2012 November

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2012

12 1 1 10 09 08 07 06 05 04 03 0 2 Das vielleicht letzte 0 1 Magazin der Welt

8,50 Euro

www.2012.at

Das

B se Wie der Mensch aufhรถrt, Mensch zu sein.


VERBRECHER WIE

JESUS Menschen, die als Kriminelle zum Tode verurteilt wurden. Text: Thomas Bischof


0345

„O Kriton, wir sind Asklepios noch einen Hahn schuldig. Bitte, begleiche die Schuld!“

Bild: United Archives/picturedesk.com

Sokrates, 399 vor Christus wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt, trinkt ein Gift aus dem Schierlingsbecher und bittet im Sterben noch den befreundeten Philosophen Kriton um ein Opfer für Asklepios, den Gott der Heilkunst – als wäre für Sokrates der Tod die letzte Medizin.


Inhalt

#02

Von Seite 0348 bis 0185

0346

Verbrecher wie Jesus

0281

Wie(n) es sein wird

0271

Menschen, die als Kriminelle zum Tode verurteilt wurden. Egal ob schuldig oder nicht. Egal ob mit Gerichtsverhandlung oder ohne.

0319

0293

Was geschah in Sodom und Gomorr­a? Bis heute streiten sich ­Experten über die wahren Gründe, warum Gottes Zorn die beiden Städte vernichtete. Und darüber, ob wir am Ende das gleiche Schicksal zu fürchten haben.

Die Macht der Toten

Hitler, Mussolini, Evita, der Che, Lenin und Stalin. Einbalsamiert oder geschändet, an geheimen Orten versteckt, exhumiert und wieder eingegraben. Denn manche Leichen fürchtet man weitaus mehr als die Lebenden.

Die surrealen Bilder des ­polnischen Fotokünstlers Kobas Laksa zeigen Österreichs Hauptstadt in der Zukunft. Ein postapoka­ lyptischer Blick auf Wien.

Die Sünden der Städte

So lesen Sie 2012 2012 beginnt mit dem Ende. Mit Heft Nummer 12, auf Seite 2012 und zählt hinunter. Am Zwölften jedes Monats erscheint ein neues 2012. Bis Dezember 2012. Dann ist Schluss. Sie befinden sich in Nummer 02 – auf Seite 338.

Die Grenze des Bösen

Die kommunistische Diktatur Nordkorea gilt im Westen als „Reich des Bösen“, vor allem aber im Süden des geteilten Landes. Ist Nord­korea wirklich ein gefährliches Monster? Eine 21-jährige Frau weckte Zweifel.

0261

Wie geht das, Töten?

Liegt uns das Töten im Blut, oder müssen wir es lernen? Primatenforscher und Militär­ psychologen auf der Spur ­unseres größten Tabus.


0337

Das Ende 0333 0329 0327 0324 0323

0249

0320 Letzte Prognose: John Casti 0309 0306 Der letzte Mord 0305 Mensch, stirb doch! 0297 Josef Hader Letzter Prophet: W. Eggert 0295

Die bösen Geister der Maya Die Katastrophe der Mittelschicht Die letzte Sünde: Online beichten Die letzte Wahrheit: Zwei Täter, zwei Opfer Die Exorzistin des Vatikans Tori Amos

Die, die in uns leben

0215

Das A–Z der Bösewichte

0211

Im Sumpf

Hauptstadt der Apokalypse

0193

Alles böse

Bakterien und Archaeen beherrschen den Planeten. Uns Menschen sowieso. Zwei Kilogramm scheinbar gruselige Mikroorganismen tragen wir in uns. Doch ohne sie hätte sich höhere­s Leben nie entwickelt. Ein kribbeliges Interview.

0243

Beirut ist die Bühne eines permanenten Weltuntergangs. Selbst auf den Höhepunkten des ewigen Krieges hörten die Arbeiten an neuen Wolkenkratzern nicht auf. Oft blieb unklar, was die größere Katastrophe war: die zerstörten Gebäude oder die neu erbauten.

Wie böse sind Sie?

