel Ihr nächster Chef sein wird? Keine Sorge. Kann schon sein, dass Sie wegrationali­ siert werden – trotzdem sind Maschinen noch lange nicht die besseren Menschen. Die künstliche Intelligenz ist nicht so intelligent, wie uns ihr ­Mythos glauben machen will.

INNOVATOR

63


Megatrend

GESUNDHEIT

Von der Hand in den Mund Insekten könnten bald unseren grossen Hunger stillen. Doch vorerst steht der kleine Happen auf dem Speiseplan: Wir snacken uns gesund.

Auch wenn Heu­ schrecke und Grille längst im Schweizer Lebensmittel­ gesetz stehen (auch im CoopRegal als «essento-Snacks»): Noch ist der Durchschnitts-­ Eidgenosse nicht dazu bereit, in den knackigen Grashüpfer zu beissen und das auch noch gut zu finden. Dennoch: Insek­ ten werden als die gesunden Proteine der Zukunft gehan­ delt – und als das mögliche Ende der Massentier­haltung. «Weil man bei ihrer Zucht ­keine Hormone und Anti­ biotika braucht», weiss die Berner Starköchin Andrea Stau­dacher. Und weil man dem Krabbeltier-Food (neben einem hohen Protein- und ­Vitamingehalt) neuerdings auch eine antioxidative Wir­ kung zuschreibt. «Insekten schützen sogar vor Krebs», so essento-CEO Christian Bärtsch. Bis sich Heuschrecke und Co aber auf unseren Tellern etablieren, spielt sich dieser Foodtrend noch im Verborgenen ab – etwa bei

64

der Produktion von Pulvern und Pasten oder für Müsli­ riegel und Kekse. In absehbarer Zukunft steht eine ganz andere Revolution auf dem Speiseplan. Früh­ stück, Mittag-, Abendessen – die drei tragenden Stützen der täglichen Routine – werden demnächst gegessen sein. Der Arbeitsalltag wird immer flexibler, ein starrer Essens­ zeitplan als störend empfun­ den und irgendwann über den Haufen geworfen. Es gibt ­kleinere Mahlzeiten, die über den Tag verteilt eingenommen werden. Noch sind Snacks ­Synonym für ungesundes,

THOMAS M. BARWICK INC/GETTY IMAGES, HANS GISSINGER/TRUNK ARCHIVE

A

INNOVATOR


­unachtsam eingeworfenes Fast Food. Das ändert sich, der Snack wird salonfähig – und kommt als gesunder Mee­ resalgensalat oder Energie­ riegel. Die Futurologen haben einen Begriff dafür, der auf der Zunge zergeht wie ein Song von den Red Hot Chili Peppers: «Snackification». Und was bringt die Zukunft Food-technisch noch? Pro­ duktion und Konsum rücken im Zuge der «Glokalisierung» (= globale Lokalisierung) ­näher zusammen. «Urban ­Farmers» versorgen die ­wachsende Stadtbevölkerung mit frisch gepflücktem Ge­ müse. Der Fleischkonsum sinkt, der Sonntagsbraten bleibt. Man schiebt ihn aber nicht daheim in die Röhre, sondern zelebriert das grosse Fressen in fröhlicher Runde in einem massgeschneiderten Gastrobetrieb.

«Der meistgenannte Wunsch für die Zukunft ist Gesundheit. Als Megatrend prägt er sämtliche Lebens­bereiche – wie auch die Ernährung.» G e o r g e s   T.  R o o s

Digitale Bestandsaufnahme: Zwei Urban Farmer dokumentieren den Zustand ihres Salats mittels Tablet. Rechts: «Snackification»: ein ProteinHimbeer-Cookie

INNOVATOR

65


«Wenn wir ständig im Netz sind, entgehen uns die Freuden des Alleinseins.» R o g e r S p i n d l e r, S c h u l e f ü r Gestaltung Bern und Biel

Megatrend

INDIVIDUALISIERUNG

Das grosse Ich bin Ich Individualisierung ist ein Trend-Turbo. Achten müssen wir in dieser Dynamik vor allem auf eines: uns selbst. Als zentrales Kulturprinzip der westlichen Welt ist die Individualisierung Nährboden zahlreicher Mega­ trends, die unsere Gesellschaftsstrukturen vor allem in den letzten Jahren massgeblich verändert haben – ­wobei die Banner, unter denen diese soziokulturellen Feld­ züge zum Sturm bliesen, ­genauso bunt sind wie die Gesellschaft selbst: Diversity,

A

66

Gender Shift, Neo-Tribes, LGBTQ … Der Haken an der Sache: Individualisierung funktioniert nur dann, wenn sich das einzelne Individuum auch als solches «kennenlernt». Und genau diese Fähigkeit der Selbsterkenntnis droht in der permanenten Reizüberflutung des digitalen Zeitalters unterzugehen. Als Rettungsring wirft uns die Z ­ ukunftsforschung hier einen Begriff zu, der zunächst

einmal so gar nicht trendy klingt: die Achtsamkeit. Gemeint ist damit der bewusste Einsatz einer passiven Geistesgegenwart, die eine direkte Wahrnehmung von uns selbst und unserer Umwelt erlaubt – frei von Emo­ tionen oder Bewertungen, Vergangenheit oder Zielen. Salopp formuliert könnte man sagen: Die Zukunft gehört der Gegenwart.

INNOVATOR


Megatrend

INDIVIDUALISIERUNG

Zurück in die Zukunft Die Gen Z kann via Smartphone die Gesellschaft und ihre Werte verändern. Aber vielleicht will sie das ja gar nicht. Hyperliberale, smartphone­ süchtige Digital­ junkies? Knapp daneben ist auch vorbei. Gerade die Gene­ ration Z (geboren 1997 bis 2012) zeigt recht eindrucks­ voll, wie eindimen­sional sich Generationenbilder in die gesellschaftliche Netzhaut brennen. Beim Thema Tech­ nik­affinität hat die Gen Z das Zepter zwar fugenlos von den Millennials übernommen, in anderen entscheidenden Bereichen legt sie allerdings einen spektakulären U-Turn hin. Geprägt vom Finanzcrash 2008, entwickeln Z-Members massiv konservative Verhal­ tensformen. Sie haben später Sex, suchen langzeitige Part­ nerschaften und haben vor ­allem einen völlig anderen Zugang zu Geld.

H

«Z-Members entwickeln ein konservatives Verhalten: Sie haben später Sex und einen völlig anderen Zugang zu Geld.»

Sparen und Vorsorge sind bei der Generation Z wieder en vogue, 64 Prozent haben bereits angefangen, für ihre finanzielle Zukunft vorzusor­ gen. Ein starker Kontrast zu den Millennials, die weitaus weniger Wert auf Materielles legten («Sammle M ­ omente, nicht Dinge!»).

GETTY IMAGES

Tr i s t a n H o r x , Z u k u n f t s i n s t i t u t

INNOVATOR

67


Megatrend

GENDER SHIFT

Techniken der Verführung Die schönste ­Nebensache der Welt wird zur Spielwiese der Technologie. Lust darauf haben wir schon jetzt.

Liebesroboter «Harmony» der US-Firma Abyss Creations: RealDoll kann sprechen – dank KI mit dem ­Besitzer auch eine ­persönliche Be­ ziehung aufbauen.

68

INNOVATOR


Der Megatrend Gender Shift bricht unauf­ haltsam die Geschlechter­ stereotypen auf. Da ist es nur logisch, dass auch unser ­Beziehungs- und Sexualleben in der Z ­ ukunftsforschung ­eine ganz zentrale Rolle spielt.

D

Einerseits, weil unser Intimver­ halten quasi das Epizentrum weitreichender gesellschaft­ licher Trendwellen darstellt; andererseits, weil damit eine milliardenschwere Industrie verbunden ist. Als massgeb­ liche Player unter der Bett­ decke haben sich in den letz­ ten Jahren vor allem mobile Dating-Apps beziehungsweise die Verheissung von unver­ bindlichem Sex, auf einen Klick oder Wisch, etabliert. Zu erhöhten sexuellen Aktivi­ täten haben Tinder und Co ­paradoxerweise aber nicht ­geführt. «Tatsächlich haben die Millennials, also die Pionie­ re dieser Apps, im Vergleich zu vorherigen Generationen sogar weniger Sex», berichtet Zukunftsforscher Tristan Horx. Nichtsdestoweniger wird ­unser Sexualleben, losgelöst vom Diktat der Repro­duktion, immer individueller und ­facettenreicher. Hier kommt nun auch die Technik ins Liebesspiel.

