2012
12 1 1 10 09 08 07 06 05 04 03 0 2 Das vielleicht letzte 0 1 Magazin der Welt
8,50 Euro
www.2012.at
Die gefährlichste Waffe der Welt Das Gehirn. Und wie es versucht, die Welt zu zerstören.
Inhalt
#06
Von Seite 1020 bis 0857
0999
Der überholte Mensch
0939
Die Natur hat ihre Sache gut gemacht. So gut, dass größere Reparaturen nicht vorgesehen sind – die macht der Mensch nun selber. Unser Dasein als halbe Maschine – oder: Was vom Menschen übrigblieb.
0989
Mensch oder Maschine?
0975
36 der größten Dummheiten, die Menschen je gemacht oder erdacht haben.
Sommer der lebenden Leichen
1816, exzentrische Literaten am Genfer See, komplizierte, skandalöse Verhältnisse und am Ende ein schauderhaftes Resultat: die Geburt von Frankenstein und des modernen Vampirs.
0927
Die Welt in 50 Jahren: Übernehmen Computer die Macht? Wird der Mensch dadurch unsterblich? Oder stirbt er aus? Einer unserer Autoren hat einen Zeitzeugen ausfindig gemacht.
Countdown der Desaster
So lesen Sie 2012 2012 beginnt mit dem Ende. Mit Heft Nummer 12, auf Seite 2012 und zählt hinunter. Am Zwölften jeden Monats erscheint ein neues 2012. Bis Dezember 2012. Dann ist Schluss. Sie befinden sich in Nummer 06 – auf Seite 1018.
Der Retter der Welt
Unsere wahren Beherrscher sind außerirdische Reptilien, der Mond ist ein künstlicher Himmelskörper, von dem aus wir gehirngewaschen werden. Der britische Verschwörungstheoretiker David Icke erklärt uns die Welt.
0919
Mit Fortschritt in den Tod
Zum Kriegführen braucht es Geld und Ideen. Meist siegt, wer mehr davon hat – und damit die bessere Technik und Taktik. Aber nicht immer. Sechs Schlachten aus 2.500 Jahren.
1017
Das Ende 1013 1011 1010 1009
0905
Olympias letzte Taube Die letzte Perfektion Die letzte Uhr
1007 1005 1003
Die Letzten ihrer Art Letzter Gedanke: Rüdiger Gamm Letzte Wünsche: John Malkovich
Der letzte Chip
„Wissenschaftler sind Priester“
0887
Und wozu Liebe?
Meteoritenknall, Zombie-Attacke oder das aussterbende männliche Geschlecht. Maarten Keulemans, Autor von „Exit Mundi“ und Apokalypsen-Experte, sagt: „Wir sind dem Untergang geweiht, doch wir müssen uns nicht fürchten.“
0899
Brauchen Maschinen Gefühle? Oder lassen sie sich damit bloß besser verkaufen? Fragt RobotikPionier Hans Moravec.
Sechs Wege, die Welt zu zerstören
0883
Braucht die Welt Intelligenz?
0867
Tibet gibt es nicht mehr. Aber es gibt noch immer Tibeter, die gegen die chinesische Übermacht kämpfen. Ohne Gewalt, wie es der Dalai Lama verlangt. Aber das könnte sich bald ändern. Drei Einzelkämpfer geben Auskunft.
Wie man die Menschheit mit (ein) wenig Aufwand zum Untergang bringt. Ganz einfach: den Südpol schwarz anmalen zum Beispiel.
0893
Die Gehirne aller Menschen und ihre gebündelte Denkleistung sind, in kosmischen Dimensionen betrachtet, geradezu lächerlich. Doch die Datenverarbeitungsdichte auf der Erde könnte sich bald ums Billionenfache erhöhen, sagt der US-Futurist Ray Kurzweil.
Freiheit in Flammen
„Wir werden perfekter“
Noch in diesem Jahrhundert wird künstliche Intelligenz nicht nur denken, sondern auch fühlen können. Mensch und Maschine wachsen immer mehr zusammen, sagt der Zukunftsforscher Andreas Reiter.
1015
Der perfekte Mensch in perfekter Harmonie mit seiner eigenen Natur und Technik. Bild: Igino
Ende Geschichten von den letzten Dingen
die letztE Intelligenz Maschinen werden klüger sein als Menschen, werden sogar Gefühle haben und die Herrschaft über den Planeten an sich reißen. Das ist klar, sagen Futuristen. Die Frage ist nur: Werden sie uns lieben oder töten?
