Trees

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JÜRGEN NABER

TREES UNDER CONSTRUCTION

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TREES / under construction

JÜRGEN NABER

text by Joseph Imorde translation by Alexandra Cox

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Trees | Joseph Imorde Wer auf die Fotografien umgestürzter Bäume von Jürgen Naber schaut, kommt nicht an der allegorisch-symbolischen Dimension dieser Aufnahmen vorbei. Das gefallene Holz und das ausgestellte Wurzelwerk zwingen einen unwillkürlich hinein, in erzählerische Vorstellungen von Werden und Vergehen. Doch wird das in den Bildern nicht im Modus des Ereignishaften wiedergegeben, sondern als Ergebnis dargeboten. Der konkrete Anlass, ein Sturm, der im Dezember 2011 über Norwegen hinweg zog, spielt für das, was da zu Sehen ist und zu Denken gibt, keine entscheidende Rolle. Es ist vielmehr so, dass die Fotografien denn Blickk auff dass öffnen, wass naturgemäßß verborgen bleibt.. Diee Aufnahmena entwickelnt autoreferentielles Potential, denn die Sujets gelangen mit der Funktion des Mediums da zur Deckung, wo sie vertraute Ansichten umstürzen, Oberflächen aufbrechen und ein Dahinter oder Darunter als bildwürdig ausstellen. In den aufgefalteten Erdformationen, in dem Geäder der Wurzelwerke, in den versehrten Schonungen wird eben vor allem auch das Abstrakte der entstandenen Formationen aufgesucht. Tiefe entwickelt das, weil den vermeintlich toten Gebilden in der fotografischen Faktur neues Leben zugewiesen wird. Diese, in die Bildkonstruktion eingefaltete Dialektik ließe sich vielleicht dahingehend bestimmen, dass die Bilder der entwurzelten Bäume, also das Fotografierte, einerseits einem erinnernd wiedererkennenden Sehen unterworfen wird und es sich dergestalt in eine Geschichte visuell geprägter Narrative einordnen lässt, die Betrachtung der abstrakten Merkmale und Strukturen aber andererseits einen über- oder besser gegenhistorischen Blick fordert, der den aufgenommenen Erscheinungen mit subversiver Gegenwärtigkeit begegnet und damit dem Fotografischen als solchem eigene Vitalität zubilligt. In dieser Dopplung, das heißt in der sich gegenseitig steigernden Verschränkung erzählender Repräsentation und optischer Präsenz, in der unlösbaren Verbindung von Fotografiertem und Fotografischem, wie schließlich auch in der den Aufnahmenna innewohnenden Forderungg nach sowohll wie- dererkennendem, wie auch sehendem Sehen, liegt das beunruhigend Entwurzelnde dieser Arbeiten.


Trees | english version Take a look at the photographs of toppled trees by Jßrgen Naber, and there’s no getting around the allegorical-symbolic dimension of these shots. The fallen wood and the exhibited roots force one involuntarily inside, into narrative imaginings of becoming and vanishing. Yet that is not conveyed in the images in the mode of the eventful, but shown in the form of a result. The actual occasion, a storm that tore across Norway in December 2011, plays no crucial role for what is visible and evocative. It is rather that the photographs open the gaze onto what, naturally, remains hidden. The shots develop self-referential potential, for with the function of the medium the subjects succeed in covering up where they topple familiar views, break open surfaces, and exhibit something behind or below as worthy of representation. Also, in the unfolded earth formations, in the veins of the roots, in the maimed forest reserves, the abstractness of the created formations is precisely what’s looked for above all. That develops depth, because new life is given to the supposedly dead shapes in the photographic facture. These dialectics, folded into the image design, may perhaps be ascertained to the effect that the images of the uprooted trees, the photographed, therefore, is subjected, on the one hand, to a reminiscing, recognizing seeing and can be classified in such manner under a history of visually characterized narrative; but on the other hand, examination of the abstract features and structures demands an overview or, better, a counter-historical view which encounters the photographed phenomena with subversive presentness, and thereby grants to the photographic as such its own vitality. In this doubling, that is to say in the mutually enhancing crossing of narrative representation and optical presence, in the indissoluble conjunction of photographed and photographic, as ultimately also in the demand inherent in the shots for both recognizing seeing and seeing seeing, lies the unsettlingly uprooting aspect of these works.