JOHN FRANCIS PETERS

Smarte Sextoys, die unsere Performance im Bett optimie­ ren, erotische Gadgets, die harmonisch mit dem Smart Home vernetzt sind, sensitive Wearables oder interaktive Tools, die den «Liebesakt»

INNOVATOR

­ nline über räumliche Grenzen o hinweg ermöglichen, Virtual und Augmented Reality, die pornografische Illusionen auf ein völlig neues Level heben – alles keine Zukunftsmusik. Mit der dynamisch wachsen­ den Akzeptanz der digitalen Lust wird, so die vorherr­ schen­den Prognosen, auch der Sexroboter die soziale Hürde in die Normalität über­ springen. Wie aus einer Studie des Fraunhofer Instituts her­ vorgeht, würde bereits heute ­jeder Fünfte gern einmal mit einem androiden Sexpartner intim werden. Wobei neben der zunehmend täuschend ­lebensechten Optik und Haptik vor allem der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) eine tatsächlich emotionale Beziehung zwischen Mensch und Maschine in den Raum und diese Hightech-Roboter in ein ethisches Zeitfenster stellt. Kritiker sprechen von künstli­ chen «Sexsklaven» mit fatalen Auswirkungen auf reale Bezie­ hungsmuster. Andere, wie die renommierte niederländische Roboter-Ethik-Expertin Aimee van Wynsberghe, sehen es ge­ lassener: «Technisch gesehen können Sie einen Sexroboter genauso wenig vergewaltigen wie einen Toaster.»

«Womöglich verlieben wir uns ja tatsächlich irgendwann in eine Maschine. Aber e ­ ines sollten wir uns immer vor Augen halten: Eine Maschine wird uns niemals lieben.» Kate Darling, Schweizer RoboticsFo r s c h e r i n a m M a s s a c h u s e t t s ­I n s t i t u t e o f Te c h n o l o g y ( M I T )

69


FUTURE PEOPLE

Gekommen, um zu bleiben

GRE TA THUNBERG

Klimaaktivistin – in diesem Jahr von „TIME“ in den Top-100 der einflussreichsten Persönlichkeiten gelistet.

Nicht nur Megatrends, auch Menschen prägen unsere Zukunft: Hier sind sechs Influencer mit Weltveränderungspotenzial.

BTS

Boyband – die Weltstars aus Südkorea sind sozial ­engagiert: Ihr Spendenaufruf für UNICEF brachte 14 Millionen US-Dollar ein.

ZHANG YIMING

ANNALENA BAERBOCK

Visionär – der chinesische Unternehmer begeistert mit der TikTok-App Jugendliche weltweit. Neue Projekte sind in Planung.

70

Politikerin – der kommende Star in Europas Nach­haltig­keitspolitik. Ihr Motto: Ehrlichkeit und keine Scheu vor Konflikten.

INNOVATOR


Über Greta Thunberg ist schon alles ­gesagt? Noch lange nicht. Die einsame Rebellion der «angry young woman» ist innerhalb eines Jahres zur weltweiten Massenbewegung explodiert, der heute Abermillionen ­junger – und auch gar nicht mehr so junger – Menschen folgen. Greta ist gekommen, um zu bleiben.

Ü

MEGAN R APINOE

Fussballerin – die FIFA-Weltfussballerin des Jahres 2019 kämpft medienwirksam gegen Rassismus und Frauen­feindlichkeit.

GETTY IMAGES

BOYAN SL AT

Erfinder – der Niederländer könnte mit einem ambitio­ nierten Projekt die Meere von Plastikmüll befreien.

BTS Sie singen über gesunden ­Individualismus und füllen ­damit ganze Stadien, längst auch in Europa und den USA. Die Boygroup BTS aus Süd­ korea sprengt alle Rekorde. Allein in ihrer Heimat soll die Band jährlich umgerechnet rund drei Milliarden Euro zur Wirtschaftsleistung beitragen. Zhang Yiming Raketengleich ist der 36-jähri­ ge chinesische Entrepreneur zu einem der meistumjubelten Unternehmer der Welt auf­ gestiegen. Seine KI-basierte ­Social-Media-Firma ByteDance gilt derzeit als wertvollstes Start-up-Unternehmen welt­ weit, mit smarten ContentPlattformen erreicht es hun­ derte Millionen User am Tag. Annalena Baerbock Die Mutter zweier Töchter ist seit 2018, neben Robert Habeck, Parteivorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Deutschland. Auf der ­A genda der Realpolitikerin stehen Naturschutz und ­soziale Gerechtigkeit. Anna­

lena Baerbock ist das frische Gesicht eines politischen ­Umdenkens im mächtigsten Mitgliedsstaat der EU. Megan Rapinoe Bei der Fussball-WM der Frau­ en war die US-Kickerin nicht nur sportlich und optisch die auffälligste. Auch abseits des Platzes geht die bekennende Lesbe hart in den Zweikampf, wenn etwa die Verteidigung von Minder­heitenrechten auf dem Spiel steht. Das bekam selbst ein gewisser Donald Trump zu spüren. Boyan Slat Boyan Slat ist jener geniale Student, der die Ozeane vom Plastikmüll befreien möchte – mithilfe einer Art Schaufel­ konstruktion, die sich mehre­ re hundert Meter über die Wasseroberfläche erstreckt. Der junge Niederländer rief das Projekt «The Ocean Clean­up» ins Leben und ­tüftelt seither an der schritt­ weisen Verbesserung seiner Erfindung.

«Wir alle müssen bessere Menschen werden: indem wir zuhören und nicht reden. Und indem wir ­lieben und nicht hassen.» Megan Rapinoe U S - Fu s s b a l l s t a r

INNOVATOR

71


Üppiger Umweltschutz: der Offshore-Windpark Walney in der Irischen See mit 102 Windenergieanlagen

Megatrend

NEO-ÖKOLOGIE

Das blaue Wunder Nachhaltigkeit ohne Verzicht: Die «blaue Ökologie» setzt auf intelligente ­Technik und schöpft aus dem Vollen.

K

Die Grundthese der blauen Ökologie sitzt wie ein Faustschlag in den Solarplexus der Grünbewegung. Sie lautet: Der Nachhaltigkeitsbegriff ist nicht ökologisch – sondern mechanisch. Zu Ende gedacht drücke Nachhaltigkeit nichts anderes aus als Statik, Stillstand. Veränderung ist eigent72

lich unmöglich, weil immer nur das sein darf, was vorher schon war. Die Welt, auch die Natur, das Leben, ist aber nicht statisch, sondern dynamisch. Aus dieser Dynamik entwickelt die blaue Ökologie ein Ökosystem, das ohne das grüne Knappheits- respektive Verzichtsparadigma auskommen soll. Eine ganz zentrale Rolle nimmt dabei die Technik ein – allerdings in Form von ­intelligenten Systemen, die nicht auf Effizienzsteigerung (= Profitmaximierung) ab­ zielen, sondern vielmehr auf Effektivität im Sinne von komplexen Kreisläufen.

für Materialflüsse. Das, was wir heute Recycling nennen, ist aus Perspektive der blauen Ökologie nur eine primitive Vorform der kommenden ­Wiege-zu-Wiege-Welt, in der alles, was wir nutzen, ent­ weder kompostiert oder molekular erneuert wird. Im Zentrum der blauen ­Ökologie liegt also die Fülle. Fülle ist aber nicht nur ein ­Zustand. Sie ist auch eine Art zu denken, eine Mentalität, die sich von der Angst befreit, nicht genug zu haben oder zu bekommen. Fülle ist ein Mindshift.

Matthias Horx, Tr e n d f o r s c h e r u n d G r ü n d e r des Zukunftsinstituts

Wird Plastik den Planeten ruinieren? Nur wenn wir so achtlos damit umgehen wie bisher. In einem System mit geschlossenen Rohstoffketten («Wiege-zu-Wiege-System») wird man aus Kunststoffen immer neue Kunststoffe ­machen. Das nennt sich ­Upcycling. Es erfordert allerdings intelligentere Systeme

INNOVATOR

GETTY IMAGES

Kritiker verorten­ sie irgendwo zwischen Zynismus und Blasphemie: die ­sogenannte blaue Ökologie. Sie markiert den radikalsten Gegentrend zu jener globalgesellschaftlichen Bewegung, die unter dem Begriff grüne Ökologie die aktuelle Zukunftsdebatte beherrscht wie kein anderes Thema. Dass das ­wissenschaftliche Match zwischen grüner und blauer Ökologie stark ideologisch über­ lagert ist, liegt in der Natur der Sache: Immerhin geht es um die Zukunft des Lebens auf unserem Planeten.

«Bei der blauen Ökologie geht es nicht um die Ver­ ringerung unseres Fussabdrucks, um das Gehen auf Zehenspitzen. Sondern um einen soliden Auftritt auf der Erde, der der Natur nicht schadet, sondern nutzt.»


FLÜÜÜGEL FÜR DEN WINTER.

MIT DEM GESCHMACK VON KIRSCHE-ZIMT.

NEU

BELEBT GEIST UND KÖRPER.


INTERVIEW

TREICHLS BILANZ Text:

Fotos:

STEFAN WAGNER

GIAN PAUL LOZZA

Allen Wohlstan d bringen , sich genial fühlen un d brutal dafür b estraf t ­w erden , doch lieb er nicht Dirigent geworden sein , Steve J obs als ­P ostb eamten sehen , gegen Pop ulismus kämpfen , den ­S öhnen nichts vererb en wollen , im Grossraumb üro arb eiten: Europas Banker des Jahres 2019 un d scheiden der Erste - Group - CEO A N D R E A S T R E I C H L mit 1 3 Ge danken zu 4 2 Jahren einer einzigar tigen Banker- Karriere .

74

INNOVATOR


4 2 JAHRE E R FA H R U N G 22 Jahre davon sitzt Andreas Treichl nun schon auf dem Chefsessel von Österreichs Grossbank ­Erste Group. Für einen BankCEO ist das Weltrekord.