Cover-Bild: Comarella
A
uf dem belebtesten Boulevard Wiens hat die Zukunft bereits begonnen. Ganz am Anfang der Mariahilfer Straße steht ein Roboter, hält im Arm ein Roboterbaby – und bettelt. Roboter werken seit Jahrzehnten in Fabriken, warum sollten sie nicht mal selbst Geld verdienen, Steuern zahlen oder auch arbeitslos werden und dann um Almosen bitten dürfen? Schon bald könnten nicht Menschen, sondern Maschinen dem automatischen Schnorrer Münzen zuwerfen (wahrscheinlich wird es sich eher um bargeldlose Transaktionen handeln) – und das aus tiefstempfundenem Mitleid. US-Futuristen wie Raymond Kurzweil (S. 0893) halten es für gar nicht absurd zu glauben, dass noch im 21. Jahrhundert Maschinen klüger sein werden als Menschen – und Bewusstsein und Gefühle entwickeln. (Kurzweil hält es ganz im Gegenteil für verrückt zu denken, die Menschen mit ihrem Spatzenhirn könnten auf Dauer eine künstliche Intelligenz mit billionenfacher Rechenkapazität beherrschen.) Uneins sind sich Robotiker nur darüber, ob die Maschinen den Menschen lieben (S. 0887) und wie ein Haustier halten werden oder ihn als gefährlichen Krankheitserreger aus dem Organismus
des Planeten eliminieren. Denn um zu erkennen, was für Unsinn der Mensch so treibt (S. 0975), werden die Maschinen bloß einen Bruchteil ihrer Mikroprozessoren zu bemühen brauchen. Die Hoffnung, die den Menschen bleibt, ist, dass eine höhere Intelligenz sich ihr Dasein ausgedacht hat und das Leben in Wahrheit ein großes Simulationsexperiment ist (S. 0989) – oder dass sie mit der Zeit selbst zu einer Maschine werden (S. 0999).
0999
dEr
überholte Mensch Die Natur hat ihre Sache gut gemacht. So gut, dass größere Reparaturen nicht vorgesehen sind – die macht der Mensch nun selbst. Unser Dasein als halbe Maschine – oder: Was vom Menschen übrigblieb.
Bild: Oxford Eye Hospital
Augen machen. Das Retina-Implantat verwandelt Licht in Bildinformationen und leitet diese ans Sehzentrum. An Retinitis pigmentosa erkrankte Menschen kĂśnnen so bereits kurz nach der Operation Schwarz von WeiĂ&#x; unterscheiden und grobe Objekte erkennen. Mit der Zeit verfeinert sich das Sehen, da das Gehirn lernt, die gelieferten Bilddaten immer besser zu verarbeiten.
0989
Das Leben in der Zukunft. Nat端r足liche und k端nstliche Formen des Daseins vereinen sich. Bild: Daniela Leitner
Mensch
oder Maschine ? (und: haben wir sie oder sie uns erschaffen)
Die Welt in 50 Jahren: Ăœbernehmen Computer die Macht? Wird der Mensch dadurch unsterblich? Oder stirbt er aus? Einer unserer Autoren hat einen Zeitzeugen ausfindig gemacht. Text: Raffael Fritz (so es ihn wirklich gibt)
0975
Zu allem f채hig. Das menschliche Gehirn und seine Ausgeburten. Bild: Swanski
36
der grĂśSSten
Dummheiten, die Menschen je gemacht oder erdacht haben. Countdown der Desaster.
Zusammengetragen von Elisabeth Gronau, Julia Harlfinger, Oliver Jungen, Clemens Makanaky, Susan MĂźcke, Karin Pollack und Stefanie Reinberger Infografiken: Birgit Lohmann
0939 „Frankensteins Braut“ (1935). Mithilfe von Elektrizität erweckt Mary Shelley ein aus Leichenteilen kreiertes Monster zum Leben. Im Hollywood-Klassiker wird sie von Elsa Lanchester (li.) gespielt und von der Kreatur getötet.
