HERAUSGEBER: CHRISTIAN GNILKA
INSTITUT FÜR KLASSISCHE PHILOLOGIE · WESTFÄLISCHE WILHELMS-UNIVERSITÄT MÜNSTER CHRÊSIS DIE
Der rechte Gebrauch im Spiegel des falschen von Christian Gnilka
HERAUSGEBER: CHRISTIAN GNILKA
INSTITUT FÜR KLASSISCHE PHILOLOGIE · WESTFÄLISCHE WILHELMS-UNIVERSITÄT MÜNSTER CHRÊSIS DIE
Der rechte Gebrauch im Spiegel des falschen von Christian Gnilka
HerausgegebenvonChristianGnilka
III
HERAUSGEBER:CHRISTIANGNILKA
INSTITUTFÜRKLASSISCHEPHILOLOGIE·WESTFÄLISCHEWILHELMS-UNIVERSITÄTMÜNSTER
MITDERANTIKENKULTUR III
DerrechteGebrauchimSpiegeldesfalschen von ChristianGnilka
GedrucktmitUnterstützungderBertaHess-CohnStiftung,Basel
BibliografischeInformationderDeutschenBibliothek
DieDeutscheBibliothekverzeichnetdiesePublikation inderDeutschenNationalbibliografie;detaillierte bibliografischeDatensindimInternetüberhttp://dnb.dnb.deabrufbar.
DieTitelvignettedieserReiheistdiefreieNachbildungeinermittelalterlichenMiniatur. Vgl.M.Avery,TheExultetRollsofSouthItaly,Princeton/London/DenHaag1963,plateLV,7. DasMotivwurdemitRücksichtaufdieinBandI2 ,S.177–213behandelteSymbolikderBienenarbeitgewählt.
©2023SchwabeVerlag,SchwabeVerlagsgruppeAG,Basel,Schweiz
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Satz:Rhema–TimDoherty,Münster
Druck:Hubert&Co.,Göttingen
PrintedinGermany
ISBNPrintausgabe978-3-7965-4750-8
ISBNeBook(PDF)978-3-7965-4757-7
DOI10.24894/978-3-7965-4757-7
DaseBookistseitenidentischmitdergedrucktenAusgabeunderlaubtVolltextsuche.Zudemsind InhaltsverzeichnisundÜberschriftenverlinkt.
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»WasmitdemnüchternenAusdruckBenutzung(Chrêsis) bezeichnetwird,isteineinmaligesFaktumvonwelthistorischerBedeutung:ohnesiehättedasChristentumniemals sichausbreitenkönnen.«
(PaulHacker,KleineSchriften,Wiesbaden1978,349)
DieserdritteBandderReihehatlangeaufsichwartenlassen,überdieGründe wirdinderEinleitunggesprochen.MitdendreierstenBändenistnundasFundamentderForschungsrichtunggelegt,wieesvonAnfangangeplantwar.So erscheintesangemessen,einenkurzenBlickzurückzuwerfenaufdieIdee,die dieseSchriftenreihehervorrief.EswardasdieÜberzeugung,daßderGang derKirchedurchdieerstenJahrhundertedasSchauspielunddasMustereiner großen,gelungenenMissionbiete.UndeslaginderKonsequenzdieserÜberzeugung,daßderPlanentstand,WesenundMethodedieserMissionzudurchleuchten,umdarausfürdieProblemedersog.Inkulturationzulernen,mitdenendieKirchedamalsrangundweiterhinringt.Diehistorisch-philologischen UntersuchungenderfolgendenBändeführenpraktischeBeispieledes ususiustus vor,füllendieRegelnderChrêsismitLeben.Siesinddaherinihremeigentlichen,letztenSinnaufdasgemeinsame,großeZielausgerichtet,undes entsprichtdieserAusrichtung,wenndieMissionswissenschaftdenBeginndes UnternehmensmitZustimmungbegleitete.*MögenanderedieSacheweiterführen!DasFeldistreich,jaunerschöpflich.
