Schreiber vs. Schneider. Paarcours d'amour. LESEPROBE

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»War ein schöner Tag.«

Eingespannt

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SIE  Vielleicht merkt man erst beim Insbettgehen, dass die Zeit nicht schläft. Ich blicke auf mein Nachtkästchen, es quillt über. Je älter ich werde, umso mehr Material benötige ich für meinen Schlaf. Ich gönne mir mein übliches Prozedere: Füsse eincremen, Salzwassernasenspray in Griffweite, Oropax bereitlegen und neuerdings auch noch etwas, das ich wirklich lieber nicht gewollt hätte: eine Zahnspange. Durchsichtig, zum Glück. Ich habe nachts einfach zu viel Biss. Und damit meine Zähne nicht von mir selbst wegrationalisiert werden, schone ich sie mit dieser Spange. War die Idee meines Zahnarztes. Eine Investition. Durchsichtige Hightech-Teile, die ich über mein Gebiss klicke. Unsicht-, aber spürbar. Ich lisple und denke an Martina Hingis, die mit Gebissdrähten Grand Slams gewann. Schneider habe ich davon erzählt, aber es hat ihn nicht sonderlich interessiert. Nun liegen wir im Bett und lesen, bevor der Tag gute Nacht sagt. Da beugt sich Schneider zu mir herüber, raunt: »Schlaf gut, Liebste, war ein schöner Tag«, und will mich küssen. Was grundsätzlich schön ist, bloss grad suboptimal. Denn mit der Spange kann ich weder reden noch Tennis spielen und schon gar nicht küssen.


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