1816, ein Sommer, der keiner ist. Ein paar exzentrische Literaten aus England am Genfer See, unter ihnen Lord Byron. Komplizierte, skandalÜse Verhältnisse und am Ende ein schauderhaftes Resultat: die Geburt von Frankenstein und des modernen Vampirs. Text: Stefan Spath
Bild: Mary Evans/picturedesk.com
Sommer der lebenden Leichen
0927
Der Retter der Welt
Unsere wahren Beherrscher sind außerirdische Reptilien, die eine globale faschistisch-kommunistische Diktatur errichten wollen. Der Mond ist ein künstlicher Himmelskörper, von dem aus wir alle gehirngewaschen werden. Und außerdem leben wir sowieso alle in der Matrix – noch. Der britische Autor und Verschwörungstheoretiker David Icke erklärt uns die Welt. Text: Peter Hiess; Fotos: James Pearson-Howes
0919
Mit
Fortschritt in den Tod Zum Kriegfßhren braucht es Geld und Ideen. Meist siegt, wer mehr davon hat – und damit die bessere Technik und Taktik. Aber nicht immer. Sechs Schlachten aus 2.500 Jahren. Text: Clemens Makanaky
Bild: Hulton-Deutsch Collection/Corbis
The Blitz. Mit der Bombardierung 足Londons durch die Nazis beginnt die 足Vernichtung der deutschen Luftwaffe.
0903
Wissenschaftler sind unsere modernen Priester
Lesern, die man einfach nachrecherchieren muss, wie zum Beispiel: Können wir alle zu Zombies werden?
Und, können wir? Ich fand zwei Theorien: In der Natur gibt es Insekten, die eine Art Zombie-Taktik haben. Da gibt es winzige Wespen, zum Beispiel. Wenn sie sich vermehren wollen, dann setzen sie sich auf ihr Opfer, sagen wir eine Ameise. Dieser verpassen sie eine Dosis Chemie und legen Eier in ihren Körper. Die Ameise wird verrückt und folgt der Wespe in ihren Bau. Dort bleibt sie, bis in ihrem Körper die Larve der Wespe herangewachsen ist. Die Ameise stirbt freilich, nachdem sie als eine Art Brutkammer für die Wespe gedient hat. So etwas passiert in der Natur häufig. Es wäre lustig, wenn das auch mit Menschen geschehen könnte. Aber bis dato habe ich noch keinen Beleg dafür gefunden, dass dies auch uns passieren kann.
Und die zweite Möglichkeit? Den Menschen umgibt auch unmittelbar eine Art Zombie-Bakterie. Ich, zum Beispiel, bin ein Zombie, denn ich habe Katzen. In Katzenscheiße gibt es nämlich einen Parasiten, den Erreger der Toxo plasmose. Er macht dich nicht krank, du spürst nicht einmal, dass du von ihm umgeben bist. Aller dings haben Wissenschaftler herausgefunden, dass dieses Bakterium eine Funktion erfüllt: Es bewirkt, dass die Reaktionsfähigkeit von Säugetieren abnimmt. Es ist ein sehr subtiler Effekt. Aber Menschen, die Katzen halten und Toxoplasmose ausgesetzt sind, haben häufiger Autounfälle und fallen öfter die Stiegen herunter als Menschen ohne Katzen. Ein sehr alter, natürlicher Mechanismus.
Mit welchem Sinn? Dieser Parasit möchte, dass du ein bisschen langsamer wirst. Würdest du von einem Tiger gejagt werden, besteht die Möglichkeit, dass du ein bisschen zu langsam wegspringst. So wirst du leichter zur Beute. Der Tiger frisst dich, er hinterlässt seinen Kot, und der Toxoplasmose-Parasit hat erreicht, was er wollte: seine Fortpflanzung. Ein sehr intelligenter Mechanismus, der uns allerdings nicht auslöschen wird.
Warum fasziniert uns das Ende der Welt? Faszinieren ist ein großes Wort. Was die Leute an meiner Herangehensweise mögen, ist, dass ich die Sache mit einer Portion Humor betrachte. All diese Bücher, die vom Ende der Welt handeln, haben einen Gefahr verheißenden, dramatischen Ton: „Wir werden alle sterben, alles ist so schrecklich!“ Ich tendiere dazu, diese Dinge zu relativieren. Es gibt so viele Möglichkeiten zu sterben. Da möchte ich mich einfach ein wenig über derart düstere Szenarien lustig machen.
Und wenn man die Sache ein wenig ernster betrachtet? In der westlichen Kultur haben wir eine lineare Vorstellung von Zeit. Alles hat einen Beginn und ein Ende, du wirst geboren und du stirbst. Ganz anders ist das in buddhistischen Kulturen, wo man in Zyklen denkt und an Wiedergeburt glaubt. Jede Kultur hat Mythen über den Beginn, und in vielen gibt es auch Theorien über das Ende. Ob es nun der Fluss aus Lava ist, den nur die „Guten“ unter uns lebend durchqueren können, wie die Perser vor 6.000 Jahren glaubten, oder ob das Ende durch die große Flut kommt, wie es im Alten Testament steht: Das Faszinierende ist, dass diese Szenarien auch heute noch in den Köpfen der Leute verankert sind. Wir denken noch immer darüber nach, wie es enden könnte. Wissenschaftler sind unsere modernen Priester. Heute geht es zwar viel öfter um Meteoriten als um den Zorn Gottes. Letztendlich ist es aber die gleiche Geschichte: Das Klima ändert sich, der Meeresspiegel steigt, und deshalb werden wir eines Tages alle untergehen. Da gibt es Parallelen zu dem, was in der Bibel steht: dass der Mensch böse ist und Gott deshalb den ewigen Regen auf uns niederprasseln lässt.
