Magazin für Christen im Gesundheitswesen 4/2015
Mit Schmerz leben
ChrisCare
ChrisCare
Mit Schmerz leben leben Mit Schmerz GEKRÜMMTE FRAU
SEGNUNG
T TEN E P KOM END R E I R I INSP AH N S I X PRA
DIAGNOSEN
GLOBAL MENTAL HEALTH BERÜHRUNG PATRONENKREUZE TOTAL PAIN SYMPTOME KRAFT
AUFRICHTEN HERAUSFORDERUNG PSYCHOSOZIALER SCHMERZ MEHRDIMENSIONAL HERZENSANLIEGEN
November 2015 // (D) € 5,80 // (A) € 6,00 // (CH) SFr. 10.30 // www.chriscare.info // ISSN 1869-9944 // ZKZ 18 381
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INHALTSÜBERSICHT
SS. 4 SS. 5 SS. 6 SS. 7 SS. 10 SS. 12 SS. 13 SS. 16 SS. 18 SS. 19 SS. 22 SS. 24 SS. 26 SS. 28 SS. 32 SS. 35 SS. 36 SS. 39 SS. 39 SS. 40 SS. 42
Patronenkreuze Wenn die Seele weh tut Unerträglich Lehrt Not beten? Ich kann nicht mehr! Zeichen setzen Psychiatrie am Abgrund Ewiges Leben? Persönlich für Sie Schmerz in der Palliativsituation Blickpunkt Schmerz – ein mehrdimensionales Phänomen Segnungs-Gottesdienst Schmerz lass nach Wo treffen Sie Christen, die vom Fach sind? Für Sie gelesen Nachrichten Termine Kleinanzeigen Impressum Hier rät Dr. Rottweil!
Inhal t
Redaktionskreis: Friedhilde Bartels (Hamburg), Pflegedienstleitung, Medizinisch-Geriatrische Klinik, Albertinen-Haus, Albertinen-Krankenhaus / AlbertinenHaus gGmbH, Hamburg; Pastor Frank Fornaçon (Ahnatal), Redaktion ChrisCare; Bettina Gundlach (Aumühle), Ärztin im Sozialpsychiatrischen Dienst, Vor-
stand Christen im Gesundheitswesen (CiG); Günther Gundlach (Aumühle), Geschäftsführer CiG; Prof. Dr. rer. cur. Annette Meussling-Sentpali, Professorin Pflegewissenschaft, OTH Regensburg; Andreas Rieck (Stuttgart), Referent im Bereich Weiterbildung, Marienhospital Stuttgart; Dr. med. Georg Schiffner
(Aumühle), Chefarzt Geriatriezentrum Wilhelmsburger Krankenhaus Groß-Sand, Hamburg, Vorsitzender CiG; Pastoralreferent Bruno Schrage (Köln), Dipl.
Theologe, Dipl. Caritaswissenschaftler, Referent für Caritaspastoral im Erzbistum Köln; Kathrin Städler (Havelberg), Religionswissenschaftlerin und Krankenschwester; Hans-Arved Willberg (Karlsruhe), Theologe und Pastoraltherapeut; Dr. med. Monika Windsor (Zwochau), Anästhesistin, palliative care
Fachbeirat: Dr. theol. Peter Bartmann (Berlin), Gesundheitsökonom, Diakonie Bundesverband; Reinhild Bohlmann (Kassel), Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands BfHD e.V.; Prof. Dr. med. Andreas Broocks (Schwerin), Ärztl. Direktor Carl-Friedrich-Flemming-Klinik, HELIOS-Kliniken; Ulrike Döring (Wiesbaden), Vorsitzende des Evangelischen Berufsverbandes Pflege; Paul Donders (Niederlande), Leitung xpand international; Prof. Dr. Ralf Dziewas (Bernau), Professor für Diakoniewissenschaft und Sozialtheologie; Heribert Elfgen (Aachen), Physiotherapeut, Dipl. Musiktherapeut; Claudia Elwert (Karlsruhe), Physiotherapeutin, Mitarbeiterin Zentrum für Gesundheit-Therapie-Heilung; Sr. Hildegard Faupel (Springe), Theologin, Pädagogin; Dr. theol. Astrid Giebel (Berlin), Diplom-Diakoniewissenschaftlerin, Pastorin, Krankenschwester, Theologin im Vorstandsbüro der Diakonie Deutschland-Evangelischer Bundesverband; Dr. med. Martin Grabe (Oberursel), Chefarzt Psychosomatik Klinik Hohe Mark, Vorsitzender Akademie für Psychotherapie und Seelsorge e.V.; Dr. med. René Hefti (Langenthal), Chefarzt SGM Klinik Langenthal, Ltg. Forschungsinstitut Spiritualität & Gesundheit; Sr. M. Basina Kloos (Waldbreitbach), Franziskanerin, Generaloberin; Sr. Anna Luisa Kotz (Untermarchtal), Vorstand Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul; Reinhard Köller (Aumühle), Arzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren; Pfarrer Ulrich Laepple (Berlin); Dr. med. Gabriele Müller (Frankfurt a. M.), Anästhesistin am Schmerz- und Palliativzentrum Rhein-Main; Rolf Nussbaumer (Herisau), Schule für christliche Gesundheits- und Lebensberatung; Weihbischof Thomas Maria Renz (Rottenburg), Diözese Rottenburg-Stuttgart; Dr. theol. Heinrich-Christian Rust (Braunschweig), Pastor der Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde Braunschweig, Friedenskirche; Dr. med. Claudia Schark (Blankenburg), Chefärztin Klinik für Geriatrie und Innere Medizin; Oberin Andrea Trenner (Berlin), Oberin Johanniter Schwesternschaft; Dr. phil. Michael Utsch (Berlin), Psychotherapeut, Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
EDITORIAL
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Liebe Leserin, lieber Leser, Viele fühlen sich überfordert. Die Flüchtlinge, die es in den Lagern in der Türkei oder Jordanien nicht mehr aushalten und sich auf den Weg nach Deutschland machen. Die Freiwilligen, die sich in Bayern und an vielen anderen Orten für eine großartige Willkommenskultur einsetzen. Die Politiker, die von allen Seiten unter Druck geraten. Und das Gesundheitswesen? Wie wird sich die große Zahl an Flüchtlingen aus den Bürgerkriegsländern Afghanistan und Syrien auf die medizinische Versorgung auswirken? In einer in diesen Tagen veröffentlichte Untersuchung aus Dresden1 zeigt sich, dass 50 % der Flüchtlinge an posttraumatischen Belastungsstörungen leiden. Die Folgen von Krieg und unmenschlicher Politik mancher Länder werden die Menschen noch lange begleiten und die Mitarbeiter im Gesundheitswesen herausfordern. Mit den Flüchtlingen kommen viele Menschen in unser Land, die eine religiöse Sensibilität mitbringen. Sie haben erfahren, dass Schmerz sich nicht nur auf körperliches Leid beschränkt. Und sie erinnern uns daran, dass nicht alles machbar ist. Wir sind in vielem auf Gottes Segen angewiesen. In existentiellen Krisen wird die Hilfe Gottes oft deutlicher sichtbar. Das verbindet Menschen mit chronischen Schmerzen mit den Flüchtlingen. Sie wissen – bei aller Bedeutsamkeit medizinischer Fortschritte und unterstützender Hilfe – um die Grenzen menschlicher Möglichkeiten. Viele von ihnen sind überzeugt, dass wir zusätzlich auf Gottes Hilfe bauen können. Als Christen in Gesundheitsberufen haben wir die Chance, mit unseren Patienten zu erfahren, dass Hilfe von oben möglich ist. In dieser Ausgabe gehen wir unter anderem der Frage nach, welche Bedeutung religiöse Einstellungen für die Schmerzbewältigung haben können. Wir würden uns freuen, wenn Sie auf diesen Aspekt und die anderen Beiträge dieses Heftes reagieren und uns schreiben (www.chriscare.info). Der Austausch mit Ihnen ist uns wichtig. Ihre Dr. med. Georg Schiffner, Chefarzt Geriat-
Prof. Dr. rer. cur.
riezentrum Wilhelms-
Annette Meussling-
burger Krankenhaus
Sentpali, Professorin
Groß-Sand, Hamburg,
Pflegewissenschaft,
Vorsitzender CiG
OTH Regensburg
P.S.: Es sind nur noch wenige Monate bis zum nächsten Christlichen Gesundheitskongress (14. – 16. April 2016 in Kassel). Wir freuen uns auf die Begegnung mit Ihnen. Schauen Sie sich das Programm an und melden Sie sich schon jetzt an, um den günstigen Frühbucherpreis zu nutzen.
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DOI: 10.1038/MP.2015.164
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KUNST
Patronenkreuze Vom tödlichen Geschoss zum Hoffnungssymbol Ich habe vor einigen Jahren auf einer meiner Reisen eines dieser Kreuze geschenkt bekommen. Es ist ein Kreuz, das aus einer Patrone geschnitten wurde. Im Nahen Osten, dort wo die Gewehre irgendwie nie schweigen und viele die Hoffnung aufgegeben haben, haben Kirchengemeinden ein ganz besonderes Projekt ins Leben gerufen. Sie schneiden alte Patronen auf und machen kleine Kreuze aus ihnen.
hatte ich mich über etwas aufgeregt und wollte entnervt aufgeben. Und dann gaben mir ausgerechnet die, die in so einer hoffnungslosen Situationen lebten, dieses Zeichen, dass es sich lohnt, an der Hoffnung festzuhalten. Dass es sich lohnt, für all das sich einzusetzen, was so oft belächelt wird. Im Nahen Osten gefertigte Kreuze aus Patronen
Dass es sich lohnt, weiterzumachen, auch wenn alle meinen: „Hilft ja doch nichts“. Manchmal, wenn ich ziemlich
Das Kreuz ist ein altes Symbol, dass Gott selbst den
genervt bin, nehme ich dieses Kreuz in die Hand, fluche
schmerzhaften Foltertod nicht scheut, um uns Menschen
ein wenig vor mich hin und weiß dann doch, dass ich
zu vermitteln: „Vertrau darauf, egal was du erlebst, ich
weitermachen muss, weil ich an dem Kreuz spüre, dass
bleibe an deiner Seite“. So wurde über die Zeit das Kreuz
andere ja auch weitermachen. Aber ich habe inzwischen
– eigentlich das Zeichen für einen Folterinstrument – ein
so ein Kreuz auch schon weiterverschenkt an Menschen,
Symbol für Christen, dass ihr Gott sie nicht im Stich lässt.
die selber gerade sehr verzweifelt waren und für die alles nur noch irgendwie dunkel war. (Mehr: www.ekd.de) n
Und diese Christen im Nahen Osten nahmen diese unheilvollen Patronen und zeigen, indem sie Kreuze daraus schnitten: „Auch hier, auch jetzt, lässt Gott uns nicht allein. Wir vertrauen darauf, dass sich Hoffnung lohnt, weil wir wissen, dass Gott uns bei allem zur Seite steht.“ Als mir damals dieses Kreuz geschenkt wurde, war ich
Dr. Christina Kayales, Ev. Krankenhaus-
gerührt, sprachlos und auch etwas beschämt. Wie oft
seelsorgerin in Hamburg
ERFAHRUNGEN
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Wenn die Seele weh tut Was ist psychosozialer Schmerz?
„Vor sechs Wochen war unsere Welt noch in Ordnung“, begann Herr L. das Gespräch im Hospiz. Er und seine Frau sind gekommen, um sich das Haus anzuschauen. Vor sechs Wochen erhielt sie die Diagnose „Krebs“, unheilbar, inoperabel. Nun erzählen beide offen und ehrlich aus ihrem Leben, wie lange sie sich schon kennen, von den Kindern und Enkeln. Frau L. scheint in ihrer Familie gut aufgehoben zu sein. Bei einem Rundgang äußert Frau L. den Wunsch nach einem Zimmer, das nicht zur Straßenseite liegt. Zehn Tage später muss sie in das Hospiz aufgenommen werden. Ich bin froh darüber, dass sie ein Bett mit Blick ins Grüne bekommt.
sozialen Schmerz nicht nehmen, aber unterstützen, ihn zu durchleben. Manchmal hilft ein ruhiges Mit-Aushalten, manchmal ein intensives Gespräch, manchmal eine kurze Ansprache im Vorübergehen, manchmal auch ein Lachen. Frau M. sagte zu mir nach dem Tod ihres Mannes im Hospiz: „Wissen Sie, was mir bei Ihnen so gut getan hat? Dass hier auch mal gelacht wird und nicht alles so ernst ist.“
Was erleben diese beiden Men-
vor den Türen des Hospizes nicht
schen? Frau L. muss alles hinter sich
Halt machen. Daher geht es für mich
Ein Bibelvers aus dem Timotheus-
lassen, was ihr Leben ausgemacht
in der psychosozialen Begleitung
Brief hat eine besondere Bedeu-
hat: geliebte Menschen, im Leben
als erstes immer um die Frage: Wer
tung für meine Arbeit im Hospiz
Erreichtes, unerfüllte Wünsche,
braucht was?
gewonnen:
Sie ist noch nicht einmal 60 Jahre
Umgang mit psychosozialem
alt. Und ihr Ehemann? Er kämpft
Schmerz erfordert Zuwendung und
einerseits mit dem Wissen um den
Kreativität. Es darf niemals darum
bevorstehenden Tod seiner Frau,
gehen, vorgefertigte Ansichten
andererseits wünscht er sich, sie
oder Lehrbuchwissen in der Beglei-
„Gott hat uns nicht den Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Tim. 1,7)
möge bald sterben, weil er es so
tung bestätigt sehen zu wollen.
schwer ertragen kann, sie leiden zu
Es darf auch nicht um eine Bewer-
Weit über unser menschliches
sehen. Tag und Nacht bleibt er bei
tung der Art gehen, wie Menschen
Bemühen hinaus kann dieser Geist
ihr, ringt mit der Fassungslosigkeit,
miteinander ihre letzte Lebens-
Schmerzen lindern und im Sterben
den Tränen und der Begegnung mit
phase gestalten. Ich begegne
Frieden schenken. Ich wünsche den
dem Endgültigen.
im Hospiz einem Menschen mit
Gästen des Diakonie-Hospizes Volks-
seinen Angehörigen, die eine lange
dorf, dass sie diesen Geist spüren. n
bisher Ungelebtes, Perspektiven.
An diesem Beispiel wird deutlich:
Geschichte miteinander haben.
Für den Gast stellt es einen psycho-
Diese Geschichte darf und möchte
sozialen Schmerz dar, sein irdisches
ich nicht mehr umschreiben. Des-
Leben verlassen und von allem
halb geht es um den Respekt vor
Vertrauten Abschied nehmen zu
dem Einmaligen und Persönlichen
müssen. Die Angehörigen wiede-
dieser letzten Lebensphase.
rum trauern, weil sie einen nahestehenden Menschen gehen lassen
Wenn sich psychosozialer Schmerz
müssen. Die Konstellationen sind
lindern lässt, dann nur in dem Da-
dabei sehr unterschiedlich: Meis-
Sein und Mit-Aushalten. Meistens
tens erlebe ich, dass unsere Gäste
sind die Gäste weiter in dem Pro-
von ihren Angehörigen liebevoll
zess des Loslassens vorangeschrit-
Ingrid Agbottah-Koch,
begleitet werden. Manche Kranke
ten als ihre Angehörigen. Diese
Sozialarbeiterin im
sind aber auch allein oder leiden
brauchen dann einen Menschen,
Diakonie-Hospiz
unter familiären Spannungen, die
der ihnen Halt gibt. Ich kann den
Hamburg-Volksdorf
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ERFAHRUNGEN
Unerträglich
in Deutschland organisiert hatte, um den Heilungsdienst in den Gemeinden unter Einbeziehung von Ärzten und Therapeuten zu fördern. Wir erlebten inspirierende Tage, hörten
Aber ER trägt mich
von Heilungserfahrungen, aber auch von der tröstenden Kraft Gottes, wenn das Leiden blieb. Die letzten Stunden des Kongresses konnte ich
Das saß ich nun schon wieder auf diesem „Marterstuhl“. So habe ich ihn manchmal als kleiner Junge bezeichnet. Ich hatte wirklich sehr schlechte Zähne.
vor Schmerzen kaum aushalten, aber ich betete gemeinsam mit anderen für Menschen, die krank waren. Auf dem Rückweg betete Francis intensiv
Häufig musste ich den Zahnarzt
zu einer Gebetsgruppe. Sie beteten
für mich, doch der Schmerz wurde
aufsuchen und die vielen Geräte
sehr ernstlich für mich um Heilung
immer stärker, so dass ich am nächs-
kennenlernen, mit denen er piekste,
und geboten im Namen Jesu Christi
ten Tag die Ärzte konsultieren musste.
bohrte, klopfte und Löcher ver-
dem Schmerz und der Krankheit,
Erst nach einigen Wochen konnten sie
stopfte. Ich habe aber nicht nur
meinen Körper zu verlassen. Noch
die Ursache diagnostizieren. Durch
Zahnschmerzen kennengelernt,
heute kann ich mich erinnern, als
gute ärztliche Versorgung konnte mir
sondern auch den, den meine Eltern
sei es gestern gewesen. Ein warmer
geholfen werden, allerdings ist der
als „Schmerzensmann“ besungen
Strom durchflutete mich von oben
Schmerz geblieben, eine Schädigung
haben und von dem es in der Bibel
bis unten, so als würde jemand
der Nerven. Damit lebe ich nun schon
heißt: „Er nahm auf sich all unsere
warmes Wasser über mich gießen.
etwa 12 Jahre. Oft werde ich nachts
Schmerzen“ (Jesaja 53,4). Jesus, so
Der Schmerz wurde weggespült,
vom Schmerz geweckt und dann
hatte ich es wohl unbewusst aufge-
und auch innerlich wurde es hell
frage ich mich, ob ich mich an meine
nommen, der weiß, was Schmerzen
und Freude und Kraft breiteten sich
Kindheitstage erinnern soll oder an
sind. Immer wenn es dann auf dem
aus. Einige Tage später konnten die
die wunderbare Heilungserfahrung in
Marterstuhl des Zahnarztes unerträg-
Ärzte in der Universitätsklinik keine
meiner Studentenzeit. Eines weiß ich
lich wurde, habe ich mir vorgestellt,
Krankheitsymptome mehr feststel-
aber heute noch gewisser: Ich bin mit
was Jesus gelitten hat. Irgendwie hat
len. In einer nochmaligen Unter-
meinen Schmerzen nie allein. Mein
mir das geholfen.
suchung bestätigte man mir, dass
ganzes Leben gehört Jesus. Jede
ich mich als geheilt ansehen darf.
