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KUBA - AUSVERKAUF DER REVOLUTION?

Seit Fidel Castro und Che Guevara 1959 mit ihrer "olivgrünen" Revolution das Batista-Militärregime vertreiben konnten, ist das Wort "Revolución" auf dem karibischen Inselstaat nahezu allgegenwärtig. Es steht auf großen Plakatwänden, handgemalt auf Mauern und Häusern, auf Fahnen, Mützen oder sonstigen Textilien. Aber wie viel revolutionären Geist findet man auf Kuba heute noch? Und was kann man vor Ort über die kubanische Drogenpolitik herausfinden?

So ziemlich alle Kuba-Besucher sind sich einig, dass man sich auf der Insel keine Sorgen um seine Sicherheit machen muss. Auch wir haben uns nirgendwo auf Kuba auch nur ansatzweise unsicher gefühlt. Außer vielleicht, wenn man in einem Oldtimer ohne Sicherheitsgurte mit 100 km/h auf der löchrigen Autobahn unterwegs ist, die auch von Pferdegespannen und Fahrrädern (wo immer diese es wollen) überquert wird. Ansonsten ist Kuba aber im Verhältnis zu anderen lateinamerikanischen Ländern super sicher und ist - wenn überhaupt - an öffentlichen Plätzen nur ganz unaufdringliche Anfragen (Taxi? Restaurant? Zigarren?) ausgesetzt. Kuba ist also kein unsicherer Schurkenstaat, sondern ein schönes, noch recht ursprüngliches und verhältnismäßig sicheres Reiseland.

Leider kein Vorurteil ist dagegen die strenge Drogenpolitik Kubas - wer hier mit kleinsten Mengen illegaler Substanzen erwischt wird, muss theoretisch mit Gefängnisstrafen zwischen 4 und 10 Jahren rechnen. Allerdings werden Touristen in der Regel eher von der Polizei beschützt und hofiert, als kontrolliert. Wenn man also (wie wir) seine Joints als selbst gedrehte Kippen tarnt und diese nur umsichtig abfackelt, dann sollte man keine Probleme kriegen. Und für ein Land mit einer so strengen Drogengesetzgebung laufen dann doch erstaunlich viele Einheimische mit dem unverwechselbaren Hanfblatt auf ihren Textilien (Stirnbänder, T-Shirts etc.) herum. Straßendealer findet man auf Kuba aber nicht - ob und wieviel Cannabis auf Kuba angebaut und geraucht wird, lässt sich nur schwer sagen, weil es dazu keine offiziellen Information gibt.

Das Einzige, was wir in Sachen Drogenpolitik auf Kuba (in einem Touri-Buchladen) fanden, war das Büchlein "Drugs & LiesTwo Agressions against Cuba". Da wir an der offiziellen kubanischen Sichtweise auf Drogen durchaus interessiert waren, erwarben wir das gut 100 Seiten umfassende Büchlein, erfuhren darin aber nichts Neues über Cannabis auf Kuba, da sich die konkreten Beispiele und Kapitel alle nur um Kokain oder Heroin drehten. Dass die CIA schon oft in illegale Drogengeschäfte verwickelt war bzw. ist und diese im Sinne ihrer Operationsziele betreibt, war für uns auch nichts Neues. Wie das Büchlein jedoch bestätigte, wird auf Kuba kein Unterschied zwischen Cannabis und anderen illegalen Drogen gemacht - Tabak und Alkohol (Zigarren und Rum) gelten dagegen gar nicht erst als "Drogen" und sind daher überall auf der Karibikinsel für wenig Geld zu haben.

Cannabis stellt - dem Büchlein zufolgefür die kubanischen Behörden vor allem eine gefährliche Einstiegsdroge dar, wie der folgende "Erfahrungsbericht" des 21jährigen "George" aus Havanna zu bestätigen scheint, der diesen Bericht natürlich erst verfasste, nachdem er dank staatlicher Hilfe vollständig "rehabilitiert"

(also drogenfrei und geläutert) war und rückblickend sein hedonistisches FrevlerVerhalten kritisch (genug) bewerten konnte: "Ich fing an, Drogen in Marianao (einem Bezirk Havannas) zu nehmen - durch einen Freund, der um die Ecke lebte und Marihuana verkaufte. Ich hatte Geld, und weil meine Eltern Zugang zu Fremdwährungen hatten, tappte ich prompt in die Falle. Ich kaufte und konsumierte Marijuana und vor etwa zwei Jahren wurde ich dann zu einem regelmäßigen Kunden. Gefangen in der falschen Vorstellung, mit anderen Schritt halten zu müssen, war ich von Anfang an fasziniert von Marihuana und folgte dieser unheilvollen Einladung, da ich glaubte, dass sich mein Image bei den Mädchen damit verbessern würde. Wenn andere es taten, konnte ich nicht zurückstehenmeine Unreife war einfach stärker als mein Wille. Kurz darauf habe ich fast jeden Tag geraucht. Es war alles wie eine endlose Party für mich und weil ich Geld hatte, lud ich sogar alle anderen dazu ein.