Sie haben mit vielen Wissenschaftlern gesprochen und kennen so einige Theorien. Welche hat Sie am meisten erstaunt? Für mich war das Ende des Mannes, also die Theo rie, dass die Männer vor den Frauen aussterben, neu. Es handelt sich tatsächlich um eine ernsthafte Theorie, denn dies ist schon vielen Spezies widerfahren. Mann und Frau unterscheiden sich voneinander durch die Geschlechtschro-
mosomen X und Y. Also, ich habe das XY-Chromosom, sonst wäre ich eine Frau. Das Problem ist, dass das Y-Chromosom ausstirbt. Das Y-Signal im Mutterleib wird sozusagen schwächer, mehr weibliche Menschen werden geboren. Das kann man bei einer Schmetterlingsart in Afrika namens Acraea encedon beobachten. Etwa 96 Prozent der gesamten Population sind weiblich, nur vier Prozent männlich. Also ein wirklich ernstzunehmender Gedanke, aber auch ein lustiger.
Warum lustig? Na ja, eine geheime Männerfantasie ist doch, allein auf der Erde zu sein, umringt von all den Frauen. Aber wenn ich darüber nachdenke, ist die Sache vielleicht doch nicht so amüsant: Sie würden mich zum Beispiel einsperren und dafür sorgen, dass ich keinen Sex mehr habe. Aus Angst, ich könnte an einer Herzattacke sterben. Ich wäre dann nicht der Herr über einen Harem, sondern wohl eher ein Zuchtbulle.
Gibt es schöne, romantische Arten unter zugehen? Einer meiner Favoriten ist, wenn absolut nichts passieren würde. Wenn allerdings nichts passieren würde, dann würden langfristig betrachtet irgendwann die Sterne ausbrennen und verschwinden. Und wir würden in der Dunkelheit sitzen, eine Vorstellung, die ich auch amüsant finde. Noch weiter gedacht, würde nach Billionen von Jahren sogar Materie auseinanderfallen. Nichts wäre mehr da. Nur Vakuum. Das besagen zumindest physikalische Gesetze. Und dann passiert etwas wirklich Merkwürdiges: In der Quantenphysik geht man davon aus, dass im vollkommenen Vakuum Materie von Zeit zu Zeit wieder auftaucht. Das können winzig kleine Teilchen sein, Elektronen oder Protonen. Aber wenn man lange genug wartet, dann kann auch größere Materie wieder auftauchen, ein Stift zum Beispiel. Vielleicht werden wir so, wie wir hier sitzen, wieder auftauchen. Der gesamte Planet und unser Sonnensystem. Einfach so. Plop! Aus dem Vakuum. Wenn wir die Unendlichkeit als Maßstab hätten, dann könnte man sagen: Nichts soll geschehen. Denn wir kommen wieder.
Wir hätten die gleiche Kleidung an, und
unser Tag würde sich genauso wiederholen? In der Unendlichkeit können wirklich beeindruckende Dinge geschehen – und es kann sich sogar die Geschichte wiederholen. Vielleicht mit kleinen Unterschieden: Du hättest vielleicht einen roten Pullover an und keinen grünen. Aber solche Szenarien sind tatsächlich Voraussagen der Quantenphysik, die sich mit extrem kleinen Partikeln beschäftigt und zum Beispiel auch davon ausgeht, dass ein Teilchen an zwei Orten zur selben Zeit existieren kann. Ein sehr merkwürdiger Bereich der Physik.
Wenn Unendlichkeit das schönste wäre, wie sieht denn das schrecklichste Szenario aus? Ich denke, jedes Ende, das sich vorhersehen lässt, ist schrecklich. Wenn wir heute erfahren, dass die Welt morgen von einem Meteoriten zerstört wird … nun, das wäre schon schrecklich für mich. Ich finde das Szenario der vom Menschen erzeugten schwarzen Löcher besonders unheimlich. Vor ein paar Monaten gab es Gerüchte, dass man im Schweizer Kernforschungszentrum CERN stabile, winzig kleine schwarze Löcher herstellen könne. Fast alle Physiker behaupteten, dass dies unmöglich sei. Denn die Gesetze der Thermodynamik besagen, dass winzige schwarze Löcher sofort verpuffen würden. Aber können wir uns da so sicher sein? In dieser Forschungsstätte wird schließlich experimentiert und Neues entdeckt.
