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Freitag, 8. Mai 2015

Ausgabe für Luxemburg Diese Beilage erscheint exklusiv im Die monatlichen Beilagen erscheinen in verschiedenen Sprachen in führenden internationalen Tageszeitungen: The Daily Telegraph, Le Figaro, The New York Times, La Repubblica and El Pais.

F Ü R D E N I N H A LT I S T AU S S C H L I E S S L I C H D I E R E DA K T I O N VO N R U S S I A B E YO N D T H E H E A D L I N E S ( R U S S L A N D) V E R A N T WO R T L I C H .

1945-2015: 70 Jahre Frieden Menschen kamen während des Zweiten Weltkriegs ums Leben. Auf russischer Seite gab es die meisten Opfer.

Mio.

%

Tausend

der Menschen, die sich in Russland freiwillig zur Front meldeten, waren Frauen.

Reichsmark Kopfgeld setzte Hitler auf den Nachrichtensprecher Jurij Lewitan aus, der die Berichte von der Front verlas.

Anlässlich des 70. Jahrestags des Kriegsendes 1945 hat Russia Beyond The Headlines ein Projekt gestartet, das durch analytische Beiträge und persönliche Geschichten von Zeitzeugen eine andere, bisher weniger bekannte Seite des Krieges enthüllt.

Treten Sie hinter die Frontlinien des Zweiten Weltkriegs und lesen Sie unsere Beiträge in der Sonderrubrik

DE.RBTH.COM/70_JAHRE_KRIEGSENDE

ENDE DES ZWEITEN WELTKRIEGS Am 9. Mai 1945 feierten die Sowjetunion und ihre westlichen Verbündeten das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. In unserem Thema des Monats erzählen wir weniger bekannte, persönliche Geschichten von Menschen während des Kriegs und erklären, wieso die Welt auch siebzig Jahre später noch immer nicht zusammengefunden hat. SEITEN 4-7 TASS


Freitag, 8. Mai 2015

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Eine Beilage des Rossijskaja Gaseta Verlags, Moskau

POLITIK

UKRAINE-KRISE Was vom Minsker Abkommen umgesetzt wurde und warum es vielleicht nicht scheitert

Geringe Hoffnung auf Frieden AP

neten Gruppierungen und ausländischen Söldner, sowie bis die Kontrolle über das Territorium durch die urkrainische Regierung wiederhergestellt ist“.

Die Schäden durch die Sanktionen auf beiden Seiten könnten eine Einigung in der Ukraine beschleunigen. Doch die Zeit läuft. An der Frontlinie werden sporadische Kämpfe gemeldet.

Wirtschaftsblockade DMITRIJ BABITSCH

«

Die Grenze zwischen Russland und den Volksrepubliken Donezk und Lugansk ist offensichtlich porös, und das Minsker Abkommen sah auch vor, dass Kiew die Kontrolle darüber wiedererlangt. Doch sowohl Moskau als auch die Rebellen machen die Rückkehr ukrainischer Grenzbeamter in die Region von einer Aufhebung der Wirtschaftsblockade abhängig, die Präsident Petro Poroschenko den „besetzten Territorien“ im Herbst auferlegt hat. Rentner und Angestellte des öffentlichen Dienstes erhalten in diesen Gebieten keine staatlichen Gelder, seit Kiew im letzten Jahr alle Bankgeschäfte im Donbass eingestellt hat. „In dieser Situation bleibt humanitäre Hilfe aus Russland (über die Grenze, die sich unter der Kontrolle der Aufständischen befindet) die einzige Existenzquelle für die Menschen, und wir sind nicht bereit, diese Lebensader unserer Leute ukrainischen Grenzbeamten anzuvertrauen“, sagte jüngst Andrej Purgin, Vorsitzender des Parlaments der Volksrepublik Donezk.

SERGEJ LAWROW AUSSENMINISTER RUSSLANDS

trachte die Rentner und Angestellten des öffentlichen Dienstes im Donbass ganz und gar nicht als Kriminelle, doch Zahlungsüberweisungen seien bislang aus politischen Gründen nicht möglich. Also hält Kiew weiterhin Gelder

FÜR RBTH

Die aktuellen Ereignisse in der Ukraine stellen das Minsker Abkommen in Frage, auch wenn alle die Notwendigkeit beteuern, die getroffenen Vereinbarungen einzuhalten. Die beteiligten Parteien sind die Ukraine, die aufständischen „Volksrepubliken“ mit ihren Hauptstädten Donezk und Lugansk (die Donbass-Region), Russland, die USA und die EU. Mangelndes Vertrauen zwischen der neuen Regierung in Kiew und den Aufständischen wird als Hauptursache für die Spannungen angeführt. Allerdings wurden vom ukrainischen Parlament kürzlich umstrittene Gesetze verabschiedet (inakzeptabel für Donezk und Lugansk), die die Lage weiterhin labiler machen. Ein integraler Bestandteil des Minsker Abkommens ist der Erhalt territorialer Integrität der Ukraine im Gegenzug dafür, dass Kiew den aufständischen, größtenteils russischsprachigen Gebieten einen Sonderstatus einräumt und Regierungsgegnern eine Generalamnestie gewährt. Welche Seite als Erste Zugeständnisse machen muss, regelt das Abkommen allerdings nicht, was zu einer Pattsituation führt. Das ist das Problem. So sollte Kiew „nicht später als in 30 Tagen“ eine parlamentarische Resolution verabschieden, die „das Territorium benennen sollte, das der Sonderregierung untersteht“. Voraussetzung dieser Resolution ist „das Recht auf sprachliche Selbstbestimmung“ und eine Generalamnestie für Aufständische. Stattdessen hat die Rada fünf Tage nach Ablauf der Frist ein Gesetz verabschiedet, das den Donbass zu einem „zeitweise besetzten Gebiet“ erklärt und die Einrichtung des Sonderstatus verschiebt, „bis zum Abzug aller illegalen bewaff-

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ZITAT

Moskau ruft Geldtransfer lahmgelegt Paris und Das Minsker Abkommen verpflichteBerlin dazu te die ukrainische Regierung dazu, die Bankgeschäfte im Donbass wieder aufauf, Druck zunehmen, unter Umständen auch mit auf Kiew aus- Unterstützung westlicher Partner. Allerdings ließ der Chef des Nationalen zuüben, um Sicherheits- und Verteidigungsrats der die Minsker Ukraine, Andrej Turtschinow, verlauVereinbarun- ten, Kiew habe nicht vor, mit staatlichen Geldern „Terroristen und Sepagen einzuratisten zu ernähren“. Der ukrainische halten. » Premier Arsenij Jazenjuk sagte, er be-

und Nahrungsmittel zurück, umgekehrt hindern die Volksrepubliken ukrainische Beamte daran, die Kontrolle über die Grenze mit Russland wiederzuerlangen. Ein anderer Stolperstein ist die Einrichtung von Arbeitsteams innerhalb der Kontaktgruppe von Minsk. Die Anführer der Volksrepubliken beschuldigen Kiew, die Bildung des ukrainischen Teams aufzuschieben, und drohen damit, den Gefangenenaustausch auszusetzen, bis dieses Pro-blem gelöst ist. Das stellt eine weitere Verletzung des Minsker Abkommens dar, da in Punkt 6 die Freilassung von Kriegsgefangenen, Geiseln und illegal festgehaltenen Menschen vereinbart wurde. Die Zeit läuft gegen den Frieden – auf beiden Seiten der Frontlinie werden sporadische Kämpfe gemeldet. Angesichts der andauernden Anwendung von Militärgewalt betonte Poroschenko wiederholt seine Absicht, den Konflikt zu „deeskalieren“, aber nicht „einzufrieren“. Einfrieren könnte heißen, dass eine Situation ähnlich wie in Moldawien geschaffen wird, wonach Moldawien und seine abtrünnige Republik Transnistrien (selbsternannte Pridnestrowische Moldauische Republik) nach einem kurzen Krieg im Jahr 1992 seit nunmehr 23 Jahren friedlich koexistieren. Das Minsker Abkommen setzt feste Fristen, und nach Ansicht einiger Experten können diese auch eingehalten werden. Durch Punkt 11 ist die Ukraine verpflichtet, bis Ende 2015 eine Verfassungsreform durchzuführen. Das wesentliche Element der neuen Verfassung ist laut Abkommen eine „Dezentralisierung“ der Ukraine. Demnach sollte den Regionen, die mit der neuen Regierung in Kiew nicht einverstanden sind (meist sind dies die Russischsprachigen), mehr Autonomie zukommen. Als Poroschenko die erste Sitzung der ukrainischen Verfassungskommission eröffnete, verkündete er allerdings, die Dezentralisierung sollte Städten und ländlichen Gemeinden mehr Vollmachten gewähren, nicht

Das Minsker Abkommen vom 12. Februar sah unter anderem den Abzug schwerer Waffen von der Frontlinie vor.

aber den Regionen. Zudem betonte er, dass nur Ukrainisch als Amtssprache in Frage käme. Weiter schloss Poroschenko die Idee einer föderalistischen Ukraine aus. Er verwies dabei auf 90 Prozent der Bevölkerung, die diese Idee ablehnten. Der Präsident versprach außerdem, eine Abstimmung dazu nicht zu blockieren, so sicher scheint er sich des Ergebnisses zu sein. Am nächsten Tag verabschiedete die Rada ein Gesetz, das es verbietet, das kommunistische Regime der Jahre 1917 bis 1991 zu verherrlichen, und jedwede Kritik an ukrainischen „Unabhängigkeitskämpfern“ (zeitweise Verbündete Hitlers in den Jahren 1941 bis 1944 eingeschlossen) rechtlich ausschließt. Dies dürfte die Rückkehr der Volksrepubliken in den Schoß der ukrainischen Fa m i l ie noch zusätzl ich erschweren.