Beantworten Sie 17 Fragen, dann wissen Sie über sich Bescheid. Wir verraten es Ihnen gleich: Ein besseres Ergebnis erzielen Sie, wenn Sie etwas lügen.

Die Guten mögen besser sein als die Bösen, aber Letztere sind viel interessanter. Sie erleben die komplexeren Schicksale, haben daher die spannenderen Geschichten zu erzählen, und die geileren Waffen haben sie sowieso.

0227

0283 Darf man das gut finden?

Im Südsudan gibt es Wasserreserven, auf die Ägypten es abgesehen hat. Ein Kanalprojekt verspricht seit nunmehr 28 Jahren Lösungen – und sorgt für Krieg. Ein Lokal­augenschein im ­An­gesicht der Apokalypse.

In einer Welt, in der jeder gut, aber alles böse ist, hat das Gute keine Zukunft. Zukunftsforscher Andreas Reiter befürwortet eine Absolutio­n für die Bösen.


0335

Das BĂśse ist immer. Und es ist Ăźberall. Bild: Sascha Vernik


Ende Geschichten von den letzten Dingen

Das Letzte Böse Ich Das Böse ist vom Aussterben bedroht, vielleicht sogar schon aus­ge­ storben: auf dem Seziertisch der Psychoanalytiker liegengeblieben, durch Relativieren, Erklärenkönnen und Verstehen umgebracht.

D

ie ganze Kindheit lang wird uns beigebracht, was wir tun und denken sollen und was nicht, was falsch und was richtig ist, was gut und was böse. Den Rest des Lebens dann lernen wir, dass das alles eh nicht so ist, dass es gut und böse eigentlich gar nicht gibt. Wir lernen, dass das Böse in jedem von uns steckt, zumindest die Fähigkeit zum Bösen. Dass die Umstände aus dem einen Menschen einen Sportler, aus dem anderen aber einen Mafioso ­machen. Ist nun ein Mensch, der seine Natur unterdrückt, ein besserer Mensch? Oder einer, der in Europa geboren wurde und nicht in Syrien? Wie kann etwas, das verboten ist, zuweilen erlaubt sein? Soldaten im Krieg etwa sind legitimierte Mörder, kollektiv jeder Schuld freigesproche­n, weil sie tun, was sie tun müssen – und doch erfahren wir verblüfft: Soldaten töten nicht. Die meisten schießen absichtlich daneben, das Töten muss ihnen erst beigebracht oder durch moderne Technik abgenommen werden (Seite 0261). Dabei wär’s doch die natürlichste Sache der Welt. Auch Tiere töten, manche sogar zum Spaß. Doch wie kann etwas, das aus Spaß geschieht – oder aus Lieb­e –, böse sein? Oder etwas so Schönes wie Kunst (Seiten 0283 und 0251)? Die Antwort könnte

in uns liegen, gleich dort, wo einst das Böse hauste: Mikrobiologen entdecken den Menschen neu und definieren uns nicht mehr als Indivi­duum, sondern als ein Superorganismus (Seite 0249), dessen Leben von kleinsten Wesen erst ermöglicht, womöglich sogar gesteuert wird. Das Ich, so scheint es, gibt es nicht. Ich? Ich bin nicht böse.


0319

RAUCHDELIKT. Diese Fotomontage zitiert Neo Rauchs Bild „Schicht“ aus dem Jahr 1999. Unter der Betonhülle der Stadt liegen ihre Lebensadern, versteckte Gifte und verirrte Bomben.


wie(N) es sein wird Die Bilder des polnischen Fotokünstlers Kobas Laksa zeigen die österreichische Hauptstadt in der Zukunft. Ein postapokalyptischer Blick auf Wien. Text und Bilder: Kobas Laksa

Nackt Auf dem Bürgersteig. „Die Stadt ist wie ein lebendiger Organismus, wie ein hungriges Tier. Wir Menschen sind zwar nur ein kleiner Teil des Systems, aber wir verursachen, dass das Tier wächst und wächst und immer gefährlicher wird.“


