SCHWEIZ JUNI 2022 CHF 3.80
BIKE SPECIAL
RÄDER, RENNEN, REISEN
YIPPIE YEAH! Bike-Star Kilian Bron über den Mut, seine Träume zu leben
TO M C R U I S E / PAT R I C K S E A BAS E / E M M A H I N Z E / S O K R AT ES / J O E Y K E L LY
JETZT ABONNIEREN: GETREDBULLETIN.CH
ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN
Polestar 2 — Pure design
Buche eine Testfahrt auf polestar.com WLTP:16,7-20,2 kWh/100 km and CO2: 0 g/km
E D I TO R I A L
WILLKOMMEN
IM BIKEPARADIES
TRAUMHAFTE AUSSICHTEN
Der Franzose Kilian Bron tobte sich beim Shooting für The Red Bulletin in den Schwei zer Bergen aus. Die atemberaubenden Bil der gibt es ab Seite 38.
Wenn Kilian Bron, 29, mit seinem Mountainbike über Gletscherspalten in der Schweiz, Vulkane in Mexiko oder spitze Felsen in den italienischen Dolomiten fährt, wirkt er fast so, als wäre er nicht von dieser Welt. Mit seinen Videos begeistert der sympathische Franzose auf YouTube Millionen Menschen. Ab Seite 38 erzählt er uns, weshalb die Schweiz für ihn ein Fahrrad-Paradies ist. Abgefahren ist auch der Schweizer Mountainbiker Konny Looser, 33: Beim Desert Dash fährt er 393 Kilometer quer durch die Namib, die älteste Wüste der Welt. Ein Rennen der Extreme, das ihn an seine Grenzen bringt. Das Protokoll dazu gibt’s ab Seite 46. Lust darauf, sich einmal wie ein Radprofi zu fühlen? Ab Seite 58 nimmt uns der Radpurist Patrick Seabase, 38, mit auf eine der beiden Schweizer Etappen der Tour de France, die in diesem Jahr wieder in die Schweiz zurückkehrt.
E GUETE!
Der Berner Radfahrer Patrick Seabase stärkt sich bei seinen Rad touren gerne mit Obst. Mehr Tipps gibt er ab Seite 58.
12.287 Kilometer trennen die afghanische Radrenn fahrerin Afsana Naw rozi von ihrer Familie. Die berührende Ge schichte: ab Seite 64.
TOM MACKINGER
Gute Unterhaltung mit der neuen Ausgabe von The Red Bulletin! Die Redaktion
TRISTAN SHU (COVER), PHIL GALE
CRASHKURS IM MOUNTAINBIKEN
Treppen, Steilkurven, Drops: Die wichtigsten Skills für alle Anfänger gibt es ab Seite 70.
THE RED BULLETIN
3
I N H A LT The Red Bulletin im Juni 2022
BIKE SPECIAL
RÄDER, RENNEN, REISEN
NEUES LEBEN
64 FREIE FAHRT
fsana Nawrozi verliess AfghaA nistan, um biken zu dürfen.
COVERSTORY
38 B IKE-IKONE
Mountainbiker Kilian Bron, 29, lässt mit seinen Videos Millionen Menschen träumen.
MOUNTAINBIKEN
70 FAHRSTUNDE
Die fünf wichtigsten Skills für alle Anfänger im Crashkurs.
72 AUS LIEBE ZUM BIKE
Fotograf Russ Ellis und seine Hommage an den Radsport.
ULTRACYCLING
32 S CHLAFLOS IN AMERIKA Christoph Strasser beisst sich durch, wenn andere aufgeben.
MOUNTAINBIKEN
Maximales Fahrvergnügen: neue Bikes und coole Gadgets.
GUIDE
Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen 79 REISEN. Sportklettern auf der griechischen Insel Kalymnos
34 HÖLLISCH GUT
Vali Höll ist die Königin des Downhill-Mountainbikens.
84 BIOHACKING. Nervös? Dann bitte an diese Körperstellen klopfen
BAHNRAD
85 P LAYLIST. Das Musikduo Ibeyi und seine vier Lieblingssongs
eltmeisterin Emma Hinze W über Stürze und Splitter im Po.
86 INNOVATION. Ein Sport-Shirt revolutioniert das Training.
CHALLENGE
88 L ESESTOFF. «88 Namen» von Literatur-Chamäleon Matt Ruff
36 U NGEBREMST
46 D IE REIFEPRÜFUNG
Konny Looser radelt 393 Kilometer durch die Wüste Namib.
RASTLOS Der Österreicher Christoph Strasser über den wohl härtesten Radmarathon der Welt
90 UHREN. Aus Liebe zur Aviatikwelt: die neue Longines Spirit Zulu Time 91 KALENDER. Events, die man auf keinen Fall verpassen sollte
TOUR DE FRANCE
58 DER LEGENDE NACH
Patrick Seabase testet für uns eine der Schweizer Etappen.
32 RUSS ELLIS, PHILIPP HORAK, JASON PERRY, TARA METTE
20 GLÜCKSRAD
4
GRENZENLOS ist die Freude, die Russ Ellis empfindet, wenn er Radrennen fotografiert.
BIKES & EQUIPMENT
PORTFOLIO
6 GALLERY 12 ZAHLEN, BITTE! 14 FUNDSTÜCK
20
92 B OULEVARD DER HELDEN. Drei Forscherinnen und ihr hin gebungsvoller Einsatz für Affen
15 DAS PHILOSOPHEN-INTERVIEW 16 MEIN ERSTES MAL
96 IMPRESSUM 98 CARTOON
64 FURCHTLOS Von Kabul nach Arizona: Afsana Nawrozi über ihr neues Leben ohne Angst
THE RED BULLETIN
46 WÜSTENSTAUB Der Schweizer Konny Looser (vorne) kämpfte sich beim Desert Dash 393 Kilometer durch die Wüste Namib.
THE RED BULLETIN
5
MATERA, ITALIEN
Mut zur Lücke! Uralte Steinmauern, steile Stiegen, malerische Gassen: Dass die zauber hafte Altstadt von Matera im Süden Italiens als Kulisse von Parkour-Bewer ben beliebt ist, wundert keine Sekunde. Vielmehr verblüfft es, wenn im Vorfeld solcher Veranstaltungen plötzlich Men schen in absurden Höhen über die Stras sen fliegen. Und auf der anderen Seite sicher auf schmalen Mäuerchen landen, als wäre es nichts. Fotografin Anna Rossini hat so einen magischen Moment mit ruhigem Zeigefinger festgehalten. rossinianna.it
6
ANNA ROSSINI/RED BULL ILLUME
PARIS, FRANKREICH
Wo ist das Vögelchen? Was braucht ein brillantes Foto? Erstens: einen hübschen Hintergrund – in diesem Fall «Le Dome», den berühmtesten Skater spot von Paris. Zweitens: eine beein druckende Handlung – hier ein von Noah Mahieu perfekt ausgeführter «Slappy Nosegrind», elegantes Schleifen auf der vorderen Boardachse. Drittens: Balance, hier hergestellt von der Taube, die Mahieu mit seinem Manöver aufgescheucht hatte. «Das war ein glücklicher Zufall», freute sich Fotograf Clement Chouleur. Instagram: @el_choubi 8
CLEMENT CHOULEUR/RED BULL ILLUME
REIN RIJKE/RED BULL ILLUME
ZANDMOTOR, HOLLAND
Eisbrecher Wenn die Temperaturen in Holland unter null fallen, dann entstaubt eine ganze N ation die Eislaufschuhe, schleift die Kufen und wartet sehn süchtig darauf, dass die Seen und Teiche endlich k omplett zugefroren sind. Da machst du dir als F otograf nicht unbedingt Freunde, wenn du eine Kite surferin als Eisbrecher in die Fluten schickst – nur um ein interessantes Bild zu schiessen. Andererseits: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. zoutfotografie.nl
11
Z AHL EN, BI T T E!
«TOP GUN»
Wie die Zeit verfliegt Tom Cruise kehrt als Fliegerheld ins Kino zurück: «Top Gun: Maverick» soll 36 Jahre nach dem Original noch einmal durchstarten. Wie alt die Pilotenbrille ist, wie viel die Fortsetzung kostete. Und warum der Film die U. S. Navy am meisten freute.
1937
1969
6
500
3
182
Folgen von «Emergency Room» drehte Anthony Edwards, der Cruise’ Partner «Goose» gespielt hatte, nach «Top Gun».
Mal wurde der britische egisseur Tony Scott († 2012) R während der Dreharbeiten von «Top Gun» gefeuert – er brachte den Film dennoch zu Ende.
357.288.178
15
Millionen Dollar kostete die Produktion 1986. Die Fortsetzung verschlang 152 Millionen Dollar.
Dollar spielte «Top Gun» ein. Es war der bestbesuchte Film 1986. 12
THE RED BULLETIN
CLAUDIA MEITERT
Prozent mehr Bewerbungen erhielt die U. S. Navy im Jahr nach «Top Gun».
Spezialkameras im Cockpit bringen Flugszenen nun erstmals in 6K-Qualität in die IMAX-Kinos.
Oscar gewann «Top Gun» 1987 – für den Song «Take My Breath Away» der Gruppe Berlin.
bis 8 g – diese Fliehkräfte mussten die Akteure in «Top Gun: Maverick» bei den Flugaufnahmen tatsächlich aushalten.
wurde in Kalifornien die EliteJagdflugschule Navy Fighter Weapons School eröffnet. Sie trägt intern den Namen «TOPGUN» und diente als Vorbild für den Film.
wurde die Ray-Ban-Sonnenbrille «Aviator Classic RB 3025» entworfen, die Tom Cruise sowohl im Original als auch in der Fortsetzung trägt.
1
7, 5
HANNES KROPIK
Filme hatte Tom Cruise bereits gedreht, bevor er 1986 mit «Top Gun» zum globalen Superstar wurde.
km/h, das sind Mach 1,8 – also die 1,8-fache Schallgeschwindigkeit –, erreicht die F-18, die Maverick und seine Kollegen fliegen.
GETTY IMAGES (2)
7
2222
450 BIKES. UND EINS, MIT DEM DU JEDEN TRAIL ROCKST.
Finde dein Bike in der grössten Bike-Auswahl der Schweiz. In unseren Filialen oder unter bikeworld.ch
F U ND ST Ü CK
WOLFGANG WIESER
Jakob Schubert, 31, Kletterweltmeister aus Innsbruck
JAKOB SCHUBERT
TOBIAS HALLER/NODUM SPORTS, SIMON RAINER
Fingerspitzengefühl Das Gerät, mit dem sich der Champion aufwärmt Dieses Stück Holz spendet Wärme. Allerdings nicht im offenen Kamin. Es sorgt für ein feuriges Brennen in den Armen, wenn man sich mit den Fingerspitzen daran hochzieht. Kletterweltmeister Jakob Schubert benützt dieses Flash Board, das mit einem Karabiner an geeigneter Stelle aufgehängt wird, um in Schwung zu kommen, bevor er in den Fels steigt – wie zuletzt am «Sleepwalker», einem gewaltigen Brocken bei Las Vegas.
14
THE RED BULLETIN
DAS F IK T IVE PHILO S O PHEN -IN T ERV IE W
SOKRATES SAGT:
«Coaches? Such dir lieber einen guten Freund zum Reden!» Wer es sich leisten kann, engagiert einen Coach: für die Fitness, für den seelischen Frieden, für den beruflichen Erfolg. Im alten Athen war es ähnlich – doch fanden die damaligen Trainer in Sokrates einen scharfen Kritiker. Im fiktiven Interview mit dem Philosophen Christoph Quarch erklärt er, was ihn bis heute am Prinzip des Coaching stört.
DR. CHRISTOPH QUARCH
BENE ROHLMANN
the red bulletin: Herr Sokrates, Sie haben sich mit den sogenannten Sophisten legendäre Wortgefechte geliefert, weil diese Leute ihren Kunden in Aussicht stellten, ihnen die Kunst des guten Lebens beizubringen. Was hatten Sie denn daran auszusetzen? Sokrates: Nur eine winzige Kleinig keit, mein Freund: Sie hielten nicht, was sie versprachen. Keiner von denen hat je das Leben seiner Kunden besser gemacht. Du kannst übrigens Du zu mir sagen.
sein, also buchst du den Fitness-Coach. Du glaubst, du musst charismatisch auftreten, also buchst du jemanden, der weiss, wie das geht. Du glaubst, du musst empathisch reden, also buchst du einen Empathie-Coach. Aber hast du dich je gefragt, ob du das wirklich brauchst? Könnte es sein, dass du einfach nur die Erwartungen anderer erfüllen willst? Oder einer fixen Idee hinterherhechelst, die du dir in den Kopf gesetzt hast? Klar, gute Coaches helfen dir, so zu werden, wie du sein willst. Aber wer sagt dir, dass das, was du sein willst, auch wirklich gut für dich ist?
Du vermutlich? Aber wirklich nicht. Ich habe keine Ahnung, was gut für die Leute ist, mit denen ich mich unterhalte. Das ist es doch gerade! Ich kann Men schen nicht optimieren. Ich bin kein Experte. Ich habe kein Wissen, das ich zu Markte tragen könnte. Ich kann sie nur in ein Gespräch verwickeln, bei Na schön. Aber siehst du das nicht dem sie lernen, sich selbst in Frage ein bisschen zu eng? Immerhin «Du musst selbst waren die Sophisten ausgezeichnete herausfinden, was zu stellen: ihre Werte, ihre Ziele, Redner, die Menschenmengen ihre fixen Ideen. Ich hole sie aus ihrer gut für dich ist. begeistern konnten – und diese Komfortzone und lade sie ein, zu Fähigkeit auch weitergaben. denken. Das müssen sie aber selbst Das kann dir Ganz unbenommen. Eure Coaches und keiner abnehmen.» machen. Du musst schon selbst her Keynote Speaker können das ja auch. ausfinden, wer du bist und was es Ich bewundere sie sehr dafür. Ich frage heisst, ein schönes, gutes und wahres mich nur: Wird jemand ein guter Mensch, weil er gross Leben zu führen. Das kann dir keiner abnehmen. artig zu reden versteht? Wird einer dadurch mutig, Auch ich nicht. weil er einen mitreissenden Vortrag über Mut hört? Aber ist das nicht auch eine Art von Coaching? Natürlich nicht sofort, aber Coaches können Stimmt, warum eigentlich nicht? Ob das allerdings doch gute Ratschläge geben, wie man sein Leben als Business funktioniert, weiss ich nicht. Es geht ja optimieren kann – zum Beispiel für das Auftreten nur darum, gute Gespräche unter Freunden zu führen. in der Öffentlichkeit oder die Kommunikation. Wenn Coaches das tun, haben sie meinen Segen. Jaja, die Selbstoptimierung. Darauf seid ihr alle scharf, ihr neuzeitlichen Menschen. Und deshalb SOKRATES, 469–399 v. Chr., gilt als der Archetyp des griechiseid ihr bereit, jedem, der euch so etwas verspricht, schen Weisen. Berühmt wurde er für seine Aussage «Ich weiss, absurde Honorare zu zahlen. Aber das ist oft raus dass ich nichts weiss», mit der er zu erkennen gab, dass man bei ihm keine theoretischen Kenntnisse erlernen kann, dafür geschmissenes Geld, mein Freund. Genau wie meine aber in die Kunst des Denkens eingeführt wird. Sein Anliegen sophistischen Zeitgenossen kommen eure Coaches war es, Menschen aus dem Gefängnis ihrer Meinungen und gern mit schlauen Ideen: «Tu dies, tu das! Wende Konventionen zu befreien, um sie zu einem naturgemässen und diese Methode an, benutze jenes Tool, buche noch menschenwürdigen Leben zu befähigen. ein Seminar – und dann läuft das Ganze.» Aber was ist daran auszusetzen? Dass dir das nichts nützt, wenn du nicht verstanden hast, was gut für dich ist. Du glaubst, du musst fit
THE RED BULLETIN
CHRISTOPH QUARCH, 57, ist deutscher Philosoph, Gründer der Neuen Platonischen Akademie (akademie-3.org) und Autor zahlreicher philosophischer Bücher, zuletzt: «Kann ich? Darf ich? Soll ich? Philosophische Antworten auf alltägliche Fragen», legenda Q, 2021.
15
M EIN ERST ES M A L
JOEY KELLY
«Ich wurde ausgelacht»
Die meisten kennen ihn als Musiker. Genauer: als MitAlso, Startschuss, alle sprangen ins Wasser. Ich gab glied der Kelly Family. Ab 1974 (Joey war damals zwei) Vollgas – im Schmetterlingsstil. Nach 70 Metern war tingelte die Strassenmusikerfamilie im Doppeldeckerich Letzter und bekam keine Luft mehr. Ich hielt mich bus quer durch Europa. Bis zum grossen Durchbruch: an einer Boje fest und schwamm zurück zum Start. Das Album «Over the Hump» Mein Freund filmte weiter, der (1994) verkaufte sich weltweit war nur am Lachen. ‹Was bist du fünf Millionen Mal und gilt als für eine Flasche!›, rief er, ‹und eines der erfolgreichsten Alben dafür bin ich mitgekommen?› der deutschen Musikgeschichte. Ich schnauzte zurück: ‹Halt dein Heute steht der Name Joey Maul, und schalt die Kamera ab!› Kelly vor allem für AusdauerAber der Arsch drehte weiter. sport: Mehr als 50 Marathons, In diesem Moment spürte ich 31 Ultra-Marathons, 13 Ironmaneinen Kick: Das kann es doch Wettbewerbe, zehn Wüstenläufe echt nicht gewesen sein! Also und viermal das Race Across sprang ich wieder ins Wasser. America hat er in den letzten Diesmal probierte ich es mit 25 Jahren absolviert. Viele seiner Brustschwimmen, das ging besser. Danach aufs Fahrrad. Auch durchgeknallten Abenteuer wurden von Fernsehteams begleitet: da eine katastrophale Leistung, Sein «Wettlauf zum Südpol» ich war immer noch Letzter. 0:00 –37:40 lief auf ZDF, RTL folgte ihm Beim Laufen überholte ich dann Joey Kelly dabei, wie er die USA ohne Geld hundert Meter vor dem Ziel zwei Mein erstes Mal – der Podcast durchquerte. Ältere, die am Quatschen waren. Hier erzählt der 49-Jährige Drittletzter also, meine Zeit: von seinem ersten Triathlon 3:36 Stunden. Profis brauchen (1,5 Kilometer Schwimmen, halb so lang. Ich dachte: Wette «Ich gab Vollgas – im 40 Kilometer Radfahren, 10 Kilogewonnen, gut, aber so einen meter Laufen). Davon, wie sehr Schmetterlingsstil … Scheiss mache ich nie wieder. er sein erstes sportliches Abenund war Letzter.» teuer hasste – und wenig später Drei Tage hielt dieser Vorsatz. Bis lieben lernte: mir klar wurde: Ich kann diese Musiker Joey Kelly amüsiert sich Blamage nicht auf mir sitzen lasüber seinen holprigen Start als Triathlet. sen. Die Niederlage spornte mich «Am Anfang stand eine Wette mit an. Und noch wichtiger, für meimeiner Schwester Patricia. Sie nen Beruf war der Ausdauersport der optimale Auswollte bei einem Triathlon mitmachen. Und ich: Okay, gleich. Ich ging nach unseren Konzerten laufen und das schaff ich auch. ‹Niemals›, meinte sie, ‹du hast Rad fahren. Je härter ich trainierte, desto mehr Spass keine Ahnung, was da auf dich zukommt.› Unrecht hatte ich. Zwei Jahre später finishte ich acht Ironman- hatte sie nicht. Ich wusste nicht einmal, wie weit man Triathlons innerhalb von zwölf Monaten. Ein Rekord, schwimmen muss oder ob da auch Reiten als Disziplin das hatte vor mir noch keiner geschafft.» dazugehört. Aber ich dachte, ich bin ein cooler Typ, jung und berühmt, ich schaff das auch ohne Training. Und so ging ich 1996 beim Triathlon in Roth in der Nähe von Nürnberg an den Start. Ich brachte sogar jemanden mit, der mich filmen sollte. So sicher war ich mir, dass ich das Ding rocken – und vielleicht sogar gewinnen – würde. So bekloppt war ich! Patricia «MEIN ERSTES MAL» IST DIE RED BULLETIN-PODCAST-SERIE, war an dem Tag krank. Aber inzwischen waren auch in der Heldinnen und Helden über ihre Anfänge sprechen. Die Folge mit andere Familienmitglieder in die Wette eingestiegen: Joey Kelly, in der er auch erzählt, wie man grosse Projekte bewältigbar 800 D-Mark standen auf dem Spiel – das war eine macht, gibt’s im Podcast-Kanal von The Red Bulletin. Zu finden auf allen gängigen Plattformen wie Spotify und auf redbulletin.com/podcast Menge Geld damals!
16
THE RED BULLETIN
PICTUREDESK.COM
Vom Popstar zum Extremsportler: Heute läuft das Mitglied der legendären Kelly Family durch Wüsten und Regenwälder. Hier erzählt er von seinem ersten Triathlon. Von einer Niederlage, die ihm den Weg zeigte.
FLÜÜÜGEL FÜR DEN SOMMER.
MIT DEM GESCHMACK VON APRIKOSE-ERDBEERE.
NEU
BELEBT GEIST UND KÖRPER.