Bedenken wegen Verzögerungen

Letzte Hoffnung für das Minsker Abkommen vom 12. Februar: Wirtschaftliche Einbußen durch die Sanktionen bei allen Beteiligten könnten dazu gut sein, den Friedensprozess in der Ukraine doch noch voranzutreiben.

POLITIK

WIRTSCHAFT

KULTUR

15 Jahre Wladimir Putin: „Ich fühle mich als Teil des Volkes“

Geheimnis Gehalt: Russlands TopManager dürfen schweigen

Vom Heldenepos zum Actionfilm: Weltkriegsfilme im Wandel der Zeit

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Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte, er sei über die Verzögerungen bei der Umsetzung des Minsker Abkommens „besorgt“. Er rief Frankreich und Deutschland als Garanten des Abkommens dazu auf, „Druck auszuüben“, um Kiew dazu zu br i n g e n , d ie Ve r e i n b a r u n g e n einzuhalten. Doch Experten sind skeptisch, ob Berlin und Paris dazu auch bereit sind. Seit dem Beginn des Krieges erfährt der ukrainische Präsident nichts als Lob und Beifall von Seiten der Machthabenden in der EU, den USA und in Kanada. Wirtschaftliche Einbußen könnten dazu gut sein, den Friedensprozess doch noch voranzutreiben. Die EU kündigte an, die Sanktionen gegen Russland bestehen zu lassen, bis das Minsker Abkommen erfüllt ist. Lawrow bezeichnete dies als „absurd“ und erinnerte seine westlichen Partner daran, dass die Sanktionen beiden Seiten schaden. Dies könnte also die letzte Hoffnung für das Minsker Abkom men sei n. Sei ne Nicht-Erfüllung macht Russland, die Ukraine und die EU jeden Tag ärmer.

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WIRTSCHAFT

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WELTBANK-KONKURRENZ Wozu ist Russland Chinas neuer Entwicklungsbank beigetreten?

Mit Alternativen konfrontiert Russland geht weitere Schritte in Richtung Asien: Es hat das Abkommen zur Gründung der Neuen Entwicklungsbank (NDB) der BRICSStaaten ratifiziert. Zudem will das Land sich an der neuen Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) beteiligen. Ob die beiden Initiativen sich nicht überschreiten werden, stellen Experten in Zweifel. ANNA KUTSCHMA

Russland wurde als künftiges Gründungsmitglied der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) genehmigt. Dies teilte das chinesische Finanzministerium am 14. April mit. Wie groß Russlands Beteiligung an haftendem Kapital sein wird, bleibt vorerst offen. Der Haupteinleger jedoch steht fest - das ist China, das sich bereit erklärte, 25 Milliarden US-Dollar (knapp 23 Millionen Euro) ins Projekt zu investieren. „Russland als Gründungsmitglied erhofft sich gewisse Privilegien wie günstige Projektfinanzierungen und Einfluss auf die Führungsebene der neuen Bank“, erklärt Sergej Fomin, Direktor der juristischen Abteilung der russischen UFS Investment Company. Zudem könne Russland sich erneut nicht nur als militärisch, sondern auch als wirtschaftlich starkes Land präsentieren.

Noch keine Rettung gegen globale Konkurrenten Die AIIB geht auf eine Initiative des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping zurück. Sie steht allen Staaten offen, die zur wirtschaftlichen Entwicklung in Asien und der ganzen Welt beitragen wollen. Ihre Hauptziele sind es, die Zusammenarbeit im Bereich Finanzen in der Region zu stimulieren und Infrastrukturprojekte in Asien zu finanzieren. Obwohl sich bereits im Namen der AIIB ein deutlicher Hinweis auf die konkrete Region Asien verbirgt, soll ihr Einflussbereich weltweit gelten, sonst wären unter ihren Mitgliedern keine europäischen und afrikanischen Länder. So unterzeichneten China und 20 weitere Staaten, darunter Indien und Singapur, am 24. Oktober 2014 in Peking eine Absichtserklärung zum Aufbau der Bank. Nun stehen 57 Länder auf der Liste der potenziellen AIIB-Gründer, darunter europäische Staaten wie Deutschland, Dänemark, Finnland, die Niederlande, Großbritannien, Frankreich und Luxemburg. Trotz großer Teilnehmerliste glaubt der russische Wirtschaftswissenschaftler Sergej Chestanow, dass es noch einer langer Weg ist, bis die AIIB eine echte Alternative zu den bestehenden globalen Finanzinstitutionen wird. Er verweist auf die engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und den USA, die eine starke Position beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) einnehmen. „China schafft zwar eine konkurrierende Finanzinstitution, wird aber nicht auf einen harten Konfrontationskurs gehen“, meint Chestanow.

BRICS-Bank mit oder gegen AIIB? Neben der AIIB beteiligt Russland sich auch an der New Development Bank der BRICS-Staaten. Ende Februar stimmte das russische Parlament dem zu. Die NDB will bis Ende 2015 ihre Arbeit aufnehmen. Beide Institutionen verfolgen ähnliche Ziele und sind auch im Hinblick auf ihre finanzielle Ausstattung vergleichbar. „Die AIIBBank wird die Bank der BRICS-Staaten nicht ersetzen. Die beiden Strukturen sind so gedacht, dass sie einander ergänzen“, sagte Elwira Nabiullina, Leiterin der Zentralbank Russlands, am 16. April in Washington während einer Sitzung der Zentralbank-Vorsitzenden und Finanzminister der BRICS-Staaten. Dabei weist der Wirtschaftswisenschaftler Chestanow darauf hin, dass die beiden Projekte sich noch in ihrer Anfangsphase befi nden. „Russland

PHOTOSHOT/VOSTOCK-PHOTO

FÜR RBTH

21 Länder haben 2014 das Memorandum zur Verständigung unterzeichnet. Es blieb bis zum 31. März 2015 für potenzielle Mitglieder offen.

wird sich in Folge dann auf das Erfolgsversprechendere konzentrieren“, ist er überzeugt.

Umstrittener, aber notwendiger Ersatz Die AIIB könnte mit einem Kapital von 100 Milliarden US-Dollar (93 Milliarden Euro) starten. Sergej Fomin von UFS IC rechnet damit, dass diese Summe in Zukunft noch steigen könnte, vor allem durch Mittel asia-

tischer Investoren. „In diesem Fall könnte die AIIB eine wichtige Rolle in einem neuen asiatischen Finanzsystem spielen“, meint Fomin. Insgesamt betrachten russische Experten die AIIB und die neue BRICSBank als notwendige Alternativen zu den traditionellen Finanzstrukturen wie dem IWF oder der Weltbank. So hält Jaroslaw Lisowolik, Chefökonom der Deutschen Bank in Russland, die AIIB für ein Instrument zur

Dank der AIIB erhofft Russland sich nicht nur als militärisch, sondern als wirtschaftlich starkes Land zu zeigen.

langfristigen Stärkung der Integration der russischen Wirtschaft in der sehr wichtigen asiatischen Region. Von daher findet er eine russische Beteiligung an beiden Projekten sinnvoll, geht jedoch davon aus, dass die beiden neuen Institutionen auf Koordination und nicht auf Konfrontation setzen werden. In der ersten Sitzung der AIIB vom 26. bis 27. April in Peking haben ihre Mitglieder den Statutsentwurf besprochen.

MEINUNG

Zahlen

AIIB VERSPRICHT GLOBALEN DURCHBRUCH UND NERVT DIE USA

800 Mrd.

10 Mrd.

2 Mrd.

US-Dollar (circa 745 Milliarden Euro) wird Asien nach Einschätzungen der AIIB für den Infrastrukturaufbau bis zum Jahr 2020 benötigen.

US-Dollar pro Jahr stellt die neue asiatische Bank selbst für entsprechende Projekte bereit. Diese Summe entspricht etwa 9,3 Milliarden Euro.

US-Dollar (1,8 Millionen Euro) plant Russland innerhalb von sieben Jahren in der BRICS-Bank anzulegen. Ihr erster Vorsitzender wird ein Russe.