Zelle an meinem Körper gehört ihm,
In meiner Zeit als Student hatte ich
„Unsere Schmerzen – er hat sie auf
ob sie nun krank ist oder gesund.
die Gelegenheit, ein Missionsprak-
sich geladen“, das fühlte sich nun für
Nicht nur das Gesunde an mir, auch
tikum in Afrika zu machen. Doch ich
mich noch konkreter an. Nicht nur,
das Kranke, das Zerbrechliche gehört
kam todkrank zurück. Mein ganzer
dass mir die Vorstellung des Leidens
Jesus, auch die Schmerzen. Manch-
„Innenraum“ schien entzündet und
Jesu half, Schmerzen zu ertragen,
mal, wenn es dann so unerträglich
jeder Atemzug schmerzte. Ich konnte
sondern es gab offenbar auch durch
ist, oft in der Nacht, dann seufze
kaum noch etwas zu mir nehmen
seine Gnade die Erfahrung, dass
ich betend: „Jesus, ich habe wieder
und die Ärzte vermuteten eine
er Schmerzen lindert oder ganz
dolle Schmerzen. Aber mit Dir ist es
Viruserkrankung; aber sie konnten
wegnimmt. Ich bin sehr ermutigt
erträglich!“ Der, der sich in Schmer-
nichts diagnostizieren. Die Schmer-
worden, für Menschen zu beten, die
zen für mich ans Kreuz strecken ließ,
zen wurden etwas gedrosselt durch
ebenfalls unter Schmerzen leiden.
trägt mich dann mit seinen Händen,
Medikamente, aber ich wurde auch
Und Gott sei gepriesen! Immer wie-
die durchbohrt sind. Diese Hände des
nach der Entlassung aus dem Kran-
der geschieht es hier und da, dass
Gekreuzigten und Auferstanden sind
kenhaus immer schwächer. Nicht nur
Schmerzen genommen werden.
stärker als der stärkste Schmerz. n
der körperliche Schmerz war da; es kam auch der innere Schmerz dazu.
Vor einigen Jahren hatte ich erneut
Eine Mischung aus Zweifel, Ohn-
Schmerzerfahrungen, die an Intensi-
macht, Wut und Trotz wollte meine
tät alles Bisherige noch übertrafen. Es
Dr. theol. Heinrich
Seele zerreißen. Sollte das nun mein
begann eigentümlicherweise unmit-
Christian Rust, Pastor
Ende sein oder war Gott mit mir
telbar nach einem Kongress, den ich
der Friedenskirche
schon am Ziel? In meiner Verzweif-
gemeinsam mit Francis McNutt und
Braunschweig, Buch-
lung schleppte ich mich eines Tages
einigen anderen aus den USA hier
autor
TITELTHEMA
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Lehrt Not beten? Ein ganzheitlicher Behandlungsansatz in der modernen Schmerztherapie „Not lehrt beten“ ist eine alte Volksweisheit. Was hilft nun aber beten bei Schmerzen? Kann das Gebet die Schmerzen lindern oder heilen? In einem früheren Beitrag (ChrisCare 3/2010) habe ich den Zusammenhang zwischen Leiden, Schmerz und Religion dargestellt und einige empirische Studien dazu erläutert. In diesem Beitrag sollen die Ergebnisse einer eigenen Studie vorgestellt werden, die den Zusammenhang von Religiosität, religiösem Coping und Schmerzbewältigung untersuchte.
Bringen Notsituationen uns Menschen zurück zum Glauben?
In der wissenschaftlichen Literatur
ist aber nicht neu. Es findet sich
Wiech et al. (2008) vom Oxford
wurde diesem Zusammenhang
in allen religiösen Traditionen. So
Center for Functional Magne-
in den letzten Jahren zunehmend
schrieb Clement im 2. Jahrhundert
tic Resonance Imaging konnten
Bedeutung geschenkt. Prof. Harold
nach Christus: „Wenn ein Christ
zeigen, dass bei einer Gruppe von
Koenig hat die bis 2010 publizierten
an Schmerzen leidet, … dann soll
Katholiken die Schmerzsensitivität
Studien über Schmerz und Spiri-
er Gott um die Kraft bitten, die
durch das Betrachten eines religiö-
tualität im „Handbook of Religion
Schmerzen zu tragen.“
sen Bildes reduziert wurde. Dieser
and Health“ (2012) in einem eige-
Effekt war verbunden mit einer
nen Kapitel zusammengefasst. Er
Gebet ist die am häufigsten prakti-
Aktivierung des rechten präfron-
weist darauf hin, dass das Thema
zierte Form von religiöser Schmerz-
talen Cortex, einer Hirnregion, die
Schmerz in allen religiösen Traditi-
bewältigung (Cronan et al., 1989;
mit kognitiver Downregulation und
onen bedeutsam ist. Schmerz wird
Rosenstiel et al., 1983). Der Fokus
emotionaler Neubeurteilung von
im religiösen Kontext nicht nur als
wird dabei auf Gott gesetzt und
Erfahrungen zu tun hat. Damit kann
Übel, sondern auch als konstruktive
nicht mehr auf den Schmerz gerich-
einer Schmerzerfahrung eine neu-
(„läuternde“) Kraft verstanden, was
tet. Insofern hat das Gebet den
trale oder sogar positive Bedeu-
dem Schmerz Sinn und Bedeutung
Charakter der „Defokussierung“.
tung gegeben werden.
geben kann. Dies wiederum beein-
Turner & Clancy (1986) untersuch-
flusst die Schmerzbewältigung.
ten Patienten mit Chronic Low Back Pain. Sie fanden, dass im zeitlichen
Eine aktuelle Studie aus der Schweiz
Religiöse Schmerzbewältigung
Verlauf die Schmerzintensität bei
In einer eigenen Studie an 183
Religiöse Schmerzbewältigung
denen, die Gebet als Bewältigungs-
chronischen Schmerzpatienten (Hefti,
meint den Einsatz von Glaubens-
strategie einsetzten, abnahm. Gebet
Laun 2015), welche im Zentrum für
ressourcen zur Bewältigung von
ist also ein „Prototyp“ religiöser
Schmerzmedizin in Nottwil behan-
Schmerzen. Sie ist eine Sonderform
Schmerzbewältigung.
delt wurden, untersuchten wir den
des religiösen Copings, das von Ken
Zusammenhang zwischen Religiosi-
Pargament in den letzten drei Jahr-
Neuere Untersuchungen belegen,
tät, religiösem Coping und psycho-
zehnten intensiv untersucht wurde
dass zentralnervöse Einflüsse die
logischer Schmerzverarbeitung. Es
(Pargament 1997). Das Phänomen
Schmerzwahrnehmung modulieren.
ging dabei um die Frage, ob und in
der religiösen Schmerzbewältigung
Das gilt auch für die Religiosität.
welcher Form Glaube und religiöses
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TITELTHEMA
Coping die Schmerzbewältigung
zusammen. Schmerzbedingte psychi-
Schmerzpatienten, die eine part-
beeinflussen können.
sche Beeinträchtigungen umfassen
nerschaftliche Beziehung zu Gott
Hilflosigkeit und Depression, wie
pflegen, also eine aktive Kooperation
auch Angst und Ärger.
mit Gott suchen, Schmerzen besser
Eingesetzte Messinstrumente
bewältigen. Das
Das religiöse Coping wurde mittels RCOPE (Pargament 2011) gemessen.
Die Schmerz-
positive reli-
Es wird in positives und negatives
akzeptanz,
giöse Coping
religiöses Coping aufgeteilt. Dem
ein wichtiger
korreliert
positiven religiösen Coping liegt
Aspekt in der
insbesondere
eine kooperative Beziehung zu
Schmerzbe-
mit mentaler
Gott zu Grunde. Typische Aussagen
wältigung
Ablenkung
sind: „Ich habe versucht, meine
(v.a. bei
(r = .206**),
Pläne gemeinsam mit Gott in die Tat
chronischen
kognitiver
umzusetzen“, „Ich habe nach engerer
Schmerzen),
Neubewertung
Verbundenheit mit Gott gesucht“. Das
wurde mittels
(r = .312**) und
negative religiöse Coping drückt eine
des Chronic
Selbstwirksam-
unsichere und konflikthafte Bezie-
Pain Accep-
keit (r = .304**).
hung zu Gott aus. Typische Aussagen
tance Ques-
Glaube hilft
sind: „Ich habe mich gefragt, ob Gott
tionnaire
also, die Auf-
mich verlassen hat“, „Ich habe Gottes
(CPAQ-D; Nil-
merksamkeit
Macht in Frage gestellt“, „Ich habe
ges, Köster
vom Schmerz
mich gefragt, was ich getan habe,
& Schmidt,
wegzulenken,
dass Gott mich bestraft“.
2007) erfasst.
die persönliche
Schmerz-
Zeichnung einer Schmerzpatientin
Leidenssitu-
Die Schmerzbewältigung wurde
akzeptanz
mit dem Fragebogen zur Erfassung
wird als das
der Schmerzverarbeitung (FESV,
Bemühen definiert, die täglichen
das Gefühl der eigenen Wirksamkeit
Geissner 1999/2001) untersucht.
Aktivitäten trotz schmerzbedingter
zu stärken.
Basierend auf den psychologischen
Einschränkungen aufrecht zu erhal-
Konzepten zur Schmerzverarbei-
ten. Personen mit hoher Schmerzak-
Demgegenüber zeigt negatives
tung (Geissner 1990) wurden drei
zeptanz richten ihre Aufmerksamkeit
religiöses Coping einen ungüns-
Grundkomponenten ermittelt: die
weniger auf den Schmerz und des-
tigen Einfluss auf die Schmerzbe-
kognitive Schmerzbewältigung, die
sen Beseitigung, sondern vielmehr
wältigung, insbesondere auf die
verhaltens-bezogene Schmerzbewäl-
auf Möglichkeiten, trotz schmerz-
Schmerzakzeptanz (r = -.286**),
tigung und schmerzbedingte psychi-
bedingter Beeinträchtigungen am
welche einen weiteren wichtigen
sche Beeinträchtigung. Die kognitive
privaten, sozialen und beruflichen
Faktor in der Schmerzverarbeitung
Schmerzbewältigung besteht aus
Leben aktiv teilzuhaben. Der Frage-
darstellt. Eine ungewisse, kon-
den aktiven Handlungskompetenzen,
bogen zur Schmerzakzeptanz besteht
flikthafte oder emotional negativ
der kognitiven Umstrukturierung
aus zwei Unterskalen, nämlich der
gefärbte Gottesbeziehung hindert
(Schmerzen werden in einen neuen
Aktivitäts- und Schmerzbereitschaft.
also die Schmerzbewältigung.
Kontext gestellt) und dem Erleben
ation neu zu bewerten und
Solche Patienten fühlen sich zum
der Selbstwirksamkeit. Die verhal-
Ergebnisse der Schmerzstudie
Beispiel von Gott verlassen, bestraft
tensbezogene Schmerzbewältigung
Die Studie ergab, dass positives
oder sind der Überzeugung, dass
setzt sich aus der mentalen Ablen-
religiöses Coping positiv mit der
die Schmerzen vom Teufel kommen.
kung, gegensteuernden Aktivitäten
Schmerzbewältigung korreliert
Für die Behandlung von Schmerz-
sowie Entspannungstechniken
(zusammenhängt). Das heißt, dass
patienten ist es deshalb wichtig,
TITELTHEMA
4/2015 CHRISCARE
9
Literatur
negative Glaubens- und Lebenshaltungen zu erkennen und zu thematisieren. Ähnliches konnten auch Dezutter et al. (2010) von der katholischen Universität in Leuven finden. Dezutter untersuchte den Zusammenhang von Krankheitsinterpretation und Gottesbildern bei chronischen Schmerzpatienten. Dabei unterschied sie positive, ängstliche und zornige Gottesbilder. Positive Gottesbilder korrelierten positiv mit der Krankheitsinterpretation (r = .27, p < .05), zornige Gottesbilder negativ (r = -.25, p < .05). Eine positive Krankheitsinterpretation schaffte positive Gefühle (r = .47, p < .001) und unterstützte auf diesem Weg die Schmerzbewältigung.
Konsequenzen für eine ganzheitliche Schmerztherapie Die dargestellten Ergebnisse ermöglichen einen Einblick in das Zusammenspiel von Religiosität und Schmerzbewältigung und konkretisieren die Befunde anderer Untersuchungen: Glaube und positives religiöses Coping unterstützen insbesondere mentale Ablenkung, kognitive Neubewertung und Selbstwirksamkeit, also Komponenten der kognitiven und behavioralen Schmerzbewältigung. Das negative religiöse Coping korreliert mit Angst und Depression und erschwert die Schmerzakzeptanz. Beide Aspekte sind in der Betreuung von Schmerzpatienten relevant. Die günstigen Einflüsse sollen in einer ganzheitlichen Schmerztherapie positiv unterstützt und gefördert werden. Die ungünstigen Lebens- und Glaubenshaltungen müssen identifiziert und wo nötig thematisiert werden. Bei negativem religiösem Coping ist der Beizug eines „religiösen Spezialisten“ sinnvoll und ratsam. Dieser muss die Glaubenstradition des Patienten möglichst gut kennen. Immer wieder habe ich muslimische Schmerzpatienten erlebt, die überzeugt waren, dass ihre Schmerzen eine Strafe Allah’s sind.
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Die dargestellten Ergebnisse stellen ein Plädoyer für eine ganzheitliche Schmerztherapie im Sinne eines erweiterten biopsychosozialen Behandlungsmodells dar
Dr. med. René Hefti ist Chefarzt und
(Hefti 2003, 2009). Grundvoraussetzung des Einbezuges
Ärztlicher Leiter der Klinik SGM Langen-
von Spiritualität in die Behandlung ist die spirituelle
thal, Dozent für psychosoziale Medizin
Anamnese, die mir gerade bei Schmerzpatienten unver-
an der Universität Bern und Leiter des
zichtbar scheint, wenn die religiösen Bezüge erfasst
Forschungsinstitutes für Spiritualität und
werden sollen. n
Gesundheit in Langenthal (www.fisg.ch).
10
ERFAHRUNGEN
Ich kann nicht mehr! Wer hört mich? Hören diese Schmerzen denn niemals auf?
Schon früh (als Kind) erlebte ich in meinem Leben Schmerzen: mehrfach im Krankenhaus sowohl körperlich als auch seelisch mit Verlassenheitsängsten sowie einen großen Trennungsund Verlustschmerz durch die über mehrere Jahre andauernde Krebserkrankung und schließlich das Sterben meiner Mutter.
Rückenschmerzen war, dass ich die Verantwortung anderer auf mich genommen, buchstäblich „getragen“ habe. Ich litt seit meinem 14. Lebensjahr unter Verspannungen meiner Hals-, Nacken und Rückenmusku-
Jeder weiß: Schmerzen gehören zu
selbst Fragen zu stellen, wie zum Bei-
latur. Dazu kamen oft zusätzliche
unserem Leben – als wichtige Signale
spiel „Was will mir mein Körper durch
Schuldgefühle, weil ich die kran-
dafür, dass irgendetwas „nicht in Ord-
den Schmerz sagen?“ oder „Worauf
kengymnastischen Übungen nicht
nung“ ist. Wie Signalleuchten an einer
will Gott mich aufmerksam machen?“
täglich durchgeführt habe. Mein
Maschine – zum Beispiel unserem
Studium und später die Schwanger-
Auto – anzeigen, wenn der Benzintank
So erkannte ich viele ganz individu-
schaften verstärkten die Schmerzen,
leer ist, eine Glühbirne oder gar der
elle Botschaften meines Schmerzes
Gelenkblockierungen und Band-
Motor defekt ist. Die Störung, die das
an mich. Durch meine häufigen Kopf-
scheibenschäden traten auf und ich
Signal Schmerz bedingt, kann aber
schmerzen lernte ich zum Beispiel,
„funktionierte“ nicht mehr. Ich fühlte
in ganz verschiedenen Bereichen
meine Grenzen wahrzunehmen und
mich als Versager. Nachdem bereits
unseres Lebens vorliegen: in unserem
nicht mehr gegen sie anzurennen
Reha-Termine vereinbart waren,
Körper, unserer Seele oder unserem
wie gegen eine Mauer, die eigentlich
erfuhr ich nach einem Gebet unter
sozialen Umfeld. Es gilt darum immer
Schutz bieten soll vor Verausga-
Handauflegung eine überraschende
wieder neu herauszufinden, welche
bung. Ich konnte meinen Wunsch
Schmerzfreiheit. Die Reha habe ich
Botschaft der jeweilige Schmerz für
nach Perfektionismus und Kontrolle
dann trotzdem durchgeführt als mei-
mich beinhaltet. Erst wenn ich ver-
loslassen lernen. Ich muss mir nicht
nen eigenen Anteil (Muskelaufbau)
standen habe, was mir weh tut, kann
mehr „meinen Kopf zerbrechen“
am Heilungsprozess und Heilbleiben.
ich nach einer Lösung für die Ursache
über die Probleme anderer oder „mit
suchen und entsprechend handeln,
dem Kopf durch die Wand“. Inzwi-
Gemeinschaft zu erleben ist mir
gegebenenfalls auch Veränderungen
schen schaffe ich es immer besser,
wichtig geworden, um die „Schmerz-
in meinem Denken, meiner Haltung
meine Gefühle hinter dem Schmerz
Angst-Isolations-Spirale“ zu durch-
oder meinem Leben vornehmen.
wahrzunehmen und entsprechend
brechen. Bei Gefühlen von Isolation
zu handeln. Ich kann ehrlich ´Nein
im Sinne von „Ich bin allein“ hilft es
Dazu musste ich erst einmal ler-
sagen´ und eigene Bedürfnisse (z.B.
mir, in die Geborgenheit hineinzufin-
nen, was bewusstes Wahrnehmen
nach Alleinsein) äußern, statt mich
den und Trost zu erfahren – bei Men-
bedeutet, das heißt erst einmal den
zurückzuziehen und den Schmerz
schen oder bei Gott selbst. Gemein-
Schmerz zu spüren und ihn nicht
als Alibi hierfür zu benötigen. Gott
schaft zu Menschen zu suchen, finde
mehr – wie seit Kindheit gewohnt
ermutigt mich, mich so ernst zu neh-
ich oft schwer, manchmal tun mir
– zu ignorieren und weiter zu funk-
men wie er mich ernst nimmt und zu
eher Rückzug und Stille gut. Die
tionieren, bis er so stark wird, dass
mir selbst zu stehen.
Gewissheit aus meinem Glauben
ich ihn nicht mehr verdrängen kann.
heraus stärkt mich: Jesus Christus
Ich hatte von früh auf gelernt, mich
Auch die Erkenntnis, dass ich dem
ist immer da, er versteht mich, ich
und die Signale meines Körpers nicht
Schmerz nicht passiv ausgeliefert
muss mich nicht rechtfertigen, alles
ernst zu nehmen und auf Schmerzen
bin, sondern aktiv aus dieser Hal-
darf sein! Beides ist mir wichtig und
mit Verleugnung und Verdrängung
tung heraustreten kann, hat mich
kostbar geworden: Gemeinschaft
reagiert, mit Selbstanklage und
gestärkt! Ich kann meinen Anteil
und Alleinsein!