Veranstalter: BikeDays.ch GmbH
BIKESPECIAL
RUSS ELLIS
Über 58 Seiten feiern wir das Fahrrad und alles, was es uns beschert: Glückshormone, Wadenkrämpfe, Seelenwohl. Profis, Amateure und Fotografen zeigen, was die Freude am Zweiradfahren ausmacht.
Radsportfan Russ Ellis ist überzeugt, den besten Job der Welt zu haben: Der Brite wird dafür bezahlt, Fotos von seinem Lieblingssport zu machen – wie hier und auf den nächsten Seiten.
THE RED BULLETIN
19
Savoir-vivre
Tour de France, 2020 «Ich sah dieses wunderbare alte Auto am Strassen rand und fragte den Besitzer, ob ich aus seinem Wagen heraus ein Foto machen dürfte», erzählt Russ Ellis. Voilà: das einzigartige Gefühl der be rühmtesten Radrundfahrt der Welt auf einen Blick.
Bike-Special Portfolio
Sattelfest
Der britische Fotograf Russ Ellis ist einer der wenigen, die dem Radsport einen würdigen Rahmen verleihen können – vielleicht, weil er sein Handwerk auf der Strasse gelernt hat. Protokoll ANDREAS WOLLINGER 21
Bike-Special Portfolio
Heisses Pflaster
Paris – Roubaix, 2019 Das Rennen, das seit 1896 an einem Sonntag im April in Nordfrankreich stattfindet, ist Russ Ellis’ «Lieblingsveranstaltung der ganzen Saison. Die brutale Strecke – teils auf Kopfsteinpflaster, teils auf Feldwegen – ist immer für grossartige Fotos gut.» Wie man hier sieht: ein Bild wie ein Gemälde aus dem Louvre.
22
THE RED BULLETIN
DER FOTOGRAF
RUSS ELLIS Der im englischen Nottingham geborene Russ Ellis, 45, ist ein Spätberufener: Erst seit 2015 begleitet er den Radsport als Fotograf. Damals fragte ein Fachmagazin an, ob er das berühmte Rennen Paris – Roubaix fotografieren wolle. «Das war ein Wendepunkt für mich», erinnert sich Ellis. «Mir wurde klar, dass ich damit meinen Lebensunterhalt verdienen will.» Seither lebt er seinen Traum: Er verbindet seine beiden grössten Leidenschaften – das Fotografieren und den Radsport – und
«Bevor ich die Kamera herausnehme, sauge ich die Atmosphäre auf.» Russ Ellis
wird dafür auch noch bezahlt. Der späte Einstieg kommt der Qualität der Fotos jedenfalls entgegen: Man spürt in ihnen Russ Ellis’ früher gemachte Erfahrungen in der Strassenfotografie ebenso wie seine Fähigkeit, drei Schritte zurückzumachen, um aus der Distanz besondere Schwingungen und Stimmungen einzufangen. «Wenn ich zu einem Rennen komme», beschreibt Russ seine Arbeitsweise, «gehe ich zuerst nur herum und sauge die Atmosphäre auf, bevor ich die Kamera überhaupt herausnehme.» cyclingimages.co.uk
THE RED BULLETIN
23
Bike-Special Portfolio
24
THE RED BULLETIN
«Ich möchte, dass sich die Leute meine Bilder an die Wand hängen wollen.» Russ Ellis
Rahmenhandlung
Tour Down Under, Australien, 2020 «Die Stelle nahe Adelaide, an der wir anhielten, um Fotos zu machen, sah irgendwie austauschbar aus. Also suchte ich nach einem interessanten Blickwinkel und entdeckte diesen alten Reifen am Strassenrand.» Sieht doch gleich viel besser aus!
Muddy faces win races
Cyclocross, Zeven, Deutschland, 2017 «Cyclocross, das sind kleine, schnelle Rund kurse mit Schlamm, Schotter und Asphalt für aufregende Rennen mit unvorhersehbarem Aus gang.» Im Bild links: der belgische U23-Weltmeister Michael Vanthourenhout.
THE RED BULLETIN
25
«Wenn du dir die Fotos anschaust, musst du das Gefühl haben, dabei gewesen zu sein.» Russ Ellis
No Time to die
Giro d’Italia, 2020 Die 200 Kilometer östlich von Neapel gelegene Stadt Matera ist für ihre Höhlensiedlungen – die Sassi – bekannt, die sich auch hervorragend als Kulisse für den Giro d’Italia machen. «Und ein gewisser James Bond hatte hier eine aufregende Autoverfolgungsjagd in seinem letzen Film als 007», weiss Russ Ellis.
26
THE RED BULLETIN
Bike-Special Portfolio
THE RED BULLETIN
27
Bike-Special Portfolio
Donnerwetter!
Critérium du Dauphiné, Frankreich, 2020 «Ein Gewittersturm erwischte das Feld völlig unvorbereitet auf den letzten zwei Kilometern der zweiten Etappe.» Dass Fotografen auf Schönwetter hoffen, ist übrigens ein Gerücht. «Bei Schlechtwetter machen Schlamm, Regen und eimerweise Drama deinen Job.»
28
THE RED BULLETIN
«Ich versuche immer, künstlerische Bilder zu machen, die alle Emotionen einfangen.» Russ Ellis
Radler rasen vorbei Tour de France, 2018
Wer sagt, dass Radfahrer das Wichtigste bei einem Radrennen sind? Auf Russ Ellis üben Zuschauer fast grösseren Reiz aus: In ihren Gesichtern spiegelt sich das Rennen; ausserdem lässt sich auf die Art das höllische Tempo der Teilnehmer besser zeigen.
THE RED BULLETIN
29
Bike-Special Portfolio
30
THE RED BULLETIN
«Es ist ein Traum, mit meinen Hobbys Geld verdienen zu können.» Russ Ellis
Come together Giro d’Italia, 2018
«Diese drei Fans in fast identischem Aufzug begegneten mir auf der 18. Etappe des Giro. Wie sie so über den Zebrastreifen gingen, erinnerten sie mich an das berühmte BeatlesAlbum ‹Abbey Road› – ein super Schnappschuss.»
THE RED BULLETIN
31
Bike-Special Ultracycling
Christoph Strasser
zu sein, würde ich niemals starten. Es ist einfach kein Spass, wenn du körperlich nicht optimal in Form bist. Gar kein Spass.
radelt schier schlaflos 5000 Kilometer zu Rekordsiegen beim Race Across America. Die Form dafür holt er sich im Keller – und mit Songs, die er schon hundert Mal gehört hat. Text WERNER JESSNER
Foto PHILIPP HORAK
Das Race Across America gilt als härtester Radmarathon der Welt. Rund 5000 Kilometer von der West küste der USA bis zur Ostküste – in maximal 288 Stunden. Neunmal trat der Österreicher Christoph Strasser, 39, bei diesem legendären Rennen an, sechsmal konnte er es gewinnen. Wirklich spannend war es in den letzten Jahren nicht mehr: «Straps», wie seine Freunde ihn nennen, sass längst geduscht und massiert mit dem einen oder anderen Sieger getränk im Hotel, als sein knappster Verfolger noch versuchte, die vor ihm liegende Nacht auf dem Renn rad zu überstehen. 2022 macht der Dominator eine Pause. Das eröffnet anderen eine Siegeschance und uns die Gelegenheit für ein Gespräch. the red bulletin: Wie viele Stunden trainierst du aktuell pro Jahr? CHRISTOPH STRASSER: Nicht so viel. In einem Jahr ohne RAAM (Race Across America; Anm.) bloss 1000 bis 1300. Moment: Das heisst, du sitzt trotzdem täglich rund vier Stunden auf dem Fahrrad? Fünf Stunden pro Tag Rad zu fahren ist easy. Der Grossteil passiert ohne hin am Ergometer in meinem Keller. Da ist das Training effizienter und weniger gefährlich, vor allem im Winter.
32
Wie drückst du das geistig durch? Täglich für Stunden im Keller zu verschwinden, um aus dem Sattel des Ergometers eine Wand anzuschauen, muss doch unglaublich langweilig sein. Ich schaue während des Trainings einen guten Film, schreibe E-Mails oder telefoniere. Immer dieselbe Strecke mit dem Rad zu fahren ist auch nicht sehr spannend. Und am Ergometer gibt es keine roten Am peln, keine langweiligen Abfahrten oder unkonzentrierten Autofahrer. Ich mag meinen Keller. Indem man sein Büro mit einem Ergometer ausstattet und in jeder verfügbaren Minute draufhockt, dominiert man den Klassiker aller Ausdauer-Radrennen? Ich möchte auf keinen Fall über heblich rüberkommen, weil ich sehr genau weiss, welche Leistung es ist, beim RAAM auch nur ins Ziel zu kommen. Aber ich habe über all die Jahre wohl mehr investiert als alle anderen. Zeitlich, in allen Details. Man muss es sich auch finanziell leisten können, alles auf ein Rennen zu konzentrieren. Und ich bin dran geblieben, während viele nach ein, zwei, drei Starts nicht wieder gekommen sind. Heute habe ich mehr Erfahrung als der Rest, zudem ein perfekt eingespieltes Team. Blöd wäre, wenn du neunmal am Start stehen würdest und jedes Mal schlecht vorbereitet wärst. Wenn ich nicht völlig überzeugt wäre, bereit
Macht das RAAM denn überhaupt Spass? In einer Woche nur sechs, sieben Stunden zu schlafen, am Rad zu essen … Man sollte nicht den Fehler machen, zu erwarten, glücklich zu sein, wenn man es ins Ziel schafft, ob als Sieger oder nicht. Es ist so ein Klassiker, den viele von uns kennen: Schule fertig machen, danach Studium, ein Job, dann einen Award kriegen oder eine Beförderung, F amilie gründen, eine Wohnung oder ein Haus kaufen, immer weiter. Man denkt: Wenn ich das Nächste geschafft habe, wird es richtig geil. Bloss funktioniert das in aller Regel nicht. Richtig super ist es nur, wenn der Moment super ist. Auch ein Sieg wird dich nicht zu einem anderen Menschen machen. Im Grunde ändert er gar nichts: Wenn du vorher ein Arsch warst, wirst du nachher auch einer sein. Und wenn du zuvor zufrieden warst, wirst du es auch nachher sein. Das ist eine u ngemein befreiende Er kenntnis, weil sie Druck nimmt. Wann also ist das RAAM richtig super? Wenn wir rollen, mein Team und ich, blödeln wir die Schmerzen weg, einer legt einen Song auf, den wir bereits hunderte Male gehört haben, eigentlich kann ihn eh keiner mehr hören, aber in dem Augenblick bringt er dich total in den M oment: jetzt, du und deine Crew, unterwegs ins Ziel. Wirst du das RAAM im Juni verfolgen? Auf jeden Fall! Ich bin Fan mit jeder Faser meines Körpers. Folge Christoph Strasser auf Instagram: @straps_377
THE RED BULLETIN
«Wenn du vorher ein Arsch warst, wirst du nachher auch einer sein.» Extremsportler Christoph Strasser, 39, über die Bedeutung von Siegen
THE RED BULLETIN
33
Bike-Special Mountainbiken
Vali Höll hat es von der Sturzpilotin zur ersten österreichischen Gesamtsiegerin im Mountainbike-Downhill-World-Cup geschafft. Wie? Mit Ehrgeiz, aber nicht um jeden Preis. Text WERNER JESSNER
Foto PHILIPP HORAK
Es hat sich etwas geändert in Saalbach. Unten im Tal reden die Leute beim Einkaufen über Valentina «Vali» Höll und verabreden sich, um sie gemeinsam via öffentliche Leinwand anzufeuern. Public Viewing im Mountainbike-Rennsport – das hat es vor ihr in Österreich noch nicht gegeben. Oben am Berg hat sich auch etwas geändert, wenn Vali ausnahmsweise einmal zu Hause ist und nicht irgendwo auf der Welt testet, trainiert oder Rennen fährt. Normalerweise gilt auf den Down hill-Tracks ein ungeschriebenes Gesetz: Der Schnellste der Gruppe fährt vor, der Rest folgt. Vali Höll ist bei diesen Ausfahrten mit ihren Jugendfreunden, mit denen sie auf dem Bike sitzt, seit sie denken kann, locker die Schnellste. Und trotzdem fährt sie freiwillig ganz hinten: «Ich mag da nicht stressen oder sie unter Druck setzen. Ich bin sozialer geworden, seit ich so viel unterwegs bin.»
One Höll of a Ride
Trotzdem muss man sich Vali Höll als extrem ehrgeizige Frau vorstellen, sie selber sagt «überehrgeizig». «Ich will einfach immer mein Bestes geben. So klein und unbedeutend kann ein Rennen gar nicht sein, dass ich mit einem zweiten Platz happy wäre.» Bei zwei Vorbereitungsrennen diesen Frühling kam sie jeweils als Zweite ins Ziel: Einmal hatte sie einen schleichenden Platten, einmal ein verbogenes Pedal. Vali goes grrr:
34
«Ich musste mir vorsagen, dass es besser ist, in der Vorbereitung technische Probleme zu haben als dann, wenn es wirklich zählt.» Lockerheit war es auch, was sie in der legendären letzten Saison gelernt hat, als sie, auf Platz 4 in der Gesamtwertung liegend, zu den letzten beiden Saisonrennen in die USA nach Snowshoe, West Virginia, flog: «Wenn ich unter die Top 3 käme, wäre es schön», lautete zu diesem Zeitpunkt die Einstellung nach einem von Stürzen geprägten Jahr. Der Rest ist Geschichte: Vali dominierte beide Rennen. Auch weil ausgerechnet die erfahrene und in der Gesamtwertung führende Französin Myriam Nicole Nerven zeigte und stürzte. Am Ende holte sich Vali die Krone. Blickt sie heute auf diesen Tag zurück, kommt eine weitere Seite der Saalbacherin zum Vorschein: Sie ist eine Frau mit hoher sportlicher Integrität. «Mir kam es beinahe unverdient vor, als ich die Gesamt wertung gewonnen habe. Myriam hätte unter normalen Umständen nur ins Ziel rollen müssen.» Genau wie Vali bei so vielen Rennen, die sie dominiert und nach Zwischen bestzeiten weggeworfen hatte. Aber: To finish first, you first have to finish.
Ein starkes Team
Mit dem Selbstvertrauen ihrer 20 Lebensjahre und der Gewissheit, in der Sportart jederzeit dominieren zu können, hat sie nun auch ihr Umfeld selbstbewusst umgekrempelt. Weg mit fremden Ideen, mehr Fokus auf das, was sie wirklich braucht.
Mit der früheren französischen Enduro-Rennfahrerin Cécile Ravanel ist eine neue Trainerin an die Stelle ihrer Patentante als Vertrauens person getreten. Und statt auf einen Linien-Coach, der für sie im Training das Gelände liest und interpretiert, vertraut sie seit Snowshoe ihrem eigenen Gefühl und i hrem Auge für die schnellste Linie – und das soll auch so bleiben. Die Weltspitze in den DamenRennen ist in den letzten beiden Jahren irrsinnig breit geworden, das Feld sehr kompetitiv. «Mit einem Sicherheitslauf ohne grosse Fehler kommst du mittlerweile nicht mehr aufs Podest», sagt sie und findet das gut, weil es der Akzeptanz des Sports guttut.
Vertraute Kontrahentinnen
Parallelen zu ihrer Landsfrau, der erfolgreichen Snowboarderin Anna Gasser, drängen sich auf: zwei starke Frauen, die ihren Sport pushen und sich – und das ist das Besondere – trotzdem für andere freuen können. Vor allem Letzteres kann Vali Höll unterschreiben: «Ich würde mir niemals anmassen, für den DownhillSport so viel geleistet zu haben wie Anna fürs Snowboard. Eines haben wir gemeinsam: Es ist schöner, sich im Ziel mit den anderen Mädels zu freuen, als allein mit einem Pokal im Eck zu stehen.» Das gilt auch umgekehrt: «Wenn meine Kollegin und Freundin, die Schweizerin Camille Balanche im Ziel eine halbe Sekunde schneller war als ich, dann freue ich mich für sie über ihre Leistung. Am Ende fahren wir gegen die Uhr, nicht gegeneinander.» Den UCI Mountainbike World Cup könnt ihr bis 4. September auf Red Bull TV verfolgen: redbull.com/UCI-live
THE RED BULLETIN
«Am Ende fahren wir gegen die Uhr, nicht gegeneinander.» Weltcup-Siegerin Vali Höll, 20, setzt auch in der DownhillElite auf Freundschaft.
THE RED BULLETIN
35
Bike-Special Bahnrad
Emma Hinze raste ohne Bremsen mit 70 km/h über steile Holzwände fünfmal zum Weltmeistertitel und weiss eines ganz genau: Die Liebe ist grösser als die Angst vor dem Sturz. Text WERNER JESSNER
Foto ARNE MILL
Komplimente kommen manchmal von ungewohnter Stelle. Als Emma Hinze, 24, innerhalb von Cottbus umzog, war einer der ersten Gratulanten ihr Postbote. «‹Schön dass Sie nun in meinem Bezirk wohnen›, sagte er», erzählt die fünffache Weltmeisterin mit einem Lächeln. Spätestens nach ihrer olympischen Silbermedaille im Teamsprint gemeinsam mit Lea Sophie Friedrich ist die deutsche Athletin auch jenen Menschen ein Begriff, die mit Bahnradsport nicht so viel am Hut haben und bloss wissen, dass dort auf Holzbahnen mit überhöhten Kurven im Kreis gefahren wird. Wir helfen gern: Im Wesentlichen gibt es drei Disziplinen. Im Sprint tritt man im K.-o.-System paarweise gegeneinander an, im Keirin (Kampf sprint) ist man zu sechst auf der Bahn, und im Teamsprint geht es zu dritt (bei den Frauen bislang zu zweit) um die schnellste Zeit. Gemein haben alle die aerodynamisch optimierten Bahnräder ohne Gang schaltung, ohne Freilauf – und ganz ohne Bremsen. Bei Geschwindig keiten jenseits der 70 km/h endet jeder Fehler mit Schmerzen. Doch die potenzielle Gefahr blendet Emma, die von Bahnsport-Legende Kristina Vogel wegen ihrer Fahrweise zum «Mädchen mit den dicksten Eiern» geadelt wurde, konsequent aus.
the red bulletin: Ihr brettert ohne Schutzkleidung mit 70 km/h Rad an Rad über die Bahn. Wie gehst du mit dem Risiko um? emma hinze: Man ist sich des Risikos bewusst, blendet es im Rennen aber aus. Die anderen Fahrerinnen wollen ja auch nicht stürzen. Aber klar geht uns manchmal der Platz aus. Kommt vor. Körperkontakt ist in der Regel nicht vorsätzlich. Dein wilder Blick am Start ist berüchtigt. Taktik oder Konzen tration? Ich versenke mich in einen Zustand, den ich brauche, um gut Rennen fahren zu können. Wenn ich damit Gegnerinnen einschüchtere: auch gut (grinst). Was sind die gängigsten Ver letzungen? Splitter im Po vom Rutschen auf der Holzbahn, Brandwunden. Und ein Schlüsselbein ist auch schnell durch. Wie überwindet man sich, erst mals ohne Bremsen und Freilauf durch ein steiles Oval zu brettern? Als Kind wächst man so rein, bis es selbstverständlich wird. Kürzlich bin ich spasseshalber gegen die übliche Richtung gefahren, also im Uhrzeiger sinn. Das war super merkwürdig und hat mir klargemacht, dass schon speziell und schwierig ist, was wir tun. Warum gibt es keine Bremsen? Weil es gefährlich wäre, wenn eine Kontrahentin schlagartig stehen bleiben könnte. Wir verzögern nur durch Ausrollen, das dauert viel länger.
36
Entscheidender als die fehlenden Bremsen ist der starre Antrieb: Wer zu treten aufhört, wird von den sich weiterdrehenden Pedalen schlag artig über den Lenker katapultiert. Wie fühlen sich 70 km/h auf dem Rad an? Geil! Man spürt, wie man in die Kurve reingedrückt wird, und weiss dadurch instinktiv, ob man schnell ist oder nicht. Da unsere Aero-Helme die Ohren abdecken, hört man den Fahrtwind kaum, höchstens das Geräusch des Scheibenrades. Und manche Bahnen klappern. Wenn wir gemeinsam mit Männern trainieren, die noch um 5, 6 km/h schneller fahren, spürt man dieses Geschwindigkeitsplus infolge des Windschattens deutlich. Da drückt es dir den Kopf richtig runter. Die deutsche Bahnsport-Legende Kristina Vogel sitzt nach einem Sturz 2018 im Rollstuhl. Wie bist du mit ihrem Unfall umgegangen? Im ersten Moment war es schwierig. Aber es ist eben der Sport, den ich liebe, darum war aufzuhören keine Sekunde Thema. Angst hemmt und provoziert Fehler. Schon aus Selbstschutz versuche ich immer so zu fahren, wie ich eben fahre, und keine negativen Gedanken zuzulassen. Kann man Mut lernen? Ich denke, man kann sich an Herausforderungen rantasten. Hältst du dich für einen mutigen Menschen? Also vom Zehnmeterturm springe ich sicher nicht (lacht). Höhe ist nicht so meines. Achterbahnen auch nicht. Als Beifahrerin im Auto bin ich eher ängstlich, aber wenn ich selbst schnell fahre, ist das voll okay. Vielleicht ist das das Entscheidende: dass ich bei dem, was ich tue, die Kontrolle behalte. Instagram: @emma_hinzee
THE RED BULLETIN
«Splitter im Po, Brandwunden, und ein Schlüsselbein ist auch schnell durch.» Emma Hinze, 24, über die gängigsten – und weniger schlimmen – Blessuren in ihrem Sport
THE RED BULLETIN
37
Bike-Special Mountainbiken
Einsame Spitze: die französische Bike-Ikone Kilian Bron, 29, hier auf dem Augstmatthorn, beim Shooting für The Red Bulletin
DER TRAUMFÄNGER Der Franzose KILIAN BRON gilt als kreativster Mountainbike-Filmer seiner Generation. Seine Botschaft: Verlasst eure Blase, geht raus in die Welt – notfalls sogar ohne Bike. Text RON PERKELINO
Fotos TRISTAN SHU
39
Bike-Special Mountainbiken
Er hat den Durchblick: Früher war Kilian Bron Vollblut-Racer. Heute begeistert er mit atem beraubenden Videos.