C

WLADIMIR MICHEJEW FREIER JOURNALIST

Er moderierte die Radiosendung «Internationales Panorama» und arbeitete mehrere Jahre als Sonderkorrespondent im Südpazifik.

hinas Entscheidung, eine Asiatische Infrastruktur-Investmentbank mit einem Kapital von 100 Milliarden US-Dollar zu gründen, wird nun umgesetzt. Sie wird immer mehr zu einem Wendepunkt, der einen neuen flexiblen und äußert anspruchsvollen Ansatz Chinas darstellt, sowohl den Bedarf der Entwicklungsländer nach Darlehen zu decken, damit diese ihreVolkswirtschaft ankurbeln können, als auch die Industrienationen auf deren Suche nach lukrativen Geschäften zu befriedigen. Es war natürlich zu erwarten, dass die USA die Beteiligung ihrer traditionellen Bündnispartner an der von den Chinesen geführten neuen Finanzstruktur zu verhindern suchen. Und es zeigt sich, dass die Logik des chinesischen Nullsummenspiels sich dem globalen Durchbruch nähert und die Vorherrschaft der USA auf dem internationalen Finanzmarkt allmählich erodiert. Der US-amerikanische Kongress hatte in seiner Kurzsichtigkeit verhindert, dass China und die Schwellenwirtschaften einen größeren Einfluss im Internationalen Währungsfonds erhalten. Dieser Widerstand hat dazu geführt, dass die von Beijing ins Leben gerufene Asiatische Infrastruktur-Investmentbank eine unerwartete Unterstützung erfährt. Die Asiatische Infrastruktur-Investmentbank wurde extra dafür gegründet, um die Finanzierung von Straßen-, Eisenbahn- und Kraftwerksbauprojekten abzusichern, und stellt somit eine Alternative zur Weltbank und anderen mit den USA verbundenen Finanzeinrichtungen dar. Ebenso positioniert sie sich als Wettbewerber zu einem vergleichbaren Kreditversorger in Japan, der Asiatischen Entwick-

lungsbank (ADB), die bisher als Hauptfinanzierungsquelle für die Länder Asiens diente. Um den Vorwurf zu vermeiden, aufgrund mangelnder Transparenz einen zu schwerfälligen Ansatz für die Kreditvergabe zu bieten, verpflichtete sich China, verschiedene Meinungen zu berücksichtigen, und räumte den Teilnehmern sogar ein Vetorecht ein. Beijings geschickter Schachzug sorgte für Verwirrung unter den getreuen Verbündeten der Vereinigten Staaten. Schließlich scherten einige von ihnen aus der Reihe und entschieden sich, auf den Wagen aufzuspringen, offensichtlich aus Angst davor, in der Kälte stehen gelassen zu werden. Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien beabsichtigen, sich der von den Chinesen ins Leben gerufenen Mega-Bank anzuschließen. Dieser demonstrative Akt von Fahnenflucht brachte Washington aus recht verständlichen Gründen aus der Ruhe. Und doch kann es durchaus unterschiedliche Interpretationen für die Volte der Europäer geben. Gegenwärtig werden die Geldmärkte durch zwei Giganten, die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds, beherrscht. Beide haben sich 1944 als ein Produkt des Bretton-Woods-Systems herausgebildet, welches die Vorherrschaft des US-Dollars als alleinigen gemeinsamen Nenner in der Fin a n z we lt beg r ü ndet e. Die se Hackordnung wurde bis vor Kurzem nicht in Frage gestellt. Aber inzwischen hat das sich allmählich verändernde Kräfteverhältnis der Wirtschaftsmächte diverse Handels- und Währungskriege provoziert. Das Geld spricht. Und es scheint, dass es dies bald mit einem spürbar chinesischen Akzent tun wird.

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THEMA DES MONATS

ENDE DES ZWEITEN WELTKRIEGS IN DER RETROSPEKTIVE WERDEN HISTORISCHE EREIGNISSE JE NACH STANDPUNKT UNTERSCHIEDLICH BEWERTET. VORWÜRFE ÜBER GESCHICHTSVERZERRUNG BIS HIN ZUR FALSCHDARSTELLUNG BLEIBEN DA NICHT AUS.

70 JAHRE NACH DEM SIEG: DER KAMPF UM DIE GESCHICHTE Von Jahr zu Jahr sieht Russland seine Rolle als wichtigster Sieger über Hitlerdeutschland zunehmend in Gefahr. Doch auch die Aufarbeitung der eigenen Geschichte bleibt stecken. ALEXEJ TIMOFEJTSCHEW

Auch siebzig Jahre nach der Kapitulation des Dritten Reichs sieht sich manch russischer Politiker noch mitten in einem Kampfgebiet. Keinem wirklichen, sondern einem ideologischen. Von Jahr zu Jahr werden im Vorfeld der Feierlichkeiten zum Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg am 9. Mai Stimmen aus der russischen Regierung lauter, es sei wichtig, die historische Wahrheit über den Krieg zu erhalten, und notwendig, absichtlich falsche geschichtliche Interpretationen zu bekämpfen. Besonders schmerzhaft reagiert die russische Öffentlichkeit auf Äußerungen wie die des polnischen Außenministers Grzegorz Schetyna, das Konzentrationslager Auschwitz sei von Ukrainern befreit worden. Oder jene des ukrainischen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk, der von einem „Einmarsch der UdSSR nach Deutschland und in die Ukraine“ während des Krieges sprach. Die kremlnahe Historikerin und Leiterin des Instituts für Demokratie und Zusammenarbeit in Paris, Natalia Narotschnitskaja, sieht in solchen Äußerungen gar Versuche, „eine Stütze der russischen Identität“ wegzuschlagen. Auch Präsident Wladimir Putin meint, darin eine Gefahr für das heutige Russland zu erkennen: „Die Versuche, das Geschehen des damaligen Krieges zu verdrehen, zu verzerren“, zielten darauf, „die Stärke und die moralische Autorität des heutigen Russlands zu unterhöhlen, es des Status einer Siegermacht zu berauben.“

Keine offizielle Position Einige Historiker nehmen dem Präsidenten jedoch den Wind aus den Segeln. Sie bezweifeln, dass es das Problem einer Geschichtsverzerrung gibt. Nikita Petrow, Geschichtswissenschaftler am Menschenrechtszentrum Memorial, meint, die Frage, wie Wladimir Putin sie formuliere, stelle sich in der Form überhaupt nicht. „Niemand verzerrt wirklich die Kriegsgeschichte“, sagt der Historiker. „Ich habe noch in keiner offiziellen Erklärung des Europäischen Rats oder eines EU-Landes, geschweige denn in seriösen historischen Publikationen echte Geschichtsfälschung erlebt“, beteuert Petrow. Vielmehr würden dort bestimmte Einschätzungen abgegeben, die den meisten Russen nicht gefallen. Dabei handele es sich jedoch nicht um eine Verfälschung der Geschichte, wie der Experte bekräftigt. Die Aussagen von Schetyna und Ja-

KONSTANTIN ZAVRZHIN / RG

RBTH

zenjuk bezeichnet er als „mündliche Erklärungen“ und „emotionale Aussagen“, die man nicht allzu ernst nehmen dürfe, weil sie die offiziellen Positionen der Länder und Experten, die sie vertreten, nicht widerspiegelten. Der Historiker Oleg Budnizkij, Leiter des Zentrums für die Geschichte und Soziologie des Zweiten Weltkriegs und seiner Folgen an der Higher School of Economics in Moskau, meint ebenfalls, das Problem der Geschichtsverzerrung sei erfunden. Historiker im Ausland versuchten keineswegs, die Geschichte zu fälschen, sagt er. „Man sollte aus der Unwissenheit eines polnischen Ministers keinen Elefanten machen“, mahnt Budnizkij. In Russland würden solche Aussagen häufig zu sehr aufgebauscht, fügt der Historiker hinzu.

Meinung oder Verfälschung? Man müsse unterscheiden zwischen Geschichtsfälschung und politischer Manipulation mittels historischer Ereignisse auf der einen Seite und Meinungsverschiedenheiten zwischen Historikern auf der anderen Seite, erklärt Michael Carley, Professor für Geschichte an der Universität von Montreal. Wobei Manipulationen keine Erfindung osteuropäischer Politiker seien und eine lange Tradition hätten, so der Historiker im Gespräch mit RBTH. Was die Rolle der Sowjetunion im

Veteranen blicken am Tag des Sieges, 9. Mai, zurück auf die Vergangenheit (Bild o.). Als sie vor siebzig Jahren gemeinsam mit den übrigen Alliierten historische Tatsachen schufen (Bild u.), schien es nur eine Realität zu geben. Heute befürchten sie eine verzerrte Darstelllung der Geschichte.

