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DER TAUSENDSASSA

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GAST-ANSICHTEN

GAST-ANSICHTEN

WAS FÜR EIN TAUSENDSASSA...

Warum der Tag eines Hotelchefs mindestens 18 Stunden hat

6.02 UHR

Es wäre vermessen zu behaupten, dass ich den besten Espresso im Lindenhof mache. Aber: um diese Zeit bleibt mir nichts anderes übrig. Da muss ich mir meinen Kaffee selbst machen. Denn ohne Espresso kann ich den Tag nicht beginnen.

„Manchmal wünsche ich mir schon so normale Bürozeiten. Dann könnte man abends und am Wochenende vielleicht ein bisschen runterfahren.“

Joachim Nischler beim SUITE-Gespräch um 10.34 Uhr

Er hat sich schon ein entsprechendes Büro ausgesucht. Ohne Fenster. Und mit Sicherheitsschloss an der Tür. Denn manchmal würde er sich gerne verbarrikadieren. „Tagsüber ist es fast unmöglich, sich mal eine halbe Stunde konzentriert einer Aufgabe zu widmen“, sagt Joachim Nischler. Da steckt quasi im Fünf-Minuten-Rhythmus eine/r den Kopf in das diffus beleuchtete Zimmer. „Ein Gast möchte mit mir sprechen, ein Hausmeister meldet ein technisches Problem, die Rezeption hat Fragen wegen der Abrechnung, ein Handwerker muss eingewiesen werden, ein Mitarbeiter hat Gesprächsbedarf und und und.“ Die Konsequenz: der Arbeitstag des Lindenhof-Hotelchefs beginnt in der Regel um sechs Uhr und endet um 22 Uhr. Trotzdem setzt der Mann, der mit 50 ja auch nicht mehr der Jüngste ist, Prioritäten: Der Gast und der Mitarbeiter müssen immer Vorfahrt haben. „Das liegt auch schon daran, dass ich mich selbst am wohlsten fühle, wenn ich merke, dass Gäste und Mitarbeiter zufrieden sind und die Stimmung im Hause gut ist“, sagt Joachim Nischler. Er braucht das für seine Energie, genauso wie er drei Mal in der Woche seinen Sport braucht. Dann fährt er zwischen zwei und vier Stunden mit dem Fahrrad oder rennt nach Unterstell hoch und wieder zurück. „Danach habe ich immer 80 Prozent weniger Sorgen als zuvor.“

„Ich bin so froh, dass ich keinen nor

malen Bürojob habe. Da ist man oft nur für einen bestimmten Bereich zuständig. Ich lerne täglich dazu, weil ich mich in alle Bereiche einarbeiten muss. Hotelier ist ein absoluter Traumjob.“

Joachim Nischler beim SUITE-Gespräch um 10.58 Uhr

10.30 UHR

Darauf sind wir nicht vorbereitet... An der Heizung stimmt was nicht – und das im November. Unser Hausmeister Igor erklärt mir, was kaputt ist. Leider kann ich ihm nicht erklären, wie man das repariert. Also brauchen wir die Experten. Ich rufe an. Natürlich.

Wenn ich mal in Ruhe arbeiten will, dann um diese Zeit. Ich beantworte Mails, schaue mir die Buchungen an, die Rechnungen. Denn eineinhalb Stunden später geht der Terror los. „Nur mal ganz kurz“, sagt jeder, der den Kopf in die Tür steckt.

11.30 UHR

Wie viele Gäste kommen nächste Woche? Gibt es Sonderwünsche? Was muss die Küche beachten? Was der Service? Ist Kosmetik ausgebucht oder brauchen wir noch Werbung? Schaffen die Zimmermädchen die Zimmerwechsel bis 14 Uhr? Abteilungsleitersitzung im Weinverkostungsraum.

16.00 UHR

berater streiten, Rückrufe erledigen.

9.30 UHR

Lagebesprechung mit dem Inner Circle. Was ist gestern schief gelaufen? Was wird heute schief laufen, nein – natürlich nichts. Lorella, Chiara und Martin berichten aus ihren Bereichen. Wir wollen auf alles vorbereitet

Eine Stunde Radfahren hat mir neue Energie gebracht. Ich bin danach ein anderer Mensch. Und natürlich auch, weil ich liebe Gäste treffe. Gespräche mit Gästen sind mir immer ein besonderes Vergnügen. Sie lenken ab von dem, was kommen wird: E-Mails beantworten, mit unserem Kommunikationssein.

18.00 UHR

Gottseidank kommt mein Steuerberater auch noch zu solchen Zeiten ins Haus. Ich hatte den ganzen Tag keine Zeit für ihn. Also: noch eine Stunde Zahlen wälzen und überlegen, wie viele Gäste wir noch brauchen, um über die Runden zu kommen….

13.30 UHR

Nach einem kurzen Mittagessen (natürlich mit einem Glas Wein…) geht’s auf die Etage mit unserer Gouvernante Anja. Muss in den Zimmern was repariert werden? Ist alles sauber geputzt? Ich versuche, jeden Tag mich so intensiv wie möglich um eine Abteilung zu kümmern.

21.00 UHR

Der Magen knurrt. Aber seit 19 Uhr serviere ich, rede mit Gästen, trage schmutzige Teller in die Küche. Die ganze Familie ist im Einsatz, erst um 21.30 Uhr essen wir gemeinsam. Höchstens ein Gast hat Gesprächsbedarf…

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