K
ilian Bron hat viele Gesichter. Eines davon versteckt er hinter einem Vollvisierhelm. Es ist ein Gesicht von früher. Eines, das er hin und wieder aufsetzt, und zwar gerne und mit grosser Freude. Es ist das Gesicht eines Racers. Eines Mannes, der schneller sein will als alle anderen. Es sind die extremsten Rennen, die den Mann aus dem französischen Annecy zurück in jene Zeiten beamen, in denen er noch kein YouTube-Superstar war, sondern ein hoffnungsvoller Rennfahrer, der sich über Bestzeiten ausdrücken wollte. 2019 gewann er den «Mountain of Hell», einen Downhill-Marathon im französischen Wintersportzentrum Les Deux Alpes, bei
THE RED BULLETIN
dem sich tausend Wagemutige auf ihren Bikes von einem Gletscher ins Tal stürzen. Beim artverwandten «Mégavalanche» in Alpe d’Huez belegte er bei den letzten beiden Ausgaben jeweils Platz 2. Bei dieser Art des Mountainbikens gibt es nur eine Linie, und zwar die direkteste in die Tiefe. Wie aber passt das zu den epischen Videos, durch die ihn eine globale Seherschaft kennt? Videos, in denen er mit messerscharfer Präzision durch atemberaubende Landschaften turnt, allein, verfolgt nur von einer Drohne? Spielerisch mit dem Bike tänzelt und künstlerische Linien erfindet, die man
«Das Fahrrad hat die Welt für mich geöffnet.» Kilian Bron hat mit seinem Bike bereits über dreissig Länder bereist.
41
«Die Schweiz ist ein Paradies für Fahrradfahrer.»
Bike-Special Mountainbiken
einem Rennfahrer nie und nimmer zutrauen würde? «Für mich ist das Fahrrad ein Mittel, mich auszudrücken», sagt der 29 Jahre alte Franzose, der mit 13 Jahren begann, mit seinem Mountainbike die Umgebung zu erkunden wie Millionen Jungs auf der ganzen Welt auch. «Es ist wohl meine Neugier, die mich von anderen Fahrern unterscheidet. Eine meiner Webserien heisst ‹Mission›, und dieser Titel ist Programm: Ich breche auf und entdecke. ‹Mission› brachte mich dazu, mein Bike auch an total abgelegene und vermeintlich unbefahrbare Orte mitzunehmen. Auf diese Art habe ich bis heute in Summe über dreissig Länder bereist.»
Atemberaubende Bike-Videos
Kilian an der Staumauer Barrage de Salanfe im Wallis. Für das Bewegtbild zum Stunt QR-Code scannen.
Ob über Gletscherspalten in der Schweiz oder durch die magische Landschaft Kappadokiens in der Türkei, ob im Staub Namibias im Südwesten Afrikas, auf den spitzen Felsen der italienischen Dolomiten oder den glatt geschliffenen Slick Rocks in der Wüste von Utah, USA: Brons Videos zeichnet ein Stil aus, der ohne Worte oder Kommentare auskommt und dennoch unverwechselbar ist. Das Fachmagazin «Ride.ch» kürte seinen Fünfeinhalbminüter «Switzerland Paradise» zum «Drohnen-Video des Jahres 2021». Der Grund? «Mir bereitet das Fahren genauso viel Spass wie das Kreieren von Videos, Fotos oder Artikeln», sagt Kilian und liefert gleich einen Einblick in seine Arbeitsweise: «Es ist wichtig, wach zu sein für das, was in deinem Umfeld, in deiner Welt passiert – aber auch ausserhalb. Ich interessiere mich dafür, was andere tun. Ich lese Bücher und schaue Dokumentationen, ich unterhalte mich selbst im Restaurant mit unterschiedlichen Leuten. Dabei kommt die Inspiration von selbst.» Unter seinen Vorbildern finden sich dann auch so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Downhill-Weltmeister Loïc Bruni oder der französische Astronaut Thomas Pesquet. «Wenn du anfängst, dich in deiner Blase zu verkriechen, sei es mit dem Fahrrad oder womit auch immer, ist es der falsche Weg», bricht er eine Lanze für Offenheit, die er in seinen Projekten offensiv lebt. In einem Mountainbike-Video von Kilian Bron haben Gleitschirmpiloten oder Skifahrer genauso ihren Platz wie eine moderne Interpretation
THE RED BULLETIN
«Ich bekomme Post von Menschen, die wissen wollen, wo ich gewisse Szenen gedreht habe.» der Tour de France; bekannte Locations, an denen schon viele gedreht haben, stehen neben soeben neu entdeckten. «Es kann sein, dass ich auf Instagram bin, mir Fotos anschaue und etwas sehe, was ein bisschen schräg ist. Ich stelle Verbindungen zwischen den Dingen her, und es entwickeln sich Konzepte, die ein bisschen anders sind. Wir gehen nie von etwas Bestimmtem aus.» Dabei hätte die Liebe zum Reisen mit dem Fahrrad seine Karriere beinahe im Keim erstickt, noch bevor sie richtig beginnen konnte: «2011 – damals war ich 18 Jahre alt – war ich für einen meiner Sponsoren mit dem Bike auf einem Trip in Marokko – zum ersten Mal. Es gefiel mir gleich ganz ausgezeichnet. Leider habe ich mich auf dieser Reise verletzt, was eine fünfmonatige Reha-Pause ohne Mountainbike nach sich zog. Ich hatte also sehr viel Zeit, um mir zu überlegen, was ich mit meinem Leben anstellen wollte.» Die Liste fiel ziemlich kurz aus: Mountainbiken. Reisen. Fotos und Videos produ zieren. «Nachdem meine Prioritäten so klar vor mir lagen, fragte ich mich, wie ich daraus eine Karriere machen könnte. Ich wollte, dass die drei Dinge, für die ich am meisten brannte, meinen künftigen Alltag aus machen würden.» Allerdings: «Ich hatte keine Strategie, nur den Willen und die Leidenschaft. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch.»
200-mal im Jahr im Sattel
Zwei entscheidende Dinge kamen im Lauf der Jahre dazu: erstens Beharrlichkeit, zweitens gute Kontakte. Kilian bringt einen guten Vergleich: «Letztendlich ist Radfahren ein bisschen so, als würde man etwas trinken gehen und neue Leute kennenlernen. Es gibt Momente im Leben, in denen du entscheiden musst, welchen Weg du einschlägst. Diese Momente sind oft an bestimmte Persönlichkeiten, an Begegnungen gebunden. Bei mir waren das im letzten Jahrzehnt Christophe Ubassy und Christophe Morera, die mich 43
Bike-Special Mountainbiken
Kilian vor der Kulisse Kappadokiens, Türkei, für «Follow the Light»
Kilians Traumwelten Seine liebsten und meistgeklickten Videoprojekte Via Ferrata on a Mountain Bike
Das Video aus den Dolomiten wurde mehr als zwei Millionen Mal angeschaut. Kilian sagt: «Eines meiner Lieblingsprojekte, weil ich so viel Vorbereitungs zeit investiert habe.»
Follow the Light Die Lichter, die Heissluftballons, die Fahrten im Herzen Kappado kiens: 260 000 Menschen sahen sich das Video an, das in der Türkei gefilmt wurde (im Bild).
Colors of Mexico Kilian flitzt durch steile, farben frohe Strassen historischer Dörfer und rast den aktiven Vulkan Popocatépetl von mehr als 5300 Meter Höhe hinunter. 260 000 Menschen sahen zu.
Switzerland Paradise «Ich fahre seit vielen Jahren in der Schweiz und bin stets be eindruckt. Ich sehe die Schweiz als Paradies für Fahrradfahrer», sagt Kilian. 214 000 Views. youtube.com/c/KilianBron
nfang 2012 bei der Umsetzung meiner A ersten Projekte unterstützt haben. Antonin Pergod war mein erster Kameramann und Fotograf, später kamen Jungs wie mein heutiger Chefkameramann Pierre Henni dazu.» Das Kernteam bei Kilians Produktionen umfasst dazu noch einen Drohnen-Piloten sowie einen Cutter – ist also ziemlich schlank für jemanden, der in verblüffender Regelmässigkeit Videos produziert, die medial durch die Decke gehen. Kein Wunder, dass Kilians Lieblingsvideo auch jenes mit den meisten Clicks ist: Seine atemberaubende Fahrt durch die Dolomiten («Via Ferrata on a Mountain Bike») wurde bis jetzt über zwei Millionen Mal angeklickt. Bei seinen Filmprojekten hilft ihm die Erfahrung als Racer gleich doppelt. Erstens trainiert er noch immer wie einer: Rund 200 Tage pro Jahr sitzt der charmante Franzose, der einen Teil seiner Zeit im Bike-Paradies Andorra verbringt, im Sattel. Und zweitens: «Ich bin im Herzen ein Wettkampftyp, auch bei meinem Videos. Ich fordere mich ständig selbst heraus und gebe alles, was ich habe.»
44
Im Unterschied zu etwa Fabio Wibmer oder Danny MacAskill, die im Abspann ihrer Produktionen jeweils durch eine Zusammen stellung von Hoppalas bei den Dreharbeiten den Schwierigkeitsgrad ihrer Stunts demons trieren, kann Kilian Bron auf dieses Instrument nicht zurückgreifen – und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Wenn es auf der einen Seite des handtuchbreiten Trails ein paar hundert Meter tief in den Abgrund geht, gibt es keine Chance auf einen zweiten Take. Das macht viel von der Faszination seines Schaffens aus: ein Fahrstil, der nachweislich keinen Fehler verzeiht.
Kilians Liste gilt noch immer
Ausserdem wäre für Verletzungen ohnehin keine Zeit, scherzt der Sohn eines Gebirgsjägers: Die Erfüllung seines Lebenstraums – wir erinnern uns: die Verbindung von Biken, Filmen, Reisen – geht mit einem Terminkalender einher, der ihn den gesamten Sommer über an der Umsetzung aktueller Projekte arbeiten lässt. Und im Winter macht er sich daran, all die Ideen, die er durch Begegnungen und Eindrücke gesammelt hat, in konkrete neue Projekte umzusetzen: «Wenn ich die Saison beendet habe, nehme ich diese Ideen wieder auf. Dann schaffe ich es, wieder kreativ zu sein.» Denkt Kilian an die Zwangspause nach dem Unfall im Jahr 2011 zurück, weiss er, dass die Liste mit den drei Dingen, die seinen Alltag ausmachen sollen, bis heute nicht abgeändert werden muss. «Das Fahrrad hat die Welt für mich geöffnet. Ohne Mountainbike hätte ich nie so viel reisen und so viele Menschen kennenlernen können.» Das sei die eigentliche Absicht seiner Videos, meint Bron: «Vielleicht bekommen die Leute Lust, dorthin zu fahren, wo ich mit dem Bike unterwegs war.» Überraschender Nachsatz: «Ich bekomme sogar Post von Menschen, die selbst kein Fahrrad besitzen, die aber wissen wollen, wo ich gewisse Szenen gedreht habe. Denn sie möchten einmal selbst diese oder jene Gegend erkunden – womit auch immer.» Instagram: @kilianbron Auf Red Bull TV findest du eine grosse Auswahl an Filmen, die Bikekultur zelebrieren. QR-Code scannen, und los geht’s! THE RED BULLETIN
Bikeparadies: Kilian legt an der Staumauer Salanfe im Wallis eine Pause ein.
THE RED BULLETIN
45
Bike-Special Challenge
DIE SPITZE
Schon im ersten Streckenabschnitt haben sich sechs Fahrer an der Spitze abgesetzt, darunter K onny Looser (vorne links).
46
Die Reifeprüfung Beim DESERT DASH durchqueren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem Mountainbike die älteste Wüste der Welt: 393 Kilometer durch die Namib, die den Schweizer Konny Looser an seine körperlichen und mentalen Grenzen bringen. Protokoll eines Abenteuers. Text ANNIKA BROHM
Fotos TARA METTE
Bike-Special Challenge
NAMIBIA
Windhoek
Swakopmund NamibWüste
A
m Ende entscheiden 30 Zentimeter, verdammte 30 Zentimeter. Konny Looser geht in die Knie, er lässt den Kopf hängen, sein Gesicht ist mit Staub und Dreck gezeichnet. «Scheisse, Mann!», ruft er. Es ist kurz nach fünf Uhr morgens in Swakopmund, einer Küstenstadt in Namibia. Looser hört, wie die Wellen des Atlantiks heranpreschen und sich langsam wieder zurückziehen; er sieht die Blitzlichter der Kameras, die ihn umzingeln; er fühlt die Kälte in jede Faser seines drahtigen Körpers kriechen. 30 verdammte Zentimeter haben ihm die Siegesserie vermasselt. Ihn zum Verlierer gemacht. Looser, wie ironisch. Er ist Zweiter geworden, aber das tröstet ihn nicht, nein, das macht alles nur noch bitterer. «Am Ende guckt doch eh jeder nur auf den Sieger, oder?», sagt er. Es klingt niedergeschlagen und hoffnungsvoll zugleich: oder? «Wie lange haben die sich schon die Finger nach dem Titel geleckt?», fragt sein Schwiegervater, aber eigentlich ist es keine Frage. Keine 15 Stunden zuvor geniesst Konny Looser den Ruf einer Legende. Was Michael Schumacher einst für die Formel 1 war und Bayern München für die Deutsche Bundesliga, ist Konny Looser 48
DEN PASS ENTLANG
Das Trio Tristan de Lange (vorne), Konny Looser (Mitte) und Vinzent Dorn hat die Konkurrenz hinter sich gelassen.
für das Desert Dash. Sechs Mal hat der Schweizer an dem Mountainbike-Rennen in Namibia teilgenommen. Sechs Mal hat er gewonnen. «Langweilig», sagen DesertDash-Fans über ihn, «der gewinnt doch eh.» Einer seiner stärksten Konkurrenten sagt: «Konny ist so gut wie unschlagbar.» Er selbst sagt: «Etwas anderes als der Sieg kommt für mich nicht infrage.» Das Desert Dash ist ein Rennen der Extreme. Auf dem Mountainbike durchqueren die Teilnehmer die älteste Wüste der Welt. 393 Kilometer fahren sie durch die Namib, von bis zu 35 Grad Celsius
in der Mittagshitze bis in die Kälte der Wüstennacht, von der Hauptstadt Windhoek bis zur Küstenstadt Swakopmund. Wer dort ankommt, sieht, wie die Dünen der Namib und die Wellen des Atlantiks in einem krachenden Showdown auf einandertreffen. Wer länger braucht als 24 Stunden, scheidet noch davor aus. So gegensätzlich die Natur in Namibia ist, so gegensätzlich sind auch die Ansprüche der Teilnehmer. An der Spitze des Rennens loten Profis wie Looser ihre körperlichen und mentalen Grenzen aus. Sie streben nach Bestzeiten und greifen nach dem Titel. Loosers Titel. Im hinteren Feld hieven Hobbyfahrer ihre Bierbäuche die Strassen hinauf, für sie zählt die Teilnahme allein. Ankommen? THE RED BULLETIN
DIE LEGENDE
Konny Looser, einige Minuten nach der Ankunft am Ziel
Bike-Special Challenge
STARTBEREIT
Die Teilnehmer des Desert Dash kurz vor dem Start in Windhoek
DIE VERBÜNDETEN
Tristan de Lange (links) und Vinzent Dorn vor dem Start
Vielleicht, mal schauen. Wer will, kann im Team antreten und die Last der Strecke halbieren oder gar vierteln. Ein Auszug aus der Startliste des Desert Dash 2021: Team «Just riding along» hat sich angemeldet, ausserdem «The Vomit» und «Fat Fun». Für ein dünn besiedeltes Land wie Namibia ist das Desert Dash ein grosses Event. Bereits Wochen davor drehen sich die Gespräche im Fahrradladen und im Supermarkt um das «Dash». Wer sich als namibischer Einzelfahrer an die Strecke heranwagt, wird für kurze Zeit zur lokalen Berühmtheit. «Hast du gehört, dass Martin in diesem Jahr wieder mitmacht?» «Vielleicht reicht es ja diesmal für den Sieg.» Als Profifahrer aus Europa blickt Looser, verheiratet mit einer deutschnamibischen Radfahrerin, beinahe belustigt auf das Geschehen. Er sei andere Konkurrenz gewohnt, sagt er: «Es ist nicht gerade so, als ob sich hier die Weltklasse versammeln würde.» Trotzdem spürt er, dass in seinem siebten Jahr irgendetwas anders ist. Er kann es nur noch nicht greifen. Er reist früher als sonst nach Namibia, bereitet sich inten siver vor. Das Desert Dash findet alljährlich an einem Feiertag mit einem sperrigen Namen statt, dem «Tag der namibi schen Frauen und internationalen Tag der Menschenrechte». Stunden vor dem Startschuss parken Familien ihre Geländewagen am Strassenrand, Koffer räume und Ladeflächen werden zu Zu 50
schauerrängen. Fleisch brutzelt auf Bar becues, die hier jeder nur «Braais» nennt. Daneben brutzeln nackte Bäuche in der Sonne. In sicherer Entfernung haben sich Paviane auf Bäumen und Zaunpfählen positioniert, als wollten auch sie einen Blick auf die Wahnsinnigen werfen, die im afrikanischen Sommer über die Schotterstrassen brettern. Immer wieder hört man an diesem Nachmittag das afrikaanse Wort «Gees». Wörtlich über setzt bedeutet es «Geist». Wenn jemand aber die wahre Bedeutung von «Gees» erklären kann, dann wahrscheinlich die Dash-Zuschauer am Strassenrand: Es ist eine Atmosphäre, die einen unweigerlich mitnimmt, ein Sog, dem man sich nicht entziehen kann.
Im Tunnel
All das rauscht an Looser vorbei. Er befindet sich jetzt in seinem Tunnel, und dieser Tunnel soll ihn geradewegs zum siebten Sieg in Folge führen. In der Startzone in einem Windhoeker Park haus dröhnt «Black Betty» von Ram Jam
«Die Beine krampfen, der Kopf tut weh, der Bauch auch, eigentlich tut alles weh.» aus den Lautsprechern. Der Moderator zählt den Countdown zum 17. Desert Dash herunter. Das letzte «Bam-ba-lam» ist noch nicht verstummt, da bringt Looser die ersten Fahrer schon an ihre Grenzen. Er zieht die Menge aus der stickigen Hauptstadt hinaus, den Kupfer berg-Pass hinauf, vorbei an trockenen Gräsern und Dornbüschen. Bergab lässt er sich zurückfallen. Bergauf beschleu nigt er wieder. Er spielt mit seiner Kon kurrenz wie ein Kind, das eine Horde Ameisen mit einer Zuckerspur anlockt, nur um sie dann zu zerquetschen. Der Wind bläst ihm gnadenlos ins Gesicht. Aber Looser wird nicht langsamer, bis im Spitzenfeld nur noch sechs Fahrer übrig sind. Alles läuft nach Plan. THE RED BULLETIN
Sie bahnen sich ihren Weg durch eine Umgebung, die lebensfeindlicher kaum sein könnte. Warum tun sich die Fahrer das eigentlich an? Spass macht ihm das Ganze nicht, das gibt Konny Looser offen zu. Und das Preisgeld von umgerechnet knapp 2200 Schweizer Franken? Ge schenkt. Warum es ihn dennoch Jahr für Jahr im Dezember nach Namibia zieht, kann Looser nur schwer in Worte fassen. «Man könnte tausend Geschichten über das Dash erzählen», sagt er. Zum Beispiel die, wie ein Skorpion bei einer nächt lichen Pinkelpause in das Lichtfeld seiner Stirnlampe tänzelte, als hätte er sein Leben lang auf diesen Auftritt gewartet. Das Dash sei ein Mythos, sagt Looser. «Letztendlich muss man es selbst erlebt haben.» Rein zahlenmässig hat er schon ganz andere Extreme bewältigt. Im Oktober 2021 etwa hat er das «Titan Desert» in Marokko gewonnen: Rund 640 Kilo meter, 7600 Höhenmeter, insgesamt 24 Rennstunden, aufgeteilt auf sechs Tage. Dagegen erscheint das Desert Dash mit seinen knapp 400 Kilometern und 3000 Höhenmetern geradezu mickrig. Aber für den Kopf, sagt Looser, sei das Rennen in Namibia die härteste aller Prüfungen. Auf mentale Vorbereitung verzichtet er. Nicht trotzdem, sondern gerade deshalb. Seine Strategie: Einfach nicht darüber nachdenken. Sonst wird man nur nervös. «Das Desert Dash ist unberechenbar», sagt er bei einer Apfel schorle am Tag vor dem Rennen, und irgendwie fühlt er sich jetzt doch nervös, zum ersten Mal in all den Jahren. «Letzt endlich kommt doch alles anders, als man es sich ausgemalt hat.» Rund 40 Prozent der Einzelfahrer werden in diesem Jahr die Ziellinie nicht erreichen. An der dritten Wasserstelle kauert Daniel Abraham Gebru neben seinem Fahrrad. Bei den Paralympics in Rio de Janeiro und Tokio hat der THE RED BULLETIN
DAS TRIO
Dicht an dicht bestreiten Konny Looser (vorne), Vinzent Dorn und Tristan de Lange das Rennen.