INNOVATOR

75


BANKER DES JAHRES Das britische Finanzmagazin «Euromoney» hat Andreas Treichl zum «Banker of the Year 2019» gekürt – und damit zum ­Nachfolger des Credit-Suisse-­ Chefs Tidjane Thiam.

76

INNOVATOR


I

«ICH HAB GEGLAUBT, ICH BIN ZIEMLICH GENIAL. DAS HAT SICH COOL ANGEFÜHLT» innovator: Herr Treichl, Sie sind seit 1977 Banker, seit 1997 CEO der Erste Group und damit längstdienender CEO einer börsennotierten Bank weltweit. Im Rückblick auf 42 Jahre: Welche ­Phase einer Karriere ist die schönste? andreas treichl: Am schwierigsten und unangenehmsten war die Finanzkrise ab 2008. Am schönsten war, da wieder rauszukommen, das Unternehmen wieder auf gute Beine zu stellen, Ende 2014. Das war eindeutig das beste Gefühl in meiner ganzen Karriere. Abgesehen von äusseren Ereignissen oder von Misserfolgen und Erfolgen: Macht Karriere mehr Spass, wenn man jung ist? Oder im Alter? Bis vierzig war bei mir alles locker und einfach, Fehler sind halt passiert, egal. Dann hatte ich eine Phase – relativ lang, mehr als zehn Jahre –, in denen wir in Summe zwölf Banken in Zentral- und Osteuropa ­gekauft haben und ich geglaubt hab, ich bin ziemlich genial. Das hat sich cool angefühlt, aber natürlich nur, bis mich die Realität vom Gegenteil überzeugt hat. Wenn dann so eine Krise

kommt, kriegt man alle Fehler, die man vorher gemacht hat, brutal um die Ohren gehaut, mit Zins und Zinseszins. Dann wird mit einem Schlag alles wahnsinnig ernst. Man kämpft, kämpft, kämpft, glaubt immer wieder, dass man es geschafft hat, und zack, kriegt man die nächste auf den Deckel. Das ist sieben Jahre so gegangen. Aber seither, seit Ende ’14, geht es extrem gut. Besser denn je. Und in der Zielgeraden mit mehr Spass denn je? Mit ziemlich viel Spass, ja. Es ist gut, dass ich Ende des Jahres meinen Job wechsle. Sonst gerate ich unter Umständen wieder in den Irrglauben, dass ich genial bin.

«DENKEN SIE DAS MAL KONSEQUENT WEITER, WAS DAS HEISST» Ich zitiere Andreas Treichl: «Die Blockchain als Technologie könnte die Welt noch mehr verändern, als das Internet es getan hat.» Wie meinen Sie das, bitte? Das Internet war ein dramatischer Fortschritt für die Kommunikation mit zum Teil dramatischen gesellschaftlichen ­Folgen, mit Einfluss auf die Sprache, auf die Politik, auf die Art, wie Menschen miteinander leben. Blockchain hat aber eine noch tiefere Wirkung, in sich selber, weil Blockchain im Endeffekt Zwischenhändler ausschaltet. Wenn Blockchain wirklich funktioniert, geht alles vom Produzenten direkt zum Konsumenten. Das hat was extrem Gesellschafts­politisches. Dann verdient der Komponist an seinem Kunstwerk und keiner dazwischen – denken Sie das mal konsequent weiter, was das heisst. Das bringt extreme Veränderungen, in allen Bereichen. Also wenn’s wirklich kommt, was wir ja noch nicht wissen.

WENN BLOCKCHAIN WIRKLICH FUNK TIONIERT, GEHT ALLES VOM PRODUZENTEN DIREKT Z U M KO N S U M E N TE N , DAS H AT WAS E X TR E M GESELLSCHAFTSPOLITISCHES.

INNOVATOR

77


IN EUROPA WÄRE STEVE JOBS WAHR­ SCHEINLICH POSTBEAMTER GEWORDEN, M A R K Z U CK E R B E RG R E S TAU R A N TB E SIT Z E R UND JEFF BEZOS JUSTIZBEAMTER.

Das klingt, als würden Sie auch Krypto­ währungen positiv sehen. Das über­ rascht bei einem 67-jährigen Banker. Die Idee dahinter kann extrem positiv sein. Aber wie sie derzeit aufgebaut sind, sind Kryptowährungen eine Fehlentwicklung. Weil sie als Zahlungs­ verkehrs­instrument verkauft werden, als ­Währung. Das sind sie nicht. Sondern ein sehr spekulatives Investitionsobjekt für Leute, die sich damit auskennen … relativ oft zu Lasten derer, die sich damit nicht auskennen.

«FREUDE AN RISIKO, FREUDE AN ­L EISTUNG, FREUDE AN ERFOLG, STOLZ AUF ERFOLG» Sie haben sich immer recht gern recht kritisch über den Innovations- und Wirtschaftsstandort Europa geäussert. Was wäre aus Steve Jobs, Sergey Brin, Jeff Bezos, Mark Zuckerberg oder Bill Gates als Europäer geworden? Wahrscheinlich wäre Jobs Postbeamter geworden, Zuckerberg Restaurantbesitzer und Bezos Justizbeamter. Wären die alle vorher mit ihren unter­ nehmerischen Ideen gescheitert, oder hätten sie es erst gar nicht versucht? Schon der Versuch wäre wesentlich schwieriger gewesen als in den USA. Das hat damit zu tun, dass es in Europa­keinen einheitlichen Markt gibt für 350 Millionen Menschen so wie in Amerika. Dass in Europa der Kapitalmarkt als ein Instrument für Kapitalisten und Reiche angesehen wird, nicht als Finanzierungsinstrument für Unternehmer. Dass das Unternehmerwerden in Europa­nicht so populär ist wie in Amerika. Dass Erfolg zu haben und ihn zu zeigen nicht so leicht ist wie in Amerika. Ich sage jetzt nicht, dass wir Amerikaner werden sollen, aber ein bisschen mehr Unter­ nehmertum ­würde unserem Kontinent sehr guttun. Freude an Risiko, Freude an Leistung, Freude an Erfolg, Stolz auf Erfolg. Damit hat das zu tun.

78

«. . .  ICH MIT MEINEM ZWUTSCHGERL, NULL KOMMA IRGENDWAS PROZENT» Sie haben Ihr gesamtes privates Ver­ mögen in Erste-Group-Aktien gesteckt. Das hatte, wie Sie sagen, vor allem den Vorteil, dass Sie sich immer als Unter­ nehmer gefühlt haben. Ich hab mein Finanzvermögen in Erste-Group-Aktien gesteckt, ja, und ich bin, glaub ich, auch der grösste private Investor. Aber mit meinem Zwutschgerl, null Komma irgendwas Prozent, ist es eigentlich eine Frechheit, wenn ich mich als Unternehmer betrachte. Dennoch: Ich hänge vom Erfolg meines Unternehmens ab, das stimmt, und das finde ich auch richtig so. Gehört sich für einen Manager, finde ich.

«ICH ZWINGE JA NIEMANDEN DAZU, ERSTE-GROUP-AKTIEN ZU KAUFEN» Sie haben in der Erste Group mit dem ­Financial Life Park ein ziemlich aufwen­ diges Projekt ins Leben gerufen, mit dem Sie Schulklassen über Geld und Geldwe­ sen aufklären. Als Aktionär gefragt: Wie ­ergibt so etwas unter­nehmerisch Sinn? Weil wir profitable Bankgeschäfte nur mit Menschen machen können, die in der Lage sind, unsere Produkte wirklich zu kaufen. Und weil wir Wert darauf ­legen, dass die Menschen nur Produkte von uns kaufen, die sie auch verstehen. Ich verstehe aber auch nicht, wie mein Auto funktioniert oder mein Handy. Wir sind kein Produktverkäufer, sondern kümmern uns um das finanzielle Wohlergehen, um die finanzielle Gesundheit unserer Kunden. Und das ist meiner Meinung nach die zweitwichtigste Sache auf der Welt – nach der körperlichen ­Gesundheit. Ich verstehe auch nicht alle Therapien, die mir mein Arzt verordnet. Sollten Sie aber. Und Gesundheits­ bewusstsein wird auch immer mehr

INNOVATOR


zu einem Lifestyle. Sehr gut ist das! Je ­kompetenter die Leute sind, desto besser. In allen Bereichen. Sie schicken jeden Tag fünf Schul­ klassen durch diesen Financial Life Park. Bis diese Schulklassen in einem Alter sind, in dem sie als Kunden ­überhaupt infrage kommen, vergehen mindestens zehn Jahre. Das heisst, Sie investieren jetzt relativ viel in ­etwas, das sich frühestens in zehn ­Jahren bezahlt macht. Als Aktionär, Herr Treichl, bin ich jetzt besorgt. Brauchen Sie nicht zu sein. In erster Linie geht es uns darum, unseren Auftrag als Sparkasse zu erfüllen. Nämlich Menschen­ finanzielle Bildung zu vermitteln. Wir machen halt Sachen, die langfristig ge­ dacht sind. Bleiben Sie 30 Jahre Aktionär, dann profitieren Sie von den Dingen, die wir langfristig planen. In 30 Jahren bin ich 80, Herr Treichl. Sie werden sich darauf einstellen müssen, dass im Finanzleben alles extrem lang­ fristig werden wird. Sorry. Ich zwinge ja keinen, Erste-Group-Aktien zu kaufen. Es geht Ihnen aber auch um Bildung als Wert an sich, haben Sie einmal gesagt. Weil nichts gegen Populismus besser hilft als Bildung. Und dann kommt gleich Wohlstand, gefühlter Wohlstand, um genau zu sein. Eine Kombination aus Bildung und wahrgenommenem finan­ ziellem Wohlergehen ist das einzige ­langfristige Mittel gegen Populismus. ­Davon bin ich überzeugt.