Minderwertigkeitsgefühl. Das heißt
an Schmerzlinderung und Heilung
aber auch, Schmerz nicht vorschnell
dazutun und selbst dabei mitwirken:
Inzwischen weiß ich, dass unbe-
als schlecht zu deuten. Ich lernte, mir
Eine Botschaft in Bezug auf meine
wältigte, vielleicht verdrängte und
ERFAHRUNGEN
4/2015 CHRISCARE
11
Schmerz – Hilfreiche Fragen zur Selbstreflexion 1. Leide ich wiederholt an Schmerzen oder neige ich zur Verdrängung? 2. Verstehe ich die Zusammenhänge einer Schmerz-Chronifizierung? Nehme ich den chronischen Schmerz als eigenständiges Krankheitsgeschehen ernst? 3. Sind die Schmerzen ausreichend medizinisch abgeklärt? Halte ich mich an die therapeutischen Empdadurch oft unverheilte seelische
Sehr entlastet hat mich der Aus-
Verletzungen und Wunden körperli-
spruch einer kranken Freundin:
chen Schmerz verstärken oder selbst
„Chronische Krankheit braucht chro-
4. Kenne ich meine Schmerzauslö-
Schmerzen verursachen können.
nisches Gebet“ – also auch chroni-
ser und -verstärker?
Seelsorgerliche Gespräche wurden
scher Schmerz! So habe ich in meiner
wichtig, durch die Versöhnung mit
langen Schmerzgeschichte gelernt,
5. Habe ich eine gute Beziehung zu
meiner Biographie und Veränderung
neben den Hauskreismitgliedern auch
mir selbst, einen guten Umgang mit
unzureichender Konfliktbewälti-
meinen Ehemann und meine Kinder
mir selbst?
gungsmuster geschehen konnten.
um ihr Gebet unter Handauflegung
a. Lebe ich einen ausgewogenen,
Dort habe ich erfahren, wie wichtig
zu bitten. Ich habe gelernt, im Gebet
gesunden Lebensstil? (Schlaf, Bewe-
es für mich ist, Trost und Zuspruch
nicht gegen den Schmerz anzukämp-
gung, Ernährung, Kommunikation &
zu empfangen, z.B. dadurch, dass ich
fen, sondern ihn anzunehmen, im
Gemeinschaft)
meinen Mann darum bitte, mich in
Sinne von „mich-mit-ihm-verbünden“,
b. Kann ich mich entspannen –
den Arm zu nehmen. Heilung innerer
um dann anders mit ihm umzugehen,
wann und wie?
Verletzungen ist bei mir auch durch
auf dass er immer mehr seine zerstö-
die Solidarität Jesu geschehen –
rerische Macht in meinem Leben ver-
6. Bin ich mit allen Abschnitten mei-
Jesus am Kreuz ist uns in unserem
liert! Damit meine ich aber nicht, nicht
nes Lebens versöhnt, insbesondere
Schmerz so nah wie nirgendwo
mehr zu kämpfen oder mich total
auch gegenüber Ärzten, Therapeuten,
sonst. Bereits in der Kirchenge-
passiv zu ergeben, sondern echte
„Verursachern“ von Schmerzen?
schichte gibt es Berichte davon, wie
Annahme und Auseinandersetzung
kranke Menschen beim Betrachten
als aktive Prozesse! So unterscheide
7. Habe ich Menschen (Freund,
der Leidensgeschichte Jesu Besse-
und praktiziere ich verschiedene
Seelsorger, Therapeut), mit denen ich
rung bis in ihre Körperlichkeit hinein
Gebetsformen: Manchmal ist es für
über meinen Schmerz sprechen kann
erfuhren. Ich habe nach einem Reit-
mich „dran“, den Schmerz einfach nur
und die mir Hilfe und Trost sind, oder
unfall mit zwei Wirbelfrakturen lange
auszuhalten und mich „zu ergeben“,
ziehe ich mich eher zurück?
Zeit im Krankenhaus flach liegen
dann wiederum gibt es Momente,
müssen und in dieser Ohnmacht und
in denen ich „gegen den Schmerz
8. Ist mir meine Beziehung zu Gott
Hilflosigkeit gelernt, Gott zu begeg-
angehe“, dem Schmerz widerstehe
eine Hilfe, kann ich vor Gott zur Ruhe
nen mit der Erfahrung des Verstan-
oder den Schmerz zurückweise.
kommen, seinen Frieden und Trost
denseins und völliger Ergebung – ich
fehlungen?
regelmäßig erleben?
konnte nichts mehr „leisten“. Gedan-
Durch meine Hinwendung zum
ken und Fragen danach, was werden
christlichen Glauben hat sich mein
wird und welchen Wert ich noch
Umgang mit Schmerz und Krankheit
habe, wenn ich nie wieder sitzen,
verändert, auch wenn mein Leben
auch im Schmerz bei mir ist. Ich
stehen und laufen könnte, bewegten
nicht ohne sie ist. Ich habe einen
glaube und habe zutiefst erfahren,
mich. Damals spürte ich auf neue
veränderten Blick, eine Perspektive
dass durch Jesus Tod Krankheit,
Weise meinen Wert unabhängig von
voller Hoffnung: Ich erlebe es als
Schmerz und Leid zwar nicht ver-
meinem Tun.
Trost in allem Schmerz, dass Jesus
schwunden sind, aber besiegt – sie
12
ERFAHRUNGEN + CGK
haben „keinen Stachel mehr“ (1. Kor.
Zeichen setzen
15, 55). Das bedeutet für mich ganz konkret, dass sie keine Macht mehr
Kennzeichen des Christentums: Kranke unterstützen
über mein Inneres haben oder mein ganzes Leben bestimmen dürfen! Jesus Christus hat ihre zerstörerische Wirkung aufgehoben! Ich habe in ihm einen Adressaten, ein Gegenüber für meine Schmerzen gefunden, ihm kann ich alles bringen: mein Fragen, Weinen, Klagen und Bitten. Er kannte selber Schmerzen und wird bezeichnet als „der Schmerzensmann schlechthin“. In ihm habe ich jemanden gefunden, der mich sieht und ernst nimmt: ohne und mit Schmerz! (Jesaja 53, 4-5: „Er lud auf sich all unseren Schmerz und Krankheit ... in seinen Wunden sind
(Kassel) „Glaube und verantwortliches Handeln gehören zusammen“, erklärten der Präsident des Deutschen Caritasverbandes Prälat Dr. Peter Neher (Freiburg i.Br.) und der Präsident des Werkes für Diakonie und Entwicklung, Pfarrer Ulrich Lilie (Berlin) in einem gemeinsamen Grußwort zum 5. Christlichen Gesundheitskongress in Kassel. Die Unterstützung von Kranken sei von Anfang an Kennzeichen des Christentums.
wir geheilt.“ Phil. 2, 6-7: „Er hielt
auf dem Gebiet der Palliativmedizin und der Hilfe für Schwerkranke setzen. „Die Kirchen haben eine jahrtausendealte Kultur der Begleitung und Hilfe für Kranke und Sterbende. Von der Krankensalbung, die seit dem 1. Jahrhundert geübt wurde, über die Entwicklung der Krankenhäuser im Umfeld der Orden und die Klostermedizin bis hin zur modernen Hospizbewegung“, erklärt Dr. Georg Schiffner vom Kongressvorstand. „Allerdings ist dieses Wissen in der gegenwärtigen Medizin und Pflege an den Rand gedrängt worden. Auch
sein Gottsein nicht für einen Raub,
Das Thema des Kongresses: „Zeichen
die Kirchen haben vielerorts ihre
sondern entäußerte sich selbst und
setzen – Heilen und Begleiten in
Kompetenz, zur Heilung beizutragen,
wurde Mensch.“)
Gesundheitswesen und Gemeinde.“
vergessen. Diesen Schatz gilt es wie-
Damit wird darauf hingewiesen, dass
der zu heben.“
Ich habe in meinem Glauben und
es oft nicht die großen Konzepte sind,
meiner Beziehung zu Jesus Chris-
die positive Veränderungen bringen,
Zu den über 60 Referenten gehö-
tus Hilfe gefunden, mich selber
sondern zeichenhafte Aktionen. Der
ren zum Beispiel der Theologe und
kennenzulernen, Zusammenhänge
einzelne Mitarbeiter im Gesund-
Ethnologe Roland Werner (Marburg),
zu verstehen und Veränderungen
heitswesen muss den schwierigen
das Mitglied des deutschen Ethik-
vorzunehmen. Ich weiß zutiefst: Ich
Rahmenbedingungen in Klinik oder
rates Eckhard Nagel (Bayreuth), die
bin trotz Schmerz von Gott geliebt
Heim nicht hilflos gegenüberstehen,
Diakoniewissenschaftlerin Astrid
und wertvoll in seinen Augen. Ich
sondern kann auf allen Ebenen der
Giebel (Berlin) und die Kranken-
versuche, die Verbindung zu ihm
Hierarchie Zeichen setzen. Zeichen
hausoberin Sabine Ruppert-Fürstos
zu halten und sein umfassendes
der Hoffnung will der Kongress auch
(Saarlouis). n
Reden darin zu vernehmen. Und ich
Anzeige
bin ganz anders bereit als früher, auch körperliches Leid zu ertragen und meine Unvollkommenheit und Schwäche zu bejahen. Ich habe Schmerz, aber ich bin nicht der Schmerz – ich lerne, Gott immer mehr zu vertrauen und ihn und mei-
ZEICHEN SETZEN
EN E G L E IT UND B EN H E IL E N D H E IT S W E S UN DE IN IN G E S E M E UND G
nen Schmerz ernst zu nehmen. n
Bettina Gundlach (Aumühle), Ärztin im Sozialpsychiatrischen Dienst, Vorstand Christen im Gesundheitswesen (CiG)
5. CHRISTLICHER GESUNDHEITSKONGRESS
14.—16. APRIL 2016 IN KASSEL WWW.CHRISTLICHER-GESUNDHEITSKONGRESS.DE
INTERNATIONAL
4/2015 CHRISCARE
13
Psychiatrie am Abgrund Global Mental Health
Global Mental Health
Prof. Dr. med. Samuel Pfeifer war lange Jahre Chefarzt der Klinik Sonnenhalde bei Basel. Der renommierte Psychiater ist über die Grenzen der Schweiz und Deutschlands ein gefragter Referent, unter anderem in Indien und Indonesien. „Global Mental Health in a Christian Context” (GMHCC) ist ihm ein Herzensanliegen. Er berichtet für ChrisCare von seinen Erfahrungen: Auf der Trauminsel Bali habe ich in den Abgrund einer Psychiatrie ohne Medikamente geblickt. Versteckt im Hühnerhof, weg von der Dorfgemeinschaft, sitzt ein ausgemergelter Mann in Ketten. Er ist psychisch krank, wahrscheinlich bipolar oder schizophren. Die Familie wusste sich nicht
Aufklärung über psychische Krankheiten (Projekt Burans, Indien)
anders zu helfen. Frau Prof. Suryiani, eine engagierte Psychiaterin brachte mich in dieses Dorf, umgeben von
In den letzten zwei Jahren war ich mehrfach in Indien, um
saftig-grünem Dschungel, nur zwei Stunden von den
dort bei christlichen Konferenzen über „Mental Health as
Traumstränden entfernt. Sie versucht diesen Menschen
a Ministry of the Church“ zu sprechen. Eingeladen wurde
Hilfe zu bringen und versorgt sie mit Medikamenten.
ich von einem Verbund christlicher Krankenhäuser, der „Emmanuel Hospital Association“ (EHA). Jahrzehntelang hatten sie für körperlich Kranke gesorgt, an Orten, wo sonst keine Versorgung möglich war. Die Krankenhäuser lernten psychisch Kranke oft erst kennen, wenn sie nach einem Suizidversuch (etwa mit Unkrautvertilger) in der Notaufnahme landeten, mit verätzter Speiseröhre und noch schwerer verletzter Seele. Aber nun wird es ihnen zunehmend bewusst: „There is no health without mental health!“ – Es gibt keine Gesundheit ohne psychische Gesundheit!
Psychisch kranker Mann in Ketten (Bali) Global Mental Health – wenn Psychiatrie über ihre kleinräumigen Grenzen hinausschaut – hat mir ganz neue Perspektiven geöffnet. Psychische Krankheiten zerstören das Leben von Millionen Menschen, überschatten es, verhindern eine gute Ausbildung und eine glückliche Partnerschaft. Die WHO schätzt, dass Depression diejenige Erkrankung auf der Welt ist, die am meisten verlorene Jahre (DALY) erzeugt – nicht nur im gestressten Westen, sondern auch in den Entwicklungsländern.
Von der traumatisierten Frau zur Hoffnungsbringerin für andere Betroffene: Meena
14
Global Men Zuhörer an
einer Konfe
renz über p
sychische G esundheit in Nord indien
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d -Tagung
Strategie
Stigma: Dämonen, Hexerei, Zauberbann
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el Hos mmanu
körperliche Störungen behandelt hatten. Sie werden nun sensibilisiert für psychische Krankheiten. „Wir fragen die
Psychische Krankheiten sind in vielen Ländern der Dritten
Leute, die zu uns kommen: Kennt ihr in eurem Dorf Men-
Welt stark stigmatisiert. Das eigentümliche Verhalten, die
schen, die sich eigenartig benehmen, sich zurückziehen,
Ängste und Alpträume werden zurückgeführt auf dämo-
das Leben nicht mehr bewältigen?“, erzählt David Abra-
nische Einflüsse. In der arabischen Welt wird eine psy-
ham vom EHA-Projekt „SHARE“ in Bijnor/Uttar Pradesh.
chisch kranke Person direkt als „madschnun“ bezeichnet,
Mit Hilfe von Unterrichtsmaterial (z.B. von www.BASIC-
als von einem Dämon besessen. Die erste Anlaufstelle ist
NEEDS.org) werden die Mitarbeiter und freiwilligen Hel-
daher oft ein Priester, ein Imam, ein religiöser Schrein.
ferinnen geschult, psychische Krankheiten zu erkennen
Durch Opfer und Rituale soll der Geist gebannt werden.
und Behandlungsoptionen zu geben.
Doch das gelingt oft nicht, und es beginnt eine verzweifelte Odyssee von Heiler zu Heiler. Die psychiatrischen
Gerade bei Psychosen und Epilepsie, aber auch bei bipo-
Kliniken sind an vielen Orten sehr schlecht ausgerüstet
laren Störungen sind Medikamente sehr wichtig. Aber
und gleichen eher einem Gefängnis als einem Ort der
wie sollen die Menschen das bezahlen? David Abraham
Heilung. Ich habe in Mumbai selbst eine grosse Klinik mit
und sein Team haben einen Weg gefunden: Der indische
1400 Betten besucht und war schockiert, wie die Men-
Staat bezahlt für eine Dauermedikation, wenn sie vom
schen dort hinter Gittern zusammengepfercht wurden
Klinikarzt einer Psychiatrie verschrieben werden. Nun
– so müssen die staatlichen Kliniken vor über hundert
liegt jedoch das Projekt rund zweihundert Kilometer von
Jahren ausgesehen haben!
der nächsten Klinik entfernt. Aber es gibt einen Bahnhof. So macht man alle zwei Wochen mit einer Gruppe von etwa 30 Patienten einen Tagesausflug von Bijnor
Christliche Kirchen und Spitäler als Alternative
nach Bareilly in die nächstgelegene Klinik. Der Arzt dort hat eine Minute Zeit pro Patient, schreibt sein Rezept,
Doch wie macht man das, wenn es kaum ausgebildete
stempelt es und lässt sie wieder gehen. Betreut werden
Psychiater und Psychotherapeuten gibt? In Indien kommt
sie weiterhin vom Fachteam vor Ort. In Selbsthilfegrup-
auf eine Million Einwohner ein Psychiater, in Deutschland
pen werden Patienten und Angehörige ermutigt. Zudem
sind es etwa 200! Man kann den Leuten nicht einfach
wird mit Öffentlichkeitskampagnen auf das Los psychisch
empfehlen, zu einem Psychiater zu gehen. Die Alternative
leidender Menschen aufmerksam gemacht.
lautet, auf diejenigen Ressourcen zurückzugreifen, die schon vorhanden sind.
Ähnlich arbeitet auch das Projekt Burans in Dehradun/ Nordindien. Die Eltern eines Patienten erzählen: „Er war
Viele christliche Spitäler in Indien haben schon Primary
so ein netter Junge, aufgeweckt, intelligent. Er war am
Health Clinics in den Dörfern und in den Slums, Teams
College, wollte Ingenieur werden. Doch dann begann
von Pflegenden und Sozialarbeitern, die bisher nur
er sich zu verändern. Er zog sich zurück, studierte nicht
4/2015 CHRISCARE
15
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mehr, pflegte sich nicht mehr, lebte ständig in seinem
ist. Übrigens – die Powerpoints der Vorträge können
dunklen Zimmer. Er hörte Stimmen und erzählte wirre
abgerufen werden von der Homepage www.psy77.com.
Geschichten. Das war nicht mehr unser Sohn, wie wir ihn kannten. Wir suchten Hilfe beim Priester, auch beim Arzt im Dorf, doch sie konnten nicht helfen. Wir reisten
Meena – eine Geschichte der Hoffnung
700 km weit zu einem speziellen Tempel, aber es brachte nichts. Schliesslich hörten wir vom Projekt Burans in
Wohl die wesentlichste christliche Motivation ist Hoffnung,
unserer Gegend. Sie erkannten das Problem und erklär-
die nicht nur aus menschlichen Quellen schöpft. Stellver-
ten uns, wie psychische Krankheiten entstehen. Seit er
tretend sei die Geschichte einer verzweifelten jungen Frau
Medikamente hat, geht es ihm viel besser.“
erzählt. Ihr Gesicht war von hässlichen Narben entstellt. Ich traf die 22-jährige Meena als Mitarbeiterin in einem christlichen Spital in Nordindien. Ihre Geschichte gab mir
Mehr als Fachwissen und Medikamente – christliche Motivation
Hoffnung. Sie kam aus den Bergen Nepals und war schwer traumatisiert. Als 16-jährige versuchte sie sich zu verbrennen. Die Flammen konnten zwar gelöscht werden, aber die
Es mag nun scheinen, dass vor allem Organisation, Fach-
Narben blieben. Sie zog ihren Schleier weit ins Gesicht, eine
wissen und Medikamente zur Veränderung beitragen.
