Ausgabe juli 2013 - Luft und Raumfahrt

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IHR KÖLNER STADTJOURNAL IM ZEITSCHRIFTENFACHHANDEL

szene, kulturen, temperamente

2,00 EUR Ausgabe Köln/Bonn

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Stadt[er]leben in der Kölner Region

Nr.18

Irdisches und ausserirdisches

Raum und Zeit Piet Klocke: ‚ Der Mann im Mond‘

EIN THEATER IST KEIN THEATER

HELIOS: PLANEN MIT DEN BÜRGERN

KAMPFSPORT GEGEN GEWALT

So sieht es die Kölner Kulturförderung. Gemeint ist die Kammeroper Köln, Talentschmiede für junge Sänger und Musiker. Sie muss ohne öffentliche Förderung auskommen. Trotzdem begeistert das Tourneetheater sein Publikum mit Leidenschaft,

In Köln etabliert sich eine neue Form der Bürgerbeteiligung. Die Menschen mischen sich ein bei der Neugestaltung des Helios-Geländes, bringen ihre Expertise ein und setzen damit Maßstäbe einer anderen Stadtentwicklung.

Kampfsport und Gewaltprävention passen sehr gut zusammen. Beim TAK e.V., Träger des Ehrenamtspreises 2012, lernen Kinder und Jugendliche, sich selbst kennen zu lernen, „mit sich selbst zu kämpfen“, anderen positiv mit Respekt zu begegnen

Foto © Andreas Bastian

ABO SERVICE Die besten Infos und Geschichten aus Köln druckfrisch ins Haus. Seconds bietet den Aboservice für 25 € für 10 Ausgaben abo@seconds. de TEMPERAMENTE

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3. Jahrgang Ausgabe 18 - Juli/August 13 Verkaufspreis: 2,00 €


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Momentaufnahmen

Temperamente Gesellschaftliches Engagement Heiner Brand über Sport und gesellschaftliches Engagement

Kulturzirkus Die Kölner Mutbürger Helios - leuchtendes Signal für eine bessere Bürgerbeteiligung

Urban Arts BALLONFLUG Ein Interview mit dem Piloten Gewinnen Sie einen Flug über Köln

Biolance Foodsharing Essen Teilen

„Was wir wissen ist e

Jeder fünfte Kölner leistet aktuell bürgerschaftliches Engagement oder ist ehrenamtlich aktiv. Sich freiwillig, ohne finanzielle Vorteile für seine Mitbürger oder gemeinsame Ziele einzusetzen, ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Lebensqualität und der Identifikation mit dieser Stadt. Die Palette der Aktivitäten reicht vom Ehrenamt in Vereinen, Kirchen, Kindergärten und Stiftungen bis hin zu Bürgerinitiativen, Selbsthilfeorganisationen und der freiwilligen Arbeit in karitativen Einrichtungen, Rettungsdiensten oder Hilfsorganisationen. Und viele, die nicht selbst tätig werden, unterstützen deren Engagement durch regelmäßige Spenden. Seconds macht sich auf den Weg und besucht die Kölner Kultur Paten, schaut hinter die Kulissen der Kammeroper, portraitiert den Draussenseiter, die älteste Straßenzeitung Deutschlands, begleitet Klinik Clowns und Kölner Tafel bei ihrer Arbeit und führt Gespräche mit Heiner Brand und Gabi Walter der Trägerin des Bundesverdienstkreuzes über die Selbstverständlichkeit bürgerschaftlichen Engagements. Wir staunen über Streetart, Kunst in der Überlebensstation Gulliver und eine neue Bürger- und Stadtkultur des Einmischens.

redaktion@seconds.de

Abo Service: 10 Ausgaben (1 Jahr) 30,- EUR Stadt[er]leben - Seconds Ihr Stadtjournal mr@seconds.de (Seconds erscheint alle sechs Wochen)

Entrée

Aus den Inhalten

Lebensraum

Kulturzirkus

Kunst im sozialen Raum Elvira Reith realisiert regelmäßig Ausstellungen im GULLIVER

Die Kölner Mutbürger Helios – Leuchtendes Signal für eine bessere Bürgerbeteiligung?

Nicht groß reden, einfach helfen: Für Gabi Walter ist bürgerschaftliches Engagement selbstverständlich

Die Kammeroper Köln ist Talentschmiede ohne öffentliche Förderung Nachwuchs fördern und Kinder begeistern

60 Jahre alt – was dann? Kölns Berufsfeuerwehrmänner im Ruhestand. Aktiv im Alter bei Ford Wie aus einer kleinen Hilfeleistung ein ehrenamtliches Engagement entstehen kann Die „Rolling Stones“ der Unternehmen

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Zusammen für die Kunst artrmx e.V. sorgt in Köln nicht nur für einen bunten Kunstmix Ehrenamtliches Know-How für Kölner Kulturschaffende Kulturelle Szene in Köln kann Unterstützung gut gebrauchen

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17. Ausgabe | 03

ein Tropfen, was wir nicht wissen ein Ozean!“

Illustration: Dusty Abell

Urban Art

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Originell

Theater-Film

Musik

Der DRAUSSENSEITER: anders, bunt und offen für jeden. Christina Bacher über die Arbeit des ältesten Straßenmagazins in Deutschland

Wie fair ist Fair? Von Kaffeepflückern und Milchbauern

Mit Herz dabei Nachbarschaftshilfe im Veedel

„Ginger & Rosa”

„Nu Aber“ – auf Tour mit Fabian Harloff

Kampfsport als Mittel gegen Aggressivität und Gewalt: TAK e.V. Die 180 Grad Wende Freie Plätze für Kölner Jugendliche in Liverpool und Rotterdam ab September 2013

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Tafelfreuden Wenn es sie nicht schon gäbe, man müsste… „Reparieren kann genauso viel Spaß machen wie neu kaufen!“ Ein Besuch im Repair Café

Kulturgut Kölner Karneval erleben! Museumsfest im Karnevalsmuseum Meine persönliche Heldin im Alltag

Kino jenseits des Mainstreams Das Allerweltskino engagiert sich für Filme aus fremden Kulturen SOMMERBLUT – das vielseitige, umfassende Festival der Multipolarkultur

CRYPTEX Animiert eure Beine und geht hin Konzertbericht Fritz Kalkbrenner

Dankbarkeit eines Obdachlosen

Impressum

20 Jahre Tafeln in Deutschland „Vertafelt“ unsere Gesellschaft?

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The Soft Hills Wandern durch magische Landschaften

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Piet Klocke ‚ Der Mann im Mond‘

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Wer bin ich, oder wo kann ich sonst noch sein?


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Raum und Zeit existieren seit geraumer Zeit Seconds: Wir wollten mit Piet Klocke als Mann im Mond sprechen. MiM: Sehr gern. Ich mache seit Tagen Diät, nehme also ab, da passt es ganz gut. Seconds: Sind Sie mit den Fragen, die wir vorbereitet haben, nicht einverstanden? MiM: Im Gegenteil! Ich habe sie nur noch nicht gelesen! Seconds: Das ist gar nicht schlimm. Der Mann im Mond sieht ja so vieles … MiM: Absolut richtig! Und nach wie vor gilt meine These: „Raum und Zeit existieren seit geraumer Zeit.“ Seconds: Der Mann im Mond kann auf alles blicken … MiM: Entschuldigung, wollten wir jetzt „du“ sagen? Seconds: Ja, können wir gerne machen ... Andrea. Andreas. MiM: Mann im Mond, angenehm. Seconds: Sie haben vor einigen Jahren einen Film gemacht als Mann im Mond … MiM: Ja, mitgespielt. Ein Kurzfilm nach der wunderbaren Geschichte des Tomy Ungerer war’s, die Abschlussarbeit von Studenten der Filmhochschule München. Kann man sehen unter: www.youtube.com/watch?v=82nWMMkXaN8. Seconds: Da waren Sie ja der zerstreute Professor … MiM: Das bietet sich meist an. Durch mein professorales Äußeres und durch das, was ich auf der Bühne so mache. Seconds: Und das Lebensprogramm, ist das auch der Professor? MiM: Mein Lebensprogramm ist entspannter. Wäre ich im Leben wie auf der Bühne, Herz, Nerven und Lactosebereitschaft hätten nicht mitgespielt. Seconds: Wir haben mal recherchiert, woher der Begriff „Mann im Mond“ überhaupt kommt. Im 17. Jahrhundert kam er auf. Seitdem haben Eltern ihren kleinen Kindern gern vorgelogen, dass der Mann im Mond alles sieht. Er wurde dazu benutzt, dass die Kinder sich anständig benahmen, wenn die Eltern nicht dabei waren. MiM: Religion arbeitet meist mit Angst und das äußerst erfolgreich! Früher hat man Hexen verbrannt, heute Schwarzgeld. Seconds: Wie viele Menschen glauben denn an Sie, also an den Mann im Mond? MiM: Sicher sehr viele. Das liegt an meinem Gesicht, das man zu erkennen glaubt. Außerdem: Entfernung gibt Spielraum für Träume. Was man nicht erkennt, glaubt man sich klar. Der Mensch kann es nicht ausstehen, dass alles nur halbgehangen ist. Seconds: Der Mann im Mond kann auf alles blicken. Deshalb fragen wir Sie: Wie sieht es mit den Comedians in Deutschland aus? MiM: Viele von denen könnte man auf den Mond schießen (lacht). Nein, alles kein Problem. Die Geschmäcker sind verschieden. Und das ist prima. Seconds: Klasse oder Masse? Die Sternchen und Auszeichnungen gehen wie bei der Oscar-Verleihung immer an bekannte Helden. Wo muss man hingehen, um den Nachwuchs oder die Underdogs zu finden? MiM: Na dahin, wo Underdogs und Anfänger auftreten! Oft ganz kleine Clubs oder Kneipen. Man nehme nur die wunderbare Poetry-Slam-Bewegung. Theresa Hahl zum Beispiel, welch ungemein poetische Qualität! Großartig! Wie überall ist natürlich auch in dieser Szene unglaublich viel Mist dabei. Man kommt nicht umhin auszuwählen. Viele machen es sich zu leicht. Sie sind Opfer derer, die Dinge und Abläufe falsch kommunizieren. Wer beispielsweise zwei- bis dreimal im Fernsehen zu sehen ist, wird nicht zwangsläufig reich und berühmt! Obwohl.... Seconds: Auf der Erde wird von Geologen, Physikern, Biologen und im Internet Ihre Existenz angezweifelt. Wie gehen Sie damit um?

18. Ausgabe | 05 MiM: Auf der einen Seite, meine Eitelkeit betreffend, nenne ich das „gelebte Unerzogenheit“, denn ich bin ja nun rein vom Alter her jemand, den man ehren und respektieren sollte. Auf der anderen Seite ist mir diese Sicht ganz lieb, weil ich dann auch mal meine Ruhe habe. Gerade an Tagen, wo hier oben düstere Nebelschwaden und das schlechte Wetter dicht vor meiner Mond-Nase auflaufen! Ich schätze diese Momente, mal nicht beachtet oder Opfer von Spekulationen oder der NASA zu sein. Seconds: Fünf Milliarden Menschen glauben laut unserer Recherche nicht mehr an Sie, der Rest glaubt, Sie ernähren sich von Cornflakes – welche Marke bevorzugen Sie? MiM: Cornflakes? Was ist das? Eine Heavy-Metal-Band? Eine Sekte? Schnaps in Sprühflaschen? Seconds: Würden Sie für Coca Cola und Jeans auf die Erde wechseln? MiM: Von Cola bekomme ich Sodbrennen, Jeans sind mir zu erdig. Seconds: Würden Sie gerne mal die Erde besuchen und dort wohnen? MiM: Zu Besuch wäre ich schon gerne mal irgendwo, mal weg vom Mond, reisen, neue Planeten und fremde Galaxien entdecken, die nie ein Mann im Mond …, ja, das könnte auch die Erde sein. Seconds: Stehen denn noch mehr Planeten zur Auswahl? MiM: Unvorstellbar viele! Übrigens, wussten Sie, dass man sich einfach irgendwohin hindenken kann? Seconds: Ach, so ’ne Art Beamen? MiM: Ja, wie im Raumschiff Enterprise. Ob ich allerdings auf der Erde wohnen würde, bezweifle ich. Die Mieten sind doch da so hoch! Und einen Jugendherbergsausweis besitze ich noch nicht. Seconds: Apropos Mieten: Seit Neuestem sind Sie ja ins Immobiliengeschäft eingestiegen. Die Makler hier auf der Erde verkaufen inzwischen Mondgrundstücke für 299 Euro je Hektar. Hat das wirklich rein wirtschaftliche Gründe? MiM: Ich habe dieses verwegene Projekt unterstützt, weil ich es einfach schön fände, hier mal ab und zu mit Menschen in Kontakt zu kommen. Nur weiß ich natürlich auch um die Schwierigkeiten! Vor Kurzem wurde zum Beispiel in einer Zeitschrift eine junge Künstlerin vorgestellt, die offenbarte: „Ich arbeite nicht gern mit Menschen, da gibt’s immer nur Theater!“ So etwas lässt auch einen Mondmann ins Grübeln kommen. Dennoch wird es mit Sicherheit immer auch viele nette Menschen geben. Daran möchte ich nicht zweifeln. Ihr zum Beispiel habt diesen langen Weg zu mir auf euch genommen, selbst auf die Gefahr hin, dass der Treibstoff für den Heimflug nicht reicht! Seconds: Wir haben auch extra One-Way-Tickets gebucht, denn wir wollen ja die Mondzeitung rausgeben. MiM: Wenn ihr nicht mehr zurückwollt – diese 299-Euro-Wohnungen sind 160 qm2 groß, mit Terrasse und Saturnsicht. Da lässt sich am Preis sicher noch was deichseln. Ich sitze ja im Gremium. Mond-Lobbyist sozusagen (lacht). Und eure Mondzeitung ist hiermit ab sofort abonniert! Seconds: Welchen Beruf haben Sie gelernt? MiM: Ich bin Schreiner. Habe damals den Mond aus einem einzigen Stück Holz gefertigt, eine Laubsäge- und meine Meisterarbeit. Die Venus war übrigens eine Auftragsarbeit. Hat ein Steinmetz vom Mars einige Dekaden zuvor gefertigt. Gute Arbeit! Vor allem die Kurven!

Auf der Erde wird von Geologen, Physikern, Biologen und im Internet Ihre Existenz angezweifelt. Wie gehen Sie damit um?