InderDarstellungdesvorliegendenBandesbeanspruchenzwarsolcheGedankenerheblichenRaum,derenBedeutungeinezeitbedingteist,aberausall denzeitbedingtenElementenderfrühkirchlichenGeisteswelthebensichdoch immerwiederdiefesten,bleibendenGrundsätzederkirchlichenMissionhervor.Ja,esistgeradedieEntschiedenheit,mitderUnklarheitenundVerschiefungendesfalschenGebrauchsabgewiesenwerden,diesichalswesentliches, gemeinsamesMerkmalderMissionabzeichnet.DiesesMerkmal,die kr–sic,lebendigaufzufassen,kannkaumohneVorteilseinineinerZeit,dadiealtenProblemedesUmgangsmiteinernichtchristlichenKulturfortbestehenunddarüberhinausdieverwandtenFrageneinermöglichenNeuevangelisierungimmer stärkerindenBlickpunktrücken.
*NäheresüberArtundSinndesVorhabens:s.VorwortzuChrêsisI2 ,DörmannsGeleitwort(ibid. 13/17),dasKapitel»PhilologieundChristianisierung«(ibid.21/35)sowiedaseinleitendeKapitel zuChrêsisX:»VoraussetzungsloseWissenschaft?«(9/23).DiebleibendeBedeutungderChrêsis kommtindenAbschnitten»KirchlicheDokumenteausneuererZeit«:ChrêsisII121/27;165/76 zudeutlichemAusdruck.
DieerstenbeidenBändederReihesowiederzehntewerdenimfolgenden abgekürztzitiert:
ChrêsisI2 DerBegriffdesrechtenGebrauchs(19841 ).Zweite,erweiterte Auflage2012.
ChrêsisIIKulturundConversion1993.
ChrêsisXPratumPatristicum2019.
BesonderenDankschuldeichDr.KonstantinLiebrand,derdenTextelektronischerfaßthatundmirstetsmitRatundTatzurSeitestand.Fürdiesorgfältige BetreuungdesBuchsdankeichDr.ArletteNeumann,SchwabeVerlag,fürdie –wieimmer–überaussachkundigeHerstellungdesSatzesTimDoherty.
MünsterimAugust2022ChristianGnilka
DieErfahrung,daßalteGedankenundbekannteTatsachendurchdieArtihrerDarstellungeineneueWirkungerhaltenkönnen,hatwohlnirgendseinen anmutigerenAusdruckgefundenalsindenWorten,mitdenenFranzvonSales seineIntroductionàlaviedévoteeröffnet 1:
»DieBlumenbinderinGlykeraverstandessogeschickt,ihreBlumenaufmannigfaltige Artzusammenzustellen,daßderMalerPausias,derdieverschiedenenSträußezumalenversuchte,nichtimStandewar,ihrestetsneueFarbenprachtsoaufdieLeinwand zubringen,wiesieGlykeradurchgeschickteAnordnungderBlumenhervorzauberte.SoistesauchmitdenUnterweisungenfürdasgeistlicheLeben.AlleDiener GottestrageninihrenPredigtenundSchriften diegleichenLehren überdieFrömmigkeitvor;unterderLeitungdesHeiligenGeistesbringtsieaber jederinanderer Anordnung undZusammenstellung.BeivölliggleichbleibenderLehresiehtdaherdie Darstellungimmerwiederandersausundwirktauchanders.Auchichwillindieser AnleitungdasgleichesagenwiemeineVorgänger,dieüberdiesenGegenstandschrieben.IchbieteDir,lieberLeser,dieselbenBlumenanwiesie.MeinStraußwirdaber andersaussehen,weilichdieBlumenanderszusammengestellthabe.«
DassindfreilichdieWorteeinesHeiligenundeinesgroßenSeelenführers,der sichfürdieWahrheitseinerLehrenunddieArtihrerDarbietungaufdieLeitungderhöchstenAutoritätberufendarf.AberdaßgleicheGedankendurch verschiedeneDarstellungverschiedeneWirkungerzielenkönnen:dieseErfahrungistdocheineallgemeine,unddeswegenistesauchnichtunpassend,daß derAutorsiedurchdiehübscheGeschichtevonderBlumenbinderinGlykera illustriert,dieerbeiPliniusgelesenhatteunddurchdiesichauchGoetheanre-
1 FrançoisdeSales,Introductionàlaviedévote.Philothea(16195
),Préface.Ichzitierediedeutsche ÜbersetzungvonFranzReisinger:FranzvonSales,AnleitungzumfrommenLeben.Philothea, Eichstätt/Wien1959=DeutscheAusgabederWerkedeshl.FranzvonSales,Bd.1,25.
