7 minute read

Wie ein Heim-Rennen Geschichte schrieb

Next Article
ALLE LIEBEN YUKI

ALLE LIEBEN YUKI

Der Sommer 1984 veränderte den österreichischen Motorsport für immer. Niki Lauda gewann als einziger Österreicher den Heim-GP auf dem Österreichring, ein junger Tiroler namens Gerhard Berger feierte sein Debüt. Und das löste eine Kettenreaktion aus…

1984

war das bisher letzte Jahr, in dem ein Österreicher um den WM-Titel kämpfte. Niki Lauda und Alain Prost machten sich in ihren ikonischen McLaren mit Porsche-Motoren die Siege mehr oder weniger untereinander aus. Unumstrittener Höhepunkt für die Fans war das Rennen auf dem alten Österreichring. Gerhard Berger erinnert sich an diesen Sommer in der Steiermark – oder besser gesagt: Er erinnert sich eben nicht. „Wie genau das 1984 war: Ich weiß es nicht. Aber nicht, weil ich es vergessen hätte. Ich habe es schon damals nicht mitgekriegt, weil ich ausschließlich auf mich und meine Performance fokussiert war. Im Gespräch mit anderen, die dabei waren, tauchen Bilder auf, bei denen ich mir denke: Ja, so muss das gewesen sein.“

Die Formel 1 war vor vierzig Jahren bei weitem nicht so reglementiert wie heute. Zwei Beispiele: „Mein Vater hat sich einen ÖAMTC-Ausweis umgehängt und ist damit bis ins Fahrerlager gekommen. Andere haben Drahtzäune durchgeschnitten und sich so auf die Strecke geschummelt.“

Gerhard im Flow

Warst du nervös vor deinem ersten Auftritt in der Formel 1? „Nein. Da ich nie einen Masterplan für meine Karriere hatte, habe ich Rennfahren die längste Zeit als Hobby gesehen, als riesige Leidenschaft – selbst als ich schon Prof mit BMW-Vertrag war. Das deutsche ATS-Team hat ein zweites Chassis, das sie mir zur Verfügung stellen können? Fein! BMW hat einen Motor für mich? Umso besser. Premiere auf dem Österreichring? Ich kenne die Strecke, perfekt!“

Ein klein wenig besser vorbereitet, als es klingt, ging Gerhard Berger seine F1-Premiere dann doch an, immerhin war er BMW-Werkspilot. Der Konzern versprach sich viel vom Tiroler, der seinen Mut in der Tourenwagen-EM eindrücklich bewiesen hatte. Trotzdem musste der Vorstand höchstselbst bewilligen, dass Berger mit Formel-1-Motoren ausgestattet wurde – eine Zitterpartie. Andere Fahrer hätte das vermutlich beeindruckt. Nicht so den unbekümmerten Tiroler: Beim einzigen Test zwei Wochen zuvor im holländischen Zandvoort hatte er sich den Bremspunkt von Weltmeister Nelson Piquet (Brabham-BMW) vor der berüchtigten Tarzan-Kurve genau eingeprägt, warf vor den Augen seines Teamchefs in seiner ersten Runde ebenfalls dort Anker und hoffte, zu überleben. „Das hat ihn beeindruckt: ‚Du bremst aber spät‘, hat er gesagt.“

Drei Renn-Tiere. Auf dem Österreichring starteten 1984 gleich drei Österreicher. Von links: Jo Gartner (Osella-Alfa, out), Sieger Niki Lauda im McLaren-Porsche und Gerhard Berger im ATS-BMW (Ausfall 3 Runden vor Schluss).

Dementsprechend optimistisch ging er auch beim GP-Debüt ans Werk, winkte in der Bremszone auf der Schönberg-Gerade sogar frech dem BMW-Kollegen Piquet und qualifizierte ein eigentlich unterlegenes, schwierig zu fahrendes Auto auf Platz 14. Noch beim Start wäre Gerhard beinahe Opfer der welligen Startgerade geworden und konnte das Auto gerade noch abfangen, „ich weiß bis heute nicht, wie“. Vielleicht so: „Ich war in einem Zustand, den man heute als Flow bezeichnen würde. Mir ist zu dieser Zeit alles leicht von der Hand gegangen, überall. Sogar Geld habe ich verdient mit meiner F1-Premiere, denn in einer schwachen Minute hatten wir ATS-Boss Schmid das Recht abgeschwatzt, meine Sponsoren auf die Seitenkästen des Autos zu kleben.“

Getriebe-Abgang

Wäre für den jungen Tiroler an diesem schönen Sommer-Sonntag in der Steiermark alles planmäßig verlaufen, dann hätte er sich wohl gleich beim Debüt auf den vorderen Plätzen der F1 wiedergefunden. Allerdings: „Technischer Schwachpunkt jener Autos mit ihren bis zu 1500 PS waren die Getriebe, die regelmäßig gebrochen sind. So war das auch bei mir, und ich musste aufgeben. Aber irgendwie war’s trotzdem gut.“ Berger wurde auf P12 gewertet.