WIR KÜMMERN UNS UM DAS FINANZIELLE WOHLERGEHEN, UM DIE FINANZIELLE GESUNDHEIT UNSERER KUNDEN. DAS IST DIE ZWEITWICHTIGSTE SACHE DER W E LT, N AC H D E R KÖ R P E R L I C H E N GESUNDHEIT.

INNOVATOR

«. . .  MEIST ZIEMLICH UNGUTE TYPEN» Sie sagen, Sie wollen Ihren Söhnen nichts vererben. Wirklich? Was sagen denn Ihre Söhne dazu? Nein, aber in erster Linie geht’s mir ums geistige und körperliche Wohlergehen und um den Charakter meiner Söhne. Das Glück, in eine Umgebung hinein­ geboren zu sein, die einem ein gutes ­Leben er­möglicht, ohne etwas zu leisten, ist ja eigentlich kein Glück. Oder erst dann, wenn Sie die Erfahrung gemacht haben, dass Sie auch ohne Erbe das Leben führen können, das Sie wollen. Menschen, die sich von Kindheit darauf einstellen, dass sie nix tun müssen, weil sie von ihren g’stopften Eltern Geld kriegen, werden meistens ziemlich ungute Typen.

«WOLLEN SIE ZWANZIGJÄHRIGEN HOCH­ RISKANTE SPEKULATIONEN EMPFEHLEN?» Sie sagen: «Ich bin ein Kapitalist. ­Leider.» Wieso leider? Sie sind ­einer der erfolgreichsten Banker in ­Österreichs Geschichte. Hab ich «leider» gesagt? Wirklich? Ja. In Ihrem Statement ging es um ­Steuern und gesellschaftliche Gerechtig­ keit. Und darum, dass Sie für alle mög­ lichen Steuern sind, auf Erbschaften, auf Vermögen, auf  Spekulationen. Also grundsätzlich bin ich mal gegen Steuern. Aber noch mehr bin ich da­gegen, dass wir zwischen zwei politischen Rich­ tungen leben: Die eine möchte er­worbenes Vermögen umverteilen und damit soziale Gerechtigkeit erzeugen, die andere möchte erworbenes Vermögen erhalten. Beide Richtungen sind okay. Aber es fehlt eine dritte, eine, die sich darauf konzentriert, jungen Menschen die Möglichkeit zu ge­ ben, Vermögen zu erwirtschaften. Und dieses Thema wird immer grösser werden. Weil das zentrale Vermögenszuwachs­ instrument, nämlich Zinsen, über einen langen Zeitraum wegfallen wird. Und wollen Sie Zwanzigjährigen, die auf eine Eigentums­wohnung sparen, hochriskante Spekulationen empfehlen? Eben. Es ist also logisch, wenn ich einem Zwanzigjäh­ rigen im Jahr 2019 und einem Zwanzig­ jährigen im Jahr 2079 die gleichen Chan­ cen geben will wie einem Zwanzigjährigen von 1979, dann muss ich halt auch auf der steuerlichen Seite was tun.

79


Also denen was wegnehmen, die was haben. Sie sind ja nicht nur Leider-Kapitalist, sondern Sozialist, Herr Treichl! Nein. Keine Angst. (Lacht.) Was die Poli­ tik in Europa tun sollte, wäre, zunächst einmal nicht durch Einsparen die Staats­ kassen füllen zu wollen, weil das nicht geht, sondern durch Anregung des Kon­ sums. Und das passiert halt so gut wie gar nicht. Dann müssen Sie das Unternehmer­ tum fördern. Und dann mit Steuern len­ ken, wo es notwendig und möglich ist. Die Vermögenssteuer etwa ist in der Theorie richtig, in der Praxis problematisch. Das Horten von Vermögen, das keinem sozia­ len oder gesellschaftlichen Zweck dient, gehört besteuert. Aber wie identifizieren Sie das? Schwierig. Die Erbschaftssteuer wäre leichter umzusetzen. Und eine Steu­ er, die der demografischen Entwicklung in Europa entgegenkommt: Wir werden immer weniger und immer älter. Und die Alten haben in unserer Gesellschaft das meiste Geld. Das werden sie aber nicht freiwillig hergeben. Ich will, dass junge Menschen die ­Chance haben, sich ein Vermögen auf­zubauen. Ein eigenes Vermögen. Egal aus welcher Gesellschaftsschicht sie kommen. Dafür müssen wir Voraussetzungen schaffen. In unserem Wirtschaftssystem, in unserem Steuersystem, in unserem gesellschaft­ lichen Denken, in einem neuen Denken.

«NEUES DENKEN IST NÖTIG» Im Internet findet man Ihre Interpretation von Paolo Contes «Via con me». Sie können ja richtig gut singen! Sie haben überhaupt Spass an öffentlichen Auftritten, können mit Medien gut um­ gehen. Wie sehr muss ein moderner Manager auch ein Showtalent haben? Gar nicht. Wenn man’s hat, kann man’s einsetzen. Das ist aber keine Voraus­ setzung. Es gibt viele sehr gute Manager von Unternehmen, die nicht einmal frohe Weihnachten wünschen können, ohne es von einem Zettel abzulesen.

«VÖLLIG WURSCHT, WEIL ES UNSERE AUFGABE IST» Wissen Sie, was das überhaupt ­Wichtigste in der Erste Group ist? Ich hoffe doch.

80

«Dass wir unserem Gründungszweck treu bleiben: dass wir für alle da sind und allen Wohlstand bringen.» ­Zitat Andreas Treichl. Da hat er auch recht. Aber ist es wirklich das Wichtigste, allen Wohlstand zu bringen? Wichtiger ist ja wohl, als Unternehmen wirtschaftlich gesund zu sein. Und was ­halten Aktionäre davon, wenn man ­«allen» Wohlstand bringen möchte statt den «Shareholdern»? Ich sehe da kein Spannungsfeld – über­ haupt keines. Der Satz steht in unserer Gründungsurkunde, das ist unser Auf­ trag, unsere Aufgabe, immer schon gewesen, und darüber wissen unsere Aktionäre auch Bescheid. Sich mit den ärmeren Schichten der Gesellschaft ­auseinanderzusetzen ist vielleicht nicht das profitabelste Geschäft, aber das ist völlig wurscht, weil es unsere Aufgabe ist. Es ist unsere Identität. Punkt.

NOBLE AUFGABE «Sich mit den ärmeren Schichten der Gesellschaft auseinanderzusetzen ist vielleicht nicht das ­profitabelste Geschäft, aber es ist unsere Aufgabe.»

Sind Sie erfolgreich, weil Sie sich daran halten oder obwohl Sie sich ­daran halten? Früher vielleicht obwohl, aber jetzt in zu­ nehmendem Ausmass weil. Da gibt’s vor allem eine sehr erfreuliche Entwicklung bei den jungen Leuten, Generation Z und drüber. Die sehen einen hohen Wert in dem gesellschaftlichen Ziel und Zweck des Unternehmens, für das sie arbeiten. Für uns heisst das zum Beispiel, dass wir Mitarbeiter bekommen können, richtig gute Leute, die sonst nicht für eine Bank arbeiten würden. Unser Gründungsauf­ trag der sozialen Integrität wird immer schneller zu einem immer wichtigeren Konkurrenzvorteil werden, auf allen Ebe­ nen. Davon bin ich überzeugt. Man steht ja dem Zusammenspiel von finanziellem Gewinn und gesellschaftlichem Gewinn viel konsequenter und viel intelligenter gegenüber als früher. Das ist eine sehr, sehr positive Entwicklung in unserer Gesell­ schaft – und die geht von den Jungen aus.

«IN IDEEN INVESTIEREN, IN VISIONEN, NICHT IN SICHERHEITEN» Wie viel Gestaltungsspielraum haben Sie eigentlich noch, gesellschaftlich gesehen? Banken dürfen zum Beispiel jungen Unter­nehmen kaum noch ­Kredite geben.

INNOVATOR


wesentlich besser, ein mittelmässiger Banker zu sein als ein mittelmässiger Dirigent.» Wäre es nicht vielleicht doch schöner und spannender gewesen, es als Dirigent zu probieren? Kann ich ja noch machen. Mit 67 bin ich ja noch ein Nachwuchstalent. Aber ich sag Ihnen: Ich glaube nicht, dass Dirigenten ein spannenderes Leben haben als ich. Ich kenne ein paar echte Superstars. Was die so erzählen … fünfmal in der Woche nach irgendeinem Konzert um zehn am Abend essen gehen mit irgendwelchen Sponso­ ren, die man eigentlich nicht sehen will? Das würde mich verrückt machen.