0303

Requiem für einen Planeten

DIE LETZTEN

LIEDER Der Nino aus Wien Des ollaletzte Liad

Fritz Ostermayer Kärntner Requiem

bilgeri/hepp project Shotgun

Naked Lunch

Every Sucker Needs a Home

Helmut Jasbar

Requiem für jedermann

bernhard fleischmann

Where in this World

Kyrre Kvam

Der Montag ist so traurig

Wolfgang Muthspiel The King Must Go

florian horwath Runnin’

Roland Neuwirth Des End vom Liad

Ogris Debris Around Here

Musicbanda franui

Ende vom Lied: In die Dunkelheit

Bilder: Lukas Beck, Magdalena Blaszczuk, Mischa Nawrata, Ingo Pertramer, Arnold Pöschl, Pamela Russmann, Yasmina Haddad, Julia Maetzl, Reiner Pfisterer, Erich Reismann, Christian Schramm, Andreas Waldschütz, Shutterstock.com

Zwölf Stars der österreichischen Musik schreiben exklusiv für „2012“ ein letztes Lied – das Requiem für einen Planeten. Jetzt bestellen auf: 2012.at/requiem. Vielleicht das Letzte, was Sie hören werden!


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0293

Die SÜnden der Städte

Was geschah in Sodom und Gomorra? Bis heute streiten Experten über die wahren Gründe, warum Gottes Zorn die beiden Städte vernichtete. Und darüber, ob wir am Ende das gleiche Schicksal zu fürchten haben wie die Sodomiter. Text: Georg Eckelsberger, Bilder: Jake Sheiner


Das moderne Sodom. Die Fotoserie von Jake Sheiner zeigt junge Menschen aus Los Angeles bei dem, was sie am liebsten tun – und ein strenger Gott vielleicht verboten hat.


0281

Die Macht der Toten Bild: akg-images/picturedesk.com

Hitler, Mussolini, Evita, der Che, Lenin und Stalin. Sie wurden einbalsamiert oder gesch채ndet, an geheimen Orten versteckt oder zur Schau gestellt, exhumiert und wieder eingegraben. Denn manche Tote f체rchtet man weitaus mehr als die Lebenden. Text: Estella Weiss-Krejci


Das Leben nach dem Tod. Im Mausoleum von Moskau 端berlebt Lenin Entstalinisierung und Kommunismus. Stalins Aufenthalt dort ist hingegen nur von kurzer Dauer.


0271

Die Grenze des Bösen Die kommunistische Diktatur Nordkorea gilt im Westen als „Reich des Bösen“, vor allem aber im Süden des geteilten Landes. 1989 hat eine 21-jährige Studentin Nord und Süd für ein paar Tage näher zusammengebracht. Durch sie begannen ihre Landsleute zu zweifeln: Ist Nord­ korea wirklich ein gefährliches Monster? Text: Fabian Kretschmer


Bild: Taskovski Films

Die Blume der Wiedervereinigung. Wo sie auftaucht, folgen ihr die Massen: Die junge Lim Su-kyung reist 1989 verbotenerweise nach PjÜngjang, wird dort als Heldin gefeiert und später totgeschwiegen.


0261

Wie geht das,

Töten? Liegt uns das Töten im Blut, oder müssen wir es lernen? Primatenforscher und Militärpsychologen auf der Spur unseres größten Tabus. Text: Raffael Fritz

Bruder Mörder. Wissenschaftler dachten lange, der Mensch sei die einzige Spezies, die ihre Artgenossen ermordet. Dann fanden sie eine weitere: unseren nächsten Verwandten.


Bild: Roberto A. Sanchez/Getty Images


0249

Die, die in uns leben Bakterien und Archaeen beherrschen den Planeten. Uns Menschen sowieso. Ohne scheinbar gruselige Mikroorganismen hätte sich höhere­s Leben nie entwickelt. Ein kribbeliges Interview mit den Molekular­ biologen Tim Urich und Alexander Loy. Interview: Clemens Makanay