40 Prozent der Einzelfahrer werden in diesem Jahr die Ziellinie nicht erreichen. iederländer Goldmedaillen gesammelt. N Das Desert Dash endet für ihn noch in der ersten Hälfte, ein Supportwagen gabelt ihn unterwegs auf. «Ich hab viel zu schnell angefangen», sagt er, «irgend wann war ich einfach ausgebrannt». Die Beine krampfen, der Kopf tut weh, der Bauch auch, eigentlich tut alles weh. «Dann versuchst du es im nächsten Jahr halt wieder», sagt jemand und klopft ihm auf die Schulter. Gebru lächelt, als hätte ihn jemand dazu gezwungen. In diesem Moment scheint ein zweiter Versuch das Letzte zu sein, woran er denken will.
Die Luft brennt
Als Looser den steilen Us-Pass herunter brettert, fühlt es sich an, als hätte jemand die Tür eines Backofens geöffnet. So be schreibt er es später selbst. Die Luft, die ihm entgegenströmt, brennt wie Höllen feuer. Am Strassenrand erinnert ein
Kreuz an einen Teilnehmer, der 2006 an dieser Stelle einen schweren Herzinfarkt erlitten hat. Bis heute ist es der einzige Todesfall beim Desert Dash. Vor den Fahrern breitet sich jetzt eine Landschaft von absurder Schönheit aus. Steile Hänge rauschen Zentimeter neben ihren Reifen in die Tiefe, der Himmel färbt sich zum Tagesende allmählich rot und lila. In der Ferne ragt ein Tafel berg auf, gespickt mit Akazienbäumen. Die Fahrer kriegen davon nicht viel mit. Sie kämpfen gegen den Staub der Schot terstrasse, der sich auf ihren Brillen fest setzt und in ihren Lungen ausbreitet. Die Fahrt über die Passstrasse wird zeitweise zum Blindflug. Bereits am zweiten Checkpoint ist die Spitzengruppe auf drei Fahrer ge schrumpft. Die Startnummern 1001, 1035 und 1273 scheinen zu einer Einheit verwachsen zu sein. Es sind Looser, Tristan de Lange – namibischer OlympiaTeilnehmer im Strassenrennen – und dessen Verbündeter Vinzent Dorn. Den Studenten aus Deutschland hatte vor dem Rennen niemand auf der Rechnung. Selbst die Veranstalter müssen in der Startliste nachschlagen, wer sich da an der Spitze festgesetzt hat. Kilometer um Kilometer fahren sie dicht hintereinander, der ewige Sieger, der namibische Shootingstar und der Underdog. Nicht einmal ein Lineal würde 51
Bike-Special Lorem Challenge
TAGESENDE
Die Sonne geht unter. Konny Looser (vorne) wird die nächsten Etappen in der Dunkel heit bewältigen.
53
DER SIEGER
Nach seinem Triumph an der Ziellinie in Swakopmund: der Namibier Tristan de Lange
Bike-Special Challenge
PIT STOP zwischen ihre Reifen passen. Aus der Ferne betrachtet, könnte man meinen, dass sich drei sehr sportliche Freunde zu einer Radtour durch Afrika verabredet haben. Dünne Körper rollen auf dicken Reifen durch die Landschaft, dem Sonnenuntergang entgegen. Zwischendurch zeigen sie auf Tiere am Strassenrand, ein Schakal hier, ein paar Paviane da. An der Spitze wechseln sie sich ab. Jeder darf mal im Windschatten fahren. Ist das noch das härteste Eintagesrennen der Welt, von dem Looser gesprochen hat? «Es wird nicht mehr lange dauern, bis einer zum Angriff bläst», verspricht der Veranstalter.
An der Grenze
Sie machen keine Pause, kein einziges Mal. An den Checkpoints geht alles rasend schnell. Sie füllen ihre Wasserflaschen auf, kramen nach etwas Essbarem, dann fahren sie auch schon weiter. Im vergangenen Jahr hat Looser sich an einem Checkpoint ein Schnitzelbrötchen genehmigt, zur Freude seines stärksten Kontrahenten. Es war eine höllische Arbeit, den wieder einzuholen. Das passiert Looser diesmal nicht wieder. Er kann ohnehin nichts mehr bei sich behalten. Sein Magen macht ihm zu schaffen. «Zu viel Süsskram», sagt seine Schwiegermutter, während sie die vorbereiteten Snacks wieder einpackt. «Mir ist übel», sagt Looser. Seine Konkurrenten hören es. De Lange erhöht das Tempo. Nicht zu viel, schliesslich müssen auch er und Dorn ihre Kräfte einteilen. Aber es ist genug, um Looser an seine Grenzen zu bringen. Die Idee für das Desert Dash entstand in einer langen Nacht im Jahr 2004. Der Alkohol floss in grosszügigen Mengen, und nach einer Weile dachte sich der Namibier Aiden de Lange: Wie wäre es, mit dem Rad innerhalb von 24 Stunden durch die Namib zu fahren? Du bist doch «flippen mal», haben die Leute ihm daraufhin gesagt, vollkommen verrückt. Wenig später verabredeten sich de Lange und ein paar Freunde zu einer Radtour von Windhoek nach Swakopmund, auf halber Strecke übernachteten THE RED BULLETIN
Konny Looser füllt am Checkpoint 2 seine Flasche auf. Richtige Pausen machen die Spitzenfahrer nicht.
Die Gedanken in der Nacht sind das Schlimmste: War das eine Hyäne, ein Schakal, ein Löwe?
Nun sitzt er auf seinem Rad und strampelt durch die Wüste, aber von «Full Gaz» ist er weit entfernt. Sein Magen rumort, die Wellen und Buckel der Schotterstrassen geben ihm den Rest. Dreimal übergibt er sich vom Fahrrad aus.
In die Dunkelheit
sie in Zelten. Ein Jahr später fand das erste offizielle Rennen statt, damals mit 44 Teilnehmern. Im Jahr 2021 sind es trotz der Pandemie 24 Einzelfahrerinnen und 187 Einzelfahrer. Und ausgerechnet de Langes Sohn Tristan macht Looser das Leben schwer. De Langes Strategien kennt Looser nur zu gut. Er hat sie ihm selbst beigebracht. Vor zwei Jahren hat er den namibischen Profifahrer trainiert, in der Woche vor dem Dash haben sie sich gemeinsam im kargen Süden Namibias vorbereitet. Wenn de Lange ihn nun schlägt, dann mit seinen eigenen Waffen. Looser schwankt irgendwo zwischen Stolz, Wohlwollen und Verzweiflung. Als er kurz vor dem Rennen von der Omikron-Variante gehört hatte, sass er quasi schon im Flugzeug zurück in die Schweiz. In letzter Sekunde entschied er sich dafür, doch in Namibia zu bleiben. «Wäre doch dumm, nach all der Vor bereitung doch nicht teilzunehmen», hat er sich gedacht. Schliesslich hat er einen Ruf zu verteidigen. «Back in the Game for the Dash!», schreibt er an jenem Tag auf seinem Blog. «Full Gaz!»
Die Gedanken sind das Schlimmste, vor allem in der Nacht. Und dann sind da noch die Geräusche. War das eine Hyäne? Ein Schakal? Ein Löwe? Die Dunkelheit verschluckt die Lichter der Fahrräder beinahe. Mehr als fünf, zehn Meter können sie nicht vorausblicken. Einige Teilnehmer behaupten nach dem Rennen, sie hätten Geister gesehen. In der Finsternis, wenn sich die Sinne an nichts festhalten können, tritt der Wahnsinn auf die Bühne. «Ich bin leer, vollkommen leer», denkt Looser. «Vielleicht sollte ich einfach aufgeben.» Dann denkt er: Was sollen nur die Leute von mir denken? Meine Schwieger eltern, die sich für mich die Nacht um die Ohren schlagen? Meine Frau, die in der Schweiz auf mich wartet? Meine Sponsoren? Die, die mich nach sechs Siegen in Folge voller Häme scheitern sehen wollen? Er fährt weiter. Zumindest der Halbmond zeigt in dieser Nacht etwas Gnade mit ihnen. Für einen kurzen Moment schaltet das Trio an der Spitze die Lichter aus. Ungefiltert lassen sie die Wüstennacht auf sich wirken. Sie sehen Orion am Himmel strahlen. Orion, der sich selbst 55
Bike-Special Challenge
für den grössten Jäger hielt, bis ihm ein Skorpion einen tödlichen Stich versetzte. Nach ein paar Sekunden ist die Magie vorbei. Gegen zwei Uhr nachts nähern sie sich der Mondlandschaft von Goani kontes. Tatsächlich könnte man zwischen all den Steinhügeln und Kratern meinen, dass man die Erde inzwischen verlassen hat. Hollywood hat die Kulisse für den Blockbuster «Mad Max» genutzt, ausser dem für «Odyssee im Weltraum». Genau hier hat sich das Rennen in den vergan genen Jahren entschieden, und immer war die Gunst auf Loosers Seite. Ist die Rolle des ewigen Siegers Fluch oder Segen? Gegen drei Uhr nachts erreichen sie den letzten der fünf Checkpoints. In der Oase von Goanikontes füllen sie ihr Wasser auf. Loosers Getränkebeutel hat ein Loch, die Flüssigkeit rinnt an seinen Beinen hinunter und versickert im Sand. Nichts läuft nach Plan. «Tristan ist stark», sagt er seiner Schwiegermutter. Er weiss, dass er bis zur sandigen Ziellinie in Swakopmund alles geben muss. Er weiss nur nicht, woher er die Energie dafür nehmen soll. Sein Körper verbraucht nun mehr als 900 Kilokalori en pro Stunde, und doch wehrt sich alles in ihm gegen feste Nahrung. Es über rascht ihn selbst, dass er sich noch auf dem Fahrrad halten kann.
14 Stunden, 55 Minuten
50 Kilometer vor dem Ziel löst Looser das Versprechen des Veranstalters ein: Er bläst zum Angriff. In der Ferne sehen sie die Lichter von Swakopmund, wie rote Rettungsbojen leuchten sie in der Nacht. Bald wird alles vorbei sein. Looser beschleunigt, er tritt in die Pedalen wie ein Wahnsinniger. Aber diesmal wird er seine Konkurrenten einfach nicht los. Was, wenn sie Katz und Maus mit mir spielen?, fragt sich Looser plötzlich, als sie die Wüste hinter sich lassen und die Strassen von Swakopmund durchqueren. Als Verbündete könnten de Lange und Dorn ihn leicht überlisten. Sie tun es aber nicht. Jeder kämpft nun für sich alleine. Die Luft riecht salzig, endlich fül len sich ihre Lungen wieder mit etwas 56
GESCHAFFT
Konny Looser an der Ziellinie in Swakopmund. Sechs Jahre in Folge hatte er hier gewonnen.
Es überrascht ihn selbst, dass er sich noch auf dem Fahr rad halten kann.
Feuchtigkeit, und da sind sie dann auch schon, der Strand und die rettende Ziel linie. Looser eröffnet den Sprint durch den Sand. Nur noch 20 Meter trennen ihn von seinem siebten Titel, 10 Meter, 30 Zentimeter. Die Zuschauer beobachten, wie zwei blaue Trikots und weisse Helme kurz nacheinander auf ihren Rädern heran preschen, gefolgt von einem Fahrer in Schwarz-Weiss. Wenige Meter nach der Ziellinie lassen sie ihre schlaffen Körper und ihre Fahrräder in den Sand fallen. Im Blitzlicht der Kameras kneifen sie die Augen zusammen, als müssten sie erst einmal wieder wach werden. Ist das alles gerade wirklich passiert? Am Ende trennen sie Sekunden. Ihre Zeiten: Vinzent Dorn: 14 Stunden, 55 Minuten, 43 Sekunden, Konny Looser: 14 Stunden, 55 Minuten, 31 Sekunden.
Tristan de Lange: 14 Stunden, 55 Minu ten, 30 Sekunden. Später wird Looser noch sagen, dass de Lange den Titel verdient hat. Dass es ein faires Rennen war und schluss endlich der Stärkere gewonnen hat. Dass es halt einfach nicht sein Tag war. Sieg und Niederlage liegen dicht beieinander, so ist das im Sport eben, ansonsten gäbe es ja gar keinen Reiz. Nach der Siegerehrung am Nach mittag nimmt Loosers Schwiegermutter den Pokal in die Hand, es ist ein schlich ter Holzklotz mit einer eingeschnitzten Zwei. «Den benutzen wir als Feuerholz für unseren nächsten Braai», sagt sie. Für einen kurzen Moment vergisst L ooser seine Enttäuschung, er lacht. Im Tages licht sieht alles ganz anders aus, wohl wollender. Er verlässt das Festzelt in Swakopmund, lange bevor die Aftershow vorüber ist. Noch am nächsten Tag will er zurück nach Zürich fliegen. In Na mibia hält ihn erst einmal nichts mehr. Am Ende guckt doch eh jeder nur auf den Sieger. Oder? Info: desertdashnamibia.com THE RED BULLETIN
WÜSTENSTAUB
De Lange (hinten), Dorn (Mitte) und Konny Looser fahren in den Sonnenuntergang.
Auf den Spuren einer Legende
Bock auf eine Runde Tour de France? PATRICK SEABASE nimmt uns auf eine der beiden Etappen mit, die 2022 wieder in der Schweiz gefahren werden. Protokoll SIMON SCHREYER
58
Fotos PHIL GALE
THE RED BULLETIN
Bike-Special Tour de France
HOCH HINAUS
Patrick Seabase beim Aufstieg zum Pas de Morgins, der sich auf 1377 Metern befindet
Bike-Special Tour de France
Berge, Schweiss und atemberaubende Anstiege: Die Tour de France kehrt 2022 in die Schweiz zurück. Der Berner Radpurist Patrick Seabase, 38, nimmt uns mit auf die zweite Schweizer Etappe des legendären Radrennens.
see über das Berner Oberland wieder zurück nach Aigle und noch 38 Kilometer darüber hinaus, bis über die französische Grenze. Es handelt sich um eine sehr hügelige und teil weise bergige Strecke über 183 Kilometer und 3700 Höhenmeter. Ein langer Tag also, an dem ich etwa sieben Stunden auf dem Rad sitze. Wer bereits mit Hügeln und Langdistanzen Erfahrung hat, dürfte das auch in diesem Zeitrahmen schaffen. Aber natür lich können sich auch fortgeschrittene Radfahrer zwei bis drei Tage Zeit für diese taktisch clever aus gewählte Etappe nehmen, um die Landschaft zu ge niessen. Clever ist sie auch deshalb, weil das Haupt quartier der Union Cycliste Internationale (UCI), also des Internationaler Radsportverbands, in Aigle daheim ist und die Route zweimal durch den Ort führt: als Startpunkt und dann noch einmal kurz vor dem Etappenziel. 15 Kilometer nach Aigle erreichen wir eine meiner Lieblingsstädte: das wunderschön ans See ufer geschmiegte Montreux. Ab hier schlängelt sich die Strasse weiter in Richtung Osten, durch das Lavaux, das sind 830 Hektar Weinterrassen, die als UNESCO-Weltkulturerbe geschützt sind. Nun wird es steiler, und wir gewinnen langsam an Höhe. Wenn das Wetter mitspielt, solltet ihr an dieser Stelle unbedingt eine Pause machen und den Blick über die Weite des Sees geniessen! Da es auch Zeit für eine Pause ist, empfehle ich das charmante alte Dorf-Café de la Poste in Chexbres.
So schön, dass sie ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurden: Patrick bei den Weinterrassen des Lavaux am Genfersee
D
ie Tour de France wird sich 2022 nach fünf Jahren Pause für die Etappen 8 und 9 in der Schweiz aufhalten. Lasst mich euch auf die abwechslungsreiche neunte Etappe mitnehmen. Mein Name ist Patrick Seabase, und ich fahre seit meinem dritten Lebensjahr Rad. Das ist nun 35 Jahre her. Einer der ersten Radrennsportler, die ich bewundert habe, war der Zürcher Hugo Ko blet (1925–1964), der 1951 die Tour de France ge wonnen hat. Was mir an Koblet gefallen hat: Er hat sich auch Gedanken über seine Präsenz gemacht, nicht bloss über seine Leistungen. Ich selbst bin früher hin und wieder Rennen ge fahren, aber schon bald wurde mir dieser Zirkus zu bunt, und ich beschloss, meine Karriere individueller anzugehen. Ich bin grundsätzlich kein kompetitiver Typ und stehe nicht allzu gerne im Mittelpunkt. Die diesjährige Etappe 9 der Tour de France bildet eine Schleife und führt von Aigle am Genfer
60
183 Kilometer pures Radglück: Patrick Seabase in Châtel
«Auf solchen Radtouren lernst du manchmal, über die eigenen Grenzen zu gehen.» THE RED BULLETIN
Bulle
3 GRUYÈRES
«Die kleinen Dörfchen und Bauernweiler geben uns das Gefühl, im 19. Jahrhundert zu sein.»
Châtel-Saint-Denis
Côte de Chexbres Rossinière 2 LAVAUX
1
MONTREUX
Col des Mosses
Les Diablerets
START AIGLE (SUI)
PAS DE MORGINS
COL DE LA CROIX 4
Aigle
Monthey
Das charmante Café de la Poste im 2000-Seelen-Ort Chexbres
5 ZIEL CHÂTEL LES PORTES (FRA)
Bern
Etappe 9
EINEN HALT
WERT
Diese fünf Punkte der 9. Etappe der 2022er Tour de France findet Patrick besonders bemerkenswert. 1. MONTREUX
Eine fast mediterrane Stadt am Ufer des Genfersees. Das berühmte Jazz-Festival dort habe ich bereits mehr als 20 Mal besucht.
2. LAVAUX
Landschaftlich ein erstes Highlight des Tages und UNESCO-Welterbe. Der Blick schweift über Weinterrassen und den Genfersee.
THE RED BULLETIN
3. GRUYÈRES
Idyllisch und altmodisch. Einer der inspirierendsten Orte auf der Route; nicht nur wegen des Giger-Museums, aber auch.
4. COL DE LA CROIX
Der härteste Anstieg dieser Etappe. Hochalpines Flair mit den imposanten Berner Alpen als Hintergrund.
5. PAS DE MORGINS
Auf diesem Streckenabschnitt hast du das Gefühl, mit den Dents du Midi auf Augenhöhe zu sein.
Etwa 30 Kilometer nach Chexbres erreichen wir Bulle, womit wir 60 der 183 Kilometer langen Etappe hinter uns. Es wird wieder hügeliger, denn wir be finden uns in den Freiburger Voralpen. Die Gastlosen, Vanil Noir und Le Moléson, alle über 2000 Meter hoch, ziehen links und rechts unsere Blicke auf sich. Wenig später erreichen wir den Ort Gruyères. Hier können wir in kleinen Geschäften Verpflegung kaufen und unsere Wasserflaschen am Brunnen auf füllen. Ein grosser Vorteil der Schweiz ist ja, dass es fast überall Trinkwasser gibt. Ein enormer Luxus! Wer einen kulturellen Zwischenstopp einlegen möchte, dem empfehle ich das Schloss St-Germain, in dem sich ein Museum dem Werk des Zeichners und Bildhauers Hans Ruedi Giger («Alien») widmet. Weiter geht unsere Fahrt taleinwärts. Die kleinen Dörfchen und Bauernweiler geben uns das Gefühl, im 19. Jahrhundert zu Besuch zu sein. Besonders märchenhaft ist Rossinière auf 908 Metern, wo auch das ikonische Grand Chalet des Malers Balthus steht. Eng und steil steigt das Tal weiter an, und mit dem Col des Mosses (1445 Meter über dem Meer, also noch unterhalb der Baumgrenze) haben wir fast 100 Kilometer der Etappe hinter uns. Der Anstieg zum Pass ist angenehm zu fahren und verläuft relativ unspektakulär über drei Haarnadelkurven. Die Ge gend ist nun nicht mehr so charakterstark. Als Schwei zer beeindruckt sie mich visuell nicht unbedingt: Wir könnten quasi überall in den Voralpen sein. 61
Bike-Special Tour de France 1778 m Col de la Croix 1445 m Col des Mosses 1377 m Pas de Morgins 1297 m Châtel Les Portes
Bald ist die Etappe geschafft: Patrick auf dem Pas de Morgins.
