Terra Mater 6/18

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AUSGABE 06 / 2018 NOVEMBER / DEZEMBER AT/DE/IT   EUR 7,00 CH   SFR 9,00 BE/LUX   EUR 8,00

DIE WEISHEIT DER WALE

Sie kuscheln mit ihren Jungen, jagen im Team und kommunizieren digital. Was können wir Menschen von den Riesen der Meere lernen? HUT MACHT MUT In Bolivien spielt eine Melone die Hauptrolle in der Emanzipation HALLSTATT Funde beweisen: Im Salzkammergut lag das Silicon Valley der Bronzezeit KOMMISSAR FLIEGE Wie die Polizei mit Insekten erfolgreich auf Verbrecherjagd geht


INHALT

TERRA MATER November / Dezember 2018

132 NATUR 40 AUS EINS MACH MILLIONEN Groß, klein, klobig, zart, nützlich, giftig, bunt, dezent: Wer sich auf Insekten einlässt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Dabei stand am Anfang aller Arten ein Ur-Insekt. 52 EIN WUNDER NAMENS BATAGUR-SCHILDKRÖTE In Asien vom Aussterben bedroht, in Wien gerettet. 74 REGEN IM OMAN Einmal im Jahr verwandelt der Monsun eine der trockensten Gegenden der Welt in einen Garten Eden. 132 DIE WEISHEIT DER WALE Die größten Tiere auf unserem Planeten besitzen ganz erstaunliche Fähigkeiten – nicht nur körperlich, sondern auch in Sachen Intelligenz und Sozialverhalten.

STANDARDS 3 Editorial 6 Logbuch 160 Mailbox & Impressum

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MENSCH 22 AUF VIER BEINEN DURCH SPANIEN Die Transhumanz ist eine alte Tradition iberischer Schafbauern: Von den Sommer- geht es auf die Winter­ weiden und retour, quer durch das Land, auf aus­ getretenen Pfaden. Wir haben eine Herde begleitet. 54 EMANZIPATION EINMAL ANDERS Vor 100 Jahren machte ein englischer Männerhut, die Melone, bei den indigenen Frauen in Bolivien eine erstaunliche Karriere. 68 IM INTERVIEW: DR. JENS AMENDT Zuerst findet der Forensiker Dr. Amendt in einem ­Mordopfer eine Fliegenmade; dann findet die Polizei den Mörder. Das hängt enger zusammen, als Sie denken. 86 EIN MENSCH IN MANDALAY Pho Zaw aus Myanmar hat tagaus, tagein mit Gold zu tun. Trotzdem frühstückt er gebratenen Reis und Tee.


Coverfotos: Thomas Haider, eduardo leal fotos; inhalt: ddp images, alessandra meniconzi, susana giron, lêmrich photography, eduardo leal, © Charles Nesbit and Adrienne Kaufman Nesbit. All rights reserved, dieter brasch

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WISSEN

INSPIRATION

66 DER BUCHSTABE G Sie kennen das Spiel „Stadt, Land, Fluss“? Dann haben wir für Sie ein paar ungewöhnliche Lösungsvorschläge. 89 DAS TERRA MATER JOURNAL Neues aus Wissenschaft und Forschung. 102 EIN TAG, DER DIE WELT VERÄNDERTE Sparsamer ließ sich der Globus nicht erobern: Am 7. Oktober 1948 präsentierte Citroën sein Modell 2CV. 104 HALLSTATT Vor 3.500 Jahren lebten die reichsten und fortschrittlichsten Menschen an einem See in Oberösterreich. Die Energie ihres Erfolgs? Das Salz im Berg. Folgen Sie uns in ein Hochtal voller Hightech. 130 MEILENSTEINE DER ZEITMESSUNG Auch die Schwerkraft macht Uhren ungenau. Das Gegenmittel heißt Tourbillon.

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MOMENTAUFNAHMEN VON MUTTER ERDE Zum Beispiel: der Baikalsee, diesmal unrasiert. KOLUMNE Mooslechners Merkwürdigkeiten.

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EMPFEHLUNGEN Schönheit in Wien, Ekstase in Stuttgart, Schlafzimmer in Graz. Vorsicht: nur keine falschen Schlüsse ziehen!

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EIN ORT ZUM ENTDECKEN Chinas heiliger Berg Hua Shan verlangt von seinen Pilgern vor allem eines: absolute Schwindelfreiheit.

156 TERRA MATER SOCIETY Angebote für Mitglieder. 158 TERRA MATER BEWEGT Erstaunliches in ServusTV. 162

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NOCH FRAGEN War es die Umwelt? Oder der Krieg? Oder das soziale Zusammenleben? Was hat uns bloß so schlau gemacht?