W

as ist ein Mensch? Sehr viele! Mikrobiologen schätzen, dass gut 90 Prozent der Zellen in unserem Körper nicht von uns selbst stammen. Es sind Bakterien und Archaeen, die uns besiedeln: die Haut, den Mund, die Ohren, den Darm und andere dunkle Orte unseres Körpers. Sie gehören zu uns, sind Teil von uns, machen uns aus. Und sie sind 100 Billionen. „Unser Organismus funktioniert nur, weil sie da sind“, sagt Tim Urich. „Alle Lebenskreisläufe auf der Erde würden zusammenbrechen, wenn es sie nicht gäbe.“ Alexander Loy fügt an: „Eigentlich müsste man es umgekehrt sehen: Ohne sie hätte sich höheres Leben, also wir, nie entwickelt.“ Die beiden 38-jährigen Mikrobiologen erforschen seit Jahren an der Universität Wien das Zusammen­ leben von Bakterien und Archaeen mit uns Menschen. Das Neuland, das vor ihnen liegt, ist riesig. Denn obwohl die ersten Mikroorganismen bereits vor über 300 Jahren entdeckt wurden, wissen wir noch immer so gut wie gar nichts über die gigantische Welt der kleinsten Lebewesen.

2012: Ohne Bakterien gäbe es uns nicht?

Bild: Power and Syred/Science Photo Library/picturedesk.com

Alexander Loy: Die Bakterien waren die Basis allen Lebens. Sie haben auf der Erde die Bedingungen für höheres Leben geschaffen … Tim Urich: Und die Archaeen! Loy: Und die Archaeen, entschuldige. Wir verwenden ja das Wort Bakterien oft synonym für beide, aber eigentlich müsste man sie immer getrennt erwähnen, Bakterien und Archaeen. Wenn man es ganz richtig machen will, sagt man am besten Mikroorganismen. Jedenfalls: Sie haben beispielsweise dafür gesorgt, dass sich der Sauerstoff in der Atmosphäre verbreitet hat.

Wir reden hier von der Zeit der Entstehung des Lebens? Urich: Nicht ganz. Die ersten Lebewesen entstanden vor ungefähr 3,5 Milliarden Jahren. Sie haben ihre Energie aus der Erde selbst gewonnen, aus chemischen Verbindungen, die durch vulkanische Aktivitäten entstanden sind. Das frühe Leben hat vermutlich in der Umgebung von Black Smokers in der Tiefsee oder von Hydro­ thermalquellen stattgefunden. Erst ein paar hundert Millionen Jahre später haben die sogenannten Cyanobakterien diesen genauso cleveren wie


0243

Der bรถse Mann. Bild: Philipp Comarella/ Salon Alpin


das A–Z der

Böse

wichte

Die Guten mögen besser sein als die Bösen, aber Letztere sind viel interessanter. Sie erleben die komplexeren Schicksale, haben daher die spannenderen Geschichten zu erzählen, und die geileren Waffen haben sie sowieso. Und ihre Macht reicht so weit, dass sie sich immer wieder unserer Ordnung entziehen – so auch diesem A–Z. Manche Buchstaben haben sie einfach boykottiert. Böse! Ganz böse! Textkurator: Christian Ankowitsch, Bildkuratorin: Laura Karasinski

A

B

Al Capone

Bateman, Patrick

Aus: Die Unbestechlichen (Film von Brian de Palma, 1987) Robert De Niro hat auch friedfertige Filmfiguren gespielt, nur erinnert sich keiner an sie. Denn zur Hochform läuft er immer dann auf, wenn er den Gangster geben kann. Der Kleinganove aus dem Italienerviertel ist ihm wie auf den Leib geschrieben, er war „der Pate“ Vito Corleone und der Mafia­boss Al Capone. Wie er den so gut verkörperte? Er schlüpfte in dessen zweite Haut und trug Capones Lieblingsunterwäsche. (no)

Aus: American Psycho (Roman von Bret Easton Ellis, 1991) Patrick Bateman ruft eines Tages seinen Anwalt an, erzählt, dass er zwanzig, vielleicht vierzig Leute hingemetzelt hat, vor allem Mädchen und meist in Verbindung mit Sex. Auch ein wenig Gehirn habe er gekocht und gegessen. Er sei schon ein kranker Typ, sagt er. Na ja, denkt man. Aber dann der Schock: Bateman ist Hardcore-Fan von Genesis – und zwar der späten Phil-Collins-Genesis. In der Tat: kranker Typ! (oju)


