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Ein Stück Normalität: Horeca Reisesektor und Veranstaltungs- branche gehen ohne Pandemie-Einschränkungen durch den Sommer

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Appetizer

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Zurück auf Los

Im Winter 2020 schlug die Covid-Pandemie zu und hatte die Welt seitdem im Griff. Der aktuelle Sommer ist der erste, wo vieles wieder ohne Tests, Masken oder anderen CoronaAuflagen möglich ist (trotz hohen Infektionszahlen). Drei der am meisten gebeutelten Sektoren – der Horesca-Bereich, die Reisebranche und der Veranstaltungssektor – atmen auf.

Von Fernweh und Turbulenzen

Corona war gestern. Vielleicht ist Corona auch morgen. Aber daran wollen die Menschen jetzt gerade nicht denken. Es sei ihnen vergönnt. Die Sommerferien stehen nämlich vor der Tür. Und im Gepäck hat der Durchschnittsbürger immer noch eine ganze Menge Frust. Viele Reisen der letzten Jahre fielen ins Wasser. Das Bedürfnis, die wärmste Zeit des Jahres endlich mal wieder fern vom Alltagsstress zu verbringen ist groß. Aber nicht nur die Vorfreude steigt. Beim Blick über die Grenzen wächst auch die Sorge.

Es ist in Worten kaum niederzuschreiben. Die Koffer sind gepackt. Die Vorfreude erreicht das absolute Maximum. Angekommen am Flughafen fliegt einem dann die Hiobsbotschaft entgegen. Zu wenig Personal, der Flug wird verschoben. Im schlimmsten Fall sogar abgesagt. Die Vorstellung ähnelt einem Albtraum. Ein Albtraum, der in den vergangenen Wochen viele Menschen in unseren Nachbarländern heimsuchte. In vielen Ländern fehlt Personal. In Frankreich kommen Streiks dazu. Der Flugverkehr droht vor der Rush-Hour, den Sommerwochen, im Chaos unterzugehen.

Wer kann, der verreist. Der Nachholbedarf im Sommer ist groß.

Lydia Heinisch Direktorin bei ULT Tours

„Auch Luxair blieb von der europaweiten Personalnot nicht verschont. Im Vergleich zum Jahr 2019 hat sich die Abwesenheitsrate quasi verdoppelt“, heißt es in einer offiziellen Luxair Antwort auf die Nachfrage, ob die Luxemburger Fluggäste ähnliches erwartet, wie die Kollegen aus dem Ausland. Aber die Fluggesellschaft glaubt die drohenden Turbulenzen im Griff zu haben und versucht zu beruhigen: „Aktuell gibt es keinen Grund eine Verspätung oder gar Absage vorherzusehen. Mit unterschiedlichen Notlösungssystemen, wie beispielsweise dem Bereitschaftssystem, können wir das Besetzen aller Personalposten garantieren. Auch in kurzfristigen Notfällen.“

Und das ist auch wichtig. Denn das Fernweh ist groß, weiß Lydia Heinisch Direktorin bei ULT Tours (Union Luxembourgeoise de Tourisme): „Wer kann, der verreist. Der Nachholbedarf im Sommer ist groß. Das zeigen auch deutlich ansteigende Buchungszahlungen.“ Ähnliches bemerkt auch Luxair und das trotz Preisexplosion beim Treibstoff: „Das Aufheben der Corona-Restriktionen macht sich bemerkbar. Im Vergleich zu den Vorjahren erkennen wir einen deutlichen Anstieg der Reservationen.“

Aber nicht nur die Flugzeugreisen sind im Trend. „Das Reisen mit Camper, Auto oder Bahn erfreut sich immer größerer Beliebtheit“, erkennt Heinisch. Vor allem der Camper sei während der Pandemie immer mehr in den Vordergrund gerückt. Individuelles Reisen mit möglichst wenig Kontakt zu anderen Reisenden war der Hit, eine Alternative gab es in den letzten Jahren ja auch nicht.