62
1147 m Les Diablerets
908 m Rossinière 810 m Châtel-Saint-Denis 806 m Bulle 558 m Côte de Chexbres 387 m Montreux
399 m Monthey
183 km
173,5 km
145 km
156,5 km
113 km
122,5 km
99,5 km
83,5 km
59 km
28,5 km
394 m Aigle
40,5 km
15 km
394 m Aigle
Start
Nach einer kurzen Abfahrt geht es weiter nach Les Diablerets, einem Klassiker unter Skifahrern. Über dem Ort thront ein gigantisches Bergmassiv mit mehreren Gipfeln, zwischen denen das Skigebiet Glacier 3000 eingebettet liegt. Wer sich Zeit lassen kann, sollte auf jeden Fall die Bergwelt, die der Sage nach von kleinen Teufelchen bewohnt wird, erkunden. Doch allein schon der Blick von der Strasse ist imposant! Schliesslich erreichen wir nach einem anstrengenden Anstieg von 7,6 Prozent den Col de la Croix, mit 1778 Metern der höchste Punkt der Etappe. Es ist auch der einzige Abschnitt der Strecke, auf dem wir uns in hochalpinem Gelände befinden. Generell sollte man die Passhöhen nutzen, um zu trinken, zu essen und eine Pause einzulegen. Danach kann man sich gestärkt und konzentriert in die Abfahrten stürzen und es richtig laufen lassen. Wir verlassen nun die schroffe Landschaft der Berner Alpen über teils steile Kehren, halten uns bergab in Richtung Villars-sur-Ollon, und langsam kommen wir wieder auf Terrain, das uns vom Start bekannt ist. Etwa 23 Kilometer nach dem Col de la Croix und 1384 Höhenmeter tiefer schliesst sich unsere Schleife, und wir sind wieder in Aigle an gekommen. Hier könnten wir es eigentlich gut sein lassen. Da es sich aber um die Tour de France handelt, haben wir noch ein knackiges Tagesfinale vor uns. Also, weiter in die Pedale treten! In Richtung Südwesten geht es nun über die Rhone und dann rund 20 Kilometer bergauf, mit einer Steigung von 6,1 Prozent, zum Pas de Morgins auf 1377 Meter Höhe. Die Landschaftskulisse ist voralpin und typisch für die französische Schweiz. Die Strassen sind breit, mit viel Übersicht.
AUF UND AB
HÖHENPROFIL
Die neunte Etappe der Tour de France führt uns über 183 Kilometer und 3700 Höhenmeter. Diese Etappe der Tour de France führt durch Städte, über Hügel und Berge. Nach Montreux wird es steiler, man gewinnt an Höhe. Der erste steile Anstieg führt auf 1445 Meter auf den Col des Mosses, gefolgt von einer kurzen Abfahrt nach Les Diablerets. Der strengste Anstieg ist der auf den Col de la Croix (Steigung: 7,6 %), mit 1778 Metern auch der höchste Punkt der Etappe. Es folgen ausgiebige Abfahrten, ehe man den Startort Aigle erneut passiert und sich auf den letzten Anstieg konzentrieren kann: 20 Kilometer bergauf zum Pas de Morgins (Steigung: 6,1 %) auf 1377 Metern.
Was mir besonders gefällt: der Ausblick von den Serpentinen bei Troistorrents auf die Dreitausender der Dents du Midi im Süden. Ihr Anblick begleitet uns fast bis Morgins, wo wir die Grenze zu Frankreich überqueren und die idyllischen Portes du Soleil erreichen, übrigens eines der feinsten Skigebiete der Gegend. Wem jetzt, nach dem Anstieg aus dem Rhone-Tal, zu heiss geworden ist, der kann im Lac du Morgins Abkühlung finden. Eine gute Idee, wenn wir bedenken, dass der Endspurt eigentlich sehr anspruchsvoll ist: Zuletzt geht es noch einmal kurz für vier Kilometer bergauf, und wir beenden unsere Etappe in Châtel Les Portes du Soleil. Noch ein Tipp und ein paar Gedanken: Wer die Etappe ohne den Endspurt in Frankreich fahren will, parkt am besten das Auto in Aigle und nimmt nur das Notwendigste auf dem Velo mit. Ich habe in den Taschen meines Trikots ein, zwei Bananen dabei und genügend Wasser. Je flüssiger die Energiezufuhr, THE RED BULLETIN
«Die Abfahrt, bei der mich der Wind kühlt und die Geschwindigkeit die Nerven kitzelt. Der Reiz liegt darin, sich diese Belohnung zu erkämpfen.»
Patrick Seabase nach der Ankunft in Châtel, Frankreich THE RED BULLETIN
Nach 183 Kilometern endet die Etappe in Châtel, Frankreich.
umso besser für den Körper. Snacks und alles Weitere kannst du in kleinen Dorfläden kaufen. Was ich sonst noch mithabe: Reifenflickzeug und ein kleines Reparaturset. Ebenso eine Windjacke, da es besonders auf den Abfahrten empfindlich kalt werden kann. Macht euch unabhängig! Die Möglichkeit, aus eigener Kraft einen Berg zu erklimmen, ist etwas enorm Ereignisreiches, weil man sich selbst beeindrucken kann. Ich möchte eigentlich immer nur mich selbst beeindrucken, niemanden sonst. Auf psychologischer Ebene lernst du auf solchen Radtouren manchmal, über eigene Grenzen zu gehen. Das heisst aber nicht, dass man leiden muss. Ich leide auch nicht gern und versuche, möglichst flüssig und genussvoll unterwegs zu sein. Letztendlich geht es darum, in eine angenehme Trance, in einen Flow zu kommen. Wichtig ist auch, die Augen offen zu halten für die Schönheit der Landschaft. Manchmal habe ich bei einem Anstieg das Gefühl, unter Wasser zu sein, wegen des leisen Knackens in den Ohren, wenn ich höher komme. Aber auch wegen der sparsamen Bewegungen, die wie in Zeitlupe wirken. Und dann die Belohnung: die Abfahrt, bei der mich der Wind kühlt und die Geschwindigkeit die Nerven kitzelt. Der Reiz liegt darin, sich diese Belohnung zu erkämpfen. Denn alles, was man sich im Leben erkämpfen muss, wirkt länger nach als das, was einem einfach so zufällt. Egal ob du bei der Tour de France gewinnst oder ob du gemütlich eine Etappe nachfährst: Es ist deine individuelle Leistung, die niemand genau so erbringen kann wie du selbst in diesem Moment. Das ist eine Art gesunder Egoismus, der nicht auf Kosten von anderen geht – übrigens der einzige Egoismus, der für mich nicht nur akzeptabel ist, sondern sogar inspirierend sein kann. Denn er führt zu einer Balance, die dann entsteht, wenn du dich mit deinem Körper und deinem Geist auseinandersetzt und b eide forderst. Instagram: @patrickseabase
63
Afsanas grosse Reise AFSANA NAWROZI, 18, ist die beste afghanische Radrennfahrerin aller Zeiten. In ihrem Geburtsland wurde sie bedroht, jetzt schöpft sie in den USA neue Kraft für die Frauen in ihrer Heimat. Text JAMES STOUT
Fotos JASON PERRY
Bike-Special Neues Leben
«Ich sage mir immer wieder: ‹Afsana, du bist stark›», sagt Nawrozi, die im Januar in der Nähe von Sedona, Arizona, fotografiert wurde.
65
Bike-Special Neues Leben
S
Neue Welt: Afsana kennt die Trails in Sedona nach wenigen Monaten in- und auswendig.
edona liegt im US-Bundesstaat Arizona. Das muss man nicht wissen, aber man kann. Wenn man sich fürs Mountainbiken interessiert, dann weiss man das sogar ziemlich sicher: Das 10.000-EinwohnerNest am Fuss des Colorado-Plateaus, eine Autostunde nördlich von Flagstaff, ist für Mountainbiker so was wie der Arlberg für Skifahrer, man muss einmal hier gewesen sein und sich einmal über die Trails runtergeworfen haben. In der Regel haben einen die Trails dann nämlich auch mindestens einmal abgeworfen. Afsana Nawrozi kam im Oktober 2021 nach Sedona. Sie hat sich mehr blaue Flecken geholt als die meisten anderen, so viele, bis keine neuen mehr dazu kamen, weil sie alle Trails so gut beherrschte, dass sie Berg und Pisten einfach nicht mehr abwerfen konnten. Und das ist gar nicht das Verwunderlichste an dieser Geschichte: Afsana Nawrozi ist erst 18 Jahre alt. Sie ist eigentlich Strassen-Radrennfahrerin. Und aus Afghanistan. Jetzt steht sie in den Red Rocks von Sedona, lehnt sich an ihr lila Mountainbike und sagt: «Zu Beginn bin ich dort ständig gestürzt. Jetzt verstehe ich gar nicht mehr, was ich so schwierig fand. Läuft doch ganz entspannt!» Es ist gerade sehr viel entspannt im Leben von Afsana, dementsprechend locker führt sie uns über ihren HighschoolCampus in Sedona, und doch wird immer wieder klar, dass diese Lockerheit und die Entspannung hart erkämpft sind.
Sie erzählt von der Frauenfeindlichkeit, mit der sie in ihrem Geburtsland zu kämpfen hatte, von den Widerständen, die sie als weibliche Sportlerin zu überwinden hatte. Irgendwann deutet sie auf die Narbe auf ihrer Schulter. Sie stammt von einer Schlüsselbein-Operation, der sie sich nach einem Zusammenstoss mit einem Auto unterziehen musste, und sie sagt, dass sie keine Sekunde glaubt, dass das ein zufälliger Unfall war. Als Radfahrerin gehörten Belästigungen und Anfeindungen zu ihrem Alltag in Afghanistan, jede Ausfahrt fühlte sich wie eine Mutprobe an. Afsana erzählt, dass sie einmal in Bamyan an einem nationalen Rennen teilnehmen wollte. Nach einer Trainingseinheit lauerte ihr dort eine Gruppe Männer auf, die sie mit Steinen und Schlamm bewarfen. Bamyan ist nämlich nicht nur die Radsport-Hauptstadt Afghanistans, sondern eben auch eines der Zentren der Taliban, und in deren Köpfen ist die Vorstellung, dass Frauen auf Rädern um die Wette fahren dürfen, nicht so normal wie in der restlichen Welt. «Ich hatte furchtbare Angst und weinte», sagt Afsana Nawrozi heute. «Aber am nächsten Tag nahm ich am Rennen teil. Ich sage mir einfach immer: ‹Afsana, du bist stark.›» Die Männer, die sie damals mit Steinen beworfen hatten, weil sie sich als Mädchen erdreistet hatte, Fahrrad zu fahren, waren Taliban. Die ultrakonservative politische Kraft kontrolliert Afghanistan seit dem Jahr 2021 wieder – ihr Heimatland, das sie sehr vermisst, in
In Afghanistan bewarfen sie Männer mit Steinen, weil sie als Mädchen Fahrrad fuhr. 67
Bike-Special Neues Leben
dem ihre Eltern, ihre sechs Geschwister und ihre Freunde leben, aber in das sie nicht zurückkann. Eine Rückkehr wäre zu gefährlich für sie. Und ihre Radkarriere wäre mit einem Schlag zu Ende. Und wohl nicht nur die, sondern jede Form von Zukunftsaussicht, die man als selbstbestimmte Frau haben kann.
Ihr Motor: Ehrgeiz und Idealismus
Nawrozi ist selbstbestimmt, ohne jeden Zweifel. Ingenieurin möchte sie einmal werden, sagt sie, «oder Fahrradprofi». Beides ist möglich, und auch für Zweiteres hat sie alle Voraussetzungen: Seit 2016 trainiert sie sehr zielstrebig, und sie gilt schon seit ihren ersten Rennen als ausserordentlich talentiert. Nur kurz nachdem sie begonnen hatte, den Radsport wirklich ernst zu nehmen, belegte sie bei ihrem ersten Rennen den vierten Platz. Als 15-Jährige wurde sie Mitglied des afghanischen Rad-Nationalteams. Sie trainierte allen Taliban-Widrigkeiten zum Trotz im Trainingszentrum rund um Bamyan und stellte dort jede Menge Streckenrekorde auf. In Afghanistan war sie also nicht irgendwer, darum ist es also nicht ganz von der Hand zu weisen, dass ihr Zusammenstoss mit dem Auto 2019 vielleicht wirklich mehr als blosser Zufall war. Hatte wirklich irgendein ultraorthodoxer Taliban ein Exempel an der Radfahrerin statuieren wollen? Falls es böse Absicht war: Um ein Haar wäre diese auch erfolgreich gewesen. Denn auch wenn Afsana körperlich sehr rasch wieder fit war, bei dem Unfall ging ihr Fahrrad zu Bruch. Ein neues Bike konnte sich aber weder sie noch ihre Familie leisten. Die Karriere schien deshalb zu Ende, bevor sie ausserhalb von Afghanistan noch richtig begonnen hatte. Dass Afsana heute auf dem Bike sitzt, liegt an Ahmad Farid Noori, dem Gründer der Non-Profit-Organisation MTB Afghanistan: Er erkannte ihr Potenzial und organisierte ein neues Rad. In ihrer neuen Heimat Arizona gibt es jede Menge Rennen, bei denen sie sich beweisen kann, besonders interessiert sie der Trend zum Long-Distance-Gravel- Racing. «Ich fahre nicht, um zu gewinnen. Ich fahre, um Biking für Frauen in Afghanistan zu etwas ganz Normalem zu machen!», sagt sie. Es ist eine Mischung aus sportlichem Ehrgeiz und aktivistischem 68
«In Afghanistan ist man zuallererst Aktivistin, dann Bikerin.» Idealismus, die sie antreibt. «In Afgha nistan ist man zuallererst Aktivistin und dann erst Bikerin. Man muss für seine Leidenschaft einstehen und kämpfen!» Wie steinig und manchmal verschlungen Nawrozis Lebensweg verläuft, zeigt auch ihre Reise nach Sedona. Vergangenen Sommer erhielt sie die Nachricht, dass sie in Arizona einen Schulplatz auf ihrer Traumschule bekommt. Sie machte den ersten Flug ihres Lebens in die pakistanische Hauptstadt Islamabad, um sich ihr Visa für die USA abzuholen. Nach ein
paar Tagen hätte es wieder nach Kabul zurückgehen sollen, um sich für das folgende Schuljahr und dann für die Uni vorbereiten zu können. Doch es kam anders. «Als ich losgeflogen bin, war noch alles normal», erzählt sie heute. Doch kaum war sie in Pakistan angekommen, änderte sich die Lage dramatisch. Die ganze Welt war Zeuge, als im August 2021 die Taliban innerhalb weniger Tage das Land überrannten. Auch Afsana bekam das Drama vor dem TV-Gerät bei ihrer Gastfamilie in Pakistan mit. Sie hatte Angst um ihre Heimat, um ihre Zukunft. Und obwohl ihr alle Angehörigen ausdrücklich sagten, sie solle in der Ferne bleiben, wollte sie eigentlich zurück zu ihrer Familie. Doch es ging nicht mehr, die Taliban schlossen nämlich die Grenze zu Pakistan. Afsana sass also mit einem
Neue Wege in Arizona: Afsana Nawrozi will dieses Jahr in den USA Strassen-, Mountainbike- und Gravelrennen bestreiten. THE RED BULLETIN
Optimistischer Blick nach vorn: Afsana Nawrozi hat sich wunderbar in ihrer neuen Heimat in Arizona, USA, eingelebt.
ablaufenden Visa in einem anderen Land fest. Der Rückweg nach Hause war ver sperrt, der nächste Schritt in die USA nicht möglich: Die US-Einreisebehörden waren mit der Flut der Visa-Anträge von Flüchtenden aus Afghanistan heillos überfordert. Zu dieser Zeit traten wir in Kontakt, wir schickten einander E-Mails, wäh rend Afsana in Pakistan festhing. Es kann ihr damals nicht gut gegangen sein, zu viel war damals komplett un sicher. Ich lernte Afsana dennoch als grundpositives Mädchen kennen. Als Mädchen, das wirklich jede Nachricht mit einem Smiley beendete. 90 Tage blieb Nawrozi in Islamabad. Sie verbrachte viel Zeit bei ihrer Gast familie, aber hin und wieder schlich sie sich raus, um laufen zu gehen. Sie nahm sogar an zwei Marathons teil. Die meiste Zeit jedoch verbrachte sie mit Warten: auf eine Rückmeldung der amerikanischen Botschaft, wie es um ihren Pass und ihr Visum stünde, und natürlich auch auf Nachrichten von ihrer Familie. Im Oktober hielt sie endlich das ersehnte Visum in der Hand. Ein paar Tage später war sie unterwegs nach Chi cago und dann weiter nach Arizona, nach Sedona. THE RED BULLETIN
Neue Kultur, neues Schulsystem
War es richtig, nach Sedona zu gehen, obwohl ihre Familie in Afghanistan blei ben musste? Afsana denkt sehr viel dar über nach. Sie wurde ein paar Jahre nach dem Sturz der ersten Taliban-Dik tatur geboren. Was es heisst, unter dem Regime der ultraorthodoxen Hardliner zu leben, weiss sie also nur aus Erzählun gen, Erfahrung mit Diskriminierung hat sie aber trotzdem. Afsana und ihre Fami lie sind nämlich Hazara, ihre Religion ist zwar ebenfalls der Islam, sie sind aber trotzdem eine ethnische Minderheit in
«Ich fahre, um Biking für Frauen in meiner Heimat zu etwas ganz Normalem zu machen.»
Afghanistan. Ihre Familie hatte es in Afghanistan immer schwer. Das hat sie geprägt und ihren Kampfgeist geweckt. Und den braucht sie auch heute. Die neuen Herausforderungen in Afsanas Leben haben nichts mit Diskriminierung, Verfolgung und Gewalt zu tun, schwierig sind sie aber trotzdem: Sie muss den Übergang in ein anderes Schulsystem schaffen, in eine andere Kultur, und sie muss akademische und sportliche Kar riere in Balance halten. Zum Glück hat sie dabei Unterstützung: Die ehemalige Profi-Bikerin Starla Teddergreen und ihr Ehemann Gino Zahnd besorgten Afsana neue Räder, achteten auf sie und unter stützten sie bei der Eingewöhnungs phase. Sie mieteten sogar ein Ferienhaus nahe Sedona, um auf den Trails gemein sam mit ihrem Schützling zu biken. Mittlerweile bekommt Afsana mehr Support, als sie sich erträumt hätte. Sie hat sich wunderbar in ihrer neuen Hei mat eingelebt. Manche Dinge findet sie dennoch gewöhnungsbedürftig. Sie hatte nie ein eigenes Zimmer, deshalb ist es für sie manchmal unangenehm, ohne ihre Schwestern im selben Raum zu schlafen. Welche Rennen sie momentan an peilt? «Zu viele!», sagt sie und lacht. Sie hat jetzt so viele Strassen-, Mountain bike- und Gravel-Events zur Auswahl, dass sie gar nicht in ihre Ferien passen. Diese Vielseitigkeit hat vielleicht mit ihrem Idol zu tun, dem dreifachen Welt meister Peter Sagan. Der ist berühmt für seine Sprints, seine technischen Skills, aber auch dafür, wie er auf seinem Stras senrad Treppen auf und ab fährt. Er ist auch berühmt für sein «Why so serious?»Tattoo und seine Fähigkeit, Überlegen heit und Lockerheit zu kombinieren. Er nimmt keinen Rückschlag zu ernst und lässt sich auch nicht vom Erfolg ver ändern. Das bewundert Afsana an ihm. «Baraka buri» (gesprochen) war eine der ersten Phrasen, die mir Afsana in ihrer Muttersprache Dari beibrachte. Das bedeutet so viel wie «Los geht’s!» und scheint eine Art Lebensphilosophie für sie zu sein, aber auch ein Aufruf an junge Frauen, ihr Leben so zu leben, wie sie das möchten – gegen alle Hindernis se. Wo Nawrozis Reise hingeht, weiss sie noch nicht, aber das ist auch okay für sie. Denn egal wohin dieser Weg hinführt: Ihr Bike wird sie begleiten. 69
Bike-Special Mountainbiken
ADRIAN GUGGEMOS, 28 Der deutsche Motocrossund Mountainbike- Athlet begeistert auf Instagram knapp 150.000 Fans mit seinen Kunststücken auf zwei Rädern. Neugierig? Dann folge Adrian auf Instagram: @ag141
1.
Die Grundposition
Die Grundposition ist die Ausgangsstellung für die folgenden Tricks und wenn man über einen Trail rollt. Dabei sind die beiden Pedale auf gleicher Höhe, damit die Hüfte gerade ist. Den Oberkörper nach vorne beugen, bis sich der Kopf über dem Lenker befindet. Die Knie nicht ganz durchstrecken, sodass man einen angenehmen Stand hat. Den Lenker greift man mit beiden Händen von oben. Dabei dreht man die Ellbogen nach aussen. Die Zeigefinger sind immer an den Handbremsen und die Augen vor das Vorderrad gerichtet.
Ein Crashkurs im Mountainbiken MTB-Ass ADRIAN GUGGEMOS erklärt die fünf wichtigsten Skills, die jeder Anfänger beherrschen sollte. Text MAXIMILIAN REICH
70
THE RED BULLETIN
«Die wichtigste Regel beim Mountainbiken lautet: Üben, üben und noch mal üben.»
3.
Auf der Stelle stehen
Geht am einfachsten auf ebenem Untergrund. Dazu in der Grundposition den Lenker einschlagen, damit das Vorderrad quer steht. Das macht das Balancieren einfacher. Die Vorderbremse anziehen und nun ein bisschen mit den Pedalen spielen, damit sich die Spannung im Fahrrad aufbaut. Es hilft, wenn man mit den Augen einen Punkt in der Ferne fixiert. Übung braucht man trotzdem.