0227

Haupt stadt der

Apoka lypse

Beirut ist die Bühne eines permanenten Weltuntergangs. Selbst auf den Höhepunkten des ewigen Krieges hörten die Arbeiten an neuen Wolkenkratzern nicht auf. Oft blieb unklar, was die größere Katastrophe war: die zerstörten Gebäude oder die neu erbauten. Und im Schatten des Untergangs: Partys, Partys, Partys. Text: Florian Horwath, Bilder: Yasmina Haddad


Die Hariri-Moschee steht f端r Wiederaufbau, islamisches Selbst足 bewusstsein und Respekt. Ihre Minarette sind genauso hoch wie der Turm einer nahegelegenen Kirche.


0215

wie

böse ?

Beantworten Sie 17 Fragen, dann wissen Sie über sich Bescheid.

sind Sie

1. Wer von den Herrschaften im Bild ist Ihnen auf den ersten Blick sympathisch?

Osama bin Laden, Befehlshaber der alQaida. Verantwortlich für die Anschläge auf die Twin Towers in New York am 11. September 2001. Wurde 2011 in Pakistan getötet.

Auflösung: Okay, Sie hegen keine Sympathien für Massenmörder, Terroristen, Psychopathen, Kannibalen. Warum eigentlich nicht? Verurteilte Mörder üben einen ganz besonderen Reiz aus, vor allem auf Frauen. Die Autorin Sheila Eisenberg erklärt das in ihrem Buch „Women who Love Men who Kill“ so: Einen verurteilten Mörder zu heiraten ist eine Möglichkeit, eine Beziehung zu haben, ohne einander zu nahe kommen zu müssen – und die Beziehung suggeriert die Kontrolle über einen machtvollen, berühmten, bösen Menschen. Je böser die Taten des Mannes, desto wichtiger fühlt sich die Frau, die ihn „zähmt“.

Nero (37–68), römi­ scher Kaiser. Berühmt für die zahlreichen grausamen Verbrechen an Familienmitgliedern und die unter ihm zelebrierten Christen­ verfolgungen.

Nikolai Dschumagalijew soll in der Sowjetunion und einigen Nachfolge­ staaten mehr als hundert Frauen getötet und verzehrt haben. Er wurde mehrfach inhaftiert und wieder freigelassen. Angeblich wurde er ­hingerichtet, eine offizi­elle Bestätigung dafür steht aus.

2. Glauben Sie an Gott? JA Vielleicht Nein Sie haben es leicht. Wer an Gott glaubt, dem ist auch der Glaube an das Böse nicht fremd. Umgekehrt macht der Glaube an das Böse die Vorstellung von Gott erst möglich.

Hannibal Lecter, ver­körpert von An­thony Hopkins. Star der Ro­manverfilmung „Das Schweigen der Lämmer“. Blitzgescheiter, unbe­ lehrbarer Kannibale. Symbol für das Böse aus Leidenschaft.

Sie halten es mit dem Schriftsteller Julian Barnes, der meinte: „Ich glaube nicht an Gott, aber ich vermisse ihn.“ Wie im rich­ tigen Leben. Wir wissen, dass wir sterben müssen, glauben aber nicht daran. Ohne das Gute ist auch das Böse nicht sichtbar. Woran glauben Sie sonst? An Ihren Fußballklub?

3. Was ist der Autor dieses Satzes von Beruf? „Das Böse ist im Menschen vorhanden wie das Gute.“ Pfarrer Zahnarzt Gerichtspsychiater

Auflösung: Reinhard Haller, Autor des Buches „Das ganz normale Böse“ und Gerichtspsychiater.

Bilder: Getty Images (3), picturedesk.com (1)

Charles Manson, Anführer einer Hippie­ kommune, die fünf Menschen ermordete, darunter Sharon Tate, die damalige Frau von Roman Polanski. Verbüßt eine lebenslängliche Haftstrafe in Kalifornien.