Orkantief “Dagmar” Der Dezember 2011 war im atlantisch-europäischen Raum geprägt von einer lebhaften Westströmung, die – im völligen Gegensatz zum Jahr davor – nicht nur einen längeren winterlichen Witterungsab- schnitt in den Tieflagen unmöglich machte, sondern aus der auch der ein oder andere kräftige Sturm hervorging. Im Bereich der recht weit nördlich verlaufenden Frontalzone trafen diese vor allem Nordwest- und Nordeuropa. Das Tiefdruckgebiet “Patrick”, in den skandinavischen Ländern später “Dagmar” getauft, zog in bereits voll entwickeltem Zustand an Heiligabend südlich an Neufundland vorbei. Auf seiner Südseite bezog es Warmluft subtropischen Ursprungs in die Zirkulation ein, die pseudopotenziellen Tempe- raturen in 850 hPa – etwa 1.500 Meter Höhe entsprechend – lagen bei über +50 °C. Im Verlauf des 24.12.2011 zum 25.12.2011 geriet das Tief in eine Position links vorderseitig eines sich in der oberen Troposphäre ausbildenden Jetstreaks, einem konzentrierten Starkwindband innerhalb der Frontalzone mit mittleren Windgeschwindigkeiten von in diesem Fall mehr als 350 km/h in etwa 9 Kilometern Höhe. Starke horizontale Divergenz begünstigte eine rasche Vertiefung, innerhalb von zwölf Stunden zwischen dem 25.12.2011, 0 UTC und dem 25.12.2011, 12 UTC fiel der Kerndruckk um mehr als 20 hPa auf weniger als 955 hPa wenig südöstlichh von Island. Bis zum Abend zog das Tief knapp nördlich an den Färöern vorbei und traf etwas nördlich der Landesmitte auf die Küste Norwegens. Zu dieser Zeit betrugen die Luftdruckunterschiede zwischen dem Tiefkern und dem Süden des Landes etwa 45 hPa auf rund 1.000 Kilometer Entfernung. In der Nacht zum 26.12.2011 verlagerte sich “Patrick” rasch zum nördlichen Teil des Bottnischen Meerbusens und über die Mitte Finnlands hinweg ostwärts. Dabei füllte sich das Tief allmählich auf, der große Luftdruckgradient an seiner Südflanke blieb zunächst aber noch erhalten. Bereits im Vorfeld von “Patrick” sorgte ein anderes kräftiges Tief (“Oliver”) mit Zentrum bei Jan Mayen an der Westküste Norwegens für Sturm- und Orkanböen. Am Leuchtturm von Svinøy beispielsweise wurden am 25.12.2011 zwischen 0 und 6 UTC bereits 126 km/h gemessen. Das Starkwindfeld von “Patrick” griff jedoch erst am Nachmittag auf Norwegen über. Zwischen 12 und 18 UTC meldete die kleine Fischerinsel Ona, etwa 200 Kilometer südwestlich von Trondheim gelegen, eine Spitzenböe von 202 km/h – ehe das Windmessgerät ausfiel. Auf dem 1.894 Meter hohen Juvasshøe in Jotunheimen, dem höchsten Teil des Skandinavischen Gebirges, wurden gar 233 km/h aufgezeichnet, dann fiel dort ebenfalls das Messgerät aus. Sollte dieser Wert verifiziert werden, wäre dies eine der größten jemals in Norwegen gemessenen Windgeschwindigkeiten über- haupt. Eine Spitzenböe von 191 km/h konnte auch am Leuchtturm Kråkenes auf der Insel Vågsøy vor Fjordnorwegen verzeichnet werden. Im Laufe des Abends wurden im Südwesten Norwegens dann an zahlreichen Stationen Orkanböen registriert. Es gab an zahlreichen Orten Stromausfälle, besonders in der Gegend um Trondheim. Speziell unmittelbar an der Küste richtete der Sturm große Schäden an. Vielerorts stürzten Bäume um. Dächer, Verkehrsschilder, Mülltonnen und andere lose Gegen- stände, wie die in Skandinavien beliebten Trampoline, wurden durch die Luft gewirbelt. Zu großen Schäden kam es unter anderem in Molde, wo ganze Straßenstriche durch den Sturm und Wellenschlag zerstört wurden. Ersten Schätzungen zufolge belief sich der Gesamtschaden auf mehrere hundert Millionen Euro. “Patrick” respektive “Dagmar” war einer der schwersten Stürme in Nordeuropa in den vergangenen 30 Jahren. In Norwegen wurde der Sturm verglichen mit dem “Nyttårsorkanen 1992″, dem Neu- jahrsorkan vom 1. Januar 1992. Damals war ein Gesamtschaden von etwa 1,3 Milliarden Euro entstanden.