Oft genug sagte ich zu meinen angeblichen Freunden: 'Lasst uns heute richtig abgehen! Lasst uns hier oder dort etwas zu rauchen kaufen, da gibt es richtig gutes Zeug.' So wurde ich süchtig und konnte schließlich gar nicht mehr damit aufhören. Ich habe bis zu 3 mal am Tag Marihuana geraucht! Ich hörte erst damit auf, wenn ich extrem'high' war und einen 'gebrochenen Kopf' (broken head) hatte - wie man in diesen Kreisen sagt. Durch dieselbe Person, die in meiner Nachbarschaft lebte, versuchte ich dann auch Kokain und fing an zu schniefen. Ohne ein Gramm in der Tasche konnte ich bald nicht mehr auf eine Party gehen und ein Jahr später traf ich dann den "Rock", der mich über die Klippe schob. Crack machte aus mir einen bösen Sohn, einen regelrechten Gauner. Ich habe meine Eltern bestohlen, habe mir Geld geliehen und es nie zurückgezahlt, ich habe Fahrräder geklaut und sie versetzt. Ich begann immer öfter in ganz verschiedene Schwierigkeiten zu geraten."

Die mehr oder weniger wahre Geschichte von "George" geht noch etwas weiter, dabei wird der inzwischen schwer CrackAbhängige junge Kubaner, der nur noch krummen Geschäften nachgeht, schließlich von anständigen Bürgern den Behörden gemeldet, woraufhin er ins Gefängnis kommt und dort (natürlich) komplett geläutert wird. Der letzte Satz seines Berichts lautet dann auch folgerichtig und gibt es auch viele schön restaurierte Ecken und Plätze. Man sieht heftige Kontraste und mittendrin viele fröhliche Kubaner, die gar nicht so sehr unter der ganzen Mangelwirtschaft und der "kommunistischen Diktatur" zu leiden scheinen, sondern sich vor allem an Rum, Zigarren und kubanischer Live-Musik erfreuen.

Die vielzitierte Mangelwirtschaft auf der Karibikinsel zeigt sich durch die Schlangen, die man hier und da vor verschiedenen Geschäften sieht. Unser allererster Einkauf (Wasser, Milch und Butter) in einem mäßig bestückten staatlichen Lebensmittelgeschäft bescherte uns direkt authentische Einblicke in den kubanischen Alltag - und über eine Stunde Wartezeit an der Supermarkt-Kasse. Ab und zu wurde dabei von Shop-Mitarbeitern eine Kiste halb gefrorener Hühnchen zu den in der Schlange Stehenden gebracht, welche die Kiste dann im Handumdrehen leerten. Tatsächlich übersteigt auf Kuba die Nachfrage in vielerlei Hinsicht noch immer das Angebot, aber immerhin sind wohl ALLE auf Kuba produzierte Nahrungsmittel BioQualität, da es hier wegen des US-Embargos gar keine chemischen Düngemittel gibt. So wurde es uns zumindest erzählt. Dass es freies, unzensiertes Internet auf und auch unsere deutschen Mobiltelefone haben immer und überall gut funktioniert.

Auf dem Weg nach Cayo Levisa und im weiteren Verlauf unserer Rundreise bekamen wir auch einen guten Eindruck vom ländlichen Kuba - fernab der anschwellenden Touristenströme. Wir sahen hier keine ärmlichen Wellblechhütten wie in der Dominikanischen Republik, sondern zumeist solide (oft sehr farbenfrohe) Steinhäuser mit kleinen Gärten. Und überall viele fröhliche Menschen. Auf regionalen Märkten hat vom Zentrum strotzen nur so vor Kneipen-, Restaurant- und Nightlife-Optionen. In der Nähe von Trinidad finden sich auch ein paar schöne Strände mit ausufernden Korallenriffs zum Schnorcheln oder baden.