ANNIKA BERGFELDER @ANNIKARIDES
TOM MACKINGER
2.
4.
Steilkurven fahren
In einer Steilkurve ist der Untergrund schräg. Deshalb hält man auch das Bike schräg – und damit auch den Oberkörper. Denn der Körper ist immer die vertikale Verlängerung des Bikes. Das Gewicht bleibt dabei zentral über dem Rad. Schultern und Hüfte werden in Fahrtrichtung eingedreht. So weit klar? Gut, also weiter: Die Kurve aussen anfahren, niemals innen. Wobei «anfahren» vielleicht das falsche Wort ist. Denn man tritt in der Kurve nicht, sondern rollt. Und bitte nicht ruckartig bremsen, sondern die Bremse konstant anziehen und schleifen lassen.
Treppenfahren
Je schneller man fährt, umso flüssiger kommt man die Stufen runter. Anfänger üben das Manöver aber bitte erst mal langsam: Mit dem Körper ein Stück runtergehen, und wenn das Vorderrad über die Kante rollt, nach hinten lehnen, um zentral zu bleiben. Statt ruckartig zu bremsen lieber konstant schleifen lassen. Sonst spickt’s das Hinterrad hoch, und man fliegt über den Lenker. Suboptimal. Vor der letzten Stufe löst man die Bremse und richtet den Oberkörper auf, um den Einschlag beim Auftreffen auf den Boden abzufedern.
THE RED BULLETIN
5.
Drop
Bei einem Drop hüpft man von etwas runter, zum Beispiel von einer Bordsteinkante oder Mauer. Dazu nimmt man wieder die Grundposition ein, senkt den Oberkörper ein Stück und rollt auf die Kante zu. An der Kante den Lenker hochziehen und die Pedale mit den Fersen gefühlt unter sich durchdrücken. So halten, bis auch das Hinterrad über die Kante gerollt ist. Deshalb: lieber nicht zu langsam, sonst muss man das Vorderrad ewig hochhalten. Bei einer Landung auf einer flachen Stelle sollten beide Räder gleichzeitig aufkommen, in einem Gefälle zuerst das Hinterrad. 71
Bike-Special Bikes & Equipment
OH, YOU PRETTY THINGS!
Keine neue Bike-Saison ohne InnovationsFeuerwerk: Hier kommt unsere kleine, feine Auswahl an 2022er-Teilen für maximalen Spass auf zwei Rädern. Text WERNER JESSNER
72
THE RED BULLETIN
Nächste Evolutionsstufe SPECIALIZED KENEVO SL Die Lösung für alle, denen normale E-Bikes zu träge und schwer sind: Das Kenevo SL wiegt um 5,5 Kilo (!) weniger als sein normaler Bruder. Trotzdem kriegt Specialized bei diesem Wert 320 Wh Akku-Kapa zität und einen supernatürlich ansprechenden E-Motor mit 240 Watt unter das Carbon-Kleid. Das fahr dynamische Highlight: der Hinterbau mit sechs Drehpunkten, wie ihn Downhill-Champ Loïc Bruni im UCI World Cup fährt. Ca. CHF 16.000; specialized.com
Fahrspass: Kenevo SL bedeutet das Ende über gewichtiger E-Bikes. THE RED BULLETIN
73
Bike-Special Bikes & Equipment
Mobiler Lift-Ersatz KTM MACINA PROWLER EXONIC Ein Bikepark-Gerät, das auch Uphill kann: Mit 180 (vorn) bzw. 170 Millimeter Federweg steckt dieses Bike alles weg – und das dank hochwertiger Fox-FactoryFederelemente besonders geschmeidig. Auch das «Mullet» genannte Layout mit 29-ZollVorderrad und 27,5 Zoll hinten weist bergab den Weg. Für BergaufPower sorgt der Bosch-Antrieb mit 750‑Wh-Akku, der leicht abzunehmen und dessen Ladezustand jederzeit am Display ablesbar ist. Ca. CHF 10.600; ktm-bikes.at
Nennt sich «Mullet» (Vokuhila): grösseres Vorder- als Hinterrad
Raus in die Berge TATONKA BIKE BACKPACK MTB 14
Feiner Schein LUPINE ALPHA Wenn Trial-Legende Tom Öhler wieder einmal etwas länger an seinen Stunts feilt, ist er auf dem Heimweg froh über seine Lupine Alpha, die den Trail selbst in der Nacht taghell ausleuchtet. Sechs Linsen – drei verschiedene Typen – ergeben eine maximale Helligkeit von 570 Lux. Das ist das 57-Fache (!) der vom deutschen Gesetzgeber für Radlichter vorgeschriebenen Leistung. Und dank Schnellverschluss ist die Lupine untertags blitzschnell demontiert. Ca. CHF 1110; lupine.de
74
Ein guter Bike-Rucksack ist eine Investition für viele Jahre. Gute Chancen auf eine lange Bindung hat man mit dem 14 Liter fassenden Bike Backpack MTB des EdelHerstellers Tatonka. Das Volumen reicht sowohl für die Tages- wie auch die Wochenend-Tour. Und doch sind es die vielen Features, die bestechen: Vom ergonomischen Tragesystem bis zu Helmhalterung und Regenhülle packt der hübsche Kerl alles. Ca. CHF 130; tatonka.com
14 Liter Volumen: guter Kompromiss aus Platz und Bewegungsfreiheit THE RED BULLETIN
Nie im Stich ABUS AIRDROP MIPS Der erste Fullface-Helm von ABUS hat das MIPS-System als Basis, wie es auch in vielen High-End-Helmen verwendet wird. Zusätzlich hat die Visierbefestigung des AirDrop Sollbruchstellen, um Verletzungen vorzubeugen. Gleiches gilt für die Kanten des Kinnbügels, die das Schlüsselbein schützen. Und schliesslich lässt er sich mit QUIN kombi nieren, einem Sensor, der Stürze erkennt und bei schweren Detonationen selbständig hinterlegte Notfallkontakte alarmiert. Ab ca. CHF 240; abus.com
Kluger Kopf: ruft bei Bedarf selbständig um Hilfe
Klüger pendeln
Gegen die Rampensau
STROMER ST3 PINION
GIANT REVOLT E+
Das Stromer ST3 vertraut auf ein gekapseltes 9-Gang-Getriebe mit Carbon-Zahnriemen. Vorteil: Wartungsfreiheit und eine Übersetzung von sagenhaften 568 Prozent, die sogar im Stand geschaltet werden kann. Dank des riesigen 983-Wh-Akkus sind pro Ladung 180 Kilometer drin. Der 820 Watt starke Motor im Hinterrad schiebt dabei – wo erlaubt – bis 45 km/h an. GPSTracking sorgt dafür, dass das feine Teil nicht unerwünscht verschwindet. Ab ca. CHF 8400; stromerbike.com
Die E-Revolution am Fahrrad macht auch vor dem klassischen Rennrad nicht halt. Im aerodynamisch optimierten U nterrohr des Revolt E+ steckt ein 500-Wh-Akku, der seine Leistung an einen Shimano-Motor weiterleitet. So kommt der Fahrer des 17,8 Kilo schweren Rennrads mit Alurahmen unter Idealbedingungen bis zu 160 Kilometer weit. Jedoch noch entscheidender: Steile Rampen verlieren endgültig ihren Schrecken. Ca. CHF 5300; giant-bicycles.com
THE RED BULLETIN
75
Bike-Special Bikes & Equipment
Am Bike liegt’s nicht
Jedermanns Kumpel
GHOST NIRVANA 4X
ROSE BONERO
Tomáš Slavík hat im Fourcross alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt, von WM bis Crankworx. 2022 ist bereits seine zehnte Saison für das deutsche Ghost-Team. Für alle, die zwischen Dirtjumps und Pumptracks auf den Spuren des Champs rollen wollen, gibt es das Nirvana 4X: d irekter, wendiger Alurahmen, Singlespeed, Scheibenbremsen und eine X-Fusion Slant 34 RC Federgabel für mehr Sicherheit bei harten Landungen. Ca. CHF 1420; ghost-bikes.com
Ob gross (XXL mit 29-Zoll-Rädern) oder Kind (XS mit 27,5 Zoll), ob erstes Mountainbike oder eins zum Wieder-Aufsteigen, ob Trainingsgerät oder Genuss-Tourer: Das neue Bonero des deutschen Herstellers spricht ganz bewusst eine sehr breite Zielgruppe an. Für den Alurahmen mit sinnvollen D etails wie Montage-Möglichkeiten für Gepäckträger sind drei Ausstattungslinien mit je 12 Gängen und 14-Zentimeter-Federweg- Gabeln im Programm. Ab ca. CHF 1530; rosebikes.de
Olympischer Superheld SCOTT SPARK RC Das Spark ist mit zwei Olympia siegen und mehreren WM-Titeln das erfolgreichste Race-Fully der Welt. Weil das Bessere der Feind des Arrivierten ist, kommt die aktuelle Generation mit 120 Millimeter Feder weg und flacherem Lenkwinkel für noch mehr Performance bergab. Perfekt gelöst: der integrierte, vor Dreck geschützte Dämpfer und die innenverlegten Züge plus Kabel. Ca. CHF 10.170; scott-sports.com
76
Siegerkonzept: gleich schnell rauf, schneller runter
Early Adopter HAIBIKE ALLMTN SE
Haibike AllMtn SE: Klassiker in Bestausstattung
Der deutsche Hersteller Haibike war einer der Ersten, die den Trend zum E-MTB erkannten. Dementsprechend ausgereift präsentiert sich das AllMtn SE aus Carbon in seiner aktuellen Version. Der Motor kommt von Yamaha, der Akku fasst 600 Wh. Bei der Ausstattung geht dem Connaisseur das Herz auf: Hier wird die beste Schaltung am Markt (SRAM XX1 Eagle) mit den besten Bremsen (Shimano XTR) und Öhlins-Feder elementen kombiniert. Ca. CHF 10.170; haibike.de
Nachhaltig anschmiegsam MONS ROYALE MOMENTUM 2.0 Die neuseeländische Marke hat sich ganz der Nachhaltigkeit verschrieben und setzt dabei auf die Wolle von Merinoschafen: temperaturregelnd, weich und antibakteriell. Selbst bei speziellen Funktions-Produkten wie der robusten Momentum 2.0 Short kommt innen Merinowolle zum Einsatz. Klug gesetzte Nähte, verstellbarer Bund und durchdachte Taschen machen sie sowohl in der Männer- als auch Frauen-Version zum langjährigen Bike-Partner. Ca. CHF 140; monsroyale.com
Im Namen des Cousins ZANIER GABRIEL WIBMER SIGNATURE GLOVE
Logisch: Nachhaltigkeit heisst auch Langlebigkeit.
THE RED BULLETIN
Fabio und Gabriel Wibmer drücken der MountainbikeWelt ihren Stempel auf (und fast wie nebenbei auch der Motorrad-Welt). Der jüngere Wibmer hat es dabei zu seinen eigenen personalisierten Handschuhen von Spezialist Zanier geschafft: innen aus Silikon-Druck, aussen weich, an den Fingerspitzen Touchscreen-sensitiv. Plus natürlich seine eigene Farbe und Signaturen innen wie aussen: Style satt, diese Wibmers! Ca. CHF 40; zanier.com
77
GUIDE Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen JETZT GEHT’S NACH OBEN!
GLORIA RAMIREZ PHOTOGRAPHY @GLORIAPATTYPHOTO AND MATT RAY
MATT RAY
Sportklettern auf Kalymnos in der griechischen Ägäis
Schwindelfrei: ReiseAutor Matt Ray auf der Kletterroute Axium (6c+) auf Kalymnos
79
Im Abendlicht: Das Dorf Masouri ist das Herz der Kletter szene auf Kalymnos.
«Wir klettern einen Felsen namens Ghost Kitchen. 30 Meter hoch. Ich vergesse fast zu atmen.» Matt Ray, Sportkletterer und Reiseautor
M
eine kreideweisse Hand tastet über orangefarbenen Kalkstein und greift einen Vorsprung. Die Milchsäure brennt in meinem Unterarm. Unter mir klaffen 30 Meter Tiefe. Körperspannung!, ermahne ich mich. Ich spanne meine Rumpfmuskulatur so stark an, dass ich fast vergesse zu atmen. Wir klettern die Axium-Route auf einem Felsen mit dem gespenstischen Namen Ghost Kitchen, klassifiziert als 6c+, das bedeutet mittlere bis hohe Schwierigkeit. Ghost Kitchen ist einer von vielen ideal zum Klettern geeigneten Kalkfelsen auf der griechischen Insel Kalymnos. Ich atme scharf ein und kralle meine Finger in eine Vertiefung im Felsen. Nun sollte ich eigentlich meinen rechten Fuss gegen einen winzigen schrägen Vorsprung stemmen und mich nach oben schwingen. Aber mein Körper verkrampft sich. Meine Arme werden taub. Meine Finger können mich nicht länger halten. «Ich falle!», höre ich mich schreien. Mein Körper stürzt einen Augenblick lang ins Leere. Dann spannt sich das an meinem Gurt befestigte Seil, fängt sich im Kara biner am Felsen. Ein Ruck, und ich baumle hilflos in der Luft, der Wind lässt mich sanft hin und her schwingen. Dabei bietet sich mir eine unglaubliche Aussicht: Es sieht aus wie ein orange farbenes Dach über einer Schüssel aus Stein, geformt von einem Titanen aus der antiken Mythologie. Dazu felsige Wiesen voll mit wildem Thymian. Tief unter mir glitzert das azurblaue Wasser des Ägäischen Meeres. Schöner können Abstürze nicht enden. 80
Insel der 3400 Klettersteige Kalymnos ist ein relativ neuer Treffpunkt der Kletterszene. Erst in den 1990er- Jahren entdeckten Sportkletterer diesen Teil der Inselgruppe mit ihrer unglaub lichen Vielfalt an Kalksteinformationen. Im aktuellen Kletterführer von 2019 sind 3400 Sportklettersteige gelistet – in der Ausgabe von 2015 waren es noch 2700. Ständig kommen weitere hinzu. Für mich ist Kalymnos eine Chance, meine eigenen Fähigkeiten auf die Probe zu stellen. Dank der in der Wand fixierten Haken aus Edelstahl, in die man das Seil einhängt, ist Sportklettern die sicherste aller Kletterarten. Kalymnos bietet Routen der Schwierigkeitsstufen 4 bis 9. Für mich, als routinierten Sportkletterer, stellt die Ghost Kitchen mit der Stufe 6c+ eine schöne Herausforderung dar, nachdem ich in den vergangenen beiden Jahren nur in Hallen klettern konnte. Die 8er- und 9er-Routen auf der Insel hingegen sind so anspruchsvoll, dass die
Ideal für den Badestopp nach der Klettertour: der Masouri-Strand auf Kalymnos
THE RED BULLETIN
GUIDE Reisen
Anreise Hinkommen: Mit dem Flugzeug auf die achbarinsel Kos, dann weiter zum Hafen N von Mastichari (mit dem Bus oder Taxi vom Flughafen), von dort mit der Fähre nach Kalymnos (Fahrtzeit: 30–45 Minuten). Übernachten: Vom MasouriBlu Boutique otel bis hin zu grösseren Unterkünften wie H dem Elena Village Hotel und zahlreichen Bergsteiger-Appartements – Unterkünfte gibt es sowohl im Dorf Masouri als auch in anderen Orten in der Nähe der Felsen. greece-moments.com/kalymnos-highlights
Griechenland
Athen
Unser Autor auf der 7b-Route Omiros im Sektor Odyssey: Im aktuellen Kalymnos-Kletterführer sind Felsen für alle Könnensstufen gelistet.
Masouri KALYMNOS Pothia
internationale Kletter-Elite sie für ihr Training benutzt.
Mastichari KOS
MATT RAY (2), GLORIA RAMIREZ , GETTY PREMIUM
MATT RAY
Tipps vom Weltcupsieger
THE RED BULLETIN
Der Italiener Stefano Ghisolfi, aktueller IFSC-Weltcupsieger im Vorstiegsklettern (auch: Lead, Klettern mit Seilsicherung; Anm.), gilt als einer der weltbesten Klet terer. Ghisolfi klettert auf Kalymnos den Sektor Odyssey, einen etwas abgelege neren Felsen, der von Anfängerrouten bis zum 8b-Aufstieg alles bietet. Bevor der 28-Jährige richtig anfängt, klettert er noch eine Runde mit mir. Er gibt mir Tipps, wie ich die Angst vor Stürzen überwinden kann. «Ich setze mir immer Zwischen ziele», erklärt er. «Sie helfen mir, mich zu fokussieren, und brechen grosse Herausforderungen auf kleinere, erreichbare herunter. Sobald du dich auf ein Ziel konzentrierst, vergisst du deine Angst und gibst deiner Motivation einen Schub.» Am Sektor Odyssey gibt mir Klettertrainer Loukas Dourdourekas (er ist
Gut zu wissen Fünf Insider-Tipps für Kalymnos 1. FORTBEWEGUNG Miete dir ein Moped. Alle Kletterfelsen sind damit und über kurze Fusswege zu erreichen. 2. AUSRÜSTUNG In Masouri gibt es mehrere Fachgeschäfte für Kletterausrüstung. 3. GUIDE Der Kletterführer «Kalymnos Climb ing Guidebook» (2019) enthält die meisten Klettergebiete der Insel und einen kostenlosen Topo-Download von der Vertical-Life-App. 4. BLEIBE Sollten die Quartiere in Masouri ausgebucht sein, gibt es viele andere Möglichkeiten ganz in der Nähe der Felsen, etwa in den Ortschaften Arginonta und Panormos. 5. KLEIDUNG Du solltest eine Fleecejacke oder etwas Ähnliches dabeihaben. Im Frühjahr und Herbst können die Temperaturen abends und am frühen Morgen empfindlich kühl sein.
81
GUIDE Reisen
Entdeckung der Langsamkeit Ich suche also nach Möglichkeiten, die ich davor gar nicht in Erwägung gezogen hätte. Und tatsächlich, es klappt: Mit einer einzigen Zehe stehe ich auf einem winzigen Felsvorsprung und kann mein ganzes Körpergewicht tragen. Nachdem ich versucht habe, eine 30 Meter lange Strecke ohne Pause zu klettern, weist mich Dourdourekas auf einen weiteren klassischen Fehler hin: «Du musst dich auf grossen Felsvorsprüngen kurz aus ruhen, deine Arme ausschütteln – du musst langsamer werden.» 82
«Mit einer einzigen Zehe kann ich mein ganzes Gewicht tragen.» Autor Matt Ray lernte neue Klettertricks.
Von erfahreneren Kletterern zu lernen ist eine uralte Tradition des Sports. Bei meinem nächsten Versuch auf Axium er innere ich mich wieder daran, was Loukas sagte. Diesmal suche ich nach einer Stelle, an der ich eine Pause einlegen kann. Auf 35 Meter Höhe drehe ich mich seitlich zur Wand, halte meine Arme so gerade wie möglich und schüttle sie aus. Als ich wieder an der Schlüsselstelle ankomme, an der ich das letzte Mal ge scheitert bin, habe ich nun genug Kraft und Ausdauer. Einen Triumphschrei ausstossend, erreiche ich den Gipfel. Mein Körper wird von Endorphinen überflutet. Ich drehe mich um und sehe das Meer tief unter mir verführerisch glitzern. Von oben betrach tet ist es noch viel schöner. Matt Ray ist ein auf Action-Sportarten spezialisierter Autor und Fotograf. Er ist schon überall geklettert: von den Sandsteinfelsen des Peak District in England bis zu den Wüstenwänden im jordanischen Wadi Rum. adventurefella.com THE RED BULLETIN
GLORIA RAMIREZ
der erste Grieche, der eine Route mit der Schwierigkeit 8c+ geschafft hat) Rat schläge. Er erklärt, wie sich das, was man in einer Kletterhalle gelernt hat, auf einen natürlichen Felsen übertragen lässt. «In door sind die meisten Tritte ziemlich ähn lich und relativ gross», erklärt Dourdou rekas. «Draussen ist die Herausforderung eine ganz andere. Vor allem musst du ler nen, kleineren T ritten zu vertrauen.»
MATT RAY
Weltklasse-Kletterer Stefano Ghisolfi in der Atena Wall (6b+). Sein Tipp: «Ich setze mir Zwischenziele.»
Spitz die Ohren The Red Bulletin gibt’s nun auch zum Anhören: inspirierende Interviews, scharfe Porträts, abenteuerliche Reportagen. Jeden Mittwoch – überall, wo es Podcasts gibt. Jetzt reinhören und gleich abonnieren.
Plus:
MICHAEL KÖHLMEIERS Kolumne Boulevard der Helden als Podcast-Serie
GUIDE Biohacking ZUR RUHE KOMMEN
Die Energie der Fingerspitzen Profi-Biohacker Andreas Breitfeld verrät uns jeden Monat einen Trick, der dein Leben verbessert. Dieses Mal: wie du Nervosität wegklopfst.
Nervös? Mit zwei Fingern auf die rot markierten Stellen (oder die Handaussenseite) klopfen – das beruhigt. Amygdala
Meridian
Nebennieren
Nachrichtennetz im Körper
ANDREAS BREITFELD, 49, ist Deutschlands bekanntester Biohacker. Er forscht in seinem speziellen Lab in München. BIOHACKING umfasst, vereinfacht gesagt, alles, was Menschen eigenverantwortlich tun können, um Gesundheit, Lebensqualität und Langlebigkeit zu verbessern.