«NACH HAUSE KOMMEN KÖNNEN!»

Und das ist schrecklich. Der Job einer Bank ist es auch, Risiken einzugehen, in Start-ups zu investieren, in Ideen, in Visionen, in Persönlichkeiten. Nicht in ­Sicherheiten. Solange wir in Europa ­keinen Kapitalmarkt entwickelt haben, der so breit ist und so stark, dass eben auch junge, kleine Unternehmer mit ­guten Ideen Geld bekommen, muss man Finanzinstitutionen die Möglichkeit geben, Start-ups zu finanzieren. Sonst kriegen wir in Europa keine Bezos’ und Jobs’ – und zwar nie. Weil für einen Steve Jobs brauchen wir drei Millionen neue Unternehmen, von denen zwei Millionen nach ein paar Jahren verschwunden sind. Aus den restlichen 999.000 werden dann vielleicht noch fünf relativ erfolgreich sein – und einer wird ein Steve Jobs.

«ICH BIN JA EIN NACHWUCHSTALENT» Eigentlich wollten Sie ja Dirigent werden. Sie wurden Banker, weil Leonard Bernstein zu Ihnen gesagt hatte: «Es ist

ICH WILL, DASS JUNGE MENSCHEN DIE CHANCE HABEN, SICH EIN VERMÖGEN AUFZUBAUEN.

INNOVATOR

Sie haben gesagt, Sie hätten die Krisenjahre 2008 bis 2014 körperlich nicht durchgestanden ohne Ihre Familie. Körperlich? Echt? Nicht unmittelbar, aber mittelbar schon. Die Psyche hat ja einen irrsinnigen Ein­ fluss auf die Physis, und dieses Nach­ hausekommenkönnen war irre wichtig für mich. Es war eine extrem angespannte Zeit. Es ging ja auch um viel. Um das Vertrauen der Kunden zuallererst und natürlich auch um das der Investoren. Denen mussten wir vermitteln, dass wir ein gesundes Geschäftsmodell haben. Natürlich haben auch wir Fehler gemacht, aber diese einzugestehen und Lösungen zu präsentieren hat sehr geholfen. Und in dieser Zeit einen Ort zu haben, der dieses Nachhausekommen vermittelt, war ex­trem wichtig für mich.

«GESCHÄFTLICH SOLLTE MAN EH KEINE GEHEIMNISSE HABEN» Es heisst, Sie haben kein eigenes Büro. Das stimmt aber nicht, oder? Doch, doch. Ich arbeite in einem Gross­ raumbüro zusammen mit meinen Vor­ standskollegen. Wir sind zu zwölft im Büro. Und bei einem wichtigen Telefonat? Geht man halt raus, in ein Sitzungs­ zimmer, auf den Gang oder aufs Klo. Aber ­geschäftlich sollte man vor seinen Kolle­gen eh keine Geheimnisse haben. Und private Sachen sollte man so und so nicht in der Arbeitszeit besprechen. Ich mag mein Grossraumbüro.

81


Das Enoki-Team (Co-Founderin Axelle Marchon ganz rechts) denkt städtisches Leben neu.

1

Die grössten Klimasünder, die es gibt? Kreuzfahrtschiffe? Furzende Kühe? Nein. Städte. Sie beherbergen 50 Prozent der Weltbevölkerung und ver­ursachen 75 Prozent der CO²-Emissionen. Wie das? «Vieles, was für Städte produziert wird, etwa Nahrung, wird energieintensiv angeliefert. Und Dinge des täglichen Gebrauchs – vom Hammer bis zum Auto – kauft jeder selbst, statt dass sie geteilt werden», so Axelle Marchon, Co-Founderin des Freiburger Start-ups Enoki. Von Enoki stammt eine geniale Antwort auf das Städte-Klima-­Dilemma: das energieautonome Holzhaus NeighborHub, ein Wunder der Ressourcenschonung. Es produziert Energie mit Sonnen­ kollektoren, kommt mit Kräuter- und Pflanzenwand, sammelt Regenwasser. Und ist zudem ein Ort, an dem sich die Nachbarschaft trifft, kocht oder Geräte repariert. Plus: Es lässt sich temporär aufstellen, was Genehmigungen vereinfacht. enoki.ch 82

SCHWEIZER

INNOVATOR

ENOKI

ENOKI DIE P OP - UP N ACHB A RS CH A F T


Hallo, Nachbar: Im NeighborHub-­ Prototyp in Freiburg wird mit anderen gekocht, gearbeitet und geteilt.

PIONIERE INNOVATOR

WIR STELLEN VOR: SIEBEN HEIMISCHE UNTERNEHMEN UND IHRE IDEEN FÜR EINE B E S S E R E Z U K U N F T D E R W E LT. T E X T: R E I N E R K A P E L L E R

83


2

KOMP OTOI KL IM ASCHUT Z A M S T IL L EN ÖR TCHEN

84

Hoffen auf gros­ se Geschäfte: Kompotoi-Grün­ der Jojo Linder (o.) und Marcos Garcia Tomé

Können gemeinsam viel voneinander lernen: Migranten, Geflüchtete und Schweizer

3

CA PACIT Y MIGR ATION A L S S TA RT - UP - CH A NCE Umweltfreund­ lich und absolut geruchsfrei: die mobilen Trocken­toiletten von Kompotoi

Was haben Unternehmer, Geflüchtete und Migranten gemeinsam? Sie alle sind Risiko­nehmer und ziemlich gut darin, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. ­Capacity, Zürichs erster Start‑­ up-Inkubator, fördert die Business-Ambitionen von Ge‑ flüchteten und Migranten seit 2015. Mit Leitfäden für den Business-Plan und Support bei Marketing, Finanzierung und rechtlichen Fragen. Geleitet werden die Work‑ shops nicht von Capacity, son‑ dern von Partnern wie UBS, eBay oder Generali/THSN. Eine klassische Win-win-Situa­ tion, in der Geflüchtete ihr Wissen vertiefen und die Vor‑ tragenden Präsentations-Skills schulen: Dank Capacity wur‑ den bereits 68 Unternehmen auf ihrem Weg in die Selb­ ständigkeit unterstützt. capacityzurich.ch

ANNA STANDO, KOMPOTOI, FRANK BRÜDERLI

Ab sofort kann man mit ­jedem Klogang der Umwelt etwas Gutes tun. Die einzige Voraussetzung dafür ist, dass man sein Geschäft auf einem Holz-Kompotoi verrichtet. Die mobilen Toiletten aus Zürich sind nicht nur dramatisch schöner als die Plastik-Kon‑ kurrenz, sie verzichten auch komplett auf Chemie. Denn das Start-up-Örtchen ist nicht von Kläranlagen abhängig, sondern kooperiert mit Kom‑ postierungspartnern. Menschliche Haufen wer‑ den so binnen neun Wochen zu fruchtbarem Humus, der Böden aktiviert und CO² bindet. 2019 hat man bereits 20.000 Kilogramm CO² aus der Atmosphäre gezogen. Den Bio-Vorteil merkt man auch beim Wasser: «Seit 2017 haben wir gut 20 Millionen Liter Wasser nicht verschmutzt», so Kompotoi-Gründer Jojo Lin‑ der. Mit Erfolg: Neben Zürich wurden bereits Standorte in Bern, Basel und Graubünden eröffnet, insgesamt warten mehr als 380 klimafreundliche Kompotois auf Benutzer. kompotoi.ch


4 O X Y PREM LEBENSRE T T ER FÜR FRÜHCHEN

Eine zu frühe Geburt und ihre (Spät-)Folgen sind die häufigste Todesursache bei unter Fünfjährigen. Grösster Schwachpunkt sind die in den ersten Lebenswochen oft noch unterentwickelten Frühchen-Lungen, die sich schwer­ tun, das Gehirn ausreichend

mit Sauerstoff zu versorgen. Besonders tückisch: «Frühchen ‹vergessen› mit­unter zu atmen. Oft bräuchte es nur einen Schubser, ein Medikament oder eine andere Sauerstoff-Atmosphäre im Brutkasten, um sie daran zu erinnern», so OxyPrem Co-Founder Alexander Nitsch. OxyPrem hat einen genia­ len Assistenten für Ärzte erfunden: einen Silikon-Sensor, der am Kopf befestigt wird, rotes Licht durchs Gewebe sendet und es analysiert – so, als ob man mit einer Taschenlampe durch seinen Finger leuchtet. Weil Blut mit Sauerstoff heller ist als ohne, erkennt Oxy­ Prem, wenn Frühchen-­Lungen schwächeln. EU-weit haben bereits 26 Kliniken ein Gerät bestellt; die CE-Zertifi­zierung ist erst kürzlich erfolgt. oxyprem.com

Dr. Stefan Kleiser (o.) und Alexander Nitsch helfen, bei Frühchen Komplikationen zu reduzieren.

Präzise: Ähnliche Geräte irren jedes sechste Mal, OxyPrem nur jedes zweihundertste Mal.

