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www.russland-heute.de

Ein Projekt von RUSSIA BEYOND THE HEADLINES

Erkämpft

Experimentiert

Auf welchen Umwegen zwei russische Töchter zu Marion Gaedicke kamen

Eine Hamburger Schau ergründet den Künstler Alexander Rodtschenko.

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Russland HEUTE erscheint exklusiv als Beilage in: Für den Inhalt ist ausschließlich die Redaktion von Russia Beyond the Headlines, Moskau, verantwortlich.

Mittwoch, 4. September 2013

Tschetschenen ante portas

Wege aus der Krise zeigen

Über 10 000 Tschetschenen haben im ersten Halbjahr einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Damit steht Russland nun an der Spitze der Asylbewerber, über die Gründe gibt es indes Rätselraten: Die russische Botschaft vermutet die hohen Sozialleistungen als Lockmittel für die Menschen aus dem Nordkaukasus, die Regierung Tschetscheniens ist anderer Meinung: Sie bezweifelt, dass es sich bei einigen Bewerbern überhaupt um Tschetschenen handelt. SEITE 2

Schluss mit Bummelzug

ITAR-TASS/EPA

Die Themen stehen fest: Gemeinsam wollen die 20 größten Volkswirtschaften der Welt gegen Steuerflucht vorgehen und nach Möglichkeiten suchen, um den Motor

der Weltwirtschaft wieder zum Brummen zu bringen. Wolfgang Schäuble, sein britischer Kollege George Osborne und die Finanzminister der anderen 18

THEMA DES MONATS

Länder hatten bei ihrem Treffen Staatschefs beraten auch darüber, Ende Juli den Fahrplan für den wie ein neuerlicher Absturz der Gipfel erarbeitet, der am Donners- Wirtschaft zu verhindern ist. tag unter dem Vorsitz Russlands in St. Petersburg beginnt. Die SEITE 3

INTERNETPORTAL RUSSLAND-HEUTE.DE

wundern, ist Sergej Tscheremschanow, Chef von 25 000 freiwilligen Helfern, mit ganz anderen Dingen beschäftigt: „Wir müssen den Freiwilligen beibringen, zu lächeln und hilfsbereit zu sein.“

Russische Hochzeiten früher und heute

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Zu Gast bei Onkel Wanja ITAR-TASS

Kurz nach dem 300-jährigen Jubiläum der Romanows war Schluss mit dem Zarentum in Russland: 1918 erschossen die Bolschewiken Zar Nikolaus II. und seine Familie. Aber nicht alle Mitglieder der Zarenfamilie wurden ermordet: In Spanien residiert Großfürstin Maria Romanowa, die im Interview erzählt, warum Russland heute mehr denn je eine Monarchie braucht. Und was geschehen muss, damit sie zurückkehrt. SEITEN 6 UND 7

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Rekordspiele in Sotschi In wenigen Monaten beginnen die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Noch wird heftig gebohrt und gehämmert in der Stadt am Schwarzen Meer: 30 000 Arbeiter sind derzeit im Einsatz. Und während sich die einen über die Baukosten von 40 Milliarden Euro

DIE ROMANOW-DYNASTIE DER ZAR IST TOT, ES LEBE DER ZAR!

Russland investiert in die Hochgeschwindigkeitsschiene: 2014 soll die Planung für die Strecke zwischen Moskau und Kasan beendet sein, bis zur Fußball-WM 2018 die gut 800 Kilometer lange Zuglinie gebaut werden. 21,5 Milliarden Euro kostet das Projekt, dafür verkürzt sich die Fahrtzeit von 14 auf 3,5 Stunden. Schon heute verkehren zwischen St. Petersburg, Moskau und Nischni Nowgorod Hochgeschwindigkeitszüge des Typs „Sapsan“, die auf der ICE-Baureihe basieren.

Die Moskauer Gastronomie ist dominiert von Ketten: hier „ScheschBesch“ mit aserbaidschanischer Küche, dort die russische Variante „Grabli“. McDonald’s & Co. sind auch schon lange da. Die Moskauer Stadtregierung will jetzt insbesondere kleinere Gaststätten-

REUTERS

Sportler in Russland verheimlichen ihre Homosexualität

betreiber unterstützen. Außerdem ist ein Verzeichnis geplant, in das sich gastfreundliche Moskauer eintragen können, die bereit sind, Ausländer bei sich mit echter Hausmannskost zu bewirten.

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Wie ein Russe seine Bank überlistete


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Politik

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Asyl Zehntausende Asylbewerber aus dem Nordkaukasus kommen nach Deutschland. Was oder wer steckt dahinter?

Sie hoffen auf Geld und Land für eine neue Existenz

wir glaubwürdige Auskünfte darüber, dass viele Bewohner des Kaukasus und anderer Regionen, die in Deutschland einen Antrag stellen, sich als Tschetschenen ausgeben, obwohl sie gar keine sind. In Tschetschenien selbst gibt es keinerlei objektive Gründe dafür, dass die Menschen um Asyl in einem anderen Land bitten.“

„Falsche“ Tschetschenen? Die stark angestiegene Zahl der Flüchtlinge aus Russland könnte die Verhandlungen zwischen Moskau und der Europäischen Union über die Visapflicht erschweren. GALINA DUDINA

Schleuserbanden am Werk „Die Flüchtlinge werden dort als abtrünnige Mitglieder der tschetschenischen Machtvertikale oder als Anhänger des radikalen Islamismus angesehen, die sich solche Staaten aussuchen, in denen die Behörden die Menschen, die in der Diaspora leben, in Ruhe lassen“, erklärt Alexander Kamkin, Experte des Zentrums für Deutschlandforschungen am Europainstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften. „Die Sicherheitslage im Nordkaukasus ist nach wie vor zugespitzt“, sagte ein Sprecher des BAMF und nennt als weitere Gründe für die hohe Zahl der Asylanträge aus dieser Region Armut, Hoffnung

Die Zahl der Asylanträge aus dem Nordkaukasus ist in Deutschland 2013 drastisch gewachsen.

auf ein besseres Leben und die zunehmende Aktivität organisierter Schleuserbanden. „Wenn man weiß, wie die Tschetschenen an ihrer Heimat hängen, konnten nur schwerwiegende Gründe die Menschen dazu bringen, alles stehen und liegen zu lassen und ins Ungewisse zu fahren“, sagt auch die Leiterin des Komitees Bürgerunterstützung Swetlana Gannuschkina. Sie vermutet als Ausreisegrund Gerüchte über die Zuteilung von bestimmten Kontingenten speziell für Tschetschenen, von Geld und Land zum Aufbau einer neuen Existenz in Deutschland.

ZAHLEN

11 500

90

276

Bürger Russlands beantragten im ersten Halbjahr Asyl in der Bundesrepublik.

Prozent der Anträge stammen von Menschen aus dem Nordkaukasus.

Euro bis 346 Euro beträgt der Leistungssatz für Asylbewerber.

leute wollen die Flüchtlinge tatsächlich gerade deshalb in die Bundesrepublik, weil hier im Vergleich zu anderen EU-Staaten das Niveau der Grundversorgung relativ hoch ist.“ Die deutschen Behörden weisen indes die Gerüchte über „besondere Bedingungen“ für Tschetschenen zurück. Den Asylbewerbern werden eine Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung gestellt. Der Leistungssatz sei für alle Asylanten gleich hoch und entspräche dem bundesdeutschen Existenzmini-

Sozialleistungen locken „Deutschland zieht die Wirtschaftsflüchtlinge aus dem Nordkaukasus durch seine bemerkenswerten Sozialleistungen an“, bestätigte die Pressestelle der russischen Botschaft in Deutschland. „Nach Meinung deutscher Fach-

mum: monatlich 276 bis 346 Euro für Erwachsene und 205 bis 268 Euro pro Kind. In der tschetschenischen Führung zweifelt man die Richtigkeit der Angaben zu den Flüchtlingen grundsätzlich an. „Eine offizielle Statistik zu Tschetschenien existiert überhaupt nicht (was das BAMF bestätigte, Anm. d. Red.). Und es liegen keine Zahlen vor, wie viele Bewohner der Republik einen Asylantrag gestellt haben“, erklärte der Pressesprecher des tschetschenischen Präsidenten, Alwi Karimow. „Zudem haben

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Tageszeitung Kommersant

Wer stellt die meisten Asylanträge in Deutschland?

NATALIA MIKHAYLENKO

Darüber, dass Deutschland bei den Asylanträgen eine Spitzenposition eingenommen hat, berichtete Innenminister Hans-Peter Friedrich. Er nannte die Situation „beunruhigend“ und warnte: „Bis zum Jahresende werden wir die Zahl von 100 000 Anträgen erreicht haben.“ Konkretere Angaben machte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF): Von Januar bis Juli haben 52700 Personen Asyl in Deutschland beantragt – mehr als in jedem anderen Land der EU. Ein Fünftel der Anträge stammt von Bürgern der Russischen Föderation. Damit haben die Russen Syrien, Afghanistan, Pakistan und Serbien überholt. „Die überwiegende Mehrheit wird von Bewohnern des Nordkaukasus, vor allem aus Tschetschenien gestellt“, heißt es aus dem BAMF. Die Tageszeitung Die Welt brachte die Entwicklung derweil auf die einfache Formel: „Terroristen suchen Asyl in Deutschland“.

REUTERS

KOMMERSANT

Dass alle Anträge der „Emigranten aus Tschetschenien“ echt sind, bezweifelt man auch in der russischen Botschaft in Deutschland. „Die Mitarbeiter der russischen Konsularabteilungen im Ausland haben keinen Zugang zu den Flüchtlingen in den Sammellagern“, erklärte man dort. „Die Mehrheit der Antragsteller befindet sich auf dem Territorium Deutschlands unter Verletzung der einheimischen Gesetze. Die Asylsuchenden besitzen manchmal überhaupt kein Personaldokument, und ihre Identität wird lediglich auf Grundlage ihrer eigenen Angaben bestimmt und registriert und entspricht häufig nicht den Tatsachen.“ Die gestiegene Zahl der Asylanträge in Deutschland wirkt sich auch auf die Gesamtstatistik der der EU aus. Nach Angaben des Statistischen Amtes Eurostat haben dort im ersten Quartal 2013 Menschen aus Russland die meisten Asylanträge gestellt – doppelt so viele wie im Vorjahr. Der sprunghafte Anstieg der Einwanderung könnte sich negativ auf die Verhandlungen zwischen Russland und der EU über die Liberalisierung und Abschaffung der Visapflicht auswirken. Bereits früher stand die EU vor der Notwendigkeit, die Migrationsgesetzgebung wegen der gestiegenen Zahl der Asylanträge aus den Balkanländern zu verschärfen. „Die Verhandlungen mit der EU sind auch so schon problematisch“, erläutert der Vizepräsident des Zentrums für Politische Technologien Alexej Makarin. „Die hohe Zahl dieser Anträge und die Existenz solcher Anträge überhaupt bieten den Europäern die Handhabe dafür, zu behaupten, dass es in der Russischen Föderation mit der Demokratie schlecht bestellt sei und dass deshalb größte Vorsicht an den Tag gelegt werden müsse.“

QUELLE: BAMF


Wirtschaft

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Weltwirtschaft Anfang September treffen sich in St. Petersburg die G-20-Staaten – unter dem Vorsitz Russlands

Treibstoff für den Wirtschaftsmotor Auf dem Gipfel werden die 20 wichtigsten Industrienationen Wege zur Ankurbelung der Wirtschaft diskutieren. Insbesondere soll das weltweite Investitionsvolumen wachsen.

