Schreiber vs. Schneider. Paarcours d'amour. LESEPROBE

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»Für deine Serviette.«

(F)leckereien

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SIE  Essen muss nicht bloss schmecken, Essen soll auch gut aussehen. Und der, der isst, der sollte das ebenfalls. Also gut aussehen. Schneider ist grundsätzlich ein Geniesser und hat mich schon am Anfang unserer langen Liebe in wundervolle Restaurants ausgeführt. Ich schätzte es, wie bedacht und langsam er ass, wie er Fische behutsam filetierte, Salat nicht klein schnitt, sondern zerbrach und Spaghetti nur mit der Gabel aufdrehte. Ein Könner. Ein Schlemmer. Ein Gourmet. Einzig eine Hürde gab und gibt es immer noch: Der Weg vom Teller zum Mund ist weit, und genau dort passiert es – er kleckert. Kaum ein Hemd, ein Pullover, ein T-Shirt, auf dem seine Gaumen­freuden keine eindeutige Spur hinterlassen haben. »Du musst aufpassen«, sage ich jeweils vor dem Essen. Nützt leider nichts. Ich erinnere mich, vor vielen Jahren mit einigen Managern zu Abend gegessen zu haben, als einer dieser steifen Anzugmenschen ein kleines Etui aus seiner Jacke zückte und eine Silber­kette samt zwei Klammern herauszog. Die Kette hängte er sich um den Hals, befestigte die Stoffserviette dran und löffelte das Kürbissüppchen, als wäre nichts dabei. Damals fand ich das sehr albern, ein Mann mit Lätzchen. Jetzt finde ich, es hat durchaus Stil.


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