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WELTBILD Beeindruckende Momentaufnahmen von Mutter Erde

DAS ENDE IST IMMER AUCH EIN ANFANG VINH HY BAY, VIETNAM. Die ­Betrachtung

des Kare-san-sui, des Zen-Gartens, gilt im Buddhismus, speziell in Japan, als wunder­ bare Art der Meditation. Den Frauen der viet­ namesischen Fischer kommt beim Anblick des „trockenen Gartens“, wie die Übersetzung lautet, wohl kaum innere Einkehr in den Sinn. Das Zusammenheften und Flicken der Netzungetüme mit einer alten Näh­maschine erfordert höchste Genauigkeit und Aufmerksamkeit. Man verliert leicht den Überblick, und jedes übersehene Loch gibt den Fischen die Chance, ihrem Schicksal zu entkommen. Foto: Ngo Van Diep

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foto: hgm-press/ngo van diep


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WELTBILD

IM KELLER VON MUTTER ERDE CARLSBAD, USA. Die Lechuguilla Cave in New Mexico ist nicht nur eines ausgedehntesten Höhlensysteme der Welt, ­sondern auch eines der faszinieredsten. 500 Meter unter Tag legt sich die Natur auf über 220 Kilometern verschwenderisch ins Zeug: Isoliert von der Außenwelt leben hier Mikroorganismen, die in Zusammenarbeit mit Wasser und Kalk ganz erstaunliche Formen und Farben ­erschaffen. Leider unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Aus Sicherheitsgründen (unter Tag bläst der Wind oft mit bis zu 80 km/h) haben nur Forscher Zutritt – und bisweilen auch Fotografen.

Foto: Robbie Shone

HABEN SIE LUST BEKOMMEN? Diese Aufnahme und viele mehr präsentieren wir ihnen in der Fotoausstellung WELTBILDER noch bis 28. Oktober 2018 im Hangar-7 in Salzburg. Eine spektakuläre Reise rund um den Globus, präsentiert in der einzigartigen Atmosphäre des Hangar-7 und in beeindruckendem Großformat. Geöffnet ist die Ausstellung täglich von 9 bis 22 Uhr – und der Eintritt ist frei.

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Antonio Alarcón und seine Herde. Nur noch wenige Familien pflegen im Süden Spaniens die Hirtentradition. Die Trecks sind mühsam, der Ertrag ist gering. Doch wer sich darauf einlässt, den belohnen magische Momente.

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TRADITION

DIE  REISE, EIN LEBEN Die spanische Familie Alarcón treibt ihre Schafherde unter der Führung des Patriarchen Antonio quer durch das Land – von Weide zu Weide, im Wechsel der Jahreszeiten, wie das Hirten vor ihnen seit Jahrhunderten gemacht haben. Wir sind ein Stück weit mitmarschiert. TEXT: MICHAEL STÜHRENBERG FOTOS: SUSANA GIRON

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BIOLOGIE

NAH, NÄHER,

SCHÖNER

Insekten, Spinnen und Tausendfüßer gehören zur ältesten Familie von Lebewesen. In ihren Ökosystemen erfüllen sie wichtige Aufgaben. Wir sollten die Nützlinge jedoch nicht unterschätzen: Wer genau hinschaut, wird verzaubert von ihrer Vielfalt an Form und Farbe. FOTOS: CHARLES NESBIT UND ADRIENNE KAUFMAN NESBIT

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SCHMALBIENE Familie: Halictidae

foto: © Charles Nesbit and Adrienne Kaufman Nesbit. All rights reserved.

So schlau ist die Natur: Auch das hier ist eine Biene – wenngleich eine kleine. Bienen dieser Art werden nicht länger als sieben Millimeter. Und weil sie zudem noch schlank sind, kommen sie an den Nektar selbst kleiner Blüten heran. Mit der süßen Beute nehmen sie ein wenig Pollen mit in die nächste Blüte – und sichern damit deren Verbreitung.

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BERTHA ACARAPI TV-Journalistin, 39 Die Chef-Nachrichtensprecherin bei ATB TV ist ein Beispiel dafür, wie sich Boliviens weibliche indigene Bevölkerung zielstrebig vom Schicksal emanzipiert. Ihr Großvater wollte, dass Bertha studiert, „damit ich nicht wie er auf dem Bauernhof arbeiten muss“. Nach dem Studienabschluss riet Berthas Mutter ihrer Tochter, die tradi­ tionelle Tracht der Cholitas gegen moderne Businesskleidung einzutauschen. Bertha sagte Nein: „Ich möchte, dass sich die Mentalität unseres Landes ändert und man sieht, dass auch Cholitas große Dinge erreichen können.“

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GESELLSCHAFT

DAS MELONENMISSVERSTÄNDNIS Vor 100 Jahren machte ein englischer Männerhut in Bolivien eine erstaunliche Karriere: Er kam als ein modisches Accessoire ins Land und wuchs bei den indigenen Frauen, den Cholitas, zum Symbol für Emanzipation. TEXT UND FOTOS: EDUARDO LEAL

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Jens Amendt, 52 Der Biologe studierte in Frankfurt am Main und promovierte dort 2003 am Forschungsinstitut Senckenberg. Seit mehr als 15 Jahren ist er am Frankfurter Institut für Rechtsmedizin verant­ wortlich für die insekten­ kundliche Begutachtung von Tötungen und unklaren Todesumständen.