Zweiten Weltkrieg anbelangt, so hätten politisch motivierte Manipulationen bereits kurz nach der Siegesfeier angefangen. Nach 1945 wurde das Verhältnis zwischen den USA und der UdSSR auf offizieller Ebene zunehmend feindseliger. Das wiederum habe sich, zumindest in den USA, schwer mit der allgemeinen Sympathie in der Bevölkerung für die Sowjets vertragen. Diese Sympathie war insbesondere infolge des opferreichen Krieges, dessen Hauptlast lange Zeit von den Sowjets getragen werden musste, entstanden. „Man hat einiges unternehmen müssen, um die entscheidende Rolle der Sowjets vergessen zu machen“, meint Carley. Dass dies gelungen sei, könne der Professor selbst an seiner Universität heute sehen: Viele seiner Studenten seien der Ansicht, die USA hätten die Hauptlast des Krieges getragen.

Angst vor der Wahrheit In Russland vertreten Experten teils sehr gegensätzliche Positionen, wer ihrer Ansicht nach derzeit am meisten an der Geschichte herummanipuliert. Dabei sind es weniger die USA, die für Diskussionen sorgen, sondern vielmehr Russlands westliche Nachbarn im Baltikum und in der Ukraine. Der Fokus liege dort derzeit viel stärker auf den Verbrechen des Sowjetregimes, statt auf jenen des Nazi-

Russen misstrauen Mediendarstellungen 83,5 % der Russen sind überzeugt, dass ausländische Medien die Kriegsgeschichte (1941-1945) verfälscht darstellen. 61 % glauben, dass sehr häufig Falschinformationen verbreitet werden, 22,5 % der Russen meinen, dies passiere ab und zu. Aber auch heimische Medien verzerren die Geschichte, glauben 60 % der Russen: sehr häufig, sagen 12 %, nur manchmal, meinen 48,1 %. Die Umfrage führte das Zentrum für sozialpolitisches Monitoring ION RANChiGS vom 18. bis 24. März 2015 durch.

regimes und der eigenen Kolloborateure, wie Alexander Djukow von der Stiftung „Historisches Gedächtnis“ bemerkt. Dies habe wenig mit einer Aufarbeitung der eigenen Geschichte zu tun. Der Historiker verweist auf die Ukraine, wo in den vergangenen Jahren „Geschichte umgeschrieben“ worden sei, insbesondere durch die Glorifizierung der Rolle ukrainischer Nationalisten im Krieg. Memorial-Historiker Nikita Petrow sieht dagegen die übermäßige Politisierung der Kriegsthematik auf russischer Seite und nicht im Ausland. „Sobald wir ein ehrliches Gespräch über den Krieg anfangen, ohne Beschönigung und auch über die Momente, in denen das repressive Wesen des Sowjetregimes sich zeigte, kriegen wir es irgendwie mit der Angst zu tun und sagen gleich: ‚Hier wird die Wahrheit verzerrt‘“, bemängelt Petrow.

ULLSTEIN BILD/VOSTOCK-PHOTO


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Freitag, 8. Mai 2015

THEMA DES MONATS JALTA-KONFERENZ Der Kampf um Einflusssphären in Europa 70 Jahre später

Der müde Geist von Jalta In Jalta begann die Teilung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute wird Russland vorgeworfen, die damaligen Fehler zu wiederholen. ALEXEJ TIMOFEJTSCHEW RBTH

Der Zweite Weltkrieg hat das Schicksal zahlreicher Menschen und Staaten entscheidend geprägt. Gegen den Faschismus wurde auf der ganzen Welt gekämpft, jedoch ist der Krieg überall unterschiedlich in Erinnerung geblieben.

TASS

Während sich die sowjetischen Truppen im Februar 1945 an der Oder in Stellung brachten und die Amerikaner zur Befreiung des Rheinlandes ansetzten, rollten Züge voller Luxusgüter in Richtung Krim. Edles Tischgedeck, Möbel und feinste Delikatessen wurden nach Jalta, einem Badeort an der Schwarzmeerküste, gebracht. Dort beabsichtigten die absehbaren Siegermächte USA, Großbritannien und die UdSSR bereits vorab über die Zukunft Europas und der Welt zu verhandeln. Das Treffen in Jalta und ein halbes Jahr später in Potsdam markieren den Höhepunkt der Eintracht in der Anti-Hitler-Koalition. Das Ziel: Europa sollte endlich eine stabile Ordnung erhalten. Doch schon bald folgte der Kalte Krieg und mit ihm eine Teilung Europas in Ost und West. Angesichts dessen zweifeln heutige Geschichtswissenschaftler an der Einheit der damaligen Alliierten. War die Aussicht auf eine dauerhafte Einigung vielleicht damals schon illusorisch?

Churchill, Roosevelt und Stalin in Jalta wenige Monate vor Kriegsende (v.l.n.r.). Das Treffen wurde 1945 im eigens hergerichteten Liwadija-Palast abgehalten.

Der Wille zur Einigung Nach Ansicht russischer Historiker sollte man die Suche nach einem Kompromiss zwischen den Siegermächten Anfang Februar 1945 jedenfalls nicht als bloße „Illusion“ abtun. „Stalin, Roosevelt und Churchill wollten sich wirklich auf Spielregeln verständigen, auf die Welt nach dem Krieg“, glaubt Michail Mjagkow, wissenschaftlicher Direktor der Russischen militärhistorischen Gesellschaft. „Ihre zentralen Aufgaben bestanden darin, die Möglichkeit einer zukünftigen Vorherrschaft Deutschlands in Europa auszuschließen, der erneuten Entstehung von Nationalsozialismus vorzubeugen, den Krieg zu beenden und so eine lange Friedensperiode herbeizuführen“, resümiert Mjagkow mit Verweis auf die Einigkeit der „großen Troika“ bei der Gründung der Vereinten Nationen. Doch die Atmosphäre war bei Weitem nicht so idyllisch. Obwohl in Jalta „einzelne Kompromisse erzielt werden konnten“, kamen dort nach Ansicht des deut-

schen Historikers Jost Dülffer „die Diskrepanzen deutlich zum Vorschein“. „Die Voraussetzungen für die Einigkeit zwischen den Verbündeten waren bis 1946/1947 praktisch erschöpft“, sagt er in einem Interview mit der Deutschen Welle. Seiner Ansicht nach hatte es in Jalta noch eine Chance gegeben, doch „die ideologische Konfrontation zwischen dem Kapitalismus und dem Kommunismus führte dazu, dass die jeweiligen Seiten anfingen, sich Einflusssphären nach ihrem eigenen Bilde zu schaffen“. Dabei nennt der Historiker eine weitere grundlegende Ursache für das Missverhältnis zwischen Moskau und dem Westen: „Die Sowjetunion befreite Osteuropa von Nazi-Deutschland und wollte konsequenterweise die Einhaltung ihrer Interessen auf den befreiten Gebieten durchsetzen“, erklärt Dülffer. Als sich der Westen faktisch auf eine Teilung Europas in Einflusssphären einließ, habe er nicht damit gerechnet, dass „die Herrschaft der UdSSR in ihrem Einflussbereich derart absolut sein wird“, ergänzt der russische Militärhistoriker Boris Sokolow. Ihm zufolge liegt die Verantwortung für eine Abkehr von Jalta und das Entfachen des Kalten Krieges bei Stalin. Westliche Vertreter hätten angenommen, in dessen Einflusssphäre werde

„etwas nach dem Vorbild Finnlands entstehen, das sich die Unabhängigkeit bewahrt hat“.

Die Fehler der Vergangenheit Nach Ansicht einiger Historiker, die sich mit der Nachkriegsära befassen, können zwischen der damaligen Politik der UdSSR und der gegenwärtigen Strategie des Kreml gewisse Parallelen gezogen werden. Dülffers Einschätzung zufolge „erinnert die heutige Situation in Europa stark an die damalige Zeit. Putin setzt, seiner Politik und dem Wesen seines Vorgehens nach zu urteilen, die ‚Tradition Stalins‘ fort.“ So würde die Aufteilung Europas in Einflusssphären wiederhergestellt, womit nach 1989/1990 niemand mehr gerechnet hätte. Manch russischer Experte hält den Ukraine-Konflikt nicht für eine Neuauflage, sondern für die Fortsetzung alter Probleme. „Auf geopolitischer Ebene war dieser Kampf um Einflusssphären, der in Jalta begann, niemals zu Ende“, sagt Michail Mjagkow. Er ist überzeugt, dass „wir heute den letzten Auftakt dieses Kampfes erleben, wobei der Westen meint, er hätte alle Trümpfe in der Hand – er hatte gedacht, nach den 1990er-Jahren würde Russland sich nie wieder erheben“.

In Russland wird der Zweite Weltkrieg in erster Linie mit dem Großen Vaterländischen Krieg assoziiert, der am 22. Juni 1941 mit dem Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion begann und mit der totalen Niederlage des deutschen Faschismus am 9. Mai 1945 endete. Diesen, im Westen wenig bekannten Krieg, möchte RBTH mit der Sonderrubrik „70 Jahre Kriegsende“ stärker in den Mittelpunkt rücken. Das einmalige internationale Projekt enthüllt durch analytische Beiträge und Geschichten der einfachen Menschen eine andere Seite des Krieges.