Seconds: Haben Sie eigentlich einen Führerschein? MiM: Nein, aber ich habe einen Fahrradhelm. Der muss einem eurer Astronauten gehört haben, der an irgendeiner Raumstation etwas im Außenbereich repariert und den wohl verloren hat. Hier landet ja eine ganze Menge eures Mülls! Seconds: Also besteht auf dem Mond auch Fahrradhelmpflicht, vermute ich mal? MiM: Absolut. Der Mond ist ja eine Scheibe, da kippt vieles schnell mal runter ins All. Die Fahrradwege allerdings werden hier stellenweise ähnlich wenig gepflegt wie auf Erden. Seconds: Wie steht’s mit der Gastfreundschaft? Was haben Sie zu Armstrong gesagt, als er bei Ihnen gelandet ist? Hat er wirklich ein Paket Cornflakes abgeliefert oder haben Sie das auch nur im Fernsehen gesehen?

Wenn ihr nicht mehr zurück wollt – diese 299-Euro-Wohnungen sind 160 qm2 groß, mit Terrasse und Saturnsicht. MiM: Armstrong ist hier niemals gelandet! Das war eine Ente. Sicher, er wollte damals zu uns, war aber derart stark gedopt, dass er nicht bremsen konnte und direkt weitergeflogen ist. Soviel ich weiß, versuchen heute noch verschiedene Pharmafirmen, ihn aufzuhalten. Durch Medikamente. Seconds: Auf der Erde gibt es die Redewendung, dass man jemanden zum Mond schießen möchte. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, wer sollte Sie als Nächster besuchen dürfen? MiM: Oh, da gäbe es einige, die ich gerne mal bei mir zum Kaffee hätte. Namen nenne ich aber jetzt keine. Dazu bin ich heute zu sehr in altersmilder Verfassung. Seconds: Der Mann im Mond scheint ja sehr demokratisch zu sein … MiM: Und royal! Das bekenne ich gern. Gäbe es das Amt des Königs der Welt, ich stünde zur Verfügung. Hätte auch Zeit. Seconds: Hätten Sie eine Königin? MiM: Na selbstverständlich! Beatrix, die holländische Königin. Seconds: Sie hat doch abgedankt, oder? MiM: Ebendrum, sie wäre jetzt frei. Seconds: Warum gerade sie? Ausstrahlung, Charisma? MiM: Sie war eine Königin wie aus dem Lehrbuch. Abstand zum Volk und gleichzeitig Nähe. Großartig! Das „beherrschen“ nicht viele. Schauen Sie sich doch bloß die aktuellen irdischen Politiker an. Gähnend stromlinienförmig und wie aus dem Werbeprospekt! Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer, bitte übernehmen Sie!!


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Über sieben Köpfe musst du gehen

Neues von Piet Klocke Auf Erden‘ Ich bin gelernter klassischer Gitarrist und mache Musiktheater in der Tradition der „Fools“ Seconds: Du hast ja in Amsterdam angefangen, Musik zu machen, dann Theater. Was war der Ursprung der ganzen Sache? Wir haben ein bisschen Wikipedia geguckt und … Piet: Wenn’s im Internet steht, muss es ja stimmen! Seconds: Dafür ist Wikipedia doch da. Piet: Absolut! Nun, Ich bin in Berlin geboren und wohne auch dort, weil schließlich alle Künstler da wohnen, in Mitte oder Neukölln. Nur in Berlin schafft man’s, kommt ins Fernsehen oder in die Liste der 500 deutschen Intellektuellen! Auszeichnungen und Preise bekommt man allerdings eher anderswo. Und das auch nur, wenn man jemanden kennt, der wiederum den kennt, der Preise und Auszeichnungen vergibt. Ich ziehe deshalb schon bald wieder um. Mein Makler stellt grad den Kontakt zu Wikipedia her. Das wird aktualisiert, dann stimmt’s wieder. Seconds: Du machst kein politisches Kabarett. Piet: Nein, ich nenne mich auch nicht neudeutsch-hip „Comedian“, sondern „Komödiant“, da bin ich sehr gern altmodisch. Ich bin gelernter klassischer Gitarrist und mache Musiktheater in der Tradition der „Fools“. Die letzten „Ausläufer“ der Hippiebewegung. Ich lernte in meiner Fotos©seconds.de

dreijährigen Zeit in Amsterdam das „Hauser Orkater“ kennen und wusste sofort, dass diese Kunstform die meine war. Zurück in Deutschland gründete ich das „Kamikaze Orkester“, mit „k“ als Verbeugung vor den Hausers. Lange Zeit und viele Musiker (75 um genau zu sein, einer von ihnen der Vater Jan Delays) und Schauspieler hat es gebraucht, bis die perfekte Form dieses Unternehmens sich als Duo, mit der wunderbaren, genialen Jazz-Saxofonistin Simone Sonnenschein, herauskristallisiert hatte. Hätte ich zu Anfang nicht so immens viel Zeit und Gelegenheit gehabt auszuprobieren, wer weiß, ob ich’s jemals geschafft hätte? Seconds: Kann man heute noch sowas machen? Piet: Man kann immer alles machen! Nur Angst darf man nicht haben oder sich für Arbeit zu schade sein. Die Dinge kommen nicht von selbst angeflogen. Was rede ich, das weiß ja wohl jeder. Seconds: Dein Programm „Hiphop für Angestellte“, in dem du dich ja selbst vertrittst, hast du über sieben Tage und sieben Köpfe hinweg zur absoluten Perfektion gebracht. Piet: Genau! Wie sang Catharina Leandros so schön: „Über sieben Köpfe musst du gehen.“ Seconds: Wie hast du deine Begabung für frei-assoziative Sprachakrobatik entdeckt? Was war wesentlich? Piet: Ich bin in einem neusprachlichen Gymnasium geschult geworden, ich liebe die deutsche Sprache. Und durch Latein habe ich das Phänomen der Satzverschachtelung kennengelernt. Auf der Bühne lässt mein Gehirn es assoziativ so richtig krachen. Wenn ich also im Satz scheinbar nicht weiterkomme, ist dafür die Entscheidungsfindung verantwortlich. Welche der sich anbie-

tenden Wege, einen Gedanken weiterzuspinnen, nehme ich? Das muss in Millisekunden entschieden werden und kann deshalb auch schnittig danebengehen, ha! In der Kunst muss man bekanntlich Filter weglassen, entfernen, ausschalten, um frei zu denken. Auf der Fahrt zum Mond bereit sein, von der schnurgeraden Luftlinie abzukommen und vorher womöglich noch Saturn und Pluto zu besuchen. Sich Möglichkeiten geben. Und zwar möglichst alle (lacht und verschluckt sich). Seconds: Die Menschen sind ja weniger damit beschäftigt zu leben, als vielmehr zu verhindern …, durch das ganze Reglement, was sie sich auferlegen. Piet: Das mag sein. Es gibt trotzdem für niemanden Grund, arrogant zu sein. Keiner kennt die ideale Definition von Freiheit. Jeder bastelt sich seine persönliche Version. Es sind immer nur minimale Teilbereiche, die das Leben zu vermeintlicher Freiheitserfahrung herausgibt. Ich zitiere mal aus meinem Buch: „Da sitzt man eines abends auf der Couch, lehnt sich, mit im Nacken verschränkten Armen, genüsslich entspannt nach hinten, schlägt weltmännisch die Beine übereinander und denkt, man hätte es endlich, Gott sei dank, geschafft, im selben Moment klingelt es unten an der Tür, und Du fängst wieder von vorne an!“ So geht Leben, das bringt Bewegung, ahoi, ist noch Bier im Eisschrank? Seconds: Wie steht’s eigentlich um den Haubentaucher? Du erinnerst dich? Piet:Aber natürlich! Vom Haubentaucher, seiner Haube und der polizeilichen Gegenüberstellung mit seinen „Opfern“ erzähle ich auch heute noch in meinen Lesungen, die ich neben den Bühnenprogrammen mit Simone Sonnenschein (kein Künstlername!) halte. Mir macht es unbändige, kindliche Freude, die Natur zu beobachten. Tiere sind einfach klasse! Und witzig auch, dass wir Menschen das einzige Tier sind, das sich nicht für eines hält! Köstlich! Schon für diesen Hochmut sollte man uns den „Orden wider den menschlichen Ernst“ verleihen.

Keiner kennt die ideale Definition von Freiheit. Jeder bastelt sich seine persönliche Version. Es sind immer nur minimale Teilbereiche, die das Leben zu vermeintlicher Freiheitserfahrung herausgibt.


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18. Ausgabe | 07 Seconds: Ich möchte gerne noch was Konkretes zum neuen Programm fragen. Hat es schon einen Namen? Piet: Der Arbeitstitel lautet: „SMS to LAGERFELD“. Wir verhandeln grad mit dem Meister um die Erlaubnis, uns mit seinem Namen zu schmücken.

Man kann immer alles machen! Nur Angst darf man nicht haben oder sich für Arbeit zu schade sein.

Seconds: Zum Abschluss: Ihr spielt ja im Oktober in Köln in der Comedia … Piet: Obwohl die Akustik dort für unsere meist funkig-groovige Musik nicht unbedingt der Hammer ist, wir lieben die Atmosphäre, die Chefin und ihre Mannschaft. Die Kölner Zuschauer sowieso. Da brauche ich hier nicht zu schleimen, es macht einfach tierisch, aber auch menschlichen Spaß! Seconds: Piet Klocke, wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch und die neuesten Einsichten vom Mann im Mond!

Recherche über Piets Biografie im Internet Piet Klocke, ein erstaunlicherweise alternder Wandergitarrist, wurde 1832 in Yavatmal (östl. Avila) unmittelbar vor einer Verkehrskontrolle geboren. Seine Eltern zogen um, er kam nur zögerlich nach. Praehum stand kaum eine seiner Erklärungen in irgendeinem Verhältnis. Das hat sich folgerichtig schleichend zu eindrucksvoll Geballtem aufgetürmt, erklärt dennoch nur vage die 1903 links neben ihm ausgebremste Liebe zu Natur und heller Farbgebung düsterer Visionen mittelalterlicher Abbildungen apokalytischer Traumsequenzen. Mit keinem Wort hatte man ihm seinerzeit ausdrücklich erklärt, was hernach auf ihn einstürzen sollte und würde, hätte er es sich nicht schon früh mit diversen Lösungsmethoden uneingeschränkt, aber mit durchaus brauchbarem Tun und folgenschwerer Betrachtungsbeteiligung verscherzt, nur allzugern. Absehbar meist vor dem Nachhinein. Erst aufgrund dieser verfahrenen Situation wurden seine Eltern älter, die Schwester entsprechend ruhiger, Deutschland besann sich wieder mehr auf den Export. 1918 – Umzug ins Berlin der 18er Jahre. 1924 – Flucht nach Datteln. Noch auf dem Weg dorthin übernahm er im Zug die gesamte restliche Streckenführung, engagiert, wie

man bald feststellte. Es sollte seine letzte sein. 1937 – Wiedergeburt in Dessau. Erneute Gespräche mit Selma Lagerlöf. Gastprofessur an der “HdK” in Hybrid. 2006 – Veröffentlichung des Bestsellers “SCHEITERN als WEG!”. Lesungsreisen durch diverse furchtbare Landschaften der südlichen Thurgau. Zusammenarbeit mit T.C. Shifty. Premiere des Musicals “André Heller erleidet einen Grönemeyer” in Berlin. Erste vorsichtige Karikaturen im Blog der Wein-Manufaktur Hellstein. 2008/13 – Abbruch der Verfilmung des Buches “If hiphop be the food of Love, funk on!”. 2013 – Aufgabe der Fenchel-Farm in Reutlingen, Gründung eines eigenen Staates unter seiner Leitung, neue Brille. 2014 – Erwerb des weltweit ersten iPhone mit intaktem Ein- und Ausschalter. Viele Nahaufnahmen, kaum Reaktionen, schleichende Umstellung von Geld auf Holz.

/pietklocke.de

Das neue Programm auf Tour: 07.09.2013 08.09.2013 21.09.2013 27.09.2013 04.10.2013 18.10.2013 24.10.2013 25.10.2013 26.10.2013 27.10.2013 29.10.2013 15.11.2013 01.12.2013

Bremen, Schwankhalle Kiel, Metro Leverkusen, Scala Lesung Kreuztal, Stadthalle Arnsberg, Sauerland-Theater Mülheim/Ruhr, Theatersaal der Stadthalle Köln, Comedia Baden-Baden, Rantastic Baienfurt, Hoftheater Friedrichshafen, Bahnhof Fischbach Teningen, Winzerhalle Gauting, TheaterForum Aschaffenburg, Hofgarten-Kabarett

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08 | Lebensraum

Die erste deutsche Frau im All

Sonja Rohde ist dem Weltraum schon ganz nahe. Sie wurde von Sir Richard Branson höchstpersönlich als erste deutsche Frau im All vorgestellt. Das Weltraumwunder Space-Ship-Two eröffnet nicht nur neue, ungeahnte Dimensionen für Privatpersonen, sondern demonstriert auch neueste Technik für die Weltraumforschung. Es wird nicht, wie andere Raumschiffe vom Boden aus starten, sondern wird vom Trägerflugzeug „White Knight Two“ in eine Höhe von 50.000 Fuß befördert, um von dort seine Reise ins All selbstständig fortzusetzen. Es wird nur acht Personen transportieren, davon zwei Piloten und sechs Passagiere. An einem der ersten Flüge wird die Deutsche Sonja Rohde teilnehmen. Wir sprachen mit Ihr am Telefon:

Sonja Rohde vor dem Trägerflugezug

Ein Interview von Katharina Mansi Seconds: Frau Rohde, Ihre Geschichte erinnert ein wenig an den Beginn eines Spielfilms: erst der Kindheitstraum von einer Reise ins Weltall und dann die zufällige Begegnung mit dem Multimilliardär Sir Richard Branson, die Ihren Kindheitstraum plötzlich in greifbare Nähe rückt. Wie haben Sie diese Begegnung damals erlebt und wie hat sie Ihr Leben dadurch verändert? Sonja Rohde: Ich habe gedacht, diese Begegnung muss mein Schicksal sein, und sofort zugesagt, dass ich auf jeden Fall mitfliegen will. Diese Chance, endlich in den Weltraum fliegen zu können, ist eine riesige Bereicherung, die meinen Horizont in kurzer Zeit unglaublich erweitert hat. Ich reise viel um die Welt, lerne interessante Menschen kennen, erlebe Dinge wie Schwerelosigkeit oder Zentrifugentraining und werde auf spannende Veranstaltungen eingeladen. Natürlich sind daran gewisse Anforderungen geknüpft. Man bewegt sich plötzlich auf dem Parkett der Medien und steht im Fokus. Aber man wächst mit seinen Aufgaben. Letztlich hat sich mein gesamtes Leben an diesem einschneidenden Erlebnis ausgerichtet. Was das alles bedeuten würde, war damals

foto © Sonja Rohde

in diesem kurzen Moment der Entscheidung so noch nicht abzusehen. Seconds: Sie werden die erste deutsche Frau sein, die als Privatperson ins Weltall reist – was genau fesselt Sie so an diesem Vorhaben? Sonja Rohde: Es ist das letzte große Abenteuer der Menschheit, bei dem man noch mal die Chance hat, völlig neue Räume zu betreten. Ich wollte aber nicht unbedingt die Erste sein, das hat sich einfach so ergeben. Und ich freue mich, dass ich dem Projekt Starthilfe geben kann. Seconds: Mit welchen Kosten sind die Vorbereitung und der Flug an sich verbunden? Sonja Rohde: Der Flug selbst kostet 200.000 US-Dollar. Aber dazu kommen die Kosten für spezielle Trainings, für Reisen in die USA, aber auch innerhalb Deutschlands. Ich bin für dieses Projekt viel unterwegs – und da kommt noch mal einiges an Zusatzkosten zusammen. Seconds: Haben Sie jemals bei dem Gedanken an die-


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18. Ausgabe | 09

Sonja Rohde berichtet über die Zukunft der privaten Raumfahrt

foto © Sonja Rohde/Zero G

Sonja Rohde und Team - schwerelos ses außergewöhnliche Lebensereignis kalte Füße bekommen? Mit welchen Risiken müssen Weltraumtouristen rechnen? Sonja Rohde: Mit den gleichen Risiken, die mit jeder Art von Raumfahrt verbunden sind zum Beispiel die Explosionsgefahr. Ob Sie nun als Wissenschaftler verglühen oder als Privatperson, das ist im Prinzip ja das gleiche. Aber wer ein Abenteuer will, muss sich auch den Risiken stellen. Und die sind bei diesem Vorhaben immens. Denn schließlich ist das ja ein lebensgefährliches Unterfangen, bei dem man auch technisches Neuland betritt.

Wer ein Abenteuer will, muss sich auch den Risiken stellen. Seconds: In Cape Canaveral haben Sie zum ersten Mal gespürt, was es bedeutet, schwerelos zu sein. Wie haben Sie sich auf diese Erfahrung vorbereitet? Sonja Rohde: Die ganzen Vorbereitungen sind sehr intensiv gewesen und nicht zuletzt eine körperliche Herausforderung. Aber das Erlebnis ist so unbeschreiblich schön und unvergesslich! Da lohnt sich der Aufwand. Seconds: Sie waren schon zu zahlreichen Fernsehsendungen eingeladen und auch die Presse schenkt Ihnen viel Aufmerksamkeit. Wie gehen Sie selbst, aber auch Ihre Freunde und Familie mit diesem konstanten Medienrummel an Ihrer Person um? Sonja Rohde: Einem selbst kommt das gar nicht so vor. Man merkt das eigentlich im Alltag kaum, wenn man nicht gerade in einer Talkshow sitzt. Natürlich gibt es immer wieder Phasen, in denen das Telefon heiß läuft und richtig Rummel ist. Aber auch daran gewöhnt man sich irgendwann. Am Anfang war es natürlich eine ganz schöne Umstellung, über Nacht plötzlich diese Überkommunikation zu erfahren, die wie eine Lawine auf einen zurollte. Freunde und Familie beobachten das alles ganz gespannt und freuen sich mit

mir auf dieses Abenteuer. Seconds: Als Frau in einer von Männern dominierten Branche müssen Sie sich bestimmt oft behaupten. Wie reagieren die Männer im Speziellen auf Ihre Zukunftspläne? Sonja Rohde: Die Männer finden das ganz cool. Vielleicht sehen sie mich auch als eine Art Barbarella oder Amazone des Weltalls. Die Menschen, die bei solchen Projekten dabei sind, sind meistens alle sehr aufgeschlossen und denken nicht in solchen Kategorien. Mein Freund macht sich natürlich Sorgen. Er sagt immer: „Du bist die Frau meines Lebens – und wenn Dir da oben etwas passiert, was mache ich dann?“ Seconds: Frau Rohde, im Jahr 2005 ist Ihr Traum – unverhofft – in greifbare Nähe gerückt. Nun sind acht Jahre vergangen und der Flug ins All ist noch nicht Realität geworden. Wie sind Sie mit den ständigen Verzögerungen zurechtgekommen? Sonja Rohde: So schnell lasse ich mich nicht entmutigen! In den Weltraum zu fliegen ist immer noch mein größter Wunsch – seit über 30 Jahren! In den letzten acht Jahren habe ich mich jedoch wie ein buddhistischer Mönch in Gelassenheit üben müssen. Aber tief im Innern weiß ich, dass sich das Warten am Ende lohnen wird, auch wenn es verdammt schwerfällt. Seconds: Wodurch kamen die Verzögerungen zustande? Sonja Rohde: Es gab eine Explosion mit drei Toten bei einem Triebwerkstest. Soweit ich weiß, musste nach diesem schrecklichen Unglück ein neues Triebwerk und ein neuer Treibstoff entwickelt werden. Daraufhin wurde die Testphase verlängert und die ohnehin schon hohen Sicherheitsstandards mussten noch weiter verschärft werden. Seconds: Bereiten Sie sich immer noch tagtäglich auf den Flug vor oder ist bei Ihnen bis zum Antritt des Fluges der Alltag wieder eingekehrt? Sonja Rohde: Sowohl als auch. Die Fitness muss natürlich permanent aufrechterhalten werden, aber der Alltag findet auch noch statt.

Seconds: Die Virgin Galactic ist das erste Spaceshuttle, das Weltraumreisen für Privatpersonen anbietet – der französische Designer Philippe Starck hat das Raumschiff gestaltet. Die Reise ins All kostet rund 200.000 US-Dollar – ein Betrag, mit dem andere ein ganzes Haus kaufen. Was macht Sie so sicher, dass die Reise das wert ist, und wie finanzieren Sie Ihr Vorhaben? Sonja Rohde: Ich glaube, von einem erfüllten Traum zehrt man sein Leben lang! Ein Haus verpflichtet einen nur zum Putzen und außerdem kann es morgen schon in Flammen aufgehen – aber die Eindrücke, die ich im Weltall sammeln werde, die sind unvergänglich. Das ist etwas, was mir niemand mehr nehmen kann.

Sonja Rohde: Natürlich habe ich große Achtung vor der Leistung dieser Pioniere, und es war eine sehr interessante Erfahrung, Buzz Aldrin kennenzulernen. Aber ich finde, wenn man Buzz Aldrin und Neil Armstrong erwähnt, gehört definitiv auch Walentina Tereschkowa in diese Reihe, die vor 50 Jahren als erste Frau ins All geflogen ist. Seconds: Was kommt nach Ihrer Reise? Könnten Sie sich vorstellen, das alles noch einmal zu wiederholen? Sonja Rohde: Für eine Reise zum Mond inklusive Aufenthalt im Space Hotel wäre ich durchaus zu haben. Seconds: Bringen Sie uns ein Souvenir mit?

Seconds: Wissen Sie schon, wer die Weltraumtouristen sind, die mit Ihnen fliegen werden? Wie viele Weltraumflüge sollen pro Jahr stattfinden? Sonja Rohde: Am Anfang sind Flüge ein Mal pro Woche geplant. Später täglich. In ein Raumschiff passen sechs Passagiere und zwei Piloten. Natürlich habe ich bei den Trainings und den Veranstaltungen schon einige private Raumfahrer aus aller Welt kennengelernt. Es hat etwas von einer Schulklasse, die durch das gemeinsame Ziel einen starken Zusammenhalt entwickelt hat. Seconds: Welche Gedanken schossen Ihnen beim legendären Stratosphärensprung des Extremsportlers Felix Baumgartner durch den Kopf und wie erlebten Sie dieses Ereignis? Sonja Rohde: Ich habe gedacht, wow, diesen Blick werde ich auch erleben, nur noch 80 Kilometer höher. Seconds: Buzz Aldrin, der als zweiter Mensch den Mond betreten hat, haben Sie schon getroffen. Gehören Astronauten wie er und Neil Armstrong zu Ihren Vorbildern?

Diesen Blick werde ich auch erleben, nur noch 80 Kilometer höher.

Sonja Rohde: Meine Erinnerungen …! Ich würde Ihnen gern ein Souvenir mitbringen, aber leider werden wir keine Möglichkeit zu einem Weltraumspaziergang haben. Also keine Möglichkeit, am Wegesrand etwas mitzunehmen. Man darf ohnehin auch nicht viel mit an Bord nehmen. Es gibt strenge Vorschriften hinsichtlich des Gewichts. Sollte ein Meteorit ins Raumschiff einschlagen, kann ich den gerne mitbringen – falls wir das überleben sollten. Aber im Ernst, ich hoffe natürlich, dass wir alle wohlbehalten zur Erde zurückkehren und ich von diesen atemberaubenden Momenten im All erzählen kann. Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen alles Gute.


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Die Kölner Mutbürger

Foto: Stefan Pallmer

Kulturzirkus

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Helios – Leuchtendes Signal für eine bessere Bürgerbeteiligung?

VON STEFAN PALLMER Die Freude bei der Bürgerinitiative (BI) Helios im Oktober letzten Jahres war groß. Eine überwältigende Mehrheit der Bezirksvertretung Ehrenfeld hatte sich hinter die Ziele und Vorgaben für die zukünftige Gestaltung des Heliosgeländes gestellt. In einem Beschluss empfahl sie dem Stadtentwicklungs- und Schulausschuss der Stadt Köln, die in einem sieben-Punkte-Kodex zusammengefassten Ergebnisse des Bürgerbeteiligungsverfahrens für die konkreten Planungen zu berücksichtigen. Der Stadtentwicklungsausschuss seinerseits beauftragte im November die Verwaltung auf dieser Grundlage, einen Wettbewerb für den zukünftigen Bebauungsplan des Heliosgeländes vorzubereiten. Die ursprünglichen Pläne des Investors, der PE Ehrenfeldgürtel GmbH, eine Shopping-Mall à la Köln Arcaden, mit circa 20.000 Quadratmetern Verkaufsfläche zu errichten, waren damit endgültig vom Tisch. Ehrenfeld lebt von seinen charmanten kleinen Einzelhandelsläden, vielen Szenelokalen und dem multikulturellen Flair. Ein Einkaufszentrum dieser Größenordnung wäre nicht nur völlig überflüssig gewesen, es hätte auch den Charakter des Stadtviertels unwiederbringlich verändert. Die Chance, auf einer der letzten innerstädtischen Industriebrachen eine Gestaltung und Nutzung zu realisieren, die den dort lebenden Menschen mehr Lebensqualität bringt, wäre vertan. Die Ergebnisse, die in einer sogenannten moderierten Bürgerbeteiligung unter dem Titel „Helios Forum“ zwischen Dezember 2011 und Juni 2012 in Workshops erarbeitet wurden, mündeten in einem Kodex.

Vielfalt statt Einfalt Darin wird gefordert, dass Ehrenfeld ein lebendiger und vielfältiger Stadtteil für alle Menschen, egal welchen Alters, welcher Herkunft oder Form der Lebensgestaltung bleiben soll. Durch die Schaffung von Plätzen und Grünflächen auf dem Helios-Areal kann der Mangel gerade an solchen Orten in Ehrenfeld erheblich verbessert werden. Weitestgehend autofrei gestaltet, mit Vorfahrt für Radfahrer und Fußgänger, böte sich die Möglichkeit, dort auch tatsächlich zu verweilen. Die vorhandene historische Industriearchitektur ermöglicht Atelierräume, Werkstätten oder kleine Manufakturen und bietet Platz für ungewöhnliche Wohnformen. Kulturelle Einrichtungen, Veranstaltungsräume sind denkbar, und das würde eine Weiterentwicklung der Heliosstraße

zur Kulturmeile bedeuten. Die gemischte kreative Nutzung für Gewerbe, Wohnen, Kultur und Bildung brächte Vielfalt statt Einfalt.

Inklusive Schule für alle Anfangs umstritten, nun aber ein zentraler Kern der geplanten Nutzung des Geländes, ist das besondere Schulprojekt ‚Inklusive Universitätsschule (IUS)’. Zusammen mit der Universität soll eine Gesamtschule entstehen, in der die Kinder von der ersten Klasse bis zum Abschluss gemeinsam unterrichtet werden. Durch individuelle Förderung und angepasste Lehrpläne soll es allen Schülern ermöglicht werden, einen Abschluss zu erlangen. Das Nordrhein-Westfälische Kultusministerium genehmigte die IUS im Rahmen des Schulversuchs PRIMUS, bei dem Grund- und weiterführende Schulen zusammengeführt und so die Schüler länger gemeinsam lernen können. Voraussetzung für die Realisation der IUS-Schule auf dem Heliosgelände ist allerdings, dass die Stadt Köln sich mit dem Investor über die Lage und den Kauf des Grundstücks für die Schule einigt. Die Verhandlungen laufen, aber das Ergebnis ist bislang offen.

Sanierung des stark kontaminierten Geländes Uneinigkeit herrscht über die Sanierung des stark kontaminierten Geländes und die Frage, welche Gebäude erhaltenswert sind und welche abgerissen werden sollen/müssen. Großen Unmut erregte Anfang diesen Jahres die Nachricht, der Eigentümer des Geländes habe bereits Ende November einen Abbruchantrag gestellt. Davon wären neben dem Musikclub Underground auch die historischen Gebäude von Parma Delikatessen und der Design-Quartier-Halle betroffen. In einem offenen Brief wendete sich die Bürgerinitiative an den Baudezernenten Franz-Josef Höing und bat um ein persönliches Gespräch. Man befürchte, der Investor wolle durch einen raschen Abriss unumkehrbare Fakten schaffen. Eine vorzeitig erteilte Abrissgenehmigung gefährde die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung und widerspreche den Zusagen der Stadt. Der Investor hatte den Abrissantrag mit dem Hinweis begründet, eine vollständige Sanierung des Bodens sei

ansonsten nicht möglich. Baudezernent Höing indes bestätigte Mitte April diesen Jahres, der bürgerbeteiligte Planungsprozess werde weiter fortgesetzt. In einem kooperativen Verfahren solle innerhalb von drei Monaten unter Mitwirkung von Architekten, Stadt- und Verkehrsplanern ein städtebaulicher Entwurf für das Gelände entwickelt werden. Die Bürger werden mit einer beratenden Jury vertreten sein. Nach einem öffentlichen Startkolloquium wird es einen Zwischenbericht geben, in dem präsentiert wird, was, wie und wo etwas auf dem Helios-Areal passieren soll.