Doch damit ist diesen Sommer endlich Schluss. Und um das zu zelebrieren, scheinen die Luxemburger auf das Altbekannte zu setzen. „Es zeigt sich, dass Reisefreudige sich in unsicheren Zeiten eher für Ziele entscheiden, die sie bereits kennen und wo sie sich wohlfühlen“, bemerkt Heinisch. Damit meint die Direktorin von ULT Tours für den bevorstehenden Sommer vor allem den Binnenurlaub in Europa und die Mittelmeerregion: „Im Sommer wird Urlaub in Destinationen wie Griechenland und

Spanien boomen. Portugal, Kroatien und Südtirol sind ebenfalls gut gebucht.“

Nach zwei Jahren „Vakanz Doheem“, gilt jetzt also wieder: In der Ferne liegt das Glück. Bei Luxair erkennt man ähnliche Tendenzen. Wenngleich hier das Überqueren der Kontinentalgrenzen im Mittelpunkt steht: „Wir verzeichnen ein erhöhtes Interesse an Reisen außerhalb des Schengenraumes. Dies hängt möglicherweise auch mit den niedrigeren Preisen dieser Mittel- und Langstreckenflüge zusammen.“ Die meistgefragten Fernziele beim ULT sind Inselstaaten wie Mauritius, die Karibik, die Malediven oder auch Dubai und der Oman. Fällen scheint auch das Portemonnaie in diesem Sommer etwas lockerer zu sitzen. Lydia Heinisch beobachtet: „Der fehlende Urlaub der letzten Jahre wird von manchen durch mehr Komfort kompensiert – diese Kunden bleiben länger und buchen höherwertige Hotelkategorien.“ Eine Nebenwirkung davon, dass das Reisebudget über mehrere Jahre anwachsen konnte? Wohlmöglich.

Aber Heinisch will auch warnen. In Anbetracht der Corona-Krise und des Ukraine-Krieges scheint sich eine Tendenz hin zur Kurzfristigkeit entwickelt zu haben. Während den letzten Jahren war langes Vorplanen oft sinnlos, kurzfristige Entscheidungen das Gegenmittel. „Kurzfristig zu buchen, fühlt sich für einige sicherer an. Das Risiko der Last-Minute Buchungen besteht in Preisanstiegen durch eine starke kurzfristige Nachfrage, vor allem in den stark gebuchten Urlaubsmonaten, sowie einer eingeschränkten Auswahl.“

Ganz ohne Risiko wird es also nicht gehen. Das langfristige Planen kann der Schnelllebigkeit unserer Welt nicht gerecht werden. Die kurzfristige Alternative reduziert Möglichkeiten und erhöht den Preis. Aber perfekte Lösungen gibt es so oder so selten. Um die Perfektion geht es auch längst nicht mehr. Denn mit der Frustration von mindestens zwei Jahren Verzicht im Gepäck wollen viele Menschen eigentlich nur endlich wieder abschalten, wieder genießen.

Ein Sommer voller Zuversicht

Zeiten, in denen die plötzliche Schließung von Gaststätten und Kneipen für Ungewissheit sorgte, scheinen tatsächlich vorbei zu sein. Es weht auf jeden Fall ein Hauch von großer Erleichterung durch die Gastro-Branche. Die Lebensfreude kehrt zurück, die Gäste auch.

„Es ist die erste Sommersaison im Zeichen der Normalität, nach zwei Jahren Ungewissheit“, meint Geschäftsinhaber Gabriel Boisanté. Die Nachfrage ist da. Das ist unbestreitbar für den erfolgreichen Gastwirt, der, zusammen mit den Gebrüder Hickey, gern besuchte Lokale wie Urban, Paname, Bazaar, Amore und Mamacita führt. „Die Leute wollen wieder Zeit miteinander verbringen und angenehme Sommerabende auf unseren Terrassen verbringen. Ein weiterer positiver Aspekt ist die Rückkehr der Touristen. Das freut uns natürlich sehr, auch wenn wir leider feststellen müssen, dass während der Mittagspause noch einige Kunden wegen des Homeoffice ausbleiben. Aber wir sind zuversichtlich.“

Der frühe Auftakt der Sommersaison spielt, neben dem hohen Nachholbedarf, auch eine ausschlaggebende Rolle. Aber nicht nur. Das Ende der CovidBeschränkungen fällt auch positiv ins Gewicht. „Es gibt keine strengen Coronaregeln mehr. Das hat uns regelrecht befreit“, behauptet Boisanté. „Maskenpflicht, Sperrstunden, Covid-Check und Beschränkung der Gäste haben verschiedene Kunden abgeschreckt und uns die Arbeit nicht erleichtert.“