Warum ist ein winziges schwarzes Loch so angsteinflößend? Angenommen also, im CERN könnte man tatsäch lich schwarze Löcher herstellen. Was würde passieren? Die meisten glauben, dass unser Planet in einem Schwups weg wäre. Aber das wird nicht der Fall sein. Diese schwarzen Löcher sind so klein, sie würden einfach durch jede Materie hindurchsickern. Bis ins Erdinnere. Nichts könnte sie stoppen. Im Erdkern würden sie dann sitzen, wie eine tickende Zeitbombe. Vielleicht für hundert, vielleicht für tausend Jahre. Irgendwann würden sie beginnen, Materie aufzunehmen, ein Atom nach dem anderen. Sie würden größer und größer werden und mehr Masse und damit Anziehungskraft gewinnen. Ab diesem Punkt ist es nur noch eine Frage von Stunden, bis unser gesamter Planet eingesaugt wird.
0901
Wissenschaftler sind unsere modernen Priester
Was tun also, wenn entgegen allen Erwartungen und durch einen bis dato unbekannten Mechanismus im CERN schwarze Löcher entstanden sind? Und wenn wir nun entdecken, dass eines bereits im Erdkern sitzt? Früher oder später würde es den Planeten aufsaugen. Wir könnten nichts dagegen tun. Für mich eine ziemlich schreckliche Vorstellung. Ich würde mir so schnell wie möglich ein Raumschiff bauen und abhauen.
Sie beschreiben da eine ziemlich dunkle Zu kunft für unseren Planeten. Sind Sie generell ein Pessimist? Denken Sie oft an den Tod? Nein, überhaupt nicht. Diese Dinge sind doch letztendlich so anders als der persönliche Tod, den man sich ausmalen mag. Ein klassischer apokalyptischer Gedanke ist doch, dass alle sterben werden. Aber es gibt immer ein paar Überlebende – und man selbst ist Teil davon.
Verdienen wir es, ausgelöscht zu werden? Nein, warum sollte ich das denken?
Weil Sie an einem Punkt in Ihrem Buch schreiben: „Wir leben auf einem Scheiß planeten.“ Damit meine ich, dass wir Menschen erst seit einer ziemlich kurzen Zeit die Erde bewohnen – verglichen mit der langen Geschichte des Planeten. Dem Menschen ist bis dato nichts Gröberes passiert. Also nichts im Vergleich zu dem, was den Dinosauriern widerfahren ist, als ein riesiger Meteorit auf die Erde fiel. So etwas haben wir noch nicht erlebt. Und genauer betrachtet ist unser Planet kein sehr einladender Ort: Wir füllen unsere Autos mit einer schwarzen Substanz, die aus toten Organismen besteht. Wir sehen den Mond mit all seinen Kratern, die Zeugen von Meteoriteneinschlägen sind. Wir haben Eisflächen an den Polen, die in einer Eiszeit größer werden können. Wenn diese schmelzen, kann der Meeresspiegel steigen und können wir alle versinken. Wenn man unseren Planeten so betrachtet, muss man sagen: Das ist ein ziemlich rauer Ort, auf dem ein Haufen schrecklicher Dinge geschehen kann.
Bisher haben Sie hauptsächlich von natür lichen Katastrophen gesprochen, allerdings
gibt es auch vom Menschen erzeugte Gefah ren. Wer ist nun unser gefährlichster Feind: die Natur oder der Mensch selbst? Die Apokalypse wird definitiv von Naturkatastrophen ausgehen. Derzeit gibt es ungefähr sieben Milliarden Menschen auf der Erde. Würden in einem Atomkrieg zum Beispiel 99,99 Prozent der Menschheit ausgelöscht, so überlebten dennoch 700.000. Das ist die Bevölkerung von Innsbruck, Graz, Linz und Salzburg zusammengenommen! Wir würden also nicht ausgerottet werden durch diese Dinge. Naturkatastrophen sind hingegen in der Lage, den Planeten auf einmal auszulöschen. Wenn zum Beispiel ein schwarzes Loch vorbeikommt und die Erde aufsaugt. Oder wenn die Sonne sich in drei Milliarden Jahren ausdehnt und die Erde verbrennt. Oder wenn eine GammaExplosion, ein riesiger Knall im All, unsere Atmosphäre in eine Art Atombombe verwandelt. Das sind alles Dinge, die niemals vom Menschen gemacht werden könnten.