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INTERVIEW

Im Gespräch mit Jens Amendt

„ H IN UND WIEDER STINKT

MEINE ARBEIT ZUM HIMMEL “ Leicheninsekten liefern bei Mord und Totschlag oft die wichtigsten Hinweise – als stille, winzige Assistenten. Der forensische Entomologe Jens Amendt liest in ihnen wie in einem Buch und bringt damit Tote zum Reden. INTERVIEW: BORIS HÄCHLER FOTOS: LEMRICH PHOTOGRAPHY & FILM

KOMMISSARIN LUCILIA SERICATA IST SPEZIELL, FRAGLOS. AUFDRINGLICH KOMMT SIE DAHER, etwas schmudde­

lig. Zudem ist sie nicht gerade das, was der Betrachter ansehnlich nennen würde: kur­ ze Beine, sechs an der Zahl; die Augen im Verhältnis zum Körper übermäßig groß; dazu ein gedrungener Körper, der in einem metallisch schimmernden Kleid steckt. Trotzdem ist Lucilia sericata eine ausgezeich­ nete Ermittlerin: Die Goldfliege, wie sie auch genannt wird, überführt Mörder und löst, wie zahlreiche andere Insekten auch, immer wieder bislang ungeklärte Todes­

fälle. Forensische Entomologie heißt dieses Fachgebiet der Insektenbestimmung, das in der Kriminalistik zum Einsatz kommt, wenn herkömmliche Ermittlungen der Rechtsmediziner nicht mehr ausreichen. Einer, der damit firm ist wie nur we­ nige, ist Dr. Jens Amendt vom Rechtsmedi­ zinischen Institut der Goethe-Universität in Frankfurt. Der 52-jährige Forscher ist De­ tektiv im Dunstkreis des Bösen. In seinem beruflichen Alltag geht es um Leichen und ihre Geheimnisse. Um den Zustand der Verwesung. Und – das ganz besonders – um die Tiere, die sich auf toten Körpern an­

gesiedelt haben. Denn in einer Leiche kann viel Leben stecken. Leben, das krabbelt und kriecht und manchmal sogar springt … TERRA MATER: Die meisten von uns grei­ fen beim Anblick von Insekten zur Fliegenklat­ sche. Sie widmen ihnen Ihr gesamtes Berufs­ leben. Was ist schiefgelaufen in Ihrer Kindheit? JENS AMENDT: Ohne jetzt einen Freud’schen Seelenstriptease hinzulegen: Ich bin zwar nicht gerade mit einem Schmetterlingsnetz durch den Wald ­gestolpert, aber ich fand Insekten schon

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AUS HEITEREM

HIMMEL

Die Arabische Halbinsel ist eine der trockensten Gegenden der Erde. Doch einmal im Jahr streift der Monsun für wenige Wochen den Süden der Landmasse und verwandelt den Oman in ein grünes Paradies. Das Gras sprießt, Bäume treiben aus, über Nacht entstehen Bäche, Seen und sogar Wasserfälle. Das Land erstrahlt in ungewohnten Farben – und die Menschen machen im Regen Picknick. Zu Besuch in einer verkehrten Welt. TEXT: FABIAN VON POSER FOTOS: ALESSANDRA MENICONZI

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LEBENSRAUM

Wadi Darbat, Oman. Für zwei Monate im Jahr gleicht dieses Tal unweit der Küstenstadt Salala dank des MonsunEinflusses dem Garten Eden. Wo sonst Staub und ­Dürre vorherrschen, ­entstehen verwunschene Picknickplätze.

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Rastende Pottwale Die meiste Zeit verbringen die Wale einsam auf der Jagd durch die Tiefsee. Begegnen sie sich an der Oberfläche, begrüßen und berühren sie einander. Das stärkt den Zusammenhalt der Gruppe, in der mehrere Muttertiere mit ihren Jungen zusammen­leben.

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MEERESWESEN

foto: getty images

DIE WEISHEIT DER WALE Pottwale sind die größten Raubtiere der Erde, gleichzeitig aber familienorientiert und intelligent, verspielt und anlehnungsbedürftig. Kaum ein Mensch ist den Giganten näher­ gekommen als TV-Regisseur Rick Rosenthal. Hier erzählt er seine Erlebnisse. TEXT: GOTTFRIED DERKA

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