genließ 2.AufähnlicheWeiserechtfertigtsichPascal:»Mansagenicht,ichhätte nichtsNeuesgesagt:dieAnordnungdesStoffsistneu.Jederspielt,wennman Ballspielt,mitdemgleichenBall,abereinersetztihnbesser«.Underfügthinzu: »VerschiedeneFolgederWortegibtverschiedenenInhalt,undverschiedene FolgederInhaltegibtverschiedeneWirkung« 3.DieGültigkeitdieserErfahrung wirdschließlichvoneinerganzanderen,weitentferntenInstanzbestätigt:wo CicerosichgegendenVorwurfverteidigt,erseiinderphilosophischenSchriftstellereivölligvondenGriechenabhängig,tuterdasunteranderemmitdem Hinweisdarauf,daßermitdengriechischenPhilosophemendaseigeneUrteil unddieeigeneAnordnungdesStoffsverbinde 4.DurchsolcheStimmenfühle ichmichermutigt,erneuteinThemazurSprachezubringen,dasinjüngerer VergangenheitvielAufmerksamkeitgefundenhat.DenndiesesThemastehtin BeziehungzurChrêsisderKirchenväterunderhält,wiemirscheint,seinerechte Bedeutungerstdann,wennesindiesenZusammenhangeingeordnetwird.
JedeLehre,jedeIdeewirdnichtnurerfaßtinunmittelbarerBetrachtungihrer selbst,sondernauchinVergegenwärtigungihresGegenteils.DieantikeRhetorikmachtesichdiesenGrundsatzzueigen,undsofanderAnwendungauch indenWerkenrhetorischdurchgebildeterAutorenderjungenKirche.Tertulliancharakterisiertdie patientia,indemereinBildder impatientia entwirftund erklärt(Tert.patient.5,2):
sidealiquobonosermoest,respostulatcontrariumquoquebonirecensere: quidenim sectandumsit,magisinluminabis,si,quidvitandumsit,proindedigesseris.
»WennvonirgendeinemGutdieRedeist,erfordertesdieSache,auchdasGegenteil desGutenzubetrachten:dennwasmanerstrebenmuß,wirstdubesserbeleuchten, wenndu,wasmanmeidenmuß,ebensobehandelthast«.
2 Plin.nat.35,125,vgl.GoetheselegischesGedicht»DerneuePausiasundseinBlumenmädchen« (1797):GoethesWerke(Sophienausgabe)I1,Weimar1887,S.272/80;ErnstGrumach,Goethe unddieAntike,Bd.2,Potsdam1949,652.833.FranzvonSaleszitiertwohlausdemGedächtnis. BeiPliniusistnurvoneinemWetteifernderbeidendieRede,nichtvoneinerÜberlegenheitder Blumenbinderin.
3 Pascal,LesPensées,NouvelleÉditionannotéeparAdolpheEspiard,Pariso.J.(Bibliothèque Larousse),S.63.IchzitierediedeutscheÜbersetzungvonEwaldWasmuth,BlaisePascal,Über dieReligionundüberandereGegenstände(Pensées),Heidelberg19545 ,28;dazunoch(ibid.): »AlsobdiegleichenGedankeninverschiedenerAnordnung(parunedispositiondifférente) nichteinenanderenSatzkörperbildeten,wiediegleichenWortedurchverschiedeneAnordnung andereGedanken«.