Ausgestoßene in der Gesellschaft, zog als Hausmädchen
Das Wesentliche aber ist die tagtägliche Motivation, den
von einem Ort zum andern. Eine christliche Familie nahm
leidenden und benachteiligten Menschen in den Dörfern
sie auf und brachte sie zur Narbenkorrektur ins EHA-Spital
Indiens zu helfen. Über die Jahrhunderte war es immer
in Herbertpur. Dort traf sie andere Frauen, die nach einem
wieder die christliche Grundmotivation der Barmher-
Suizidversuch auf die Notfallstation kamen. Sie hat eine
zigkeit, die Menschen ermutigt hat, nicht gleichgültig zu
Gabe zuzuhören und zu ermutigen. Vom Team lernte sie
bleiben. Dies war auch das Ziel der erwähnten Konfe-
mehr über psychische Krankheiten und wie man hilfreiche
renzen, an denen ich gebeten wurde, über die Aufgabe
Gespräche führt. Die einstmals schüchterne verzweifelte
der christlichen Gemeinde in der Betreuung von seelisch
Frau ist heute eine Seelsorgerin in diesem Spital. Sie ist ein
Leidenden zu sprechen. Dabei zeigte ich am Beispiel
lebendiges Beispiel für die verändernde Kraft einer ganz-
christlicher Kliniken in der Schweiz und Deutschland auf,
heitlichen Betreuung aus christlicher Motivation. n
wie man Barmherzigkeit, Fachwissen und eine christliche Grundhaltung zu einem Ganzen verbinden kann. Biblische Leitlinien können das Anliegen fokussieren und vertiefen. Der Dreiklang: „Unordentliche ermahnen – Verzagte trösten – Schwache tragen“, wie man ihn in der Bibel (1. Thessalonicher 5,14) findet, gibt Vorgaben für
Prof. Dr. med. Samuel Pfeifer, Evang.
eine ausgewogene Psychiatrie, die seelsorglich getragen
Hochschule Tabor Marburg, Riehen / Basel
16
ERFAHRUNGEN
Ewiges Leben?
und er kam! Da war er, und mit ihm kam dieser Zwiespalt zwischen dem nicht mehr Weiter-Leben-Wollen und eigentlich Doch-noch-am-LebenHängen! Wir redeten lange über
Demut vor der Schöpfung
das Leben und den Tod, und das lange Zuhören brachte mich schließlich zu der Entscheidung, ihm eine Operation doch nahezulegen. Sie
Patientengottesdienste haben in und um Hamburg inzwischen eine gewisse Tradition. Zu den wesentlichen Elementen gehören Erfahrungsberichte von Medizinern, wie der im folgenden wiedergegebene von Professor Dr. Eike Sebastian Debus, Direktor Klinik und Poliklinik für Gefäßmedizin im Universitären Herzzentrum (UHZ), Ordinarius für Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Der Gottesdienst fand im Juli 2015 in der Apostelkirche Hamburg-Harburg statt.
würde nicht einfach sein, das war uns beiden klar: das Aneurysma lag ungünstig, und die zu- und abführenden Gefäße waren erheblich verkalkt. Dazu war in der bildgebenden Diagnostik eine verdächtig enge Verbindung zwischen Hauptschlagader (Aorta) und unterer Hohlvene (Vena cava) erkennbar. Wir waren uns einig: Das Risiko dieses schwierigen
Ewiges Leben im Diesseits – ist wirklich alles möglich?
Eingriffes wollten wir beide einge-
Bestreben, hilfesuchende Patienten zu heilen. In meinem Spezialgebiet, der
Ich möchte hierzu ein Erlebnis mit
ges, als ich ihm noch einmal Zuver-
Gefäßmedizin, begegnen mir in der
Ihnen teilen, das ich kürzlich mit
sicht geben wollte, gab er mir noch
Regel betagte und sehr alte Mitmen-
einem älteren Herrn hatte. Er hatte
auf dem Weg in den Operationssaal
schen, die in ihrem Leben nicht zum
seine Freude am Leben verloren,
die Worte mit: „Lieber Herr Professor,
erstenmal behandelt worden sind,
seit seine Frau vor vielen Jahren
ich habe es mir nochmal überlegt:
wenn sie zu mir kommen – sei es an
verstorben war. Nichts konnte ihn
Es ist gut, wenn es klappt – aber ich
Herz, Gehirn, der Hauptschlagader
mehr aufheitern, es schien, als
freue mich auch genauso, wenn ich
oder an Durchblutungsstörungen der
warte er nur noch auf das eigene
nicht wieder aufwache. Machen Sie
Beine. Die Chronizität ihrer Erkran-
Sterben: Das Leben war ihm zur
sich keine Sorgen um mich!“
kung und das Fortschreiten ihrer Ein-
Last geworden. Ich kannte Herrn H.
schränkungen ist nicht selten mit einer
schon viele Jahre aus unserer Nach-
zunehmenden Einschränkung ihrer
barschaft; er hatte mir und meiner
Wer hatte nun wem von uns beiden Zuversicht gegeben?
Lebensqualität, Mobilität und auch
Familie sehr geholfen, in Hamburg,
Der Eingriff begann, alles lief nach
der geistigen Wendigkeit verbunden.
unserem neuen Zuhause, heimisch
Plan. Das Aneurysma war groß, und
Allein dieser fortschreitende (Gefäß-)
zu werden. Über ihn knüpften wir
wie erwartet war es nicht einfach,
Alterungsprozess führt die Betroffenen
die ersten Kontakte zu späteren
zu- und abführende Gefäße in einem
zu der – meist unausgesprochenen,
Freunden, und er war derjenige,
wenig verkalkten Bereich auszuklem-
aber dennoch sehr klaren – natürlichen
der unsere Kinder in den lokalen
men. Alles glückte, und es versprach,
Erkenntnis der Endlichkeit ihres irdi-
Hockeyclub brachte, über den sie
ein erfolgreicher Eingriff zu werden.
schen Lebens. Es gibt jedoch immer
wieder Freunde fürs Leben fanden.
Dann aber, während der Eröffnung
häufiger Patienten, die ihrer Natur
Ich fühlte mich ihm dafür seither
des Aneurysmas passierte es: beim
trotzen wollen und die Endlichkeit des
dankbar verbunden, und seit dieser
Ausschälen des Wandgerinnsels zur
Lebens nicht annehmen können. Sie
Zeit kreuzten sich unsere Wege
Vena cava kam es zu einer massi-
suchen nach dem ewigen Leben….
immer wieder – bis er mich eines
ven Blutung! Der zuvor gehegte
nach dem ewigen Er-leben im Dies-
Montages in meiner Sprechstunde
Verdacht bestätigte sich jetzt: Es lag
seits. Der Glaube an das ewige Leben,
überraschte! Er litt an einem immer
tatsächlich ein Loch zwischen Aorta
wie es die Bibel meint, wird von ihnen
größer werdenden Aortenaneu-
und Vena cava vor, das nur durch
infrage gestellt – zu abstrakt ist ihre
rysma (krankhafte Erweiterung der
das Gerinnsel noch abgedeckt war.
Vorstellung vom Jenseits in unserer
Hauptschlagader), es drohte nun
Ich mußte unwillkürlich an unser
schnellebigen, nicht altern wollenden
zu platzen. Diese Erkrankung hätte
Gespräch am Morgen des Eingriffes
Gesellschaft. Und zu attraktiv scheint
ohne Behandlung vermutlich seinen
denken: War das jetzt der Zeitpunkt,
die Welt mit allen Möglichkeiten zu
sicheren Tod bedeutet. Sein Hausarzt
nach dem sich Herr H. seit so vielen
sein, um jemals davon zu lassen.
hatte ihn deshalb zu mir geschickt –
Jahren sehnte? Soll dies das Ende
Als praktizierender Arzt ist es mein
hen. Am Morgen des Operationsta-
ERFAHRUNGEN
4/2015 CHRISCARE
17
Keine „Götter in weiß“ – aber sie helfen mit Gottes Hilfe sein? Es wäre nur allzu natürlich,
lungsprozess Beteiligte – und ebenso
Viel wichtiger aber ist doch etwas
wäre jetzt Hektik im Operationssaal
für den Patienten selbst, ohne Frage!
ganz anderes! Diese Geschichte
ausgebrochen – bei mir als Opera-
Wie Jesus seine Aufgabe gesehen
zeigt mir, dass Gott Leben schen-
teur, aber dann ganz schnell auch
hat, so ist es auch unser Auftrag,
ken kann, auch wenn alles verloren
bei dem gesamten Operationsteam,
dem Hilfesuchenden Hilfe zu geben.
zu sein scheint. Und – noch wich-
bei den Anästhesisten und dem
Der große Unterschied aber ist: Wir
tiger: Er kann auch Lebensfreude
assistierenden Pflegepersonal... Es
können das nicht alleine bewerkstel-
wiederschenken – auch das könn-
kam aber ganz anders. Ein Stoßge-
ligen, nicht ohne sein Bei-uns-Sein!
ten wir nie alleine erreichen! Herr
bet „Herr, hilf mir jetzt! Lass diesen
Alles was wir ausrichten, können
H. lebt noch heute, viele Jahre nach
Patienten jetzt nicht sterben!“ – ich
wir nur mit seiner Hilfe erreichen!
dieser Operation… sein wiederge-
spürte plötzlich eine unglaubliche
Wir selbst können sicher eine ganze
wonnener Lebensmut ist wieder
Ruhe. Ich wußte, ich stehe jetzt nicht
Reihe an Anstößen für die Genesung
unverkennbar. Herr H. weiß, dass
allein vor dieser Aufgabe, hinter mir
geben, und damit haben wir bis
ihm kein ewiges Leben gegeben ist.
ist jemand, der mir hilft. Mir war auf
heute vieles erreichen können – aber
Aber er lebt heute in der Gewiss-
einmal klar: Wenn diese Situation
ist die Heilung selbst dann nicht
heit, dass auch das endliche Leben
gut ausgeht, dann nur mit Gottes
dennoch ein Wunder? Wie kann der
voller Schönheit und lebenswert
Hilfe. Aber ich wusste auch: Wenn es
Mensch gesund werden? Was pas-
sein kann!
schiefgeht und der Patient „auf dem
siert da eigentlich?
Tisch bleibt“ – auch dann ist alles
Warum kann eine
gut! Es ging dann alles sehr schnell:
so große Operation
Lassen Sie mich mit einem Wort von
Mit einigen Handgriffen konnte die
ohne Folgen völlig
Martin Luther schließen:
Blutung sicher gestoppt und die Vena
ausheilen? Warum
cava wieder verschlossen und ver-
kann der Organis-
näht werden. Der Rest des Eingriffes
mus mit seinen
verlief unkompliziert – und wie durch
vielen kleinen und
ein Wunder wachte der Patient mit
kleinsten Funktionen,
der großartigen Unterstützung des
Enzymreaktionen
Anästhesieteams ohne notwendige
und Abläufen wieder
Kreislaufunterstützung noch im Ope-
reibungslos arbei-
rationssaal auf! Der weitere Verlauf
ten, nachdem wir so
war ebenfalls völlig glatt – und nach
tief darin eingegriffen haben? Wir
Professor Dr. Eike
6 Tagen konnten wir Herrn H. nach
werden diese vielen Fragen mögli-
Sebastian Debus,
Hause entlassen.
cherweise nie endgültig ergründen
Direktor Klinik und
können. All das macht mich demütig
Poliklinik für Gefäß-
Was möchte ich mit dieser Geschichte weitergeben?
vor der Schöpfung – wie weit sind
medizin im Univer-
wir doch entfernt vom „Herrgott in
sitären Herzzentrum
Die Tätigkeit am Patienten bedeutet
weiß“…. Wie dankbar sollten wir
(UHZ), Ordinarius für Gefäßchirur-
eine hohe Verantwortung für alle: für
Ärzte doch sein, wenn wir Teil SEI-
gie, Universitätsklinikum Hamburg-
Arzt, Pflege, für alle an dem Behand-
NES Heilungsprozesses sein dürfen!
Eppendorf
„Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt zugrunde geht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.“ n
18
BRIEF AN PATIENTEN
Persönlich für Sie Liebe Patientin, lieber Patient,
als Schmerzmedizinerin beschäftige ich mich seit Jahren mit dem Krankheitssymptom „Schmerz“. Zunächst haben Schmerzen eine Warnfunktion. Sie sind ein Signal, dass etwas nicht stimmt.
So gehen wir beispielsweise bei
Krankheit und Schmerz können
und Schmerz gehören zu jedem
Zahnschmerzen zum Zahnarzt.
aber auch zur Chance werden,
menschlichen Leben. Auch darin
Chronische Schmerzen hingegen
unsere Achtsamkeit und Aufmerk-
können wir die Liebe Gottes zu uns
können sich verselbständigen und
samkeit zu schärfen, menschlich
erfahren.
zur eigenen Erkrankung werden.
und geistig zu reifen, dem Sein und weniger dem Tun einen Sinn zu
Chiara Lubich, die Gründerin der
Wir können Schmerzen nicht mit
geben, die eigene Persönlichkeit zu
Fokolar-Bewegung, sieht Schmerz
einem Laborwert messen oder mit
entdecken und zu entwickeln.
und Krankheit wie Stufen, die uns auf unserem Lebensweg heraus-
bildgebender Diagnostik darstellen. Wir können lediglich Ursachen und
Schmerz trifft uns folglich im
fordern und uns weiterführen auf
Hinweise suchen.
Innersten, im Zentrum unserer
unserem Weg zu Gott.
Existenz, und kann in Engpässe Schmerzen betreffen den Men-
führen. Es berührt mich immer wie-
Als junge Ärztin habe ich mich oft
schen in seiner Gesamtheit mit
der neu, dass Gott in Jesus Chris-
nach dem Sinn von Schmerz und
körperlichen, emotionalen und
tus ausgerechnet Schmerz, Kreuz
Krankheit gefragt. Ich habe für
seelischen Komponenten. Die
und Verlassenheit gewählt hat, um
mich einen „Schlüssel“ gefunden,
Neurophysiologie – die moderne
uns zu erlösen.
als ich erleben konnte, wieviel Liebe in Situationen von Krank-
„Hirnforschung“ – konnte nachweisen, dass bei körperlichen
Als Christen wissen wir, dass Jesus
heit geschenkt wird: Liebe und
Schmerzen teilweise im Gehirn
gerade im Schmerz jedem Menschen
Annahme von Seiten des Kranken;
dieselben Strukturen erregt werden
sagen möchte: Ich kenne das, ich
Liebe und Hilfe von Seiten der
wie bei sozialen oder seelischen
bin dir nahe, du bist nicht allein.
Angehörigen und Begleitenden.
Schmerzen, z.B. bei Einsamkeit, bei
Es bleibt ein Geheimnis, dass die
Depression etc.
zerstörerische angstmachende Erfah-
Wenn wir der Liebe, der Mit-
rung von Schmerzen – körperliche
menschlichkeit, in uns Raum geben
Dies zeigt uns, wie zentral und
und seelische Schmerzen – zu einer
und unser Denken und Handeln mit
komplex die Erfahrung von
Begegnung mit Gott werden kann.
Liebe füllen, können wir innerlich heil und gesund werden. n
Schmerz für uns Menschen ist. Schmerzen sind ein bio-psycho-
Als Christen glauben wir, dass Gott
sozial-spirituelles Geschehen.
mit seiner Liebe unseren gesamten
Mit diesen Gedanken grüße ich Sie
Lebensweg begleitet. Krankheit
herzlich, Ihre Gabriele Müller
Krankheit und Schmerz können uns aus unserem Lebensrhythmus werfen. Wir erfahren die Verwundbarkeit unseres Daseins und mitunter starke Schmerzen an Körper und Seele. Dr. med. Gabriele Müller, Ärztin für Anästhesie, Spezielle Dies bedeutet zuerst mal ein
Schmerztherapie, Palliativmedizin, Akupunktur, Schmerzzent-
negatives, zerstörerisches Element.
rum Rhein Main in Frankfurt, Frankfurt am Main
TITELTHEMA
4/2015 CHRISCARE
19
Schmerz in der Palliativsituation
Komplementäre Behandlung ist wichtig
Cicely Saunders, Gründerin des ersten stationären Hospizes St. Christophers in England 1967, sah in der Linderung des Schmerzes einen ganzheitlichen Ansatz. Sie gab ihrem Konzept, welches neben dem körperlichen Schmerz auch mentale, soziale und spirituelle Dimensionen beschreibt, den Namen „Total Pain“. Das Konzept „Total Pain“ wird deshalb als eines der wichtigsten Prinzipien und gewissermaßen als Herzstück der Palliative Care beschrieben.1
Die kulturelle Dimension des Schmerzes In der biblischen Erzählung war ein böser Geist verantwortlich für die Krankheit. Diese Erkärung entsprach dem kulturellen Umfeld der gekrümmten Frau. Welche Auswirkungen diese Erklärung auf sie hatte, lässt sich erahnen.
Im Lukasevangelium (Lk 13,10-17)
doch Abrahams Tochter ist, die der
Wir reden heute weniger von bösen
steht die Geschichte der „Gekrümm-
Satan schon achtzehn Jahre gebun-
Geistern, die Erkrankungen verursa-
ten Frau“. Es ist vielleicht etwas
den hatte, am Sabbat von dieser
chen, dafür gibt es die Tendenz, die
ungewöhnlich, ausgerechnet anhand
Fessel gelöst werden?‘“
eigene Geisteshaltung als krankma-
dieser klassischen Heilungsgeschichte
chend zu verstehen. Patienten in einer palliativen Situa-
einmal erlauben, die gekrümmte Frau
Die soziale und biographischen Dimensionen des Schmerzes
und ihr wahrscheinliches Umfeld auf
Die Rückenverkrümmung der Frau
fach mit unserer Kultur der Eigenver-
uns wirken zu lassen, dann finden sich
in der Erzählung zwang sie, meist
antwortlichkeit und der Machbarkeit
viele Aspekte des Schmerzes wieder.
zu Boden zu blicken. Nur unter
konfrontiert worden und müssen
Anstrengung konnte sie Blickkon-
sich mitunter kritische Äußerungen
Die Geschichte: „Jesus lehrte in
takt mit anderen Menschen auf-
in Bezug auf ihren Lebensstil (Rau-
einer Synagoge am Sabbat. Da war
nehmen. Ihre Krankheitsgeschichte
chen) oder ihre Denkweise (Stich-
eine Frau, die hatte seit achtzehn
wird als eine 18 Jahre andauernde
wort: Positives Denken) anhören. Da
Jahren einen Geist, der sie krank
Fessel beschrieben.
ist die Vorstellung, dass ein fremder
den „Schmerz in der Palliativsituation“ zu beschreiben. Aber wenn wir uns
machte; und sie war verkrümmt und
tion sind in der Regel schon mehr-
böser Geist Schuld an der Erkran-
konnte sich nicht mehr aufrichten.
Ähnlich beschreibt eine vierzigjäh-
Als aber Jesus sie sah, rief er sie zu
rige palliative Patientin ihr Leben mit
sich und sprach zu ihr: ‚Frau, sei frei
der Krankheit bei einem Hausbesuch.