Treten Sie hinter die Frontlinien des Zweiten Weltkriegs: Analysen, Interviews und Fotogalerie. DE. RBTH.COM/70_JAHRE_ KRIEGSENDE

IM GESPRÄCH BORIS SOKOLOW

Den Tod im Objektiv: Bilder von der Front Boris Alexandrowitsch Sokolow berichtete im Zweiten Weltkrieg als Kameramann von der Front. Mit RBTH spricht der heute 95-Jährige darüber, wie er den Krieg erlebte.

Warum war es für Sie wichtig, von der Front zu berichten? Das ganze Land war im Krieg, es lebte für die Front. Auch ich wollte dabei sein. Es war dann aber erst 1944 so weit. Die Front stand bei Warschau, drei Monate lang. Wir filmten dort den Alltag der Armee. Als die Offensive begann, hatten Sie da Angst? Die Angst war da, doch bei der Arbeit vergaßen wir sie. Obwohl die Verlus-

Rundfunksprecher Jurij Lewitan: die Stimme des Krieges de.rbth.com/33431

© RIA NOVOSTI

Herr Sokolow, wie kamen Sie an die Front? 1941 war ich 21 Jahre alt. Wegen des Krieges konnten wir das Kinematografie-Studium vorzeitig abschließen. Ich absolvierte gerade mein Abschlusspraktikum, als Gruppen für die Berichterstattung von der Front gebildet wurden. Ich wollte mit, aber es hieß „Nein“. Natürlich hatte ich Verständnis dafür, dass man zunächst erfahrene Kameraleute hinschicken wollte. Andererseits waren die auch nicht für das Filmen unter Kriegsbedingungen ausgebildet.

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te auf unserer Seite groß waren. Während des gesamten Krieges arbeiteten 258 Menschen an der Front, die mehr als dreieinhalb Millionen Meter 35-Millimeter-Film aufgenommen haben. Jeder Fünfte starb. Es gab Verletzte, viele waren durch die Erfahrungen traumatisiert. Während der Dreharbeiten gab es keinen Schutz. Gab es auch Ereignisse, die Sie nicht filmen durften? Aufnehmen durften wir alles. Ob es dann auch gezeigt wurde, hing von der Zensur ab. Ich war noch nicht an der Front, als wir Niederlagen erlitten, doch Freunde erzählten, dass Rückzüge wenig gefilmt wurden. Ich kenne Fälle, dass Kameraleute versucht haben, Rückzüge zu filmen, aber Soldaten oder Flüchtlinge sie aufforderten, das zu unterlassen, oft auch unter Drohungen. Wie war der Umgang der Sowjetarmee mit der Zivilbevölkerung? Ich glaube, in der Sowjetunion gab es keine einzige Familie, die wegen des Krieges nicht gelitten hätte. Deshalb waren alle gegenüber den Deutschen sehr aggressiv eingestellt. Unsere Führung musste diesen Hass eindämmen. Als wir eines Tages zu Dreharbeiten nach Berlin fuhren, sahen wir eine Parole: „Hier ist es, das faschistische Nest

– Berlin!“ Einen Tag später wurde sie entfernt, um die Soldaten nicht gegen die Zivilbevölkerung aufzuhetzen. War es damals schon möglich, die Aggression zu überwinden? Man kann nicht sagen, dass alle auf einmal Freunde wurden. Freunde wurden wir nicht, aber friedlichen Menschen half die Armee. Welche Aufnahmen blieben vor allem im Gedächtnis? Natürlich erinnere ich mich vor allem an die Unterzeichnung der Kapitulation Deutschlands. Ich war erstaunt über das Verhalten des Feldmarschalls Keitel (Chef des Oberkommandos der Wehrmacht – Anm. der Red.). Als ob er nicht der Besiegte, sondern der Sieger wäre. Als er aus dem Flugzeug stieg, grüßte er mit seinem Feldherrnstab, obwohl er von Wachleuten abgeholt wurde. Im Saal der Unterzeichnung grüßte er auch mit dem Stab, aber niemand ging darauf ein. Als Keitel die Kapitulation unterzeichnet hatte, war ich sicher, dass der Krieg zu Ende war. Das Hissen der Siegesfahne auf dem Reichstag haben Sie nicht gefilmt. Waren Sie enttäuscht? Zum Siegessymbol wurde der Reichstag erst später, nicht in dem Moment, als wir filmten. Während der Kämpfe erschienen die Fahnen – sie wurden aus den Fenstern gehängt. Dann, in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai, wurde die Fahne auf der Kuppel angebracht. Doch wegen der Dunkelheit konnten wir nicht drehen. Das Gespräch führte JEKATERINA SINELSCHIKOWA.

Boris Sokolow, zweifacher Träger des Roten-SternOrdens: „Nicht alles, was wir gefilmt haben, wurde gezeigt.“

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Freitag, 8. Mai 2015

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Eine Beilage des Rossijskaja Gaseta Verlags, Moskau

MEINUNG

WAR DIE ZWEITE FRONT WICHTIG? AMERIKA BRACH DEN NAZIS DAS GENICK, DIE UDSSR DAS RÜCKGRAT

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ALEXEJ ISAJEW HISTORIKER

Doktor der Geschichtswissenschaften. Er erforscht die Kriegsgeschichte der Jahre 1941–1945 auf Grundlage russischer und internationaler Archivquellen.

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Die Ursachen für eine Aufschiebung der zweiten Front liegen nicht auf politischer Ebene, sondern sind technischer Art.»

DIE HILFE DER ALLIIERTEN WAR EIN TROPFEN AUF DEN HEISSEN STEIN

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MICHAEL JABARA CARLEY HISTORIKER Professor für Geschichte an der Université de Montréal und Autor von Publikationen zur internationalen Politik des 20. Jahrhunderts und zu den Ursprüngen des Zweiten Weltkriegs

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Churchill konnte sich lange nicht entscheiden, ob die Russen Verbündete oder ‹Barbaren› waren.»

m 3. Juli 1941, elf Tage nach dem Angriff der Wehrmacht auf die UdSSR, traf der sowjetische Botschafter in London, Iwan Maiski, den britischen Außenminister Anthony Eden zu einem Gespräch über die militärische Lage und die britisch-sowjetische Kooperation im Militärbereich. Maiski soll dabei gesagt haben, der Angriff sei Hitlers größter Fehler gewesen. „Russland ist ewig“ und könne nicht geschlagen werden. Doch es brauchte Unterstützung. Gegen die UdSSR war die geballte Schlagkraft Nazi-Deutschlands gerichtet. Daher stand die Frage im Raum, ob die britische Regierung eine Landeoperation an der französischen Küste unternehmen könnte, was die Auffassung der Sowjets von den Briten als ihren Verbündeten bestätigen würde. Das war die erste Anfrage der Sowjets von vielen nach einer zweiten Front im Westen, um den Druck der Deutschen von der Roten Armee zu nehmen. Im Sommer 1941 war Großbritannien nicht in der Lage, eine solche Landung an der Küste Frankreichs durchzuführen. Stalin begriff dies und fragte Churchill dennoch, ob er britische Einheiten zur Unterstützung der Sowjets an die Front schicken würde. Churchill war entsetzt von der Idee. Nach der damaligen Einschätzung des britischen Militärgeheimdienstes würde die Rote Armee in vier bis sechs Wochen geschlagen werden. Sie haben sich geirrt, und zwar gründlich! Churchill selbst war hinsichtlich der Russen hin und her gerissen. Er konnte sich nicht entscheiden, ob sie nun Verbündete oder „Barbaren“ waren. In dem Sommer schickte Großbritannien Nachschub in die Sowjetunion, Panzer und Kampfflugzeuge, aber nicht im großen Maßstab: 200 Jagdflugzeuge, einige hundert Panzer. Angesichts des sowjetischen Bedarfs war das ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Verluste der Roten Armee in den ersten sechs Monaten waren von unvorstellbarem Ausmaß: drei Millionen Soldaten – tot, verwundet, in Gefangenschaft, von den Nazis dem Hungertod überlassen. 177 Divisionen