4 Cic.fin.1,6 eisque (sc. quaedictasuntaGraecis) nostrumiudiciumetnostrumscribendiordinem adiungimus.
2.WasTertullianempfiehlt,istdierhetorischeArgumentation econtrario 5.CyprianfolgtderEmpfehlunginseinerBearbeitungdertertullianischenSchrift (Cypr.patient.19): utmagis ... patientiaebonumluceat,quidmaliecontrarioinpatientiainportet,consideremus 6.AuchdieChrêsislehrederKirchenväter hatihrGegenteil,auchGrundlage,MethodeundZieldesrechtenGebrauchs werdendurchdieFehlerbeleuchtet,diedenfalschenGebrauchverursachen. DochentspringtdieArgumentation econtrario indiesemFallnichtunserer eigenenÜberlegung.WirsindinderWahldiesesVerfahrensnichtfrei.Eswird unsdurchdieQuellen,durchdasSchrifttumderKirchenväternahegelegt,jazur Aufgabegemacht.DennschauensieaufdieGeistesweltderheidnischenAntike, erblickensieeinenZustand,wieersichzueinemnichtunwesentlichenTeilaus denFolgeneinesfalschenGebrauchsergab.UndesistdieseVisionderantiken Bildung,dieihrenUmgangmitdieserBildungbestimmt.
DieserGesichtspunktistes,dereinemGedankenkomplex,derinhistorischer HinsichtaufeinemIrrtumberuhtunddenmanalsIrrtumzusehengewöhnt ist 7,einbleibendesInteressesichert.DieVäterwarenderÜberzeugung,daß diegriechisch-römischeKulturinAbhängigkeitvonalttestamentlicherWeisheitentstandensei,wobeidiegriechischenDichterundDenkerdasGut,das sieausMosesunddenProphetenschöpften,durchunpassendeZutaten,durch MißverständnisseundabsichtlicheFälschungenverdorbenundaufdieseWeise eineschillerndeMischungausWahrheitundIrrtum,WahrheitundLügeerzeugt hätten.DieserGedankenkomplexistunterdemNamendesAltersbeweisesbekannt.AusgehendvonsolcherSichtdersieumgebendenKulturbemerktendie kirchlichenDenkerundLiteratenaufSchrittundTrittdieverwehtenSpuren göttlicherOffenbarungindenBüchernderHeiden.DochstanddiesesMaterial ihrereigenenMethodeimUmgangmitPhilosophieundLiteraturnichtnach ArteinesÜbungsbuchsgegenüber,dasmannachLustundLauneaufschlagen oderliegenlassenkann.DerBefundbestimmteihreChrêsis,diedaraufausgerichtetseinmußte,dasGuteundNützliche,dasWahreundSchöneausderVer-
5 Cic.top.47 locusestquiecontrariodicitur.
6 MehrdazubeiJean-ClaudeFredouille,Tertullien,DelaPatience,Paris1984=SourcesChrétiennes310,149.
7 IndemrechtumfänglichenArtikel»Irrtum«,denCatherineOsborneimRAC18(1998)854/ 910vorgelegthat,kommtallerdingsderAltersbeweisnichtvor,wohldeshalb,weilderArtikel erkenntnistheoretischausgerichtetistundhistorischeIrrtümernichterfaßt.AberdurchseinkritischesMomentreichtderAltersbeweisdochtiefhineinindieSubstanzderantikenGeisteswelt, besondersderPhilosophie,undhättedaherindemArtikeleinenPlatzfindenkönnen.