Ob es nun der eigene oder ein
von deiner Krankheit!‘ Er legte die
Innerhalb von drei Jahren reduzierte
fremder Geist ist, der die Krank-
Hände auf sie; und sogleich richtete
sich ihr soziales Umfeld völlig: Durch
heit verantwortet, der Erkrankte
sie sich auf und pries Gott.
die krankheitsbedinge Erwerbsunfä-
ist bei solchen Erklärungsmodel-
higkeit verlor sie den Kontakt zu den
len beschämt und damit doppelt
Da kam der Vorsteher der Synagoge,
Kollegen. Dann zerbrach die Ehe und
gekränkt und verletzt.
dem es nicht gefiel, dass Jesus am
schließlich wurde sie zu schwach,
Sabbat heilte, und sprach zu dem
um die Kinder zu versorgen, die nun
Volk: ‚Es sind sechs Tage, an denen
beim Vater leben.
man arbeiten soll; aber nicht am
kung hat, fast noch gnädiger...
Die spirituelle Dimension des Schmerzes Die spirituelle Dimension des
Sabbattag.‘ Da antwortete ihm der
Während wir über die palliativen Ver-
Schmerzes ist der Schmerz hinter
Herr und sprach: ‚Ihr Heuchler! Bin-
sorgungsmöglichkeiten in der Häus-
dem Schmerz. Hier erlebt der Pati-
det nicht jeder von euch am Sabbat
lichkeit reden, blickt sie wie erstarrt auf
ent, was Menschsein auch bedeutet:
seinen Ochsen oder seinen Esel
den Boden. Ihre Biographie ist durch
Das Herausfallen aus einer „heilen“
von der Krippe los und führt ihn zur
die Krankheit bestimmt. Ihre sozialen
Situation (biblisch ausgedrückt: Die
Tränke? Sollte dann nicht diese, die
Kontakte wurden dadurch minimiert.
Vertreibung aus dem Paradies).
20
Jesus und die verkrümmte Frau, Marion Leineweber, Aquarell, 2012
Auch ein atheistischer Mensch kennt diesen Schmerz. Er
samkeit auf sich und verhindert zu einem großen Teil,
hadert, wenn schon nicht mit Gott, dann mit dem Schick-
dass der Betroffene sich anderen Räumen des Lebens
sal, wenn er schwer erkrankt.
zuwenden kann. Ein gepeinigter Mensch ist gereizt und auch dies wirkt sich auf sein Verhalten aus.
„Ich werde völlig zerstört!“, so drückte es ein Patient aus. Die Erfahrung, die hinter dieser Aussage steht, ist
Die unnatürliche Körperhaltung der gekrümmten Frau
kultur- und religionsübergreifend: Es ist ein Fall in eine
war sicherlich schmerzhaft. Über die Schmerzbehandlung
Haltlosigkeit.
zu Jesu Zeiten wissen wir wenig, aber sie ist wohl kaum mit den heutigen Möglichkeiten zu vergleichen.
Die gekrümmte Frau hat 18 Jahre ihres Lebens mit dieser Erfahrung gelebt: Ich bin gekrümmt und Gott heilt
Die Schmerzmedizin ist mittlerweile in der Lage, neunzig
mich nicht. Der atheistische Patient interpretiert diesen
Prozent der körperlichen Schmerzen durch Medikamente
Umstand als die Laune eines unpersönlichen Schicksals.
deutlich zu lindern. In der palliativen Situation wird sehr viel Wert darauf gelegt. Der Maßstab für eine gute
Auch wenn der 23. Psalm den Gläubigen versichert, dass
Schmerztherapie ist ausschließlich der Patient selbst. Es
Gott uns durch diese Finsternis geleitet: Gottes Gegenwart
ist erschreckend, wenn wir in unseren Kursen von Pfle-
zu spüren, ist im finsteren Tal unmöglich (sonst ist man
genden erfahren, dass es immer noch Ärzte gibt, die eine
schon nicht mehr im finsteren Tal). Besonders Christen fällt
Scheu davor haben, Schmerzpatienten ausreichend z.B.
es schwer, diese Erfahrung zuzulassen, ob als Betroffene
mit Morphinpräparaten zu versorgen.
oder als Begleiter. Und doch ist es hilfreicher, sich diesem Schmerz einmal völlig hinzugeben, als ständig dagegen
Bewältigung des Schmerzes
anzukämpfen. Selbst Jesus hat Erfahrungen mit dem
Allen Schmerzen ist gemeinsam: Sie verkrümmen den
„abwesenden Gott“ gemacht, als er am Kreuz rief: „Mein
Menschen, versetzen ihn in Anspannung und verhindern
Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“2 Diese
eine freie Entfaltung des Lebens. Die Bewältigung des
Finsternis ist Teil unseres Daseins und will gesehen wer-
Schmerzes ist am ehesten durch achtsame Zuwendung
den. Erst dann weicht die Dunkelheit langsam dem Licht.
und Entspannung möglich. Dies gilt für die körperlichen, wie für die nichtkörperlichen Schmerzen.
Die körperliche Dimension des Schmerzes In der palliativen Situation steht der physische Schmerz
Jesus verschafft sich erst einmal Zeit und Raum für die
oft im Vordergrund, was auch verständlich ist. Ein Orga-
Begegnung mit der Frau. Er nimmt sie wahr und holt
nismus, der Schmerz erzeugt, zieht sehr viel Aufmerk-
sie zu sich. Er berührt sie seelisch und körperlich. Dieser
TITELTHEMA
4/2015 CHRISCARE
21
ganzheitliche Ansatz ist übrigens
In unseren Kursen legen wir viel Wert
nicht mehr körperlich gesund. Aber
Bestandteil aller Heilungsgeschich-
auf die komplementäre Behandlung.
auch sie können durch uns heilsame
ten der Bibel.
Hier werden Wickel und Einreibun-
Zuwendungen voller Akzeptanz und
4
gen gegen Schmerzen, Hitze oder
Wertschätzung erfahren, die sie
In Begegnung mit Jesus erfährt
Kälte vermittelt und praktisch einge-
innerlich aufrichten.
sich die Frau vor allem als eine
übt. Wir arbeiten mit Düften, die die
Tochter Abrahams und nicht als die
Übelkeit lindern und das Wohlbefin-
Wenn es uns gelingt, einen Aspekt
„Gekrümmte mit dem bösen Geist“.
den steigern.
des „Total Pain“ positiv zu berühren,
Die Geschichten ihrer Krankheit
verändern wir damit schon sehr viel
haben nicht das Potential für Hei-
Der Einwand, dass die Zeit für
lung, sondern allein der wertschät-
komplementäre Anwendungen nur
zende Umgang.
in ausgewiesenen Palliativstationen
Auch aus Jesu Konflikt mit dem
vorhanden ist, stimmt nur auf den
Tempelvorsteher können wir lernen:
Die folgende sanfte körperliche
ersten Blick. Die Erfahrung zeigt, dass
Es wird immer Persönlichkeiten
Zuwendung wirkt am Heilungspro-
Patienten, die punktuell zeitintensive
geben, die kreative Ansätze in der
zess mit. Dabei kommt es nicht dar-
Zuwendung erfahren, insgesamt
Pflege kritisieren. Aber es ist ohne
auf an, den ganzen Körper zu berüh-
entspannter sind, was sich positiv auf
Frage lohnend, sich im Namen der
ren. Die gekrümmte Frau wird nur an
die Gesamtsituation auswirkt.
Menschlichkeit dafür einzusetzen. n
den Schultern berührt. Die Weisheit
an der Gesamtsituation.
Siehe auch: Lehrbuch Palliative Care 2007, S.32 2 Johannes 19,26-27 3 Ein Anwendung aus der Anthroposophischen Pflege nach Rolf Heine. 4 Komplementäre Anwendungen sind eine Ergänzung zu schulmedizinischen Maßnahmen. 1
„weniger ist mehr“ gilt vor allem für
Jesu Zuwendung sorgte für Ent-
die Berührung von schmerzgeplag-
spannung und für eine tiefgreifende
ten Palliativpatienten.
Heilung der gekrümmten Frau. Die Frau konnte sich danach wieder
Ein Beispiel: Es raubt diesen Men-
aufrichten. Palliative Patienten wer-
schen viel unnötige Energie, wenn sie
den mit großer Wahrscheinlichkeit
komplett gewaschen werden sollen. Entspannter und hilfreicher ist eine sogenannte „Klingende Waschung“,3 die sich achtsam nur dem Gesicht,
Susanne Gaedicke,
den Händen und den Füßen zuwen-
Onkologische Fach-
det. Diese mehrere Sinne anspre-
Miriam Stamm,
krankenschwester,
chende Anwendung erfrischt. Der
Pastorin, Berlin,
Kursleiterin Palliative-
Patient wird auch seelisch berührt.
www.kurswerk-leben.de
Care, Berlin Anzeige
ChrisCare
Blickpunkt
„Wir können keine großen Dinge vollbringen – nur kleine, aber die mit großer Liebe.“ Mutter Teresa (1910-1997)
24
TITELTHEMA
Schmerz – ein mehrdimensionales Phänomen Jeder Mensch kennt Schmerz aus eigenem Erleben und hat ihn in unterschiedlichen Ausprägungen gespürt. Schmerz wurde als akut oder chronisch erlebt, und die betroffene Person hat vielleicht festgestellt, dass chronischer Schmerz häufig nicht in einer Form behandelbar ist, wie man vielleicht erhofft hat.
die sensorisch-diskriminative, die motivational-affektive und die kognitiv-evaluative Dimension. Autoren wie Snow und andere (2004) fügten diesen noch eine vierte, die behavioristische (verhaltensbezogene) Dimension hinzu. Werden diese differenziert betrachtet, wird der sensorisch-diskriminativen Dimension das
Nach der Definition der Schmerzgesellschaft wird
Erleben der Schmerzstärke und der Schmerzlokalisation
Schmerz definiert als „ein unangenehmes Sinnes- und
zugeschrieben. Die emotionale Bedeutung des Schmer-
Gefühlerlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewe-
zes wird eher über die motivational-affektive Dimension
beschädigung verknüpft ist, oder mit Begriffen einer
wahrgenommen. Beispielsweise ob der Schmerz als
solchen beschrieben wird“. Schmerz ist höchst individuell.
bedrohlich oder zerstörerisch erlebt wird. Die bewusste
Nur die Person, die ihn erlebt, kann Auskunft über das
Beschäftigung mit dem Schmerz, z. B. wie lange er anhält
Schmerzerleben geben.
oder welches Therapieziel erreicht werden soll, wird der kognitiv-evaluativen Dimension zugeordnet. Die behavio-
Le Breton (2003) beschreibt in seiner Kulturgeschichte
ristische Dimension wird mit der willkürlichen Steuerung
Schmerz als ein „radikales Scheitern der Sprache“. Er
von Handlungen in Verbindung gebracht, ob wir beispiels-
führt dazu weiter aus: „Eingeschlossen in die dunklen
weise bei Kopfschmerz einen verdunkelten Raum aufsu-
Tiefen des Leibes, kann er nur vom Kranken selbst
chen oder bewusst eine Schonhaltung einnehmen. Diese
ermessen werden. […] In seiner Unmittelbarkeit ver-
mehrdimensionale Deutung von Schmerz wurde durch
schließt [er] sich jedem noch so kühnen Forscher, der
Forschung, u. a. durch die Arbeiten von Melzack, gestützt.
gerne in ihn eindringen würde, als sei er ein unbekannter Kontinent.“ Schmerz schafft, so Le Breton, eine
Davor ordnete Descartes in der zweiten Hälfte des 17. Jahr-
unüberwindliche Distanz zwischen der betroffenen Per-
hunderts Schmerz in ein Ursache-Wirkung-Prinzip Deu-
son und den „Anderen“. Die Welt, in die die betroffene
tungsmuster ein. In diesem Verständnis galt Schmerz als
Person eintaucht, ist für alle anderen Menschen nicht
exakt zu diagnostizieren, als mess- und behandelbar. Diese
zugänglich. Dies verdeutlicht eindrücklich die subjektive
mechanistische Auslegung des Schmerzes, die auf die
Bedeutung des Phänomens Schmerz. Schmerz ist nur
körperlichen Aspekte fokussierte, erforderte eine körperbe-
für den Betroffen direkt spürbar, für alle anderen nur
zogene Therapie. Vor dieser streng naturwissenschaftlichen
dann wahrnehmbar, wenn die betroffene Person davon
Sichtweise galt Schmerz jahrhundertelang auch als ein
berichtet oder ihn zeigt.
spirituelles Erlebnis. Er war zu durchleben, zu überstehen und im Schmerz wurde auch die Möglichkeit zum spiritu-
Die Pflegewissenschaftlerin Margo McCaffery (1968:95)
ellen Wachstum gesehen. In dieser Deutung des Schmer-
prägte dazu vor fast einem halben Jahrhundert den Satz
zes bestand keine Notwendigkeit zu einer differenzierten
„Schmerz ist das, was der Patient oder der Betroffene als
Schmerzdiagnostik. Dies veränderte sich mit der streng
solchen beschreibt und immer vorhanden, wenn er sagt,
naturwissenschaftlichen Sichtweise von Descartes.
dass er da ist“. Schmerz muss kommuniziert werden, um für dritte Personen zugänglich zu sein.
Heute wird Schmerz in einem bio-psycho-sozialen Modell gedacht. Schmerzerfassung und therapeutische Angebote
Den Arbeiten um die Arbeitsgruppe von Melzack (1999)
zur Schmerzreduktion sollten alle Dimensionen adressie-
verdanken wir die Erkenntniss, dass Schmerz über unter-
ren, insbesondere bei chronischem Schmerz. Aber auch
schiedliche Dimensionen erlebt und kommuniziert wird:
akuter Schmerz ist nicht eindimensional, wenn auch die
TITELTHEMA
behavioristische Dimension
4/2015 CHRISCARE
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sensorisch-diskriminative Dimension
Schmerz kognitiv-evaluative Dimension
motivational-affektive Dimension
Beurteilung des Schmerzerlebens häufig über die Inten-
Faktoren, die den Schmerz bestärken oder verringern kön-
sität erfolgt. Betroffene Personen werden dazu nach ihrer
nen, zu kennen und zu integrieren. So können Einsamkeit
Schmerzstärke befragt. Die Güte einer Schmerzbehandlung
und das Gefühl, zur Last zu fallen, das Schmerzerleben
wird häufig allein über die Intensität, z. B. einer Einteilung
verstärken; dem hingegen tragen ein intensives gutes
von Schmerz auf einer Skala von 0 (kein Schmerz) bis 10
Gespräch oder gemeinsames Tun, gemeinsames Beten
(stärkster vorstellbarer Schmerz) vorgenommen. Dazu wird
dazu bei, es für eine Weile „vergessen zu lassen“. Nicht nur
die betroffene Person gefragt: ,,Haben Sie Schmerzen?
die kognitive, auch die spirituelle Beschäftigung mit dem
Und wenn ja, wo und wie stark?“ Diese Kommunikation zu
Schmerzerleben kann die Betroffenen positiv unterstützen
Schmerz findet dazu zwischen mindestens zwei Personen
und sollte unbedingt ein Teil des Therapieangebotes sein.
statt. Der Person, die den Schmerz erlebt und der Person, die diesen Schmerzausdruck möglicherweise beobachtet
Chronischer Schmerz sollte im bio-psycho-sozialen
und entgegen nimmt. Kann die betroffene Person nicht
Verständnis gedanklich und emotional durch die betrof-
selber für ihre eigene Therapie Sorge tragen oder ist sie
fene Person in ihr Leben eingeordnet werden können. Es
in ihren Kommunikationsfähigkeiten eingeschränkt, ist sie
ist daher unabdingbar, die Bedeutung, die der Schmerz
darauf angewiesen, dass eine dritte Person den Schmerz-
für die betroffenen Personen hat, in die Therapieplanung
ausdruck wahrnimmt, ihn interpretiert und ggf. passende
einzubeziehen. Die individuelle Bewertung der Lebens-
Maßnahmen ableitet. Beide Personen, die an diesem
qualität jedes einzelnen Betroffenen orientiert sich daran.
kommunikativen Prozess beteiligt sind, benötigen Kennt-
Diese Bedeutungszuweisung entscheidet darüber, ob der
nis über die Mehrdimensionalität von Schmerz. Liegt der
Lebensalltag dem Schmerz untergeordnet wird, oder das
Fokus der Schmerzwahrnehmung nur auf einer Dimension,
Leben (trotz Schmerz) so selbstbestimmt wie möglich
z. B. der Erfassung der Schmerzintensität, werden sich
gelebt wird. n
auch die anschließenden therapeutischen Maßnahmen allein darauf ausrichten. Andere Aspekte werden möglicherweise nicht erkannt, treten in den Hintergrund und werden nicht in die Therapie einbezogen. Bei akutem Schmerz, der z. B. durch eine Verletzung
Professor Dr. Erika Sirsch, Philosophisch-
verursacht wurde, kann das angemessen sein. Hier ist zu
Theologische Hochschule Vallendar
erwarten, dass der Schmerz mit abheilender Verletzung ebenfalls abklingt. Bei chronischem Schmerz hingegen ist häufig die Ursache nicht bekannt oder vielschichtig. In
Literatur
einer solchen Situation greift die Konzentration auf eine
Le Breton, D. (2003). Schmerz. Eine Kulturgeschichte. ZürichBerlin, diaphanes. McCaffery, M. (1968). Nursing practice theories related to cognition, bodily pain, and man-environment interactions. Los Angeles, University of California Students Store. Melzack, R. (1999). "From the gate to the neuromatrix." Pain Suppl 6: S121-126. Snow, A. L., J. O'Malley K, M. Cody, M. E. Kunik, C. M. Ashton, C. Beck, E. Bruera and D. Novy (2004). "A conceptual model of pain assessment for noncommunicative persons with dementia." Gerontologist 44(6): 807-817.