4. Welches ist Ihr Lieblings­ album von Michael Jackson? THRILLER BAD DANGEROUS Auflösung:

Sie haben recht, „Thriller“ ist wohl das beste und auch das meistverkaufte Album von Michael Jackson. Das ändert nichts daran, dass der auch und gerade beim sehr jungen Publikum beliebte Jackson sich gern mit der Aura des Bösen schmückte – nur um dann umso überzeugender herausstreichen zu können, wie gut er selbst es eigentlich meint (siehe 2).

5. Welches dieser geome­trischen Symbole spricht Sie am meisten an?

6. Welche Farbe ziehen Sie am liebsten an? WeiSS Gold Schwarz Sie versuchen sauber und unschuldig zu wirken. Wir sind auf der Hut vor Ihnen. Wo kaufen Sie Ihre Klamotten? Geht uns auch so. Schwarz macht schlank.

7. Mit welchem Tier identifizieren Sie sich am meisten? Pfau Schmetterling Seepferdchen Drache Wolf Nein, hier geht es nicht um Eitelkeit. Der Pfau galt in der Antike als unverweslich, also heilig. Er war Sinnbild für die Gläu­ bigen, die mit der Eucharistie das ewige Leben empfangen. Gar nicht böse. Von wegen flatterhaft: Der Schmetterling ist Symbol für die Verwandlung und die Auferstehung. Auch nicht böse (außer als Tattoo am Hals von Mike Tyson). Symbol für Schönheit, Anmut, Friedfertig­ keit. Alles klar? Endlich. Das Böse. Dem Gläubigen wird schließlich prophezeit: „Du schreitest über Löwen und Nattern, trittst auf Löwen und Drachen.“

8. Konstantin Wecker nennt eines seiner Lieder: „Ich möchte etwas bleibend Böses machen“. Was empfinden Sie, wenn Sie diesen Satz laut lesen? Interesse Peinlichkeit Ich würde so einen Satz nicht laut vorlesen, mich könnte ja jemand hören. Auflösung: Die gesamte Strophe, die der Schlüssel zu dem Lied ist, lautet so: Ich möchte etwas bleibend Böses machen, will in die Schluchten meiner Seele ziehn. Das ganze Leben ist doch nur Erwachen aus bösen Träumen. Und ich will nicht fliehn. Psychologisch darf das als potenzielle Selbstdemaskierung verstanden werden. Die Frage zielt also auf: a) Was ist eigentlich etwas „bleibend Böses“? b) Was ist eigentlich etwas „bleibend Böses“? c) Böse Leseschwächen

Der Satan persönlich verkleidet sich gern als Wolf. Wo sehen wir die meisten Wöl­ fe? Im Zoo. Hat keine böse Zukunft.

Der Drudenfuß ergibt sich, wenn die Diagonalen eines gleichseitigen Fünfecks nachgezogen werden und das daraus entstehende Fünfeck auf dem Kopf steht. Seit dem französischen Okkultisten Éliphas Lévi wird das auf dem Kopf ­stehende Pentagramm mit Okkultismus und Satanismus identifiziert. Lévi schrieb in seinem Werk „Dogme et rituel de la haute magie“, der Drudenfuß sei das „Zeichen der Ziege des Sabbats“. Die Zacken des Pentagramms­stehen jeweils für die Hörner, die Ohren und den Bart der Ziege.

Das Pentagramm, das gern – wie bei unserer Abbildung – auch ineinander verschlungen dargestellt wird, gilt als Zeichen für Jesus Christus und ist – wie wir spätes­ tens aus Goethes „Faust“ lernten – ein Stachel im Fleisch des Teufels. Mephistopheles: Gesteh’ ich’s nur! dass ich hinausspaziere / Verbietet mir ein kleines Hinderniss, / Der Drudenfuß auf eurer Schwelle – Faust: Das Pentagramma macht dir Pein?

Hier ist vom Bösen keine Spur zu sehen. Yin und Yang, zwei Begriffe aus der chine­ sischen Philosophie, gelten als Darstellung der einander ergänzenden Polaritäten. Kein Schwarz ohne Weiß, kein Gut ohne Böse. Wissen wir seit Frage 2.