3.filzungmitFalschemundBösem,indersieesantrafen,zubefreien.Innerhalb desweiten,jauniversalenGeltungsbereichsdesChrêsisprinzipsistesalsogeradederrechteGebrauchderBildungsgüter,derimAltersbeweisseinnegatives Kontrastbildfindet.DenneinwesentlichesElementdiesesGedankenkomplexes istdieAbwehrderFolgendesfalschenGebrauchs.Unddadieseunerläßliche AufgabeinihrerZeitnichtvonallenrechtbegriffenunderfülltwurde,zeigte sichihneneinneuer,gefährlicherProzeßdesMißbrauchs.Siebeobachtetenihn indenHäresien,diemitgriechischerPhilosophienichtnachdenRegelnrechten Gebrauchsumgingen,sonderneineneueMischungausPhilosophieundEvangeliumzubereiteten. 4.
MeineBeschäftigungmitdemThemadesAltersbeweisesreichtweitzurück. ImerstenBanddieserReihe(19841 )istderAltersbeweisalseinederbeiden GrundlagendesUmgangsderKirchenvätermitderantikenKulturkurzgestreiftunddertheologischenBasisgegenübergestellt 8.WeitereBeobachtungen dazuhabeichineinemVortragdesJahres1985:»MosesundPlatonausder SichtderKirchenväter«zusammengefaßt 9 unddannimSommersemester1986 inmeinerMünsterschenVorlesung:»PhilosophieundWahrheitausderSicht derKirchenväter«ausgeführt.AbermirfehltendamalsZeitundKraft,diebreit angelegteUntersuchungzuEndezuführen.Zudemändertesichbalddarauf dieForschungslage.EstrateinziemlichüberraschenderUmschwungein,wie erinderGeschichtederWissenschaftöfterszubeobachtenist:einGegenstand, derlangenurgeringeBeachtungfand,erregtplötzlichvermehrtesInteresseund wirdvonverschiedenenAutorenfastgleichzeitigaufgegriffen.Natürlichwar auchfrüherschonmancherleizumAltersbeweisbemerktworden.Einsoumfassender,weitverbreiteterGedankenkomplex,dertiefeindrangindieGeistesweltderKirchenväterunddeutlicheSpureninHauptwerkenderfrühchristlichenLiteraturhinterlassenhat,konntenichtübersehenwerden.MeistwarenesaberSpezialarbeitenzueinzelnenSchriftstellern,diedasThemaberührten 10.SeitEndederachtzigerJahrejedochwurdeesinselbständigenMono-
8 ChrêsisI1 15f.;ChrêsisI2 25f.
9 Gehaltenam13.Juni1985vordem»FreiburgerVereinderFreundederAntike«,wiederholt unterdemTitel»MosèePlatonevistidaiPadridellaChiesa«am6.Mai1997inBologna,CISEC (Centrointerdipartimentaledistudisull’EbraismoesulCristianesimo).
10 SoetwaJ.H.WaszinkimKommentarzuTertullian Deanima,Amsterdam1947,106.Weiter ausgreifend:JeanPepin,Le»Challence«Homère–Moiseauxpremierssiècleschrétiens:RevueRel.29(1955)105/22;SalvatoreR.C.Lilla,ClementofAlexandria.AStudyinChristian PlatonismandGnosticisme,Oxford1971(kritischaufzunehmen).
graphienbehandelt.KurzhintereinandererschienendamalsdieBüchervonArthurJ.Droge,HomerorMoses?EarlyChristianInterpretationsoftheHistory ofCulture,Tübingen1989undPeterPilhofer,PresbyteronKreitton.DerAltersbeweisderjüdischenApologetenundseineVorgeschichte,Tübingen1990. MatthiasBaltesbesprachdieSacheausführlichineinemSammelwerkzumPlatonismus(1990) 11,Ch.RiedwegboteinengehaltvollenÜberblick(1994) 12,in KinzigsBuch»NovitasChristiana«(1994)spieltderAltersbeweisalsGegenpol zurIdeedesFortschrittseinegroßeRolle 13,zweiweitereMonographienfolgten 14.DieseListeistnichtvollständig,magabergenügen,denUmschwungzu illustrieren,vondemichsprach.