Schmerzdimension zu kurz. Schmerzreduzierende Maßnahmen sollten sich daher bei chronischem Schmerz auf alle Schmerzdimensionen erstrecken. So z. B.: Wie kann der Schmerz in den Alltag integriert werden, wie kann das Gedankenkreisen um den Schmerz durchbrochen werden oder wie kann Bewegungsförderung unterstützen? Entscheidend ist dabei, welchen Sinn der betroffen Mensch in seinem Schmerzerleben sieht. Es ist erforderlich, die
26
PRAXISBERICHT
Segnungs-Gottesdienst im Evangelischen Krankenhaus „Gottesfriede“ Woltersdorf „Ist jemand unter euch krank, der rufe die Gemeindeleiter, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn…“ (Die Bibel, Jakobus 5, Vers 13)
Pastor Hanke segnet eine Patientin
Patientinnen des Krankenhauses
Seit 2009 feiert ein Seelsorge-Team einmal im Monat
Nach der Begrüßung, einer kleinen Eingangsliturgie, dem
am Samstagnachmittag mit Patienten, Angehörigen und
Gemeindelied folgen Gebet, Predigt und Predigtlied. Dann
Mitarbeitenden einen 40-minütigen Gottesdienst mit
sprechen wir Worte zur Segnung. Die sind wichtig, denn
Segnung und Salbung.
unsere Patienten fragen: „Bin ich gläubig genug für diesen Segen? Werde ich mit dem Segen schneller gesund?“
Diese alte Segensform ist auch in unserer Zeit Hilfe und
Und wir antworten: „Segen ist keine Belohnung für eifrige
Trost, besonders für die betagten Patienten in unserem
Kirchgänger, sondern ein Geschenk Gottes. Wenn Sie sich
geriatrischen Fachkrankenhaus. Denn neben der Krankheit
von Herzen wünschen, dass Gott Ihnen Hoffnung, Frieden
und den Schmerzen müssen unsere 70-102-Jährigen auch
und Glauben schenken möge, dann empfangen Sie diesen
Altersgebrechlichkeit, Einsamkeit und Sinnlosigkeit aus-
Segen. Wie Gott hilft, das steht in seiner Macht. Darüber
halten. Nicht wenige fühlen sich wertlos und überflüssig.
können wir als Segnende nicht verfügen. Deshalb kann es
Sie beklagen, dass sie dem Tod näher sind als dem Leben.
sein, dass er Sie mit innerem Frieden stärkt, obwohl Sie eine schnellere Heilung erhofften. Doch vertrauen Sie dar-
Schweres aushalten, sich in Geduld üben, auf Linde-
auf: Gott wird Ihnen helfen und Sie durchtragen!“
rung und Besserung hoffen, die Endlichkeit des Lebens bedenken und annehmen, dazu wollen wir auch durch
Zum Segnen gehen wir zu den Patienten an die Plätze,
die Gottesdienste ermutigen und stärken.
fragen sie, ob sie gesegnet werden wollen. Wem diese
PRAXISBERICHT
4/2015 CHRISCARE
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Woltersdorf Team v. links: Ortspfarrer Trodler, Dipl. med. C. Lusky, W. Lusky, B. Adameit, N. Keichel, Seelsorger Pastor Hanke
Segensform fremd ist, oder wer den Segen nicht
Neben dem Seelsorge-Team helfen weitere diakonisch
wünscht, darf auch „Nein“ sagen oder erst einmal
engagierte Menschen mit. Sie bringen unsere Patienten
zuschauen, wie andere gesegnet werden. Im Hintergrund
von ihren Zimmern zum Raum der Stille, in dem die Got-
läuft eine leise Instrumentalmusik.
tesdienste gefeiert werden. Auch Konfirmanden haben sich im Rahmen eines Gemeindepraktikums eingebracht.
Die Salbung wird mit einem wohlriechenden Öl auf der
Beim Helfen und Feiern entsteht immer wieder eine
Stirn und den Handflächen vollzogen. Der Duft ist eine
Gemeinschaft, die berührt und bereichert. Wir erleben
Wohltat für die Nase inmitten typischer Krankenhausge-
Gottes Segen! n
rüche. Die Berührung signalisiert: Ich bin wertgeachtet und geliebt, gerade jetzt, wo ich schwach bin. Ich bin nicht nur ein Fall in einer Patientenakte. Es kommt auch vor, dass ehemalige Krankenhaus-Patienten oder Patienten der urologischen Praxis von Dr. Lusky am Gottesdienst teilnehmen, weil sie die Gemeinschaft
Detlev Hanke, Krankenhausseelsorger
und den Segen Gottes in dieser Form noch einmal oder
im Evangelischen Krankenhaus „Gottes-
neu erleben wollen.
friede“, Woltersdorf bei Berlin
28
TITELTHEMA
Schmerz lass nach Schmerzlinderung durch alternative Anwendungen Akute Schmerzen, ein Warnsignal unseres Körpers, ist ein Symptom, dass wohl jeder Mensch schon erlebt hat. Das spielende Kind, das sich sein Knie am Tisch stößt, der junge Mann, der mit Zahnschmerzen aufwacht. Doch auch chronische Schmerzen sind für viele, besonders im Alter nicht unbekannt. Sowohl in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Zuhause, auf palliativen Stationen und in Hospizen ist der Schmerz eines der häufigsten Symptome. Schmerzen sind vielschichtig und können durch diverse Faktoren beeinflusst werden, z.B. kann Stress den Schmerz verstärken, Wärme ihn lindern.
letzungen führen kann. Es ist in ein
einnehmen. Die dauerhafte Vermei-
dünnes Handtuch einzuwickeln. Hier
dung von schmerzhafter Bewegung
kann man der Kreativität freien Lauf
kann aufgrund von einseitiger Über-
lassen, wenn es um gekühlte/gefro-
belastung an anderen Stellen des
rene Materialien geht, z.B. frischer
Körpers zu Schmerzen führen. Die
Quark aus dem Kühlschrank.
Schmerzintensität nimmt dadurch weiter zu und die Menschen werden
Bei z.B. einer Mukositis ist bekannt,
in ihrer Lebensqualität zunehmend
dass vor allem die Mundkühlung die
eingeschränkt.
Schmerzen lindert. Gefrorene unterschiedliche (Lieblings-)Lebensmittel
Oft ist es sinnvoll, mit therapeu-
können gelutscht werden. Tee oder
tischer Unterstützung generell
Säfte bieten sich ebenfalls an. Dabei
die Muskulatur zu stärken, um so
ist zu beachten, dass Säfte mit einem
Schmerzen zu vermeiden. Darü-
hohen Säuregehalt z.B. die Schmer-
ber hinaus ist es gut, im Alltag auf
zen wieder hervorrufen können. Es
ausreichende schmerzadaptierte und
können z.B. Weingummis eingefro-
wohltuende Ruhepausen zu achten.
ren werden oder auch gern geges-
Schmeradaptiert bedeutet, dass eine
sene Früchte oder Fruchtstücke.
Position zu suchen bzw. auszuprobieren ist, in der eine Muskelent-
Wärme wird häufig für die Schmerz-
spannung durch mindestens eine
linderung von Rückenschmerzen
schmerzarme Lage möglich ist.
In der Fachliteratur wird häufig über
oder Menstruationsbeschwerden
Schmerzarten gesprochen. Auf diese
verwendet. Körner- oder Kirsch-
Dazu benötigt der Betroffene die
wollen wir hier genauer eingehen
kernkissen, Wärmflaschen oder
Möglichkeit, seinen Muskeltonus
und dazu Möglichkeiten aufzeigen,
heiße Handtuchrollen finden hier
regulieren zu können. Der Körper
wie diesen verschiedenen Schmerz-
ihre Anwendungen. Auch hier ist
legt sich so auf einer Matratze und
arten kreativ und manchmal auch mit
zu beachten, dass evtl. ein dünnes
dem Positionierungsmaterial ab,
Phantasie begegnet werden kann.
Handtuch die Haut vor Verletzungen
dass der Körper nicht durch die
zu schützen hat.
Muskulatur angespannt bleibt. Das
Der körperliche Schmerz
Positionierungsmaterial ist den
Körperlicher Schmerz wird meistens
Grundsätzlich gilt, dass verschie-
individuellen Bedürfnissen des Men-
durch die Grunderkrankung hervor-
dene Anwendungen ausprobiert
schen anzupassen. Hier kann neben
gerufen oder ist eine unerwünschte
werden können, sofern medizi-
Kissen oder Decken auch sehr krea-
Wirkung von medizinisch-therapeu-
nisch nichts dagegen spricht. Denn
tiv mit Bademänteln und Stofftieren
tischen Behandlungsverfahren. Hier
Schmerzen und Geschmäcker sind
gearbeitet werden.
einige Ideen zur Schmerzlinderung:
bei jedem Menschen verschieden.
Kälte und Wärme
Bewegung
Eine oberflächliche Massage
Nach beispielsweise Operationen
Menschen mit Schmerzen versuchen
mit Ölen oder Lotionen kann die
oder Prellungen der Extremitäten ist
Bewegungen, die die Ursache für
Schmerzintensität lindern. Diese
das Kühlen mit einem Coolpack oder
die hervorrufenden Schmerzen sind
Massagen im Schulter-, Rücken-
gefrorenen Erbsen eine erfolgreiche
oder ihn verstärken, zu vermeiden.
bereich oder der Hände und Füße
Anwendungsform. Dabei darf das
Dies führt dazu, dass Betroffene sich
bieten auch für Angehörige eine
Kühlelement nie direkt mit der Haut
zunehmend in ihrer Beweglichkeit
Möglichkeit, sich aktiv zu beteiligen.
in Kontakt kommen, weil es zu Ver-
einschränken und eine Schonhaltung
Denn auch von Laien durchgeführte
Massage
TITELTHEMA
4/2015 CHRISCARE
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Berührungen/Massagen zeigen einen hohen Wert für die von Schmerz betroffenen Menschen. Hier geht es nicht darum, direkt an dem schmerzhaften Ort zu massieren oder zu berühren. In der Praxis zeigt es sich immer wieder, dass eine wohltuende Handmassage von einem Angehörigen die Schmerzen in einem ganz anderen Körperbereich reduzieren kann. Durch diese Massage wird die körperliche Wahrnehmung z.B. auf die Hand gelenkt und die Schmerzen reduziert. Zudem hat dies einen positiven emotionalen Effekt auf die Angehörigen. Sie fühlen sich nicht hilflos, sondern können – wenn vielleicht auch nur begrenzt – in der Situation etwas „tun“!
Der psychische Schmerz Viele Menschen setzen sich gerade in den letzten Tagen des Lebens mit ihrem gelebten Leben auseinander.
Für jeden machbar: mit einfachen Massagen Schmerzen lindern
Der Wunsch nach Aussöhnung bei Streit, Klärung von Missverständ-
barkeiten, die wir anbieten können.
still um einen wird, ist der Schmerz,
nissen innerhalb der Familie oder
Darüber hinaus können Gebete ein
egal in welchem Bereich, häufig am
Freunde wächst. Vielfach können
wichtiges Element in diesen Momen-
größten. Die gesamte Aufmerksam-
Konflikte nicht mehr geklärt werden,
ten sein. Oft helfen auch Symbole
keit ist in solchen Momenten nur auf
es führt zu seelischen Belastungen.
wie Kerzen, Kreuze, Engel oder Post-
den Schmerz gerichtet. Ablenkungen
karten, um ins Gespräch zu kommen.
jeglicher Art, von Fernsehen bis hin
Gespräche
zu Gesprächen, gemeinsames oder
Zur Reduzierung von psychischem
Sind die zwischenmenschlichen
alleiniges Singen bekannter Lieder,
Schmerz sind Gespräche sinnvoll.
Konflikte nicht mehr mit einem
Gebet oder das intensive Nachdenken
Dabei ist zu beachten, dass diese
betroffenen Menschen zu klären, so
über einen Bibelvers, können zu einer
von dem/der Schmerzgeplagten
können die belastenden Probleme
Aufmerksamkeitsveränderung führen.
selbst gewünscht werden. Als Medi-
und die unausgesprochenen Ent-
Ablenkung kann auch durch das Klop-
ziner, Pflegende, Therapeuten oder
schuldigungen bei Gott abgegeben
fen eines Rhythmus oder durch taktile
Angehörige können wir regelmäßig
werden. Durch Jesu Vergebung kann
Reize von unbekannten Oberflächen
Angebote machen. Wichtig ist, dass
ein Schlussstrich gezogen und Frie-
stattfinden. Eine unbekannte Berüh-
es Angebote bleiben und damit kein
den gefunden werden.
rung fesselt die Aufmerksamkeit und lenkt vom Schmerz ab.
indirekter Druck oder Zwang ausgeübt wird.
Ablenkung Die Ablenkung ist eine Maßnahme,
Stressreduzierung
Das Mittragen der seelischen Belas-
die zu einer veränderten Aufmerk-
Stress ist ein Schmerzverstärker und
tung und das Zuhören sind Kost-
samkeit führt. Gerade dann, wenn es
wird durch ganz unterschiedliche
30
TITELTHEMA
Situationen/Konstellationen hervor-
angegriffen fühlen. Jeder Mensch
den sie seit Jahren gekannt haben?
gerufen. Es kann sein, dass Ängste
braucht seinen Freiraum. Das
Wie kann Gott das zulassen? Die
und Gefühle der Verzweiflung einen
bedeutet jedoch nicht, dass sie einen
Sehnsucht nach Frieden mit Gott
umtreiben. So ist es für den einen
Rückzug oder ein aggressives Verhal-
und das Wahrnehmen einer ver-
Menschen eine hohe Belastung,
ten ihrer von Schmerzen betroffenen
meintlichen „neuen“ Seite Gottes
viele Menschen um sich herum zu
Angehörigen hinnehmen sollen.
werden oft zu einem inneren Kampf,
haben, für den anderen ist Stille und
Ein offenes Gespräch und immer
einem Schmerz.
wenig Menschenkontakt ein hoher
wieder Angebote der Zuneigung
Stressfaktor. Es ist wichtig, individu-
machen den Betroffenen deutlich,
Leider leben wir nicht mehr in para-
ell seinen Stressauslöser und/oder
dass sie gemeinsam an der Seite des
diesischen Zuständen. Gott hat es
-verstärker herauszufinden. Hilfreich
Schmerzgeplagten diesen Weg gehen
uns auch nicht versprochen. In dieser
kann es sein, sich plötzlich verstärkt
wollen.
„jetzigen Welt“ gibt es Schmerzen,
auftretende Schmerzen in der jewei-
Krankheit und Tod. Gott lässt dies
Der spirituelle/ existenzielle Schmerz
zu. Auf die Frage „Warum?“ gibt es
Ursache bekannt, können Maßnahmen ergriffen werden, wie z.B. die
Bei palliativen Patienten erinnert der
unsere Situation nicht gleichgültig.
Reduzierung der Stressauslöser.
immer wieder auftauchende Schmerz
Jesus Christus selbst hat Schmerz
ligen Situation zu notieren. Ist die
meist keine Antwort. Doch Gott ist
an die unheilbare Erkrankung, den
und Tod am Kreuz ertragen. Er kennt
Der soziale Schmerz
schwindenden Lebensweg und die
die Gefühle, und er kennt Todes-
Dauerhafte, chronische Schmer-
begrenzte Zeit auf dieser Erde. Häufig
angst. Im Garten Gethsemane hat er
zen nehmen Lebensqualität. Hinzu
kommen tiefe Glaubensfragen zu
ihnen in die Augen gesehen. Wir als
kommt die Veränderung eines
Tage. Gedanken, ob Gott einen für
Christen haben die Hoffnung, dass
Menschen als Reaktion auf diese
etwas strafen würde, welche Feh-
eines Tages der Schmerz, die Angst
Schmerzen. Diese wiederum können
ler man begangen hat. Fragen, die
und die Krankheit keine Relevanz
die Gefühle beeinflussen und als
häufig geäußert werden, sind Fragen
haben werden. Nicht der Tod ist das
Resultat kann es im Umgang mit
nach dem „Warum ich?“, „Warum
Ende, sondern ein schmerzfreies
den Mitmenschen zu Beziehungs-
jetzt?“ oder „Was habe ich getan?“.
Leben in der Ewigkeit bei Gott
veränderungen kommen. Menschen
ist unsere Hoffnung. Das ist eine
mit Schmerzen können sich aggres-
Viele Menschen suchen nach einem
Hoffnung, aus der auch im tiefsten
siver oder gereizter als gewohnt
Grund der jetzigen Situation, hinter-
Schmerz Kraft geschöpft werden
zeigen oder jemand zieht sich eher
fragen das „Bild“ eines liebenden
kann. Diese Hoffnung und diese
zurück und verkriecht sich wie eine
Gottes, der Gutes für sie will. Ist
Gewissheit können den Blick auf den
Schnecke in ihr Häuschen. Dieser
denn Gott noch der gleiche Gott,
Schmerz verändern. n
andauernde Schmerz ist für einen Menschen kaum zu ertragen. Vereinsamen und verlassen werden möchte aber niemand. Und doch belasten die Außenwirkungen der Verände-
Annika Schuster,
Sarah Eschmann,
rungen die Freunde und Besucher.
Gesundheits- und
Gesundheits- und
Sie meinen, nicht Willkommen zu
Krankenpflegerin,
Krankenpflegerin,
sein und bleiben fern. Dadurch geht
Fachweiterbildung
Fachweiterbildung
wiederum mehr Lebensqualität ver-
„Palliativ Care“,
„Palliativ Care“,
loren, doch der Schmerz bleibt oder
Bobath-Praxisbeglei-
Bobath-Praxisbeglei-
verstärkt sich dadurch. Es ist wichtig,
terin BIKA ®, arbeitet im Albertinen-
terin BIKA ®, arbeitet im Albertinen-
dass Angehörige und Freunde dies
Krankenhaus/Albertinen-Haus
Krankenhaus/Albertinen-Haus
verstehen und sich nicht persönlich
Hamburg
Hamburg
4/2015 CHRISCARE
HAIFA-HEIM Heim für HolocaustÜberlebende LAUBHÜTTENFEST Nationen feiern Gott in Jerusalem ALIJAH Rückführung der Juden nach Israel JESAJA-62 INITIATIVE Gebet für Israel und die Nationen ARISE Jung, frisch, engagiert VORTRAGSDIENSTE Aktuelle Berichte und packende Botschaften WALL-OF-WITNESSES.ORG Internetplattform zur Ehrung Holocaust-Überlebender MARCH OF THE LIVING Marsch der Erinnerung von Auschwitz nach Birkenau GEGEN ANTISEMITISMUS Christliche Freunde Yad Vashems PROJEKT VERSÖHNUNG Hilfe für Araber in der Westbank SOZIALPROJEKTE Hilfe für Bedürftige ICEJ INTERNATIONAL 80 Zweigstellen in über 80 Nationen
ICEJ – Deutscher Zweig e. V. Postfach 31 13 37 . 70473 Stuttgart Telefon 0711 83 88 94 80 info@icej.de . www.icej.de Spendenkonto Evangelische Bank IBAN: DE63 5206 0410 0004 0202 00 BIC: GENODEF1EK1
Fordern Sie die kostenlosen Informationen der ICEJ bei uns an: • Wort aus Jerusalem – das regelmäßige Info-Magazin • ICEJ-Email-Nachrichtendienst
Werden Sie Partner unseres Dienstes in Israel!