Der Meinung ist auch Salvatore Barberio, der Inhaber des „Grand Café by Red Beef“ auf der stets belebten „Place d’Armes“. Allein die Hauptfassade des Gebäudes ist ein echter Erinnerungsträger der „Plëss“. Wussten Sie, dass die Eröffnung des „Grand Café“ bereits 1894 stattfand und damals ein echtes Highlight in der Hauptstadt war, da es das erste Restaurant auf zwei Stockwerken war? Das hatte es hierzulande so noch nie gegeben. Heute können, in dem Lokal und auf der Terrasse, bis zu 300 Gäste Platz nehmen. Eine beträchtliche Zahl, die Salvatore nicht mehr missen möchte. „Irgendwann waren die restriktiven Maßnahmen, für verschiedene Kunden, einfach nicht mehr zu ertragen“, erinnert er sich. „Die Kundschaft sehnt sich nach Leichtigkeit und Unbeschwertheit, ganz besonders während der Sommerzeit. Sie wünscht sich ein bisschen normales Leben. Das ist alles!“

Die Prognosen für den diesjährigen Sommer sehen gut aus, behauptet ganz zufrieden Mario Komann, der Geschäftsführer des „Bistro Quai“ in Grevenmacher. Am Ufer der Mosel bekocht seit einigen Monaten Chefkoch Joël Schaeffer die unzähligen Feinschmecker, auf der unnachahmlichen Terrasse mit direktem Blick auf den Fluss. Ein Gläschen Wein darf da natürlich nicht fehlen.

„Es ist einfach wunderbar“, schwärmt Komann. „Es ist echt schön, dass man seine Arbeit wieder verrichten kann.“ Die Stammkunden seien immer treu gewesen, behauptet er ohne zu Zögern. Doch das Tüpfelchen auf dem i sei die Rückkehr der Grenzgänger an der Mosel. „Deutsche, Franzosen, Belgier und sogar Holländer sind zurück seitdem es kein grundsätzliches Reiseverbot mehr gibt. Das macht natürlich eine erhebliche Differenz aus.”

Es geht in die richtige Richtung, aber nicht ohne neue Herausforderungen. Denn es reicht nicht, nur zu behaupten, „Hurra“ die Kunden sind zurück.

„Die Ansprüche unserer Gäste sind gestiegen und dementsprechend können wir uns Fehler nicht erlauben, wenn wir wollen, dass sie uns treu bleiben“, ist Salvatore aufgefallen. „Die Kunden kommen nicht mehr ins Restaurant, nur um uns zu unterstützen. Die Zeiten sind längst vorbei“, verrät er mit ernstem Blick. „Die Pandemiezeit war eine Art Erinnerungsspritze, damit wir ja nicht vergessen, dass wir effizient sein müssen, um unsere Kunden zufrieden zu stellen.“

Gabriel Boisanté beteuert seinerseits, dass die Konsumgewohnheiten sich ändern. Das sei, unter anderem, auch auf die steigenden Preise und die wechselnde wirtschaftliche Lage zurückzuführen. Diese Feststellungen hat auch Chefkoch und Geschäftsführer EtienneJean Labarrère-Claverie gemacht. Unten im Rollingergrund lädt das „Opéra“, im Schatten der Bäume, auf unvergessliche Momente ein. Ein idyllischer Ort. Qualität und Simplizität sind seit Ewigkeiten das Motto des 40-jährigen Genießers, der schon immer behauptet hat, er möchte lieber Sterne in den Augen seiner Kunden sehen, als Michelin-Sterne zu sammeln.

„Ja, die Rohstoffpreise steigen, das ist klar und deutlich. Ich habe dementsprechend beschlossen, die Preise zu senken, indem ich eine Speisekarte mit einfachen, saisonalen Qualitätsprodukten anbiete. Ich möchte, dass mein Restaurant für alle zugänglich bleibt. Denn es gibt nichts Traurigeres als ein Lokal, das nicht lebt. Das haben wir während der Zwangsschließung ja leider alle festgestellt. Aufgeben? Das war für mich nie eine Option.“

Die Kundschaft sehnt sich nach Leichtigkeit und Unbeschwertheit, ganz besonders während der Sommerzeit.

Salvatore Barberio

Chefkoch und Geschäftsführer Etienne-Jean Labarrère-Claveriech möchte, dass sein Restaurant "L'Opéra" für alle zugänglich bleibt.

Mario Komann, der Geschäftsführer des „Bistro Quai“ in Grevenmacher, freut sich über die Rückkehr der Touristen.

Es gibt keine strengen Coronaregeln mehr. Das hat uns regelrecht befreit.