Zurück in Havanna zogen wir unser persönliches Fazit: Kuba hat sich nie (wie die DDR) "eingemauert", es wurde von den USA und ihren Verbündeten nach der Revolution lange wirtschaftlich komplett blockiert. Obamas Kuba-Besuch von 2016, der von der Weltpresse hoffnungsvoll als politische Annäherung betrachtet wurde,

TABAK UND ALKOHOL GELTEN

GAR NICHT ERST ALS "DROGEN"

UND SIND DAHER ÜBERALL AUF

DER KARIBIKINSEL FÜR WENIG

GELD ZU HABEN. FÜR EIN

LAND MIT EINER SO STRENGEN

DROGENGESETZGEBUNG LAUFEN

DANN DOCH ERSTAUNLICH VIELE

EINHEIMISCHE MIT DEM

UNVERWECHSELBARENHANFBLATT AUF IHREN TEXTILIEN man zwar keine riesige Auswahl, aber dennoch wird hier alles Lebensnotwendige angeboten. in der traurigen rhetorischen Tradition stalinistischer Selbstkritik: "Ich bin überzeugt davon, dass ich in meinem Leben keinerlei Drogen mehr anfassen werde. Ich werde aber unentwegt das mir Mögliche tun, um alles über dieses Thema zu lernen. So will ich ein gesund lebender Fachmann werden, der für sein Land von großem Nutzen ist!"

HERUM.

Von den Stränden Cayo Levisas ging es ins Vinales-Tal, in eine der für Touristen interessantesten Gegenden Kubas. Die schöne Landschaft mit den "Elefantenrücken" genannten Bergmassiven sucht wahrlich ihresgleichen, und so ist Vinales - neben Trinidad - inzwischen eines der teuersten TouriGebiete des Karibikstaates.

Wenn es einen Ort auf Kuba gibt, in dem illegale Drogen tatsächlich öfter konsumiert werden, dann ist das sicherlich die Hauptstadt Havanna. Der vielzitierte "morbide Charme" ist hier tatsächlich nahezu allgegenwärtig, da überall in der Stadt krasse Ruinen herumstehen. Bis auf wenige Ausnahmen (überteure Hotels, manche Museen und Regierungsgebäude und wenige bereits komplett modernisierte historische Gebäude in der Altstadt) ist die ganze Stadt in die Jahre gekommen und entsprechend baufällig. Trotzdem

Kuba gibt, können wir dagegen selbst bestätigen, auch wenn es noch sehr langsam ist. Auch Smartphones sind hier inzwischen weit verbreitet - man erkennt immer an den in den Straßen herumsitzenden und mobil surfenden Kubanern, wo sich ein öffentlicher WLANHotSpot befindet. Denn Internet bzw. WLAN gibt es noch längst nicht überall - und wenn es irgendwo einen WLAN-Spot gibt, dann brauchst du zusätzlich noch eine Rubbel-Karte (mit freigerubbelter Kennung und Passwort kann man pro Karte eine Stunde ins weltweite Netz). Um so eine Karte zu erwerben, muss man sich bei staatlichen Telekommunikations-Shops anstellen oder bei fliegenden Händlern einen deutlich höheren Preis zahlen. Mal eben online gehen ist auf Kuba daher ein echtes Statussymbol - und keine preiswerte Alltäglichkeit wie bei uns, hier besteht noch echter Nachholbedarf. Immerhin ist das Handy-Netz auf der Insel gut ausgebaut

Weiter ging es über Cienfuegos nach Trinidad, einer hübschen Stadt im Kolonialstil, deren touristische Highlights man locker an einem Tag zu Fuß besichtigen kann. Das kleine, sehenswerte historische Stadtzentrum ist eine einzige Fußgängerzone, und die Straßen südlich diente dabei eher der Abgrenzung nach dem gewonnenen Kalten Krieg.

Denn vor dem Besuch Obamas auf Kuba bekamen alle kubanischen Flüchtlinge, die es bis in die USA geschafft hatten, direkt die US-amerikanische Staatsbürgerschaft (so wie einst geflohene DDR-Bürger direkt Bundesbürger wurden). Doch mit Obamas Besuch endete diese Politik - seitdem sind Exilkubaner genauso rechtlos wie alle anderen lateinamerikanischen Flüchtlinge, die in die USA wollen. Kein Wunder, dass viele Kubaner den USA gegenüber immer noch sehr misstrauisch sind.

Die kubanische Revolution ist aber lange vorbei und nur noch ein Image, dass vom Staat am Leben gehalten wird.

GUERILLA-GROWING ZUHAUSE

Text: Robert Brungert

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