Stadtforschung und Statistik 1-2021

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Schwerpunkt Corona

Jan Uwe Lemm, Jennifer Kreklow, Robin Hüskes

Regionalisierte Modellierung szenariobasierter Covid-19 Epidemieverläufe unter Berücksichtigung der lokalen demographischen Struktur Epidemiologische Modelle dienen der Vorhersage möglicher Verläufe von Epidemien oder Pandemien unter Annahme unterschiedlicher Szenarien. Am Beispiel der Stadt Wolfsburg wird in dieser Studie eine regionale Anpassung eines generalisierten S-E-I-R Modells der Universität Basel unter Berücksichtigung lokaler demographischer Strukturen und möglicher Maßnahmen zur Eindämmung vorgestellt. Die Studie zeigt, dass eine Regionalisierung eines S-E-I-R Modells auf kommunaler Ebene möglich ist und den Einfluss getroffener Maßnahmen auf die Ausbreitungsdynamik abbilden kann.

Jan Uwe Lemm M. Sc. – Mitarbeiter der Stadt Wolfsburg im Referat Strategische Planung, Stadtentwicklung und Statistik – Mitglied in der KOSIS Lenkungsgruppe SIKURS und beratendes Mitglied der KOSIS Lenkungsgruppe KO.R : jan-uwe.lemm@stadt.wolfsburg.de Dr. Jennifer Kreklow rer. nat. – Mitarbeiterin der Stadt Wolfsburg im Referat Strategische Planung, Stadtentwicklung und Statistik : jennifer.kreklow@stadt.wolfsburg.de Robin Hüskes M. Sc. – Mitarbeiter der Stadt Wolfsburg im Referat Strategische Planung, Stadtentwicklung und Statistik – Mitglied in der KOSIS Lenkungsgruppe DUVA : robin.hueskes@stadt.wolfsburg.de Schlüsselwörter: Covid-19 – Epidemiologie – Prognose – Modellierung – Szenarien – altersspezifisches S-E-I-R Modell – Krankenhausbedarf – Multidisziplinarität

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STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 1|2021

Einleitung Das Coronavirus SARS-CoV2, das die Atemwegserkrankung Covid-19 auslöst, wurde Ende Januar 2020 erstmals in Deutschland nachgewiesen und breitete sich anschließend schnell im ganzen Land aus. Zur Eindämmung der Ausbreitung und zum Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastung wurden während der „ersten Welle“ im Frühjahr 2020 zahlreiche Infektionsschutzmaßnahmen ergriffen, darunter ein sogenannter „harter Lockdown“. Die Auswirkungen derartiger Maßnahmen sind seitdem Gegenstand intensiver Forschung (z. B. Khailaie et al. 2020), um die Wirksamkeit der Maßnahmen und die Ausbreitungsdynamik des Virus besser zu verstehen. Die vorliegende Studie stellt die Modellierung und Analyse von drei Szenarien unter Annahme unterschiedlicher Infektionsschutzmaßnahmen vor, welche die Entwicklung der Covid19-Epidemie und die Belastung des Gesundheitssystems unter Berücksichtigung der regionalen Altersstruktur in der Stadt Wolfsburg mit 125.408 Einwohner*innen (Stichtag 31.12.2018) abbilden. Die Modellierung erfolgte mit einem generalisierten S-E-I-R Modell (Susceptible - Exposed - Infectious - Recovered), das um Informationen zu den einzelnen Stadien des Infektions- und Krankheitsverlaufs erweitert wurde. Zeitlich bilden die modellierten Szenarien die Ausbreitung von Covid-19 während der „ersten Welle“ in Deutschland ab (Anfang März bis Mitte Juni 2020). Während der ersten Welle bestanden noch erhebliche wissenschaftliche Kenntnislücken, sowohl zum Schweregrad einer COVID-19-Erkrankung als auch zur absoluten Infektionssterblichkeit (IFR – infection fatality rate). Da die Schwere der Krankheitsverläufe stark vom Alter abhängig ist, sind gesicherte Erkenntnisse hierzu unerlässlich. Eine gesonderte Betrachtung von etwaigen Risikogruppen erfolgt in dem verwendeten Modell nicht. Dieser Einflussfaktor wird im Modell vollständig über das Merkmal Alter abgebildet. Ziel der Analysen war eine allgemeine Einschätzung zum epidemiologischen Verlauf der Pandemie auf kommunaler Ebene unter Annahme verschiedener Szenarien: (1) ohne Maßnahmen, (2) mit einem fortwährenden, strengen „Lockdown“ und (3) bei schrittweiser Lockerung von Maßnahmen. Außerdem sollten die Auswirkungen der verschiedenen Pandemieverläufe auf das lokale Gesundheitssystem mitberücksichtigt werden. Großskalige Modellierungen vernachlässigen häufig lokale Besonderheiten wie lokale demographische Strukturen oder Kapazitäten des lokalen Gesundheitswesens. So weicht bei-


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