Planen mit den Bürgern Unabhängig von der Frage, wie viel von dem formulierten Kodex übrig bleibt, ist die Ehrenfelder Bürgerbeteiligung jetzt schon ein Erfolg. Denn es zeigt sich: Eine Planung gegen den Bürgerwillen ist so leicht nicht mehr möglich. Die Betroffenen fordern Mitsprache bei der Gestaltung des sie umgebenen öffentlichen Raums. Und zwar nicht erst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, sondern im Vorfeld der Planungen. Längst ist die BI Helios zum Vorbild für andere Quartiere in Köln geworden. Die Umgestaltungspläne des Kölner Großmarktgeländes beispielsweise führten Anfang des Jahres zur Gründung des BÜSIE, des ‚Bürgernetzwerk Südliche


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Innenstadterweiterung’. In ihrem Positionspapier „Planen mit den Bürgern“ wenden sie sich gegen den geplanten Neubau eines Justizzentrums auf der ehemaligen Dombrauerei und zeigen zugleich Möglichkeiten einer alternativen städtebaulichen Entwicklung auf. Der in den kommenden Jahren neu entstehende Stadtteil rund um den Großmarkt zwischen Rhein und Vorgebirgsstraße soll zu einem lebendigen Stadtteil mit Wohnbebauung, Bildungsund Wissenschaftseinrichtungen und Grünflächen gestaltet werden. In einem qualifizierten Bürgerbeteiligungsverfahren könnten die Ideen umgesetzt werden. Es geht also nicht mehr allein um Protest oder Aufbegehren gegen bereits beschlossene Pläne, die Menschen fordern echte Teilhabe. Investoren tun gut daran, bei all ihren berechtigten monetären Interessen, die betroffenen Bürger frühzeitig mit ins Boot zu holen. Das bedeutet umgekehrt aber auch, dass es Menschen gibt, die bereit sind Engagement zu zeigen. Und das kostet nicht nur den Investor, sondern jeden Einzelnen Zeit, Geduld und die Fähigkeit zum Kompromiss.

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Tipps & Termine aus der Redaktion LICHTSPIELE - wie Film und Fotografie Tanz sehen Datum: 09.05.2013 (22.09.2012 - 18.08.2013) Die Beziehung zwischen Fotografie, Film und Tanz ist so alt wie Fotografie und Film selbst. Früh verbanden sich in aufregender Weise der Erfindungsreichtum des zeitgenössischen Tanzes mit den modernen bildnerischen Techniken von Fotografie und Film. Veranstaltungsortmehr Informationen Deutsches Tanzarchiv Köln/SK Stiftung Kultur „Vom Reisen und Träumen“ Kunsthaus Rhenania - 9. bis 12. Mai 2013 9. Mai 2013, 19 Uhr 10. und 11. Mai 2013, 18 und 20:30 Uhr 12. Mai 2013, 18 Uhr Die Künstlergruppe „Kölner Kästchentreffen“ besteht seit 1984 und hat über viele Jahre einen ganz eigenen, zeitgenössischen Stil des Papiertheaters entwickelt. Aus Papier, Objekten, Figuren, Licht und Musik entstehen auf kleinstem Raum kurze Theaterstücke. 15 Euro (inklusive Begrüßungsgetränk). Kartenvorbestellungen unter Telefon 0160 / 4492190, 02233 / 792266, Die Zuschauerzahl ist begrenzt. Pro Vorstellung maximal 30 Personen! STAYING ALIVE Eine Koproduktion von Sommerblut Kulturfestival

e.V. und dem Freien Werkstatt Theater. 12.000 Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan. Der Tod und eine mögliche Organspende gelten für einen Großteil der Gesellschaft immer noch als Tabuthema. In Zusammenarbeit mit dem Sommerblut Kulturfestival begeben sich die Regisseurin Barbara Wachendorff und der Dramaturg Joachim Henn mit 4 - 6 Organspende-Betroffenen, zwei professionellen Darstellern und einem Musiker auf eine theatrale Entdeckungsreise, um aus vielfältigen Perspektiven und persönlichen und überraschenden Sichtweisen das Thema Organtransplantation auszuloten. Spieltermine im Mai: 10. Mai, 20 Uhr (Premiere) weitere Spieltermine: 11., 12., 15., 16., 17., 18., 19. + 20. Mai, jeweils 20 Uhr www.fwt-koeln.de Selten und wertvoll. Highlights aus 125 Jahren Mäzenatentum Datum: 18.05.2013 (18.05.2013 - 29.09.2013) „Selten und Wertvoll“ zeigt Highlights aus 125 Jahren mäzenatischen Sammelns der Overstolzengesellschaft. Museum für Angewandte Kunst www.museenkoeln.de EL-DE-Haus, Köln1.2. bis 20.5.2013 „Gold und Asche – die Geschichte der Häuser Appellhofplatz 21 und 23-25“ – bis 20.5.2013, NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, Appellhofplatz 23-25, 50667 Köln, Di-Fr 10-18 Uhr, Sa, So und feiertags 11-18 Uhr Eintritt: 4,50/2 Euro Kindertheaterstück:

HULLABALOO von Angelika Pohlert und Imke Pankauke Ein Kind, zwei Sprachen und drei Monster Bilinguales Kindertheaterstück (Englisch - Deutsch) Empfohlen für Kinder im Grundschulalter TERMIN: So, 25. Mai 2013 um 16 Uhr Eintritt: 7,-€/ 5,-€ Kartenvorbestellung: 0174-9003072 Aufführungsort: TPZ, Theaterpädagogisches Zentrum e.V. Köln, Genter Straße 23, 50672 Köln Festival der Bierkulturen Zum 4. Mal präsentiert sich das Festival der Bierkulturen in Köln-Ehrenfeld. Jenseits von Reinheitsgebot und Kölsch-Konvention zeigen junge kreative Bierbrauer aus ganz Europa ihre ungewöhnlichen Bierspezialitäten. Ob mildgesäuertem Porter, Rauchbier vom Obstgehölz oder intensivem Kräuterbier. Es gibt viel zu entdecken und zu genießen. Bierexperten stehen zum Fachsimpeln bereit und die Vereinigung der Haus- und Hobbybrauer zeigen in einer Live-Brauvorführung ihr Können. Veranstalter: Helios-Braustelle in Ehrenfeld. Veranstaltungsort: Bürgerzentrum Ehrenfeld e.V. Venloer Straße 429 50825 Köln 25. Mai, von 14 bis 22 Uhr 26. Mai, von 12 bis 18 Uhr Eintritt: 5 € inklusive Festivalglas


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12 | Kulturzirkus Nachwuchs fördern und Kinder begeistern:

Die Kammeroper Köln ist Talentschmiede ohne öffentliche Förderung VON CORINNA GÜSKEN Eine Kammeroper zu eröffnen, ist ein ehrgeiziges Projekt, und bisher geht es in jeder Hinsicht auf. Mit Leidenschaft, Spielfreude und hohem musikalischen Niveau hat das Ensemble ein breites Publikum für sich gewonnen. Die Künstler haben sich einen festen Platz in der Kölner Theaterlandschaft erspielt und sind in ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg gern gesehene Gäste. 1996 gründeten die beiden Schwestern Esther und Inga Hilsberg die Oper als Tourneetheater, zunächst mit einer kleinen Probebühne in Köln. 2007 bezog die Kammeroper Köln ihr eigenes Theater in Köln-Rodenkirchen. Von vorneherein war das Unternehmen ein gemeinnütziger Verein, er hat sich der konsequenten Nachwuchsförderung verpflichtet: Fertig studierte Sänger bekommen hier die praktische Ausbildung und Erfahrung, die sie für eine erfolgreiche Karriere brauchen. Sängerin und Kulturmanagerin Esther Schaarmann, geborene Hilsberg, übernahm die Intendanz, Dirigentin Inga Hilsberg die musikalische Leitung. Beide haben in Köln studiert und stießen in ihrer beruflichen Laufbahn immer wieder auf denselben Missstand: junge Musiker bekommen in der Hochschule zu wenig Praxis, sind auf die Anforderungen des Theaters nicht genügend vorbereitet. Das beginnt mit dem Wissen, wie sie mit den eignen Kräften haushalten, sich in einer Partie nicht von vorneherein zu verausgaben, um bis zu Schluss durchzuhalten oder sich in einer sechswöchigen Probenphase vor einer Premiere genügend Kraft für die anschließenden Vorstellungen zu bewahren. Es betrifft die Bühnenpraxis und die nötige Erfahrung im Vorsingen für Engagements. Auch das Erstellen aussagekräftiger Bewerbungen oder ganz trockener Dinge wie der Steuererklärung, die Kenntnis von Künstlersozialkasse, Bayrischer Bühnenversorgung, GVL (Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten) und GEMA gehören zur Basis des Berufs. „Früher haben alt eingesessene Kollegen die jungen an die Hand genommen und ihnen gezeigt, wie das Theater funktioniert. Die alten Kollegen gibt es nicht mehr, weil sie nach 14 Jahren gekündigt werden. Mit dem 15. Jahr hätten sie Anspruch auf eine

unbefristete Anstellung, würden also unkündbar. Und die jungen Leute werden als billige Arbeitskräfte verbraucht. Die sind das erste Mal am Haus. Sie wissen nicht, was sie dort erwartet, wie die Strukturen sind und wie sie sich auf die Proben vorbereiten. All das sollte eigentlich an einer Hochschule gelehrt werden, passiert aber nicht immer“, sagt Inga Hilsberg. In Rodenkirchen und an Hochschulen geben die Schwestern auch Seminare wie „Wo geht’s denn hier zur Bühne?“

Das Rüstzeug für die Bühnenlaufbahn Was eigentlich von den Opernstudios der städtischen Bühnen geleistet werden sollte, übernimmt die Kammeroper. Hier bekommen junge Sänger die Chance, die nötigen Erfahrungen zu sammeln, einige wichtige Fachpartien zu erarbeiten und zu meistern – und sich mit Hilfe erfahrener Kollegen ins Ensemble einzugliedern: „Den jungen Leuten tut es sehr gut, von gestandenen Sängern mit jahrelanger Erfahrung an die Hand genommen zu werden und ihren Platz im Ensemble zu finden“, erklärt Hilsberg. „Das Publikum spürt, dass das Ensemble zusammengewachsen ist und Spaß daran hat, gemeinsam zu arbeiten.“ Die Tourneen verlangen den Sängern viel ab. Oft spielen sie jeden Tag in einer anderen Stadt, was Durchhaltevermögen und Disziplin erfordert. 95 Termine stehen auf einemTourplan, die Häuser sind oft ausverkauft. Teilweise buchen die Veranstalter noch eine zweite Vorstellung am Nachmittag hinzu, weil der Andrang so groß ist. Gleichzeitig bekommen die jungen Sänger auch Sicherheit in den Partien, die üblicherweise an großen Häusern als Vorsingearien gefordert werden und als Eintrittskarte für Engagements gelten. Für Sängerinnen zum Beispiel die ‚Susanna’ in ‚Figaros Hochzeit’ und die ‚Pamina’ in der ‚Zauberflöte’. „Wenn ich diese Partie schon oft unter schwierigsten Bedingungen gesungen habe, bei uns zum Beispiel in der Kindervorstellung um neun Uhr morgens, gehe ich in das nächste Vorsingen entspannter“, sagt Hilsberg, „und das können die Opernhäuser nicht mehr leisten.“ Weil auch die meisten Nachwuchskünstler sich nicht trauen, Engagements abzulehnen, gehen viele Stimmen durch Überlastung oder falschen Einsatz der

Kräfte kaputt. In der Regel bleiben die jungen Künstler zwei bis drei Jahre im Ensemble der Kammeroper und haben dann das Rüstzeug und ein Sprungbrett für die größeren Häuser.

Große Oper für kleine Menschen Inga Hilsberg ist es auch sehr wichtig, dass Kinder früh die klassische Musik, die Oper und das Theater live erleben. Mit dem Konzept, große, klassische Opern auf eine Kinderlänge von einer guten Stunde zu bringen, ist ihre Bühne sehr erfolgreich. Natürlich liebt und lebt sie die Musik, die in breiten Teilen der Bevölkerung immer mehr aus dem Bewusstsein verschwindet. „In der Vermittlung der klassischen Musik und des Theaters haben wir eine Generation ausgelassen. Das ist ganz dramatisch. Die Generation, die jetzt Kinder hat, die bald wieder eine eigene Familie gründen, also die zwischen 35 und 50, wurde außen vor gelassen. Wer geht heute mit seinen Kindern ins Theater?“ Inzwischen haben digitale Medien und das Internet immer mehr Raum bekommen, und das unmittelbare Erleben im Theater ist nicht mehr im Focus. Um Qualität geht es oft nicht mehr, die Technik macht es ja möglich. „Wenn ich nur CDs höre und das Live- Erlebnis Oper gar nicht kenne, vermisse ich auch nichts. Manche Pop-Sternchen im Umkreis von DSDS könnten überhaupt kein ganzes Konzert live auftreten. Man kann über Musikstile streiten und sie mögen oder nicht, jeder hat seine Berechtigung. Aber die Voraussetzung muss sein, dass Musiker live Musik machen können“, meint Inga Hilsberg. Insofern ist es ihr auch ein Anliegen, dass sie mit ihrer Arbeit möglichst viele Kinder aus den unterschiedlichsten Schichten erreicht. Sie lädt die Schulen ein, bietet vor- und nachmittags Kindervorstellungen in Köln.