Wieso mache ich das?
Unser Körper ist von Energiebahnen überzogen, die man Meridiane nennt. Sie landen allesamt am gleichen Ort, der Amygdala, also in jenem Teil unseres Gehirns, 84
DIE BIOHACKING-PRAXIS Der Performance-Lifestyle-Podcast für alle, die mehr über Biohacking (und sich selbst) erfahren wollen. QR-Code scannen und reinhören. THE RED BULLETIN
ANDREAS BREITFELD
in dem die Emotionen verwaltet werden. Je nachdem, an welcher Stelle des Körpers ich durch sanftes Klopfen den Fluss der Meridiane anrege, kann ich diese Emotionen auf magische Weise beeinflussen. Durch das rhythmische Klopfen auf die Energiebahnen wird das limbische System (zu dem die Amygdala zählt) deaktiviert, in der Folge weiten sich die Gefässe, Herzfrequenz und Blutdruck sinken. Ausserdem wird die Produktion des Stresshormons Cortisol reduziert. Bereits nach wenigen Minuten ist der Effekt mess- und vor allem spürbar.
PRIVAT
Z
ugegeben, auch in meinem Leben gibt es immer wieder Situationen, in denen das Reptilienhirn das Steuer übernimmt. Ruhiges Reflektieren, nüchternes Analysieren? Fehlanzeige. Nervosität, Stress, Panik, Kampf-oderFlucht-Modus. Wenn konzentriertes Atmen (noch) keine beruhigende Wirkung zeigt, setze ich auf die wundersame Heilkraft des Klopfens, auch «Tapping» genannt. Das sieht erst mal einigermassen, hm, seltsam aus: Ich sitze dann da und klopfe mit Zeige- und Mittelfinger minutenlang auf ein und dieselbe Körperstelle.
SASCHA BIERL
Die Amygdala ist der Hauptbahnhof aller zwölf Meridiane (Energiebahnen) im Körper. Sie ist unter anderem für die Steuerung der Emotionen zuständig. Durch rhythmisches Klopfen auf spezielle Körperstellen erhält die Amygdala beruhigende Signale. Und weist dann ihrerseits die Nebennieren an, die Produktion des Stresshormons Cortisol zu drosseln.
GUIDE Playlist IBEYI
«Unsere Inspiration ist Prince» Die Zwillingsschwestern des Musikduos Ibeyi stellen vier Lieblingsnummern vor, die ihren einzigartigen Stil prägten.
SULEIKA MULLER
MARCEL ANDERS
Im Alter von zarten 19 Jahren veröffentlichten die französisch-afrokubanischen Zwillinge Naomi und Lisa-Kaindé Diaz – besser bekannt als Ibeyi – ihr gleichnamiges Debütalbum. Die Musikmagazine feierten den sparsamen Elektrosoundmix aus Yoruba-Gesängen (vorherrschend in Nigeria, Benin und Togo), kubanischem Jazz und Stimm akrobatik à la Björk. Die Hommage an den legendären Perkussionisten des Buena Vista Social Clubs und verstorbenen Vater der Schwestern, Angá Diaz, gewann schnell einen prominenten Fan: Beyoncé! Sie besetzte die Diaz-Schwestern in dem Kurzfilm zu ihrem Album «Lemonade». Die heute 27-jährigen Zwillinge verstehen ihr drittes Album mit dem Titel «Spell 31» als Plädoyer für Empathie und Verständnis. Während der Produktion hat die beiden die Natur inspiriert – und diese vier Scheiben.
QR-Code scannen und Ibeyis Playlist lauschen. facebook.com/Ibeyi
ANGÁ DIAZ
ROSALÍA
MESHELL NDEGEOCELLO
KENDRICK LAMAR
REZOS (2006)
SAOKO (2022) Naomi: «Diesen Song hat Rosalía schon vor langer Zeit geschrieben, Anfang dieses Jahres wurde er endlich veröffentlicht. Ich bin der Meinung, dass sie zu den Besten gehört, sie ist absolut grossartig. Wir haben ihre Karriere von Anfang an verfolgt und sind begeistert. Wie sie Flamenco mit Pop mischt, ist brillant. Dieses Lied hier ist ein Mix aus Reggaeton und Jazz – das ist richtig gut gemacht.»
PLEASE DON’T LET ME BE MISUNDERSTOOD (2012)
H.O.C (2010)
Lisa-Kaindé: «Das ist ein genialer Song von unserem Dad, in dem er die Namen aller verstorbenen Musiker aufzählt, die ihn im Leben begleitet haben. Für den Track «Los Muertos» auf unserem neuen Album haben wir seine Stimme gesampelt – jetzt musiziert er mit uns quasi noch mal. Und wir nennen seinen Namen, die seiner Eltern und auch die Namen von Musikern wie Prince, die uns im Leben weitergebracht haben.» THE RED BULLETIN
Lisa-Kaindé: «Diese Nummer liegt mir am Herzen, weil ich seit meiner Teenagerzeit Fan von Meshell bin und wahnsinnig viel durch ihre Musik gelernt habe. Obendrein habe ich den Song durch Nina Simone entdeckt, die ihn ursprünglich aufgenommen hat, und die ist überhaupt meine Göttin. Ninas Song, gesungen von Meshell – die perfekte Kombination aus meinen beiden Göttinnen.»
Naomi: «Ehrlich gesagt hätte ich jeden Rap von Kendrick Lamar auswählen können. Diese fantastische Nummer stammt von seinem vierten Solo-Mixtape «Overly Dedicated». Ich bin ein grosser Fan von ihm und halte ihn für absolut grossartig. Er hat die Musik von Grund auf verändert. Ich knie nieder vor Ehrfurcht! Ob wir gern mit ihm arbeiten würden? Äh – ja bitte, danke. Ein Wort von ihm und wir sind dabei!»
85
GUIDE Innovation
IDEAS FOR A B E T TE R FU T U R E
sind. Herausgekommen ist das Sportshirt QUS, mit dem sich Brustgurte, Pulsuhren oder herkömmliche LaufApps erübrigen. In dieses Shirt (Preis: etwa CHF 400) sind zwei Sensoren integriert, die alle relevanten Daten messen: auf der e inen Seite GPS-Infoswie gelaufene Kilometer, Höhenmeter und Geschwindigkeit, auf der anderen Vital-Daten wie Herzfrequenz, Atemfrequenz und Herzfrequenzvariabilität. «Bei uns wird nichts hochgerechnet, sondern tatsächlich am Körper gemessen. Untersuchungen zeigen, dass Pulsuhren bei abrupten Be wegungen um bis zu 30 Schläge pro Minute falschliegen»,
… und los! Für alle, die im Training durchstarten wollen: Der Daten-Dress verhilft zu neuer Dynamik.
Speed, Herzfrequenz, Atem – das Shirt QUS misst alle wichtigen Daten, die Sportler für optimales Training brauchen.
86
A
WOLFGANG WIESER
Dein Shirt misst dich fit
m Anfang stand ein Zitat von Kevin Plank, dem Gründer des USSportartikelherstellers Under Armour: «Denkt mal darüber nach, dass ihr mehr über euer Auto als über eurenKörper wisst.» Stimmt eigentlich, dachte sich Hannes Steiner, 44, CEO des steirischen Textilunternehmens sanSirro. Und er überlegte sich, wie man so einfach, aber auch so präzise wie möglich alle Daten erfassen könnte, die für sport treibende Menschen nützlich
Das Smartphone zeigt, wie’s um die persönliche Power bestellt ist – alle bedeutsamen Parameter werden abgebildet.
THE RED BULLETIN
SANSIRRO, AMPHIRO, GIN PAUL LOZZA,
SPORT
IN ALLER KÜRZE SCHAU REIN Inspirierende Innovationen, Ideen und Menschen aus der Schweiz.
Ein schöner Rücken kann nicht nur entzücken: Hier befindet sich der Chip, der die gemessenen Daten bündelt und versendet.
sagt Marko Stanković, Brand Ambassador und Head of Sales von sanSirro. Sämtliche erfassten Daten werden in einem Chip gespeichert, der am Shirt befestigt ist und die Werte in Echtzeit an eine App sendet. So kann man schon während der Belastung abchecken, ob die Form passt oder ob nicht etwa ein Infekt dafür sorgt, dass die Puste schneller ausgeht als sonst. Stanković, ein ehemaliger Profi-Kicker, erklärt: «Herzund Atemfrequenz k orrelieren miteinander. Weichen die Be ziehungsdaten von der Norm ab, sieht man das auf einen Blick.» D amit erspart man sich falsche Belastungen und vermeidet Verletzungen. «QUS ist eine hochwertige Technologie, verpackt in e inem Oberteil, das ganz normal waschbar ist», sagt Stanković. Letzteres klingt banal, ist aber einer der springenden Punkte, an denen die Konkurrenz bis jetzt gescheitert ist. sansirro.com
THE RED BULLETIN
HANDBRAUSE Die Duschbrause von Amphiro funktioniert ohne externe Strom versorgung – weil sie die nötige Energie aus dem Wasserfluss gewinnt. amphiro.com
GAMING
Wir spielen Leben! Johanna Pirker unterrichtet an der Technischen Universität Graz Spiele-Entwicklung. Sie ist überzeugt, dass uns Games zu besseren Menschen machen.
S
ie spielt Keyboard in der Grazer IndieBand Coinflip C utie, lernt jedes Jahr eine neue Sportart (zuletzt Rennradfahren), mag London, die Bücher des Psychiaters Viktor Frankl und «Nothing Else Matters» von Metallica. Und sie ist überzeugt, dass uns Gaming zu besseren Menschen macht. «Ich glaube», sagt sie, «dass Spiele es schaffen, uns Empathie zu lehren», also Verständnis für Mitmenschen. Drei Spiele können das schon jetzt, meint Johanna Pirker. «Gorogoa» ist ein virtuelles Puzzle, das aus Tausen-
Johanna Pirker, 33, lehrt in Graz.
den von zauberhaften handgezeichneten Illustrationen besteht – ursprünglich sollte das Artwork als Graphic Novel erscheinen. In «Life is Strange» kann man mit dem Protagonisten Max durch die Zeit reisen. Und «Path Out» ist pure Realität: Die österreichische Produktion erzählt die wahre Geschichte des syrischen Flüchtlings Abdullah Kamar.
ALAN FREI Minimalist, Entre preneur, Optimierungs junkie: AmoranaCo-Gründer Alan Frei gibt uns Ratschläge, wie man im Leben maximale Effizienz erreicht.
Dies und mehr in der aktuellen Ausgabe des INNOVATOR. Infos und Abo unter: redbulletininnovator.com
Blick in eigene Welten: Johanna Pirker mit Virtual- Reality-Brille
87
GUIDE Lesestoff
Kugelblitz auf Acid US-Autor Matt Ruff hat in den 33 Jahren seiner Karriere nur sieben Romane geschrieben. Keiner ist wie der andere, bis auf eines: Sie sind alle irre gut. Text JAKOB HÜBNER
M
att Ruff eilt ein gewisser Ruf voraus: Ausnahmetalent, Wenigschreiber, Kultautor. Was die Wahl seiner Themen, Zugänge und Stilmittel betrifft, ist der 1965 in New York geborene US-Amerikaner in etwa so berechenbar wie ein Kugelblitz auf Acid. Am Beginn dieser verwegenen Werkschau steht «Fool on the Hill» aus dem Jahr 1988. Offenbar konnte sich Ruff, damals gerade einmal 23 Jahre alt, nicht recht entscheiden, ob er ein Zaubermärchen,
88
ine Campus-Komödie, eine e Liebesgeschichte, eine Tier fabel oder einen Horror- Slasher schreiben sollte. Also tat er alles auf einmal – und verfasste damit einen der besten Debütromane, die je ver öffentlicht wurden. Die Kritiker kamen aus dem Jauchzen kaum noch heraus, und alle fieberten erwartungsvoll dem zweiten Werk dieses jungen Supertalents entgegen. Ruff liess sie zehn Jahre lang fiebern, ehe er 1998 mit «G.A.S.» eine wahnwitzige Sci-Fi-Operette nachreichte,
die sich wie eine Verbeugung vor Douglas Adams (z. B. «Per Anhalter durch die Galaxis») liest und allerbeste Voraus setzungen bietet, sich nachhaltig das Hirn zu verrenken. Diesem skurrilen KamikazeKlamauk liess Ruff dann fünf Jahre später sein bisher feinfühligstes Buch folgen. «Ich und die anderen» (2003) ist eine als Thriller getarnte Seelenromanze, in deren Mittelpunkt Penny und Andrew stehen – zwei Menschen, die selbst allerdings keinen Mittelpunkt haben, da sie beide an multi pler Persönlichkeitsstörung leiden. Ein wundervoller Roman, der sich via Zwerchfell tief ins Herz schleicht. Der nächste Halt auf dieser literarischen Achterbahnfahrt heisst «Bad Monkeys» und stammt aus dem Jahr 2007: THE RED BULLETIN
VINZ SCHWARZBAUER
GENRE-QUERSCHLÄGER
«88 Namen», Kapitel 1, Erste Vorbemerkung
BUCHTIPPS
SHERPA – wird bezahlt, um Spieler durch ein Massive Multiplayer Online Role-Playing Game (MMORPG) zu führen. Sherpas stellen ihren Kunden Charaktere, Ausrüstung und fähige Teamkameraden zur Verfügung und ermöglichen es ihnen, Spielinhalte für erfahrene Spieler zu erleben, ohne Hunderte von Stunden investieren zu müssen. Sherpas sind oft Freiberufler und haben mit den Unternehmen, die das jeweilige Spiel veröffentlicht haben, nichts zu tun.
In einer Verhörzelle im ge schlossenen Trakt einer Voll zugsanstalt in Las Vegas tischt die des Mordes an geklagte Jane Charlotte dem ihr zugeteilten Psycho-Weiss kittel eine sagenhafte Lebens geschichte auf, die nicht nur komplett irre, sondern auch irre komplett ist. Ruff insze niert dieses subtile Duell als ein paranoides Kammerspiel, in dem sich Wahn und Wirk lichkeit gefährlich nahe kommen. Noch einen Gang höher im Zwischengetriebe der Rea lität schaltet Ruff 2012 mit «Mirage». Das Setting: Am 9. 11. 2001 krachen zwei Flug zeuge in die Türme des Welt handelszentrums von Bagdad, ein drittes in das saudi-arabi sche Verteidigungsministeri um in Riad. Das Erstaunlichste an dieser radikalen Alternativ weltgeschichte (à la Philip K. Dick) ist, dass Ruff den Zerr spiegel eines christlichen Fundamentalismus durchaus humorvoll aufzieht, ohne einen Tropfen Zynismus aus zuschütten. Wer nun glaubt, damit wäre des Wahnsinns fetteste Beute dieser Liste bereits eingefah ren, der irrt: Denn 2016 er scheint «Lovecraft Country». Wie man auf die abstruse Idee kommt, die Schrecken der US‑Rassendiskriminierung der Fünfzigerjahre zusammen mit gruseligen Versatzstücken aus den Horrorgeschichten H. P. Lovecrafts in einen schun digen Pulp-Episodenroman zu THE RED BULLETIN
packen, weiss wohl nur einer. Dass man diese Idee grandios umsetzen kann, wissen (auch dank der gleichnamigen TVSerie) mittlerweile sehr viele. Womit wir beim vorerst letz ten Streich Matthew Theron Ruffs wären: «88 Namen». Wieder begibt er sich auf neu es Terrain, diesfalls in die vir tuelle Welt der Massive Multi player Online Role-Playing Games, in der es der professio nelle Sherpa John Chu mit einem undurchsichtigen Kun den zu tun bekommt, hinter dessen Game-Charakter sich möglicherweise der nordkorea nische Diktator Kim Jong-un versteckt. Was jedoch ange sichts der Rachegelüste seiner massiv überhitzten Exfreundin Darla nur Johns zweitgrösstes Problem ist … «Pure geek gold», urteilte das renommier te New Yorker Branchenblatt «Publishers Weekly». Fazit: Ein Buchregal, in dem kein einziger Roman von Matt Ruff steht, kann man lite rarisch nicht ernst nehmen.
MATT RUFF «88 Namen» Deutsch von Alexandra Jordan (Fischer Tor)
Sie wollen nur spielen Cyber-Schreiber: wie man in virtuelle Welten abtauchen kann, ohne den Computer hochzufahren.
DANIEL SUAREZ Exakt in der Sekunde, in der das Computerspielgenie Matthew Sobol stirbt, erwacht sein digitales Vermächtnis zum Leben: ein viraler Trojaner, der mit der menschlichen Zivilisation – im wahrsten Sinne des Wortes – abrechnet. Warnung: Bevor man diesen Hightech-Thriller oder den Nachfolger «Darknet» aufschlägt, sollte man sich mit Proviant für mindestens zwei Tage eindecken. «Daemon» (rororo)
ERNEST CLINE Mit dem Weltbestseller «Ready Player One» (verfilmt von Steven Spielberg) gelang Ernest Cline das virtuose Kunststück, eine rund 540 Seiten starke Reminiszenz an die Achtzigerjahre in ein hochkomplexes GameSetting aus dem Jahr 2045 zu katapultieren. Leider konnte die Fortsetzung «Ready Player Two» mit dieser rasanten krachbunten «Easter egg rallye» nicht ganz mithalten. «Ready Player One» (Fischer Tor)
TAD WILLIAMS Ein Genre-Meilenstein aus der digitalen Steinzeit: «Stadt der goldenen Schatten», Teil 1 der legendären «Otherland»Tetralogie des US-Autors Tad Williams. Das Werk erschien bereits 1996 und gilt als eine Art literarischer Quelltext für die Erforschung virtueller Parallelwelten. Eine gewisse Liebe zum Detail sollte man angesichts der insgesamt fast 4000 Seiten allerdings mitbringen. «Otherland» (Klett-Cotta)
CORY DOCTOROW Aktivist, Blogger, Autor – der kanadische Internetguru Cory Doctorow hat sich den Ver heissungen der Digitalisierung bereits an mehreren Fronten gestellt. Herausragend sind seine «Little Brother»-Romane, in denen er in allerbester Orwell-Manier den Kampf gegen den totalen Über wachungsstaat aufnimmt. Das Vorwort der 2021er- Neuauflage stammt übrigens von Edward Snowden. «Little Brother: Aufstand» (Heyne)
89
GUIDE Uhren
LONGINES SPIRIT ZULU TIME
Zeit für Abenteuer
Eine Uhr als Hommage an Pioniere, die Grenzen sprengten – und eine Pionierin, die im Flug Geschichte schrieb. Das «Zulu» in der Longines Spirit Zulu Time steht nicht für das südafrikanische Volk, sondern für den Buchstaben Z. Und der wiederum bezeichnet in der Luftfahrt die Weltzeit (gleiche Zeit auf dem ganzen Globus) und ist so was wie ein Symbol für alle Abenteurer dieser Welt. Preis: 2850 CHF. longines.com
DAS ARMBAND ist aus Stahl, alternativ gibt es eine Ledervariante.
DIE LÜNETTE ist in beide Richtungen drehbar, und die 24-StundenSkala erlaubt es, eine weitere Zeitzone abzulesen.
11.000 MEILEN SOLO DIE TAPFERE AMY JOHNSON
«Diese Uhr unterstreicht unsere Beziehung zur Aviatikwelt.» Matthias Breschan, CEO von Longines Amy Johnson, die berühmteste Pilotin Grossbritanniens, vor ihrem Flugzeug.
90
THE RED BULLETIN
WOLFGANG WIESER
DAS UHRWERK Das neue, exklusive In‑House-Kaliber ist mit einer Silizium-Spiral feder ausgestattet, die die Zeitzonenanzeige antreibt.
Die Frau, die hier vor ihrem Gipsy- Moth‑Doppeldecker posiert, gilt als die berühmteste Pilotin Grossbritanniens. Amy Johnson (1903–1941) war die erste Frau, die allein von England nach Australien flog. Sie startete in Croydon (in der Nähe von London) und landete 19 Tage später in Darwin, nachdem sie eine Strecke von mehr als 11.000 Meilen (knapp 18.000 Kilo meter) zurückgelegt und strömendem Regen getrotzt hatte.
GUIDE Kalender
4
Juni STARTSCHUSS FÜRS RED BULL CLIFF DIVING Akrobatische Sprünge, furchtlose Athleten und malerische Locations: Die Red Bull Cliff Diving World Series ist zurück! Den Start machen die Springerinnen und Springer am 4. Juni in Boston, USA, ehe sie sieben weitere Male halt machen, um ihr Können unter Beweis zu stellen. Wer die Klippenspringer live in der Schweiz sehen möchte: Am 10. und 11. September wird Sisikon wieder Gastgeber sein. Alle Wettbewerbe gibt es live auf Red Bull TV.
