Kinderkram 215

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Blick in die Zukunft

Foto: Patrick Foto

Kinder sind nicht unser Eigentum

Wissen Sie, was Ihre Kinder mal beruflich machen wollen? Meine Vierzehnjährige und mein Zwölfjähriger erzählen mir jedenfalls gelegentlich von ihren Plänen. Sie drehen sich alle mehr oder weniger darum, ein entspanntes Leben mit lieben Menschen und ausreichend Geld zu haben, um in einem netten, warmen Zuhause zu leben und sich interessante Erfahrungen ermöglichen zu können. YouTuber/Influencer/irgendwie prominente Person war eine Weile ganz interessant für sie, aber das hat sich mittlerweile so gut wie erledigt. Das Internet gibt es und das Internet nimmt es. In diesem Fall hat es ihnen die Illusion genommen, dass Influencer (Neudeutsch für irgendwas im Internet machen, was viele junge und berufsjugendliche Menschen super finden, um aus dieser Popularität mittels Werbung ein Geschäftsmodell zu generieren), ein einfacher, wenig zeitaufwendiger Job ist. Inzwischen haben sie nicht nur Fotos von jungen, verträumt aussehenden Frauen in den Lavendelfeldern der Provence gesehen, sondern auch die dazugehörigen Clips, die die ewige Rumfahrerei, das stundenlange Schminken und das zähe Fotogepose zeigen – alles für ein Bild, von dem

anschließend behauptet wird, man hätte das mal eben im Frankreichurlaub so nebenbei gemacht. Und auch von der norwegische Trolltunga, einem beeindruckenden Felsvorsprung, der 10 Meter in eine Schlucht ragt, kennen sie nicht nur die Instagramversionen, sondern auch die Fotos von den in riesigen Schlangen wartenden Menschen, die alle dafür anstehen, total einsam auf der Spitze zu sitzen und gedankenverloren in die Ferne zu starren. Influencer ist also momentan nicht mehr so angesagt. Stattdessen überlegen sie mehr, was sie können und worauf sie Lust haben. Manchmal erzählen sie mir auch, dass der Vater einer Freundin will, dass sie Rechtsanwältin wird, und fragen mich, welchen Beruf ich für sie vorgesehen habe. Die Antwort darauf hat sie beim ersten Mal etwas überrascht, mittlerweile sind sie aber ganz froh über sie. Sie lautet: Gar keinen, weil es nicht an mir ist, das zu entscheiden. Ganz ehrlich, was hab ich mit den Berufsentscheidungen meiner Kinder zu tun? Selbstverständlich bespreche ich gerne mit ihnen, was ich von dem einen oder anderen Beruf halte, was dafür notwendig ist und ob er

ihre Ansprüche erfüllen würde. Aber selbst wenn ich eine Präferenz hätte, ist es extrem unwahrscheinlich, dass ich angesichts der heutigen Arbeitsmarktsituation irgendetwas Relevantes dazu beizutragen hätte, wie sie in diesen Job kommen. Arbeitet hart, seid fleißig, vernetzt euch – das wissen sie alles längst. Der wichtigste Grund ist aber, dass sie nicht mein Eigentum sind. Ich habe kein Anspruch auf gute Schulnoten, spezielle Karrieren, Familienmodelle oder Enkelkinder. Das gehört mir alles nicht. Natürlich bedeutet das nicht, dass ich mich nicht über die eine Entscheidung mehr freue als über die andere und manche richtig furchtbar finde. Ich finde auch, dass man das kommunizieren darf und sollte. Aber nicht als Werturteil. Nicht in der „ohne Kinder ist das Leben nicht lebenswert“ Version. Mein Leben mit Sicherheit. Was ihr Leben angeht, werden sie das selbst bestimmen. Denn es ist nicht ihre Aufgabe, mir zu schmeicheln, indem sie mir nacheifern. Es ist auch nicht ihre Aufgabe, Träume zu verwirklichen, die mir verwehrt geblieben sind oder für die ich den Arsch nicht hochbekommen habe. Stattdessen ist es meine, sie mit aller Kraft zu lieben und zu unterstützen und dabei Stück für Stück immer mehr loszulassen. Klar tut es weh, wenn sie mit ihren Entscheidungen auf die Fresse fallen. Ganz besonders bei Fehlern, die man selbst so oder ähnlich dutzende Male gemacht hat und vor denen man sie einfach nur bewahren will. Aber das hat noch nie funktioniert – in keiner Generation. Auch bei Ihnen und mir nicht. Oder haben Sie sich immer die Warnungen und Ermahnungen Ihrer Eltern zu Herzen genommen? Es ist ein seltsamer Prozess, den wir Eltern durchmachen. Von quasi alles bestimmen müssen bis praktisch nichts mehr bestimmen dürfen. Aber wir kriegen das schon hin. Nils Pickert ist vierfacher ­Vater, Journalist und ­ Feminist. Jeden Monat lässt er uns an seiner Gedankenwelt teilhaben.

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Rüdiger Fleischhauer · Stefanie Bockmann - staatlich geprüfte Logopäden -

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für Kinder Sonntag, 26. Januar 2020, 11-13.30 Uhr Sparkassen-Arena · Eintritt 2 Euro www.zwergenkram.com

Kirchhofallee 63 24114 Kiel Tel. 0431 / 676609 Holstenstraße 55 24582 Bordesholm Tel. 04322 / 887717 Eckernförder Straße 219 24119 Kronshagen Tel. 0431 / 6674095 www.logopaedie-fleischhauer-bockmann.de Kinderkram Nr. 215 · Dezember 2019 / Januar 2020


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