Cyclone “Dagmar” In the Atlantic/European region, December 2011 was characterized by a lively westerly current which – in total contrast to the previous year – not only made a lengthy phase of low-pressure winter weather impossible, but which also gave rise to one or two powerful storms. Around the extremely far-northerly frontal zone, these storms affected North-West and Northern Europe in particular. The low-pressure area “Patrick”, later called “Dagmar” in the Scandinavian countries, passed by to the south of Newfoundland in a fully developed state on Christmas Eve. On its south side it pulled warm air of sub-tropical origin into circulation; the pseudopotential temperatures at 850 hPa – corresponding to approximately 1,500 metres’ height – were more than +50 °C. In the course of 24.12.2011 into 25.12.2011, the low veered into a position to the left front side of a jet stream that was forming in the upper troposphere, a concentrated belt of strong wind within the the frontal zone with average wind speeds of – in this case – more than 350 km/h at approximately 9 kilometres’ height. Strong horizontal divergence favoured a swift pressure drop; within twelve hours between 25.12.2011, 0 UTC and 25.12.2011, 12 UTC , the core pressure fell by more than 20 hPa to less than 955 hPa just south-east of Iceland. By the evening the low had passed by just to the north of the Faroe Islands and, a little north of the country’s centre, met with the Norwegian coast. At that time the air pressure difference between the deep core and the south of the country was approximately 45 hPa at about 1,000 kilometres’ distance. In the night into 26.12.2011 “Patrick” swiftly relocated to the northern part of the Gulf of Bothnia and over the centre of Finland towards the east. In the process the low gradually filled up, but the large air pressure gradient on its southern flank initially stayed intact. Even before “Patrick” another powerful low (“Oliver”), with its centre near Jan Mayen island on the western coast of Norway, had already caused squalls and hurricane-force gusts. At the Svinøy lighthouse, for example, 126 km/h had already been measured on 25.12.2011 between 0 and 6 UTC. The strong wind field of “Patrick” did not spread to Norway until the afternoon, however. Between 12 und 18 UTC the small fishing island of Ona, located approximately 200 kilometres south-west of Trondheim, reported peak gusts of 202 km/h – before the wind gauge broke down. On the 1,894 metre-high Juvasshøe in Jotunheimen, the highest part of the Scandinavian mountains, 233 km/h was even recorded; then the gauge there likewise broke down. If this value is verified, this would be one of the greatest wind speeds ever measured in Norway at any time. Peak gusts of 191 km/h were also recorded at the Kråkenes lighthouse on the island of Vågsøy off Fjord Norway. In the course of the evening hurricane-force gusts were then registered at numerous stations in the south-west of Norway. There were power cuts at numerous locations, especially in the region around Trondheim. The storm caused great damage directly on the coast, specifically. Trees blew over in many places. Roofs, traffic signs, waste bins and other loose objects, like trampolines which are popular in Scandinavia, were whirled through the air. Major damage was caused, among other places, in Molde, where whole stretches of road were destroyed by the storm and the lashing of waves. Early estimates have it that the total damage amounted to several hundred million Euro. “Patrick”, respectively “Dagmar” was one of the heaviest storms in Northern Europe in the last 30 years. In Norway the storm was compared with the “Nyttårs hurricance of 1992″, the New Year hurricane of 1 January 1992. Total damage of approximately 1.3 billion Euro was caused back then.












































credits for text “TREES” Joseph Imorde for text “Orkantief Dagmar” Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Quelle: “Wettergefahren-Frühwarnung” – www.wettergefahren-fruehwarnung.de nstitut für Meteorologie und Klimaforschung for translation Alexandra Cox www.juergennaber.de info@juergennaber.de


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