Das Bruttoinlandsprodukt der G-20-Mitgliedsstaaten

TATJANA LISINA FÜR RUSSLAND HEUTE

Die Vorbereitungen für den Gipfel der G-20-Staaten in St. Petersburg laufen auf Hochtouren: Während die Medien darüber spekulierten, ob US-Präsident Barack Obama seinen Staatsbesuch in Russland wegen der angespannten Situation um Edward Snowden absagt, stellten Baukolonnen im Eiltempo die Autobahn für die Gipfelteilnehmer fertig. Eine der wichtigsten Etappen bei den Vorbereitungen auf den Gipfel war das Treffen der Finanzminister und Zentralbankchefs der G-20 Ende Juli, das auch die inhaltliche Ausrichtung des Gipfels akzentuierte. Die Finanzminister kündigten in ihrem Abschlusskommuniqué drei Aktionspläne an: Einer ist den Möglichkeiten gewidmet, wie langfristige Investitionen erhöht werden könnten, und einer der Bekämpfung der Steuerflucht. Der dritte, dem die größte Bedeutung zugewiesen wird, ist der eigentliche „St. Petersburger Aktionsplan“. Er soll bis September ausgearbeitet und auf dem Gipfel vorgestellt und genau geprüft werden. Wie es in dem Kommuniqué heißt, ist sein Hauptanliegen, durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze ein ausbalanciertes Wirtschaftswachstum zu erreichen. Den Schwerpunkt bei den Gesprächen im September wird demnach die Stagnation der Weltwirtschaft bilden. Nicht nur die Europäer kämpfen mit strukturellen Problemen und anhaltender Rezession, auch die Entwicklungs- und Schwellenländer leiden unter rückläufigen Wirtschaftszahlen. Hinzu kommen die wachsenden Arbeitslosenzahlen aus den USA. Im Juli hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Prognose für das Weltwirtschaftswachstum im Jahr 2013 von 3,3 auf 3,1 Prozent herunterkorrigiert. Die Zahlen für die Industrieländer wurden allerdings nicht überarbeitet und blieben somit auf dem nicht gerade hohen Niveau von 1,2 Prozent. Auch die Zahlen zu den Schwellenländern gingen nach unten und sind ebenfalls ernüchternd. Das Bruttoinlandsprodukt von China werde demnach nicht

NATALIA MIKHAYLENKO

St. Petersburger Aktionsplan

QUELLE: IWF

um acht, sondern nur um 7,8 Prozent wachsen, das Brasiliens lediglich um 2,5 Prozent (statt drei) und das von Indien um 5,6 Prozent (anstatt 5,7). Auch in Russland läuten die Alarmglocken: Im Juli ist der Einkaufsmanagerindex (EMI) der russischen Fertigungsindustrie erstmals seit August 2011 unter

Wie wird der Entwicklungsmotor gestartet, und wie kann eine neuerliche Krise verhindert werden?

Zusammenhang von zwei wesentlichen Herausforderungen auf dem Weg, den Motor für die Weltwirtschaft wieder zum Laufen zu bringen: Zum einen ginge es um die Frage, wie der Investitionsprozess gestartet werden könnte. Und zum anderen darum, wie die Risiken durch eine Reform der internationalen Finanzarchitektur und durch eine Prävention von Ungleichgewichten, die eine neuerliche Krise evozierten, gemindert werden könnten.

Steuerflucht und Korruption wird der Kampf angesagt

wichtig sei es hier, so Lisowolik, „dass alle Länder in einem Boot sitzen und nicht einen Teil der Kapitalflüsse abzweigen“. Ein Thema, das im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung und Steuerflucht steht, ist ebenfalls Gegenstand des bevorstehenden Gipfels: die Korruption. Russland hat hier mit einem Aktionsplan

Das Thema Währungskriege, das in den Jahren 2011 und 2012 häufig diskutiert wurde, hat an Aktualität verloren.

tionalen Finanzarchitektur gehen und um Konzepte der Finanzregulierung. So wurde die Quotenüberarbeitung des IWF zugunsten der Schwellenländer bereits 2010 von den 20 Staaten angenommen. Doch gerade diese Reform liegt bis dato auf Eis, und das beunruhigt in erster Linie die BRICSStaaten.

Lockere Währungspolitik Das Thema Währungskriege, das auf den Treffen der G-20 in den Jahren 2011 und 2012 stark im Zentrum der Diskussionen stand, hat seine Aktualität indes ein wenig eingebüßt. Vor Moskaus G-20-Vorsitz hatte der Konflikt zwischen China und den USA allgemeine Besorgnis ausgelöst, ebenso die Währungsinterventionen Brasiliens. Die Lockerung von Chinas Geldund Kreditpolitik, die in der Folge eine merkliche Schwächung des Yen-Kurses mit sich brachte, hatte jedoch keine ernsthafte Kritik vonseiten der Politiker nach sich gezogen, die an den vorherigen Gipfeln teilgenommen hatten. Faktisch bedeutet dies, dass den Ländern in Zukunft erlaubt wird, eine lockere Währungspolitik zu betreiben – zur Lösung des aktuellen Hauptproblems: einer Stimulierung des Wirtschaftswachstums.

Um der weltweiten Wirtschaft neue Impulse zu geben, hat nun Russland in seiner Funktion als Vorsitzender der G-20 den Fokus auf eine Erhöhung des Investitionsvolumens gelegt. Jewsej Gurwitsch, Chef der Wirtschaftsexpertengruppe, sprach in diesem

Jaroslaw Lisowolik, Chefökonom der Deutschen Bank in Russland, sieht es als die vorrangige Aufgabe der G-20-Staaten an, erst einmal Institutionen zu schaffen, die jene Investitionen effektiv einsetzen können. Laut Dmitri Polewy, Wirtschaftsexperte der ING Bank, sei es notwendig, die Kontrollen hinsichtlich der Effektivität von Investitionen zu verstärken und zugleich die Politik der Mitgliedsstaaten zu verändern, um Investoren bessere Unterstützungen zukommen zu lassen. Ein weiteres Thema des Gipfels ist die Steuerhinterziehung. Es geht um die Abschaffung von Steueroasen und eine gemeinsame Abstimmung bei der Bekämpfung von Steuerflucht. Besonders

INFOVERANSTALTUNG HERMES – BUNDESGARANTIEN FÜR EXPORTE NACH RUSSLAND

VORTRAG DIE MODERNISIERUNG DER INFRASTRUKTUR IN RUSSLAND

12. SEPTEMBER, BUSINESS CENTER PETROWSKIJ FORT, ST. PETERSBURG

1. OKTOBER, HAUS DER COMMERZBANK, BERLIN

LESEN SIE MEHR ÜBER DIE RUSSISCHE WIRTSCHAFT AUF

Hochrangige Vertreter von PWC und Euler Hermes sowie Vertreter von Banken und Exportunternehmen geben an diesem Tag Auskunft über die Möglichkeiten, die Hermes-Garantien beim Export nach Russland bieten.

Sergej Schmatko, Sonderbeauftragter des Präsidenten für internationale Zusammenarbeit, erläutert auf Einladung des Deutsch-Russischen Forums die Modernisierung der Energieinfrastruktur seines Landes.

Die wichtigste Landwirtschaftsmesse Russlands versammelte im letzten Jahr 2500 russische und internationale Unternehmen. Parallel dazu findet ebenfalls auf dem Gelände des VVC die Messe für Landwirtschaftstechnik AgroTech statt.

Die Lokalisierung der Produktion in Russland bietet Chancen – birgt aber auch Risiken. Wie finde ich einen geeigneten Standort? Gibt es Unterstützung vom russischen Staat? Experten beantworten die Fragen von interessierten Unternehmern aus der Region.

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WIRTSCHAFTSKALENDER

50 Punkte auf das schlechteste Niveau seit Dezember 2009 gesunken. Zuvor hatten sich IWF und Weltbank pessimistisch zur Entwicklung der russischen Wirtschaft geäußert und die Prognosen für das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2013 auf 2,5 beziehungsweise 2,3 Prozent gesenkt.

Neue Krisen vermeiden

begonnen, der nun von Australien fortgeführt wird. Es geht darum, die Unabhängigkeit von Antikorruptionsbehörden sicherzustellen, der Geldwäsche den Kampf anzusagen und der staatlichen Korruption einen Riegel vorzuschieben. Darüber hinaus sei es wichtig, auch die Wirtschaft bei der Bekämpfung von Korruption stärker als bisher einzubinden. Diese – und eine Reihe weiterer Themen, an denen man auf dem G-20-Gipfel nicht vorbeikommen wird, hat Russland als neuer Vorsitzender von den anderen Staaten geerbt. Es wird um eine Fortsetzung der Reform der interna-

MESSE GOLDENER HERBST 2013 9.–12. OKTOBER, ALL-RUSSIA EXHIBITION CENTRE (VVC), MOSKAU

FORUM INVESTITIONSFORUM PRODUKTIONSLOKALISIERUNG 10. OKTOBER, IHK STUTTGART


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Wirtschaft

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Doing-Business-Report Russland will das Geschäftsklima verbessern und noch 2013 in die Top 100 aufrücken

Moskau hat sich gemausert

KIRILL RUDENKO RUSSLAND HEUTE

Mitte Juli führte eine russische Delegation Beratungsgespräche mit der Weltbank bezüglich der Verbesserung von Russlands Position auf der Rangliste Doing Business. Vertreter der Steuerbehörden, des Föderalen Dienstes für Staatliche Registrierung, Kataster und Kartografie, des Ministeriums für Wirtschaftsentwicklung, der Agentur für Strategische Initiativen und der Moskauer Stadtregierung stellten den Experten der Weltbank aktuelle Erhebungen zur Situation in der Hauptstadt vor und machten Vorschläge zur Korrektur der Methode bei der Erstellung des Doing-Business-Index. Im vergangenen Jahr belegte Russland den 112. Platz unter 185 Ländern. Dieses Jahr will man alles dafür tun, um es unter die ersten hundert zu schaffen. „Wir haben uns über fünf Indikatoren beraten lassen: die Registrierung von Eigentum, die

Erteilung von Baugenehmigungen, die Abwicklung internationaler Handelsoperationen, die Entrichtung von Steuern und den Anschluss an das Stromversorgungsnetz“, erklärt der Direktor des Departements für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik und der Entwicklung der Moskauer Regierung, Michail Prjadilnikow. „Im vergangenen Jahr haben wir die Bearbeitungszeiten verkürzt und die Zahl der Behördengänge für Verwaltungsangelegenheiten, die neue Unternehmen zu bewältigen haben, wesentlich verringert.“

Schneller, billiger, einfacher Nach Einschätzung der Weltbank mussten in Moskau 2012 noch Dutzende Behördengänge absolviert und 281 Tage dafür eingeplant werden, um ein ganz normales Grundstück an das Stromnetz anschließen zu lassen. In diesem Jahr, so versichert Prjadilnikow, wird das Ganze nur die Hälfte der Zeit in Anspruch nehmen: 146 Tage mit insgesamt vier Behördengängen. Auch die Anschlusskosten sollen sich um mehr als 90 Prozent verringern: „2012 betrugen sie 5,5 Millionen Rubel, inzwischen sind es nur noch 426 000 Rubel (etwa 10 000 Euro).“

Mehr Regionen einbeziehen

GETTY IMAGES/FOTOBANK

In der elfjährigen Geschichte des Doing-Business-Index war Russland kein einziges Mal unter den ersten hundert. Das soll sich ändern, eine Schlüsselrolle kommt dabei Moskau zu.

den: Laut Weltbank waren vor zwei Jahren noch 42 Behördengänge nötig, inzwischen muss man nur noch zwölfmal aufs Amt. Die Bearbeitungszeit verringerte sich von 344 auf 152 Tage. Die Entwicklung in Moskau ist von großer Bedeutung für die Position Russlands auf dem DoingBusiness-Index, weil die Stadt der wichtigste Wirtschaftsstandort des Landes ist. Dieser Umstand erklärt gleichzeitig auch, warum Russland es bisher nicht unter die ersten hundert Länder geschafft hat.