Was ist ein Theater? Allein in Köln besuchen über 21.000 Menschen im Jahr die Kammeroper. Darunter sind auch sehr viele junge Leute. Das spricht für sich und für die Qualität des breit gefächerten Repertoires. Neben großen Opern für Kinder und Stücken in der Originalfassung stehen auch Operetten wie „Die „Fledermaus“ oder „Eine Nacht in Venedig“ auf dem Spielplan,

Musicals wie „My Fair Lady“ oder „La Cage aux Folles“, das am 28. Juni Premiere hat. Musikalische Revuen und Konzerte ergänzen das Programm. Dabei setzen die Schwestern auf eher klassische, kreative Bühnenbilder als auf Plüsch und Kitsch. Auch die Texte der Stücke sind „behutsam modernisiert“. „Es ist immer eine Frage der Herangehensweise. Man kann alles so interessant und liebevoll machen, dass rüberkommt, was für tolle Musik das ist und was für super Texte“, sagt Hilsberg. „Wir machen eine Gradwanderung zwischen traditionellen, verstaubten und total modernen Interpretationen, weil wir auf die Veranstalter angewiesen sind.“ Trotz ihres großen Erfolgs brauchen die Gründerinnen sehr viel Engagement und Idealismus. Das Budget ist knapp, die Spielstätte in Köln muss noch ohne Orchester auskommen. Ohne Subventionen ist an einen Orchestergraben zum Beispiel nicht zu denken. Aber Subventionen gibt es von der Stadt Köln nicht. Wortreich wird die Leistung der Kammeroper gelobt, während andere freie Theater gefördert werden. Eine Kooperation mit der städtischen Oper und der Stadt würde von der Kammeroper sehr begrüßt, findet aber nicht statt. Im Referat Theater und Tanz der städtischen Kulturförderung erfährt Inga Hilsberg von der Entscheidungsträgerin, die Kammeroper sei gar kein Theater, sie möge sich an das Referat Musik wenden. Institutionelle Förderung gibt es in diesem Referat allerdings nicht. Was ist das für ein Theater?

Spielplan, Karten und Infos unter

www.kammeroper-koeln.de Die nächste Premiere:

„La Cage aux Folles“,

Broadway-Musical von Jerry Hermann, Freitag, 28.06.2013 – 19 Uhr in der Kammeroper Köln, Friedrich-Ebert-Str. 4, 50996 Köln (Rodenkirchen)


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VON IRIS THEN Bisher finanzierte sich artrmx nur durch die Projektförderungen des Kölner Kulturamts und der RheinEnergiestiftung oder durch die Gelder diverser Sponsoren. Die Aufgaben des Vereins wachsen jedoch. „Wenn die Verantwortung größer wird, will keiner mehr das Ehrenamt tragen“, sagt die gelernte Medienwirtin. „Dann müssen feste Strukturen her.“

Noch riecht man mehr die Farbe von den neu eingezogenen Wänden der Ateliers, und nur ein paar wenige Spuren deuten auf das kreative Schaffen der Künstler dahinter hin. Seit Anfang März diesen Jahres ist das Kunst- und Kulturzentrum artrmx (gesprochen: art-remix) in seinen neuen Räumen in der Hospeltstraße in Ehrenfeld zu Hause. Was sich dort in Zukunft so alles tun wird? „Wir wollen das erst einmal alles köcheln lassen“, meint Iren Tonoian vom Vorstand des Vereins. Öffentliche Bekanntheit erlangte der Kölner Kunstverein artrmx erstmals im Jahr 2008. Damals war das Zentrum noch in den Rheinlandhallen zu Hause. Mit ARTRMX COLOGNE initiierte der Verein ein internationales, themenbezogenes Kunstfestival, das im biennalen Turnus zeitgenössische Fotografie, Videokunst, Malerei, Streetart, Installation und Grafik in außergewöhnlichen Räumlichkeiten - sogenannten Off-Locations - und im öffentlichen Raum der Stadt Köln präsentierte. Etwa 10.000 Besucher kamen damals, um die Arbeiten von 52 unterschiedlichen Künstlern und Künstlergruppen zum Thema „Where is my mind?“ zu sehen. 2012 folgte bereits eine zweite Auflage des Festivals. Ein Jahr zuvor, im September 2011, präsentierte artrmx zusammen mit dem Kölner Kunstverein Colorrevolution das erste Urban Art Festival CityLeaks. Nationale und internationale Größen sowie Nachwuchskünstler der Urban Art Szene waren eingeladen, Häuserwände zu bemalen und ihre Kunstobjekte in der Stadt zu präsentieren. 27 großformatige Gemälde und Installationen an öffentlichen Plätzen und Hausfassaden prägen seither das Stadtbild Kölns. Ehrenamt ist immer ein Spagat Das alles riecht nach einer Menge organisatorischer Arbeit. Wie funktioniert das bei einem ehrenamtlichen Verein? „Ehrenamt ist immer ein Spagat zwischen weltlichem Job und ideeller Tätigkeit“, meint Iren Tonoian. Die studierte Medienwirtin arbeitet hauptberuflich für einen namhaften Audioverlag und ist auch noch Mutter eines Sohnes. Sie ist seit der Gründung des Vereins im Jahr 2006 mit dabei. Zusammen mit Margit Miebach, die auch im Vorstand arbeitet, leistet sie einen Großteil der organisatorischen Arbeit, unterstützt von den anderen 14 aktiven Mitgliedern von artrmx. Sie alle kommen aus unterschiedlichen Bereichen: Neben Kreativen gibt

Sie wünscht sich, dass nicht nur die Stadt, sondern auch private Stiftungen bereit sind, strukturelle Förderung zu leisten. Denn nur so kann der Verein als Arbeitsort für junge Künstler attraktiv bleiben und die zwei dringend benötigten Teilzeitstellen für die Organisation finanzieren.

Zusammen für die Kunst artrmx e.V. sorgt in Köln nicht nur für einen bunten Kunstmix es auch Kunst- und Medienwissenschaftler sowie Journalisten. Jeder bringt seine Stärken in die Arbeit mit ein. Ob nun die Konzeption oder die Organisation, die Öffentlichkeitsarbeit oder die Durchführung eines Festivaloder Ausstellungsprogramms, oder auch das Erstellen des dazugehörigen Programmhefts und eines Ausstellungskatalogs – all das wird von den Mitgliedern gemacht. „Das Gute an der ehrenamtlichen Arbeit ist ja, dass es dabei nicht wie bei einer bezahlten Arbeit nur um Leistung geht“, sagt Margit Miebach, die Kulturwissenschaften studiert hat und gerade promoviert. „Es können sich auch Leute einbringen, die vielleicht nicht ganz so perfekt sind, aber an der Verantwortung wachsen, die man ihnen gibt.“ Gemeinsames Ziel des Vereins ist es, Nachwuchskünstlern durch neue Ausstellungsformate wie das ARTRMX-COLOGNE Festival oder CityLeaks eine Möglichkeit zu geben zu arbeiten. Denn nach ihrem Hochschulstudium sind junge Künstler oft für lange Zeit darauf angewiesen, für wenig oder gar kein Geld zu produzieren. In ihrem neuen Zuhause in der Hospelt-

straße stellt artrmx außerdem Künstlern 11 Ateliers zwischen 10 und 75 Quadratmetern und eine große Fläche für Ausstellungen und Events zur Verfügung. „Wer reinkommt, darüber entscheidet meistens der erste Eindruck“, sagt Iren Tonoian. Nicht jeder sei dafür geeignet, in so einer Gemeinschaft zu arbeiten. Die meisten fänden es aber toll, weil es so viele Möglichkeiten des Austauschs und der Begegnung gibt. Wenn der Verein größer wird, müssen feste Strukturen her Maler, Graphiker, Bildhauer, Filmemacher und Schreibende – eine bunte Mischung arbeitet in den Räumen. Kooperationen zwischen ihnen entstehen bereits und sind durchaus erwünscht. Die Mitglieder von artrmx geben Unterstützung – da, wo es nötig ist. Von Dienstag bis Donnerstag sind sie nicht nur für die Künstler da, sondern auch für Leute, die sich für ein Co-Working interessieren und einen flexiblen Arbeitsplatz benötigen. Mit Hilfe ihres umfangreichen Knowhows und ihres großen Netzwerks bieten sie bei Bedarf auch Vermittlung bei Aufträgen und Ausstellungen an.

Kaum umgezogen, steht für den Verein nicht nur die Planung des zweiten CityLeaks Festivals im September diesen Jahres an. Zwei große Ausstellungen mit den Künstlern der hauseigenen Ateliers soll es ebenfalls jährlich geben. Daneben auch Einzelausstellungen und einen Tag der offenen Ateliers. Genügend zu tun für die Kreativen von artrmx – da wird man von den frisch getünchten Wänden wohl bald nichts mehr sehen. artrmx e.V. Hospeltstraße 69 50825 Köln Mobil: 0163.63 90007 http://www.artrmx.com http://www.cityleaks-festival.com Demnächst bei artmx e.V.: Das Itten-Experiment künstlerische Versuchsreihe mit anschließender Ausstellung im Atelierzentrum Ehrenfeld. Probanden für eine künstlerische Versuchsreihe gesucht! Das Experiment findet statt vom 28.05. bis zum 11.06.2013 und wird durchgeführt immer dienstags, mittwochs und donnerstags von18 bis 20 Uhr. Die Teilnahme ist für alle möglich. Experimentdauer: ca. 15 Minuten. Mehr Infos beim Experiment. Vernissage Das Itten-Experiment am 15 Juni 2013 Atelierzentrum Ehrenfeld, ab 19 Uhr (Hospeltstraße 69, 50825 Köln) Preview zum Urban Art Festival CityLeaks Vernissage Maya Hayuk am 1. Juni 2013 ArtyFarty Galerie, ab 19 Uhr (Lichtstraße 26-28, 50825 Köln) http://www.mayahayuk.com

Ehrenamtliches Know-How für Kölner Kulturschaffende Kulturelle Szene in Köln kann Unterstützung gut gebrauchen VON DANIELA LUKASSEN Theater, Kunst, Tanz, Musik – die kulturelle Landschaft in Köln ist bunt und vielfältig. Sie sprüht nur so vor Vielfalt, Originalität und neuen, innovativen Ideen. Was fehlt, ist oft nur eine Sache. Eine Sache, die häufig die entscheidende Rolle spielt: das Geld. Geld, um diese Ideen auch umzusetzen. Um Buchhalter, Webdesigner, Juristen oder PR-Berater zu bezahlen. Und die werden gebraucht. Denn Steuererklärungen, Websites, Rechtsberatung und Öffentlichkeitsarbeit machen sich nicht von alleine. Wichtig sind sie trotzdem. Denn oft bestimmen genau diese Dinge über den Erfolg oder Misserfolg eines Vorhabens. Im Jahr 2004 ist darum der Kölner KulturPaten e.V. ins Leben gerufen worden. Er bringt Kulturschaffende und Dienstleister zusammen, die ein Projekt ehrenamtlich und mit ganz viel Know-how unterstützen möchten. „Wir fördern Menschen, die etwas für die Kölner Kulturszene machen“, sagt Stephanie Kruse vom KulturPaten e.V. Eine Chance bekommen alle Projekte, die einen Mehrwert für das kulturelle Leben in der Stadt bieten. Über 400 Patenschaften vermittelt Mehr als 400 Patenschaften hat der Verein, der von der Industrie- und Handelskammer (IHK), dem Kulturdezernat der Stadt und der Kölner Freiwilligenagentur

gegründet wurde, seit seinen Anfängen vermittelt. Eine davon ist die Kooperation zwischen dem ‚museum für verwandte kunst’ im Belgischen Viertel und der PR-Agentur ‚kleine republik’. „Wir sind relativ neu in Köln“, erzählt Christian Boeckmann von der ‚kleinen republik’. „Wir wollten Anschluss bekommen an das kulturelle Stadtleben und uns über die eigentliche Arbeit hinaus engagieren.“ Deshalb sehen sich die drei Agenturgründer im Internet um. Erkundigen sich, welche Möglichkeiten es in Köln gibt, sich ehrenamtlich zu betätigen. Schließlich stoßen sie bei ihren Recherchen auf die Seite der Kulturpaten. Von der Idee, ihr Wissen an Künstler und andere Kulturschaffende weiterzugeben, sie bei ihren Projekten zu unterstützen und ihnen unter die Arme zu greifen, sind sie sofort beeindruckt. Sie nehmen Kontakt zu dem Verein auf und geben an, mit welchem Wissen und welchen Dienstleistungen sie unterstützen können, und in welchem Umfang das möglich ist. „Wir wollten natürlich etwas anbieten, das mit unseren PR-Kompetenzen zu tun hat“, sagt Boeckmann. Zwei Projekte, die genau das suchen, stehen zu dem Zeitpunkt zur Auswahl. Christian Boeckmann und seine Kollegen entscheiden sich für das ‚Museum für Verwandte Kunst’. Ein erstes Treffen ist schnell organisiert. „Die Agentur war begeistert von dem Museum“, sagt Museumsleiterin Katrin Bergmann. Und man glaubt es ihr sofort. Denn wer die Räume in der Genter Straße

betritt, der kann sich kaum sattsehen an den Werken, die überall an den Wänden zu finden sind. Regelmäßig gibt es Ausstellungen zu ganz unterschiedlichen Themen. Unter dem Thema „Kuhba“ konnten etwa Werke von mehr als 50 verschiedenen Künstlern bestaunt werden. Sie alle hatte das Thema auf ihre ganz eigene Weise interpretiert. Auch im kleinen Verkaufsraum kann man sich gar nicht satt sehen: Buntes Künstlerbesteck aus der Serie „Bonjour Katrin“, hübsche Plastiken und unterschiedliche Kleinkunst zu erschwinglichen Preisen machen auch diesen Raum zu etwas ganz besonderen. Viele der Besucher kommen darum gerne wieder. Denn obwohl das Museum klein ist, gibt es immer wieder Neues zu entdecken. Und so geht es auch den Inhabern der ‚kleinen republik’. Nach dem Besuch steht für sie fest, genau das Museum möchten sie unterstützen. Am liebsten im Rahmen eines abgeschlossenen Projektes. Und das finden sie in der Ausstellung „Einsam sein im Sommer“, die zu dem Zeitpunkt bereits geplant ist. Von Anfang an begleitet die Agentur die Ausstellung ehrenamtlich durch Pressearbeit, führt mit den Künstlern Interviews, ist bei dem Aufbau dabei, macht Fotos und gestaltet als Ergebnis einen Ausstellungskatalog. Für den wird sogar ein Verleger gefunden. Für Christian Boeckmann und seine Kollegen ist diese Tätigkeit eine ganz besondere. Mit Kunst haben sie eigentlich nicht so viel zu tun in ihrem Alltag. Gerade deshalb ist das Projekt für sie eine neue, ungewöhn-

liche Erfahrung. „Es hat richtig Spaß gemacht, einmal mit ganz anderen Dingen, mit Künstlern und Kunst zu tun zu haben“, sagt Boeckmann. Und auch Katrin Bergmann freut sich, dass die Zusammenarbeit so reibungslos funktioniert hat und dass so gute Ergebnisse dabei heraus gekommen sind. „Gerade für die Künstler war es toll, in einem Katalog zu stehen“, sagt sie und fügt hinzu: „Die Aufnahmen darin sind super schön.“ Sicherung der wirtschaftlichen Existenz Die Patenschaften, die der Kölner KulturPaten e.V. vermittelt, sind meistens ein Gewinn für beide Seiten. Denn während das unterstützte Projekt von dem Wissen der Dienstleister profitiert und kostenlose Hilfe erhält, lernen die Paten eine Menge durch ihr ehrenamtliches Engagement. Eng begleitet werden sie dabei immer auch von dem Verein. Der nimmt die Daten und Fachgebiete möglicher neuer Paten auf, vermittelt passende Angebote und organisiert erste Treffen zwischen den Kulturschaffenden und den möglichen Paten. Ziel der KulturPaten ist es, die wirtschaftliche Existenz des Kölner Kulturbetriebes durch diese „Hilfe zur Selbsthilfe“ dauerhaft zu sichern und zu verbessern. Wer den Kölner ‚KulturPaten e.V.’ ehrenamtlich oder als Fördermitglied unterstützen möchte, kann sich im Internet unter http://www.koelnerkulturpaten.de informieren.