31
32
CHRISTEN IM GESUNDHEITSWESEN
Wo treffen Sie Christen, die vom Fach sind? CiG-Medien – Horizonterweiterung und Impulsgeber Übersichtlich und mit kurzen
ChrisCare hinweisen. Alles ist unter
als Anregung, vor Ort den eige-
Inhaltsbeschreibungen haben wir die
www.cig-online.de zu bestellen.
nen Dienst im Sinne einer CHK zu
CiG-Medien in einem ansprechenden
befruchten. 83 Seiten, A5, 4,00 Euro
Flyer zusammengefasst. Überwieund Büchern um Grundlagen einer
Mutmacher für Mitmacher – geistliche Impulse für den Berufsalltag
Patientengottesdienste in Hamburg – Erfahrungsberichte
Christlichen Heilkunde, um gelebte
Diese Broschüre
Die Patientengot-
gend geht es in den Broschüren
Modelle und praxisbezogene Ausprägungen. Das Buch zum Trainings-
will ein Mutmacher sein – für
'%)34,)#(% )-05,3% &µ2 $%. "%25&3!,,4!'
tesdienste werden von Ärzten, Pfle-
erfahrungsberichte
kurs Christliche Heilkunde eignet
Menschen, die
genden, Therapeu-
sich besonders für Gruppentreffen
„mitmachen“ in
ten und Mitarbei-
von Mitarbeitenden aus Gesundheitswesen und Gemeinde.
den vielen Her-
-UTMACHER FÕR -ITMACHER
ausforderungen
In der Reihe „CiG-Denkanstöße“
Patientengottesdienste in Hamburg
tenden anderer Gesundheitsberufe
und Zumutun-
sowie Patienten
gen des Gesund-
aus unterschiedli-
veröffentlichen wir Texte, die als
heitswesens. Für Menschen, die
chen Praxen und Kliniken gestaltet – in
Artikel bei CiG erschienen sind oder
nicht „ihren Job“ erledigen, sondern
Zusammenarbeit mit Pastoren und
als Arbeitsmaterial für Seminare und
selber Mutmacher für andere sein
Mitarbeitenden der jeweils gastgeben-
Vorträge der Akademie Christen im
wollen. Für Menschen, die aus dem
den Gemeinde. Wir möchten kranke
Gesundheitswesen erstellt wurden.
christlichen Glauben Kraft erfahren
Menschen ermutigen, neben den
und mit den Möglichkeiten Gottes im
Möglichkeiten der modernen Medi-
In den Händen halten Sie ChrisCare,
Berufsalltag rechnen. 71 Seiten, A5,
zin auch die Impulse und Hilfen des
das Magazin für Mitarbeitende im
4,00 Euro
christlichen Glaubens in Anspruch zu
Gesundheitswesen. • ChrisCare ermutigt Mitarbeitende im Gesundheitswesen, ihre Berufung
nehmen. Unsere Erfahrungen machen
Modelle einer Christlichen Heilkunde – Praxisbeispiele
neu zu entdecken und zu entfalten. • ChrisCare trägt dazu bei, die Bedeutung des christlichen Glaubens
GEORG SCHIFFNER (HRSG.)
deutlich, dass Patienten von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit
Die ökumeni-
zwischen Kirche und Medizin profitie-
sche Bewegung
ren. 79 Seiten, A5, gegen Spende
Christen im
PRAXISBEISPIELE
für Medizin, Pflege und Therapie zu
Gesundheitswe-
erkennen und in die fachliche Diskus-
sen hat in den
Christliche Heilkunde – Das Buch zum Kurs
letzten Jahren
Der Trainingskurs
mehrere Praxis-
bietet praxisbezo-
modelle einer
gene Lehrinhalte
Christlichen
einer CHK für
sion einzubringen. • ChrisCare, ein konfessionsverbindendes Magazin für alle Berufe des Gesundheitswesens.
Modelle einer Christlichen Heilkunde
1
Darüber hinaus finden Sie Musik-
Heilkunde (CHK) in Zusammenarbeit
Gruppentreffen.
CDs und eine DVD.
von Gesundheitswesen und Kir-
Mitarbeitende
chengemeinden entwickelt. Die hier
aus Gesund-
Nutzen Sie das sehr praxisbezogene
vorgestellten Praxismodelle sind als
heitswesen und
Material für Ihren Bedarf oder zum
Veranschaulichung der veröffentlich-
Verschenken. Besonders möchten
ten Grundgedanken zu einer CHK zu
den erhalten für 8 Abende didak-
wir auf das Geschenk-Abo von
verstehen – und insbesondere auch
tisch hervorragend aufgearbeitetes
Kirchengemein-
CHRISTEN IM GESUNDHEITSWESEN
4/2015 CHRISCARE
33
Die Arbeit von CHRISTEN IM GESUNDHEITSWESEN (CiG) CiG e.V. ist ein bundesweites konfessionsverbindendes Netzwerk von Mitarbeitern unterschiedlicher Berufsgruppen im Gesundheitswesen: Pflegende, Ärzte, Therapeuten, Mitarbeiter aus Management und Verwaltung, Seelsorger, Sozialarbeiter und weitere Berufsgruppen des Gesundheitswesens. Basis der Zusammenarbeit sind die Bibel, das apostolische Glaubensbekenntnis sowie die Achtung des Einzelnen in seiner jeweiligen Konfessionszugehörigkeit. Wir CHRISTEN IM GESUNDHEITSWESEN wollen • einander fördern, christlichen Glauben im Berufsalltag einzubringen, • zur Neubelebung an der Bibel orientierter Werte im Gesundheitswesen beitragen, Material. Das Buch kann über jede
• Patienten und Kollegen die heilende Liebe Jesu Christi erfahrbar machen,
Buchhandlung oder direkt über die
• in Einheit mit Kirchen und Gemeinden den biblischen Auftrag von Diakonie,
Geschäftsstelle bezogen werden.
Caritas und Heilungsdienst in unserem Land wahrnehmen.
Books-on-demand, ISBN 978-3-8423-4947-6.
Die ökumenische Arbeit von CHRISTEN IM GESUNDHEITSWESEN verbindet
Kosten: 6,90 Euro, 52 Seiten, A 4.
seit über 25 Jahren Christen im Umfeld des Gesundheitswesens – inzwischen
Der Versand erfolgt auf Rechnung,
rund 10.000 in regionaler sowie in bundesweiter Vernetzung.
zzgl. Versandkosten. Wichtiges Element sind die CiG-Regionalgruppen, die von Mitarbeitern vor
Christliche Heilkunde – Zugänge
Ort geleitet und verantwortet werden und die sich in unterschiedlichen, z.B.
Die Beiträge
monatlichen Abständen treffen. Beruflicher Austausch, biblischer Impuls und
von 8 Autoren
Gebet sind wiederkehrende Bestandteile der Treffen. Einige Gruppen bieten
aus Theologie,
Regionalveranstaltungen an, zu denen öffentlich eingeladen wird. Kontakt zu
Medizin, Pflege,
den Regionalgruppen vermittelt die Geschäftsstelle.
Psychologie, Diakonie und
Die Veranstaltungen der Akademie werden dezentral meist in Zusammenarbeit
Weltkirche zeigen
mit den CiG-Regionalgruppen angeboten: Seminare zu berufsspezifischen The-
Grundlagen,
men aus christlicher Sicht, Fachgruppentreffen wie auch Angebote für Kranke
wie Christliche
und Angehörige. Wenn Sie in Ihrer Region ein Seminar initiieren wollen, neh-
Heilkunde entfaltet werden kann.
men Sie gern mit uns Kontakt auf. Weitere Infos: www.cig-online.de.
Das Buch kann über jede Buchhandlung oder direkt über die Geschäfts-
Die bundesweit ausgerichtete Arbeit von Christen im Gesundheitswesen wird
stelle bezogen werden. Verlag Frank
von rund 20 Mitarbeitern aus unterschiedlichen Gesundheitsberufen im Bundes-
Fornaçon, ISBN 978-3-940232-06-9.
weiten Leitungskreis verantwortet und geleitet.
Kosten: 6,90 Euro, 108 Seiten, A5). In der Geschäftsstelle in Aumühle bei Hamburg wird die Arbeit koordiniert.
Denkanstöße
Hauptamtliche, geringfügig Beschäftigte und rund 130 Ehrenamtliche sorgen Nr.1: Plädoyer für
für die Umsetzung von Projekten und unterstützen die Arbeit des Bundes-
eine Christliche
weiten Leitungskreises.
Heilkunde. 12 Thesen zur Christ-
Die Arbeit von CiG finanziert sich wesentlich aus Spenden. Ein Kreis von z.Zt.
lichen Heilkunde
500 Förderern bildet hierfür die Grundlage, indem sie den gemeinnützigen Ver-
Nr. 2: Skizzen
ein jeweils mit einem Mindestbeitrag von 10 € im Monat finanziell unterstützen.
zu Krankheit – Gesundheit –
Förderer können an den Fortbildungsseminaren der CiG-Akademie für den
Heilung. Gesund-
ermäßigten Beitrag teilnehmen und erhalten das ChrisCare-Abo kostenfrei. Wir
heitsfördernder Lebensstil
laden Sie herzlich ein, dem Förderkreis beizutreten! n
Nr. 3: Krankheit – was geht in uns vor? Wenn Gefühle laut werden. Ent-
CHRISTEN IM GESUNDHEITSWESEN e.V.
spannung und Wahrnehmung
Bergstraße 25, D-21521 Aumühle
Nr. 4: Biblischer Heilungsdienst aus
Tel.: (+49) (0) 4104 917 09 30, Fax: (+49) (0) 4104 917 09 39
ärztlicher Sicht. Hilfen zur Patienten-
Email: info@cig-online.de, Internet: www.cig-online.de
34
CHRISTEN IM GESUNDHEITSWESEN + LITERATUR
Selbststeuerung
begleitung. Das evangelistische Patientengespräch. Nr. 5: Alternative Heilverfahren aus christlicher Sicht Nr. 6: Reise in ein fremdes Land – als Christen Demenzkranke begleiten. Pflege und Seelsorge – zwei Seiten einer Medaille
DVD: Reportage über ökumenische Patientengottesdienste Für kranke Menschen können neben moderner Medizin auch die Impulse des christlichen Glaubens heilsam sein. Durch eine Initiative von Mitarbeitenden aus Gesundheitswesen und Kirchengemeinden gibt es seit 2008 ökumenische Patientengottesdienste in Hamburg. Der Film erläutert Hintergründe, bietet Einblicke in die Praxis und regt zur eigenen Umsetzung vor Ort an. Eine bewegende Reportage – sehenswert sowohl persönlich wie in Gruppen zur Diskussion. Langversion 26 Min., Kurzversion 9 Min., Zugriff über www.cig-online.de. Eine DVD kann gegen eine Spende bestellt werden.
Musik-CDs Soaking-music / Heribert Elfgen, Physio- und Musiktherapeut, Aachen. Diese Musik-CDs sind dazu geeignet, zur Ruhe zu kommen, zu entspannen oder während persönlicher Meditationszeiten zu nutzen. Nähere Infos, Hörbeispiele und Bestellmöglichkeiten unter www.praxis-elfgen.de n
Günther Gundlach, Geschäftsführer Christen im Gesundheitswesen
Dieses 2015 herausgekommene Buch des Freiburger Psychiaters und Neuropsychologen ist bereits in der dritten Auflage erschienen. Das ist, wie das Buch selbst, ein Zeichen der Hoffnung dafür, dass es heute tatsächlich so etwas wie eine starke Gegenströmung zum Mainstream des Pseudovernünftigen gibt, der es für vernünftig hält, an die Unvernunft zu glauben. Sehr ausgewogen, sorgfältig, erfreulich sachlich und dennoch leidenschaftlich engagiert begründet Bauer aus den Forschungsbefunden der Neuropsychologie, zu deren Koryphäen er gehört, dass und wie die Inthronisation der Unvernunft, insbesondere durch einige Protagonisten seines neurobiologischen Kollegenkreises, keineswegs für sich in Anspruch nehmen kann, als Norm der gegenwärtigen Kognitionspsychologie zu gelten. Die Funktionen des Präfrontalen Kortex, um die es in diesem Buch vor allem geht, sind bei einem gesunden Menschen nicht, wie das etwa die Neurobiologen Roth und Singer behaupten, untergeordnete Ergänzungen der darunter liegenden Gehirnareale, es findet auch nicht nur eine intensive Wechselwirkung zwischen beiden Gehirnregionen statt, sondern sie sind das maßgebliche Steuerungszentrum der menschlichen Bedürfnisregulation durch den neuronal dort zu lokalisierenden freien Willen. Frei ist der Wille in dem Maß, wie der Mensch im Stande ist, freiwillig und verantwortlich für die Erfüllung seiner echten Bedürfnisse zu sorgen; mithin ist Selbststeuerung identisch mit verantwortlicher Selbstfürsorge. Defizite in der präfrontalen Selbststeuerung bewirken eine übermäßige Dominanz der Gehirnteile, die sich auch in Tieren finden, die gänzlich triebgesteuert leben. Im menschlichen Verhalten zeigt sich dieses Animalische im Postulat der unverzögerten Lustbefriedigung bei niedriger Frustrationstoleranz, das von den dazu passenden Industrien mächtig gefördert wird und verheerende Gesundheitsschäden nach sich zieht: Bauer deckt sie schonungslos auf. Besonders schwerwiegend ist dabei der Befund, dass der Präfrontale Kortex von Kindern und Jugendlichen noch nicht ausgereift ist und ihnen darum eine naturgegebene Disposition innewohnt, sich von kurzfristigen Lusterfahrungen dominieren zu lassen. Mit Nachdruck betont Bauer in diesem Zusammenhang die Verantwortung der Pädagogik, denn die Ausbildung der präfrontalen Fähigkeiten benötigt das anregende, herausfordernde,
LITERATUR
4/2015 CHRISCARE
35
Für Sie gelesen Heilkunst ermutigende und Modell gebende erzieherische Gegenüber in einem warmen Klima persönlicher Zuwendung und Akzeptanz. Die Funktionen des Präfrontalen Kortex lassen sich durch beständiges Üben trainieren, aber das brauchen sie auch: Wenn es nicht geschieht, verkümmern sie, auf Kosten der Menschlichkeit. Von besonderem Interesse für ChrisCare-Leser ist das Kapitel über Selbsteuerung als Kriterium guter Medizin. Weil Selbststeuerung nachweislich „massive biologische Effekte“ erzielt, sei es fatal, wenn die medizinische Behandlung auf die Stärkung des Selbstvertrauens der Patienten nicht sehr großes Gewicht lege. Das werde vielfach sträflich vernlässigt, weil die Medizin den Menschen immer noch als eine biologische Maschine betrachte, die man ohne persönliche Zuwendung reparieren kann, wenn sie defekt ist. Viele kranke Menschen spüren aber, „dass sie ohne Mut, Hoffnung und Selbstvertrauen nicht gesund werden können“ und wenden sich darum enttäuscht von den Ärzten ab. „Die Medizin leistet dann gute Arbeit, wenn sie nicht nur analysiert, wo die biologische Substanz Schaden genommen hat, sondern auch wenn sie – ohne Bevormundung – an die Seite des Patienten tritt und seine Selbststeuerungspotenziale stärkt.“ Sehr viel Heilungspotenzial werde aber vergeudet, „weil Pflegekräfte und Ärzte sich keine Zeit nehmen – oder sich die Zeit aufgrund der ihnen zugemuteten Arbeitsbedingungen gar nicht nehmen können.“ Darum treten sie auch nicht in den notwendigen Dialog mit dem „inneren Arzt“ der Patienten ein. Man zieht die Therapien „an ihm vorbei“ durch. Die Schulmedizin büße dadurch immer mehr an Vertrauen ein.
Mit diesem Buch führt der renommierte Kardiologe und Friedensnobelpreisträger Bernhard Lown sein Anliegen für eine menschlichere Medizin fort, welches bereits seinen Bestseller „Die verlorene Kunst des Heilens – Anstiftung zum Umdenken“ prägte. Mit einer Fülle von Erfahrungsbeispielen liest sich das Buch außerordentlich praxisbezogen. Auch wenn die Beispiele vielfach aus der Zeit von vor mehreren Jahrzehnten stammen, ist die Thematik fesselnd aktuell. Mit scharfen Worten geißelt Lown die Dominanz eines einseitigen Wissenschaftsverständnisses in der Medizin und der ökonomischen Interessen einer Gesundheitsindustrie. Dagegen betont er die „Dringlichkeit einer medizinischen Renaissance“, in der wieder die Kunst der Kommunikation und des Berührens von zentraler Bedeutung sei. „Worte sind das mächtigste Hilfsmittel, das ein Arzt besitzt.“ Das Gespräch und die sorgfältige körperliche Untersuchung des Patienten seien entscheidend für die unerlässliche Vertrauensbeziehung zwischen Patient und Arzt. „Je mehr Zeit vom Arzt zu Beginn einer Visite investiert wird, desto kostensparender ist die Begegnung und umso zufriedener der Patient.“
Joachim Bauers „Selbststeuerung“ ist ein wichtiges, aufrüttelndes und zugleich ermutigendes Votum aus berufenem Munde. Hans-Arved Willberg
Das Buch ist z.T. im Dialog mit Lowns Enkelin Melanie geschrieben, was für das umfangreich geratene Werk die Lesbarkeit erleichtert. Im Gesundheitswesen engagierte Christen können zwar die explizite Erwähnung der spirituellen Dimension als bedeutsamen Faktor in der Patientenbeziehung vermissen. Jedoch ermutigt das Buch zu einem engagierten Einsatz im Sinne einer „hörenden und sprechenden Medizin“, in der sich auch Raum für spirituelle Anamnese und Angebote christlicher Spiritualität finden lässt. Dr. med. Georg Schiffner
Bauer, Joachim, Selbststeuerung: Die Wiederentdeckung des freien Willens, 3. Aufl. (Blessing: München, 2015), ISBN 978-3896675392, gebunden, 240 S., € (D) 19,90, SFr. 29.90
Bernhard Lown, Heilkunst – Mut zur Menschlichkeit, Schattauer-Verlag 2015, ISBN: 978-3794531257, gebunden, 307 S., € (D) 24,99, SFr. 52.00
36
NACHRICHTEN
Sozialverhalten Nachrichten
Zuviel Moral?
um die größte Studie zum Thema
bis 10), jedoch ist sie vergleichbar mit
weltweit“, sagt Arndt Büssing, Profes-
der von Menschen in anderen aka-
sor für Lebensqualität, Spiritualität
demischen Berufen. Wesentlich zur
und Coping an der Universität Witten/
Lebenszufriedenheit tragen bei: die
Herdecke. Gemeinsam mit Forschern
Zufriedenheit und die Identifikation
aus München, Freiburg im Breis-
mit der Tätigkeit, die Zufriedenheit mit
gau und Osnabrück wurden 8.600
der Partnerschaft (bei den Laien) bzw.
katholische Seelsorgende (Priester,
mit der zölibatären Lebensform (bei
Diakone, Pastoral- und Gemeindere-
den Priestern), ein unterstützendes
Kingston/Toronto: Die aktive Teil-
ferenten) zu Themen wie Lebens- und
soziales Umfeld, gute Gesundheit und
nahme von Jugendlichen in religiösen
Arbeitszufriedenheit, Gesundheits-
positive spirituelle Erfahrungen. Die
Gruppen wirkt sich auf deren Gesund-
belastungen, sozialen Beziehungen
Lebenszufriedenheit hängt - wie auch
heit aus. In einer kanadischen Studie,
und ihrer persönlichen Spiritualität
in der Allgemeinbevölkerung - mit
die im Journal for Religious Health
befragt. „Wichtigste, die geistliche
dem Alter zusammen. Die Ältesten
veröffentlicht wurde, berichteten Kin-
Trockenheit verstärkende Faktoren
sind am zufriedensten, die mittleren
der, die zu religiösen Gruppen gehör-
waren die mangelnde Wahrnehmung
Altersgruppen am wenigsten zufrie-
ten, von weniger riskantem Verhalten,
des Transzendenten im täglichen
den, die jungen Seelsorgenden liegen
einem stärkeren Sozialverhalten, aber
Leben, ein geringes Kohärenzgefühl
in der Mitte. Mehr als die Hälfte der
auch von geringerem seelischen Wohl-
(im Sinne eines Vertrauens, dass die
Zufriedenheit mit der Tätigkeit hängt
befinden und physischer Gesundheit.