Moskau beeinflusst stark die Position Russlands auf der Rangliste.

ZAHL

281

Tage brauchte man 2012, um in Moskau ein normales Grundstück an das Stromnetz anschließen zu lassen, so die Einschätzung der Weltbank.

Bezüglich der restlichen Indikatoren hat sich die Situation in der Hauptstadt laut Regierung ebenfalls deutlich verbessert. Die Registrierung von Eigentum im Föderalen Dienst für Staatliche Registrierung, Kataster und Kartografie dauert nicht mehr 44 Tage wie im vergangenen Jahr, sondern nur noch die Hälfte der Zeit. Auch das Einholen einer Baugenehmigung ist unkomplizierter gewor-

Denn, so bekennt Michail Prjadilnikow, innerhalb Russlands belege die Stadt im Ranking nur den dreißigsten Platz. Eine Rolle dabei spielt wohl Moskaus Besonderheit als Großstadt und seine komplexe historische Bebauung: „In den nationalen Ranglisten Mexikos und Brasiliens liegen die Großstädte auch nicht auf einer Spitzenposition, und zwar vor allem nicht, weil sie – anders als Kleinstädte – alle Besonderheiten der komplexen Bebauung und des Anschlusses an die Versorgungsnetze berücksichtigen müssen. Ein Vorschlag für die Weltbank zur Anpassung ihrer Analysemethode war deshalb die Einbeziehung einiger russischer Schlüsselregionen bei der Erstellung der weltweiten Rangliste – damit die Bewertung Russlands etwas ausgewogener ausfällt.

Industrieparks Alternative zur Produktionslokalisierung in Russland

Gemachtes Bett für Investoren Immer mehr ausländische Unternehmen denken darüber nach, in Russland einen Fertigungsstandort zu errichten. Industrieparks bieten die Infrastruktur und Serviceleistungen. ALEXEJ RYMASCHEWSKIJ RUSSLAND HEUTE

Am 8. und 10. Oktober finden dazu in Düsseldorf und Stuttgart Investitionsforen unter dem Titel „Die Lokalisierung der Fertigung in Russland vor dem Hintergrund des Beitritts zur WTO“ statt. Organisiert werden die Veranstaltungen von der Vereinigung der Industrieparks Russlands (VdI) und der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK). Die VdI reguliert die Einrichtung von Industrieparks in Russland und kontrolliert die Einhaltung der Qualitätsstandards auf der Grundlage russischer und internationaler Erfahrungen. Inzwischen sind 55 Industrieparks in 27 russischen Regionen Mitglieder der VdI. Neben Geschäftsführern der Industrieparks sind auch regionale Planungs- und Bauunternehmen sowie Beratungsunternehmen wie Ernst & Young und Knight Frank vertreten. Nach Meinung Denis Schurawskijs, dem geschäftsführenden Direktor der VdI, ist das System der Parks gegenwärtig noch nicht voll entwickelt, wird jedoch in naher Zukunft ein wichtiges Instrument zur Stimulierung direkter Investitionen und zur Entwicklung der Industrialisierung im

Lande werden. „Die wachsende Zahl der Industrieparks wird die Schaffung neuer Arbeitsplätze und zunehmende Direktinvestitionen in die Realwirtschaft nach sich ziehen“, ist sich Schurawskij sicher. „Inzwischen sind bereits eine ganze Reihe von Industrieparks für die Großindustrie gegründet worden, für die es bei uns in der Regel aber keinen Bedarf gibt“, erklärt Schurawskij die Situati-

Mit den Veranstaltungen in Düsseldorf und Stuttgart wollen sich die Industrieparks den Investoren vorstellen. on. An großen Investoren hätten die Regionalverwaltungen jedoch ein erhöhtes Interesse, weil diese Tausende Arbeitsplätze und Milliarden Rubeln an Steuern generieren würden. „Dabei werden Industrieparks in erster Linie von Klein- und mittelständischen Unternehmen benötigt. Aber die Nachfrage aus dieser Richtung ist leider momentan nicht ausreichend gedeckt. Normalerweise sind dies moderne Hochtechnologiefirmen.“ „Außerdem“, so fährt Schurawskij fort, „ist über unsere Industrieparks im Ausland nur wenig bekannt. Wenn also jemand seine Fertigung in Russland lokalisieren möchte, nimmt die Suche nach dem geeigneten Standort

sehr viel Zeit in Anspruch.“ Mit den Veranstaltungen in Düsseldorf und Stuttgart wollen sich die Industrieparks nun den Investoren vorstellen. „Zudem brauchen die westlichen Unternehmen ein ‚gemachtes Bett‘, das heißt ein erschlossenes Grundstück mit vorhandenen Anschlusspunkten für Elektrizität, Gas und Wasser, mit rechtlich geklärten Grenzen sowie einer Verwaltungsfirma, die Dienstleistungen zur Verfügung stellt und Service anbietet“, erklärt Schurawskij. Vergangenen Juli schlug der erste stellvertretende Minister für Industrie und Handel der Russischen Föderation, Gleb Nikitin, beim Internationalen Investitionsforum in Moskau vor, im Regierungsprogramm zur Entwicklung der Industrie bis 2020 eine gesonderte Position für die Industrieparks hinzuzufügen. Außerdem erklärte Nikitin, dass es notwendig sei, nationale Standards für die Industrieparks entsprechend den russischen Rechtsnormen zu erarbeiten. Schurawskij unterstützt die Initiative der Beamten: „Die Industrieparks können sich ganz allein entwickeln und werden es auch tun, aber dieser Prozess wird mit staatlicher Unterstützung wesentlich effektiver verlaufen.“ Mehr Informationen zu den Veranstaltungen: Wladimir Nikitenko, nikitenko@russland-ahk.ru


Wirtschaft

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Transport Russland plant eine Hochgeschwindigkeitsstrecke von Moskau nach Kasan bis zur Fußball-WM 2018

Zwischen St. Petersburg, Moskau und Nischni Nowgorod geht es schon heute schnell – mit der ICE-Abwandlung Sapsan. Doch das Land braucht mehr Hochgeschwindigkeitstrassen. ALEXEJ POPOWITSCH RUSSLAND HEUTE

Die Russischen Eisenbahnen (RZD) geben Gas: Seit 2010 fährt der Schnellzug Allegro zwischen Helsinki und St. Petersburg, ein Jahr zuvor wurde die Strecke St. Petersburg–Moskau–Nischni Nowgorod in Betrieb genommen. Dort verkehrt der Sapsan, ein an russische Verhältnisse angepasster ICE, der unter anderem über eine andere Spurweite verfügt. Über die letzten Jahre haben die Züge mehr als 11,5 Millionen Passagiere befördert. Allerdings können sie aufgrund der Gleisqualität nicht ihre volle Geschwindigkeit ausfahren. Anfang August fand in Moskau eine Sitzung des wissenschaftlichtechnischen Rates der Russischen Eisenbahnen zu weiteren Schnell-

und Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken (HGS) statt. Aus mehr als 50 Varianten für die Verlegung der Trassen wurden die Verbindungen Moskau–St. Petersburg, Moskau–Nischni Nowgorod–Kasan–Jekaterinburg sowie MoskauRostow am Don–Adler bei Sotschi als aussichtsreichste Strecken zur Realisierung ausgewählt. Ihre Gesamtlänge könnte bei 3700 Kilometern liegen.

3,5 anstatt 14 Stunden Die HGS seien für Russland ein wichtiges geopolitisches Projekt, sagt der Vorsitzende des Komitees für Transportfragen der Staatsduma, Jewgenij Moskwitschew. Das Projekt HGS werde die Handels- und Industriekontakte zwischen den Regionen festigen und das Transitpotenzial Russlands erschließen. Der Ausbau der HGS, so glaubt Moskwitschew, wird es Russland zudem erlauben, beim Errichten des neuen HochgeschwindigkeitsTransportkorridors von China nach Europa mitzuwirken.

Start: Roter Platz

Dauer: 60 Min.

Häufigkeit: alle 20 Min.

Jahreszeit: ganzjährig

Tickets gültig: 24 Std.

Sprachen: Russisch, Englisch, Spanisch und Deutsch

PRESSEBILD

Mit 400 km/h und deutscher Technik zu den Tataren

Der Hochgeschwindigkeitszug Sapsan verbindet Moskau mit St. Petersburg und Nischni Nowgorod.

Im April 2013 gab der Vizepräsident der RZD, Alexander Mischarin, bekannt, dass das erste HGSProjekt in Russland die Strecke Moskau–Nischni Nowgorod– Kasan sein werde. Geplant ist, dass die Projektarbeiten bis Ende 2014 abgeschlossen sind und der Zug spätestens zur Fußballweltmeisterschaft 2018 rollt. Die Gesamtbaukosten der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken zwischen Moskau und Kasan werden auf 21,5 Milliarden Euro ge-

schätzt, davon sollen 15 Milliarden aus einem staatlichen Fördertopf fließen.

Hochgeschwindigkeitstrassen als Modernisierungsmotor Nach Vollendung des Projekts werden die Passagiere die Strecke von Moskau nach Kasan, die gut 800 Kilometer beträgt, in etwas mehr als drei Stunden zurücklegen. Gegenwärtig müssen sie noch 14 Stunden in den Zügen aushalten.

Nach Ansicht des stellvertretenden Dumavorsitzenden Alexander Schukow stellen die HGS „nicht nur eine Verbesserung der Transportinfrastruktur und der Lebensqualität der Bürger dar, sondern auch einen ernsthaften Beitrag für die Modernisierung der Wirtschaft. Hochgeschwindigkeitsstrecken sind eine Hochtechnologie, die für neue Arbeitsplätze sorgt, was auch einen Beitrag zum Wachstumstempo des BIP bedeutet.“

Die Gesamtlänge des Moskauer Straßennetzes beträgt 4350 Kilometer. Um diese Strecke zu Fuß mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5 km/h zurückzulegen, braucht man, Pausen nicht mitgerechnet, 36 Tage.

Große Moskworezki-Brücke Die Brücke liegt neben dem Spasski-Tor des Kremls. Am 28. Mai 1987 landete hier der deutsche Hobbypilot Mathias Rust nach seinem spektakulären Flug von Hamburg.

Udarnik

Roter Platz

Roter Oktober

Am Roten Platz befindet sich die Basilius-Kathedrale, ein Wahrzeichen Moskaus, sowie das Lenin-Mausoleum und das Warenhaus GUM.

Eine der ältesten Süßwarenfabriken Russlands, gegründet 1851 von dem Deutschen Ferdinand von Einem, ist heute ein Kulturzentrum.

Eines der ältesten Moskauer Kinos, erbaut im Jahr 1931. Bis zu Beginn der 1990er-Jahre war es das wichtigste Premierenkino Russlands.

Baltschug-Kempinski

Bolotnaja-Platz

Luxushotel auf einer künstlichen Insel, die beim Anlegen eines Wasserumleitungskanals der Moskwa entstanden ist.

Vom 15.–17. Jahrhundert war der Platz ein Ort für Volksvergnügungen. Außerdem wurden hier Kriminelle öffentlich bestraft.

Metrostation Kropotkinskaja Große Steinbrücke

Die Metrostation wurde 1935 im ersten fertiggestellten Abschnitt des Moskauer Metronetzes eröffnet. Bis 1957 war sie nach dem Palast der Sowjets benannt, einem Bauvorhaben, das an der Stelle der 1931 gesprengten Christ-ErlöserKathedrale umgesetzt werden sollte. Der Bau des Palastes wurde vor Beginn des Zweiten Weltkriegs gestoppt.

Puschkin-Museum Eines der größten und bedeutendsten russischen Museen mit europäischer und außereuropäischer Kunst.

ArbatskajaPlatz

Alexandergarten Der älteste Park Moskaus wurde im 18. Jahrhundert angelegt. Hier befinden sich historische Objekte wie der Kutafja-Turm, die Italienische Grotte und ein Obelisk zum 300-jährigen Bestehen der Romanow-Dynastie.

Ochotnyj Rjad

Siwzew Wraschek ek Pereulok

Bolschoi-Theater Eines der größten russischen und weltweit bedeutendsten Schauspielhäuser für Oper und Ballett. Seine Frontalansicht ist eins der Wahrzeichen Russlands.


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Thema des Monats

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INTERVIEW GROSSFÜRSTIN MARIA ROMANOWA

LANG LEBE DER ZAR! DAS OBERHAUPT DER HISTORISCHEN ZARENDYNASTIE LEBT IN SPANIEN, MÖCHTE JEDOCH IN SEINE HEIMAT ZURÜCKKEHREN. ABER NUR WENN RUSSLAND DIE MONARCHIE WIEDER ANERKENNT 2013 begeht das Zarenhaus der Romanows den 400. Jahrestag seines Bestehens. Was bedeutet das für Sie? Für mich ist der Jahrestag nur ein Teil des großen nationalen Jubiläums, welches das Ende der „Zeit der Wirren“ und die Auferstehung des russischen Staates markiert. Unsere Dynastie wurde 1613 vom gesamten Volk durch Synode und Reichsversammlung zur Zarenherrschaft berufen. Die Entscheidung untermauerte die Ergebnisse des Befreiungskrieges – ein Ereignis, das aus der Geschichte nicht wegzudenken ist. Doch der Sieg wurde errungen dank des opferreichen Einsatzes und der Heldentaten von Vertretern aller Stände in Russland. Deshalb bin ich überzeugt, dass dem 400. Jahrestag des Endes der „Zeit der Wirren“ gebührend gedacht werden wird. Ich meine jedoch, dass wir dieses Jubiläum in erster Linie mit Gebeten, Wohltätigkeit und Aufklärung begehen sollten.

Erheben Sie als Monarchin politische Ansprüche? Ich erhebe keinerlei Ansprüche, bitte nicht um die Rückgabe von Besitztümern, verlange keine Privilegien und Vergünstigungen. Allerdings erwarte ich, dass der Prozess der Reintegration der Dynastie in den modernen russischen Staat ebenso verläuft wie in anderen europäischen Ländern und ein Rechtsakt durchgeführt wird, der die russische Monarchie als Objekt des historischen und kulturellen Erbes gemäß Artikel 44 der russischen Verfassung schützt. Ich glaube, dass alle juristischen Fragen früher oder später geklärt werden und wir nach Russland zurückkehren.

GEBURTSORT: MADRID ALTER: 59 BERUF: GROSSFÜRSTIN

Maria Wladimirowna Romanowa wurde 1953 als Tochter von Wladimir Romanow, einem Nachfahren Alexanders II. geboren. Aus der Ehe mit Franz Wilhelm von Preußen ging 1981 ihr Sohn Georgi hervor, den sie zum Zarewitsch (Thronfolger) erklärte.

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Sie sind mehrfach mit der russischen Staatsführung zusammengekommen. Allerdings trugen diese Treffen inoffiziellen Charakter. Ist eine offizielle Begegnung mit dem Präsidenten Russlands absehbar? Das hängt ganz vom Präsidenten ab. Ich verstehe, dass diese Angelegenheit sehr heikel ist und verschiedene Aspekte der Innen- und Außenpolitik berührt. Es muss ein passender Zeitpunkt für eine derartige Begegnung gefunden werden. Einige Länder wie beispielsweise Spanien haben viele Jahre gebraucht, um eine offizielle Begegnung des amtierenden Staatsoberhaupts mit dem Oberhaupt der Monarchie herbeizuführen. Ich bin jedoch überzeugt, dass ein solches Treffen die gegenseitige Achtung stärkt. Wenn als Ergebnis Schritte zur Entwicklung der Beziehungen zwischen dem modernen Staat und der traditionsbewahrenden Institution der Monarchie festgelegt werden, kann das dem Land und seinem Image sehr nutzen. Glauben Sie an eine Wiedergeburt der Monarchie in Russland? Die Idee der Monarchie kann Perioden des Aufschwungs und des Abflauens erleben, doch es wird sie stets geben. Noch vor einhundert Jahren waren Republiken eine seltenere Erscheinung als Monarchien. Das 19. und das 20. Jahrhundert waren eine Epoche der Revolutionen. Aber die Verbreitung der republikanischen Staatsordnung hat die Menschheit nicht vor Kriegen, Terror gegen das ei-

gene Volk oder sozialökonomischen Katastrophen bewahrt, von den geistigen und moralischen Krisen ganz zu schweigen. Man kann Tausende Argumente gegen die Monarchie ins Feld führen und ihr eine Vielzahl von Unzulänglichkeiten zuschreiben. Aber hat uns die Republik davon erlöst? Meiner Meinung nach wurden diese Unzulänglichkeiten nur noch vertieft. Das Beispiel der Wiedereinführung der Monarchie in Spanien ist ausgesprochen lehrreich, was nicht heißt, dass man es in Russland einfach kopieren kann. In Spanien verhinderte die Monarchie einen neuen Bürgerkrieg. Gibt es denn Anzeichen für eine Annäherung? Präsident Putin verwies bereits im Jahr 2000 in seiner ersten ausführlichen Botschaft an die Nation, dem Buch „Ot perwogo liza“ (in Deutschland unter dem Titel „Aus erster Hand, Gespräche mit Wladimir Putin“ erschienen. Anm. d. Red.) auf die spanische Erfahrung und bewertete sie positiv. Russland mit seiner Vielzahl an Völkern, die unterschiedliche religiöse und kulturelle Traditionen haben, kann ein einendes Symbol aus Fleisch und Blut, wie es ein legitimer Erbmonarch nun einmal darstellt, von Nutzen sein. Würden Sie gern am politischen Leben Russlands teilnehmen? Ein Monarch oder das Oberhaupt einer Dynastie muss sich aus politischen Konflikten heraushalten. Seine Pfl icht besteht darin, die

Was Russen über die Monarchie denken

ALYONA REPKINA

Sie sind in Madrid geboren, haben in Oxford studiert und den größten Teil Ihres Lebens in Spanien verbracht. Dennoch sagen Sie immer wieder, Ihr Zuhause sei Russland. Warum kehren Sie nicht nach Hause zurück? Wäre ich eine Privatperson, könnte ich jederzeit nach Russland zurückkehren. Aber ich stehe in der Pflicht, den Erhalt des von mir geführten russischen Herrscherhauses als historischer Institution zu gewährleisten. In allen zivilisierten Ländern sind die Chefs der Dynastien erst dann endgültig zurückgekehrt, wenn der Staat ihren rechtlichen Status eindeutig festgeschrieben hat. Das Beispiel Frankreichs, Italiens oder auch Afghanistans, deren Königshäuser vertrieben wurden, später jedoch zurückkehrten, macht deutlich, dass der Rechtsstatus einer nicht herrschenden Monarchie in einem republikanischen Staat durchaus möglich ist und nicht im Widerspruch zu Verfassung und Gesetzgebung steht.

BIOGRAFIE

QUELLE: ALLRUSSISCHES MEINUNGSFORSCHUNGSZENTRUM (WZIOM)

Nation zu einen. Er sollte seinen Namen nicht mit irgendeiner Partei in Verbindung bringen, selbst wenn sie ihm ideologisch nahesteht. Weder ich noch mein Sohn Georgi werden uns jemals an einem Parteienkampf beteiligen, das ist unsere Position. Wir sind absolut apolitisch. Wenn die Bevölkerung Russlands die Monarchie wiederbeleben möchte, erfüllen wir oder unsere legitimen Erben unsere Pflicht. Doch wenn das geschieht, wird der legitime Monarch nicht als Anführer irgendeiner Partei auf den wiedererrichteten Thron zurückkehren, sondern lediglich als Oberhaupt einer historischen Dynastie. Er wird die Nähe zu allen Bürgern suchen und allen Parteien und Gruppierungen zuhören, aber keiner angehören.

Sie haben mehrmals erklärt, keine Ansprüche auf Besitztümer der Romanow-Dynastie zu erheben. Ich bin gegen eine Restitution, fordere oder erbitte nichts und rate jedem davon ab, es zu tun. Ich hoffe, wir werden in Zukunft der Versuchung entgehen, ein weiteres Mal „alles zu nehmen und aufzuteilen“. Eine neuerliche Umverteilung würde eine Vielzahl von Konflikten heraufbeschwören. Diejenigen, denen der Besitz genommen wurde, und diejenigen, die sich den Besitz damals aneigneten, leben schon lange nicht mehr. Die Nachkommen der Akteure jener schmerzlichen, furchtbaren Ereignisse sollten keine Rache nehmen wollen. Das Interview führte Jelena Nowikowa


Thema des Monats

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Die Zarendynastie Romanow

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Geschichte Jelzin, Putin und der letzte Zar

1645–1676

1676–1682

Michail I.

Alexej I.

Fjodor III.

• Bewältigte die Folgen der „Zeit der Wirren“ • Unterzeichnete einen Friedensvertrag mit Schweden • Zentralisierung der Macht BEKANNT FÜR: Erster Zar der Romanows, Wahl zum Zaren im Alter von 16 Jahren.

• Anschluss der linksufrigen (östlich des Dnepr gelegenen) Ukraine • Reformierung der Kirche • Bauernaufstand unter Stenka Rasin BEKANNT FÜR: Gefangennahme von Patriarch Nikon, Beginn der Spaltung der orthodoxen Kirchen.

• Volkszählung • Steuerreform • Krieg mit dem Osmanischen Reich (1676–1681) BEKANNT FÜR: Seine Neigung zu allem Polnischen, Verurteilung des altgläubigen Protopopen Awwakum zum Tode auf dem Scheiterhaufen.

1682–1696

1682–1725

1725–1727

Iwan V.

Peter I.

Katharina I.

Der letzte Zar Nikolaus II. mit seinen Kindern und Neffen 1915

• Wurde zusammen mit seinem Halbbruder Peter I. zum Zaren gekrönt, die Regentschaft hatte jedoch seine Schwester Sofia inne. Iwan V. hielt sich aus den Staatsgeschäften heraus. BEKANNT FÜR: Sein geistig minderbemitteltes und kränkliches Wesen.

• Gestaltete das Russische Reich um • Sieg im Großen Nordkrieg gegen Schweden, Zugang zur Ostsee BEKANNT FÜR: Inkognito-Reise durch Europa, Aufbau der Russischen Flotte, Verhängung des Todesurteils über seinen Sohn wegen Hochverrats.

• Befasste sich nicht mit Staatsgeschäften. Das Land wurde vom Obersten Geheimen Rat regiert, den Fürst Alexander Menschikow leitete. BEKANNT FÜR: Veranstalten pompöser Feste in ihrer Residenz Zarskoje Sjelo bei St. Petersburg.

Vom Opfer der Bolschewiki zum starken Politiker

1727–1730

1730–1740

1740–1741

Peter II.

Anna I.

Iwan VI.

• Aufgrund seines jungen Alters hinterließ Peter II. keine nennenswerten Spuren in der russischen Geschichte. Faktisch wurde das Land vom Obersten Geheimen Rat regiert. BEKANNT FÜR: Verstarb im Alter von 14 Jahren an den Pocken.

• Löste den Obersten Geheimen Rat auf • Reformierte die Russische Flotte BEKANNT FÜR: Neigung zu Tratsch und Intrigen, kostspielige Feste, Übertragung der Staatsgeschäfte auf ihren Günstling Ernst Johann von Biron.

• Russlands „Mann mit der eisernen Maske“. Regierte ein Jahr lang als Kind • Wurde gestürzt und 23 Jahre in Gefangenschaft gehalten • 1764 bei Befreiungsversuch ermordet BEKANNT FÜR: Im Alter von zwei Monaten zum Zaren gekrönt.

1741–1762

1761–1762

1762–1796

Elisabeth I.

Peter III.

Katharina II.

• Schaffte die Todesstrafe ab • Siebenjähriger Krieg mit Preußen, Besetzung Berlins BEKANNT FÜR: Förderung von Wissenschaft und Kultur, Eröffnung der Staatlichen Moskauer Universität.

• Frieden mit Preußen nach Siebenjährigem Krieg, übereignete die eroberten Gebiete wieder Preußen BEKANNT FÜR: Sein ignorantes und feiges Wesen, Trunksucht und Verehrung des preußischen Militärdrills.

• Politik des aufgeklärten Absolutismus • Anschluss der Krim • PugatschowAufstand BEKANNT FÜR: Korrespondenz mit Voltaire und Diderot, ihre Klugheit und zahlreiche Geliebte.

1796–1801

1801–1825

1825–1855

Paul I.

Alexander I.

Nikolaus I.

• Militärreformen nach preußischem Vorbild • Einführung der Zensur und Erlass über ein Einfuhrverbot ausländischer Bücher BEKANNT FÜR: Sein Image eines „Russischen Hamlet“, sein tyrannisches und despotisches Wesen.

• Sieg über Napoleon im Krieg von 1812 • Gemäßigt liberale Reformen • Annektierte Polen und Finnland BEKANNT FÜR: Die durch ihn verfügte Verbannung des großen russischen Dichters Alexander Puschkin in den Kaukasus.

•Dekabristenaufstand • Isolationspolitik gegenüber Europa BEKANNT FÜR: Die Befreiung des Dichters Alexander Puschkin aus dem Exil, seine Bekämpfung der Korruption, seine konservative Politik, antijüdische repressive Bestimmungen.

1855–1881

1881–1894

1894–1917

Alexander II.

Alexander III.

Nikolaus II.

• Ära liberaler Reformen • Expansion des Russischen Reichs • Balkanfeldzug BEKANNT FÜR: Abschaffung der Leibeigenschaft, seinen Tod durch einen Bomben-Terroristen an jenem Tag, an dem er eine liberalere Verfassung billigen wollte, die ihm gewidmete Auferstehungskirche.

• Intensive Industrialisierung • Zollkrieg mit Deutschland, Union mit Frankreich BEKANNT FÜR: Seine körperliche Größe und Kraft, seine Bekämpfung des Terrorismus, die Ausweitung der Befugnisse der Geheimpolizei, seine antiliberale Politik.

• Erster Weltkrieg • Russische Revolution von 1917 • Ende der Monarchie BEKANNT FÜR: Seine unbeschwerte Natur und Sentimentalität, seine Gefangennahme und Ermordung mitsamt seiner Familie durch die Bolschewiki in Jekaterinburg im Jahr 1918.

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1613–1645

Unter Jelzin erfuhr Nikolaus II. seine Rehabilitierung als gerechter Herrscher, später wurde er sogar heiliggesprochen. In Umfragen lässt er heute Stalin und Breschnew hinter sich. ALEXANDER MOROSOW FÜR RUSSLAND HEUTE

Zum Ende der Sowjetunion galt der Mord an der Zarenfamilie als Inbegriff der gnadenlosen und brutalen Sowjetherrschaft. Das Interesse an der Person des Zaren war jedoch gering. Anfang der 1990er-Jahre wurden dann Rufe nach seiner Heiligsprechung laut. Weil das Verhältnis Nikolaus II. zur Geistlichkeit unter anderem wegen der Rolle Rasputins an seinem Hof gespannt war, konnte sich die Kirche zunächst nicht einig werden. Es folgten ein Meer an Literatur und Filme, in denen der Zar entgegen der bestehenden Wahrnehmung als „Mensch mit starkem Willen“ rehabilitiert wurde. Die politische Stunde Nikolaus II. schlug Ende der 1990er-Jahre, als die Positionen der Liberalen und mit ihnen Jelzin ins Wanken gerieten. Jelzins zweite Präsidentschaft fiel in die Zeit einer tief greifenden Spaltung der Gesellschaft. Die Hoffnungen auf eine baldige Integration in die westliche Welt nach dem Fall des Kommunismus waren versiegt. Nikolaus II. wird in dieser Zeit zu einer Identifikationsfigur für den Widerstand konservativer und monarchistischer Kräfte, zum Symbol einer sakralen Macht in Russland, die berufen ist, das Volk und seinen Glauben vor einer weltweiten Verschwörung der gottlosen westlichen Zivilisation zu schützen. Jelzin versuchte, diese Kräfte als neue politische Basis für sich zu gewinnen. Schon 1993 gründete er eine Kommission zur Identifizierung der sterblichen Überreste der Zarenfamilie, die fünf Jahre lang an dieser Aufgabe arbeitete. Die endlosen Diskussionen und Expertisen kamen erst im Jahr 1998 mit einer staatlichen Begräbniszeremonie zu einem Ende. Im Jahr 2000 schließlich sprach der russische Patriarch den letzten Zaren samt Familie heilig.

Mit der Präsidentschaft von Wladimir Putin wurde es stiller um Nikolaus II. Er verlor in der „Erinnerungspolitik“ des Kremls seine prominente Rolle. Putin interessierte sich nicht sonderlich für die vorsowjetische Ära. Während seiner ersten Amtszeit versuchte er, den „langen russischen Bürgerkrieg des 20. Jahrhunderts“ symbolisch zu beenden. Einerseits hielt er an der alten sowjetischen Staatshymne fest. Andererseits pflegte er demonstrativ Beziehungen zu dem der Monarchie zugeneigten Alexander Solschenizyn und veranlasste die Umbettung der Gebeine im Ausland verstorbener weißer Generäle nach Moskau. Nach 2005, als seine Macht gefestigt war, versuchte Putin, ein Pantheon russischer Herrlichkeit zu errichten. Hier fanden Alexander Newski, Stalin, Lenin, Juri Gagarin, der bekannteste Heilige Serafim Sarowski und Marschall Georgi Schukow einen Platz. Und auch Zar Nikolaus II. wurde aufgenommen. Doch Putins Zugang zur Geschichte ist wenig emotional. Es geht ihm eher um praktische und technische Fragen des Regierens. Daher wird Nikolaus II. von ihm neben viele andere russische Herrscherfiguren als Vorgänger seines „aufgeklärten Autoritarismus“ eingereiht. Die russische Gesellschaft ist hinsichtlich der eigenen Geschichte noch immer gespalten. Bei einer Umfrage von 1994 zur Frage „Welche historische Figur würden Sie als echten russischen Patrioten bezeichnen?“ war Nikolaus II. nicht unter den ersten zehn. Nur fünf Prozent der Befragten hielten ihn für einen Patrioten. Heute sieht es ganz anders aus. Nach der jüngsten Umfrage des Lewada-Zentrums bewerten nur vier Prozent die Rolle Jelzins und Gorbatschows als positiv. Diese werden von Stalin, Breschnew (beide 13 Prozent) und Nikolaus II. (14 Prozent) deutlich überflügelt. Der Zar vereint die wenigsten Negativattribute in sich. Er wird geschätzt, ohne dass er mit Tyrannei und Gewaltherrschaft in Verbindung gebracht wird.


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Gesellschaft

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Adoption Ein deutsches Ehepaar wollte ein russisches Kind aufnehmen. Dann waren es plötzlich zwei

Wie Marion Gaedicke ihre beiden Töchter fand Nina und Ljuba wurden vor zwölf Jahren von deutschen Eltern adoptiert. Dass ihre leiblichen Mütter in Russland leben, wissen die Gymnasiastinnen – und nehmen es sehr gelassen.

Marion Gaedicke gegen den Obersten Gerichtshof

TATJANA MARSCHANSKICH

AFP/EASTNEWS

FÜR RUSSLAND HEUTE

Nina wurde in Petrosawodsk, der Hauptstadt der Republik Karelien, geboren. Die leibliche Mutter sagte sich von ihr los, als sie noch nicht einmal ein Jahr alt war, deshalb wurde die Kleine in ein Kinderheim eingewiesen. Nach dem Gesetz hatten zuerst adoptionswillige Russen die Möglichkeit, das Baby aufzunehmen. Als das nicht geschah, erfuhren Marion Gaedicke und ihr Mann durch das deutsche Jugendamt von der kleinen Nina. „Wir haben uns gleich bei unserer ersten Begegnung in Nina verliebt“, schwärmt Adoptivmutter Marion und präsentiert auf ihrem iPhone ein Foto ihrer heute 13-jährigen Tochter. „Das ist sie!“ Ein blondes Mädchen mit geschminkten Lippen blickt in die Kamera. „Nina ist in der Pubertät, da werden alle Lippenstifte mal durchprobiert“, ergänzt Marion Gaedicke lächelnd.

Oben: Mehr als ein Drittel der russischen Waisenkinder wurde 2012 von ausländischen Eltern aufgenommen.

Auf zu Nina nach Karelien

Links: „Wunschkind. Geschichte einer Adoption“: In diesem Buch, erschienen 2009 bei Hoffmann und Campe, schildert Marion Gaedicke ihre Odyssee durch die russischen Behörden, als sie ihr erstes Kind adoptierte. FLORIAN LIEDL

Die Fernsehproduzentin Marion und ihr Mann konnten keine leiblichen Kinder bekommen, und eine Inlandsadoption kam aus Altersgründen nicht infrage. Deshalb schlug Marion vor, ein Kind aus Russland zu adoptieren, denn sie ist in der DDR groß geworden, mochte die russische Sprache und war als Kind und Jugendliche voller Begeisterung in die Sowjetunion gereist. Mithilfe des deutschen Jugendamts suchten die Eheleute 1999 Unterstützung bei einer Organisation, die Adoptionen in Russland vermittelt, legten die erforderlichen Dokumente vor und mussten anschließend geduldig warten. Erst nach etlichen Monaten erhielten sie eine Einladung nach Petrosawodsk, um Nina kennenzulernen.

Verbot von Auslandsadoptionen Ende Dezember 2012 unterzeichnete Wladimir Putin das Dima-JakowlewGesetz, das US-Amerikanern verbietet, russische Kinder zu adoptieren. Moskau reagierte damit auf Sanktionen der USA gegen russische Beamte, die am Tod des inhaftierten Anwalts Sergej Magnizki im Jahr 2009 beteiligt gewesen sein sollen. Auch homosexuelle Paare aus Ländern, in denen gleichgeschlechtliche Ehen erlaubt sind, und Unverheiratete müssen in Zukunft erhebliche Auflagen bei der Adoption von russischen Waisenkindern erfüllen. In ihrer Haltung zu Auslandsadoptionen weiß die Regierung die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Laut

gen und Mädchen nach dem Leben im Heim nichts Gutes.“ Die traurige Statistik des Forschungsinstituts für Probleme des Kindesalters der Russischen Kinderstiftung weist aus, dass jeder dritte Zögling eines Kinderheims ein Jahr nach der Entlassung auf der Straße lebt, jeder fünfte straffällig wird und jeder zehnte Selbstmord begeht.

Als das Paar im Heim eintraf, war ein Teil der Kinderschwestern anfangs sehr zurückhaltend. „Dabei haben wir uns überhaupt nicht so benommen wie typische Westeuropäer. Wir sind gleich auf das Kind zugelaufen und haben mit ihm gespielt, während typische westliche Adoptionsbewerber in der Regel viel Spielzeug mitbringen, es den Kindern hinlegen und dann nicht wissen, was sie weiter tun sollen.“

„Ihr kauft unsere Kinder weg“ Einmal bekam die Deutsche von einer Mitarbeiterin des Kinderheims zu hören: „Ihr Ausländer kauft unsere Kinder weg.“ Das hat Marion damals gekränkt. „Kinder sind keine Ware, und sie sind nicht käuflich. Wir bezahlten lediglich die offiziellen Gebühren der Vermittlungsstellen und später einen Anwalt. Russland ist dafür verantwortlich, dass es so viele Sozialwaisen gibt. Wenn Einheimische sie nicht adoptieren wollen und wir, die Ausländer, sie nicht zu uns in eine Familie nehmen dürfen, erwartet diese Jun-

Kinderadoption in Russland (2012)

WZIOM (Allrussisches Zentrum für Meinungsforschung) waren im Januar 2012 über 50 Prozent der Bevölkerung dafür, Ausländern die Adoption von Kindern aus Russland zu verbieten, Anfang März 2013 waren es bereits 64 Prozent. Zu Beginn des Jahres 2012 waren in Russland mehr als 650 000 Kinder als Waisen erfasst, obwohl in 80 Prozent der Fälle leibliche Eltern vorhanden sind. Anfang 2013 wurde von den Gesetzgebern ein Maßnahmenpaket erarbeitet, das ihre Adoption durch Bürger der Russischen Föderation befördern soll. Nach Meinung von Experten wurde das Problem elternloser Kinder dadurch jedoch nicht gelöst. QUELLE: MINISTERIUM FÜR BILDUNG UND WISSENSCHAFT

Als Marion und ihr Mann bereits mit Nina nach Deutschland fahren wollten, stoppte ein Gericht das Adoptionsverfahren. In den Unterlagen wurde das Mädchen als Waise geführt, doch nun stellte sich heraus, dass die leibliche Mutter lebte. Außerdem hatte man dem deutschen Paar den Gesundheitsbericht des Kindes nicht ausgehändigt. Die Richterin ordnete an, dass Mitarbeiter des Sozialdienstes noch einmal in das Dorf der Mutter fahren sollten. Sie könnte es sich ja doch noch anders überlegen. Die staatlichen Vertreter fanden nicht nur die Mutter, sondern auch die Großmutter des Mädchens, doch niemand hatte Interesse an Nina. Am Ende verweigerte das Gericht jedoch – trotz der zusätzlich beigebrachten Dokumente – die Adoption und begründete den Schritt mit Verfahrensfehlern. Marion war völlig verzweifelt. Den Vorschlag der Staatsanwältin, an Ninas Stelle ein anderes Kind aufzunehmen, schlugen die beiden aus und reichten stattdessen Berufungsklage beim Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation ein. „Sie haben keine Chance“, so die Einschätzung der Anwälte, „bis jetzt haben in derartigen Fällen die Ausländer ausnahmslos verloren.“ Marion Gaedicke gewann den Prozess. Man braucht diese Frau nur einmal zu sehen, um zu verstehen, warum. „Wenn den Rechtsanwälten irgendein Papier gefehlt hat, bin ich selbst zu den Behörden gegangen und habe versucht, das Dokument mit meinem holprigen Russisch zu besorgen“, erklärt die Journalistin.

Eine russisch-deutsche Familie Als das Gericht zugunsten von Marion und ihrem Mann entschied, waren beide überglücklich. Kurz darauf durften sie noch ein zweites Mädchen aus dem Kinderheim in Petrosawodsk adoptieren: Die kleine Ljuba wurde Ninas jüngere Schwester, diesmal ohne Schwierigkeiten. Seit zwölf Jahren leben die Adoptiveltern mit ihren Töchtern in Süddeutschland. „Für uns ist wichtig, dass Nina und Ljuba wissen, wie ihre erste Heimat denn so ist“, sagt die neue Mutter. „Deshalb sind wir nach St. Petersburg gefahren, im nächsten Sommer wollen wir nach Karelien. Nina hat in der Schule Referate über Russland gehalten.“ Aus der Herkunft der Mädchen machen ihre Eltern kein Geheimnis, beide wussten seit frühester Kindheit, dass sie Adoptivkinder sind. Jede der Töchter besitzt ein Foto ihrer leiblichen Mutter, das Marion aufgetrieben hat. Vor einiger Zeit haben die Mädchen ihren Müttern Briefe geschrieben und von ihrem glücklichen Leben in Deutschland erzählt. Eine Antwort ist nicht eingetroffen. Noch nicht.


Reportage

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Sotschi 2014 Im Februar beginnen die Spiele

In fünf Monaten beginnen im bekannten Badeort Sotschi die Olympischen Winterspiele. Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung? Und wie weit sind die Vorbereitungen? PAULINE TILLMANN FÜR RUSSLAND HEUTE

Überall wird gehämmert, gebohrt und gemörtelt. Sotschi ist mit seinen 145 Kilometern die längste Stadt Europas. Momentan braucht man zwei Stunden mit dem Bus, um vom Zentrum zum Olympiapark zu gelangen. Das größte Problem sind die Staus. Und so fließt das meiste Geld nicht in die Stadien, sondern in die Infrastruktur. Bis eine neue Autobahn oder eine Zugtrasse fertiggebaut ist, das dauert. Deshalb leiden die Bewohner von Sotschi seit Jahren unter Staub und Lärm. Auf der Großbaustelle Sotschi sind derzeit 30 000 Arbeiter im Einsatz. Das ist auch nötig, denn es bleibt nicht mehr viel Zeit bis zum 7. Februar 2014, dem Eröffnungstag der Olympischen Winterspiele. Und da die Spiele von Präsident Wladimir Putin zur Chefsache erklärt wurden, müssen es die besten aller Zeiten werden. Schon jetzt ist klar: Es werden die teuersten Spiele der olympischen Geschichte.

Streit um die Mehrkosten Ursprünglich waren die Kosten auf rund zehn Milliarden Euro veranschlagt. Ein Jahr vor Spielbeginn wurde die Summe dann auf 40 Milliarden Euro korrigiert – 10 Milliarden mehr, als die bombastischen Sommerspiele in Peking 2008 kosteten. Die größten Sorgen bereiteten den Verantwortlichen die beiden Skisprungschanzen: zwei Jahre Bauver-

zögerung und siebenmal höhere Kosten. Das machte selbst Präsident Putin bei seiner letzten Stippvisite stutzig, und kurzerhand feuerte er den Vizechef des Nationalen Olympischen Komitees, Achmed Bilalow. Wer nun für die Mehrkosten aufkommen wird, ist unklar. Ursprünglich sollten einen Großteil der „olympischen“ Ausgaben Oligarchen wie Oleg Deripaska und Wladimir Potanin stemmen. Doch auch deren Geduld ist zu Ende. Im Olympiapark sind die meisten der elf Bauprojekte bereits fertig. Einzig das Stadion, in dem die Eröffnungs- und Abschlussfeier

Künftig sollen die wohlhabenden Russen zum Skifahren nicht mehr nach Kitzbühel, sondern nach Sotschi. stattfinden sollen, ist noch nicht bezugsfertig. In allen anderen Hallen wurden bereits Testläufe und internationale Wettbewerbe ausgetragen. Bei so viel Bauwut stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit. Denn Sotschi ist ein Badeort mit 450 000 Einwohnern. Wie will man es später schaffen, elf olympische Objekte zu nutzen und dabei wirtschaftlich zu betreiben? Vier Hallen wurden so konstruiert, dass man sie nach den Spielen demontieren und an anderer Stelle wieder aufbauen könnte. Dann entschied die politische Führung jedoch, alles an Ort und Stelle zu lassen. Der neue Plan: Der Kurort Sotschi soll im Anschluss an den Olympiarummel zu einem internationalen Tummelplatz des Sports werden.

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Endspurt am Schwarzen Meer: die Welt zum Staunen bringen Auf der Großbaustelle Sotschi an der Schwarzmeerküste sorgen mehr als 30 000 Arbeiter für Bewegung.

Im Zentrum werden mehr als 20 neue Hotels gebaut, die das Stadtbild schon jetzt sehr verändert haben. Sie wollen nicht so recht zu den fünfstöckigen Traditionsbauten passen.

Skispringen in den Subtropen? Heute ragen an vielen Stellen Hochhäuser in den Himmel, und bei manchen Einwohnern sorgen sie für Unmut. Wie bei Wladimir Kimajew. Der Umweltschützer beklagt, die Winterspiele seien eine Tragödie. Viele Grünflächen seien verschwunden, stattdessen würden überall diese „Glas-BetonKlötze“ entstehen. „Das dreiwöchige Fest ist ein Verbrechen gegen die Natur und vor allem gegen die Menschen“, so Kimajew. Damit meint er die rund 2000 Einwohner, die aufgrund der gigantischen Bauvorhaben umgesiedelt werden mussten. Die meisten Bewohner der Imeretinskaja-Bucht, in der ein Großteil der olympischen Objekte entsteht, mussten inzwischen in neu gebaute Häuser ziehen. Allerdings sind manche durch das Raster gefallen. Der 55-jährige Andrej Martenew ist einer von ihnen. Er hatte auf dem Gelände des Olympiaparks ein Haus gekauft. Später wurden ihm Formfehler nachgewiesen, woraufhin das Haus abgerissen wurde. Seit Januar wohnt er mit seiner Frau in einem ehemaligen Sowjetbunker, auf einer Fläche von acht Quadratmetern.

ZAHLEN

40 Milliarden Euro werden voraussichtlich für die Vorbereitung der Winterspiele in Sotschi ausgegeben. Damit sind es die teuersten Spiele aller Zeiten.

42 000 neue Hotelzimmer werden für die Sportler und Olympiagäste benötigt. Im Zentrum von Sotschi werden dafür mehr als 20 neue Hotels gebaut.

2000 Menschen wurden umgesiedelt, um Platz für die olympischen Objekte zu schaffen, die meisten von ihnen stammen aus der Imeretinskaja-Bucht.

„Wir müssen den Freiwilligen beibringen, zu lächeln und hilfsbereit zu sein“, sagt Sergej Tscheremschanow, Leiter der 25 000 Helfer, die während der Winterspiele im Einsatz sein werden.

Eine Entschädigung ist bislang nicht in Sicht. „Am schlimmsten war der Tag, an dem die Bulldozer angerückt sind und den Traum eines eigenen Hauses mit einem Streich zertrümmert haben“, erinnert sich Martenew. Und es will ihm einfach nicht in den Kopf, warum Winterspiele in den Subtropen stattfinden müssen. Aber gerade das war die Idee – man will die Welt zum Staunen bringen, indem man Meer und Berge miteinander kombiniert. Die wohlhabenden Russen sollen künftig zum Skifahren nicht mehr nach Kitzbühel reisen, sondern an die Schwarzmeerküste.