85


5 UNITED CIT Y B IKE S DAS E - BIKE FÜR DAS BÜRO

Jeden Tag werden in der Schweiz mehr als 100 Velos geklaut. Und E-Bikes gewinnen nicht nur bei Käufern an Popularität (schon jedes dritte verkaufte Rad ist elektrifiziert), sondern auch bei Langfingern. Gegenmass­ nahme: das Velo in Sicherheit bringen. Nur wie klappt das bei klobigen E-Bikes? Auftritt: United-City-Bikes-CEO Dirk Kochhan. «Das ‹THE ONE›E-Faltrad ist das leichteste elektrische 16-Zoll-Faltrad der Welt, zusammengefaltet so kompakt wie Handgepäck. Man kann es einfach ins Büro mitnehmen.»

United-City-­ Bikes-CEO & ­Hobbytriathlet Dirk Kochhan optimiert die Mobilität in Städten.

Spezifikationen: nur 12,5 Kilo schwer, 250-Watt-­ Brushless-Motor, 52 Kilometer Reichweite, Rahmen aus Ma­ gnesium-Legierung. Mehr als 3300 Unterstützer aus 40 Ländern haben auf den Crowdfunding-Plattformen Indie­ gogo, Campfire (Japan) und Ulule (Frankreich) bereits vorbestellt. Die ersten 640 Bikes befinden sich in Auslieferung, pro Woche kommen 160 hinzu. united-city-bikes.com

Rekordverdächtig: Das leichteste E-Faltrad der Welt lässt sich innert zehn Sekunden zusammenfalten.

86

INNOVATOR


Kriegen alles gebacken: ZüriChips-Gründer Lucie, Enrico, Moky und Paolo

7

ZÜRICHIP S SECOND LIFE FÜRS BROT

6

PL A NE T GOTCHI GA MIFICATION FÜR DAS KL IM A

ZÜRICHIPS, PLANET GOTCHI, UNITED-CITY-BIKES.COM

Mit der Nachhaltigkeit ist es so eine Sache. Prinzipiell möchte jeder, nur: Anfangen sollen die anderen. Umso besser, dass Planet Gotchi einen spielerischen Weg gefunden hat, den eigenen CO²-Fuss­abdruck zu verringern – und uns ohne erhobenen Zeigefinger zu Klima­ schützern macht. «Flight- oder Food-Shaming bringt nichts. Wir müssen Leute ermutigen und nicht bestrafen, wenn sie nicht nachhaltig leben», sagt Umweltnaturwissenschaftlerin Sara Cerar, 23, von der ETH Zürich. Mit Umweltingenieurin Carmen Steinmann und Industrie­ designerin Alina Hanking arbeitet sie an Planet Gotchi, einem Gamification-Konzept,

das unseren Übergang zum neuen Lebensstil unterstützt – mit Challenges wie zwei Veggie-Tagen pro Woche oder mit der Bahn zu fahren. Und einer Community, die Props für gute Aktionen gibt. Planet Gotchi wird vom Red Bull Amaphiko Fellowship Program gefördert, die App kommt 2020. fb.com/planetgotchi

Social Media fürs Klima: Du bist eine Woche mit dem Bike zur ­Arbeit pedaliert? Sag es deinen Freunden.

In der Schweiz wird ein ­Drittel aller Lebensmittel weggeworfen. Vor allem Brot, denn was nicht mehr frisch, sondern schon altbacken schmeckt, lässt sich nur schwer ver­ kaufen. ZüriChips aus – genau – Zürich haben ein Mittel gegen die Nahrungsmittel­ verschwendung gefunden, und es ist verdammt knusprig. Die Baguettes für die Züri­Chips kommen vom Altbackwaren-­ Verkäufer Äss-Bar und werden von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung in der Stiftung Züriwerk zu herzhaften Rosmarin-Chips gebacken. «Die Mitarbeiter lieben diesen Job. Sie schneiden das Brot, träufeln Bio-­Ölivenöl aus Italien darauf, geben es in den Backofen und kümmern sich sogar um die Verpackung», sagt ZüriChips-Executive-Offi­ cer Paolo Marioni. Zu kaufen gibt es die Chips, die gerade ihren ersten Geburtstag feiern, in vier Zürcher Regionalläden und beim Impact Hub Zürich. zuerichips.com  87


Das Magazin f체r eine bessere Zukunft

Der INNOVATOR erz채hlt von innovativen Menschen und zukunftstr채chtigen Ideen und inspiriert uns damit, die Welt von morgen mitzugestalten. Dein Abo mit 4 Ausgaben f체r CHF 28 bestellen: theredbulletininnovator.com


GUIDE

I N N O V AT O R

Insider-Infos und Events:

Erlebnis und Inspiration: Man’s World in Zürich // Save the Date: Schweizer Innovations-Highlights // Der Kongress zur digitalen Zukunft: Worldwebforum // Kolumne: Jam-Sessions der Innovation

INNOVATOR

89


DO IT Mit der Zürcher Gin-Destillerie Turicum Gin werden jährlich Limited Editions produziert. 2019 sandte man Wacholderbeeren ins All – noch vor Weihnachten gibt’s «Space Gin».

Perfekte Auswahl

ORIENTIERUNG IM ÜBERFLUSS

120 Brands zeigen, was eine wahre «Man’s World» ist. Die beiden Co-Founder beantworten fünf wichtige Fragen zum Top-Event. Welcher Typ Mann fühlt sich auf der Man’s World wohl?

Der im positiven Sinn neugierige Mann. Der Geniesser. Der Ent­ decker. Der, der sich gerne inspi­ rieren lässt. Viele kommen mit ­ihren Söhnen, bringen aber auch ihre Väter mit – weil die Man’s World einfach generationen­ übergreifend funktioniert.

90

Warum braucht Mann eine Man’s World?

Alle, die nach einer Definition von Männlichkeit suchen, werden enttäuscht sein – weil einen guten Mann letztendlich ausmacht, was jeden Menschen auszeichnet: ­Toleranz, Respekt, Humor. Die Man’s World ist sehr hilfreich für Menschen – und ich sage bewusst Menschen, weil 30 Prozent un­se­ rer Besucher Frauen sind –, die Orientierung in einer Welt des Überflusses suchen. Männer lieben es, gute Optionen angeboten zu bekommen, eine fein kuratierte Selektion sozusagen, zu viel ist ­ihnen schlicht zu viel.

30 Januar bis 2. Februar StageOne, Zürich

Informationen und T ­ ickets unter: ­mansworld.com

Was erwartet die Besucher?

120 Brands, die das Man’s-WorldTeam alle getestet hat, die authen­ tisch sind, ihre Geschichte ehrlich erzählen. Wir mögen keine er­fun­ denen Marketingwelten, die mit

INNOVATOR


MAN’S WORLD

«Wir mögen keine erfundenen Marketingwelten, die mit dem Produkt nichts zu tun haben.»

Das Kind in dir raus­ lassen? Geht auf der Man’s World ganz ­einfach – wie etwa am Race-Simulator.

dem Produkt nichts zu tun h ­ aben. Dazu kommen 30 Spiel­- und Verweilzonen, eine entspannte Atmosphäre, grossartige Kulinarik und ausreichend Gelegenheiten zu spannendem Networking.

Welche Trends zeigt die Man’s World auf?

BETTER TASTE GMBH, JEAN-CHRISTOPHE DUPASQUIER, PIEGA SA

Das Interesse daran, wie ein Produkt hergestellt wurde, wo es herkommt, wie es um seine Qualität bestellt ist, ist enorm gewachsen. Und da ist auch die Lust, sich aus der digitalen Welt auszuklinken. Deshalb sind viele Besucher auch froh, dass wir sie mit der Man’s World regelrecht dazu zwingen, sich Zeit für sich und ihre Freunde zu nehmen.

DANIEL RASUMOWSKY, CO - FOUNDER

Was war das schönste Kompliment, das die Man’s World bisher bekommen hat?

Vor ein paar Wochen ist bei einer Hochzeit ein Ehepaar auf mich zugekommen und hat gesagt, dass ihre Tochter nun die Frau jenes Mannes sei, der bei uns von Hand gefertigte Taschen aus argentinischem Leder gezeigt hat. Diese Taschen haben sich grossartig verkauft, und die beiden erleben erstmals eine entspannte finanzielle Situation. Oder vom Massschuster, der dank der Man’s World schon im Februar einen Umsatz­rekord hatte. Schön war auch, zu hören, dass sich ein Paar bei uns kennengelernt hat – und es jetzt ein Man’s-World-Baby gibt.

Verschiedene Gewürze für die Gin-Kreationen von Turicum Gin. Bevor Weltall-Wacholderbeeren verwendet werden, gibt es ­Kompositionen mit Eichen-Chips und Hopfenblüten.

INNOVATOR

«Viele kommen mit ihren Söhnen, bringen aber auch ihre Väter mit – die Man’s World passt für alle Generationen.»

KARIM DEBABE, CO - FOUNDER

Hörgenuss, der auch die Augen erfreut: Die Lautsprecher von Piega sind handgemacht, die Gehäuse aus nahtlosem ­Aluminium herrlich anzusehen.