Sie schreiben auch über Dinge, die uns bereits betreffen: Klimawandel zum Bei spiel. Ist Ihr Buch auch als Aufruf für mehr Aufmerksamkeit diesen Dingen gegenüber zu verstehen? Nein. Das Lustige ist nämlich, dass ich im Zuge der Recherchen für mein Buch begonnen habe, dem Phänomen Klimawandel etwas skeptischer gegenüberzustehen. Natürlich gibt es den Klimawandel, und er löst in einigen Regionen bereits Katastrophen aus. Und wenn wir in der Lage sind, den Klimawandel aufzuhalten, dann sollten wir das tun. Aber er wird letztendlich nicht apokalyptisch ausfallen. Ich glaube, dass wir in dieser Sache überreagieren. Da heißt es: „Ahhh, das Klima ändert sich, die Pole schmelzen. Das sind schreckliche Nachrichten für die Menschheit.“ Da denke ich mir nur: Ist das tatsächlich so schrecklich? Wenn du ein Weingut im Süden Frankreichs hast, dann musst du einfach ein wenig weiter in den Norden ziehen. Was mich in Sachen Klima eher beunruhigt, ist eine Eiszeit, die uns in etwa tausend Jahren erwartet. Der Planet bewegt sich nämlich weiter weg von der Sonne. Da lebe ich doch lieber jetzt, in einer wärmer werdenden als in einer kalten Periode. Da kann man zumindest Wein anbauen.
Und es gibt tatsächlich keine ernsthafte Gefahr, die vom Menschen ausgeht? Eine Sache beunruhigt mich doch: Technologie. Wir sind kurz davor, Maschinen zu erschaffen, die intelligenter sind als wir und die sogar eine Art Bewusstsein entwickeln. Eine historisch einmalige Situation. Zum ersten Mal wäre der Mensch nicht die einzige Spezies auf dem Planeten, die denkt, handelt und ein eigenes Bewusstsein hat. Was wäre also, wenn Computer auf die Idee kämen, dass der Mensch von der Erde getilgt werden soll? Weil er den Klimawandel vorantreibt, zum Beispiel. Wir haben schließlich auch eine ähnliche Einstellung der Natur gegenüber: Wenn wir ein Virus haben, dann nehmen wir eine Tablette dagegen ein. Vielleicht übernehmen Maschinen eines Tages die Weltherrschaft – und löschen uns aus.
Gibt es jemanden, der uns vor all dem retten kann? Ich glaube nicht, dass es Leute wie Bruce Willis geben wird, die wie im Film „Armageddon“ auf den Meteoriten springen und die Erde retten. Ich glaube, Bruce hätte keine Freude, wenn er einen Anruf mit einer derartigen Bitte bekäme. Allerdings glaube ich an junge, kluge Leute mit guten Ideen und Erfindungen, die uns eine Menge Ärger ersparen.
Auf Wikipedia werden Sie „Mr. Apokalypse“ genannt. An einem Punkt Ihrer Karriere als Buchautor machten Sie sogar mit einer Punklegende Bekanntschaft. Vor gut einem Jahr bekam ich von meinem Verlag eine Mail: Von einem Herrn namens Bela B werde ein Audiobuch produziert. Ich hatte damals noch keine Ahnung, wer Bela B ist, wohl irgendwer – dachte ich. Nach einer Weile bekam ich noch eine Mail von Bela Bs Agentur. Sie seien auf Tour, hieß es. Ich solle doch vorbeikommen und einen Auftritt besuchen. Ich war neugierig, wer diese verrückten Leute sind, die ein Hörbuch aus einer Apokalypse-Sammlung produzieren. Also fuhr ich nach Deutschland.
Wie war die Begegnung mit Bela B?
Wirklich lustig. Ich unterrichte in Holland über das Ende der Welt und den Maya-Kalender. Normalerweise sitzt da eine recht ruhige Gruppe vor mir, die nach der Lesung den Saal auch schnell verlässt. Aber mit Bela B war das komplett anders. Verrückt. Nach dem Auftritt bat mich Bela B auf die Bühne, wir verneigten uns gemeinsam, und die Menge flippte aus! Einige Mädels kamen nach vorne und wollten unser Autogramm und grapschten nach uns. Ich fühlte mich neben Bela B wie ein Rockstar.