12 FOTOMTINA, RICARDO NASCIMENTO/RED BULL CONTENT POOL, JEAN-CHRISTOPHE DUPASQUIER/RED BULL CONTENT POOL, AMANDA NIKOLIC
bis 15. Mai VELOS IM RAMPENLICHT In der Stadt Zürich wird die Cycle Week zum nationalen Velofestival: Zum Auftakt der Velosaison stellt die Cycle Week vom 12. bis 15. Mai alle Facetten des Velofahrens ins Rampenlicht: die neuesten Bikes testen, Bike-Shows bestaunen, an Workshops teilnehmen, Unplugged-Musik und das Food-&-Drink-Angebot geniessen. cycleweek.ch
12
6
Juni BREAKING BATTLE
bis 9. Juli BACKSTAGE AM OPENAIR FRAUENFELD
Sei dabei, wenn sich am 12. Juni die besten vier helvetischen B-Girls und 16 B-Boys beim Red Bull BC One Cypher Switzerland im Trafo in Baden batteln! Die Sieger des Events vertreten die Schweiz im November am Red Bull BC One World Final in New York City und treten dort gegen die Besten der Welt an. Bring it on! Alle Infos und Tickets unter redbull.com/bconeswitzerland
ASAP Rocky, Sido, Loredana: Die Stars der Hip-Hop-Szene versammeln sich vom 6. bis 9. Juli wieder beim Openair Frauenfeld. Und mit dem «Red Bull Unforeseen» gibt es wie bereits 2019 einen ganz speziellen, geheimen Backstage-Bereich mit zahl reichen Überraschungen. Wie man dort hineinkommt? Ebenfalls noch geheim. Alle Infos bald unter redbull.com/unforeseen
THE RED BULLETIN
91
B O U L E VARD DER HEL DEN
JANE GOODALL, DIAN FOSSEY, BIRUTĖ GALDIKAS
DIE TRÄUME DER AFFEN Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die aussergewöhnlichen Geschichten inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit. Folge 10: drei Forscherinnen und ihre innige Beziehung zu Menschenaffen.
92
THE RED BULLETIN
MICHAEL KÖHLMEIER
BENE ROHLMANN, CLAUDIA MEITERT
GETTY IMAGES (4)
M
anchmal ist ein Mentor nötig, verwischt. Wenn ein Schimpansenweibchen und wenn er ein guter Mentor ist, sie direkt angesehen habe, habe sie sich ent deckt gefühlt und ein schlechtes Gewissen kann er Unerhörtes in Gang set zen. Louis Leakey war ein guter bekommen – einerseits; andererseits habe sie Mentor. Er stammte aus England, auch Konkurrenz und Kampfbereitschaft in lebte aber in Kenia, er war Paläoanthro sich gespürt. Eines Nachts habe sie geträumt, pologe. Was tut so einer? Er erforscht sie sei von einem Felsen gestürzt, von Schim unsere Vorfahren, unsere weiten Vorfahren, pansen gefunden und in ein Schimpansen MICHAEL KÖHLMEIER Der Vorarlberger krankenhaus getragen worden. Eine Schim die Hominiden. Das sind jene, von denen Bestsellerautor gilt pansenärztin in einem weissen Mantel habe sich der Mensch und der heutige Affe ab als bester Erzähler ihr gesagt, es sei aus mit ihr, finito, gleich gespalten haben. deutscher Zunge. werde sie den Löffel abgeben, gleich werde Mr. Leakey ist nicht genug zu loben, Zuletzt erschienen: sie über den Jordan hüpfen. er muss ein freier, vorurteilsfreier Mann der Roman «Matou», Es gebe nur eine Möglichkeit für sie gewesen sein. Ihm verdanken wir, dass drei 960 Seiten, Hanser Verlag. zu überleben, aber die käme sicher nicht grosse Forscherinnen ungehindert Karriere infrage, also solle sie sich auf den Tod vor machen konnten: Jane Goodall, Dian Fossey bereiten, der Tod übrigens sei ein Affe. Damit habe sich und Birutė Galdikas. Sie wurden von Leakey ermutigt, die Schimpansenärztin umgedreht, sei auf alle viere sich mit dem Leben und Zusammenleben der Menschen niedergesunken und wollte davonlaufen. Goodall aber affen zu beschäftigen. habe ihr nachgerufen: Halt! Was für eine Möglichkeit? Jane Goodall hatte nicht studiert, sie hatte eine Bitte! Die Ärztin habe gesagt: Umwandlung. Da sei sie Schule für Sekretärinnen besucht. Ihr Traum aber sei es aufgewacht. Und habe laut lachen müssen. immer gewesen, Afrika zu bereisen. Bereits bei ihrem Jedenfalls habe sie den Traum ernst genommen. ersten Besuch lernte sie Louis Leakey kennen. Der war Sie habe in sich gesucht, sie habe sozusagen ihr Inners von ihrer Intelligenz, ihrer Auffassungsgabe, ihrem tes abgesucht, ob da irgendwo ein kleiner Fetzen Schim Ideenreichtum und ihrem Einfühlungsvermögen so fas ziniert und überzeugt, dass er sie – wohl wissend, dass panse stecke, und tatsächlich, sie habe so einen Fetzen sie über keinerlei Kenntnisse auf dem Gebiet der Paläo gefunden. Den habe sie gehegt und gepflegt, gefüttert anthropologie verfügte – schon nach wenigen Wochen und gekost, er sei herangewachsen, und nun sei sie zu in sein Team aufnahm. knapp einem Drittel eine Schimpansin. Mit sechsundzwanzig liess sich Jane Goodall end Der amerikanische Cartoonist Gary Larson, der sich gültig in Tansania nieder und stellte sich die Lebens in seinem Werk intensiv mit Tieren auseinandergesetzt aufgabe, die Schimpansen im Gombe-Stream-National hat, liess in den Siebzigerjahren ein T-Shirt drucken, dar park zu studieren. In einem Gespräch erzählte sie viel auf ist eine Zeichnung von einem Schimpansenpaar zu später, schon nach kurzer Zeit habe sich in ihren Ge sehen. Das Weibchen pflückt ein blondes Haar aus dem danken der Unterschied zwischen Tier und Mensch Fell des Männchens und sagt: «Warst du schon wieder
Von links oben im Uhrzeigersinn: Affenforscherinnen Dian Fossey, Jane Goodall und Birutė Galdikas
THE RED BULLETIN
93
B OU L EVAR D DE R HE L D E N
bei dem Flittchen Goodall!» Jane Goodall nahm es mit Humor. Als ihr geraten wurde, dagegen vorzugehen, lachte sie nur. Alles, was nütze, um darauf aufmerksam zu machen, wie wir Menschen mit den Tieren umgehen, begrüsse sie, und Humor wirke mitunter besser als Wut. Jane Goodall ist bis heute eine kräftige Kämpferin für die Rechte der Tiere. Ihre empirischen Forschungen sind vorbildlich.
I
m Alter von dreiundfünfzig Jahren wurde Dian Fossey in ihrer Hütte im Karisoke Research Center erschlagen. Ein Kampf war vorausgegangen. Mrs. Fossey war eine starke, unerschrockene Frau, die sich vor nichts und niemandem fürchtete. Sie war bewaffnet, verlor ihren Revolver aber in dem Kampf. Die Mörder schlugen ihr den Schädel ein und liessen sie liegen. Erst glaubte man, es seien Wilderer gewesen. Die Wilderer wurden von Dian Fossey erbarmungslos verfolgt, wobei sie mitunter Methoden anwandte, die von manchen Stellen scharf kritisiert wurden. Ihren Studenten und Assistenten riet sie, sich zu bewaffnen, und wenn sie auf Wilderer träfen, nicht lange zu verhandeln, sondern zu schiessen. Gegen die Theorie, dass sie von Wilderern getötet worden sei, spricht, dass diese sie leichter im Wald hätten töten können als in dem bewachten Camp. Inzwischen gilt es als am wahrscheinlichsten, dass bezahlte Killer von einer der Tourismusorganisationen beauftragt worden waren. Hätte ein Mord im Wald stattgefunden, wäre das für das Geschäft nicht gut ge wesen, man wollte die Touristen ja in den Wald locken. Dian Fossey hatte sich mit vielen angelegt. Die Touristen störten und zerstörten das Zusammenleben der Gorillas, davon war sie überzeugt. Ihr Ziel war es, dass der Tou rismus in den Wäldern von Ruanda verboten wird. Die Wilderer hasste sie wie den Teufel. Sie hatten ihren Liebling erschossen, ihm die Hände abgehackt und den Kopf abgesägt. Aus den Händen waren Aschenbecher für verrückte Amerikaner gemacht worden, der Kopf wurde ausgestopft und in einer Bibliothek in England an die Wand gehängt. Ihr Liebling war Digit. Digit war ein Gorillamännchen – gegen diesen Aus druck hätte sich Mrs. Fossey empört, und empören konnte sie sich wie keine andere. Digit war ein Gorilla mann. Zehn Jahre lang hatte Dian Fossey ihn und seine Familie beobachtet, die Hälfte der Zeit hatte sie mit ihnen zusammengelebt. Die Gorillas hatten Vertrauen zu ihr gewonnen, sie gaben ihr ihre Babys, damit sie auf sie aufpasse oder sie in den Schlaf singe.
Dian Fossey wollte die Gorillas nicht nur beobachten, sie wollte Teil ihrer Gesellschaft werden.
94
Nach dem Tod von Digit zog sich Dian Fossey immer mehr von den Menschen zurück, sie lebte im Wald, be wacht von bewaffneten Studenten. Die Einheimischen nannten sie Nyirmachabelli, das heisst «die Frau, die einsam im Wald lebt». Mit noch nicht dreissig Jahren war sie aus Kalifornien nach Afrika gekommen, sie war beseelt von dem Ge danken, die Menschenaffen, insbesondere die Gorillas, zu studieren. Louis Leakey war beeindruckt von der Frau und führte sie ein in sein Fach. In einem Interview sagte sie, als sie den ersten Gorilla gesehen habe, einen mächtigen Silberrücken, habe sie gewusst, sie werde ihr Leben in diesem Wald beenden, sie werde nie wieder zurückkehren in die Zivilisation. Sie wollte nicht nur die Familienstrukturen und das Kommunikationsverhalten dieser prächtigen Tiere be obachten, sie wollte ein Teil ihrer Gesellschaft werden. Sie beobachtete den Umgang der Geschlechter mitein ander, nannte es Liebe und Sorge und Hass, machte kei nen Unterschied zwischen den Gefühlen der Menschen und denen der Affen. Sicher, sie unternahm Reisen, hielt Vorträge, warb auf der ganzen Welt für ihre Pro jekte und dafür, Menschenaffen wie die Schimpansen und die Orang-Utans, vor allem aber die Gorillas, recht lich und ethisch auf eine ähnlich hohe, wenn nicht gar auf die gleiche Stufe mit dem Menschen zu stellen. Ihre Heimat aber war der Wald um das Karisoke Research Center. Sie erzählte, sie habe zusammen mit Digit eine Form der Verständigung entwickelt, die weit über den Austausch von Alltäglichkeiten hinausging. Es sei ihnen sogar gelungen, einander von ihren Träumen zu erzählen. In einem seiner Träume habe Digit seinen Tod vorausgesehen, und er habe sie gewarnt, dass auch sie auf der Hut sein solle. Das Leben von Dian Fossey wurde 1988 unter dem Titel «Gorillas im Nebel» mit Sigourney Weaver verfilmt.
W
ie Jane Goodall und Dian Fossey hatte der grosse Louis Leakey auch Birutė Galdikas entdeckt und für das Leben der Menschenaffen begeistert. Im Unterschied zu den beiden Kolleginnen forschte sie aber nicht in Afrika, sondern in Asien. Auf Borneo gründete sie mit Hilfe der Leakey Foundation eine Forschungs station. Dort untersuchte sie das Verhalten der OrangUtans. In einem Vortrag nannte sie die Vertreter dieser Primatengattung die schönsten Lebewesen, die Gott er schaffen habe. Lachend fügte sie hinzu, die meisten Bio logen und Zoologen, das sei bekannt, neigten dazu, Gott als nicht notwendige Zugabe der Evolution zu sehen, den meisten Biologen und Zoologen sei allerdings auch noch nie ein frei lebender Orang-Utan begegnet. Diese Tiere seien für sie ein Gottesbeweis. Birutė Galdikas hat litauische Wurzeln und wuchs in Kanada auf. In Los Angeles studierte sie Psychologie und Anthropologie. In dem erwähnten Vortrag erzählte sie, sie habe sich für den Menschen hauptsächlich inter essiert, um Erkenntnisse zu gewinnen, die ihr beim Stu dium der Tiere nützlich sein können. Als Kind sei sie
THE RED BULLETIN
Im Traum fürchtete sich Birutė Galdikas vor dem Affen. Als sie aufwachte, wollte sie sein wie er. immer gerannt, normal zu laufen, habe sie nicht fertiggebracht. Der häufigste Satz, den ihre Mutter zu ihr gesagt habe, sei gewesen: Geh normal, Kind! Sie habe sich nicht wie die meisten Mädchen in ihrem Alter ein Pferd gewünscht, sie habe sich gewünscht, ein Pferd zu sein. Irgendwann habe ihr Vater zu ihr gesagt: Meine Kleine, das muss ein Ende haben. Wenn du in die Schule kommst und deinen Banknachbarn erzählst, dass du ein Tier sein möchtest, dann lachen sie dich aus und spielen nicht mit dir. In der Nacht vor ihrem ersten Schultag habe sie geträumt, sie sei ein Pferd und sie lebe unter den Tieren. Den Menschen gab es nicht und würde es nie geben. Der Vater aller Tiere, der jeden Morgen,
j eden Mittag und jeden Abend die Suppe zubereitete, war ein riesengrosser Affe mit Armen so lang und Fingern so dünn, dass er in jedes Geschäft der Stadt greifen konnte, um die feinen Dinge herauszuklauben, die er über die Suppe streute. Im Traum habe sie sich vor dem grossen Affen gefürchtet. Aber als sie aufwachte, habe sie sich nicht mehr gewünscht, ein Pferd zu sein – sondern ein Affe. Heute lebt Birutė Galdikas wieder in Kanada. Sie ist Professorin für Anthropologie an der Simon Fraser University in Burnaby in der Provinz British Columbia, im Westen des Landes an der pazifischen Küste. Immer wieder aber zieht es sie in den Regenwald von Borneo zu ihren geliebten Orang-Utans.
Michael Köhlmeiers Geschichten gibt es auch zum Anhören im Podcast-Kanal von The Red Bulletin. Zu finden auf allen gängigen Plattformen wie Spotify, auf redbulletin.com/podcast oder einfach den QR-Code scannen.
BEYOND THE ORDINARY theredbulletin.com
LORENZ HOLDER/RED BULL CONTENT POOL
IMPRESSUM
THE RED BULLETIN WELTWEIT
Aktuell erscheint The Red Bulletin in sechs Ländern. Das Cover unserer britischen Ausgabe zeigt den Klippen springer Gary Hunt – er ist achtfacher Gewinner der Red Bull Cliff Diving World Series. Mehr Geschichten abseits des Alltäglichen findest du auf: redbulletin.com
96
Gesamtleitung Alexander Müller-Macheck, Sara Car-Varming (Stv.) Chefredaktion Andreas Rottenschlager, Andreas Wollinger (Stv.) Creative Direction Erik Turek, Kasimir Reimann (Stv.) Art Direction Marion Bernert-Thomann, Miles English, Tara Thompson Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Kevin Faustmann-Goll, Cornelia Gleichweit Fotoredaktion Eva Kerschbaum (Ltg.), Marion Batty (Stv.), Susie Forman, Tahira Mirza, Rudi Übelhör Digitalredaktion Christian Eberle-Abasolo (Ltg.), Marie-Maxime Dricot, Melissa Gordon, Lisa Hechenberger, Elena Rodríguez Angelina, Julian Vater Head of Audio Florian Obkircher Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza Publishing Management Ivona Glibusic, Bernhard Schmied, Melissa Stutz Managing Director Stefan Ebner Head of Media Sales & Partnerships Lukas Scharmbacher Head of Co-Publishing Susanne Degn-Pfleger Projektmanagement Co-Publishing, B2B-Marketing & Communication Katrin Sigl (Ltg.), Katrin Dollenz, Thomas Hammerschmied, Teresa Kronreif (B2B), Eva Pech, Valentina Pierer, Stefan Portenkirchner (Communication), Jennifer Silberschneider, Sophia Wahl Creative Services Verena Schörkhuber-Zöhrer (Ltg.), Sara Wonka, Tanja Zimmermann, Julia Bianca Zmek, Edith Zöchling-Marchart Commercial Management Co-Publishing Alexandra Ita Editorial Co-Publishing Raffael Fritz (Ltg.), Gundi Bittermann, Michael Hufnagl, Alexander Klein, Irene Olorode, Mariella Reithoffer, Wolfgang Wieser Executive Creative Director Markus Kietreiber Senior Manager Creative Elisabeth Kopanz Art Direction Commercial & Co-Publishing Peter Knehtl (Ltg.), Luana Baumann-Fonseca, Silvia Druml-Shams, Erwin Edtmayer, Simone Fischer, Andreea Gschwandtner, Lisa Jeschko, Araksya Manukjan, Carina Schaittenberger, Julia Schinzel, Florian Solly, Dominik Uhl, Sophie Weidinger, Stephan Zenz Head of Direct to Consumer Business Peter Schiffer Direct to Consumer Business Marija Althajm, Victoria Schwärzler, Yoldaş Yarar (Abo) Retail & Special Projects Manager Klaus Pleninger Anzeigenservice Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Herstellung & Produktion Veronika Felder (Ltg.), Martin Brandhofer, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailović, Sandra Maiko Krutz, Josef Mühlbacher Finanzen Mariia Gerutska (Ltg.), Simone Kratochwill, Elisabeth Maier MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler IT Service Desk Maximilian Auerbach Operations Alice Gafitanu, Melanie Grasserbauer, Alexander Peham, Thomas Platzer Projekt Management Dominik Debriacher Assistant to General Management Sandra Artacker Herausgeber & Geschäftsführer Red Bull Media House Publishing Andreas Kornhofer Verlagsanschrift Am Grünen Prater 3, A-1020 Wien Telefon +43 1 90221-0 Fax +43 1 90221-28809 Web redbulletin.com Medieninhaber, Verlag & Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-LepperdingerStrasse 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Dietmar Otti, Christopher Reindl, Marcus Weber
THE RED BULLETIN Schweiz, ISSN 2308-5886 Länderredaktion Stefania Telesca Lektorat Hans Fleissner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-Walek, Belinda Mautner, Klaus Peham, Vera Pink Country Project Management Meike Koch Media Sales & Brand Partnerships Christian Bürgi (Ltg.), christian.buergi@redbull.com Marcel Bannwart, marcel.bannwart@redbull.com Jessica Pünchera, jessica.puenchera@redbull.com Michael Wipraechtiger, michael.wipraechtiger@redbull.com Goldbach Publishing Marco Nicoli, marco.nicoli@goldbach.com Abo The Red Bulletin Leserservice, Postfach, CH-6002 Luzern, +41 41 329 22 00, abo@ch.redbulletin.com Druck Quad/Graphics Europe Sp. z o. o., Pułtuska 120, 07-200 Wyszków, Polen
THE RED BULLETIN Deutschland, ISSN 2079-4258 Länderredaktion Maximilian Reich Lektorat siehe entsprechenden Eintrag bei der Schweiz Country Project Management Nina Hahn Media Sales & Partnerships Thomas Hutterer (Markenlead), Michael Baidinger, Franz Fellner, Ines Gruber, Wolfgang Kröll, Gabriele Matijevic-Beisteiner, Alfred Vrej Minassian, Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher, Jennifer Sabejew, Johannes Wahrmann-Schär, Ellen Wittmann-Sochor, Ute Wolker, Christian Wörndle, Sabine Zölss
THE RED BULLETIN Frankreich, ISSN 2225-4722 Länderredaktion Pierre-Henri Camy Country Coordinator Christine Vitel Country Project Management Alexis Bulteau
THE RED BULLETIN Grossbritannien, ISSN 2308-5894 Länderredaktion Tom Guise (Ltg.), Lou Boyd Lektorat Davydd Chong Publishing Management Ollie Stretton Media Sales Mark Bishop, mark.bishop@redbull.com
THE RED BULLETIN Österreich, ISSN 1995-8838 Länderredaktion Nina Kaltenböck Lektorat siehe entsprechenden Eintrag bei der Schweiz Publishing Management Bernhard Schmied Media Sales & Partnerships Thomas Hutterer (Markenlead), Michael Baidinger, Franz Fellner, Ines Gruber, Wolfgang Kröll, Gabriele Matijevic-Beisteiner, Alfred Vrej Minassian, Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher, Jennifer Sabejew, Johannes Wahrmann-Schär, Ellen Wittmann-Sochor, Ute Wolker, Christian Wörndle, Sabine Zölss Sales Operations & Development Anna Schönauer (Ltg.), David Mühlbacher
THE RED BULLETIN USA, ISSN 2308-586X Länderredaktion Peter Flax (Ltg.), Nora O’Donnell Lektorat Catherine Auer, David Caplan Publishing Management Branden Peters Media Sales Todd Peters, todd.peters@redbull.com Dave Szych, dave.szych@redbull.com Tanya Foster, tanya.foster@redbull.com
THE RED BULLETIN
AUF DEM SPRUNG IN DIE SELBSTSTÄNDIGKEIT? FREE
Wie Sie alle Hürden meistern:
A
www.wingfinder.com
S
SE
SS
MENT
RED BULL VERLEIHT FLÜÜÜGEL.
NICOLAS MAHLER
N IC OL AS M A HL ERS SPI T ZF ED ERL ICHES CHA R A K T ER-K A BINE T T
Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 12. Juni 2022.
98
THE RED BULLETIN
RADO.COM
MASTER OF MATERIALS
CAPTAIN COOK HIGH-TECH CERAMIC DIVER
ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN
THE RED BULLETIN 06/2022