91


DO IT

19

S A V E T H E D AT E

20

November Master-Messe Entscheidet das Master-­ Studium über die berufliche Karriere? Brauchen Ingenieure überhaupt einen MBA? Unis, Fachhochschulen und Business Schools präsentieren ihre weiterbildenden Studiengänge und helfen Besuchern mit fachlicher persönlicher Beratung bei ihrer Studienwahl. Zürich, StageOne; together.ch

23

November Freiruum «Positive vibes behind this point», steht auf der alten Siemens-Fabrik, heute zu «Frei­ ruum» umfunktioniert, einer der grössten Zwischennutzungen der Schweiz: Besucher erwarten Food-Stände (von Burger bis tibetische Teigtaschen), ein Markt, eine Boulder-Halle – und Events wie der «Art Latte Workshop» am 23. November. Zug, Freiruum; freiruum.ch

bis 21. November Artificial Intelligence & Blockchain Summit

Wie können Unternehmen und der staatliche Sektor Blockchain und künstliche Intelligenz für sich nutzen? Damit beschäftigt sich die dritte Ausgabe der Schweizer Blockchain-Messe – diesmal in Barcelona. Das Programm für die 30.000 Besucher ist multi­ funktional konzipiert, neben ganz ­konkreten Anwendungsbeispielen gibt es Kreativ-Workshops zu Themen wie Smart City, Mobilität und der ­Vernetzung von Alltagsgegenständen. Speaker sind unter anderem Pietro Lanza (IBM Italia), Wilfried Pimenta de Miranda (IOTA, im Bild) und Dr. ­Stefan Junestrand, Mitglied des EU-Blockchain-Observatoriums. Smart City Expo World Congress, Barcelona; swissblockchainsummit.com

und 30. November Cybathlon Hier treten Menschen mit Behinderung in un­ gewöhnlichen Disziplinen gegeneinander an: etwa beim virtuellen Rennen mit Gedankensteuerung oder im Velo-Race mit Elektro-Muskelstimulation. Dabei hilft ihnen modernste Technik der ETH Zürich. Vor dem nächsten Cybathlon im Mai können Be­ sucher beim «Swiss Handicap» die Disziplinen ­ausprobieren – und selbst erleben, wie sich etwa Wäscheaufhängen mit einer Armprothese anfühlt. Swiss Handicap AG, Luzern; cybathlon.ethz.ch/de

92

INNOVATOR

AI & BLOCKCHAIN SUMMIT, KMK/BEHRENDT UND RAUSCH-

29

Cybathlon: Geschicklichkeits­ parcours für Gehandicapte



JOIN IT

Das Ende der Hierarchien

«EIN LEADER INSPIRIERT»

Das 8. Worldwebforum prägt eine radikale These: Wir brauchen neue Chefs, um in einer digitalen Zukunft zu bestehen.

W

oran denkt ein CEO, wenn er erwacht? An einen Tag, der süss zu werden verspricht. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Helena Samsioe, Chefin von Globhe: «Google Home hat mich geweckt, gesagt, dass es Freitag ist, die Sonne scheint und hier in Stockholm der ZimtschneckenTag gefeiert wird.» Valentin Spiess, CEO von iart (siehe Interview rechts), ist in Paris erwacht:

94

Gebannte Zuhörer: Das Interesse an den Vorträgen ist gross.

«Als ich aufgestanden bin, habe ich mich als Erstes gefragt: Was kann ich heute Tolles machen? Das ist meine Grundhaltung: ­neugierig zu sein, mich zu hin­ter­ fragen, Sachen über Bord zu ­werfen und Neues zu beginnen.»

16

und 17. Januar Worldwebforum StageOne, Zürich worldwebforum.com

Wanted: Leader

Neues zu beginnen: Damit kommt Valentin Spiess dem Thema des 8. Worldwebforum sehr nahe: «Wanted: Leader» heisst es und wartet mit einer radikalen These auf: Führungskräfte alter Schule seien nicht (mehr) imstande, die Herausforderungen der digitalen Welt zu bewältigen: «Niemand weiss, wie man mit der aufgrund des Technologiewandels exponentiell gestiegenen Komplexität der

INNOVATOR


WORLDWEBFORUM

Geschäftswelt umgehen soll.» Ein radikaler Wandel der Unternehmenskultur erscheint daher unumgänglich. Und genau darüber wird in Zürich diskutiert: von Pionieren und Nerds, Aussenseitern und Vordenkern, Unternehmern und Freigeistern. Rund 100 davon werden beim Worldwebforum sprechen, rund 1500 zuhören. Zu den Speakern gehören der Schlagzeuger der Rockband Metallica, Lars Ulrich, New-Age-MeatsGründer Brian Spears und Amazon-Manager Victor Luo. Aber eben auch Helena Samsioe und Valentin Spiess. Frau Samsioe ­entwickelt mit ihrer Firma Globhe mithilfe künstlicher Intelligenz und Drohnen-Aufnahmen Karten von Krisenregionen.

Enorme Herausforderungen

DOMINIK TRYBA, VALENTIN SPIESS, TOBIAS BJÖRKGREN

Was einen Leader im 21. Jahr­ hundert auszeichnet? «Für mich ist ein Leader jemand, der es schafft, andere zu inspirieren», sagt Helena Samsioe. Sie ist gerne Führungskraft: «Ich bin sehr ­ungeduldig, deshalb mag ich es, ­diejenige zu sein, die die letzte Entscheidung trifft.» Spannende Debatten sind damit programmiert. Denn der Schweizer Valentin Spiess meint: «Der Kopf eines Ganzen zu sein ist nicht mehr zeitgemäss. Die Herausforderungen sind so komplex, dass einer allein gar nicht imstande ist, sie alle zu stemmen.»

Valentin Spiess von iart: Der Schweizer ist über­ zeugt, dass der klassische CEO ausgedient hat.

Valentin Spiess

«DEN CEO ABSCHAFFEN»

Als Chef von iart macht er Räume erlebbar. Im I­ nterview überrascht er mit einer klaren Ansage.

Helena Samsioe von Globhe (mit Drohne) ist überzeugt, dass ein Leader seine Mit­ arbeiter inspirieren muss.

INNOVATOR: Das Worldweb­ forum steht unter dem Titel «Wanted: Leader». Was zeichnet eine Füh­ rungskraft, einen Chef im 21. Jahrhundert aus? VALENTIN SPIESS: Aufgabe ­eines Leaders ist es heute, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Mit­ arbeitern erlauben, kreativ zu sein und sich zu entfalten. Der Kopf eines Ganzen zu sein ist nicht mehr zeit­ gemäss. Die Herausforde­ rungen sind so komplex, dass ­einer allein gar nicht imstande ist, sie alle zu stemmen.

Sie arbeiten international. «Funktionieren» Führungs­ kräfte überall gleich, nach den gleichen Prinzipien?

INNOVATOR

Natürlich gibt es e­ inen ­gewissen H ­ abitus, der inter­ national verbreitet ist. Aber genau den müssen wir los­ werden. Wichtig ist, dass wir uns als Individuen auf ­Augenhöhe begegnen. ­Sobald wir uns über Hier­ archien definieren, wird es kontraproduktiv. Was gefällt Ihnen daran, ein CEO, eine Führungskraft zu sein? Ehrlich gesagt gar nichts. Wir wollen den CEO ab­ schaffen, weil wir der ­Ansicht sind, dass diese R ­ olle ob­ solet ist – weil seine Funk­ tion durch eine offene, agile und selbstverwaltete Struk­ tur aufgefangen werden kann. Den CEO braucht es nicht mehr.

95


READ IT

Die bahnbrechenden Folgen des gemeinsamen «Kreativ-Seins»: ein Erfolgsrezept aus der Musikgeschichte.

D

ie Musik ist seit meinem vierten Lebensjahr einer meiner wichtigsten Lebens­ begleiter. Ich durfte ein Instrument lernen und erkannte dabei schnell, dass konsequentes und stundenlanges Wiederholen der schwierigen Passagen eines Musikstücks schliesslich (doch) zum Erfolg führt. Irgendwann beherrscht man sein Instrument, die Harmonien, Melodien, Takte und Rhythmen – vor allem durch das Ritual «Lernen durch Wiederholung», also das stetige Tun. Ich werde den Augenblick nie vergessen, als mein Musiklehrer sagte: «Andi, jetzt bist du reif für die Band!»

Andreas Gall 55, spürt als Chief Innovation Officer im Red Bull Media House Neuerungen auf, die die Zukunft der Medien und der Consumer ­Technology gestalten.

96

Welche Reife hatte ich erreicht? Anscheinend die, mit Musikern, die ihre Fähigkeit auf anderen Instrumenten erlernt hatten, zusammenzuspielen. Also über den gemeinsamen Nenner – die Musik – miteinander zu kommunizieren, zu harmonieren. Ehrlich? Ich hatte mir das wesentlich einfacher vorgestellt. Es dauerte noch viele weitere Monate – voll von hunderten, dieses Mal gemeinsamen Wiederholungen –, bis wir «in sync», also «in Resonanz» waren.

Irgendwann kam dann aber endlich der Moment, als unser Musiklehrer und Bandleader nach einem langen, anstrengenden Übungsabend mit einem breiten Grinsen in die Runde schaute und rief: «Jetzt sind wir so weit, Nummer-1-Hits zu bauen!» Seit diesem Tag gab es keine Notenblätter mehr, von denen wir akribisch ­abspielen mussten, es gab nur noch «Jam-Sessions». Auf Wikipedia wird das perfekt als «zwangloses Zusammenspiel von Musikern, die üblicherweise nicht in einer Band zusammenspielen und -singen», ­erklärt. Stimmt! Zwanglos, weil wir über viele Jahre gelernt hatten, miteinander zu spielen und uns aufeinander abzustimmen, einander zuzuhören und musikalisch auf den anderen einzugehen.