Ein ähnliches Getriebe-Schicksal ereilte Niki Lauda. Moment mal: Hat der nicht gewonnen? Doch hat er, denn bei ihm war nur der vierte Gang hinüber. Wie die fahrende Legende später zugab, wollte er – in Führung liegend – eigentlich aufgeben, allerdings schien ihm der Weg in die Box zu weit. Bei den Fan-Massen in Spielberg wäre das ein Spießrutenlauf geworden. Also fuhr er weiter und entdeckte, dass er vom dritten direkt in den fünften Gang schalten konnte, was natürlich Zeit kostete. Verfolger Piquet interpretierte das allerdings als taktische Maßnahme des schlauen Fuchses Lauda: Der wolle ofensichtlich sein Auto schonen. Piquet griff nicht an, dabei wäre Lauda leichte Beute für den Brasilianer gewesen. Gerhard, später eng mit Niki befreundet: „Heute sieht man Lauda als cleveren Taktiker, Tüftler und Strategen. Aber Niki war auch ein richtiges Viech im Auto. Wenn es darauf ankam, konnte er schneller sein als alle anderen. Bestes Beispiel: Pole-Position auf dem alten Nürburgring, der Fahrer-Strecke schlechthin. Du musst irre sein, damit du das zusammenbringst. Oder Bestzeiten in Monaco: Mit Taktik kommst du da nirgendwohin. Da brauchst du unendlichen Mut, Talent und Risikofreude. All das hatte Niki im Überfuss – zusätzlich zu seinen anderen Qualitäten, über die man heute hauptsächlich spricht.“

Mit dem später (1986 in Le Mans) tödlich verunglückten Jo Gartner gab es im Sommer 1984 noch einen dritten Österreicher in der Formel 1. Der Wiener startete in einem unterlegenen und vor allem unzuverlässigen Osella-Alfa. Gerhard Berger erinnert sich: „Jo war mir meist ein paar Schritte voraus. Bei einem Training auf dem Österreichring ein paar Jahre zuvor, in dem mehrere Klassen zugleich auf die Strecke geschickt wurden, saß ich in einem Ford Escort. Da schoss einer in einem F2-Wagen an mir vorbei, dass ich glaubte, ich spinn. Das war der Jo.“

Später sollten die beiden erbittere Konkurrenten im Kampf um Sponsorengeld und somit eine Fortsetzung ihrer F1-Karriere werden – doch davon war noch nichts zu merken in diesem famosen MotorsportSommer vor vierzig Jahren. Hunderttausend Fans und mehr feierten den bis heute einzigen Sieg eines Österreichers beim Heimrennen und freuten sich, dass mit Gerhard und Jo gleich zwei Kandidaten darauf warteten, das Stafelholz, das von Rindt an Marko und von Marko an Lauda übergeben worden war, weiterzutragen. Österreich und die Formel 1, das gehörte irgendwie ganz selbstverständlich zusammen.

Was bleibt von 1984?

Gerhard: „Eigentlich ist der Sommer 1985 sogar noch wichtiger für den österreichischen Motorsport als das Fest von 1984 Zwar haben Niki und ich in diesem Jahr sportlich nix gerissen, aber 1985 hat mich ein groß gewachsener Mann im Fahrerlager angeredet. Er habe zwar keine Firma und kein Geld, aber er wolle mich unterstützen. Ihm taugte meine ungestüme Art. Er sei Jochen-Rindt-Fan gewesen, erzählte er mir. Nach dem Training gingen wir auf ein Bier im Enzingerhof oberhalb der Strecke und gaben uns die Hand: Sollte er seine Firma auf die Beine bringen, würde er mich mit 10.000 Dollar unterstützen. Der Mann war Didi Mateschitz. Ohne unseren damaligen Handschlag hätte es vielleicht nie Red Bull-Motorsport gegeben. Keinen Red Bull Ring, keinen Sebastian Vettel, keinen Max Verstappen als Weltmeister, keine österreichische Bundeshymne bei der Siegerehrung.“

Das Fest von 1984 mit dem Heimsieg von Niki Lauda, dem Debüt von Gerhard Berger und der tapferen Vorstellung von Jo Gartner war nicht bloß legendär – es hat Legenden hervorgebracht und wirkt bis heute fort.

EIN SOMMER WIE DAMALS!

Bei der Legends Parade auf dem Red Bull Ring im Rahmen der Formel 1 werden ikonische Rennwagen wiedererweckt.

Mika Häkkinen, der Weltmeister von 1998 und 1999, wird seinen weltmeisterlichen McLaren pilotieren, Gerhard Berger einen Schumacher-Ferrari von 2002. David Coulthard wird sich in seinen Red Bull RB1 setzen, Jos Verstappen in einen RB7. Lotus-Fans werden gleich doppelt erfreut werden, nämlich mit einem Modell aus dem Jahr 1972 und einem von 1982. Am Steuer: die brasilianische Legende Emerson Fittipaldi.

Wer die Legends Parade live erleben will, kann sich hier noch eines der heiß begehrten Tagestickets sichern: redbullring.com/f1tickets

This article is from: