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Mittwoch, 3. Dezember 2014

Deutsche Ausgabe

Die monatlichen Beilagen erscheinen in verschiedenen Sprachen in führenden internationalen Tageszeitungen: The Daily Telegraph, Le Figaro, The New York Times.

Diese bezahlte Sonderveröffentlichung wird dem HANDELSBLATT beigelegt. Für den Inhalt ist ausschließlich die Redaktion von Russia Beyond the Headlines (Russland) verantwortlich. Die Handelsblatt-Redaktion ist bei der Erstellung der bezahlten Sonderveröffentlichung nicht beteiligt.

Was bringt die neue Währungspolitik der Zentralbank? UNSER THEMA DES MONATS

SEITEN 4, 5 UND 9 Moskaus paradoxe Börsenwelt

Russlands Banken wollen deutsche Sparer

Die Aktienkurse russischer Unternehmen fallen immer tiefer, während es der Moskauer Börse, dem Handelsplatz für Geldanlagen in Russland, prächtig geht.

Die staatlichen Geldhäuser VTB und Sberbank locken Kunden aus Deutschland mit OnlineOfferten und großzügigen Zinsen. Grund dafür sind die historisch niedrigen Zinsen in

Unsere Inhalte unterscheiden sich je nach Plattform. Verpassen Sie also nicht:

In einem Interview mit RBTH erklärt Alexander Afanasjew, warum das so ist und womit der Handelsplatz Geld verdient. SEITE N 2 bis 3

Monatliche Ausgaben, die weltweit führenden Zeitungen beiliegen. Die Inhalte behandeln umfassend ein Thema des Monats, das auf Ihre Interessen abgestimmt ist. Unsere Printausgabe digital >> de.rbth.com/e-paper

Europa. Doch wie sicher sind die Einlagen bei russischen Finanzinstituten in Zeiten von Sanktionen und Ukraine-Krise? SEITE 6

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© RUSLAN KRIWOBOK / RIA NOVOSTI

DIE NÄCHSTE AUSGABE erscheint am 4. Februar 2015


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Börse

RUSSIA BEYOND THE HEADLINES Eine Beilage des Rossijskaja Gaseta Verlags, Moskau de.rbth.com

INTERVIEW ALEXANDER AFANASJEW

„WIR PICKEN UNS WELTWEIT DAS BESTE HERAUS“ RBTH SPRACH MIT DEM VORSITZENDEN DES VORSTANDES DER MOSKAUER BÖRSE ÜBER FOLGEN DER UKRAINE-KRISE UND ÜBER CHANCEN FÜR INVESTOREN IN RUSSLAND. Der russische Aktienmarkt galt lange als spekulativ. Sehen Sie das auch so? Unser Markt war insbesondere am Anfang seiner Entwicklung spekulativ. Wie jeder neue Markt zieht er anfangs die besonders wagemutigen Investoren an, die bereit sind, größere Risiken einzugehen. Diese kann man unter Umständen Spekulanten nennen. Unser Kapitalmarkt ist sehr jung, weil unsere Marktwirtschaft kaum älter als 20 Jahre ist. Eine ernsthafte gesetzliche Grundlage wurde erst Anfang der 2000er-Jahre ausgearbeitet. In dieser Zeit entwickelte sich auch das Interesse vieler internationaler Investoren. Heute gibt es in Moskau computergestützten Handel, langfristige Investoren aus dem In- und Ausla nd, He dge Fond s sow ie Privatanleger. Wegen der Ukraine-Krise haben sich die Handelsvolumina in Moskau erhöht. Womit hängt das zusammen? Geht es hier vor allem um spekulative Geschäfte? Zunächst einmal ist es wichtig hervorzuheben, dass in Moskau viele verschiedene Wertpapiere gehandelt werden, angefangen bei Aktien und Derivaten über Unternehmens- und Staatsanleihen, Fremdwä h r u ng (i n sbesondere d ie Währungspaare Rubel-Dollar und Rubel-Euro) und auch Rückkaufvereinbarungen für Wertpapiere. Der sinkende Preis für Öl, das einen beträchtlichen Teil unserer Exporte ausmacht, führte zu einem Kursverfall des Rubels um fast 40 Prozent im laufenden Jahr, was seinerseits zu einer größeren Volatilität an der Börse und höheren Handelsumsätzen geführt hat. Die Vielfalt der gehandelten Aktiva an der Moskauer Börse erlaubt uns, positive Geschäftszahlen unabhängig vom Wirtschaftszyklus

zu erreichen. Insgesamt verzeichnen wir höhere Einnahmen aus dem Handel mit Währungen, Aktien, Derivaten und GeldmarktProdukten. Die ersten neun Monate 2014 waren die beste Zeit in unserer Geschichte: Der Gewinn ist um 23 Prozent gestiegen. Die Moskauer Börse wird oft auch als eine der fortschrittlichsten in Europa bezeichnet. Wie haben Sie das erreicht? Russische Aktiva waren schon seit Langem interessant für ausländische Anleger, doch die Infrastruktur ließ zu wünschen übrig und hinkte hinter der Qualität der eigentlichen Anlagen hinterher. Um diesen Abstand zu verringern, haben wir unter anderem die Erfahrungen aus dem deutschen Aktienhandel übernommen, etwa beim Risikomanagement. Wir bemühen uns darum, das Beste aus der ganzen Welt herauszupicken. Das ist der Vorteil einer jungen Börse. Für uns war die Deutsche Börse eines der Vorbilder bei der Prozessorganisation und beim Aufbau der Infrastruktur. In den vergangenen beiden Jahren konnten wir eine Reihe von Reformen umsetzen. Zunächst wurde in Russland die Institution eines Zentralverwahrers eingeführt, um die Rechte von Investoren zu schützen und gegebenenfalls die Eigentümerrechte zu bestätigen. Zum anderen haben wir eines der am höchsten kapitalisierten Clearing-Zentren geschaffen, das als zentraler Kontrahent auftritt. Darüber hinaus haben wir die Clearingsysteme, Clearstream und Euroclear, auf dem Markt für russische Staatsanleihen zugelassen, später auch für Unternehmensanleihen und auch Aktien russischer Gesellschaften. Wir haben die direkte Teilnahme am Handel für

sechs globale Banken ermöglicht. Dieser Schritt macht russische Wertpapiere zugänglicher für internationale Investoren. Helfen diese Maßnahmen, langfristige Anleger auf den russischen Markt zu locken oder nicht? Was sind die Gründe dafür? Der russische Markt, wie jeder andere auch, ist an zwei Arten von Investoren interessiert: den inländischen und den internationalen. Sie können nicht unabhängig voneinander existieren, weil Volkswirtschaften, die sich in ihrer Entwicklung befinden, immer auf der Seite der Kapitalnehmer sind. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche Reformen umgesetzt, die die Marktinfrastruktur an internationale Standards angepasst haben. Jetzt können in Russland jedwede Transaktionen realisiert werden, die den Ansprüchen der konservativsten Investoren genügen. Unsere zweite Aufgabe ist die Entwicklung auf dem Gebiet der inländischen Investoren. Heute sind nicht mehr als sechs Prozent der Ersparnisse von Privatpersonen in Wertpapieren angelegt. Wir wollen uns ja gar nicht mit dem US-amerikanischen Markt vergleichen, wo dieser Wert über 55 Prozent liegt. Aber selbst in Deutschland mit seinen größtenteils konservativen Anlegern liegt der Anteil der Investitionen in Aktien bei 25 Prozent, und in einigen Entwicklungsmärkten, etwa in Polen oder Süd-Korea, erreicht er 30 Prozent. Wir hoffen, dass diese Zahl in nächster Zeit auch in Russland die Marke von 20 bis 25 Prozent erreicht. Wie realistisch ist es, dass die Anleger in ihrer Masse das Geld von Sparkonten auf den Markt für Wertpapiere verlagern? In den

FOLGEN SIE

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BIOGRAFIE ALTER: 52 JOB: VORSTANDSVORSITZENDER DER MOSKAUER BÖRSE

Afanasjew studierte Außenwirtschaft am Moskauer Finanzinstitut und arbeitete seit 1991 bei verschiedenen Banken. Baute zusammen mit der Zentral-

letzten Monaten war immer häufiger die Rede davon, dass dies ein neuer Trend werden müsse. Die heutigen Ersparnisse von Russen sind entweder auf Sparkonten oder in Immobilien angelegt. Wir haben uns sehr aktiv daran beteiligt, dass neue Steuergesetze die Wertpapieranlagen begünstigen. So bekommen Investoren Steuervergünstigungen für Einkommen aus Finanzgeschäften und Anlagen in Wertpapieren mit einer Dauer von mehr als drei Jahren. Wir hoffen, dass diese Schwelle künftig bis auf ein Jahr gesenkt wird. Außerdem wird es ab 2015 individuelle Investitionskonten geben, deren Eigentümer Steuervergünstigungen für Investitionss u m me n bi s z u 7.000 Eu r o bekommen. Das ist viel höher als etwa in Kanada und Südafrika, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, um Anleger zu fördern, und etwas geringer als in Großbritannien und den USA. Wie stark kann der Anteil von Pri-

Meinungen und Analysen zu den wichtigsten Wirtschaftsthemen finden Sie hier de.rbth.com/ meinung

bank Russlands die erste Investmentbank mit ausländischer Beteiligung auf. Arbeitete später bei kommerziellen Banken und wechselte 2005 an die Moskauer Devisenbörse. Seit 2012 leitet er den Vorstand der Moskauer Börse, nachdem er bereits 2010 zum stellvertretenden Chef des Vorstandes aufgestiegen war.

vatanlegern auf dem Kapitalmarkt zunehmen? Heute hat die russische Bevölkerung 17,5 Billionen Rubel auf Bankkonten und in Bar angehäuft (entspricht etwa 310 Mrd. Euro). Wenn wenigstens fünf bis sechs Prozent dieser Mittel an der Börse investiert werden, wären das etwa 17 Milliarden Euro. Das fällt spürbar ins Gewicht, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Gesamtvolumen von Investitionen der Privatanleger an der Börse über 40 Milliarden Euro beträgt. Wie hat sich die Anzahl der ausländischen Investoren wegen der politischen Situation verändert? Sie werden erstaunt sein, aber wir beobachten keine Verringerung des Anteils ausländischer Investoren bei den Handelsvolumina, sondern ganz im Gegenteil. 2013 lag der Anteil der ausländischen Anleger auf dem russischen Aktienmarkt bei 40 Prozent des Handelumsatzes. Heute beträgt er 46 Prozent. Bei den Derivaten wuchs


Börse

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FAKTEN

Moskauer Börse

© SERGEJ KUZNETSOW / RIA NOVOSTI

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schossen in den 1990er-Jahren die Handelsplätze wie Pilze aus dem Boden. Bis zum Staatsbankrott im Jahre 1998 wurden bereits über 1.800 Handelsplätze gezählt. Das vergangene Jahrzehnt war von einer Konsolidierung der Branche gekennzeichnet, bis hin zur Fusion von zwei der ältesten Börsenplätze Russlands. Derzeit beträgt das jährliche Handelsvolumen

der Anteil von 38 auf 44 Prozent, auf dem Währungsmarkt von zehn auf 14 Prozent. Zugegeben, ein Teil der in unserer Statistk auftauchenden ausländischen Investoren ist auf Zypern registriert, während große russische Vermögen oftmals über zypriotische Offshore-Konten investiert werden. Doch längst nicht alle Konten auf Zypern sind russischen Ursprungs, und ihre Eigentümer sind bei Weitem nicht immer Russen. Die Investitionstätigkeit dieser Anleger ist allein schon geografisch breit gestreut. Russische Aktiva sind derzeit an der Börse sehr günstig zu haben, und dies führt automatisch zu einem Interesse der Anleger.

ZAHLEN

Auch in Russland existieren Gesetze, die Insiderhandel und Kursmanipulationen eindämmen sollen. Ich würde nicht unbedingt das Beispiel AFK Sistema besonders hervorheben. Jede Woche kommt es zu Dutzenden Fällen, wenn eine Kursbewegung Auffälligkeiten zeigt. Diese Fälle werden untersucht und die Informationen an die Zentralbank weitergeleitet, die sich tiefergehend damit befasst. Bei Weitem nicht jeder Verdacht e r h ä r t e t s ic h b e i n ä h e r e r Prüfung.

Vor Kurzem hat die Moskauer Börse angekündigt, den Handel mit den Aktien von AFK Sistema im Zusammenhang zu untersuchen. Dem Chef des Unternehmens, Wladimir Jewtuschenkow, wird Geldwäsche vorgeworfen. Wie wichtig ist insgesamt das Problem des Insiderhandels derzeit?

des Handelsumsatzes machen ausländische Investoren aus. Dieser Wert lag im vergangenen Jahr bei 40.

GETTY IMAGES/FOTOBANK

Die Moskauer Börse ist die größte Börsenholding in Osteuropa und wurde aus der Fusion von zwei Handelsplätzen in Moskau, der Währungsbörse MICEX und dem Aktienindex RTS, gegründet. Beide starteten in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre, einer Zeit des Umbruchs und der Reformen. Gemessen am Handelsvolumen gehört die Moskauer Börse zu den 20 größten Handelsplätzen der Welt.

310 000 000 000 Euro schlummern auf den Konten von Russlands Bürgern. Die bevorzugten Anlagen sind noch immer Immobilien und Sparkonten.

50 000 000 000 Euro haben russische Investoren in den Moskauer Aktienmarkt investiert. Nur sechs Prozent aller Ersparnisse sind in Wertpapieren angelegt.

46 %

125 000 000 Euro Gewinn verbuchte die Moskauer Börse im dritten Quartal dieses Jahres.

2014 haben einige Firmen wie Yandex den Handel ihrer Aktien nach Russland verlegt. Wie ist es gelungen, diese Firmen anzulocken? Wir haben ein Programm, um neue Emittenten zu akquirieren. Dabei haben wir vier Gruppen von Unternehmen im Sinn, die wir ansprechen wollen. Darunter befinden sich zunächst russische Privatunternehmen, die Kapital am Aktienmarkt aufnehmen wollen. Zweitens geht es um staatliche Unternehmen, die privatisiert wer-

an der Moskauer Börse mehr als sieben Billionen Euro. Im vergangenen Jahr unternahm der Börsenbetreiber einen Börsengang, infolge dessen die Marktkapitalisierung mehr als zwei Milliarden Euro erreichte, während der Börsengang mit einer Milliarde Euro etwa um das Doppelte überzeichnet wurde. Zu den größten Aktionären der Börse gehören neben der Zentralbank der Russischen Föderation mit über 13 Prozent auch die staatliche Sberbank und die Vneshekonombank (VEB) mit knapp zehn beziehungsweise acht Prozent der Unternehmensanteile. In den ersten neun Monaten konnte die Moskauer Börse zudem den Wert für ihr Ebitda erheblich steigern – um etwa 18 Prozent. Gleichzeitig stieg die Rentabilität des Unternehmens auf einen Spitzenwert von knapp 71 Prozent. Die Gesamtkapitalisierung der russischen Unternehmen, die an der Moskauer Börse gehandelt werden, beträgt derzeit weniger als 500 Milliarden US-Dollar. Das sind über 250 Milliarden US-Dollar weniger im Vergleich zum Frühjahr, was nicht zuletzt dem schwachen Rubel geschuldet ist.

den, wie etwa beim Börsengang des weltgrößten Diamantenherstellers Alrosa im vergangenen Jahr, der etwa 1,3 Milliarden USDollar einbrachte. Drittens sind es Firmen, die zwar im Ausland registriert, faktisch jedoch russische Unternehmen sind. Zu dieser Kategorie gehören etwa die Internetfirma Yandex mit juristischem Sitz in Holland, der Handelskonzern und Großmarktbetreiber Lenta oder das Bergbauunternehmen Polymetall. Diese kommen an die Moskauer Börse, weil sie an russischen Investoren und an der Möglichkeit, in länderspezifische Indizes aufgenommen zu werden, interessiert sind. Schließlich gibt es viertens die innovativen Venture-Unternehmen, für die an der Moskauer Börse extra die Abteilung „Markt für Innovationen und Investitionen“ geschaffen wurde. Ist die Rede von einer russischen NASDAQ? Wir können keine Start-ups in unseren Index aufnehmen, gleichzeitig gibt es viele Investoren, die an

solchen Untenehmen interessiert sind. Dieser Markt ist natürlich noch nicht besonders groß und weit von der NASDAQ entfernt, aber wir konnten dennoch eine bestimmte Vereinigung von VentureKapitalisten, Investitionsfonds und Brokern schaffen, die sich für diesen Markt interessieren. In den letzten Jahren ist die Moskauer Börse selbst an die Börse gegangen. Derzeit befinden sich 50 Prozent der Aktien im Streubesitz von kleinen Aktionären. Was bedeutet das für das tägliche Geschäft? Wir haben unseren Börsengang nicht wegen Kapitalmangels in Angriff genommen, sondern um am eigenen Beispiel zu zeigen, dass es tatsächlich eine Nachfrage nach Papieren von russischen Unternehmen mit guten Geschäftszahlen gibt. Für ein russisches Unternehmen ist der 50-prozentige FreeFloat-Anteil in der Tat sehr hoch. Wir haben nicht den einen großen Aktionär, sondern eine sehr breit gestreute Aktionärsbasis. Ein Börsengang und die öffentliche Emission von Papieren ändert natürlich das ganze Leben der Firma. Damit verbunden sind nicht nur völlig neue Anforderungen an die Qualität der Unternehmensleitung und an ein höheres Niveau von Transparenz und Offenheit, sondern auch neue Herangehensweisen bei der Motivation des leitenden Personals und der Mitarbeiter des Unternehmens. In diesem Jahr wurde Alexej Kudrin, ehemaliger Finanzminister Russlands, zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Moskauer Börse gewählt. Was kann der ExMinister einbringen? Kudrin verfügt über eine herausragende Expertise im Bereich der Makroökonomie und Finanzen. Man musste ihn nicht in alle technischen Feinheiten einweihen, weil er alles schon wusste. Herr Kudrin hat darüber hinaus beste Beziehungen, die nützlich sein können für die Entwicklung unseres Geschäfts. Für uns ist es wichtig, dass er als unabhängiger Experte mit der größten Autorität in Russland gilt. Wir veranstalteten kürzlich eine Konferenz in London. Als bekannt wurde, dass auch Kudrin kommt, haben sich in drei Tagen so viele Interessenten angemeldet, dass der Saal viel zu klein war. Das Gespräch führte Alexej Lossan

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Thema des Monats

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REFORM DER KURSPOLITIK RUSSLANDS WÄHRUNGSHÜTER WOLLEN SICH AUF DIE BEKÄMPFUNG DER INFLATION KONZENTRIEREN.

Die russische Landeswährung befindet sich derzeit im freien Fall. Ausgerechnet jetzt will die Zentralbank ihre Kurspolitik lockern. Davon profitiert vor allem die Staatskasse. ALEXEJ LOSSAN RBTH

Seit Jahresbeginn 2014 fiel der Wert des Rubels gegenüber dem US-Dollar und dem Euro um 50%. Als Hauptgrund für die Währungsabwertung sehen die Marktteilnehmer den in letzter Zeit anhaltenden Rückgang des Erdölpreises. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gehört der Fall des Erdölpreises und anderer Rohstoffe zu den Hauptfaktoren, die zur Schwächung der russischen Währung führen“, sagt Anton Soroko, Analyst der I nvestmenthold i ng FINAM. So ist zum Beispiel der Preis der Erdölsorte Brent am 13. November unter die Marke von 78 US-Dollar pro Barrel gesunken, obwohl er Mitte des Sommers noch im Bereich von 115 US-Dollar lag.

Der Fall des Rubels Wie Soroko erläutert, habe dies mit dem aggressiven Anstieg des US-Dollar-Kurses zu tun und betreffe nicht nur den Rubel, sondern auch den japanischen Yen, den Schweizer Franken, den Euro und andere Währungen. „Der Kursanstieg des US-Dollar spiegelt vor allem die Unterversorgung des Marktes mit dieser Währung aufgrund der steigenden Nachfrage wider. Der Rückgang des Erdölpreises ist der Haupteinflussfaktor, aber dieser wird vor allem durch eine Erwartungshaltung geprägt, da Investoren einen Rückgang der Exporteinnahmen in Russland befürchten“, glaubt der wissenschaftliche Mitarbeiter des Zentrums für Strukturforschungen am Institut für angewandte Wirtschaftsforschung der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und öffentlichen Dienst, Michail Chromow. Nach seinen Worten ist der zweitwichtigste Faktor, der auf den Rubelkurs wirkt, der mangelnde Zufluss ausländischen Kapitals aufgrund der gegen Russland verhängten Sanktionen und der geopolitischen Instabilität. Als Reaktion auf den Kursverfall des Rubels intervenierte die Zentralbank Anfang Oktober auf dem Markt. Um die Nachfrage nach der Währung zu verringern, veräußerten die Währungshüter US-Dollar, um den Rubelkurs zu stützen. Im Oktober 2014 gab die Zentralbank rund 29,3 Milliarden USDollar zur Stützung des Rubels

aus und verkaufte Ende des Monats innerhalb von neun Tagen mehr als zwei Milliarden US-Dollar pro Tag. „Damit hat die Zentralbank lediglich die Marktschwankungen ausgeglichen, nicht aber versucht, den Abwärtstrend der russischen Währung aufzuhalten“, sagt der Chef-Analyst von FS IC, Alexej Koslow. Die groß angelegte Intervention führte allerdings zu keinem Ergebnis, und am 7. November beschloss die Zentralbank schließlich, den Rubel frei floaten zu lassen.

Auswirkung auf den Staatshaushalt Zunächst plante die Zentralbank, den Kurs des russischen Rubels erst im kommenden Jahr vollständig freizugeben. Aufgrund des anhaltenden Drucks auf die Nationalwährung beschloss man jedoch, diesen Prozess zu beschleunigen. Entsprechend der neuen Strategie wird die Bank keine groß angelegten Währungsinterventionen durch den Verkauf von US-Dollar auf dem russischen Markt durchführen. Das Verkaufsvolumen der Zentralbank wird höchstens 350 Millionen US-Dollar pro Tag betragen, was nach den Worten von Analysten die Währungskurse kaum beeinflussen kann. Der Pressesprecher der Zentralbank erklärte, dass der Verzicht einer uneingeschränkten Währungsintervention ein Spekulieren gegen den Rubel verhindern werde. Der Beschluss führte zu einer schlagartigen Änderung des Rubelkurses: Im Handelsverlauf fiel die Währung am 8. November erst um 10% gegenüber dem US-Dollar und erholte sich anschließend wieder, um am Ende nahezu mit dem Ausgangwert abzuschließen. „Die Entscheidung der Zentralbank erfolgte im Rahmen ihrer Strategie des Übergangs zu einem Inflations-Targeting, dessen Bestandteil ein Floating des Kurses der Nationalwährung darstellt“, erklärt der Leiter der Analyseabteilung von IK RUSS-INVEST, Dmitrij Bedjenkow. Gleichzeitig behalte sich die Zentralbank die Möglichkeit von Interventionen über die angekündigten 350 Millionen US-Dollar hinaus vor, falls sie die Stabilität in Gefahr sehen sollte. Die Festlegung von Tageslimits für die Interventionen am Rande des Währungskorridors diene dabei dazu, den Druck auf die Goldwährungsreserven zu verringern, fügt Bedjenkow hinzu. Die Schwächung des Kurses der Nationalwährung bringt der russischen Regierung Vorteile, da sie

zur Verringerung eines möglichen Defizits des Staatshaushalts führt. Laut Anton Soroko wirke sich der Fall des Rubels positiv auf den Staatshaushalt aus, da dadurch der Rückgang der Einnahmen aus dem Erdöl- und Erdgasverkauf gedämpft werden könne: Die Energieexporte schwemmen US-Dollar und Euro nach Russland, während der russische Staatshaushalt in der Landeswährung aufgestellt ist. Zudem versetzt ein schwacher Rubel russische Hersteller in eine günstigere Lage, da die Preise für Importwaren steigen. Russische Betriebe haben dadurch die Möglichkeit, leichter mit ausländischen Produzenten allein über den Preis zu konkurrieren. „Im Jahresschnitt wird der Erdölpreis bei einem Niveau von 96 US-Dollar pro Barrel liegen, dem Preis, der den Berechnungen in Russlands Haushalt zugrunde lag. Grund dafür ist, dass der Erdölpreis noch im August bei 106 USDollar lag. Selbst wenn das Erdöl am Jahresende nur 85 US-Dollar kosten wird, wird sich der Durchschnittspreis für das laufende Jahr auf einem Niveau von 100 US-Dollar bewegen, was für den Staatshaushalt keine Gefahr darstellt“, sagt Michail Chromow.

REUTERS

ZENTRALBANK LÄSST DEN RUBEL ROLLEN

GAIA RUSSO

Geschäftsleben in Russland einfacher als angenommen

Russland macht im DoingBusiness-Rating viele Plätze gut Im neuen Doing-Business-Rating der Weltbank steigt Russland um 30 Plätze auf Rang 62 auf. Grund dafür ist vor allem die veränderte Methodik der Studie. ALEXEJ LOSSAN RBTH

Im neuen Doing-Business-Rating der Weltbank steigt Russland um 30 Positionen auf und nimmt Platz 62 zwischen Moldau (Platz 63) und Griechenland (Platz 61) ein. Die drei Besten im Rating sind Singapur, Neuseeland und Hongkong. Die USA nehmen den siebten, Deutschland den vierzehnten Platz ein. Unter den ehemaligen Sowjetrepubliken schneidet 2014 Georgien mit Platz 15 am besten ab. Die Weltbank veröffentlicht das Doing-Business-Rating seit 2003. Vor zwei Jahren verabschiedete Russland ein Programm, das das

Land bis zum Jahr 2018 auf Platz 20 des Ratings bringen soll. Es sieht die Vereinheitlichung aller Abläufe zur Organisation und Verwaltung von Unternehmen vor. Außerdem wurde das Projekt „Nationale Unternehmerinitiative“ gestartet, das Vertreter der Wirtschaftswelt in das Programm einbeziehen soll. „Die Position Russlands im Doing-Business-Rating ist für die russische Regierung seit 2012 als Leistungsindikator maßgeblich, und man kann nicht leugnen, dass es auch Ergebnisse gibt“, sagt Marija Gluchowa, geschäftsführende Direktorin des Bereichs Wirtschaftspolitik und Konkurrenzfähigkeit des russischen Unternehmer- und Industriellenverbandes (RUIV). Nach ihrer Einschätzung haben die Maßnahmen zur Verbesserung des Investitionsklimas die Anzahl überflüssiger

administrativer Abläufe beim Bau, dem Anschluss an das Stromnetz usw. reduziert.

Ursachen für Veränderungen Nach der Aussage von Marija Gluchova hat Russland fünf Punkte durch die Abschaffung der Verpflichtung zur notariellen Beglaubigung sowie durch die Einführung strengerer Fristen für die Behörden bei der Anmeldung von Eigentumsrechten und dem Einholen von Baugenehmigungen gewonnen. „Was den Zugang zu Krediten, Schutz von Minderheitsaktionären, Insolvenzverfahren, Besteuerung, internationalen Handel und Anschluss an Stromnetze angeht, hat Russland seine RatingPosition etwas geschwächt“, sagt Marija Gluchowa. Außerdem wurde die Rating-Methode im Jahr 2014 verändert. So wurde bei elf


Thema des Monats

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Bonität sinkt angesichts Sanktionen und schrumpfender Reserven.

Alternative Ratingagentur soll Monopol brechen Russlands Bonität bleibt über dem Ramsch-Niveau. Dennoch werden Vorwürfe laut, die Ratingagenturen seien nicht objektiv in ihrer Wertung. ANNA KUTSCHMA

Die Zentralbank will den Rubelkurs nicht mehr stützen und sich künftig auf die Bekämpfung der Inflation konzentrieren. Dabei erlebt die Währung derzeit einen drastischen Kurssturz.

ZAHLEN

30 Plätze hat Russland im Vergleich zum Vorjahresrating des Doing-BusinessReport gut gemacht. Grund dafür ist die veränderte Methodik. QUELLE: NEWS.YANDEX.RU/QUOTES

Staaten mit mehr als 100 Millionen Einwohnern eine zweite Stadt in die Studie mit einbezogen. Das bedeutet, dass bei der Einschätzung des Geschäftsklimas in Russland nicht nur Moskauer, sondern auch Sankt Petersburger Unternehmen berücksichtigt werden. Wie der Leiter der Analyseabteilung der Investment-Gesellschaft IK RUSS-INVEST, Dmitrij Bedenkow, anmerkt, hat sich Russland in der Kategorie „Unternehmensanmeldung“ um 24 Punkte auf Platz 34 verbessert. Platz 14 nimmt Russland in der Kategorie „Verwirklichung von Vertragsforderungen“ ein.

Ausblick in die Zukunft Dennoch raten die Marktteilnehmer dazu, die Bedeutung des Ratings nicht überzubewerten. Nach Angaben von Marija Gluchowa zeugen die Umfragen des RUIV von überwiegend negativer Einschätzung des Geschäftsklimas in Russland. Laut monatlichem Geschäftsklimaindex des RUIV liegt die persönliche Einschätzung des Geschäftsumfeldes im Verlauf von 2014 im negativen Bereich. Dabei verringert sich der durchschnittliche Wert dieser Einschätzung jährlich. „Die zunehmend negati-

62 Diesen Platz belegt Russland nun im neuen Ranking. Damit liegt das Land zwischen Griechenland (61) und Moldau (63).

Die internationalen Ratingagenturen bewerten Russland als Land, in das auch weiterhin investiert werden kann, ungeachtet der negativen geopolitischen Faktoren und der gegen das Land ausgesprochenen Sanktionen. Die Ende Oktober aktualisierten Ratings von Moody’s und Standard & Poor‘s stufen Russland auf „Investitionsniveau“ ein, auch wenn Moody’s sein Rating um eine Stufe auf Baa2 gesenkt hat. Standard & Poor‘s seinerseits korrigierte seine Bewertung nicht und beließ seine Einschätzung bei BBB-, d.h. der untersten Stufe der Kategorie „Durchschnittlich gute Anlage“, bei der – bei einer Verschlechterung der Gesamtwirtschaft – mit Problemen zu rechnen ist. „Diese Prognose spiegelt unsere Sichtweise wider und wir können Russlands Rating in den kommenden 18 Monaten herabsetzen, wenn die Devisenreserven sich schneller verringern als wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt annehmen“, heißt es bei Standard & Poor‘s. Als einer der Risikofaktoren wurde von der Agentur die Möglichkeit einer „weiteren Verschärfung der Sanktionen aufgrund des Konfliktes in der Ukraine“ genannt. „Im gewissen Sinne kann die Beibehaltung des Kreditratings Russlands auf der untersten „Investitionsstufe“ als Methode des polit i sc he n D r uc k s b e z e ic h net werden“, meint Kira Juchtenko, Analystin der Brokergesellschaft FBS. Bereits im Juli 2014 hatte Fitch – eine andere Ratinggesellschaft der „Großen Drei“ – Russlands langfristiges Rating in ausländischer und nationaler Währung auf das Investitionsniveau BBB herabgesetzt.

Die Bedeutung dieser Entscheidung

20 Diesen Platz will Russland im Ranking bis zum Jahr 2018 erreichen. Das Ranking ist seit 2012 für die Regierung als Leistungsindikator maßgeblich.

ve Einschätzung des Geschäftsklimas zeugt eindeutig von depressiven Stimmungen in der Wirts c h a f t s w e lt“, s a g t M a r ij a Gluchowa. Außerdem bleibt eine ganze Reihe wirtschaftsrelevanter Faktoren im Doing-Business-Rating unberücksichtigt, so etwa die Sanktionen gegen Russland. „In diesem Rating werden zu viele Faktoren in Betracht gezogen, und sie werden meist nach Einschätzung von Experten ausgewertet, das heißt, eine hohe Fehlerwahrscheinlichkeit ist nicht ausgeschlossen.“

An der Bewertung der Ratingagenturen orientieren sich in erster Linie internationale Investoren. „Konservative europäische und US-amerikanische Investoren haben sich bereits im ersten Halbjahr 2014 aus russischen Anlagen zurückgezogen. Risikofreudige Investoren hingegen sind auch wei-

QUELLE: RBC.RU

AFP/EASTNEWS

RBTH

Moody‘s gehört zu den „Big Three“ der Ratingagenturen

terhin bereit, unsere Aktiva zu erwerben“, erzählt Kira Juchtenko. Nach den Worten Maxim Petronewitschs, stellvertretender Leiter des Zentrums für Wirtschaftsprognosen der Gazprombank, einer der größten Banken Russlands, lassen sich die institutionellen Investoren bei der Auswahl ihrer Projekte davon leiten, dass mindestens einer der ausgewählten Anleihenzeichner über ein Rating auf Investitionsniveau verfügt. Dadurch hat sich die russische Wirtschaft die entsprechenden Investitionschancen bewahrt. Anfangs zog die russische Regierung noch gegen eine mögliche Abwertung des Kreditratings zu Felde. So bezeichnete zum Beispiel der russische Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew im Oktober 2014 eine mögliche Senkung der russischen Bonität als Folge von Inkompetenz oder Voreingenommenheit der Ratingagenturen. Nach den Worten des Ministers verfüge Russland mit weniger als 3% des BIP über eine sehr geringe Auslandsverschuldung, und die gesamte Staatsverschuldung, einschließlich der Schuldverschreibungen, wird auf 11% des BIP geschätzt, was ein Bruchteil des in Europa üblichen Niveaus ist. Laut dem Maastrichter Vertrag beträgt das zulässige Niveau der Auslandsverschuldung in der Europäischen Union 60%.

Politischer Kontext Bereits früher schon haben andere Länder ihre Unzufriedenheit mit der Arbeit der „Großen Drei“ zum Ausdruck gebracht. 2011 wurde Standard & Poor’s von der US-amerikanischen Verwaltung kritisiert, als die Agentur die Kre-

ditwürdigkeit der Vereinigten Staaten von AAA auf AA+ heruntergestuft hatte. Als dann Standard & Poor‘s im April 2014 das souveräne Rating Russlands um eine Position herabstufte, wurde in der Regierung die Gründung einer eigenen Ratingagentur angeregt, die eine Konkurrenz zu den „Großen Drei“ darstellen könnte. Später wurde beschlossen, zur Gründung der neuen Agentur internationale Partner hinzuzuziehen. Im Ergebnis entstand die Agentur Universal Credit Rating Group, an der zum gegenwärtigen Zeitpunkt die russische RusRating, die chinesische Agentur Dagong Global Credit Rating Co. Ltd. und die USamerikanische Egan-Jones Ratings beteiligt sind. „Es war zielführender, diese Agentur in einem Konsortium mit Agenturen anderer Länder zu schaffen“, erklärte der Generaldirektor von RusRating, des russischen Gesellschafters der neuen Agentur, Alexander Sajzew, gegenüber RBTH. Im Endergebnis könnte das neue Projekt die Unterstützung durch die russische Regierung finden. Die verstärkte Kritik an den „Großen Drei“ macht das Projekt einer alternativen Ratingagentur prinzipiell realisierbar, sagt Sergej Hestanow, Professor für Finanzen und Bankenwesen an der russischen Akademie für Volkswirtschaft und staatliche Verwaltung. Der Prozess, in dem die Agentur ein gewisses Vertrauen und Gewicht am Markt erlangen kann, wird kein schneller und einfacher sein. „Realistisch betrachtet wird dies mindestens fünf bis sieben Ja h r e d aue r n“, e rk lä r t de r Experte.

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Banken

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Finanzinstitute Sberbank und VTB locken Kunden mit hochverzinsten Online-Offerten.

Russlands Banken auf Kundenjagd in Deutschland

VTB Direktbank für den Fall der Fälle von der Einlagensicherung Österreichs gedeckt sind. Das Geld der Anleger sei derzeit nicht gefährdet, teilt etwa die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen mit. „Es handelt sich bei den Finanzinstituten um EU-Banken, die dem EU-Recht und der dadurch vorgesehenen Bankenaufsicht unterstehen.“ Noch im April hatte die EU Medienberichten zufolge nicht ausgeschlossen, dass Sanktionen auch die Schließung der Europa-Niederlassungen der russischen Staatsbanken beinhalten können. Doch davon war bei den Sanktionen, auf die sich die europäischen Länder einigen konnten, keine Rede mehr. Vielmehr hat Österreich einem Bericht der Wiener Zeitung zufolge selbst darauf bestanden, dass die Tochtergesellschaften explizit von den Sanktionen ausgenommen werden. Offenbar aus A ngst vor einem Bankenrun und davor, dass die eigene Einlagensicherung dann einspringen müsste. Ein Szenario, in dem Anleger um ihr Geld fürchten müssen, hält auch Experte Stefan Erlich für derzeit kaum wahrscheinlich.

Die Finanzwirtschaft Russlands bleibt von westlichen Kapitalmärkten abgeschnitten, wären da nicht die Filialen in Europa. Diese expandieren weiter und locken mit hohen Zinsen. MICHAIL BOLOTIN FÜR RBTH

Geld deutscher Anleger bleibt sicher Und die europäischen Kunden sorgen sich angesichts der Sanktionen gegen die besagten russischen Banken um ihre Ersparnisse. „Wir erhalten derzeit vermehrt Anfragen von Anlegern, die sich auf-

Russen in Deutschland als interessante Zielgruppe EPA/TASS

Einen ungünstigeren Zeitpunkt konnte man sich kaum vorstellen. Ende Juli saßen in Brüssel die Botschafter der 28 EU-Staaten zusammen und verhandelten über neue Sanktionen gegen Russland. Vor allem Banken und Unternehmen, die sich in der Hand der Regierung befinden, sollten bluten – etwa indem sie keine Kredite mehr aufnehmen dürfen, deren Laufzeit über 90 Tage hinausgeht. Faktisch wäre Russlands Wirtschaft damit von den westlichen Kapitalmärkten ausgeschlossen. Gleichzeitig tüftelten Mitarbeiter der staatlichen Sberbank in Frankfurt am Main an neuen Angeboten, um deutsche Sparer anzulocken. Am Ende gingen die Sanktionen gegen russische Banken und das neue Tagesgeldangebot mit 1,3 Prozent Jahreszins fast zeitgleich an den Start. Doch während die Offerte der Sberbank potenzielle Kunden gefreut haben dürfte, schließlich gehört das Angebot zu den besten auf dem Markt, sorgte die Entscheidung in Brüssel, die größten russischen Staatsbanken mit Sanktionen zu belegen, für Sorgenfalten. Denn die Sberbank ist nicht das einzige russische Institut, das seine Expansion nach Europa und auch nach Deutschland vorantreibt. Der staatliche Konk u r r e nt de r Sb e rba n k, d ie Vneshtorgbank (VTB), ging bereits vor drei Jahren mit Angeboten beim Fest- und Tagesgeld in Deutschland an den Start. Die Sberbank begann etwas später. Im Jahr 2012 kaufte das russische Institut die österreichische Volksbank für gut 500 Millionen Euro und die türkische Denizbank für 2,8 Milliarden Euro. Damit verschaffte sich die Bank Zugang zu Märkten fast in ganz Osteuropa. Allein die VTB Direkt konnte dank vergleichsweise hoher Zinsen rund 2,5 Milliarden Euro an Einlagen einsammeln, wie aus dem Geschäftsbericht der Bank hervorgeht. Insgesamt betrug die Bilanzsumme der europäischen VTBTochter 5,5 Milliarden Euro. Die zur Sberbank gehörende Denizbank schlüsselt ihre Anlagen zwar nicht nach Ländern auf, allerdings dürfte auch hier ein beträchtlicher Teil der fünf Milliarden Euro an Kundenanlagen aus Deutschland stammen.

Die Sberbank will sich in Europa etablieren und lockt nun deutsche Kunden im Internet.

Auf diesen Märkten sind Russlands Banken vertreten

GAIA RUSSO

Russlands Banken in Europa Die Sberbank Europe, zu der auch die auf Deutschland ausgerichtete Sberbank Direct gehört, ist insgesamt in zehn europäischen Ländern vertreten und unterhält dort mehr als 280 Filialen, die meisten in Ungarn und in der Slowakei. Die Bilanzsumme der Sberbank Europe AG beläuft sich derzeit auf etwas mehr als 12,3 Mrd. Euro.

Sberbank Europe und VTB (Austria) sind EUBanken. Die Einlagen sind durch die Sanktionen nicht gefährdet.

Die VTB Bank (Deutschland) AG, eine Spezialbank für deutsch-russische Handelsbeziehungen, ist ebenso wie die VTB Direktbank eine 100-prozentige Tochter der VTB Bank (Austria) AG. Die VTB hat kein Filialnetz in Europa und lockt Privatkunden ausschließlich im Internet. Die Bilanzsumme der Bank beläuft sich auf 10,3 Mrd. Euro.

grund der Ukraine-Krise Sorgen um ihre Einlagen bei der VTB Direktbank, der Denizbank oder auch der Sberbank Direct machen“, berichtet Stefan Erlich vom Finanzportal Kritische Anleger. Ganz unberechtigt dürften solche Sorgen nicht sein. Noch bevor Sanktionen verhängt wurden, klagte der Chef des Geldinstituts

VTB, Andrej Kostin, die englische Tochtergesellschaft VTB Capital werde von der Zentralbank aus politischen Gründen unter Druck gesetzt, der weit über die gewöhnliche Aufsichtspraxis hinausgehe. Vor Kurzem drohte Kostin, die Listung seiner Bank an der Londoner Börse aufzuheben, denn die Londoner Stock Exchange hatte den Handel mit VTB-Zertifikaten untersagt, weil sie diese als Kapitalaufnahme wertet, die den russischen Banken untersagt ist. Doch die Verbraucherschützer in Deutschland sehen keine Gefahr für die Spareinlagen deutscher Kunden. Denn genau genommen handelt es sich bei den Tochterunternehmen nicht um russische Banken, sondern um europäische Banken. Der Hauptsitz von beiden liegt in Wien, wodurch sowohl die Sberbank Direct als auch die

Inwieweit Sanktionen den Markteintritt der Sberbank dennoch beeinflusst und potenzielle Kunden abgeschreckt haben, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Die Sberbank selbst hat sich vor dem Start mit Prognosen zurückgehalten. „Wir wollen in Deutschland als digitale Bank auftreten. Es ist jedoch schwer zu sagen, wie viele Einlagen wir online akquirieren können“, sagte der Vize-Chef der Bank, Sergej Gorkow, auf dem Petersburger Wirtschaftsforum im Mai. Fest steht, dass der Wunsch, den deutschen Markt zu erobern, nicht erst seit wenigen Monaten besteht. Bereits auf dem Wirtschaftstreffen in Davos vor eineinhalb Jahren erklärte Gorkow, dass Deutschland der einzige interessante westeuropäische Markt für seine Bank sei. Anfang des laufenden Jahres wurde dann die Erlaubnis der Bundesagentur für Finanzaufsicht beantragt. Einer der Faktoren, die laut Gorkow Deutschland als Markt attraktiv machen, ist die hohe Zahl von russischstämmigen Einwohnern, die die Marke bereits kennen. Zudem sind die Zinsen in der Eurozone deutlich niedriger als in Russland. Während VTB und Sberbank etwas mehr als zwei Prozent Zinsen pro Jahr auf ein Festgeldkonto zahlen, sind in Russland bei einer Einlage in Euro bereits vier bis fünf Prozent fällig. Zudem gelte Deutschland als Bankenmarkt mit großer Aufnahmefähgikeit, exzellenter Infrastruktur und Verbrauchern, die es gewohnt seien, Angebote zu vergleichen, erklärt ein Sberbank-Sprecher. Vom günstigen Geld können die russischen Mütter allerdings nicht so einfach profitieren. Für Banken in der EU liegt die Obergrenze für die Kreditvergabe nach den Richtlinien zu Large Exposures bei 25 Prozent des Eigenkapitals. Laut Sberbank Europe fließen die meisten Einlagen ohnehin in europäische Kreditgeschäfte. Eine Alternative für westliche Kredite an russische Unternehmen sind die deutschen Spareinlagen nicht.


Unternehmen

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Trainings für die Mitarbeiter werden bei russischen Unternehmen immer populärer.

Raus aus der Komfortzone IM GESPRÄCH

„Für Russen ist Training wie Wettkampf“ Über die Besonderheiten der Kooperation in interkulturellen Teams spricht Tachir Bazarow, Gründer des Zentrums für Personaltechnologie im XXI. Jahrhundert und Professor an der Moskauer Staatlichen Lomonossow-Universität.

DPA/VOSTOCK-PHOTO

Um Seminarteilnehmer aus der Reserve zu locken, eignen sich am besten kleine Extremsituationen.

Trainings für Geschäftsleute haben in Russland keine Tradition und kamen aus dem Westen. Mittlerweile haben sie jedoch eine Eigendynamik entwickelt und folgen eigenen Regeln. JULIA SCHEWELKINA RBTH

Jekaterina Wilenkina will ihren Kunden das Augenlicht rauben. Zumindest vorübergehend. Dazu sperrt sie eine Gruppe von Managern und Unternehmern in einen vollständig abgedunkelten Raum, wo sie unter Anleitung blinder Trainer die unterschiedlichsten Aufgaben erledigen - von der gemeinsamen Zubereitung des Abendessens bis hin zum Zusammensetzen von Matroschkas. „Für unsere Ziele ist es besser, dass die Teilnehmer so wenig wie möglich sehen“, erklärt Wilenkina, Leiterin des Moskauer Büros des Projektes „Dialog im Dunkeln“. Diese Business-Trainings entwickelte der soziale Unternehmer Andreas Heinecke und führte sie erstmals 1998 in Deutschland durch. Nach Russland kamen sie vor zwei Jahren. Die ersten Trainings für Persönlichkeitsentwicklung in Russland kamen aus den Vereinigten Staaten Mitte der neunziger Jahre, als viele russische Unternehmer ihre Geschäftstätigkeit praktisch aus dem Nichts aufbauten. Westliche Fachleute arbeiteten damals detaillierte Empfehlungen für die persönliche Entwicklung von Mitarbeitern aus. „Inzwischen ist in Russland der Bedarf an Trainings zur Entwicklung allgemeiner Fähigkeiten nicht mehr ganz so groß wie vor zwanzig Jahren, und das Interesse ist mehr auf die innere Transformation der Persönlichkeit gerichtet“, erklärt Natalja Dolina, Generaldirektorin des Europäischen Zentrums für Business-Coaching. „Anstatt Hammer und Nägel auszuteilen und zu erklären, wie man damit richtig umgeht, kann man eine Art Trigger im Inneren der entsprechenden Person aktivieren und sie wird derart inspiriert, dass sie selbst zum Werkzeug greift und bereits weiß,

wie sie mit ihm umgehen muss“, fügt sie hinzu. Softskills seien n ic ht w e n i g e r w ic ht i g a l s Hardskills.

Dialog im Dunkeln „Die Dunkelheit ist lediglich ein Instrument, um auf die Verfassung einer Person einzuwirken“, sagt Jekaterina Wilenkina. Zwischen 70% und 90% der Information nimmt der Mensch mithilfe seines Sehvermögens auf. Wird er dieser Möglichkeit beraubt, befindet er sich deshalb in einer Extremsituation. Dieser Ansatz hilft dabei, die inneren Reserven zu aktivieren und wird häufig auch in anderen Seminaren verwendet. Die Kommunikation mit einem blinden Trainer beim „Dialog im Dunkeln“ trägt unter anderem auch dazu bei, die soziale Toleranz der Mitarbeiter zu verbessern. „In Russland ist diese im Vergleich zu anderen Ländern sehr schlecht ausgeprägt, weshalb die sozial ausgerichteten Trainings hier noch nicht so gefragt sind wie andere Angebote unseres Untern e h m e n s “, b e k e n n e n d i e Organisatoren. „Insgesamt sind die Trainings in Russland emotionaler. Im Westen

ZAHLEN

16

Prozent des Marktes für Business-Seminare in Russland werden von großen Anbietern beherrscht. Der Rest entfällt auf mittlere Unternehmen und Freiberufler.

1,4

Milliarden Euro beträgt aktuell das jährliche Marktvolumen für Business-Seminare. Dabei überstieg die Nachfrage das Angebot bei Weitem.

65

Euro beträgt der durchschnittliche Trainigspreis pro Tag und Teilnehmer. In Moskau können die Preise bis zu 190 Euro pro Tag betragen.

sind sie wesentlich methodischer“, sagt Dolina. Während in Europa und den USA der Trainer in der Regel weiß, zu welchem Resultat er den Kunden führen muss, richtet sich das russische Consulting während des Trainings mehr an den Wünschen des Kunden aus. Besondere Aufmerksamkeit widmen die russischen Business-Trainer in letzter Zeit verstärkt den Frauen. Einerseits sind sie von Natur aus flexibler und in der Lage, ihre Softskills schneller weiterzuentwickeln. Andererseits sind die Rollen zwischen Mann und Frau in Russland so verteilt, dass er mehr als Macher angesehen wird, sie dagegen mehr im Hintergrund bleibt und als Fachmann bzw. als Fachfrau kaum akzeptiert wird. Damit eine Frau als Vorgesetzte bei Geschäftsverhandlungen auf Augenhöhe auftreten kann und die Meinung weiblicher Manager im Kollegenkreis angehört wird, buchen viele Unternehmen Trainings zur Entwicklung von Führungsqualitäten. Diese Praxis existiert sogar in internationalen Unternehmen, die über ein Office in Moskau verfügen. Dolinas Worten nach lernen Frauen bei solchen Trainings, ihre Gefühle zu kontrollieren, Kollegen zuzuhören sowie ihren Standpunkt konstruktiv und selbstsicher zu vertreten.

Die Hürde im Inneren Die Komfortzone zu verlassen, bedeutet für Führungskräfte, wichtige Unternehmensentscheidungen zu treffen, ohne auf die vorhanden persönlichen Erfahrungen zurückzugreifen. Damit beschäftigt man sich in der Filiale des deutschen Beratungsunternehmens Büro Akzent in Moskau, das nach der Methode des deutschen Business-Trainers Otto Scharmers arbeitet. Dessen „Theorie U“ ist darauf ausgelegt, Führungskräften dabei zu helfen, ihre Arbeitsmethode zu verändern. Seiner Meinung nach hat ein Unternehmen die Chance, die Erfordernisse der Zukunft zu erkennen und darauf zu regieren, wenn es die gewohnten Gleise verlässt.

Welchen Herausforderungen sehen sich interkulturelle Teams gegenüber? Sprachliche und kommunikative Barrieren gibt es auch in Teams ohne internationalen Background. Insofern sind die Schwierigkeiten bei allen etwa gleich. Entscheidend ist, ob die Geschäftsleitung eine ganzheitliche Unternehmenskultur hervorbringen kann. Welche Hindernisse müssen eingeladene Führungskräfte überwinden, wenn 90% ihrer Belegschaft Russen sind? Am Anfang ist es für die deutschen Geschäftsführer schwer zu akzeptieren, dass in Russland die gleichen Worte mehrmals wiederholt werden müssen. Sie versuchen, ihr Anliegen schriftlich zu kommunizieren. Und erleben dann die Überraschung, dass unsere Leute dennoch eine persönliche Anweisung brauchen. Wenn der Chef auf seinen russischen Mitarbeiter zugeht und ihm persönlich eine Aufgabe gibt, versteht dieser, wie wichtig die Anforderung ist, und versucht, sie pünktlich zu erledigen. Unternehmensführer, denen man das erklärt hat, stellen sich mit der Zeit auf diese Art des Miteinanders ein. Sie werden gesprächiger. So wird das internationale Team zu einer effektiven Ressource. Welches Training ist gut für so ein Unternehmen?

Sie brauchen eine andere Vorbereitung. Je nach Unternehmen gibt es Unterschiede zwischen den Trainingsteilnehmern. Und diese Unterschiede kann man gewissermaßen auch geografisch festmachen. Je östlicher, desto emotionaler und engagierter die Ges c h ä f t sb e z ie hu n g e n , de s t o schwieriger ist die Akzeptanz rationaler Veränderungen. Davon müssen die Methoden ausgehen. Russen begreifen Training oft als Wettkampf. Ihnen ist es wichtiger, auf eine Frage zuerst zu antworten, egal ob die Antwort richtig ist. Daher muss in homogenen Teams der Schwerpunkt mehr auf Qualifikationsmaßnahmen liegen, wogegen in internationalen Teams die Angleichung von Engagement wichtiger ist. Wie kann man die Effektivität eines Trainings messen? Einerseits wird von einer Maßnahme ein konkretes Ergebnis erwartet. Andererseits sind auch ein positiver emotionaler Effekt und der Wunsch, weiter zusammenzuarbeiten, nicht zu unterschätzen. Unmittelbar nach dem Training wird man nur die Emotionen wahrnehmen können. Nach zwei Wochen sollten die Mitarbeiter noch einmal nach ihren Eindrücken befragt werden. Das ist genug Zeit, damit sie die ersten Veränderungen in ihrem Verhalten entwickeln. Nach einem Monat sollte die endgültige Evaluation durchgeführt werden. Nach dieser Zeit können Mitarbeiter ihre Erfahrungen reflektieren und Verbesserungsvorschläge machen. An diesem Punkt wird deutlich, wie hoch die Rendite dieser Investition sein wird. Das Gespräch führte Julia Schewelkina.

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Meinung

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RUBEL IM FREISCHWIMMERBEREICH ler, benötigten die fremden Währungen, um ihr „Geschäft“ vor dem Auf und Ab der Zinsentwicklung zu sichern, während die zweite Gruppe, der sprichwörtliche kleine Mann auf der Straße, sich unbewusst dieser Entwicklung anpasste und so Russland zu einem überstaatlichen Währungssystem verhalf. Das Ergebnis war absolut schockierend. Das Geld, das Herzblut einer jeden Volkswirtschaft und des nationalen Finanzsystems,

Maxim Safonow ÖKONOM

A

Die Volkswirtschaften der Schwellenländer steigern ihre Rolle im globalen Handel. Viele Länder suchen nach Möglichkeiten, die Bedeutung des Dollars in ihrer Wirtschaft zu reduzieren.

POLITOLOGE

D

ie gegenwärtige Krise in der Ukraine hat eines der Probleme der Globalisierung zum Vorschein gebracht: Es ist nicht mehr länger möglich, bedeutende Handelspartner im Rahmen außenpolitischer Strategien zu bestrafen, ohne die Grundsätze des gegenwärtigen globalen Wirtschaftssystems infrage zu stellen. Als der Westen begann, Russland Sanktionen aufzuerlegen, bestrafte er sich auch selbst. Infolge der Globalisierung sind die Volkswirtschaften zu eng miteinander verflochten, um Wirtschaftssanktio-

und Yuan zu verwenden. Später startete Japan, auf dem Yen basierende Handelsverträge zu unterzeichnen. Dies ermöglichte ein Währungsumrechnungssystem ohne den USDollar als Vermittlungswährung. Außerdem wurde zwischen Russland, China, Brasilien, Indien und Südafrika eine neue Vereinbarung geschlossen, in dem diese BRICSStaaten ihre Landeswährungen bei internationalen Geschäften bevorzugen werden. 2009 wurde China zum größten Handelspartner der meisten afrikanischen Länder. Infolgedessen wird 2015 der Handel zwischen Afrika und China ein Volumen von 100 Milliarden Yuan überschreiten. Wirft man einen Blick in die Zukunft, wird all dies zu ernsthaften Konsequenzen nicht nur für Russlands Wirtschaftspolitik, sondern auch für den durchschnittlichen, über die Zukunft seiner Rubelersparnisse besorgten Russen führen. Ist es wirklich sicherer, seine Ersparnisse oder Einlagen in andere Währungen oder gar in Edelmetalle wie Gold zu stecken? Vor diesem Hintergrund sollten Wladimir Putins jüngste Zusicherungen auf dem APEC-Gipfel dazu führen, dass sich jedermann besser fühlt. Und tatsächlich holte der Rubel auch gleich gegenüber dem US-Dollar auf. Die Frage ist allerdings, ob die Talfahrt des Rubels in den vergangenen Monaten das Ergebnis der schlechten konjunkturellen Rahmenbedingungen der russischen Wirtschaft oder aber das Ergebnis von gefährlichen Spekulationen ist, die die normalerweise rational agierenden Finanzmärkte anstecken. Maxim Safonow ist Professor an der staatlichen Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Öffentlichen Dienst beim Präsidenten der Russischen Föderation. Der Beitrag erschien zuerst bei Russia Direct.

RUSSLAND AM SCHEIDEWEG DER GLOBALISIERUNG Michael Slobodchikoff

tuation wahrscheinlich ändern. Die Volkswirtschaften der Schwellenländer steigern ihre Rolle im globalen Handel. Eine Großzahl der Länder sucht nach Möglichkeiten, die Bedeutung des US-Dollars in ihrer Wirtschaft zu reduzieren. Einige der Erdöl exportierenden Länder sind bereits dazu übergegangen, ihr Öl nicht länger für US-Dollar zu verkaufen. Die Vereinten Nationen und die Weltbank haben Berichte vorgelegt, die auf mögliche Gründe hinweisen, eine neue, vom US-Dollar unabhängige Reservewährung zu schaffen. Letztes Jahr unterzeichneten China und Russland Vereinbarungen, die die Verwendung des USDollars in einigen Handelssektoren beschränken. Tatsächlich waren Moskau und Peking die ersten, die diesen Schritt gegangen sind. Im Zeitraum von 2011 bis 2014 waren die beiden Länder bereit, sich von auf US-Dollar basierenden Verträgen zu lösen und im internationalen Handel den Rubel

JORSCH

m 7. November erreichten der US-Dollar und der Euro gegenüber dem Rubel ein historisches Hoch, und die russische Währung wird auch weiterhin schwächeln, solange der Ukraine-Konflikt kein Ende nimmt. Vor einigen Tagen lag der Wechselkurs zwischen Rubel und USDollar bei etwa 1:48, während der Euro zu einem Rekordkurs von 1:60 gehandelt wurde. Am 10. November deutete der russische Präsident Wladimir Putin beim APEC-Gipfel in Peking an, dass Russlands Zentralbank nicht länger intervenieren werde und auf einen offiziellen Handelskorridor für den Rubel verzichte. Das macht den Rubel faktisch zu einer frei floatenden Währung. Was kommt als nächstes, jetzt, wo es dem Rubel möglich ist, seinen tatsächlichen Marktwert auf den globalen Märkten zu ermitteln? Es hat sich so gefügt, dass der USDollar einen speziellen Platz in den Köpfen der postsowjetischen russischen Bevölkerung einnimmt. Russen haben nahezu zu jeder gängigen Währung ein größeres Vertrauen als zu ihrem einheimischen Rubel. Die meisten Russen erinnern sich noch an die frühen Neunzigerjahre, als praktisch jedermann begann, Rubel in US-Dollar zu tauschen, manchmal ohne jeden nennenswerten Grund. Sie hatten dafür häufig nur ein einziges Motiv: Sie misstrauten zutiefst dem „Holz“-Rubel. Die Ersten, die versuchten, ihre Rubel abzustoßen, waren die Währungshändler, die die nationale Währung sogar direkt auf der Straße verkauften. Sie erzeugten diese Mentalität auf dem neuen Markt für Westkonsumgüter und der Otto-Normal-Verbraucher wurde von diesem Virus angesteckt. Und das ist auch verständlich. Die erste Gruppe, die Händ-

wurde einer Transfusion unterzogen und dabei mit allen möglichen Krankheiten der frühen postsowjetischen Periode angesteckt. Der Organismus des erst kurz zuvor geborenen neuen Russlands, der sich eigentlich entwickeln und eine gewisse Immunität aufbauen sollte, konnte nicht überleben. Noch vor einigen Jahrzehnten dominierte der US-Dollar nicht nur in Russland, sondern auch in den meisten Schwellenländern. Er war das Hauptinstrument des internationalen Handels, und die Nachfrage nach ihm nahm mit jedem Jahr zu. Als Reservewährung der Welt bewahrte der US-Dollar seinen Wert und vergrößerte die Nachfrage nach US-amerikanischen Staatsanleihen. Die meisten Länder der Welt legten ihre Reserven größtenteils in US-Dollar an. Und das ermöglichte es der US-Regierung, Geld zu leihen und die Dollars leicht und ohne irgendwelche Ei n sch rä n k u ngen auszugeben. Aber nunmehr wird sich die Si-

nen wirksam werden zu lassen. Im Laufe der letzten 25 Jahre hat Russland sich immer tiefer in die globale Wirtschaftsordnung integriert. In dem Maße, wie Russlands Wirtschaft gegenüber dem Westen allmählich aufholte, hat das Land begonnen, Konsumgüter aus Westeuropa zu importieren. Deutsche Elektronik, Automobile und andere Produkte sind für Russen, die danach strebten, ihre Lebensqualität zu verbessern, zu Statussymbolen geworden. Die Menschen konnten nun auch landwirtschaftliche Produkte wie echten Parmesankäse und chilenische und französische Weine kaufen. Das Problem bestand darin, dass sich Russland von diesen Importen ab-

hängig machte und aufhörte, eigene Konsumgüter zu erzeugen. Es war dank üppiger Rohstoffvorkommen viel rentabler, die Waren einzuführen, statt die Binnenproduktion zu entwickeln. Die EU-Mitgliedstaaten zogen aus dem Handel mit Russland einen nicht unbedeutenden Nutzen. Der Westen verlässt sich auf russische Energieexporte, und die EU exportiert im großen Umfang Landwirtschafts- und Industriegüter nach Russland. Die russische Antwort auf die EUSanktionen ließ nicht lange auf sich warten und zog ein Verbot für landwirtschaftliche Importe aus der EU und den Vereinigten Staaten nach sich. Leider schaden die durch den Westen auferlegten Sanktionen und die russischen Gegensanktionen allen Beteiligten – das ist eine Folge der Globalisierung. Während russische Regierungspolitiker ständig behaupten, dass diese Sanktionen die landwirtschaftliche Produktion im eigenen Lande auf lange Sicht stimulieren werden, gibt es kurzfristig betrachtet

Defi zite bei bestimmten Waren, und die Preise für Agrarerzeugnisse in Russland sind gestiegen. Im Juni 2014 reichte Russland bei der WTO eine Beschwerde über die Sanktionen ein und argumentierte dabei damit, dass die Sanktionen die Regeln der WTO verletzt haben. Im Gegenzug hat die Europäische Union bei der WTO

Volkswirtschaften sind zu eng miteinander verflochten, um Wirtschaftssanktionen wirken zu lassen. Beschwerde gegen Russland eingereicht und behauptet, dass Russland für europäische Exporte nach Russland unfaire Zolltarife auferlegt habe. Die WTO befindet sich in der einzigartigen Position, das Schicksal der Globalisierung bestimmen zu können. Wenn sie sich für die EU ausspricht, hat Russland einen

noch größeren Anreiz, mit China zusammenzuarbeiten. Wenn sich die WTO für die russische Beschwerde gegen die Sanktionen ausspricht, würde Russland die Welthandelsorganisation zwar nicht verlassen, sich aber von unkooperativen Handelspartnern in Europa und den Vereinigten Staaten trennen. Während die ukrainische Krise ihren Anfang als regionaler Konfl ikt zwischen der Ukraine und Russland nahm, entwickelte sie sich mehr und mehr zu einer Eskalationsspirale. Es ist im Interesse sowohl Russlands als auch der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten, die Krise möglichst schnell beizulegen und die Beziehungen auf einen Stand zurückzuführen, der eine Zusammenarbeit ermöglicht. Michael Slobodchikoff ist Dozent an der Fakultät für politische Forschung der TroyUniversität. Dieser Beitrag erschien zuerst bei Russia Direct.


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KOMMENTARE

FREIER RUBEL SCHÜTZT RUSSLAND VOR INFLATION KONSTANTIN MALER

Konstantin Korischenko ÖKONOM

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ie Zentralbank der Russischen Föderation verkündete den endgültigen Übergang zur Politik eines „frei floatenden Rubelkurses“ und der Abschaffung aller Kurs-Grenzen, Korridore und sonstiger Attribute einer Politik der Währungssteuerung. Welche Auswirkung wird das in der Praxis haben und wie wird sich dies auf den Anstieg der Inflation in Russland auswirken? Vor allem sollte nicht vergessen werden, dass die russische Wirtschaft im Wesentlichen vom Erdölpreis abhängt. Diese Abhängigkeit findet ihren Ausdruck in einem kontinuierlichen Anstieg der Erdölpreise in Rubel. Bei steigenden Erdölpreisen auf dem Weltmarkt konnte die Landeswährung in den Jahren 2003 bis 2010 einen festen Kurs halten. Mit der zunehmenden Stabilisierung der Preise in US-Dollar aber und deren Verfall seit 2011 begann der Rubel zu schwächeln. In diesem Jahr kann man sogar von einem Kursabsturz sprechen. Gleichzeitig blieben die Rubelpreise für Erdöl annähernd auf demselben Niveau, da die nationale russische Währung in etwa gleichem Maße an Wert verlor. Dieser anhaltende Trend wird vor

Die anhaltenden geopolitischen Spannungen werden zu einem weiteren Kapitalabfluss führen. allem durch die Struktur der russischen Wirtschaft und die Haushaltslage diktiert. Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds trägt der russische Staat in diesem Jahr mit mehr als 70% zum BIP bei. In den vergangenen zehn Jahren nahm der Anteil der Ausgaben des Staates für den Sozialbereich, das Rentensystem und die Verteidigungsausgaben kontinuierlich zu. Dabei stammt der Großteil des Steueraufkommens von Unternehmen mit staatlicher Beteiligung. Deren Einnahmen hängen in starkem Maße entweder, wie im Fall des staatlichen Eisenbahnmonopolisten RZD, von indizierbaren staatlichen Tarifen oder aber, wie im

Zur Freigabe des RubelKurses Elwira Nabiullina Vorsitzende der Zentralbank Russlands

D

ie Marktteilnehmer müssen sich an diese neue Politik anpassen. Unserer Meinung nach werden die extremen Kursschwankungen abnehmen. Trotz der gesunkenen Ölpreise und der anderen objektiven wirtschaftlichen Faktoren ist der Rubel unterbewertet. Wenn keine weiteren negativen Erscheinungen von außen kommen, hat der Rubelkurs großes Steigerungspotenzial. RIA Novosti

Dmitrij Medwedjew REGIERUNGSCHEF DER RUSSISCHEN FÖDERATION

N Fall der petrochemischen Giganten Gazprom und Rosneft, von der internationalen Konjunktur und vom Rubelkurs ab. Um die Rentabilität ihrer Unternehmen zu sichern und dem Staat die notwendigen Steuern abführen zu können, sind die Unternehmen an einem Ansteigen der Tarife und der Rubelpreise der zu exportierenden Rohstoffe interessiert. Vom Standpunkt des Staates hat der Übergang zu einem frei floatenden Rubelkurs seinen Grund in einem Wechsel zur Politik der Inflationsdämpfung. Wie aber wird das bei einem solchen Wirtschaftsmodell funktionieren? Erstens wird sich der Währungsmarkt in einem äußerst instabilen Zustand befinden, da die externe Nachfrage nach Rubel vor allem durch Exporteure und ausländische Investoren gespeist wird und diese unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht daran interessiert sind, einheimische Aktiva zu erwerben. Für sie ist es günstiger, bei den Banken kurzfristige Kredite mit einem Zinssatz von zehn bis 15% p.a. aufzunehmen, um die Steuern zu zahlen und später einen Gewinn aus den Valutaeinnahmen einzustreichen. Zweitens muss die Zentralbank Russlands, um das fragile Gleichgewicht auf dem Währungsmarkt zu unterstützen, eine äußerst rigide Kreditpolitik führen, was zweifelsohne eine negative

RUSSIA BEYOND THE HEADLINES (RBTH) IST EIN INTERNATIONALES MEDIENPROJEKT, DAS VON DEM VERLAG ROSSIJSKAJA GASETA FINANZIELL UNTERSTÜTZT WIRD. RBTH WIRD AUS ANZEIGENGESCHÄFTEN UND SPONSORING SOWIE ZUSCHÜSSEN VON STAATLICHEN BEHÖRDEN IN RUSSLAND FINANZIERT. DIE HANDELSBLATT-REDAKTION IST AN DER ERSTELLUNG DIESER BEZAHLTEN SONDERVERÖFFENTLICHUNG NICHT BETEILIGT. DIE REDAKTION VON RBTH IST UNABHÄNGIG UND HAT ZUM ZIEL, DEN LESERN EIN MÖGLICHST BREITES SPEKTRUM AN EXPERTENMEINUNGEN ÜBER DIE ROLLE RUSSLANDS IN DER WELT UND ZU EREIGNISSEN INNERHALB RUSSLANDS ZU BIETEN. DABEI IST DIE REDAKTION BEMÜHT, HÖCHSTEN JOURNALISTISCHEN ANSPRÜCHEN ZU GENÜGEN. SO SOLL EINE WICHTIGE LÜCKE IN DER INTERNATIONALEN MEDIENBERICHTERSTATTUNG GESCHLOSSEN WERDEN. DIE PRINTBEILAGEN VON RBTH ERSCHEINEN WELTWEIT IN 26 RENOMMIERTEN ZEITUNGEN IN 23 LÄNDERN UND IN 16 SPRACHEN. AUSSERDEM GEHÖREN ZU RBTH 19 ONLINEAUSGABEN IN 16 SPRACHEN. BEI FRAGEN UND ANREGUNGEN WENDEN SIE SICH BITTE AN: REDAKTION@RUSSLAND-HEUTE.DE ROSSIJSKAJA GASETA VERLAG, UL. PRAWDY 24 STR. 4, 125993 MOSKAU, RUSSISCHE FÖDERATION,

Auswirkung auf das Wirtschaftswachstum hat, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Jahresende die Inflation drücken wird. Zumindest sollte die 2014 durchgeführte monetäre Straffung zu diesem Effekt führen. Drittens werden die anhaltenden

Um die Rentabilität zu sichern, sind Exporteure auf steigende Rubelpreise für Rohstoffe angewiesen. geopolitischen Spannungen zu einem weiteren Kapitalabfluss führen, vor allem, weil die Auslandsschulden getilgt werden müssen. Die Auslandsschulden Russlands betragen gegenwärtig mehr als 600 Milliarden US-Dollar und, in Abhängigkeit vom Tilgungsplan, wird sich dessen notwendige Finanzierung wesentlich auf die Investitionsentscheidungen der russischen Großunternehmen und Banken auswirken. Der Abfluss des Kapitals verschärft die Finanz- und Kreditbedingungen in der Wirtschaft noch mehr und erfordert von der Zentralbank Russlands eine Erweiterung der Binnenkredite, was allerdings im Widerspruch zu der Notwendigkeit steht,

die Stabilität auf dem Währungsmarkt zu sichern. Unterm Strich basiert die Politik der Zentralbank auf dem Einsatz des Zinssatzes als Hauptinstrument zur Inflationssenkung. Allerdings könnte der Preis, der gezahlt werden muss, um das gestellte Ziel zu erreichen, äußerst hoch sein – eine Verringerung des Wirtschaftswachstums, die Umwandlung der Sparguthaben in US-Dollar (die Sparer, die ihre Guthaben in Rubel angelegt haben, mussten Verluste von etwa 20 bis 30% hinnehmen) sowie ein Rückgang des allgemeinen Lebensniveaus der Bevölkerung. Wenn die erste, schmerzhafte Phase der Anpassung an die neue Wirtschaftspolitik überwunden sein wird, werden wir möglicherweise in Russland vor dem Hintergrund einer geringeren Inflation ein Wirtschaftswachstum erleben. Ohne eine Erweiterung des Kreditrahmens und einen niedrigen Zinssatz erscheint dies allerdings nicht sehr wahrscheinlich. Konstantin Korischenko ist Leiter des Lehrstuhls Fondsmärkte und Finanzengineering an der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und öffentlichen Dienst sowie ehemaliger VizeDirektor der Zentralbank Russlands.

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ur ein starker und anhaltender Verfall der Ölpreise kann uns dazu zwingen, die Haushaltspolitik zu änder n. Uns ist w ichtig, d ie Stabilität der Wirtschaft zu bewahren. Wir haben große Sicherheitsvorräte und haben nicht vor, diese Mittel auszugeben. Man kann davon sprechen, dass die russische Wirtschaft mittelfristig wieder ins Gleichgewicht kommt. Die Abschaffung des Währungskorridors ist eine liberale und keine mobilisierende Maßnahme. Das war eines der strategischen Ziele, die sich die Zentralbank gesteckt hat. Wir ergreifen derzeit keine außerordentlichen Maßnahmen in der Wirtschaft. Zeitung Wedomosti

Anton Siluanow FINANZMINISTER DER RUSSISCHEN FÖDERATION

M

ir scheint die Abschaffung des Kurs-Korridors etwas verspätet zu sein. Es gab zudem keine Notwendigkeit, unsere Devisenreserven zu verkaufen, als der Druck auf den Rubel gewachsen ist. Im Grunde genommen haben wir die Situation aus dem Jahr 2008 wiederholt. Wir haben damals den Rubel gestützt, was jedoch kaum Einfluss auf den gleichgewichtigen Kurs unserer Währung hatte. RIA Novosti

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Lifestyle

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Teambuilding Firmenfeiern kosten russische Unternehmen viel Geld, zahlen sich letztlich aber aus.

So feiert Moskaus Bürovolk Ungeachtet der Sanktionen und des fallenden Rubelkurses sparen russische Unternehmen nicht an ihrer Firmenfeier zu Silvester. Auch deutsche Firmen müssen sich anpassen.

Silversterpartys im Hause Kaspersky haben eine lange Tradition.

ALEXANDRA GURKOWA

Nationale Besonderheiten Über ausreichende Speisen macht sich auch Silke Wobken, Verkaufsleiterin der Lufthansa in Russland, Gedanken. „In Russland muss man im Vergleich zu Deutschland pro Kopf in etwa die doppelte Menge Essen kalkulieren.“ In diesem Jahr müssen die Cateringunternehmen allerdings etwas mehr Einfallsreichtum an den Tag legen. Der Grund dafür sind die Einfuhrverbote für einige Lebensmittel aus der EU oder den USA. Die russischen Agrarbetriebe mögen wohl Blauschimmelkäse und Mozzarella durch einheimische Sorten ersetzen, und statt des importierten Wildbrets wird es halt russischen Hirsch oder Kaninchen geben. Die Kosten eines Festessens werden jedoch aufgrund des Wechsels zu russischen Lebensmitteln im Durchschnitt um zwanzig Prozent steigen, berechneten Journalisten der Zeitung Wedemosti. Die Vertretungen einiger deutscher Unternehmen werden den Unterschied aber wohl kaum spüren. „Da die besten Termine am Jahresende schnell ausgebucht sind, haben wir bereits vor den Sanktionen unsere Bestellung für die Feier ausgelöst“, erklärt die Veranstaltungsmanagerin von Russia Consulting, Katharina Barthel. Nach den Worten der Seniormanagerin unterscheidet sich eine Firmenfeier für 300 Mitarbeiter

zu Silvester kaum von einer Weihnachtsfeier in Deutschland, aber ein paar Besonderheiten sind in Russland trotzdem zu beobachten: „Was in Deutschland vielleicht nicht so üblich ist, ist ein Conferencier. In Russland führt ein Profi durch das Programm und erheitert die Belegschaft durch verschiedene kleine Spiele“. Eine Lotterie und ein Unterhaltungsprogramm sind auch bei der Lufthansa Group ein untrennbarer Bestandteil der Silvesterfeier. „Eine weitere rein russische Besonderheit sind die Kostüme“, fügt Silke Wob-

Im Dienste des Staates Im Dezember 2013 las Präsident Wladimir Putin den russischen Staatsunternehmen für deren üppige Ausgaben zur Finanzierung der Firmenfeiern aus dem Staatssäckel die Leviten. „Die Mitarbeiter sollten Geld einsammeln und die Firmenfeier aus ihrer eigenen Tasche bezahlen, so wie das früher auch üblich war“, erklärte Putin und führte als Beispiel sei-

Das Neue Jahr begrüßen auch die Russen gern im Freien, die Moskauer natürlich vorzugsweise auf dem Roten Platz. Schampanskoje darf nicht fehlen.

Silvester Doppelt hält besser

Warum Russland zweimal Neujahr feiert Das Neujahrsfest in Russland zieht sich über mehrere Tage. Wer nicht genug hat, kann es sogar noch einmal wiederholen. DMITRI ROMENDIK RBTH

Das Neujahr in Russland wanderte in der Vergangenheit oft quer durch den Kalender. Nach der Christianisierung der Rus im Jahr 988 begann man, das neue Jahr nach dem julianischen Kalender zu feiern – allerdings am 1. März. Ungefähr gegen Ende des 14. Jahrhunderts – hier streiten sich die Wissenschaftler – verlegte die Russisch-Orthodoxe Kirche die Neujahrsfeierlichkeiten vom März auf den September. Erst 1699 beschloss Zar Peter I., dass die Festtage zeit-

Das Fest aller Feste: wie man in Russland Weihnachten und Neujahr feiert. de.rbth.com/tag/weihnachten

nen früheren Arbeitgeber, den KGB, an. „Wir haben uns auch mit den Kollegen zusammengesetzt und ein Gläschen getrunken – wir waren ja schließlich auch keine Kinder von Traurigkeit.“ Putins Worte fruchteten offenbar. Rosneft, die Post Russlands und die Russischen Eisenbahnen verzichteten auf eine groß angelegte Silvesterfeier auf Kosten des Staatshaushaltes. Der Pipelinebetreiber Transneft entzieht sich bereits seit mehreren Jahren dadurch der öffentlichen Kritik, dass er für seine Mitarbeiter keine groß an-

ken hinzu. „Unsere russischen Kollegen kleiden sich von Jahr zu Jahr eleganter und raffinierter.“

gleich mit den Feierlichkeiten in Europa stattfinden sollten. Doch während Peter sein Neujahr nach europäischem Zeitplan einrichtete, ging der Kontinent vom julianischen zum gregorianischen Kalender über, womit Russland wieder gut zwei Wochen hinterherhinkte. Seinem Schicksal ergab sich das Land erst 1919, als es ebenfalls zum gregorianischen Kalender wechselte. Mit diesem Schritt verschob sich das Datum des Neujahrsfestes erneut. Das führte dazu, dass Neujahr in Russland heute zweimal im Jahr gefeiert wird: Zuerst nach dem „neuen“ Kalender und dann 13 Tage später nach dem alten. Ungewiss bleibt jedoch, wie die Tradition des Tannenbaumschmü-

© VLADIMIR ASTAPKOVICH/ RIA NOVOSTI

Seit Anfang November begibt sich die Softwareentwicklerin Xenia nicht allmorgendlich ins Büro, um feindliche Hackerangriffe abzuwehren, sondern auf die Schlittschuhbahn, um mit ihren Kollegen eine Standwaage einzuüben. „Ich habe das Casting unter den Firmenmitarbeitern erfolgreich absolviert und hoffe, dass ich bei der Silvesterfeier im Pas de deux glänzen kann, und nicht nur im Hintergrund im Schneemannkostüm mitwirken muss“, sagt die Mitarbeiterin des IT-Spezialisten Kaspersky. In den vergangenen Jahren waren Xenia und ihre Kollegen bei den Silvesterfeiern bereits im imaginären Weltraum, auf einer Rock-Party und in der Phantasiewelt von Alice im Wunderland. Auch in diesem Jahr beabsichtigt Kaspersky nicht, die Betr iebsfeier bescheidener anzugehen. „Schade nur, dass die ganzen Delikatessen verputzt sein werden, wenn wir unseren Auftritt beendet haben“, lacht die 30-jährige Xenia.

PRESSEBILD

FÜR RBTH

gelegte Silvesterfeier spendiert, sondern ihnen Theaterkarten schenkt. In einem Interview mit der Zeitung Wedemosti bekennen Vertreter der Staatsunternehmen jedoch: Ein Verzicht auf die Silvesterfeier in diesem Jahr muss nicht unbedingt sein. Die Ausgaben für die Firmenfeier können über andere Kostenstellen verbucht werden und die Veranstaltung selbst kann als „Spartakiade“ oder „Freundschaftstreffen“ deklariert werden. Einige Unternehmen sehen in diesem Zusammenhang gar kein Problem und sprechen ganz offen über ihre Ausgaben für die Feierlichkeiten. So ist sich zum Beispiel auch das staatlich kontrollierte Unternehmen Sberbank treu geblieben. Für 2014 wurde das Budget der Firmenfeier für die Mitarbeiter des Moskauer Büros der Bank sogar um fünfzig Prozent erhöht. Die Kosten für die Veranstaltung im 70er-Jahre-Disco-Stil, das Rahmenprogramm der Feier und die Bewirtung, die aus einer „Flasche Champagner und einer Schachtel Pralinen“ besteht, werden für die 20.000 Mitarbeiter der Sberban k au f 550.000 Eu ro geschätzt. Was die Ausgaben für die Silvesterparty betrifft, dürfte es den meisten russischen Unternehmen verständlicherweise schwerfallen, mit der größten Bank Russlands mitzuhalten. Aber wenn in Russland gefeiert wird, lautet der Grundsatz: „Wenn schon, denn schon!“ Denn diese Art des „Teambuildings“ ist die immensen Ausgaben wert, sind sich die Veranstaltungsmanager sicher. Und dann ist da ja auch noch das russische Sprichwort, an dem viele Menschen eisern festhalten: „Wie man das neue Jahr beginnt, so wird man es auch verbringen.“

ckens nach Russland kam. Eine Erklärung ist, dass Prinzessin Charlotte, Frau des Kaisers Nikolai I., diesen Brauch zu Beginn des 19. Jahrhunderts ins Zarenreich brachte. Einer anderen Version zufolge stammt er von deutschen Siedlern. Während des Ersten Weltkriegs verbot die Kirche das Aufstellen von Tannenbäumen „nach deutschem Brauch“. Als die Bolschewiken an die Macht kamen, predigten sie den Atheismus und legten sich in allen Fragen mit der Kirche an – außer beim Tannen-

baumverbot. Während die Kirche die Tanne als Brauch des Kriegsgegners verbot, ging es ihnen um das Weihnachtsfest an sich. 1928 wurde die Tanne wieder erlaubt. Bereits ein Jahr später hatte sich auch die Planwirtschaft auf die Neujahrstanne eingelassen: Glühlampenwerke produzierten Schmuckkugeln, die Moskauer Kabelfabrik drehte Sterne für die Tannenbaumspitzen. Denn auch auf sowjetischen Tannenbäumen leuchtete ein Stern – allerdings nicht der von Bethlehem, sondern ein fünfzackiger Sowjetstern.


Sport

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Sport und Politik untrennbar verbunden

Stalins Angst vor Niederlagen Auch Stalin waren sportliche Leidenschaften nicht fremd. Zeitgenossen erinnern sich, dass er ein großer Liebhaber des Volkssports Gorodki („Städtchen“) war. Der Grundgedanke des Spiels ist es, fünf Holzklötzchen, die zu verschiedenen Figuren aufgebaut werden, mit einem Wurfstock aus einer bestimmten Entfernung von ihrem Platz aus dem abgegrenzten Spielfeld zu schlagen. Der berühmte Flugzeugbauer Sergej Iljuschin schreibt in seinen Memoiren: „... Stalin hörte zu, kein Wort kam ihm über die Lippen. So verging ungefähr eine halbe Stunde. Als ihm klar war, dass die Frage nicht leicht zu entscheiden war, unter-

Schwarzer Gürtel für Judoka Putin Der erste russische Präsident Boris Jelzin hatte zwei Lieblingssportarten. „Ich war ein begeisterter Volleyballspieler und hätte am liebsten nichts anderes mehr gemacht. Mir gefiel es, dass der Ball mir gehorchte, dass ich mit einem unglaublichen Sprung selbst die hoffnungslosesten Situationen retten konnte … Mir fehlen an der linken Hand zwei Finger, daher bereitete mir die Ballannahme

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Russlands Staatsoberhäupter haben alle ihre eigenen Vorlieben. Oft hängt davon auch die staatliche Unterstützung für die jeweilige Sportart ab. Schach unter Lenin, Tennis unter Jelzin und Judo und Alpin-Ski unter Putin. Vor allem bei den Ergebnissen im Spitzensport macht sich das Phänomen bemerkbar.

