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TCM oder Schulmedizin?

Die

Wir haben nachgefragt.

Gründerin und Geschäftsführerin der Praxis anisanis für Traditionelle Chinesische Medizin

Die TCM-Heiltherapeutin Marli Rutz arbeitet nach dem Prinzip von Biao Ben. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf der Krankheitsursache – in der Traditionellen Chinesischen Medizin auch Wurzel genannt. Diese wird diagnostiziert und ganzheitlich behandelt. Also mit Therapien, die auf die Person und die Krankheitsursache zugeschnitten sind, wie zum Beispiel Akupunktur, Herbalistik, Shiatsu oder Qigong.

Frau Rutz, angenommen, ich komme wegen Erschöpfung zu Ihnen. Was passiert dann? Wir beginnen mit einer Befragung. Diese dauert bei Neupatientinnen und Neupatienten jeweils 90 Minuten. Dabei geht es in der TCM nicht darum, direkt und akut die Symptome zu behandeln. Vielmehr wollen wir der Wurzel, also in diesem Fall der Ursache der Erschöpfung, auf den Grund gehen.

Wie genau läuft so eine Befragung ab? Man erkundigt sich zuerst nach dem Hauptanliegen – also nach der Erschöpfung. Da wir in der TCM immer ganzheitlich behandeln, stellen wir den Patientinnen und Patienten im Anschluss viele weitere Fragen, die deren gesundheitlichenellen Traumata oder Kindheitserlebnissen. Es gibt aber auch Fragen, die ungewöhnlich wirken können.

Welche Art Fragen sind das?

Zum Beispiel die Frage nach der Lieblingsuhrzeit oder dass ich wissen möchte, wem oder was Sie sich zuordnen. Für manche kann das die Religion, für andere der Fussballverein sein. Keine Antwort ist aber auch eine Antwort. Zudem geht es in der an Personen, die zu Ihnen kommen?

Befragung auch darum, gut zuzuhören und genau zu beobachten. Wir achten sehr auf die Tonalität der Stimme, die Wortwahl, aber auch die Aufmerksamkeitsspanne der zu behandelnden Person bei der Befragung. Ferner analysieren wir die Gesichts- und Lippenfarbe und ermitteln den Körpergeruch.

Nicht ganz. Wir begrüssen unsere Patientinnen und Patienten mit einer Umarmung. Das baut einerseits Nähe auf, hilft uns aber auch, Informationen über den jeweiligen Körpergeruch zu gewinnen. Was passiert nach der Befragung?

Etwa eine Woche nach der Befragung stellen wir die Diagnose. Genauer: Wir erklären während 60 Minuten ganz genau die Ursache und sämtliche damit einhergehenden Symptome – wir sprechen hier von der inneren Landschaft. Denn in der TCM geht es um Selbster- nach schlagen wir einen Behandlungsplan mit Therapien wie Akupunktur, Tuina oder Moxa vor, der individuell auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten zugeschnitten ist.

Schulmedizin mit Blick auf die Details

Herr Jungi, angenommen, ich komme wegen Erschöpfung zu Ihnen. Was passiert dann?

Als Ihr Hausarzt gehe ich davon aus, dass ich Sie bereits kenne und weiss, wo Sie gerade im Leben stehen. Falls ich Sie aber lange nicht mehr gesehen habe, ist ein Update nötig, um zu erfahren, wie es Ihnen körperlich und mental geht. Ausserdem möchte ich wissen, ob es körperliche Symptome gibt, die auf einen Infekt oder andere mit der Erschöpfung einhergehende Erkrankungen hinweisen können. Welche Symptome können das neben Erschöpfung noch sein?

Für einen ganzheitlichen Überblick ermittelt man weitere Symptome mit einer psychosomatischen Anamnese. Anschliessend erfolgt eine körperliche Untersuchung, um weitere Befunde zu erheben. Dazu gehören etwa die Messung des Blutdrucks oder das Abhören von Herz und Lunge. Zudem kann die Gesichtsfarbe eine wichtige Rolle spielen. Worauf kann die Gesichtsfarbe hinweisen?

Ist jemand sehr blass, kann es sich um Blutarmut handeln. Hat jemand eher eine gelbliche Gesichtshaut, kann das ein Hinweis auf ein Leber- oder Gallenbla- senproblem sein. Beides Fälle, die auch für Erschöpfung verantwortlich sein können. Das muss man dann aber im Labor genauer untersuchen.

Ist eine Laboruntersuchung für eine Anamnese immer notwendig?

Nein. Kann ich aus dem Gespräch mit meinem Gegenüber heraushören, dass der Erschöpfung eine Überforderung – beruflich oder privat – zugrunde liegt, suchen wir gemeinsam Lösungsansätze, die helfen, etwaige Stressoren zu lindern. Und wann kommt man nicht ums Labor herum?

Wenn ich aufgrund der Anamnese und körperlichen Befunderhebung zu keiner Diagnose komme. Dann muss man klären, welches die Gründe für die Erschöpfung sind. Das kann ein Eisenmangel, aber auch eine Fehlfunktion der Schilddrüse sein. Wie sieht es mit dem Verschreiben von Medikamenten aus?

Ich bin hier sehr zurückhaltend. Spazier- reits Energie. Manchmal kann auch eine Auszeit helfen. Aber je nachdem, wo jemand steht, können Medikamente schon helfen. Wenn möglich, rate ich zuerst zu natürlichen Produkten. Es muss nicht immer Chemie sein, im Gegenteil.

Dr. med. Marc Jungi, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin FMH, Stellvertretender Geschäftsführer Sanacare AG

Marc Jungi arbeitet als Hausarzt in der Sanacare Gruppenpraxis Bern. Ihm ist wichtig, sich ausreichend Zeit für seine Patientinnen und Patienten zu nehmen und individuell auf deren Bedürfnisse einzugehen. Denn für ihn steht immer der Mensch im Vordergrund.

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