Wenn man vom Weltuntergang spricht, geht es häufig auch um Dinge, die man vor dem Ende machen möchte oder sollte. Haben Sie so eines? Nein, Sie? Ich bin nicht religiös oder etwas in der Art. Also gehe ich nicht davon aus, dass wir etwas Höheres erreichen müssen, bevor es vorbei ist. Außerdem finde ich es merkwürdig, zu sagen: Die Welt geht unter, lasst uns einen Film anschauen.
Was werden Sie am 21. 12. 2012 machen? Die Sache mit dem Maya-Kalender ist interessant, weil die Maya selbst nie behauptet haben, dass die Welt an diesem Tag untergeht. So wie wir davon ausgehen, dass am 31. Dezember die Welt weitergeht, so geht es den Maya mit diesem Datum. Ein Zyklus endet, ein anderer beginnt. Den Hype verdanken wir José Arguëlles, der in den Achtzigerjahren ein Buch geschrieben hat, „The Mayan Factor“. Er ging davon aus, dass die Welt 2012 untergeht. Das hat wohl einen Nerv in unserer Kultur getroffen. Dem Buch folgte ein Film, und nun glauben alle, dass etwas Besonderes passieren wird. Das Gegenteil ist der Fall. Ich jedenfalls bin auf einer „End of the World“-Party.
Maarten Keulemans, geboren 1968, arbeitet als Wissen schaftskolumnist der niederländischen Tageszeitung „de Volkskrant“ und als Chefredakteur des „NWT Magazine“. Auf seiner Website www.exitmundi.nl sammelt er seit 2001 apokalyptische Szenarien, die teilweise zum Totlachen sind.
Bevor die Welt untergeht, sollten Sie alle 12 Ausgaben von 2012 Ihr Eigen nennen:
2012.at/ Sammlung 2012.at/abo
Oder zumindest alle noch erscheinenden Ausgaben bestellen:
In beiden Fällen gilt: jetzt bestellen und erst am 22. 12. 2012 bezahlen – vielleicht.
Zu sp채t!
Abobestellungen unter:
2012.at/ABO
alle Ausgaben unter:
2012.at/Sammlung
0905
„Wissenschaftler sind unsere modernen Priester“ Meteoritenknall, Zombie-Attacke oder das aussterbende männliche Geschlecht. Maarten Keulemans geht in seinem Buch „Exit Mundi“ den unterschiedlichsten Weltuntergangsszenarien nach und sagt: Wir sind dem Untergang geweiht, doch wir müssen uns nicht fürchten.
2012: Auf Ihrer Website haben Sie seit deren Launch im Jahr 2001 über siebzig Weltuntergangsszenarien gesammelt. 2008 veröffentlichten Sie Ihr Buch „Exit Mundi“, in dem Sie fünfzig Theorien vorstellen. Wie kam es zu Ihrer persönlichen apokalyp tischen Obsession? Maarten Keulemans:
In Holland arbeite ich als Wissenschaftsjournalist, und dabei stolpere ich immer wieder über diese Horrorszenarien, die aus unterschiedlichen Bereichen kommen: Wenn ich mit Astronomen spreche, geht es um schwarze Löcher, die die Welt aufsaugen werden; bei den
Biologen dreht sich alles um Evolution und dass die menschliche Spezies irgendwann aussterben wird; und die Geologen wiederum behaupten, dass es Vulkane gibt, die uns auslöschen könnten. Ich dachte, es wäre lustig, all diese Theorien auf einer Internetseite zu sammeln. Zugegeben, die Sache uferte dann ein wenig aus. Als der Film „The Day After Tomorrow“ herauskam, sprach plötzlich jeder über die Möglichkeit einer plötzlichen Eiszeit. Nach meinen Recherchen kann ich allerdings sagen: Nein, so ein Szenario wie im Film wird uns nicht passieren. Eiszeiten gibt es, aber die kommen nicht von einem Tag auf den anderen. Und dann gibt es irre Fragen von
Bild: Gülgün Dedeçam
Interview: Martina Powell
„Vielleicht werden wir so, wie wir hier sind, wieder auftauchen. Der gesamte Planet und unser Sonnensystem. Einfach so. Plop! Aus dem Vakuum.“ Maarten Keulemans
0899 0000
6 Wege, die Welt zu zerstören
6 WEGE, DIE WELT ZU ZERSTÖREN Wie man die Menschheit mit (ein) wenig Aufwand zum Untergang bringt. Illustrationen: Mandy Fischer, Ideen: Maarten Keulemans (Exit Mundi)
#1 FÄRB DEN SÜDPOL
MACHBARKEIT: eher niedrig FIESHEIT:
Schmelzen die Pole, ist Klimawandel garantiert.