An der Front gibt es auch Rückschläge aus den eigenen Reihen, denn angeblich ist qualifiziertes und motiviertes Personal ein seltenes Gut geworden. Ob dies auch eine Nachwirkung des Lockdowns ist, darüber sind sich nicht alle einig. Doch es ist eine Gewissheit, der Mangel an Fachkräften ist bittere Realität. Für Salvatore Barberio hat es dieses Problem schon vor der Pandemie gegeben, doch es habe sich mit Sicherheit in den letzten zwei Jahren verschärft.

„Die Mitarbeiter hatten während der Ausgangssperre Zeit zu erkennen, dass sie anderswo besser bezahlte und anspruchsvollere berufliche Möglichkeiten haben“, meint Etienne-Jean Labarrère-Claverie. Das Hauptproblem am aktuellen Mangel an Angestellten sei nicht das Virus, sondern der wenig attraktive Ruf, mit dem die Berufe in der Gastro-Branche zu kämpfen haben, meint Mario Komann. „Es ist an uns zu beweisen, obwohl wir in einer anstrengenden Branche arbeiten, dass der Job auch sehr viel Tolles mit sich bringt.“

Trotzdem stehen die finanziellen Zwischenrechnungen für die angefangene Sommersaison in einer guten Verfassung. Da sind sich die von uns befragten Gastronomen einig. Eine echte Erleichterung. Salva Barberio aus dem „Grand Café by Red Beef“ spricht sogar von einem Rekordjahr, noch besser wie das hervorragende Jahr 2019. Gabriel Boisanté geht das Thema vorsichtiger an. „Ja, wir haben ein interessantes Umsatzniveau, aber wir können die Absichten unserer Kunden in den kommenden Wochen nicht vorhersagen. Vielleicht führt die steigende Reiselust zu einer fast menschenleeren Stadt. Die Normalität, von der wir hier reden, ist ein sehr, sehr relativer Begriff.“ Er möchte sich auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, wenn es um die, noch immer, hohen Corona-Infektionszahlen geht. „Es ist nicht meine Art, sofort die schlimmsten Möglichkeiten auszumalen, aber wenn ich in den Nachrichten höre, dass die Zahl der Corona-Erkrankungen wieder steigt, frage ich mich trotzdem, was wäre wenn? Gewissheiten zu haben, ist im Grunde gesehen ein Luxus, den ich mir, beim aktuellen Stand der Dinge, nicht leisten kann.“

Die Gorillaz begeisterten am 26. Juni vor der Rockhalle.

Gemischte Gefühle

The Hives, Gorillaz, The Killers, The Smile, Imagine Dragons, Sportfreunde Stiller, Millow, Snow Patrol, Francofolies, Usina22, Blues Express oder auch noch Blues’n’Jazz Rallye... Die Zahl an Open Air Musikevents, die in Luxemburg in den letzten Wochen Musikfans kredenzt wurden, hatte es in sich. Musikfans hatten die Qual der Wahl und wohl viele einen rappelvollen Terminkalender. Zudem waren auch in diesem Sommer die ganz großen internationalen Festivals, die auch bei vielen Luxemburgern beliebt sind, wieder in ihrer ursprünglichen Form zurück. Bei Rock am Ring oder Rock Werchter feierten wieder mehrere zehntausende Menschen zusammen, ganz ohne lästige CoronaRegelungen. Fast alles wie vor Covid-19 also? Nicht ganz, zumindest wenn man Michel Welter, den Geschäftsführer des Konzertveranstalters „Atelier”, fragt: „Natürlich sind wir erstmal froh, ohne Einschränkungen arbeiten und wieder Vollgas geben zu können und ja, die Konzerte sind wieder gut besucht. Auch wenn es vielleicht Meckern auf hohem Niveau ist: Man muss das Ganze auch wetwas relativieren.“ haben wir, mit Agnes Obel, Nick Mason, Einstürzende Neubauten und Jimmy Eat World, vier Konzerte durchgezogen. Bis auf die Neubauten waren alle Sold-Out.” Weil die Konzertbesucher die Tickets allerdings schon vor zwei oder gar drei Jahren gekauft haben und jetzt die Termine – weil Touren für die Künstler wieder möglich sind, nehmen sie die Gelegenheit auch wahr – eng aufeinander folgen, nimmt nicht unbedingt jeder am Ende das Konzert wahr. „Es ist sicher nicht jeder bereit, vier Mal in einer Woche zu uns auf ein Konzert zu kommen und so entpuppen sich auf dem Papier ausverkaufte Konzerte aufgrund von 20 bis 30

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