TATIANA PERELIGINA

as Zusammenspiel der Alliierten bei der Planung und Durchführung militärischer Operationen gegen NaziDeutschland war durchwegs ein äußerst kompliziertes Element der gemeinsamen Strategie. Parallele Offensiven an unterschiedlichen Fronten bringen offensichtlicheVorteile. Doch in der Praxis stoßen solche Vorhaben auf erhebliche Schwierigkeiten. Zwischen der UdSSR und den westlichen Alliierten fand tatsächlich kein Austausch statt, und es gab keine Absprachen zum gemeinsamen Vorgehen. Die Ursachen dafür liegen allerdings nicht auf politischer Ebene, sondern in objektiv gegebenen Problemlagen, die man trotz der Bündnistreue nicht ignorieren konnte. Bei den Vorbereitungen zur Sommeroffensive 1944 musste die Rote Armee angesichts mangelnder Munitionsvorräte die Operation Bagration in Weißrussland aufschieben, die dann auch nicht gleichzeitig mit der Landung in der Normandie begann. Ebenso musste die sowjetische Führung aufgrund der schlechten Witterungsverhältnisse (sie verhinderten den Einsatz der Luftstreitkräfte) den Beginn der Polenoffensive im Januar 1945 verschieben. Das Vorrücken der Sowjetarmee von der Weichsel bis zur Oder setzte ein, als die Ardennen-Krise bereits überstanden war. In beiden Fällen hätte ein früherer Beginn der Offensiven für die Sowjetarmee das Risiko eines Misserfolgs nach sich gezogen. Die westlichen Verbündeten ihrerseits begriffen, dass es nicht gerade zweckdienlich war, angesichts einer drohenden Krise im Mittelmeer die Kräfte auf dem Geleit arktischer Schiffskonvois zu konzentrieren. Die Eröffnung der zweiten Front in Europa war lange Zeit Anlass für heftige politische Debatten. In der zugespitzten Situation wurden die USA und Großbritannien offen beschuldigt, die Eröffnung der Front aufzuschieben, um die UdSSR im Kampf gegen Deutschland auszuzehren. Bedeutender allerdings erscheint die These von den großen technischen Schwierigkeiten einer kontinentalen Invasion vom Meer aus. Das zentrale Problem dabei stellte die Einnahme eines Meerhafens dar, um die kontinuierliche Versorgung eines größeren Truppenverbands zu gewährleisten (eine kleinere Landungstruppe wäre schnell ins Meer abgedrängt worden). Der Angriff auf Dieppe 1942 zeigte, dass die Deutschen sich dieser Bedrohung bewusst waren und die französischen Häfen auf die Verteidigung entsprechend vorbereitet hatten. Zugleich garantierte die Einnahme des Hafens an sich noch keinen Erfolg, denn seine Infrastruktur hätte von den Deutschen bei ihrem Rückzug zerstört werden können, wie es im Fall von Cherbourg geschah. Dementsprechend fand die Landung statt, als die Idee von der Einrichtung eines provisorischen Hafens auf der normannischen Küste ausgereift war – mit künstlichen Wellenbrechern, schwimmenden Mulberry-Landungsbrücken und einer starken Luftabwehr. Die Idee von den Mulberry-Häfen entstand im Herbst 1943. Es folgten monatelange Vorbe-

reitungen, und im Juni 1944 hatte die Landungsoperation dann Aussicht auf Erfolg. Man sollte dabei nicht vergessen, dass die Amerikaner die treibende Kraft dieser Operation gewesen sind. Präsident Roosevelt bestand entschieden darauf, dass die Landung in Frankreich 1944 stattfinden sollte. Will man die Bedeutung der zweiten Front und der westlichen Alliierten bei dem Sieg über Deutschland in einem Satz zum Ausdruck bringen, müsste dieser lauten: „Die Briten und Amerikaner brachen der deutschen Luftwaffe das Genick, die UdSSR brach den deutschen Bodentruppen das Rückgrat.“ In der Tat kommen 75 Prozent der deutschen Verluste an Soldaten auf die deutsch-sowjetische Front. Selbst nach der Landung in der Normandie und der Eröffnung einer zweiten Front in Europa überstiegen die Gesamtverluste der Deutschen an der Ostfront ihre Verluste an der Westfront um das Dreifache. Allerdings wurden große Luftwaffenverbände nach ihrer massiven Konzentration im Osten seit 1941 schrittweise an die Westfront und für die Luftabwehr des Dritten Reiches abgezogen. Die Tagesangriffe US-amerikanischer Bomber auf Deutschland in Begleitung von Jagdflugzeugen wurden zu einer Art „Köderfang“ für die deutschen Jagdflieger. Der Frühling 1944 wurde zu einem echten Aderlass für die deutschen Jagdgeschwader. Die Flugzeugverluste im Westen überstiegen die im Osten erstmals im Herbst 1942 und dann in der ersten Hälfte des Jahres 1943: Im November 1942 verlor Deutschland an der Westfront 595 und an der Ostfront 224 Flugzeuge. Im Dezember waren es entsprechend 386 beziehungsweise 408 Maschinen. Im Juli 1943 verlor die Wehrmacht an der Ostfront 558, am Mittelmeer hingegen 711 und im Westen beziehungseise bei der Luftabwehr im Reich 526 Flugzeuge. Die Kämpfe an der deutsch-sowjetischen Front im Jahr 1944 forderten von der Luftwaffe gerade mal 20 Prozent ihrer unwiederbringlichen Flugzeugverluste. Vor der Landung in der Normandie waren von insgesamt 4 475 Flugzeugen 2 340 im Westen im Einsatz. Die Bedeutung eines solchen Abzugs der Luftstreitkräfte in den Westen ist nicht zu unterschätzen, denn dadurch bekamen die sowjetischen Flieger einen größeren Handlungsspielraum. Den Beitrag sowjetischer Soldaten und Offiziere zu übersehen oder zu überschätzen, ist unmöglich. Der Sieg wurde um den millionenfachen Preis ihrer Leben, ihres Heldentums, ihrer Selbstlosigkeit und ihres Kampfes errungen. Doch die zweite Front beschleunigte den Sieg über Deutschland. Und half die Leben vieler sowjetischer Soldaten zu bewahren.

mussten aus den sowjetischen Kampfverbänden gestrichen werden. Die zivilen Opfer infolge des faschistischen Völkermords waren grauenvoll. Offiziell behauptete Großbritannien, sein Bestes zur Unterstützung der Sowjets zu leisten, doch nicht einmal die britische Öffentlichkeit glaubte daran. Der britische Botschafter in Moskau, Sir Stattford Cripps, beschuldigte seine eigene Regierung, die geamten Verluste der Roten Armee aufzubürden. Nach seiner Aussage glaubte die sowjetische Öffentlichkeit fest daran, dass Großbritannien „zum Kampf bis zum letzten Tropfen russischen Bluts“ fest entschlossen war. Das US State Department war in dieser Hinsicht nicht besser. Gegenüber den Sowjets war es durch und durch feindlich gesonnen. Anders Präsident Franklin D. Roosevelt. Er arbeitete daran, den „bürokratischen“ antisowjetischen Widerstand zu überwinden und erklärte im November 1941 die Ausweitung des Lend-Lease-Programms für die UdSSR. Im Dezember 1941 änderte sich die Situation grundlegend. Die Rote Armee errang einen strategischen Sieg in der Schlacht um Moskau und setzte dadurch dem Mythos von der Unbesiegbarkeit der Wehrmacht ein Ende. Die RusslandHasser unter den Offizieren des britischen Geheimdienstes dürften wohl verärgert gewesen sein, und das britische Außenministerium musste befürchten, dass die Rote Armee den Krieg ohne die Unterstützung der Briten für sich entscheiden könnte. Also wurde die Frage nach der zweiten Front in Frankreich wieder aktuell. Roosevelt erkannte ihre Bedeutung früh, Churchill aber zögerte und hielt ihn hin. Es war ein Skandal. Die Briten hatten kein einziges Bataillon in Europa. Stalin war über ihre Zögerlichkeit verärgert, und Churchill reiste im August 1942 nach Moskau, um ihn zu beschwichtigen. „Täglich verlieren wir 10 000 Soldaten“, so Stalin, „wollt ihr, dass wir den ganzen Krieg alleine austragen?“ Stalins Belehrung gefiel Churchill nicht, denn er wusste, dass dieser Recht hatte. Die Rote Armee war mit 80 Prozent der Wehrmachtsverbände in Europa konfrontiert. Während das britische Außenministerium Gewissensbisse verspürte, hatte Churchill andere Pläne. Er verfolgte eine Balkan-Strategie, wonach Italien angegriffen und als Kriegsgegner ausgeschaltet werden sollte, um dann wieder in den Balkan zurückzukehren und so der vorrückenden Roten Armee den Weg dorthin zu verwehren. Im Februar 1943 besiegelte die Rote Armee mit ihrem Sieg in Stalingrad das Schicksal Nazi-Deutschlands. Bis dahin war Nordafrika der einzige Ort, an dem Briten und Amerikaner gegen deutsche Bodentruppen kämpften. Gerade einmal drei deutsche Divisionen waren dort stationiert. Verglichen mit der sowjetischen Front, an der 183 Divisionen der Wehrmacht aufmarschiert waren, war das also lediglich ein Nebenschauplatz. Schließlich setzte Roosevelt dem Zaudern ein Ende. Auf der Teheran-Konferenz im November 1943 verbündete er sich mit Stalin, um die Einrichtung einer zweiten Front in Frankreich durchzusetzen. Churchill beharrte auf seiner Position, allerdings vergeblich. Die Vorbereitung einer Invasion in der Normandie erhielt den Vorrang. Als die westlichen Alliierten im Juni 1944 in der Normandie landeten, war das Schicksal des Faschismus in Europa längst besiegelt. Doch wenn Großbritannien und die Vereinigten Staaten sich in Frankreich dem Kampf nicht endlich angeschlossen hätten, hätten die Soldaten der Roten Armee ihre Füße in den Gewässern des Ärmelkanals gewaschen und Europa wäre von der Roten Armee allein befreit worden – das Einzige, worüber westliche Alliierte wirklich besorgt waren.