WennsichauchbeiLektüredieserArbeitenmancherleiWiderspruchregen kann 15,soläßtsichdochnichtverkennen,daßdurchsieimGanzeneinbedeutenderFortschritterzieltist.DieArgumentationmittelsdesAltersbeweises wurdeindieGeistesweltdesHellenismusundderSpätantikeeingeordnet.Die Kirchenväter,sosahmanjetzt,hattendenAltersbeweisnichterfundenundauch nichtzuihrerZeitalleingeführt.MitdieserErkenntniswareineApologieder Väterverbunden,auchdort,wosienichtausgesprochenundnichtbeabsichtigtwar.ZwargelangtendieDenkformen,indenenderAltersbeweisgründet, imkirchlichenSchrifttumzubesondersscharfemAusdruck,wurdensiedoch MitteleinesgroßengeistigenKampfes,unddabeiwaresunvermeidlich,daßdie SchwächenderKonstruktionoftmalsaufdringlichhervortraten.Aberesließ sichebennichtleugnen,daßdieVäterindieserHinsichtKinderihrerZeitwaren.SeitdemistdieForschungzudemweitenThemanichtstehengeblieben.Sie kommtzurSpracheindenreichhaltigenKapitelnzumAltersbeweis,dieMarkusMülkeinseinerMonographiezuAristobulosvorgelegthat 16 .
11 M.Baltes,PlatonunddieWeisheitdesOstens,in:H.Dörrie,M.Baltes(Hrsgg.),DerPlatonismusinderAntike2,Stuttgart/BadCannstadt1990,Bausteine62/71,Kommentar425/505.
12 Ch.Riedweg,Ps.-Justin(MarkellvonAnkyra?),AdGraecosdeverareligione(bisher:»cohortatioadGraecos«),Basel1994=SchweizerischeBeiträgezurAltertumswissenschaft25/1und 2,hier1,119/29.
13 W.Kinzig,NovitasChristiana.DieIdeedesFortschrittsinderAltenKirchebisEusebius,Göttingen1994=ForschungenzurKirchen-undDogmengeschichte58.
14 D.Ridings,TheAtticMoses.TheDependencyThemeinsomeEarlyChristianWriters,Göteborg1995;S.Ackermann,ChristlicheApologetikundheidnischePhilosophieimStreitumdas AlteTestament,Stuttgart1997.
15 WesentlichePunktesinduntenS.55f.59,36.59/62.63.63,53.90,34.95/102.170f.berührt.
16 M.Mülke,AristobulusinAlexandria,JüdischeBibelexegesezwischenGriechenundÄgyptern unterPtolemaiosVI.Philometor,Berlin/Boston2018=UntersuchungenzurantikenLitera-
AllerdingsfandichinkeinerdereinschlägigenArbeitendiebleibendeBedeutungdeshistorischenIrrtumsrechterfaßt.IchmeinedamitdasLicht,dasder AltersbeweisaufdasVerhältnisderKirchezurKulturderAntikeunddamit zugleichaufihreMethodedesUmgangsmitdieserKulturwirft.War miralsodurchdieneuereLiteraturvielArbeitabgenommen,sobliebmirdoch dieseAufgabeübrig,dievonAnfanganmeinInteresseanderSachegeweckt hatte.IchverlorsiedahernichtausdemAugeundverfolgtesieindemVortrag: »WahrheitundÄhnlichkeit«,gehaltenam14.Januar2004imRahmeneiner RingvorlesunganderTechnischenUniversitätAachen,inüberarbeiteterFassungunterdemTitel»L’ombradellaverità«am15.Mai2019inBologna.Beide Versionensindpubliziert 17,diedeutschewurdeaufgenommenindenzehnten BanddieserReihe:PratumPatristicum,Basel2019=ChrêsisX25/55.DerText istgrößtenteilsindiefolgendeDarstellungeingegangen.Mirgehteshierzunächstdarum,dieallgemeinenZügederArgumentationausdenQuellenherauszuarbeiten,umdieGrundlagefürdieFolgerungenzuschaffen,diesichdarausfürdieMethodederVäterziehenlassen.