Lebensereignisse vorhersehbar und
dabei von Anerkennung und Wert-
Dies resultiere nach Michaelson et al.
erklärbar, mit den eigenen Ressourcen
schätzung, der Qualität des Vorgesetz-
daraus, dass in religiösen Kindergrup-
bewältigbar und der Anstrengung loh-
ten, der Autonomie bei der Arbeit,
pen größeres Gewicht auf Verhaltens-
nend sind) sowie depressive Symp-
einem visionären Team und dem
regeln und Moral gelegt werde, als
tome und emotionale Erschöpfung“,
Organisationsklima ab. Mehr unter:
auf eine ganzheitliche theologische
erläutert Prof. Dr. Arndt Büssing die
www.seelsorgestudie.com n
Prägung. Mehr: J Relig Health (2015)
Studienergebnisse. „Hinzu kommen
54:1118-1133. n
die Unfähigkeit, alleine zu sein, Ängst-
Religion beeinflusst Sozialverhalten
Studie
Seelsorger erfahren spirituelle Krisen
lichkeit sowie geringe persönliche Leistungsfähigkeit im Sinne eines Burnouts. Das Vorhandensein sozialer
Vergleich
Bessere Betreuung im Hospiz
Netzwerke, die Persönlichkeitsstruktur oder die Selbstwirksamkeitserwartung hatten dabei keinen signifikanten schützenden Einfluss gegen spirituelle Krisen. Es handelt sich also vornehmlich um ‚innere Faktoren‘, die derartige
Hospiz-Klima: Näher am Patienten
Krisen von Seelsorgern entweder Nicht immun gegen Zweifel und Burnout
mit bedingen oder sie verstärken,
Gießen: Nach der umfassenden
weniger um äußere Faktoren.“ Wenn
Ermittlung der konkreten psycho-sozi-
diese Krise besteht, hat das natürlich
alen und medizinisch-pflegerischen
Witten: Was, wenn Seelsorger selber
Auswirkungen auf die Lebenszufrie-
Bedingungen der Sterbebetreuung
in eine spirituelle Krise geraten? Fast
denheit der Seelsorgenden. Wohinge-
in deutschen Krankenhäusern (237
die Hälfte der Priester in Deutschland
gen eine höhere Lebenszufriedenheit
Einrichtungen) und stationären Pfle-
durchlebt gelegentlich Phasen „geist-
erreicht wird, wenn Faktoren wie
geeinrichtungen (599 Einrichtungen)
licher Trockenheit“, bei zwölf Prozent
Ehrfurcht und Dankbarkeit sowie die
wurde im Rahmen der „Gießener
tritt dieses Phänomen regelmäßig auf.
Wahrnehmung des Transzendenten im
Sterbestudien“ zwischen 2014 und
Das tatsächliche Gefühl, dass Gott
alltäglichen Leben von den Seelsor-
2015 auch die Versorgung in bun-
ihnen fern ist, erleben allerdings nur
genden erlebt werden. Insgesamt
desdeutschen Hospizen untersucht.
vier Prozent regelmäßig. Dies sind
liegt die Lebenszufriedenheit der in
Die Ergebnisse sind eindeutig und
Ergebnisse einer Studie zur Lage der
der Seelsorge Tätigen höher als in
sprechen insbesondere im Vergleich
Seelsorge in Deutschland. „Unseres
der Durchschnittsbevölkerung (7,6
zu den Krankenhäusern und Pflege-
Wissens nach handelt es sich damit
gegenüber 7,0 auf einer Skala von 0
heimen für die gegenwärtig erreichte
Der neue Hahne Versorgungsqualität in den Hospizen.
weniger unter einem Jobverlust als
Es konnte allerdings auch aufgezeigt
andere. Außerdem gewöhnen sie
werden, wie unzureichend sich die
sich schneller an ein Leben ohne
Befragten durch ihre berufliche Vorbe-
Arbeit. Das belegt eine Studie, die
reitung auf die Betreuung Sterbender
kürzlich Wissenschaftler der Univer-
vorbereitet sehen. Rund 88% der
sitäten Jena und Amsterdam auf der
Befragten in stationären Hospizen
Basis von Daten der Längsschnitter-
geben an, sich immer beziehungs-
hebung Sozio-oekonomisches Panel
weise oft Zeit für die Betreuung
(SOEP) erstellt haben. „Wer einmal
Sterbender nehmen zu können.
pro Woche eine Kirche, Moschee
Annähernd ebenso groß ist der Anteil
oder Synagoge besucht, ist nach
derer, die mitteilen, dass hinreichend
drei Jahren Arbeitslosigkeit nahezu
qualifizierte Pflegekräfte zur Verfü-
genauso zufrieden mit seinem
gung stehen (85%). Dass Ärzte und
Leben wie zuvor“, sagt der Jenaer
Seelsorger immer oder fast immer
Psychologe Clemens Lechner, einer
zur Verfügung stünden, geben 73%
der Autoren. Weniger religiöse
bzw. 74% der Befragten an. 95% schil-
Menschen leiden hingegen deutlich
dern gute oder sehr gute räumliche
unter einer Arbeitslosigkeitserfah-
Voraussetzungen für ihre Arbeit. Dass
rung. Die Studie wurde kürzlich im
Patienten nie bzw. selten alleine ver-
Journal for the Scientific Study of
sterben, erklären 52% der Befragten.
Religion veröffentlicht. Wie mehrere
Die berufliche Vorbereitung bewerten
frühere Studien gezeigt haben, zählt
hingegen lediglich 12% als gut oder
ein Jobverlust zu den Lebensereig-
sehr gut, demgegenüber stehen
nissen, die die Zufriedenheit der
50% der Befragten, die diese als
Menschen am stärksten beeinträchti-
mangelhaft beschreiben. 88% haben
gen. Die Berechnungen der Wissen-
sich nachträglich für die Betreuung
schaftler belegen für das erste Jahr
von Sterbenden weitergebildet. Ein
nach dem Jobverlust: Je häufiger
außerordentlich hoher Anteil von 96%
Menschen ohne Arbeit an religiösen
sieht im Umgang mit dem Verstorbe-
Veranstaltungen teilnehmen, desto
nen dessen Menschenwürde beach-
weniger ist ihre Lebenszufriedenheit
tet. Gezeigt werden konnte überdies,
durch den Jobverlust beeinträch-
dass Hospize in freigemeinnütziger
tigt. Bei den Befragten, die einmal
Trägerschaft in zahlreichen Teilaspek-
wöchentlich einen Gottesdienst
ten über die besseren Bedingungen
besuchten, ging die gemessene
verfügen. Mehr unter:
Lebenszufriedenheit weniger als
www.transmit.de n
halb so stark zurück wie bei denje-
Arbeitslosigkeit
Gottesdienstbesuch schützt vor Frust
nigen, die nie einen Gottesdienst besuchen. Warum sind Besucher von Gottesdiensten besser gewappnet? „Arbeitslose finden in religiösen Gemeinschaften Unterstützung in ihrer schwierigen Lebenssituation“, vermutet Lechner. Darüber hinaus sei der Glaube eine Quelle von Trost und Zuversicht. Denn nach Auffas-
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Auch angesichts der Flüchtlingsströme: Top-aktuell, Klartext über Gott und die Welt, eine Streitschrift gegen Resignation und für eine Gesellschaft mit christlichen Wurzeln. Ehrenamtliche als Vorbilder. So aktuell ist die Bibel: konsequent und kompromisslos, Kraftquelle für den praktischen Alltag. Das heimliche Thema: Gehört das Christentum noch zu Deutschland? Kapitel um Kapitel mit heißem Herzen geschrieben.
sung vieler Gläubigen sind vor Gott alle Menschen gleich – unabhängig davon, ob sie wirtschaftlich erfolg-
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Jobverlust beeinträchtigt Zufriedenheit
reich sind oder nicht. Berlin: Menschen, die regelmäßig
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einen Gottesdienst besuchen, leiden
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Spiritual Care
Neuer Professor
50-Prozent-Pensum ausgestaltet, ebenfalls vorgesehen ist eine
Nachempfinden
Schmerz fördert Empathie
Assistenzstelle. Der Lehrauftrag umfasst ein Wahlpflichtmodul im Rahmen des Mantelstudiums an der Medizinischen Fakultät sowie die Mitwirkung an der Lehre der Dr. Simon Peng-Keller
Theologischen Fakultät. Dr. Simon
Der leidende Christus hat Mitleid
Peng-Keller (46) habilitierte an der Zürich: Der Universitätsrat der
Universität Freiburg/Schweiz und
Teamwork: Wien, Stockholm, Triest:
Universität Zürich hat Dr. Simon
wirkte als Dozent an mehreren
„Die Fähigkeit, den Schmerz anderer
Peng-Keller zum Professor für
Hochschulen. Zudem war er als
nachzuempfinden, baut auf jenen
Spiritual Care ernannt. Mit der neu
Klinik- und Altenheimseelsorger
neurobiologischen Prozessen auf, die
geschaffenen Professur, die von
tätig. Er verfügt über eine fundierte
die Grundlage für die Empfindung von
den Landeskirchen für sechs Jahre
Erfahrung in der interdisziplinären
selbst erlebtem Schmerz sind.“ Das
finanziert wird, will die Universität
Forschung an der Schnittstelle von
ermittelte eine Forschergruppe aus
Zürich die Forschung und Lehre
Theologie und Medizin. Die neue
Wien, Triest und Stockholm. Sie konn-
auf dem Gebiet der Spiritual Care
Professur vermittelt angehenden
ten nachweisen, dass die Reduktion
vorantreiben. Schwerpunkte bilden
Ärztinnen und Ärzten sowie Theo-
von selbst erlebtem Schmerz auch eine
dabei die Palliativmedizin und die
logiestudierenden den Umgang
Reduktion von Empathie für Schmerz
Seelsorge. Die Professur ist an der
mit religiösen und spirituellen
bewirkt. Die Forscher vermuten, dass
Theologischen Fakultät angesiedelt
Bedürfnissen schwer- und chronisch
dieser Effekt durch körpereigene Opiate
und vorerst auf sechs Jahre befris-
kranker Menschen. Außerdem soll
beeinflusst wird. DOI: http://www.pnas.
tet. Die Professur wird in einem
die entsprechende Forschung. n
org/cgi/doi/10.1073/pnas.1511269112 n Anzeige
Albertinen-Krankenhaus Albertinen-Haus
Zentrum für Geriatrie und Gerontologie
Evangelisches Amalie Sieveking-Krankenhaus
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Diakonie-Hospiz Volksdorf
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und Gefäßzentrum, in der Tumormedizin, der Orthopädie, der bundesweit anerkannten Altersmedizin, der Psychiatrie/Psychotherapie und der Geburtshilfe;
• für innovative Pflege in unseren Kliniken, den Senioreneinrichtungen, der ambulanten Pflege und dem Diakonie-Hospiz Volksdorf;
• für den diakonischen Auftrag, der die Zuwendung zum Menschen in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellt.
Sie wollen für Menschen da sein und suchen einen attraktiven Arbeitsplatz? Dann helfen Sie mit, die uns anvertrauten Patienten und Bewohner jeden Tag so zu behandeln, wie wir selbst behandelt werden wollen.
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Bestellungen an: D + A: ChrisCare-Aboservice, Bergstraße 25, D 21521 Aumühle, Telefon: (+49) (0) 4104 917 09 30, Fax: (+49) (0) 4104 917 09 39, info@cig-online.de, www.cig-online.de CH: SCM Bundes-Verlag (Schweiz), Rämismatte 11, Postfach 128, CH-3232 Ins, Tel.: (+41) (0) 43 288 80 10, Fax: (+41) (0) 43 288 80 11, abo@scm-bundes-verlag.ch, www.scm-bundes-verlag.ch
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4/2010 Heilen in einer multikulturellen Gesellschaft 1/2011 Besser miteinander 2/2011 Krisen bewältigen 3/2011 Am Lebensende 4/2011 Kraftquellen erschließen 1/2012 Spiritualität im Alltag 2/2012 Berufung – Karriere und das liebe Geld 3/2012 Existentiell herausgefordert 4/2012 Heilige Momente 1/2013 Die Kraft innerer Bilder 2/2013 Nähe und Distanz 3/2013 Der Seele Gutes tun 4/2013 An der Grenze 1/2014 Beruf und Lebensformen 2/2014 Leidenschaft im Dienst 3/2014 Der mündige Patient 4/2014 Aggression – was tun?
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1/2015 Humor & Lebensglück 2/2015 Armut und Gesundheit 3/2015 Kulturelle Vielfalt
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HUMOR
Hier rät Dr. Rottweil! Die etwas andere Rubrik Liebe Patienten, wenn Sie recht zeitig zu einem Arzttermin kommen, dann sind Sie auf jeden Fall rechtzeitig da. Umgekehrt stimmt das nicht. Ganz anders verhält es sich bei einer Blinddarmentzündung. Treten die Bauchschmerzen recht zeitig auf, so kann der Arzt die Diagnose noch nicht sichern und lässt Sie fälschlicherweise wieder laufen. Bei rechtzeitigen Schmerzen kann das nicht passieren. Hilfreich zur Diagnostik ist auch, wenn die Schmerzen nicht nur rechtzeitig, sondern außerdem rechtsseitig auftreten. Rechtzeitige rechtsseitige Bauchschmerzen sind so ziemlich das Optimum. Besser sind nur noch überhaupt keine Schmerzen, egal wann und wo.
Was ist hier jetzt wohl zu tun? Ihr Kind mehr Schmerzen hat als zuvor. Dann geben Sie das Mittel! Ein Irrtum ist ausgeschlossen, denn „mäßig stark“ ist ein dehnbarer Begriff. Also, nur Mut! Genauso subjektiv wie die Schmerzqualität sind Beipackzettel für Einreibemittel. Wenn da steht, man solle ein „nussgroßes“ Stück auftragen, welche Nuss ist gemeint?
Frau X aus U klagte mir ihr Leid: Mit meinem hochfiebern-
Die Pharmaindustrie hat beschlossen, dass ab jetzt die
den Kind ging ich nach durchwachter Nacht zum Kinderarzt;
gedachte Nuss benannt werden muss. Zur Auswahl stehen
der fragte mich, warum ich denn kein PARACETAMOL
Haselnuss, Walnuss, Kokosnuss. Erdnuss kommt nicht in
verabreicht hätte. Ich wusste aber Bescheid und sagte ihm,
Frage, das Mittel ist kaum in diese Form zu bringen. Bei
das durfte ich nicht, denn auf der Packung steht „bei Fieber
Benennung der Nussgröße soll die Angabe, ob mit oder
und Schmerzen“, und mein Kind hatte keine Schmerzen.
ohne Schale, verzichtbar sein.
Darauf fragte er mich, ob ich zu einer bildungsfernen Schicht gehöre. Da kam er bei mir an die Richtige, ich schrie: „Blei-
„Habe nun ach…“ – so beginnt der Text in Goethes Faust.
ben Sie mir bloß mit Ihrer Bildung fern, jetzt ist Schicht im
„Habe nun acht…“ – so beschließt Rottweils Hand ihren
Schacht und ich mach‘ mich fern von Ihnen!“ Der Neue ver-
Text. Aber ich will ja nicht Goethe mit mir vergleichen.
schrieb mir prompt eine Sorte PARACETAMOL mit der Auf-
Wie’s bei ihm weitergeht, ist bekannt, und bei mir?
schrift „bei leichten bis mäßig starken Schmerzen und / oder Fieber“. Na also, geht doch! Hoffentlich schimpft er dann
„Habe nun acht
nicht, wenn ich das Mittel bei saumäßig starken Schmerzen
mal ‚Hier rät‘ gebracht.
nicht gebe. Man weiß ja nie, was dann passieren könnte...
Da steh‘ ich nun im Ausgangstor
Lieber Herr Dr. Rottweil, stehen Sie mir mit Verständnis bei?
und bin so klug! Als wie zuvor.“
– Meine Antwort: Vollkommen, und auch mit Rat, denn so bin ich nun mal. Sie werden die Situation meistern! Denn
Dem ist nichts hinzuzufügen, denn alle Neune gibt es nur
Schmerzen beginnen leicht und verstärken sich dann erst
beim Kegeln oder bei Beethovens Sinfonien. Und ich will
mal mäßig. Ihrem geübten Blick wird nicht entgehen, wann
mich doch nicht mit Beethoven vergleichen!
Nun, wen das Ende mit Schmerz
weil ist eine Kuriosität auf seinem
erfüllt, der lese alles zu dem Thema
Gebiet.“ Meinetwegen, solang man
in dieser Ausgabe.
nicht niederkniet. Jedenfalls habe ich jetzt alle Zeit der Welt, nach Behand-
Kürzlich titelte die ZEIT (oder war
lung sämtlicher Fragen hiermit
es die WELT?): „ROTTWEIL BRINGT
tschüss zu sagen, auf Ihr Wohl zu
KURZWEIL“ und führte aus: „Dr. Rott-
trinken und Ihnen zuzuwinken. n
bst Ihr Allerlie elzen . aus U Dr. G.R
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4/2015 CHRISCARE
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FORSCHUNGSWELTEN 2016
03.-04. MÄRZ 2016
KATHOLISCHE STIFTUNGSFACHHOCHSCHULE MÜNCHEN
Themen 2016: Gegenstandsangemessenheit von Datenerhebungsmethoden Kombination von Methoden/Methodologien Das Spannungsfeld von Erfahrungswissen und wissenschaftlichem Wissen Methodeninnovation und Weiterentwicklungen in Diagnostik und Klassifikation Forschung – ganz praktisch: Erkenntnisgewinn und Fortschritt
Zielgruppen: Der Kongress richtet sich an alle Personen aus dem Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich, Wissenschaftler/-innen, Hochschullehrer/-innen; Studierende; Lehrende und Leitungskräfte aus allen Gesundheits- und Sozialberufen (z. B. Pflege, soziale Arbeit, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Hebammen- und Rettungswesen), Mediziner/-innen und Medizinstudierende sowie Pflegepersonen der Praxis, Pflegende als Pflegeexperten und APN/ANP.
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RUBRIK
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