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Eine Beilage des Rossijskaja Gaseta Verlags, Moskau

Freitag, 8. Mai 2015

MENSCHEN

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LEBENSGESCHICHTE Der Sohn einer russischen Kriegsgefangenen erinnert sich

Nach Luxemburg ins Arbeitslager stand besserte sich nur langsam im Laufe der Zeit. Die Gefangenen wurden in einem Zementwerk eingeteilt. Bei dieser anstrengenden körperlichen Arbeit bekamen die Deportierten kaum genügend Nahrung, um zu überleben. „Wir wurden schlimmer als Vieh gefüttert“, erzählte Ewdokija Karpowa ihrem Sohn später. Sie war auf dem Lande aufgewachsen und wusste ganz genau, wovon sie redete. Jeden Morgen gingen die Gefangenen unter der Aufsicht von Soldaten mit Hunden zur Arbeit. Zum Zementwerk führte ein langer Weg, auf dem man mit etwas Glück auf ein wenig Essen stoßen konnte. Die luxemburgische Bevölkerung habe an beiden Straßenseiten in Papier eingewickelte Brotstückchen hinterlassen, erzählte die Mutter später.

IM GESPRÄCH

«Wie kann man das vergessen?»: Russen über den Krieg

Versteckt bei Luxemburgern

AUS DEM PERSÖNLICHEN ARCHIV

Aus Ewdokijas Fotoalbum (im Uhrzeigersinn): mit ihrer besten Freundin kurz vor der Deportation; Ewdokija im Jahr 1950 in Nikopol, Südukraine, und im Jahr 1945; männliche Familienmitglieder 1943

Ewdokija Karpowa wurde zur ZwangsLetzte Ehre für namenlose Gefangene arbeit nach Luxemburg verschleppt. Und überlebte – trotz harter Arbeit und dank einer Familie. Über ihr Schicksal Am 9. Mai wird im kleinen Ort Bous in Luxemburg eine Gedenkerzählt ihr Sohn Anatolij Nedokus. tafel an zwei russische Kriegsgefangene eingeweiht, deren Namen nicht einmal bekannt sind. Alles, was es über sie zu wissen OLGA VALIZER gibt, hat der Luxemburger Widerstandskämpfer Gaston Wagner FÜR RBTH in einem lokalhistorischen Buch festgehalten. Es handelt sich um Ewdokija Karpowa war erst 16, als sie zwei russische Kriegsgefangene, die aus einem Luxemburger 1941 zusammen mit vielen anderen Lager geflüchtet waren. Welches Lager es war, ist nicht bekannt, Mädchen und Frauen festgenommen genauso wenig wie ihre Herkunft. Nur eines ist sicher: Sie hielten und in Viehwaggons nach Deutschland sich im Wald bei Bous versteckt. Bis schließlich eines Tages auf verschleppt wurde. Kurz davor hatte Anforderung der Lagerleiterin des sich in der Nähe befindlisie die Schule beendet und hoffte auf chen Mädchenlagers eine Razzia organisiert wurde. Die daran einen Ausbildungsplatz in einer tech- teilnehmenden Wachen fanden die beiden Jungen im Wald, nischen Fachschule in Kiew. Darum erschossen sie und verscharrten sie noch am selben Ort. machte sie sich aus ihrer Heimatstadt Kotelnikowo im Gebiet Stalingrad auf den Weg und blieb eine Weile bei ihren Familien rücksichtslos auseinander. Verwandten im ostukrainischen RoDie 16- bis 18-jährigen Mädchen wurweniki zu Besuch. Dort wurde sie inden zur Zwangsarbeit eingeteilt. terniert. In überfüllten Waggons ohne „Diese Erinnerungen riefen in meiWasser und Kost starben die ersten ner Mutter unüberwindbare SchmerMenschen bereits nach wenigen Stunzen hervor“, erzählt Anatolij Nedoden. Die Leichen wurden nur an grökus, der Sohn von Ewdokija. Sie habe ßeren Bahnhöfen entfernt, so dass die ihr ganzes Leben lang diese ErinneLebenden lange Zeit mit den Toten zurungen wach gehalten und ihm die sammengesperrt blieben. Geschehnisse jener Tage weitererzählt. Daher weißt Anatolij noch ganz genau, dass sie zu Beginn ihres AuSchlimmer als Vieh fenthalts im Arbeitslager eine vorüZuerst kamen sie zu einem Verteilerbergehende Beinlähmung bekam, aber punkt in Marseille und wurden dann dank der Fürsorge anderer Häftlinweiter nach Luxemburg transportiert. ge nicht erschossen wurde. Ihr ZuSofort nach der Ankunft riss man die

Ewdokija blieb im Arbeitslager bis zum Herbst 1944. Zu diesem Zeitpunkt erlitt Deutschland eine Niederlage an der Ostfront, und US-amerikanische Truppen leiteten den Angriff im Westen. Das harte Regime des Arbeitslagers wurde gelockert. Die lokale Bevölkerung war freundlich zu den Gefangenen, und sobald das Gerücht aufkam, das Lager sollte zusammen mit den Insassen zerstört werden, schnitten mutige Einheimische Löcher in den Stacheldrahtzaun und halfen einem Teil der Inhaftierten, unter denen auch Ewdokija war, zu fliehen. Die Mädchen versteckten sich im Wald. Sie waren ärmlich gekleidet und wärmten sich in Laubhaufen. Ihnen zur Hilfe kamen wieder die Luxemburger. Trotz Androhung der Todesstrafe haben sie die aus dem Lager geflohenen Mädchen aus dem Wald geholt und sich um eine Unterkunft bemüht. Auf diese Weise kam Ewdokija Karpowa in die Familie von Franz Zuni (die Schreibweise vom Vor- und Nachnamen kann abweichen – Anm. der Red.). Er hatte eine Tochter, die nur etwa vier Jahre jünger war als Ewdokija, und er versteckte Ewdokija so lange in seinem Haus, bis die Amerikaner die Stadt befreit hatten.

ANNA RADISCHEWSKAJA DIREKTORIN DER RUSSISCHEN SCHULE IN LUXEMBURG

Welche Botschaft möchten Sie an Ihre Schulkinder weiterreichen? Die Erinnerung zu wahren! Alle, die ihr Leben gegeben haben, um uns vor den Nazis zu schützen, dürfen nie vergessen werden. Wir müssen diese Erinnerung von einer Generation an die nächste weitergeben. Es bleiben nur noch wenige Überlebende. Und es ist unsere heilige Pflicht, weiter über die Opfer zu reden, auch wenn sie nicht mehr unter uns sind.

Erinnern gegen Katastrophen Erst Ende Februar 1945 wurde sie zu einer Verteilerstelle in der Nähe von Metz und schlussendlich über Marseille nach Odessa gebracht. Danach kam sie wieder nach Stalingrad zurück und verbrachte dort noch über die Hälfte ihres Lebens. Am 10. Dezember 1945 brachte Ewdokija ihren Sohn Anatolij zur Welt. Heute ist er genauso alt wie das Kriegsende. 70 Jahre nach diesem Tag dankt er dieser Luxemburger Familie und ihren Nachkommen dafür, dass sie ihr Leben riskierten und das seiner Mutter retteten. „Dadurch ist auch mein Leben möglich geworden“, sagt er. Während seiner Erzählung kehrt Anatolij immer wieder zu der Bedeutung solcher Erinnerungen zurück. Sie sollten Generationen und Menschen aller Nationalitäten gegen diejenigen vereinen, die den Krieg gewollt und das blutige Menschengemetzel hervorgerufen haben, betont er mehrere Male. Die Erinnerungskultur sei wichtig, um andere Katastrophen zu verhindern. Und dafür sei der 9. Mai, der Tag des Kriegsendes, auch da.

Was bedeutet der 9. Mai für Ihre Institution? Schon zu Schuljahrsbeginn haben wir beschlossen, als Hauptereignis den 70. Jahrestag des großen Sieges auszuwählen. Seit September haben wir Kurse über die Geschichte Russlands und den Zweiten Weltkrieg auf unserem Programm. Unser Ziel ist es, den Kindern zu erklären, welche Rolle Russland während des Kriegs gespielt hat. Es ist wichtig, Geschichte in ihrer ganzen Komplexität zu verstehen. Leider spricht man hier in Westeuropa sehr viel von den Amerikanern als jene, die die Welt vom Faschismus befreit haben, aber nur sehr wenig über die 20 Millionen Menschenleben, die in der Sowjetunion für den großen Sieg geopfert wurden.

