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DIE VERWANDLUNG
Asma Elbadawi
verwandelte ihre Legasthenie in Poesie, ihre Angst in Mut und Basketball in einen noch viel bunteren Sport. Indem sie Grenzen im und auf dem Kopf überwand.
Text RACHAEL SIGEE Foto SADIA MIR
Wenn Asma Elbadawi in der Schule Tests zurückbekam, waren sie mit Anmerkungen in Rot übersät. „Ständig hat man mir gesagt, dass meine Rechtschreibung nicht passt, und mit der gestochenen Ausdrucksweise von Aufsätzen kam ich auch überhaupt nicht klar“, erinnert sich Elbadawi. Dann entdeckte sie die Lyrik für sich. Der Legasthenikerin eröffnete sich eine ganz neue Welt an Ausdrucksmöglichkeiten. „Legasthenie ist eine von diesen ‚Schwächen‘, mit denen du komplett unkonventionell denken kannst“, erklärt sie. „Du stellst Zusammenhänge her, die andere nicht sehen.“
Vielleicht war es dieser andere Blick auf die Welt, der Elbadawi nicht nur Dichterin werden ließ, sondern auch Basketballspielerin und bildende Künstlerin. Derzeit ist sie Artist-in-Residence an der Jan van Eyck Academie in Maastricht in den Niederlanden, während ihr erster Gedichtband, „Belongings“, ihrem zweifachen Erbe als britischer Sudanesin auf den Grund geht.
Für ihren Aktivismus im Sport ist Asma weithin bekannt: 2017 führte sie eine Kampagne zur Abschaffung des Hidschab-Verbots für Profi- Basketballerinnen auf dem Platz. Mit Erfolg. „Ich bin einfach ein Mädchen aus Yorkshire und habe für etwas gekämpft, was mir wichtig ist, und wir alle haben dabei zusammengehalten“, freut sich Elbadawi, die im Sudan geboren und in Bradford in Nordengland aufgewachsen ist. „Das hat mir die Kraft der Gemeinschaft gezeigt – und dass ich nie glauben darf, dass meine Stimme für irgendwas nicht stark genug ist.“
Die breite Streuung ihrer Interessen und die Entschlossenheit, sie zu verfolgen, ist für Asma ein Grund zum Feiern. „Schon als Kind habe ich Sport, Kunst und Lyrik geliebt und musste mir anhören, dass das keine Zukunft habe. Aber ich konnte mir nie einen anderen Weg vorstellen.“ Wie es in ihrem Gedicht „Banshee“ so schön heißt: „Being anything but me would be a tragedy …“ Alles andere, als ich zu sein, wäre eine Tragödie.
: Wie bringst du Basketball und Lyrik unter einen Hut?
: Das ist gar nicht so leicht. Meine Gedichte zwingen mich, verletzlich und durchlässig zu bleiben, aber im Sport muss ich die härteste Version meiner selbst sein. Kaum zu glauben, aber mir hat die Lyrik geholfen, eine bessere Basketballerin zu werden.
Welche Fähigkeiten nimmst du aus diesen beiden Welten mit?
Im Sport bin ich die Art Mensch, die immer perfekt sein will. Als ich als Poetin zum ersten Mal aufgetreten bin, habe ich auf der Bühne Fehler gemacht, und es hat niemanden gestört. Da habe ich erkannt, dass es okay ist, Fehler zu machen.
Welche Hürden erleben Frauen mit Kopftuch im Sport?
Frauen aus meiner Community kennen die üblichen Wege zu einer sportlichen Karriere überhaupt nicht. Das hat zum Teil damit zu tun, dass wir nicht sichtbar sind. Die Leute gehen davon aus, dass unsere Familien uns gar nicht erlauben, solche Berufe zu ergreifen. Meine Turnlehrer wären zum Beispiel nie auf die Idee gekommen, mich zu ermuntern, mit einem Team an Netball-Bewerben (eine Art Basketball; Anm.) teilzunehmen, obwohl ich voll drauf abgefahren bin. Das zweite große Hindernis ist, dass Frauen nicht genauso viel bezahlt bekommen wie Männer, nicht einmal im Spitzensport. Ich kenne so viele Athletinnen, die Teilzeit als Lehrerinnen oder in der Bank arbeiten, nur damit sie weiter Profisport machen können.
Was sagst du jenen, die finden, Sportlerinnen und Sportler sollten ihre Meinung nicht äußern?
Meine erste rassistische Erfahrung im Sport hat sich angefühlt wie eine Strafe dafür, dass ich etwas gesagt hatte. Jahrelang war ich der Meinung, Sportlerinnen sollten einfach spielen und zu ihrer eigenen Sicherheit neutral bleiben. Dann habe ich erkannt, wie viel es bringt, eine Bühne zu haben. Wenn du eine Athletin bist und deshalb eine Bühne hast, gibt dir das die Verantwortung, für die einzutreten, die keine Stimme haben. Du solltest etwas sagen, wenn du siehst, dass etwas nicht in Ordnung ist.
Inwiefern spielst du mit den Erwartungen anderer?
Wir dürfen nie zulassen, dass andere definieren, wer wir sind und wer wir sein können. Es geht darum, uns gegenseitig zu befeuern, unser Potenzial zu erreichen – ganz ohne Grenzen im Kopf.