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Der DRAUSSENSEITER: anders, bunt und offen für jeden. Christina Bacher über die Arbeit des ältesten Straßenmagazins in Deutschland Seconds: Frau Bacher, Sie sind Chefredakteurin des DRAUSSENSEITER, einer der ältesten Straßenzeitungen Deutschlands und auch einer sehr erfolgreichen. Welches Konzept steckt dahinter?

TER ein gutes Beispiel für langjähriges, ehrenamtliches Engagement ist.

Bacher: Wir machen unsere Zeitung nicht zum Selbstzweck, sie ist als Maßnahme für die Verkäufer gedacht, die damit ihren Tag strukturieren und sich langsam wieder an eine Berufstätigkeit gewöhnen können. Sie entstand aus der Obdachlosenszene heraus. Die Wohnungslosen haben sich damit selbst ein Sprachrohr geschaffen. Im Juni 1992 erschien die erste Ausgabe aus dem Willen heraus, eine Stimme zu haben. Mittlerweile haben sich die Zeiten geändert. Wir bemühen uns heute, ein Heft zu machen, das man gerne in die Hand nimmt und liest, mit gutem Papier und ansprechendem Layout. Ein Heft, das man nicht nur aus Mitleid kauft. Der DRAUSSENSEITER ist ein Projekt der OASE. Es ist auch ganz wichtig, dass eine Einrichtung dahinter steht und allen Beteiligten eine Anbindung bietet.

Bacher: Unsere Zielgruppe ist ganz diffus. Das kann jemand sein, der hier in Köln am Bahnhof aussteigt und auf der Durchreise ist, oder jemand, der mit guter Laune aus dem Theater kommt und schnell mal ein Heft mitnimmt, zum Teil auch Stammleser. Genau können wir nicht sagen, wer unsere Zeitung kauft. Wir haben eine Auflage von 3000 und die ist auch jeden Monat weg. Das sind eben 3000 Leute, die diese Zeitung interessiert. Die Abonnenten kennen wir ja. Darunter sind auch Multiplikatoren, Leute aus der Politik, Prominente, aber auch Leute wie Du und ich. Die Wohnungslosen lesen die Zeitung höchstens mal in den Einrichtungen oder geben sich die Hefte weiter, die kaufen sie nicht. Es sei denn, es sind Verkäufer.

Seconds: Wie setzt sich die Redaktion zusammen? Gibt es viele freiwillige Helfer? Bacher: Ich selbst arbeite hier seit sieben Jahren als Journalistin, für einen Teil meiner Arbeit stelle ich als freiberufliche Journalistin eine Rechnung, der andere Teil meines Engagements für den DRAUSSENSEITER ist bisher Ehrenamt. Ich finde es sehr wichtig, für meine Arbeit bezahlt zu werden, weil ich eine Familie ernähren muss und ich somit eine Kontinuität garantieren kann. Von einem Obolus, den auch meine Assistentin und die Layouterin bekommen, mal abgesehen, arbeiten rund 20 Mitarbeiter ehrenamtlich. Sie machen die Fotos, gestalten Anzeigen, schreiben Texte und kommen jeden zweiten Montag zur Redaktionssitzung. Das sind Wohnungslose, Journalisten, wohnungslose Journalisten, ... Ich will gar keine Schubladen aufmachen, bei uns kann jeder mitmachen. Auch die Umschlagsgestalter, die das schon seit sieben Jahren machen, leisten freiwillige Arbeit, obwohl die Agentur gut im Geschäft ist und sicher genug mit ihren zahlenden Kunden zu tun hätte. Ich finde, dass der DRAUSSENSEI-

Seconds: Wer sind Ihre Leser?

die ein Buch über das Lachen herausgeben wollte. Sie wollte den Text dort aufnehmen. Das ist für die Zeitung schön, aber für den kleinen Günther ist es eine Art Ritterschlag, wenn jemand sagt, dieser Text hat so eine poetische Kraft, wir hätten ihn gern in unserem Buch. Es wurden auch ein Honorar und ein Belegexemplar übergeben. Solche Sachen passieren auch und sind eine super Bestätigung. Oder eine Redakteurin wird mal auf eine Veranstaltung eingeladen, um zu einem Thema etwas zu sagen. Auch jemand, der sonst nicht so im Reden geübt ist, kann dann auf der Bühne vor vielen Menschen über die Arbeit sprechen und läuft dann vielleicht noch wochenlang danach mit einem Lachen durch die Welt, das ist einfach schön.

Inzwischen sind wir ein harter Kern von 20 Leuten. Seconds: Wie finden und planen Sie Ihre Themen?

Wir sind zum einen ein Sprachrohr für die Obdachoder Wohnungslosen und zum anderen bieten wir den Verkäufern, die sonst auf dem Arbeitsmarkt vielleicht keine Chance hätten, eine Möglichkeit, an einer tagesstrukturierenden Maßnahme teilzunehmen. Vielleicht schaffen sie es dann irgendwann, trauen sich noch einmal, einen anderen Job anzunehmen. Durch den Verkauf bekommen sie viel Selbstbestätigung und ein bisschen Taschengeld. Seconds: Für die Zeitung zu schreiben, stärkt doch auch das Selbstbewusstsein? Bacher: Ja, die Kölsche Linda zum Beispiel hat – wie sie selbst sagt – im letzten Jahr so viel gelernt, dass sie sich jetzt traut, eigene Reportagen anzugehen. Sie hat lange auf der Straße gelebt, heute berichtet sie darüber. Zweimal im Jahr organisieren wir für alle eine Schulung. Dafür holen wir gestandene Journalisten in die OASE. Zum Thema Portraitschreiben, weil wir das immer wieder brauchen oder zur Reportage. Da zieht jeder für sich etwas raus. Insofern ist das vielleicht auch eine dritte Zielsetzung, dass man durch das Schreiben seine eigene Situation noch einmal anders verarbeiten und reflektieren kann oder sogar schreiben lernt. Seconds: Es ist doch eine schöne Anerkennung, wenn die Texte gedruckt werden? Bacher: Ja, auf jeden Fall. Das zieht manchmal sehr weite Kreise. Der kleine Günther hat zum Beispiel einmal einen Text geschrieben über einen Obdachlosen, der sein Lachen verlor, einen poetischen Text. Wir bekamen eine Anfrage von einer Frau,

Bacher: Mit hauptsächlich ehrenamtlichen Mitarbeitern müssen wir flexibel sein. Oft ist nicht geplanter Text dann doch schneller da oder es wird uns plötzlich eine gute Reportage angeboten – die Themen kommen auf uns zu. Unsere Verkäufer leben ja zum Teil auf der Straße, die sind natürlich ganz nah dran an Themen, die wir dann aufbereiten können. Wir können aus dem Vollen schöpfen. Und obwohl unsere Themen nicht immer von der Sonnenseite des Lebens handeln, wird in unserer Redaktion viel gelacht! Außerdem bemühen wir uns, positive Impulse zu geben mit unseren Texten oder auch mal Handlungsmöglichkeiten aufzuweisen für vermeintlich ausweglose Situationen. Somit ist auch bürgerschaftliches Engagement immer ein wichtiges Thema. Wir bemühen uns, über interessante Initiativen und Vereine in der Stadt zu schreiben. Damit geben wir schon verbindliche Empfehlungen, sich zu engagieren. Ich stelle oft fest, dass viele Leute sich engagieren wollen und nicht wissen, für was und wie oder an wen sie sich wenden sollen. Wir versuchen, eine Brücke zu den Lesern zu bauen. Seconds: Bekommen Sie ein gutes Feedback von Ihren Lesern? Bacher: Genau. Wir kriegen viele Leserbriefe, das ist das Tolle. Sowohl positiv als auch negativ. Oder jemand bietet uns etwas an. Wenn wir Verlosungsaktionen machen, sind ganz viele Leute dabei. Das macht Mut, weil ich sehe, dass wir wirklich gelesen werden. Anscheinend sind wir so eine Redaktion, die gern kontaktiert wird. Auch über unsere Website und über unseren facebook-Account. Wir pflegen das regelmäßig, so dass man merkt, wir sind da, erreichbar und offen für jeden. Es ist schön, wenn alle Leute kommen, egal, wie sie heißen, welche Ausbildung sie haben, ob sie gerade wenig oder viel Geld haben, ob sie auf der Straße leben oder nicht. Wir versuchen,


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diese Schubladen gar nicht erst aufzumachen. Die OASE, der offene Treff vorne, ist erst mal ein anonymer Raum. Da darf jeder reinkommen und muss nicht sagen, wer er ist. Und genauso verstehen wir unsere Arbeit. Dann zeigt sich, wer längerfristig Interesse hat und dabeibleibt. Inzwischen sind wir ein harter Kern von 20 Leuten. Seconds: Kommen neue Mitarbeiter oder Interessenten auf Sie zu?

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Bacher: Ja, die meisten Leute, die hier mitmachen, sind auf uns zugekommen. Die Umschlaggestalter ebenso wie viele andere Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollten. Der Impuls ist oft auch die Empfindung, selber Glück gehabt zu haben. Davon möchten sie etwas weiter geben. Meiner Erfahrung nach ist es sowieso so, dass die besten Sachen auf einen zukommen. Bei anderen Sachen bemüht man sich, möchte das unbedingt, und es klappt nicht. In der Arbeit mit Ehrenamtlichen kann man ja niemanden

zwingen. Aber wenn man seine Mitarbeiter gut pflegt und motiviert, dann macht es allen Spaß und sie bleiben länger dabei. Deshalb machen wir Betriebsausflüge, einen Stammtisch oder auch eine Weihnachtsfeier. Seconds: Wie oft sind Sie in der OASE? Bacher: Ich bin ca. zweimal die Woche hier, weil ich ja auch regelmäßig an den Teamsitzungen der Sozialarbeiter teilnehme. Auch der Vertrieb ist ein großer Bereich, der von hier aus gemacht wird und den man im Blick behalten muss, auch und gerade, wenn er meistens von Ehrenamtlern abgewickelt wird. Die Abos müssen bewältigt werden. Neue Verkäufer müssen aufgenommen, Ausweise erstellt und Regeln erklärt werden. Sie kaufen das Heft für 80 Cent, verkaufen es für 1,70 Euro und 90 Cent vom Verkaufspreis sind ihr Gewinn. Es gibt auch ein Prämiensystem. Wir haben rund 100 registrierte Verkäufer, davon sind aber zurzeit nur 30 aktiv. Seconds: Sie sind auch in diesem Netzwerk der Straßenzeitungen. Das ist eine beeindruckende Sache...

„Es macht Mut zu sehen, dass wir wirklich gelesen werden“ Christina Bacher ist Journalistin, sowie zweifache Mutter. Seit sieben Jahren ist sie Chefredakteurin des „DRAUSSENSEITER“. Außerdem verantwortet sie die Redaktion NIRI-NEWS, eine Zeitung für nierenkranke Kinder an der Dialyse des Vereins „Nephrokids – Nordrhein-Westfalen e.V.“ Sie sei „Blattmacherin“ geworden, sagt sie, und sorgt dafür, dass ihre Publikationen „Hand und Fuß haben“. Als Krimiautorin hat sie sich vornehmlich mit der Jugendbuchreihe „Bolle und die Bolzplatzbande“ einen Namen gemacht. Zurzeit hat sie ein Stipendium des Kulturamts der Stadt Köln inne für das Skriptorium der AntoniterCityKirche. (Seconds berichtete im Oktober 2012) www.draussenseiter-koeln.de

Die OASE Benedikt Labre e.V. berät, informiert und bietet weiterführende Hilfen rund um das Thema Wohnungslosigkeit und drohender Wohnungsverlust. Die Einrichtung unterstützt Menschen ohne Wohnung oder in Wohnungsnot und fördert sie in ihren Fähigkeiten, ihr Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Projekte der OASE: Kontakt- und Beratungsstelle, Offener Treff, ambulante Begleitung, Wohnhäuser, Deutzer Nachbarschaftshilfe und der „DRAUSSENSEITER“. Benedikt Labre e.V. – OASE Alfred Schütte Allee 4 - 50679 Köln Tel.: 0221-989353-0 KVB-Haltestelle Drehbrücke (Linie 7) http://www.oase-koeln.de

Bacher: Ja, wir sind in einem weltweiten Verbund von Straßenzeitungen, International Network of Street Papers (INSP), die sich um die Verkäufer kümmern und ihnen ähnliche Regeln geben. Daran müssen die sich auch halten. Dafür versucht man, ihnen ein gutes Produkt an die Hand zu geben, hinter dem sie wirklich stehen können. Mit Österreich und der Schweiz sind mehr als 40 deutschsprachige Zeitungen in diesem Verbund. Zusammengerechnet haben wir damit eine Auflage von einer halben Million. Das heißt, wenn wir jetzt alle mit demselben Thema aufmachen würden, hätten wir eine Riesenauflage. Eine Berliner Zeitung hat vor zwei Monaten den Bundespräsidenten interviewt und das zur Verfügung gestellt. Es wird jetzt fast in allen deutschsprachigen Zeitungen abgedruckt. Es gibt jedes Jahr internationale Tagungen, im Juni findet die diesjährige in München statt. Seconds: Und Ihre persönliche Einschätzung nach sieben Jahren Chefredaktion? Bacher: Nach wie vor ist das hier eine sehr sinnvolle Arbeit, die viel fordert und viel zurückgibt. Insofern habe ich Glück gehabt, dass mich meine Wege nach Köln und schließlich zum DRAUSSENSEITER geführt haben. Frau Bacher, herzlichen Dank für dieses Gespräch.