AFP/EASTNEWS

RBTH

Der Gründer der Sowjetunion Wladimir Iljitsch Lenin liebte das Schachspielen. Bis heute ist eine 1908 in Italien entstandene Fotoserie erhalten, auf der er und ein anderer großer Bolschewik, Alexander Bogdanow, in ein Schachspiel vertieft sind. Beobachter der Partie ist der berühmte russische Schriftsteller Maxim Gorki, dessen Gastfreundschaft Lenin genoss. Während seiner erzwungenen Emigration in Europa pflegte Lenin noch ein anderes Hobby – er unternahm Radreisen. Damals war dieses Hobby noch etwas für Wagemutige. Die Fahrräder ließen sich nicht gerade einfach lenken, es war nicht ungefährlich, auf den Pariser Straßen zu fahren. Die ersten Sportarten, die nach der Revolution eine deutliche Konjunktur erlebten, waren – das lag nahe – der Radsport und Schach. 1918 fanden die ersten großen Radrennen statt, 1920 die erste Schachmeisterschaft im ganzen Land. „Die Regierung begriff, dass Schach ein Bestandteil der Volksbildung ist, dass sich mit seiner Hilfe die Kultur des Landes fördern und der Bildungsrückstand im armen Russland bekämpfen lässt“, erklärt der Schachweltmeister Anatoli Karpow.

GETTY IMAGES/FOTOBANK

ALEXEJ DENISSOW

brach er schließlich die Diskussion mit dem Satz: „Gehen wir Gorodki spielen“. Diesem Vorschlag schlossen sich alle sehr gern an. Vier Stunden lang herrschte auf dem Gorodki-Feld ein fröhliches Getümmel. Stalin war mit Leidenschaft bei der Sache, geschickt schlug er die Figuren, die erfolgloseren Mitspieler bespöttelte er ein wenig …“ Um den ganz großen Sport war es jedoch in der Stalin-Ära nicht sehr gut bestellt. Die sowjetischen Sportler traten in Wettkämpfen hauptsächlich gegen Vertreter der Arbeiterbewegung anderer Länder an, und das war nicht immer die sportliche Crème de la Crème. Teilweise beruhte diese Auswahl der Gegner auf politischen Überlegungen, ganz sicher spielte aber auch eine fast pathologische Angst der sowjetischen Sportfunktionäre vor einer Niederlage eine Rolle. „Um eine Erlaubnis für die Teilnahme an einem internationalen Wettkampf zu erhalten, musste ich Stalin ein spezielles Schreiben vorlegen, in dem ein Sieg garantiert wurde …“, schrieb Nikolai Romanow, der nach dem Weltkrieg das Sportressort der Kommunistischen Partei leitete. Aus diesem Grund trat ein Team der UdSSR zu den Olympischen Spielen erstmals im Jahr 1952 an, obwohl sowjetische Sportler bereits früher eingeladen worden waren. Stalins Nachfolger Nikita Chruschtschow hegte für Sport keine besonderen Sympathien. Leonid Breschnew wiederum, der ihn in seinem Amt beerbte, war ein hervorragender Schwimmer und Rennfahrer. Als Zuschauer interessierte er sich besonders für Hockey und Eiskunstlauf. Während seiner Amtszeit erlebten diese Spor ta r ten i h r „goldenes Zeitalter“.

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In Russland gehen Sport und Politik oft Hand in Hand. Nicht selten strahlen sportliche Vorlieben des jeweiligen Kremlherren aufs ganz Land aus und werden zum Volkssport.

© DMITRY ASTAKHOV /RIA NOVOSTI

Russlands SportVorlieben: In ist, was im Kreml gut ankommt

manchmal Schwierigkeiten. Aber ich erarbeitete mir eine eigene Technik“, schrieb Jelzin. Wesentlich bekannter wurde dagegen Jelzins Begeisterung für Tennis. Dank seines Interesses für diese Sportart erhielt sie eine großzügige staatliche Förderung und Präsenz im Fernsehen. „Der Tennissport in unserem Land hat Jelzin sehr viel zu verdanken“, so Schamil Tarpischtschew, der frühere Trainer der Tennismannschaft der UdSSR und Mitte der 90er-Jahre Sport-Berater des Präsidenten, in einem Interview. Der russische Expräsident Dmitrij Medwedjew war in seiner Jugend Schwerathlet und begeister-

te sich für den Kajaksport. Während seiner Amtszeit warb er mit allen Kräften für Badminton. Sein Engagement in diese Richtung zahlte sich aus: Von den Olympischen Sommerspielen 2012 in London brachten Nina Wislowa und Walerija Sorokina erstmals in der Geschichte für Russland eine Medaille im Badminton-Doppel nach Hause. Das derzeitige russische Staatsoberhaupt Wladimir Putin hat den schwarzen Gürtel in Karate, Judo und Taekwondo. Bekannt ist auch Putins Vorliebe für den Alpinsport. „Er fährt Ski wie ein erfahrener Profi, sehr schön, schnell, technisch versiert. Aber es gibt einen

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Fehler, den ich, wenn wir zusammen fahren, immer wieder korrigiere“, erzählt Swetlana Gladyschewa, Präsidentin der Russischen Föderation für Ski Alpin und Snowboarding, in einem Gespräch mit der Zeitung Iswestija. „Schon an seinem Gang ist zu sehen, dass ein Arm ein wenig nach vorn zieht, das überträgt sich auch auf die Skier.“ Vor Kurzem hat Putin Eishockey für sich entdeckt. 2011 stand der russische Präsident zum ersten Mal auf Schlittschuhen, heute spielt er regelmäßig in Freundschaftswettkämpfen mit der Altherrenmannschaft der UdSSR.

18: all-WM 20 FIFA-Fußb läuft es rund nd Für Russla m/31899 de.rbth.co


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Gastronomie

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Deutsche Würstchen und Bier mag ich besonders RBTH HAT DEM KOCH DER RUSSISCHEN BOTSCHAFT IN BERLIN IN DIE TÖPFE

AUS DEM PERSÖNLICHEN ARCHIV (3)

INTERVIEW JEWGENIJ TJUTJUNIKOW

Jewgenij Tjutjunikow bekocht seit vier Jahren den russischen Botschafter in Berlin und seine Gäste.

GESCHAUT. Ist Koch Ihr Traumberuf? Ja, das kann man so sagen. Ich habe schon immer gern gekocht und gebacken. Ich komme aus Selenograd, bei Moskau. Das Kochen habe ich aber in Nowosibirsk in einer Militärakademie für Köche gelernt. Nach meiner Armeezeit habe ich angefangen, als professioneller Koch zu arbeiten. Wo haben Sie gearbeitet, bevor Sie Koch in diplomatischen Diensten wurden? Ich arbeitete bereits seit 1991 in Hotels und Restaurants. Im Moscow Marriott Royal Aurora Hotel, in dem ich fast vier Jahre arbeitete, hatte ich eine leitende Stellung als Chef de Partie. Der Chef de Partie leitet einen Arbeitsbereich einer Küchenbrigade. Dann habe ich das Angebot bekommen, Botschafts-Koch zu werden. Seit wann sind Sie Koch in der russischen Botschaft in Berlin? Seit vier Jahren arbeite ich hier, seit Wladimir Grinin russischer Botschafter in Berlin ist. Davor habe ich bereits in den russischen Botschaften in Polen und Finnland gearbeitet. Deutschland ist meine dritte Auslandsstation. Welche Gerichte dürfen in einem typischen Menü der russischen Botschaft nicht fehlen? Natürlich ist die russische Küche in all ihrer Vielfalt die Basis für jedes Menü. Besonders beliebt auch bei unseren Gästen sind Garnelen

Delikatessen wie roter Kaviar verleihen der recht bodenständigen russischen Küche eine edle Note.

und mit Zirbelnüssen gefüllter Lachs oder Heringe in Mayonnaise, eingelegtes Gemüse und Olivier-Salat. Auch Pelmeni und Piroggen mit Fleisch und Kohl dürfen nicht fehlen. In Polen und Finnland war das ähnlich. Wie wird das Menü zusammengestellt? Gibt es dafür ein eigenes Protokoll? Nein, im Grunde genommen stelle ich den Speiseplan selbst auf. Ich variiere dabei die einzelnen Gerichte, biete zum Beispiel verschiedene Salate an. Ein Menü unterscheidet sich natürlich in Abhängigkeit von der Jahreszeit. Vor dem Neujahrsfest bereite ich oft Pute zu. Zu Weihnachten haben wir auch einmal Karpfen serviert, ein traditionelles europäisches Weihnachtsessen. Unsere deutschen Gäste waren begeistert. Dann gibt es auch besondere Anlässe, zu denen wir auch besondere Gerichte kochen. Einmal richtete die Botschaft eine Jubiläumsfeier für einen Vertreter des Deutschen Episkopats der Russisch-Orthodoxen Kirche aus. Den Wunsch nach einem Lamm am Spieß konnten wir leider nicht erfüllen, aber ich habe Ferkel mit Buchweizen zubereitet. Das war ein voller Erfolg. Erfüllen Sie auch Sonderwünsche der Gäste, zum Beispiel für Vegetarier? Ja, für diejenigen, die nicht so gern Fleisch essen, bieten wir auch Fischgerichte an und für Vegeta-

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Küche meist allein. Bei einem großen Empfang helfen die Mitarbeiterinnen der Botschaft. Sie schneiden zum Beispiel Gemüse und arrangieren die Speisen. Bisher bin ich in meiner Küche mit maximal sechs Gehilfen ausgekommen. Die brauche ich aber zum Beispiel unbedingt bei der Zubereitung von Piroggen. Das kostet viel Zeit. Wir essen hier aber seltener Piroggen, als es in Russland üblich ist. Gefällt Ihnen auch die deutsche Küche? Ich halte viel von der deutschen Küche. Besonders mag ich deutsche Würstchen und deutsches Bier. In deutsche Restaurants gehe ich meist nur, wenn ich auf Reisen bin. In Deutschland esse ich oft in italienischen und russischen Restaurants.

Garnelen, Lachs und Heringe: Fischgerichte sind besonders beliebt, auch bei den Gästen der russischen Botschaft.

rier zum Beispiel Mozzarella-Salat. Wir haben auch schon auf besonderen Wunsch asiatisch gekocht, da gab es dann Zitroneng rassuppe oder Wok-Gerichte. Was ist das Leibgericht des russischen Botschafters in Deutschland? Er liebt im Grunde alles, was die russische Küche zu bieten hat. Sehr gern isst er Lammrücken oder Schweinskaree. Bekommen Sie in Deutschland

problemlos alle Zutaten, die Sie zur Zubereitung von Speisen der russischen Küche brauchen? Ja, hier gibt es alles. Ich kaufe selbst ein. Wenn wir eine größere Zahl Gäste haben, wende ich mich meist an die Lieferanten russischer Geschäfte. Über die bekomme ich dann auch Lebensmittel wie Heringe oder Sprotten, die in so großer Menge nicht immer leicht zu besorgen sind. Wie viele Personen arbeiten in der Botschaftsküche? Im Grunde arbeite ich in meiner

Gibt es ein Land, in dem sie gern einmal arbeiten möchten? Ja, in Italien. Ich mag das Land und die italienische Küche. Weniger Interesse habe ich an exotischen Ländern. Ich habe einfach einen europäischen Geschmack. Können Sie sich daran erinnern, schon einmal ein besonders großes oder außergewöhnliches Lob bekommen zu haben? Das ist schwer zu sagen. Üblicherweise wird einem Koch nur der Dank ausgerichtet, dass das Essen köstlich und sehr gut war. Das größte Lob, das ein Koch bekommen kann, ist ohnehin, wenn von den Gästen alles aufgegessen wurde. Das Gespräch führte Olga Schtyrkina.

Das Kulturjahr bündelt zahlreiche Veranstaltungen in den Bereichen Sprachunterricht, Übersetzung und Literatur, wie beispielsweise: - die bundesweite Russisch-Olympiade - Wettbewerbe für deutsche Schüler und Studenten - Konferenzen für Lehrer und Dozenten für Russisch - Übersetzer-Symposien - Begegnungen zwischen russischen und deutschen Schülern und Studenten - Ausstellungen - Lesungen - Literaten – und Publizistentreffen und vieles andere mehr


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