WSEWOLOD JAMPOLSKIJ VORSITZENDER DES RUSSIAN CLUB OF LUXEMBOURG

Sie sind Leiter der Dachorganisation aller russischsprachiger Vereine in Luxemburg. Welche Bedeutung hat der 9. Mai für Sie? Ohne Zweifel ist er der wichtigste Feiertag für uns. Und unsere größte Herausforderung zugleich: Wir müssen sicherstellen, dass unsere Kinder die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs nie vergessen werden. Wie tief diese Zeit in all unseren Familien ihre Spuren hinterlassen hat, kann ich an einem persönlichen Beispiel zeigen: Mein Großvater starb Ende 1943 im besetzten Odessa, als Kommandant der Partisanen in den Katakomben. Mein Vater diente auf einem Unterseeboot im Schwarzen Meer und war an der Befreiung von Sewastopol und Odessa beteiligt. Wie kann man das vergessen? Im Zweiten Weltkrieg kämpften in der sowjetischen Armee Russen, Weißrussen, Ukrainer und Angehörige vieler anderer Republiken Schulter an Schulter. Heute haben sich die Verhältnisse geändert, und Konflikte spalten die früheren Verbündeten. Wie geht der Russian Club of Luxembourg damit um? Ich versuche, die Differenzen zu neutralisieren. Das fängt bei meiner Familie an. Meine Frau hat einen ukrainischen Pass. Wir haben sehr gute Beziehungen mit der Diaspora aus der Ukraine, aus Litauen und Lettland, aus dem Aserbaidschan, aus Bulgarien und Serbien.

MÖCHTEN SIE GERNE VERSTEHEN, WAS RUSSISCHE DICHTER ÜBER DEUTSCHLAND GESCHRIEBEN HABEN? LESEN SIE IM ORIGINAL!

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Die russische Dichterin Marina Zwetajewa


Freitag, 8. Mai 2015

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Eine Beilage des Rossijskaja Gaseta Verlags, Moskau

REISEN

GEHEIMTIPPS Was es im Moskauer Kreml neben den Museen alles zu entdecken gibt

Verborgene Schätze des Kreml Jedes Jahr besichtigen Tausende Touristen den Kreml. Moskaus Machtzentrale hat aber mehr als das Museum in der Rüstkammer zu bieten. RBTH verrät Ihnen fünf Geheimtipps für den nächsten Besuch. OLGA TSCHEREDNITSCHENKO FÜR RBTH

LORI/LEGION MEDIA

Gerettete Ikonen

Der verborgene Lustpalast

LORI/LEGION MEDIA

Der Lustpalast befi ndet sich an der Westmauer des Kreml zwischen Komendantskaja- und Troizkaja-Turm. An diesem Ort wies Zar Alexej Michailowitsch mit dem Rufnamen „der Sanftmütige“ irgendwann vor langer

Zeit seinem Schwiegervater, dem Bojaren Ilja Miloslawskij, ein schmales Grundstück zwischen Burgmauer und den Nutzgebäuden des Zarenpalastes zu. Nach dem Tod von Miloslawskij ging dessen Residenz an den Haushalt des Zaren und wurde durch einen steinernen Übergang mit dem Zarenpalast verbunden. Seit 1672 hielt man in ihren Räumen Festspiele ab, die als die ersten Theatervorführungen in Russland gelten, und gab ihnen den Namen Lustpalast. Heute befindet sich hier die Kommandantur des Kreml. Die architektonische Besonderheit des Lustpalastes ist die Lage der Kirche, die sich innerhalb des Gebäudekomplexes befi ndet. Ihr Vorplatz wurde auf der westlichen Seite flach überdacht und hat einen hängenden Garten – davon gab es im Moskauer Kreml früher mehrere.

Es mangelt uns an Platz in den KremlMuseen, deshalb können wir leider nur fünf Prozent der gesamten Kollektion ausstellen.»

JELENA GAGARINA DIREKTORIN DER KREML-MUSEEN

2 000 000 Besucher strömen jährlich in die unterschiedlichen Kreml-Museen.

Zu Sowjetzeiten wurden alle klerikalen Bauwerke in Russland rücksichtslos zerstört und in Lagerräume, Museen oder Archive umgewandelt. Das Himmelfahrtskloster im Kreml war da keine Ausnahme. Sein Abriss rief in der Öffentlichkeit einen beispiellosen Protest hervor. Wichtige Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur wandten sich in Briefen an Stalin, doch vergeblich: Das Kloster wurde dem Erdboden gleichgemacht. An seinen früheren Standort erinnert in heutiger Zeit nur noch ein leerer Platz neben dem Erlöserturm. Doch nicht alles wurde damals zerstört. Was kaum jemand weiß: Obwohl nur wenig Zeit war, konnten die Angestellten der Rüstkammer eine Ikonostase aus der ehemals letzten Ruhestätte der Großfürstinnen und Zarinnen retten. Damals wurde auch eines der wichtigsten Heiligtümer des Kreml vor der Vernichtung bewahrt, nämlich die sterblichen Überreste des Heiligen Alexios, Metropolit von Moskau und Wundertäter, die heute in der Epiphanien-Kathedrale ruhen. Die Ikonostase aus der Kathedrale des Himmelfahrtsklosters ist heute im Patriarchenpalast ausgestellt.

160 000 Objekte umfasst die Kollektion des Kreml. Viele von ihnen wurden nie ausgestellt.

28 Gebäude des Kreml wurden zu Sowjetzeiten abgerissen.

ARTYOM KOROTAYEV / TASS

lichen Gleichgewicht halten. Die Falken und Habichte leben auf dem Falkenhof im Tajnizki-Garten. Sie überwintern in der Mauer des Kremls zwischen Nabatnaja- und SpasskajaTurm. Die Vögel werden nach einer einzigartigen Methode, die von Mitarbeitern des Föderalen Schutzdienstes (FSO) entwickelt worden ist, für die Jagd ausgebildet und greifen die lästigen Krähen von allen Seiten aus an. Der Uhu residiert etwas abseits von den übrigen Vogelwächtern in einem eigenen Gehege und wirkt wie der Oberbefehlshaber der gefiederten Streitkräfte.

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Der Dreifaltigkeitsturm im Moskauer Kreml beherbergt ein modernes Tonstudio und Probenräume für das Präsidentenorchester. Dieses spielt bei offiziellen Veranstaltungen auf Staatsebene und bei der Amtseinführung der russischen Präsidenten. Es ist eines der wenigen Militärorchester weltweit, dem auch Symphoniker angehören. Seine Solisten kennen alle Nationalhymnen der Welt. Das Präsidentenorchester ist experimentierfreudig und schon mit Musikern wie Ken Hensley und seiner früheren Band Uriah Heep, mit der deutschen Gruppe Scorpions und mit Arija, einer der ersten Heavy-Metal-Bands der Sowjetunion, aufgetreten. Das Orchester hat die Musik für 40 Filme, Theaterinszenierungen und Sportveranstaltungen, unter anderem auch zu den Olympischen Spielen 1980 in Moskau, eingespielt.

Zahlen

Glocke unter der Konzertbühne Der Staatliche Kreml-Palast wurde in den 1960er-Jahren errichtet und ist ein Veranstaltungsgebäude auf dem Gelände des Kreml. Neben sozial-politischen Foren finden hier Konzerte und Theateraufführungen statt oder Aufführungen des Kreml-Balletts. Jeden Winter wird außerdem das größte Weihnachtsfest des Landes für Kinder von nah und fern ausgerichtet.

WJATSCHESLAW PROKOFIJEW / TASS

ARTYOM KOROTAYEV / TASS

Krähen sind der schlimmste Feind der Kreml-Kuppeln in Moskau. Für sie sind die Dächer des russischen Regierungssitzes nicht mehr als ein Spielund Tummelplatz, sie rutschen daran herunter und hinterlassen dabei tiefe Kratzer im Gold. Nach einem langjährigen, zermürbenden Kampf gegen die gefiederten Vandalen wurde schließlich doch noch ein Ausweg gefunden: Die Kreml-Wache bekam eine ornithologische Sonderabteilung. Seitdem wird der Amtssitz des Präsidenten auch von Falken, Habichten und einem großen Uhu bewacht, die die Krähenpopulation in einem natür-

Zitat

Tonstudio im Turm

© IGOR BOJKO / RIA NOVOSTI

Gefiederte Palastwache

Selbstverständlich hat auch der KremlPalast seine Geheimnisse. Kaum jemand weiß, dass unter seiner Bühne ein Glockenstuhl erhalten geblieben ist. Er wurde Anfang des 20. Jahrhunderts gegossen und an dieser Stelle aufgebaut. Seine Hauptglocke für das Festgeläut wiegt mehrere Tonnen und ist die größte Glocke im traditionellen Geläut orthodoxer Kirchen.


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