Plötzlich konnten wir mit allen Musikern der Welt kommunizieren

Wir konnten plötzlich mit allen Musikern auf dieser Welt kommunizieren, uns ­in­spirieren und motivieren, ohne auch nur ein einziges Wort austauschen zu müssen. Der Anfang eines Jams war fast immer identisch. Einer startete mit einem ­«Groove» (Melodie, Rhythmus), und schon antworteten die anderen mit ihrem musikalischem Beitrag, ihrer Interpreta­ tion, ihrer Idee. So entstanden im Übungsraum hunderte an potenziellen neuen Songs – jeder auf Grundlage einer anderen Inspiration, ­eines anderen emotionalen «Triggers». Als Musiker vergisst man diesen unglaublich emotionalen, positiven Flow NIE, wenn man über Stunden im musikalischen Einklang ist, die Zeit vergisst und noch über Wochen und Monate die neu geschaffenen Melodien als Ohrwurm im Kopf hat. Waren persönliche Nummer-1-Hits dabei? Na klar. Die Band bekam durch unsere «Goldies» (so nannten wir unsere TopSongs) ihren Stil, ihre Einzigartigkeit und damit auch immer mehr Fans und Kunden (die ein Ticket für unser Konzert kauften). Übrigens: Die aktuellen Kinofilme «Bohemian Rhapsody», aber auch «Rocketman» schildern anschaulich, wie aus einer Jam-Session Welthits wurden …

INNOVATOR

MICHAEL PRESCHL

INNOVATIONJAM-SESSIONS


KOLUMNE

«DER FILM ‹ROCKET­ MAN› ZEIGT, WIE AUS EINER JAM-SESSION EIN WELTHIT WURDE.»

IMPRESSUM

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN Schweiz, ISSN 2308-5886 Chefredakteur The Red Bulletin Alexander Macheck Chefredakteur Innovator Arek Piatek Art Director Kasimir Reimann Photo Director Eva Kerschbaum Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza

Länderredaktion Arek Piatek Publishing Management Melissa Stutz Anzeigenverkauf Marcel Bannwart, marcel.bannwart@redbull.com Abo- und Leserservice abo@ch.redbulletin.com

Freie Mitarbeiter Marc Baumann, Waltraud Hable, Jakob Hübner, Günther Kralicek, Alexander Lisetz, Jonas Vogt, Emily Walton, Stefan Wagner, Wolfgang Wieser

Die Weltformel der Wissenschaften Warum erzähle ich das alles? Als Inno­ vationsmann erinnert mich mein beruf­ licher Alltag oft an unsere Band. Ich «spiele» mit vielen unterschiedlichen ­Musikern (jetzt: beruflichen Experten) ­zusammen, die verschiedenste «Instru­ mente» beherrschen und Spezialisten in ihrem Fachgebiet sind.

Wir inspirieren uns, wir triggern uns, zwanglos und höchst motiviert, mit dem eindeutigen Ziel, die Welt in die richtige Richtung zu bewegen. Unser gemeinsamer Nenner des Miteinanders beim «Inno­ vation-Jam» sind Technologiestandards und die vorgegebenen «Weltformeln» der Wissenschaften und Natur. Meine Über­ zeugung: Kreativ sein und gemeinsam ­etwas Sinnvolles, positiv Emotionales schaffen funktioniert mit dem in der Musik praktizierten «Jammen» am besten – auch im Business. Konkret: Seit einigen Jahren praktiziere ich konsequent «Inno­ vation-Jam-Sessions» in maximaler An­ lehnung an die Referenz aus der Musik. Davor? Waren es, verzeiht mir den Aus­ druck, sehr oft «einseitige, maschinell vorgegebene Prozesse in einer kreativ-­ fanatischen Zwangsjacke». Hey – das geht gar nicht: Kreativität auf Kommando, die auch noch in ein zeitliches Korsett ge­ zwängt wird und von Erwartungsdruck geprägt ist? Funktioniert nicht. Auch nicht in der Musik. Mit Begeisterung darf ich berichten, dass bei unseren Inno­ vation-Jam-Sessions b ­ ereits viele hit­ verdächtige Projekte ­entstanden sind – ­einige davon konnten wir schon ins Business transferieren, mit der Chance, dort ein Nummer-1-Hit zu werden … INNOVATOR

Grafik Miriam Bloching, Martina de CarvalhoHutter, Kevin Goll, Carita Najewitz, Antonia Uhlig

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN Deutschland, ISSN 2079-4258

Illustrationen Johannes Lang Fotoredaktion Marion Batty, Ellen Haas

Länderredaktion David Mayer

Head of Commercial & Publishing Management Stefan Ebner

Publishing Management Natascha Djodat

Global Project Management Melissa Stutz Publishing Management Sara Varming (Ltg.), Ivona Glibusic, Bernhard Schmied, Mia Wienerberger

Anzeigenverkauf Matej Anusic, matej.anusic@redbull.com Thomas Keihl, thomas.keihl@redbull.com

B2B-Marketing & -Kommunikation Katrin Sigl (Ltg.), Agnes Hager, Teresa Kronreif Executive Creative Director Markus Kietreiber Co-Publishing Susanne Degn-Pfleger, Elisabeth Staber (beide Ltg.), Mathias Blaha, Vanessa Elwitschger, Raffael Fritz, Marlene Hinterleitner, Valentina Pierer, Mariella Reithoffer, Verena Schörkhuber, Julia Bianca Zmek, Edith Zöchling-Marchart Commercial Design Peter Knehtl (Ltg.), Sasha Bunch, Simone Fischer, Martina Maier, Florian Solly Anzeigendisposition Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Herstellung Veronika Felder Produktion Friedrich Indich, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig Lektorat Hans Fleissner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-Walek, Belinda Mautner, Klaus Peham, Vera Pink Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Sandra Maiko Krutz, Nenad Isailovic, Josef Mühlbacher Operations Michael Thaler (MIT), Alexander Peham, Yvonne Tremmel (Office Management) Abo und Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Klaus ­Pleninger (Vertrieb), Nicole Glaser ­( Vertrieb), ­Victoria Schwärzler, ­Yoldaş Yarar (Abo) General Manager und Publisher Andreas Kornhofer Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Strasse 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-0 Fax +43 1 90221-28809 Web redbulletin.com/innovator

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN Österreich, ISSN 1995-8838 Länderredaktion Christian Eberle-Abasolo Publishing Management Bernhard Schmied Sales Management The Red Bulletin Alfred Vrej Minassian (Ltg.), Thomas Hutterer, Stefanie Krallinger Media Sales Gerald Daum, Franz Fellner, Wolfgang Götz, Christopher Miesbauer, Nicole Okasek-Lang, ­Jennifer Sabejew, Johannes Wahrmann-Schär; Kristina Krizmanic (Team Assistant) anzeigen@at.redbulletin.com Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Offenlegung gemäss § 25 Mediengesetz Informationen zum Medieninhaber sind ständig und unmittelbar unter folgender Web-Adresse auffindbar: redbulletin.at/impressum Redaktionsadresse Heinrich-Collin-Strasse 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-0  Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com

Medieninhaber, Verlag und Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Strasse 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Gerrit Meier, Dietmar Otti, Christopher Reindl

97


DESIGN-HIGHLIGHT Das Teleskop wird auf minus 266 Grad gekühlt, damit es funktioniert. Ein tennisplatzgrosser Sonnenschild hilft dabei.

98

Fast dreißig Jahre lieferte das legendäre Weltraumteleskop Hubble Aufnahmen ent­fernter Galaxien. Demnächst hat es aus­gedient. Sein Nachfolger: das James Webb Space Telescope (JWST; Bild), benannt nach dem früheren Leiter der US-Raumfahrtbehörde NASA. Damit können die Forscher nun noch weiter ins All schauen – und damit auch tiefer in die Vergangenheit eintauchen. Denn die wichtigste JWST-Auf­ga­be ist es, nach dem Licht von ersten Galaxien nach dem Urknall zu suchen. Die NASA hofft ausser­dem, Hinweise auf ausserirdisches Leben zu finden. Geplanter Start für das Zehn‑Milliarden-Dollar-Teleskop: 2021. webbtelescope.org

INNOVATOR

NASA/CHRIS GUNN

DIESES TELESKOP SCHAUT IN DIE FRÜHE URZEIT UNSERES UNIVERSUMS

Webb sucht nach Ausserirdischen


Erlebnis. Inspiration. Genuss.

Dein R abattc auf Vo ode rverka ufstick ets INNOV ATOR 20

30. Jan - 2. Feb 2020 | Zürich | StageOne www.mansworld.com


Enjoy Electric. The new EQC. www.mercedes-benz.ch/EQC

EQC, 408 PS (300 kW), 21,4 kWh/100 km (Benzinäquivalent: 2,4 l/100 km), 0 g CO₂/km (Durchschnitt aller verkauften Neuwagen: 137 g CO₂/km), CO₂-Emissionen aus Treibstoff- und/oder Strombereitstellung: 30 g/km, Energieeffizienz-Kategorie: A


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.