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Kampfsport als Mittel gegen Aggressivität und Gewalt: TAK e.V. VON KATHARINA MANSI

Ramazan Saglam ist siebenfacher Europameister im Taekwondo und trainiert im Kölner TAK e.V (Verein Traditionelle Asiatische Kampfkünste) seit dem Jahr 2002 Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Der Sozialhelfer und Gewaltpräventionstrainer ist seit 36 Jahren ehrenamtlich tätig und blickt auf ein buntes Repertoire an guten, wie auch enttäuschenden Momenten zurück. Sportliche Erfolge gibt es genug, dennoch fehlt es an Sponsoren zur Unterstützung der ehrenamtlichen Vereinstätigkeiten. Das Problem: Die Unwissenheit. Immer wieder mussten sich Ramazan Saglam und Oktay Akin (ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Vereins) von der Stadt, den Schulen und auch den Eltern die Frage gefallen lassen: „Kampfsport und Gewaltprävention? Wie soll das denn zusammenpassen?“

men gerne, aber Kampfsport ist einfach in der Gesellschaft noch nicht genug etabliert.“ Je tiefer wir in die Materie des Sponsorings und der Zivilcourage eintauchen, desto verbitterter und trauriger wird Ramazan Saglam. Vor mir sitzt ein Mann, der sich ganz seinem Verein verschrieben hat: Seine Frau Azra Saglam leitet das Büro, wie auch das vereinseigene Café, seine Tochter betreut die Bambini-Gruppe „Tiger Kids“ in der Vierjährige getreu dem Motto „Spiel, Spaß, Sport“ an Bewegung und Körper-Bewusstsein herangeführt werden. Saglam ist überzeugt: „Kinder, die schon so früh ihren Körper beim Sport kennenlernen, werden ihr Leben lang Spaß an Bewegung haben und sind keine Kandidaten für aggressives Verhalten. Der Sport wirkt wie ein Ventil!“.

Taekwondo heißt: Kämpfen mit sich selbst!

Von Ehrenpreisen kann man weder Strom noch Trainer bezahlen

Meistertrainer Saglam wird nicht müde zu erklären: „Die Philosophie des Kampfsports ist, mit sich selbst zu kämpfen – „Do“ das ist der „Weg“. Die Regeln: Den Partner „abgrüßen“, die Kleidung ordnen, die höheren Gürtelträger respektieren – das alles gehört zu diesem Weg. Kämpfen heißt in erster Linie, sich selbst kennenlernen - kämpfen mit sich selbst. Bis wir das den Menschen begreiflich gemacht haben, dauert es immer eine Weile. Doch unsere Schüler antworten mittlerweile wie aus der Pistole geschossen, wenn ich sie frage, was Taekwondo heißt: Kämpfen mit sich selbst!“ TAK e.V hat seinen Sitz in Köln-Bucheim. Das Vereinscafé, die Umkleiden, die Trainingsräume - alles wurde in Eigenarbeit renoviert. Mittlerweile hat Saglams Cousin, der 22-jährige Murat Saglam den Vorstandsvorsitzenden Akin von seinem Amt abgelöst. Den Wirtschaftsrecht-Studenten hat es schon im frühsten Kindesalter in die Trainingshalle gezogen. Seine Freizeit widmet er heute dem Verein, der bei Weitem schon bessere Tage gesehen hat, und führt damit das Projekt seines Cousins unterstützend weiter. Keine leichte Aufgabe: „Momentan bin ich die meiste Zeit damit beschäftigt, Anträge auszufüllen und bei der Stadt Köln und SpoBIG (Sport, Bildung, Integration, Gesundheit – ein Projekt im Rahmen des Strukturförderprogramms Mühlheim 2020) einzureichen, um endlich die Anerkennung als Antiaggressionstrainer zu erhalten.“ Eine Ironie des Schicksals, da TAK e.V. schon seit dem Jahr 1999 mit dem Projekt „Hinsehen, handeln, Hilfe holen“ Gewaltprävention betreibt. „Damals war dieses Wort den meisten noch gar kein Begriff und jetzt kämpfen wir um Anerkennung!“ erzählt Ramazan Saglam mit einer Spur von Verbitterung.

„Als Kampfsportverein sind wir für viele Unternehmen nicht „salonfähig“ Auch meine Nachfrage nach dem Ehrenamtspreis „Köln engagiert“, welcher im Jahr 2012 an den TAK e.V. ging, kann nur noch ein müdes Lächeln hervorrufen: „Der Preis war sicherlich eine tolle Anerkennung für den Verein“, konstatiert der Cheftrainer, „aber gebracht hat es uns nichts, außer einen kurzen Moment der Aufmerksamkeit.“ Wie das sein kann, erklärt mir Oktay Akin, der bis vor Kurzem noch Vorstandsvorsitzender war und viel Erfahrung auf dem Gebiet Vereinsmanagement und Fundraising mit sich bringt: „Als Kampfsportverein sind wir für viele Unternehmen nicht „salonfähig“. Einen Fußball,- oder noch besser Tennisverein sponsert jede Bank oder Versicherungsunterneh-

Der Gesellschaft die positiven Auswirkungen des Taekwondo - besonders bei verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen – näher zu bringen, ist Saglam eine Herzensangelegenheit. Dennoch ist er an einem Wendepunkt angelangt: „Wir liefern Qualität, aber wenn Sie mich fragen, ob mich meine Arbeit satt macht - meine Taschen füllt muss ich das leider verneinen. Innerlich bin ich zwar erfüllt von dem, was ich tue, aber irgendwo hat auch das eine Grenze, man brennt aus und hat keine Kraft mehr. Langsam bin ich die Ehrenpreise wirklich satt, hier müssen der Strom und die Trainer bezahlt werden.“ Es ist spürbar, dass hier enttäuschte Erwartungen langsam aber sicher tiefe Furchen in Saglams unbändigen Willen, mit dem Kampfsport nachhaltig etwas zu bewegen, hinterlassen haben. Ohne Sponsoren, ohne Anerkennung als Antiagressionstrainer und ohne städtische Fördermittel – das wissen Saglam, sein jüngerer Cousin Murat und auch Oktay Akin – wird TAK e.V. sich nicht mehr nur durch Mitgliedsbeiträge halten können. Ein trauriges Fazit für die Ehrenamtler! Noch lässt sich TAK e.V. aber nicht unterkriegen: Mit der Kampagne „Sauberer Kampfsport“, an der sich mittlerweile schon zehn Kampfsportschulen beteiligen, strebt der Verein ein Qualitätssiegel für den Kampfsport an. Ein wichtiges Anliegen: Nach wie vor stoßen Kampfsportschulen auf Unverständnis und ein fehlendes Bewusstsein, welche positiven Nebenwirkungen dieser Sport mit sich bringt. Natürlich unter der Voraussetzung, dass die essentiellen Regeln des Kampfsportes gelehrt und praktiziert werden. Dies soll zukünftig durch ein Qualitätssiegel gewährleistet werden.

Neben Taekwondo für Anfänger und Fortgeschrittene bietet TAK e.V. außerdem Kampftraining für Kinder und Jugendliche an - sowie einen Frauen-Kampfkunstkurs, in dem neben Selbstverteidigungstechniken auch Gewaltprävention sowie Kickboxing-Elemente gelehrt werden. Infos unter:

www.taekwondo-tak.de/

Foto©TAK-e.V.

Höflichkeit, Integrität, Selbstdisziplin, Durchhaltevermögen und Unbezwingbarkeit – fünf Eigenschaften, die sich wohl jeder Lehrer und jedes Elternteil für das eigene Kind wünschen würde. Dabei kennen wohl viele Kinder nicht einmal die Bedeutung jedes einzelnen dieser Begriffe, welche die fünf Säulen des Taekwondo darstellen.

Kinder, die schon so früh ihren Körper beim Sport kennenlernen, werden ihr Leben lang Spaß an Bewegung haben

Die 180 Grad Wende Eine neue Form der Gewaltprävention für Jugendliche ist das Projekt 180° Wende, das im April im Polizeipräsidium Köln-Kalk vorgestellt wurde. Unter dem Motto, von der Basis für die Basis, bieten Jugendliche, sogenannte Multiplikatoren, aus den jeweiligen Stadteilen und sozialen und kulturellen Milieus, Jugendlichen mit Problemen Hilfen an. Unterstützt werden sie dabei von Mentoren, pensionierten Lehrer, Sozialarbeitern, Polizisten und Richtern, die ihnen ehrenamtlich mit ihrem Fachwissen zur Seite stehen, beraten und weitergehende Hilfen organisieren. So soll nach und nach ein Netzwerk über die ganze Stadt Köln gespannt werden. Hauptzielgruppe sind dabei Jugendliche und junge Erwachsene, die keine Schule besuchen, keiner Arbeit nachgehen, Probleme haben und vorhandene Angebote der Stadt nicht nutzen. Die Multiplikatoren sollen Gutes multiplizieren, Kriminalität eindämmen, Ursachen für Radikalisierung bekämpfen und eine öffentliche und aggressive Kriminalität verringern. Ein wichtiges Element dieses Projektes ist deshalb auch die Multiplikatoren-Ausbildung der jungen Menschen in den Bereichen Deeskalation und Anti-GewaltTraining, Drogen und Sucht, Recht und Demokratie und Zivilcourage. Das erworbene Wissen und die Fähigkeiten sollen anschließend weitergegeben werden, überall dort, wo sie gebraucht werden. Wer an einer ehrenamtlichen Tätigkeit als Mentor oder Unterstützer interessiert ist oder eine Ausbildung zum Multiplikator machen möchte, wendet sich an: Jugendbildungs- und Sozialwerk Goethe e.V. Projekt „180 Grad Wende“ Postfach 80 05 42 51005 Köln Email: info@projekt180gradwende.de


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17. Ausgabe | 17 Freie Plätze für Kölner Jugendliche in Liverpool und Rotterdam ab September 2013 Kölner Jugendliche zwischen 18 und 27 Jahren können sich für einen der noch freien Plätze im Rahmen des Freiwilligendienstes in Liverpool/ England oder Rotterdam bzw. Gelderland/Niederlande bewerben. Wer etwas Sinnvolles leisten und Auslandserfahrung sammeln möchte, eine neue Kultur kennenlernen und Einblick in Berufsfelder bekommen will, für den ist der Freiwilligendienst eine interessante Alternative. Der Freiwilligendienst dauert 6 bis 12 Monate und wird in sozialen, kulturellen oder ökologischen Einrichtungen geleistet. Weitere Informationen: Kölner Freiwilligen Agentur, Tel. 888 278 23 oder E-mail: kerstin.kau@koeln-freiwillig.de

Tipps & Termine aus der Redaktion „Die Zauberküche“ Altes Pfandhaus Kartäuserwall 20 50678 Köln - Altstadt/Süd 2. Mai 2013 bis 11. Mai 2013 - 11:30 Uhr Samstag und Sonntag, 15 Uhr

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Escht Kabarett Die Kultveranstaltung „…Show auf dem Grill“ geht in die nächste Runde. Verschiedene Künstler treten im 15 Minuten Takt auf. Dazu gibt es Grill-Spaß, Salätchen und Bier vom Fass. Schirmherr der Veranstaltung ist Jürgen Becker. 17.Mai, 20 Uhr, Eintritt 5 € BUEZE Bürgerzentrum Ehrenfeld e.V. Venloer Straße 429 50825 Köln Fantastische Musik für einen guten Zweck – was kann es besseres geben? Für sein ersten Charity-Konzert hat sich der Pumpkin e.V. mit David Pfeffer und Jonas David zwei Künstler ausgesucht, die derzeit in der einheimischen Musikszene für Furore sorgen und einen hochwertigen Konzertabend versprechen. Und als ob die Musik nicht schon Grund genug zum Kommen wäre: Der Gewinn geht komplett an das Pumpkin House For Children, einem Kinderheim in Indien. Einlass: 19 Uhr Beginn: 20 Uhr - Ort: Lichtung Tickets: 10 Euro im VVK unter www.pumpkinhouse.de, der Erlös wird gespendet Wake-The-Line Contest 2013 „Die Orsons“ und FLO MEGA beim „O’Neill Wake The Line“ 2013 Am 24 / 25. Mai 2013 findet in Köln die bereits sechste Auflage des weltweit einzigartigen Wakeboard- und Wakeskate Contests statt. In diesem Jahr darf man sich zum ersten Mal auf ein komplettes „O’Neill Wake The Line presented by Relentless Energy Drink“ Wochenende voller Action, atemberaubender Stunts und Live Music-Acts freuen. Die perfekte Location des Kölner Stadionbades wird erneut in einen innovativen und anspruchsvollen Wakeboard-Parcours verwandelt, Im Stadionbad wird es neben der spektakulären Show auf dem Wasser auch die passende Musik („Die Orsons“ und „Flo Mega“) sowie Essen und Trinken geben. Des weiteren kann man durch das Brand-Village bummeln, ein paar Goodies abgreifen und die neusten Lifestyle- und Wakeboard Trends auschecken. Stadionbad Köln-Müngersdorf


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Wie fair ist Fair? Von Kaffeepflückern und Milchbauern VON STEFAN PALLMER Kolonialwaren nannte man sie früher. Den Kaffee oder Tee, den wir zum Frühstück trinken und mit Zucker süßen; die Muskatnuss oder die Vanillestange, mit denen wir unser Essen schmackhafter machen; die Schokolade, die wir am Abend naschen. „Gepfefferte“ Preise musste man dafür zahlen. Die rohen Produkte, die die Europäer Anfang des 18. Jahrhunderts in Europa einführten, waren zuerst reine Luxusgüter und wurden erst später einer breiteren Schicht zugänglich. Dass in dem Begriff „Kolonie“ schon eine unfaire Ausbeutung der „unterentwickelten Länder“ implizit enthalten war, spielte keine Rolle. Im Gegenteil, der Import von Baumwolle, Gewürzen und anderer Spezereien ermöglichte erst den Reichtum vieler Länder unseres Kontinents. Die Lieferanten nahmen an diesem „Gewinnspiel“ nicht teil. Den Kolonialwarenladen gibt´s schon lange nicht mehr, aber die Abhängigkeit vieler Länder der südlichen Hemisphäre ist trotz ihrer gewonnenen Unabhängigkeit geblieben. Heute bestimmen internationale Handelskonzerne und Rohstoffbörsen die Preise und Lebensbedingungen der Menschen dort. Spekulationen mit Nahrungsmitteln führen zu Hunger und Elend, Menschen erkranken in den Monokulturen von Ananas und Bananen. Und selbst die Böden werden zum Handelsgut, denn die brauchen wir ja für unsere Fleisch- und Biospritproduktion. Aber das ist alles „Gott sei Dank“ weit weg. Unsere Betroffenheit wird höchstens dann geweckt, wenn wir einen kleinen Jungen bei der Kinderarbeit in einer Kakaoplantage in Brasilien oder die Arbeitsbedingungen von Näherinnen in Bangladesch im Fernsehen sehen. Vor dem Schokoregal im Supermarkt oder dem Wühltisch im Textildiscounter versagt sie. Der Zusammenhang zwischen den Produktionsund Lebensbedingungen dort und unserem Kauf- und Konsumverhalten hier bleibt abstrakt.