Lächelnde Freiwillige gesucht Mehr als 25 000 Helfer wurden für die Winterspiele gewonnen. Sergej Tscheremschanow, der das Freiwilligenzentrum in Sotschi leitet, sagt: „Wir müssen den Freiwilligen beibringen, zu lächeln und hilfsbereit zu sein.“ Von 200 000 Bewerbern wurden die besten aus ganz Russland ausgewählt. Aber die Freiwilligen werden nicht nur im Februar 2014 im Einsatz sein. „Bald wird in Sotschi die Formel 1 ausgetragen, dann findet der G-8-Gipfel in Russland statt, 2018 die FußballWM; es gibt genug Veranstaltungen, bei denen unsere Helfer gebraucht werden“, sagt er selbstbewusst. Wie man so viele Freiwillige organisiert, hat sich der Uni-Dozent übrigens in Vancouver und London abgeschaut.

RUSSIA BEYOND THE HEADLINES – GENERAL MEDIENPARTNER

Sotschi-Forum: Motor der Wirtschaftsmodernisierung XII INTERNATIONAL INVESTMENT FORUM SOCHI, 2013 26.–29. SEPTEMBER

Das Internationale Investitionsforum Sotschi ist eine Plattform für den Dialog zwischen Wirtschaft und Staat. Letztes Jahr haben mehr als 7300 Menschen an dem Forum teilgenommen: die Führungsköpfe staatlicher Institutionen, russischer und internationaler Unternehmen und diplomatischer Vertretungen aus 55 russischen Regionen und 40 Ländern.

NIKOLAJ PRJANISCHNIKOW, PRÄSIDENT VON MICROSOFT, RUSSIA

Mein Gesamteindruck des Forums ist positiv. Die Plenardiskussion mit Präsident Wladimir Putin war der nützlichste Teil. Ich erinnere mich an seine Aussagen, wie wichtig die Reduzierung des staatlichen Einflusses auf die Wirtschaft sei. Ich denke, das war eine sehr richtige Entscheidung.


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Kultur

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Kunst Noch bis zum 15. September ist das Werk Alexander Rodtschenkos in Hamburg zu bewundern

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1 ULRICH PERREY

Kunst für Agitprop und Plattencover

3 © VG BILD-KUNST, BONN 2013(3)

Alexander Rodtschenko gilt als einer der innovativsten Künstler der russischen Avantgarde. Wie inspirierend er auch heute noch ist, zeigt eine Ausstellung im Bucerius Kunst Forum. DARIA ZINGALEVA FÜR RUSSLAND HEUTE

Für den russischen Künstler Alexander Rodtschenko (1891–1956) lagen Kunst und Experiment nah beieinander. Mit 150 Werken, verteilt auf knapp 630 Quadratmeter, ist „Rodtschenko. Eine neue Zeit“ seit zehn Jahren die erste Schau dieser Art in Deutschland. Seit Juni ist sie für Besucher des Bucerius Kunst Forums in Hamburg geöffnet. Mit gerade 26 Jahren beginnt für den Künstler, der bis heute vor

allem durch seine Fotografien bekannt ist, eine Zeit kreativer und hochexperimenteller Einfälle. Eine Art Höhenflug, der ihm einige Jahre nach seinem Tod 1956 den Titel eines Vordenkers der Neoavantgarden der 1960er-Jahre bescheren wird. Im unteren Oktogon des Bucerius Kunst Forums hat sich eine Gruppe zur offiziellen Ausstellungsführung versammelt. Direkt vor ihnen die frühesten Werke Rodtschenkos, dreidimensionale Objekte, die in der Luft zu schweben scheinen. Auf den ersten Blick sind es einfache Sperrholzkonstruktionen ohne außergewöhnliche Elemente oder festgefahrene Formen. Und doch erwecken sie den Eindruck der Schwerelosigkeit und Freiheit, ganz im

Geiste der Zeit nach der Russischen Revolution 1917. Einer Zeit, in der auf einmal alles möglich schien, alles neu gestaltet werden durfte und auch musste. Und das tat Rodtschenko. „Das Besondere an dem Künstler war, dass er als Erster angefangen hat, seine Bilder zu konstruieren. Er tat es ganz einfach, mit einem Lineal und einem Zirkel, fast wie ein Ingenieur. So etwas hat es vor seiner Zeit noch nicht gegeben“, erklärt Stefanie Reimers, die die Besucher durch die Ausstellung leitet. Das Prinzip der Konstruktion hat Rodtschenko konsequent in seiner Malerei umgesetzt. Die Linie ist für ihn ein präzises Werkzeug, ein bildnerisches Mittel zur Darstellung von Licht, Raum und Bewegung. Dieses Werkzeug setzt er auch in seinem Entwurf für einen Arbeitsanzug um, der in der Ausstellung zu sehen ist: In dessen Prototyp setzt sich Rodtschenko bewusst in Szene und posiert darin für den Fotografen. Er beginnt nicht nur Stoffmuster, Gebrauchsgegenstände und Möbel zu entwerfen. Er beschäftigt sich auch mit Architektur und fertigt 1919 den Entwurf für einen Kiosk an. Das von seinem Enkel Alexander Lawrentjew später realisierte Modell in leicht abgeänderter Form ist ebenfalls im Bucerius Kunst Forum ausgestellt. „Seine Experimentierfreudigkeit ist es, die Rodtschenko so besonders macht“, erklärt Dorothee Kröber, Geschäftsführerin vom Bucerius Kunst Club. „Er hat ständig neue Dinge ausprobiert, war seiner Zeit immer voraus und nahm so Elemente vorweg, die in der Kunstgeschichte erst später wieder eine Rolle gespielt haben.“ Ob mit Werbegrafiken, denen Rodtschenko sich besonders in den Zwanzigerjahren intensiv widmet, oder mit Produktpackungen wie

1. Raumkonstruktionen aus dem Zyklus „Lichtreflektierende Flächen“ (1920–1921): Die Objekte scheinen schwerelos im Raum zu schweben. 2. Werbeplakat mit dem Porträt von Lilja Brik für den Staatsverlag Lengis, 1925 3. Selbstbildnis, 1921 4. Fotografie von Michail Kaufman: Alexander Rodtschenko im Arbeitsanzug, 1922. Auch in seiner Textilkunst spielt die Linie eine wesentliche Rolle.

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Das Prinzip der Konstruktion hat Alexander Rodtschenko konsequent auch in seiner Malerei umgesetzt.

der sowjetischen Zigarettenmarke Lux – seine Werke beeindrucken unmittelbar und werden auch heute noch, fast hundert Jahre nach ihrer Entstehung, als modern und innovativ empfunden. Mathias Schumann, VWLDoktorand, der der Führung an diesem Tag aufmerksam folgt, gesteht, er habe nicht gedacht, dass dieser Künstler heute noch so alltagspräsent ist: „Wenn seine Bilder als Vorlage für das Covermotiv von Bands wie Franz Ferdinand (schottische Indie-Rockband, Anm. d. Red.) herhalten, muss das schon was heißen.“ Und das kommt bei den jungen Besuchern der Ausstellung natürlich besonders gut an. Von Rodtschenkos Motiven und dreidimensionalen Konstruktionen haben sich auch Studenten der Fakultät Technik und Informatik der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg inspirieren lassen. Am Tag der offenen Tür des Museums stellten sie ihre Lichtinstallationen vor, die im Rahmen des Projekts „Computational Spaces“ entworfen und programmiert wurden. „Surreale Kausalität“ heißt eine davon. Dabei handelt es sich um eine übermenschenhohe Konstruktion, die in Verbindung mit Bewegung farblich interagiert. Christo Papanouskas, der für Konzeption und Gestaltung des Modells verantwortlich zeichnet, erklärt die Verbindung zu Rodtschenkos Schaffen: „Bei der Installation haben wir uns sehr stark von Rodtschenkos ‚Reine Farbe Rot‘, ‚Reine Farbe Gelb‘, ‚Reine Farbe Blau‘ inspirieren lassen. Es ist höchst erstaunlich, wie modern dieser Künstler war und heute immer noch ist. Seine Werke vermitteln auf eine ganz besondere Art Gefühl und sind wirklich sehr inspirierend.“


Kultur

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LESENSWERT

INTERVIEW LJUDMILA ULITZKAJA

„Ich halte die Augen offen“

Zu den Wurzeln

EINE DER WICHTIGSTEN AUTORINNEN RUSSLANDS ÜBER IHRE ARBEIT, DIE

Was ist für Sie maßgebend bei der Entscheidung für einen neuen Romanstoff? Nicht ich entscheide mich für einen bestimmten Stoff, es ist wohl eher umgekehrt – die Themen wählen mich. Eine Ausnahme bildet lediglich „Das grüne Zelt“ (2012 bei Hanser erschienen, Anm. d. Red.). Ich sah es als meine Pflicht an, ein Buch über die Generation zu schreiben, die man bei uns üblicherweise als die „Sechziger“ bezeichnet. Die jungen Leute in der heutigen Zeit machen die Generation der Sechziger, wie ich vielen Gesprächen entnommen habe, für unsere heutigen Verhältnisse verantwortlich. Der Prozess einer gewissen „Stalinisierung“, den ich heute tagtäglich beobachte, zeigt, dass keine Lehren aus dem sowjetischen Herrschaftssystem und seinen brutalen Repressionen gezogen wurden. Im „Grünen Zelt“ ging es mir darum, ein Porträt der jungen Generation der beginnenden Sechzigerjahre zu zeichnen, mit ihren unterschiedlichen Talenten und Schicksalen. Und ich wollte zeigen, wie sie alle deformiert, wenn nicht zerstört werden von der sowjetischen Macht. Das ist im Grunde meine Hauptkritik am sowjetischen System. Es hat über Jahrzehnte die Menschen eingeschüchtert und schließlich deren Gefühl von Würde und Selbstachtung vernichtet. Das Bild des „grünen Zeltes“ verweist auf die Biologie und die Psychologie – das Zelt konserviert den Zustand der Unreife. Hat sich das kollektive Unbewusste der Russen seit den Sechzigerjahren verändert? Das kollektive Unbewusste hat sich während einer tausendjährigen Geschichte herausgebildet, und ich glaube nicht, dass 70 Jahre sowjetischer Macht etwas grundlegend verändert haben. Der Feudalismus und die Leibeigenschaft, die 1861 abgeschafft wurde, und 300 Jahre Mongolenherrschaft haben ebenfalls ihre Spuren hinterlassen. Die Hälfte des russischen Adels hatte tatarische Familiennamen – können Sie ermessen, in welchem Ausmaß der russische Staat von den tatarischen Invasoren abhängig war? Wer kann beurteilen, wo die Gren-

KULTURKALENDER

GETTY IMAGES/FOTOBANK

RUSSISCHE GESELLSCHAFT UND IHRE AUFGABE ALS SCHRIFTSTELLERIN

BIOGRAFIE GEBURTSORT: DAWLEKANOWO ALTER: 70 BERUF: SCHRIFTSTELLERIN

Ljudmila Ulitzkaja wuchs in Moskau auf. Die studierte Biologin arbeitete als Genetikerin und wurde mit der Erzählung „Sonetschka“ (1992) als Prosaautorin entdeckt. Heute sind ihre Bücher in 17 Sprachen übersetzt.

ze zwischen Ost und West in der russischen Seele verläuft? Was also liegt dem unerforschten kollektiven Unbewussten zugrunde? Man hat Sie nicht selten eine feministische Schriftstellerin genannt. Stimmen Sie dem zu? Die östlichen Traditionen, nach denen die Frau kein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft ist, sind in Russland stark, gleichzeitig zählt der internationale Frauentag am 8. März zu den wichtigsten Feiertagen. Er ist eine indirekte Bestätigung der Ungleichheit von Frauen und Männern. Männer sind in allen Sphären des Lebens dominant. Genauer gesagt: in allen Sphären, die bei geringem Einsatz von Energie große Erträge versprechen. Traditionell männliche Tätigkeitsbereiche im 19. Jahrhundert wie Medizin und Pädagogik haben sich in den vergangenen hundert Jahren in typische Frauenberufe verwandelt. Es handelt sich eben um arbeitsintensive Berufe. Welche Rolle hat in unserer Zeit die „Intelligenzija“? Die russische Intelligenzija im klassischen Sinne dieses Wortes gibt es meiner Meinung nach nicht mehr. Das Gleiche trifft übrigens

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auch auf das Proletariat zu. Es gibt Intellektuelle, Funktionäre und die große Masse derer, die mit den bestehenden Verhältnissen unzufrieden sind – von denen gibt es heute vielleicht sogar mehr als zu sowjetischen Zeiten. An die Stelle der alten Klischees sind keine neuen getreten. Uns umgibt eine riesige Wolke leerer Demagogie, die von einer sehr gefährlichen Renaissance nationalistischen Gedankenguts und von einer Sehnsucht nach der untergegangenen Großmacht genährt wird. Die Sphäre des Kulturellen schrumpft, aber dieser Prozess lässt sich auch in Europa beobachten. Ein Schriftsteller hat nur eine ernst zu nehmende Aufgabe: das Geschehen in seiner Umgebung wahrzunehmen und es so gut wie möglich abzubilden. Ich halte meine Augen offen. Das Interview führte Ferran Mateo Mehr über die russische Literatur lesen Sie in der Rubrik READ RUSSIA http://russland-heute.de/ read_russia

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1913 ließ der Zar prunkvoll das Thronjubiläum der Romanows begehen. Es entstanden reich ausgeschmückte Prachtbände, die Zeugnis ablegen von der Selbstinszenierung der Zaren.