turundGeschichte126,82/117und134/51.EinÜberblickauchbeiM.Fiedrowicz,Apologie imfrühenChristentum,Paderbornusw.2000,215/19.EinebesondereBehandlunghatTatian erfahren:H.-G.Nesselrath,WiemanpaganeGeschichtsschreibung admaioremDeigloriam verwendet.DerAltersbeweisinTatians RedeandieGriechen,in:M.Mülke,Chrésima.ExemplarischeStudienzurfrühchristlichenChrêsis,Berlin/Boston2019=Untersuchungenzur antikenLiteraturundGeschichte138,21/43.EsgehtumTatiansQuellenfürdenNachweisder zeitlichenDistanzzwischenMosesundHomer.
17 R.vonHaehling(Hrsg.),GriechischeMythologieundfrühesChristentum,Darmstadt2005, 194/220;AngelaMariaMazzanti(ed.),Unmetodoperildialogofraleculture.Lachrêsispatristica,Brescia:EditriceMorcelliana2019,15/31.
InseinervollausgebildetenFormvereintderAltersbeweisdreiElemente:den ErweishöherenAltersdesAltenTestaments,denErweisderAbhängigkeit griechischenDenkensunddenderVerfälschungderWahrheit.InderSprachederVäter: ÇrqaiÏthc, m–mhsic, paràkousma,diebeidenletzterenauchverschärftzu klop† und paraqàragma.DerBegriffschillertalsoetwas,trotzdem behalteichihnbei.AusdemZusammenhangdürftedeutlichgenughervorgehen,inwelchemSinnejeweilsinnerhalbdereinzelnenKapitelvom›Altersbeweis‹gesprochenwird.DiedreiSätzehängenfreilichengzusammen,namentlichsetztdieBehauptungderAbhängigkeitdiederPrioritätvoraus;andrerseits zeigtsicheinegewisseSelbständigkeitderArgumentedarin,daßderNachweis desAltersbisweilenalleingeführtwird 1.DerUmstandverdientBeachtung, weilererkennenläßt,welcherWertalleinder antiquitas (ÇrqaiÏthc)imGeisteskampfderSpätantikezuerkanntwurde.
1 JosephuslegtindemWerkgegenApion–zitiertvonOriginesundEusebiusunterdemTitel Per»t®ct¿n>Iouda–wnÇrqaiÏthtoc,derjedochnurdenerstenTeildesWerkstrifft(s.B. NieseinderAusgabedesIosephusvol.5[19552 ]p.IV/VundJohnM.G.Barclay,FlaviusIosephusAgainstApion,Leiden/Boston2007=FlaviusIosephus,TranslationandCommentary,ed. St.Mason,vol.10,p.XXVIII/XXX)–dasHauptgewichtaufdenErweisdesAlters,denGedankenderAbhängigkeitdergriechischenWeisenvonMosesstreifternurgelegentlich,s.unten S.51,6.BeiTheophilusadAutol.3,16ff.gehtesnurumdenAltersnachweis,obwohlandernorts(ibid.2,37,16)auchvomDiebstahlgriechischerDichterdieRedeist.Tertullianbehandelt imApologeticumbeidePunkte,abergetrennt:zuerstdie antiquitas allein(apol.19),danndie Abhängigkeit(ebd.47).ÄhnlichLaktanz(antiquitas:inst.4,5,4/10,vgl.1,23,1/5;Abhängigkeit: s.untenS.119f.)undAugustinusimGottesstaat:civ.8,11wirddieFragederAbhängigkeit erörtert,später(civ.18,37)nocheinmalinanderemZusammenhangdie antiquitas fürsich.