1.
2.
Mit Farbe oder Folie die Antarktis schwärzen.
3.
Der Pol schmilzt und der Meeresspiegel steigt.
Sie reflektiert weniger Sonne und absorbiert mehr Wärmeenergie.
MACHBARKEIT: mittel
#2 ERFINDE EIN VIRUS
FIESHEIT:
Anstecken genügt...
1.
Fachliteratur besorgen
2. Labor aufbauen
3. Neues Virus kreieren
4.
Ansteckungsprozess starten
Überträgertier finden
Erst sich selbst anstecken, dann andere
HALLO, FREUT MICH!
0893
Wie relevant ist
Intell Die Gehirne aller Menschen und ihre gebündelte Denkleistung sind, in kosmischen Dimensionen betrachtet, geradezu lächerlich. Doch die Datenverarbeitungsdichte auf der Erde könnte sich im Laufe des 21. Jahrhunderts um das Billionenfache erhöhen.
Bild: Die Artillerie
Text: Ray Kurzweil
igenz
f端r das Universum?
Die Evolution der Intelli足 genz. Vom Einzeller zum einzigartigen Chip.
0887
Liebe
Liebe Brauchen Roboter GefĂźhle? Oder lassen sie sich damit bloĂ&#x; besser verkaufen?
Bild: Atzgerei
Text: Hans Moravec
Wesen, die nicht egois足 tisch genug sind, um f端r ihre Fortpflanzung zu sorgen, 端berleben nicht. Bei scheinbar selbst足losen Robotern wird es sich genauso verhalten.
0883
FREIHEIT IN FLAMMEN
Tibet gibt es nicht mehr: Seit mehr als 50 Jahren gehört das Land zu China. Aber es gibt noch immer Tibeter, die gegen die chinesische Übermacht kämpfen. Ohne Gewalt, wie es der Dalai Lama verlangt. Aber das könnte sich bald ändern. Drei Einzelkämpfer geben Auskunft. Text und Bilder: Mara Simperler
0867
„Der mensch wird Per fek ter“ Noch in diesem Jahrhundert wird künstliche Intelligenz nicht nur denken, sondern auch fühlen können. Mensch und Maschine wachsen immer mehr zusammen, sagt Zukunftsforscher Andreas Reiter. Interview: Boro Petric, Foto: Laura Karasinski, Location: Subotron, Museumsquartier, Wien
2012: Herr Reiter, sind wir zu dumm für diese Welt? Wir Menschen behaupten zwar, das intelligenteste Wesen des Planeten zu sein, zerstören aber unsere Welt – und bringen sie an den Rand des Untergangs. Andreas Reiter: Dumm und intelligent schließen einander ja nicht aus – wenn man damit schon die menschliche Spezies beschreiben will. Der Mensch kann auch beides zugleich sein. Was uns weit mehr auszeichnet als Dummheit, ist unsere Fähigkeit zur Problemlösung: Menschen sind von Natur aus kreativ. Klar gibt es Kehrseiten. Aber alle bahnbrechenden Erfindungen beruhen auf dem menschlichen Drang, das Leben zu verbessern, Neues auszuprobieren. Fortschritt ist immer eine Grenzüberschreitung, dadurch wird erst Undenkbares möglich. Natürlich geht es auch darum, zu expandieren,
die eigene Macht zu vergrößern. Die Kehrseite der Kreativität ist, dass der Mensch immer wieder seine Erfindungen gegen andere – und letztlich auch gegen sich selbst – richtet. Zerstörung ist ein Kollateralschaden der menschlichen Kreativität. Das ist dumm, beklagenswert, schrecklich – aber natürlich. Systemisch gesehen ist jede Zerstörung indirekt eingebaut in den Bauplan der Evolution und führt damit zur nächsten Stufe der Entwicklung. Eine neue, rettende Idee lässt meist nicht lange auf sich warten.
Sie sehen das ja ziemlich optimistisch, sind unsere Ideen in Wahrheit doch nichts anderes als Pyrrhussiege. Kaum ist ein Problem gelöst, erzeugt die Lösung ein noch größeres. Das mag da und dort zutreffen. Technologien schaffen manchmal Probleme für Lösungen, die
0859
Vorschau auf Heft # 05 Die letzten Lieder
Requiem für einen Planeten Die Playlist: 5. Mozart 4. Nick Cave 3. Black Sabbath 2. Apocalyptica 1. Die Glocke Das nächste vielleicht letzte Magazin der Welt erscheint am 12. 8. 2012.