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„… ich bin einmal ein sowjetisches Kind gewesen. Ein Moskauer Kind. Nur kurz, ganz am Anfang. […] Die Geschichte, die dahintersteht, ist nur die Geschichte meiner Eltern. Meine Geschichte dagegen hat dort nur begonnen, nichts weiter“, schreibt Irina Liebmann. Das spielt die Bedeutung, die dieses Land für sie hat, herunter: Russland ist mehr als nur die Episode zweier Jahre als Kind in Moskau. So liest man es aus dem Bericht über drei Reisen heraus, die sie seit 2009 nach Russland führten. Liebmann wurde 1943 in Moskau geboren, 1945 folgte sie mit ihrer Mutter, einer russischen Germanistin, dem Vater nach Ostberlin. Die Hartnäckigkeit, mit der sie das Land ihrer Geburt verstehen will, zeugt von wiederentdeckter Liebe. Moskau erlebt Liebmann als einen Zwitter zwischen Sowjetunion und dem „neuen“ Russland. Auf der einen Seite werden die Maiparaden wieder aktiviert, auf der anderen ist die Produktwerbung westlicher Konsumgüter von einer Impertinenz, dass einem Hören und Sehen vergeht. Sie kehrt ernüchtert nach Berlin zurück, mit der Kopie einer berühmten Ikone im Gepäck. Die führt sie zum Original nach Kasan an der Wolga, einer Stadt, die sie verzaubert. Ihre dritte Reise lässt sie am russischen Familienleben auf einer Datsche teilhaben. Erschreckend ist für die Tochter eines jüdischen Vaters der allgegenwärtige Antisemitismus, sei es bei ihrer Moskauer Gastgeberin oder in den Buchhandlungen. Die Juden sind an allem schuld: am Untergang des Zarenreichs und am Untergang der Sowjetunion. Liebmann hat einen Blick für die Brüche der russischen Gesellschaft. Sie spürt sie auf in den Begegnungen mit Menschen, deren Hoffnungen, Ängsten und Verdrängungen. Bücher dieses wachen und sensiblen Formats vermitteln zwar subjektive, aber dadurch sehr differenzierte Eindrücke eines Riesenreichs im Wandel. Jürgen Lentes

Irina Liebmann, Drei Schritte nach Russland, Erzählung. Berlin Verlag 2013, geb., 208 Seiten, 16,99 Euro. Dieses Buch können Sie bequem online bei calle-arco.de/ Russland_Heute bestellen.


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Die Stadt

WWW.RUSSLAND-HEUTE.DE RUSSLAND HEUTE EINE BEILAGE DES ROSSIJSKAJA GASETA VERLAGS, MOSKAU

Essen Kleine Cafés und Restaurants haben es im teuren Moskau schwer. Die Stadtverwaltung schafft nun Abhilfe

Futtern wie bei Muttern: Moskau plant Gastronomiereform

PRESSEBILD(4)

In Moskau gibt es zu wenige Restaurants und Cafés. Dazu wird die Gastronomie von großen Ketten dominiert, weshalb es an kulinarischer Abwechslung mangelt. Das soll sich ändern. MARINA OBRASKOWA RUSSLAND HEUTE

Die Stadtverwaltung hat dazu jüngst ein Entwicklungskonzept präsentiert: Es sieht vor, die Moskauer Küche als Marke zu entwickeln und das gastronomische Image der Stadt durch das Eröffnen qualitativ hochwertiger Restaurants und Cafés zu verbessern. Zur Ausbildung des Fachpersonals sollen eine Gastronomieschule und eine kulinarische Fakultät

eröffnet werden. Auch ein Gastronomiemuseum, „kulinarische Theater“ und Festivals der russischen Küche sind anvisiert. Besonders interessant für Touristen ist die geplante russische Variante von „Futtern wie bei Muttern“. Dazu soll ein Kontaktverzeichnis von Moskauern entstehen, die bereit sind, einen Ausländer zu sich nach Hause einzuladen, ihm die Zubereitung einer für die russische Küche typischen Speise beizubringen oder ihn einfach nur mit einem traditionellen Mittagsmahl zu bewirten. Das größte Problem bei der Realisierung der Pläne sind die fehlenden Gewerbeflächen in der Hauptstadt. Die Behörden wollen

Russland HEUTE: Die deutsche Ausgabe von Russia Beyond the Headlines erscheint als Beilage in der Süddeutschen Zeitung. Für den Inhalt ist ausschließlich die Redaktion von Russia Beyond the Headlines, Moskau, verantwortlich. Rossijskaja Gaseta Verlag, Ul. Prawdy 24 Str. 4, 125993 Moskau, Russische Föderation Tel. +7 495 775-3114 Fax +7 495 988-9213 E-Mail redaktion@ russland-heute.de Herausgeber: Jewgenij Abow, Chefredakteur deutsche Ausgabe: Alexej Karelsky Gastredakteur: Moritz Gathmann Proofreading: Dr. Barbara Münch-Kienast, Redaktionsassistenz: Jekaterina Iwanowa Commercial Director: Julia Golikova, Anzeigen: sales@rbth.ru Artdirector: Andrej Schimarskiy

zur Lösung alternative Flächen erschließen, zum Beispiel die Dächer von Wohnhäusern und Bibliotheken.

Sonderkonditionen für Cafés Laut Alexander Iwanow, stellvertretender Leiter des Departements für Handel und Dienstleistungen, werden zurzeit Gespräche mit dem Immobiliendezernat der Stadt Moskau geführt, um ein Viertel aller der Stadt gehörenden Nutzflächen konsequent zu Sonderkonditionen für Restaurants oder Cafés zur Verfügung zu stellen. „Es sind leider nicht so viele Flächen, wie wir gerne hätten, aber sie reichen erst einmal aus“, so Iwanow. „Häufig werden bei Aus-

schreibungen Flächen zur sogenannten freien Nutzung angeboten, und ein kleines Café hat es sehr schwer, gegen eine Bank oder ein Geschäft anzukommen.“ Laut Iwanow könnte bald auch ein „Rat für Gaststättenwesen“ entstehen, der die Umsetzung des Konzepts kontrollieren soll. Ähnliche Räte gibt es schon in Toronto und London, und ihr Nutzen hat sich bereits erwiesen. Der Restaurantbetreiber Arkadij Nowikow, der sowohl in Moskau als auch in London tätig ist, stellt fest, dass sich die Einstellung der Politiker gegenüber dem Gaststättengewerbe geändert hat. „Die Beamten genehmigen heute viel schneller die Eröffnung neuer Sommerterrassen und Restaurants, stellen fast unverzüglich Schanklizenzen aus. Die bürokratischen Hürden sind auf ein Minimum gesenkt worden“, so Nowikow. Den meisten, die ein eigenes Café eröffnen wollen, gelinge das auch, sagt er. „Die Beamten haben damit eine gute Ausgangsbasis geschaffen. Jetzt müssen sich nur noch Unternehmer finden, die von den Privilegien Gebrauch machen. Die müssen gar nicht unbedingt Geschäftsleute oder kulinarische Profis sein, sie müssen vor allem gut kochen können. Bürger können ihren eigenen kleinen Familienbetrieb eröffnen. In Europa gibt es recht viele solcher Restaurants mit der jeweiligen Hausmannskost. Nun können wir versuchen, bei uns das Gleiche zu etablieren. Für Moskau ist das ein vollkommen neuer Ansatz.“

Verantwortlich für den Inhalt: Alexej Karelsky, zu erreichen über MBMS, Hauptstraße 41A, 82327 Tutzing Copyright © FGUB Rossijskaja Gaseta, 2013. Alle Rechte vorbehalten Aufsichtsratsvorsitzender: Alexander Gorbenko, Geschäftsführer: Pawel Negojza, Chefredakteur: Wladislaw Fronin Alle in Russland HEUTE veröffentlichten Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion

Mercato

Gemütliche italienische Cafés im zentralen Gorki-Park, im etwas südlich gelegenen Sokolniki-Park und im östlich gelegenen Bauman-Park. Öffnungszeiten: Mo–Fr 11–23 Uhr, Sa–So 11–2.30 Uhr Preise: 20–40 Euro › facebook.com/cafemercato (russisch)

Veranda 32.05

Ein Café ganz im Stil der russischen Datscha im Eremitage-Garten, einer der ältesten Anlagen Moskaus direkt im Stadtzentrum. Öffnungszeiten: Mo–Do, So 11–3 Uhr, Sa 11 Uhr bis zum letzten Kunden Preise: 15–40 Euro › mosgorsad.ru (russisch)

Mehr Gemütlichkeit in Moskau Nowikow berichtet, dass er in diesem Sommer bereits vier Terrassen eröffnet habe und miterlebe, wie seine Kollegen ebenso verfahren. „Diese Entwicklung bringt einen Nutzen für alle: Angefangen bei den Steuern, über die touristische Infrastruktur bis hin zum gemütlichen Flair“, erklärt der Gaststättenbetreiber und freut sich: „Die Zahlen, die die Behörden nennen, sind durchaus realistisch. Sie werden sehen, was sich bis zum Jahresende noch tun wird. Alles entwickelt sich zum Positiven. Wenn sich irgendwie die Möglichkeit zum Arbeiten ergibt, finden sich immer gleich Interessenten.“

Produktionsleitung: Milla Domogatskaja, Layout: Maria Oschepkowa Leiter Bildredaktion: Andrej Sajzew, Bildredaktion: Nikolaj Koroljow Druck: Süddeutscher Verlag Zeitungsdruck GmbH, Zamdorferstraße 40, 81677 München

Parkcafés in Moskau

Nächste Ausgabe

More vnutri Der Name dieses stilvoll gestalteten Cafés im Sokolniki-Park kann mit „Das Meer drinnen“ übersetzt werden. Dementsprechend ist die Ausstattung. Öffnungszeiten: Mo–Fr 12–23 Uhr, Sa–So 12–20 Uhr Preise: 15–40 Euro › facebook.com/MoreVnutri (russisch)

2. Oktober


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