0211

Im S u m p f Im Südsudan gibt es Wasserreserven, auf die Ägypten es abgesehen hat. Ein Kanalprojekt verspricht seit 28 Jahren Lösungen – und sorgt für Krieg. Ein Lokal­ augenschein im An­ gesicht der Apokalypse. Text: Teresa Reiter, Bilder: Matt Lutton


Diese Kinder folgen keinem Klischee von Afrika. Sie ­hungern nicht – sie fischen.


0193

Alles böse

In einer Welt, in der jeder gut, aber alles böse ist, hat das Gute keine Zukunft. Eine Absolution für die Bösen. Text: Andreas Reiter, Bild: Laura Karasinski

F

ür Kinder ist die Welt noch überschaubar und klar geordnet: Es gibt die Guten und die Bösen, die Freunde und die Feinde. Mit wachsender Erfahrung merken wir aber, das alles nicht so einfach und linear ist. Die Erkenntnis: Der Mensch (also selbst das eigene Ich) ist weder nur gut noch nur böse. Ohne Liebe kein Hass, ohne Feinde keine Freunde. Im richtigen Leben gibt es mehr Farben als bloß Schwarz und Weiß.

Die bösen Konsumenten

Sünde. Was für eine konsumgeile Gesellschaft! Nur an Marken und Statussymbolen orientiert. Geht jeder blöden Werbung auf den Leim. Vergebung. Die Konsumzyklen haben sich noch nie so schnell gedreht wie heute, und noch nie war Konsum so identitätsbildend. Welche Marke man kauft und welche nicht, wie man ein Label trägt (ob als ironisches Zitat oder Ego-Booster), sagt über den Menschen viel aus. Da mögen sie noch so über einen herfallen, die Kapitalismuskritiker und No-Logo-Veteranen, sie übersehen in ihrer Konsumkritik eines: Konsumieren ist längst eine Kulturtechnik. Konsum ist heute nicht nur ein individuelles, sondern auch ein gesellschaftliches Statement. Produkte sind Symbole, mit denen wir unsere Persönlichkeit und Überzeugung signalisieren. Noch nie haben wir so lustvoll, mit gutem Gewissen konsumiert wie heute.

Die bösen Politiker

Sünde. Unfähig, bestechlich, machtgeil! Null inhaltliche Position, dafür zig Nebeng’schäfterln. Richten es sich in ihren Netzwerken für nachher.

Vergebung. Unsere gewählten Volksvertreter stehen im Dauerfeuer der Kritik. Wer als Politiker Zeitung liest, muss entweder Masochist sein oder ein starkes Immunsystem haben. 24 Prozent der Österreicher halten „alle Politiker für käuflich“, für 41 Prozent sind „alle bis auf ein paar Ausnahmen korrupt“, nur ein Prozent hält Politiker für „nicht käuflich“. Bei Imagewerten liegen Politiker ganz unten, im realpolitischen Alltag jedoch sind sie obenauf. Ihre Entscheidungen haben meist enorme Tragweite für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Das erfordert Gestaltungswillen, strategische Intelligenz und soziale Fähigkeiten, auch das Schulterklopfen am heimatlichen Stammtisch zählt dazu. Nur Dummköpfe können Politiker um ihr Leben beneiden. Um den Nonstop-Job mit 24-StundenAgenda, begrenzter Laufzeit im Hamsterrad, ständigem Medien-Monitoring und einem Lohn, über den Marketingchefs selbst kleiner Unternehmen mitleidig lächeln. Jedes Volk bekommt jene politischen Repräsentanten, die es wählt. Wollen wir qualifiziertere haben, müssen wir sie auch besser entlohnen.

Die bösen Banker

Sünde. Zocker. Nur an ihren Boni interessiert. Erst retten wir sie mit unserem Steuergeld, dann verweigern sie uns den Kredit fürs Haus. Vergebung. Bis vor kurzem waren sie noch Schwiegermamas Liebling, gefeierte Retter von Sportvereinen. Seit Ausbruch der Finanzkrise gelten sie als böse Buben, die Millionen von Menschen, ja ganze Staaten in den Abgrund rissen. Banken-Bashing



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0187

Vorschau auf Heft # 01

Und Schluss!

Das Paradies Was kommt nach dem Ende der Welt? Das letzte vielleicht letzte Magazin der Welt erscheint am 12. 12. 2012.


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