b.DiedreiElementedesAltersbeweises
Auchindieserersten,allgemeinenFormenthältderAltersbeweisunübersehbareMängel,abersiewirdheutewohljedermannmitjenerNachsichtaufnehmen,diewiretwaantikenBerichtenüberdieFrühgeschichte(Çrqaiolog–a)der VölkeroderüberdenVerfasserderhomerischenEpenentgegenbringen 2.Von derSchichtenanalysedermodernenalttestamentlichenWissenschaftwarendie Kirchenväterweitentfernt,ihnengaltdereineMosesalsVerfasserderersten fünfBücherdesAltenTestaments,undseineZeitsetztensieaufvierhundert odergartausendJahrevorderZerstörungdeshomerischenTrojaan 3,unddamitjeweilsumetwaebensovielJahrezufrüh 4.SiehieltensichdabeihauptsächlichandieChronologie,diederjüdischeHistorikerFlaviusJosephus,aufälterenhellenistischenQuellen,besondersderägyptischenGeschichtedesÄgyptersManetho,fußend,baldnachdemJahr100n.Chr.inseinerSchrift»GegenApion«vorgelegthatte 5.Eswäresehrunbillig,überdieseBerechnungen
2 DiemodernePentateuchkritikentwickeltesichgleichzeitigmitderHomerkritik;vgl.O. Eissfeldt,EinleitungindasAlteTestament,Tübingen19643 ,234.LetzterefandallerdingsAnsätzeschoninderAntike,sogeradebeiJosephus(c.Apion.1,12);vgl.F.A.Wolf,Prolegomena adHomerum,Halle1795,p.LXXVIsq.,CV.K.A.BöttingerimFrühjahr1795überWolfsHomerkritik:»DenmeistenBeifallhatsichWolfvondenneuerenTheologenzuversprechen,die keingeringesTriumphlieddarüberanstimmenwerden,daßnunauchdieserheidnischeMoses entthrontist«(s.Grumach[wieobenS.12,2]Bd.1,144f.).
3 Tatian.or.adGraec.39,2;Clem.Alex.strom.1,102,3;Euseb.chron.p.171Karst(GCS20,Euseb.5):vierhundertJahre;Theophil.adAutol.3,21,6:neunhundertbistausendJahre(vgl.ibid. 3,28);Tert.apol.19,3: millecirciter.Vgl.Anm.5.Imübrigen:daderverklärteHerrmitMoses undEliasaufjenemBerggeredethatte(Mt.17,1/8;Mc.9,2/8;Lc.9,28/34),warenExistenz, Person,AutoritätdesGesetzgebersineinerWeisebeglaubigt,diejedenZweifelausschloß,und Gregorv.NyssakonnteseinLebenzumGegenstanderbaulicherBetrachtungmachen.DievielenFragen,diedieGestaltdesMosesdermodernenWissenschaftaufgibt–dazuE.Otto(Hrsg.), Mose,ÄgyptenunddasAlteTestament,Stuttgart2000=SuttgarterBibelstudien189–,stellten sichdenVäternnicht.
4 DazueinigeHinweise:ChrêsisX27,6.IndessinddieZweifelanderHistorizitätdesGeschehens nieganzverstummt,vgl.etwaF.Hampl,DieIliasistkeinGeschichtsbuch:SertaPhilologica Aenipontana(I),hrsg.vonR.Muth,Innsbruck1962,37/63.
5 Ioseph.c.Apion.1,104:derAuszugdesVolksIsraelausÄgyptengehtdemtrojanischenKrieg etwaumtausendJahrevoraus.ÜberManethozusammenfassendBarclay(wieobenAnm.1) 335/37.DieFragmenteseinerAegyptiacabeiJacobyFGrHist609F1/12undinderLoebLibrary(ed.W.G.Waddell1940).ManethokommtbeiMülke(wieobenS.16,16)mehrfachzu Wort;zurDiskussionderEchtheitsfrageibid.S.158,Anm.555.