Entwicklungshilfe mit der Kaffeetasse Mitte der 70er Jahre wurde vermehrt auf diese Ausbeutung und Ungerechtigkeit hingewiesen. Die ersten „Weltläden“ eröffneten. Sie boten Produkte aus Ländern des Südens an und sollten ihren Produzenten höhere Gewinne ermöglichen. Den Anfang machte dabei der fair gehandelte Kaffee aus Guatemala, der „Indio-Kaffee“. Getragen von der Bewegung des fairen Handels zusammen mit den Kirchen, ging es dabei nicht nur um Kaffee. Man wollte vor allem Kleinbauern, Kooperativen und Genossenschaften unterstützen und sie in die Lage versetzen, in ihren Ländern eine Verbesserung der Lebensbedingungen herbeizuführen, eine Form der Entwicklungshilfe mit der Kaffeetasse. Gleichzeitig sollte unser Bewusstsein gefördert werden, darüber nachzudenken, wo das eigentlich herkommt, was wir da gedankenlos konsumieren. Der Kaffee wurde politisch. Es folgten fair gehandelte Schokolade, Reis, Gewürze, Baumwolle und Bananen. Die GEPA, getragen von kirchlichen Organisationen

war eine der ersten Firmen, die den fairen Handel zum Unternehmensziel erkoren. Sie zahlte einen Mindestpreis für die Produkte und Rohstoffe, auch wenn der Welthandelspreis darunter lag. Damit hatten die Bauern wenigstens eine Kalkulationsgrundlage und langfristige Rahmenbedingungen für ihre Arbeit. Eine Vorfinanzierung der Ernte sollte kleinbäuerlichen Genossenschaften ohne Eigenkapital Produktion und Export sicherstellen. Zusätzlich verpflichteten sich Händler und Importeure, Prämien zu zahlen, um Entwicklungshilfeprojekte in den Bereichen Beratung, Qualifizierung und Ausbildung zu ermöglichen. 1992 startete der gemeinnützige Verein TransFair mit Sitz in Köln seine Arbeit. Er selbst handelt nicht mit Waren, sondern vergibt das Fairtrade Siegel für fair gehandelte Produkte nach festgelegten Standards. Die World Fair Trade Organisation (WFTO) definiert fairen Handel als „eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Durch bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer Rechte für benachteiligte ProduzentenInnen und ArbeiterInnen - insbesondere in den Ländern des Südens – leistet der faire Handel einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung.“ Insgesamt sind 350 Firmen und Organisationen aus der ganzen Welt in der WFTO zusammengeschlossen.

Ist Fairer Handel wirkungsvoll? Ob fairer Handel tatsächlich eine Veränderung in den jeweiligen Ländern bewirkt, war lange Zeit umstritten. Ja, er behindere sogar die wirtschaftliche Entwicklung, da die Mechanisierung der Landwirtschaft und damit eine Ertragssteigerung verhindert werde, so die Behauptung. Nur der freie Handel sei gut für die Menschen und fair. Aber bei dieser Darstellung waren wohl andere Kräfte am Werk. Neuere Studien, wie beispielsweise die vom CEval (Centrum für Evaluation) in Saarbrücken 2012 hingegen belegen die grundsätzlich

positiven Auswirkungen - wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß – auf die sozialen, ökonomischen und ökologischen Bedingungen in den ländlichen Regionen dieser Länder. Die Kleinbauern hätten leicht höhere und stabilere Einkommen, meist bessere Arbeitsbedingungen, und der faire Handel könne einen Entwicklungsschub für eine ganze Region auslösen. In Regionen mit starkem FairTrade Anteil ahmten die konventionellen Anbieter sogar deren Standards nach. Längst geht es nicht mehr nur um Kaffee, Schokolade und Bananen, auch Rosen und Eiscreme finden sich im Angebot. Derzeit sind es rund 2.000 Produkte in Deutschland, die das FairTrade Siegel tragen und vom Naturkostladen, bis hin zum Discounter angeboten werden.

„Fair“ ist gesetzlich nicht geschützt. 533 Millionen Euro gaben die Deutschen, nach Angaben von TransFair im letzten Jahr für derartige Produkte aus. Das weckt Begehrlichkeiten, lässt sich mit dem Zusatz „Fair“ offensichtlich auch sehr viel Geld verdienen. Der Begriff Fair ist gesetzlich nicht geschützt und jeder kann von sich behaupten fair zu sein. Geradezu inflationär und verwirrend ist der Gebrauch auf Verpackungen und Etiketten geworden. Mit phantasievollen Bezeichnungen soll dem Verbraucher soziales und gesellschaftlich verantwortliches Handeln der Firmen suggeriert werden. Anders als beispielsweise bei dem BIO Siegel der EU, gibt es keine gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststandards für „Faire Produkte“. Und selbst seriöse Firmen wie die GEPA gehen mittlerweile dazu über, das FairTrade Logo durch eigene Kennzeichnungen und Labels, wie „Fair+“ zu ersetzen. Inhaltlich


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Foto©Stefan Pallmer mag es ja in Ordnung sein, dass man zum Ausdruck bringen möchte: wir strengen uns noch mehr an, wir übertreffen sogar die FairTrade Standards - aber fairer als Fair? Zur Orientierung des Verbrauchers trägt dies mit Sicherheit nicht bei.

Tipps & Termine aus der Redaktion

Die Milch wird Fair Und jetzt wird auch unsere Milch fair. Dass Milchbauern hierzulande aufgrund des Drucks der Großmolkereien und des Handels große Schwierigkeiten haben, von den Erträgen ihrer Milch zu existieren, hat sich herum gesprochen. Rund 25 bis 30 Cent erhalten sie durchschnittlich pro Liter Milch. Bei Demonstrationen und auf Plakaten in ihren Dörfern forderten sie deshalb einen fairen Preis von mindestens 40 Cent je Liter, um über die Runden zu kommen. Molkereien und Handel haben schnell erkannt, dass darin ein enormes Marketingpotential liegt. So liest man neuerdings allerlei faire Garantien und Versprechungen auf den Milchverpackungen. Nachprüfen lassen die sich allerdings nur schwer, und wie sollen bei einem Verkaufspreis von 50 bis 60 Cent je Liter im Laden noch 40 Cent für den Milchbauern übrig bleiben? Immerhin, das Label „Naturland Fair“ hat Richtlinien erarbeitet, die definieren, was faire Erzeugerpreise und Mindestpreise sind und wonach sie sich richten sollen. Die gute Nachricht: deren Einhaltung wird auch überprüft. Doch es geht nicht nur um Siegel, Labels und Etiketten. Carlo Petrini, der Gründer von „Slow Food“ brachte es vor vielen Jahren auf den Punkt: Unsere Lebensmittel sollten gut sein, sonst taugen sie nicht, sie sollten sauber sein, sonst schaden sie der Gesundheit und der Natur. Und der, der sie erzeugt soll dafür einen fairen Preis erhalten, sonst kann er nicht davon leben.

Fit For Fight / Amc Selbstschutz & Sicherheits Akademie Köln Mülheim Montag, 06. Mai 2013 um 19:00 kostenloses Probetraining - Selbstschutz Notwehrsystem 26 Mai Tag der offenen Tür. Weitere Informationen unter: AMC (H) - Akademie Köln-Mülheim Rhodiusstraße - 51065 Köln - 0221 / 222 869 - 55 all-aacht-koeln-rechts.de Zentralbibliothek: BücherBabys 8. Mai und 22 Mai 2013 10:15 bis 11 Uhr Im Zentrum der Bücherbabys stehen die Sprach- und Sinnesförderung der Kleinsten, Lieder, Singspiele, Kniereiter, Fingerspiele und Bilderbücher. Den Eltern werden ausgewählte Elternratgeber vorgestellt. Die BücherBabys werden von speziell geschulten Ehrenamtlichen durchgeführt. Bei den BücherBabys geht es nicht um das Vorlesen. Es geht um Sprache, um das Anschauen, Wiedererkennen und Benennen! 12. Mai | Kultursonntag am Butzweilerhof Kölner Themenjahr Ab 11.00 Uhr gibt es stündlich Führungen, letzte Führung beginnt um 17.00 Uhr. Die Cafeteria ist ab 11.00 Uhr geöffnet. Beginn: 11.00 Uhr, letzte Führung um 17.00 Uhr Veranstaltungsort: Stiftung Butzweilerhof Butzweilerstr. 35-39 - 50829 Köln

Schnur Fix - 12 Mai - Kultur für Kinder Der KunstSalon bietet eine einzigartige Veranstaltung: gemeinsam für Kinder und Eltern! Der jour-fixe - eine Kunstmatinee für Erwachsene und das künstlerische und kreative Zentrum des KunstSalon - hat sein Angebot um ein Programm für Kinder von 3 bis 10 erweitert: den SCHnUR FIX! SCHnUR FIX - Genießen Sie einen Tag im Monat voller Kunst und Kultur für die ganze Familie! Der SCHnUR FIX ist eine zweistündige Kreativwerkstatt, in der Kinder Kunst und Kultur entdecken und selbst künstlerisch aktiv werden: Tanz, Theater, Musik und Gestaltung! Der SCHnUR FIX indet jeweils am zweiten Sonntag eines Monats parallel zum jour fixe statt! (mehr). Kinder zwischen 3 bis 10 Jahre Der SCHnUR FIX ist für Kinder kostenfrei. http://www.kunstsalon.de/kultur-fuer-kinder/ Alfredo Rodriguez Trio Altes Pfandhaus Mittwoch, 15. Mai 2013 | 20:00 »Deutschlandpremiere in Köln« Der kubanische Pianist Alfredo Rodriguez - Gewinner des begehrten Montreux Jazz Award und künstlerischer Leiter des von Quincy Jones gegründeten „Global Gumbo Projects“, dem u. a. Künstler wie Bobby McFerrin, Herbie Hancock, Esperanza Spalding und Nikki Yanovsky angehören, gastiert erstmals in Deutschland und mit seinem Trio präsentiert er exklusiv in Köln sein aktuelles Album „Sounds of Space“. Tickets: VVK: 22 Euro zzgl. VVK-Gebühren | AK: 26 Euro http://www.altes-pfandhaus.de Fischmarkt 19.05.2013 - Beginn: 11:00 Uhr Open Air Tanzbrunnen Köln Veranstalter: RheinLust Eintritt frei ! Webseite: www.rheinlust.de

Yoga und Erdung - Yoga Vidya Köln Lübecker Straße 8-10 50668 Köln Tel. 0221 - 13 94 30 8 In diesem Workshop erforschen wir die Beziehung des Körpers zur Mutter Erde. Wir schauen, wie wir uns so erden können, dass wir Stabilität und Sicherheit in uns selbst erfahren können, während wir uns gleichzeitig leicht und beschwingt fühlen. Das Zauberwort hierfür ist „dynamic grounding“. Caroline de Jong, Yogalehrerin (BVY), Msc. Pschologie, Biorelease® Lehrerin, biodynamische Körperpsychotherapie i.A., mit fundierter Erfahrung aus Somatic Yoga. Freitag, 24. Mai, 18-21 Uhr 25 €, ermäßigt 20 € http://www.yoga-vidya.de/ Bunter-Familien-Zirkus-Brunch mit Bühnenprogramm, am 26. Mai Zirkusfabrik Kulturarena Neben einem leckeren Brunch-Angebot gibt es ein Bühnenprogramm für Kinder, einen Mitmachzirkus, begleitende live Musik und eine große Spielecke in der sich die Kinder austoben können, während die Eltern in aller Ruhe frühstücken und sich unterhalten. Anmeldung erforderlich unter 0221 - 47189251 oder info@diezirkusfabrik.com. Uhrzeit: von 10:00 bis 14:00 Uhr Kosten: 18;00 Euro für Erwachsene / 8,00 Euro Kinder von 3 bis 12 Jahren. www.diezirkusfabrik.com Trödel unterm Adler Am 26. Mai startet in der Kölner Südstadt die Flohmarktreihe auf dem Gelände des Jugendzentrums Bauspielplatz FRiedenspark,dem Historischen Fort I. Anmeldungen unter getit-now@web.de Gebühren 9,- €/laufender Meter KEINE NEUWARE Ort: Bauspielplatz Friedenspark Hans-Abraham-Ochs-Weg 1 50678 Köln Südstadt


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Tafelfreuden Wenn es sie nicht schon gäbe, man müsste… VON STEFAN PALLMER Es ist lausig kalt und feucht an diesem frühen Wintermorgen. Nur die, die es wirklich müssen, gehen vor die Tür, oder eben die, die es wollen. Die, die hier sind, wollen es. 14 ehrenamtliche Fahrer nehmen im Büro der Kölner Tafel ihre Routenpläne entgegen und verfrachten leere Pfandkisten in die sieben Transporter. Es geht zu wie bei einer kleinen Spedition und erinnert weniger an die Zentrale einer karitativen Einrichtung. Ich bin Herrn Blaschke und Herrn Plein zugeteilt. Wir packen noch die 3 Kisten mit den Nudelgroßpackungen und zwei Kisten Schokolade in den Wagen und los geht’s. „Was soll ich denn zu Hause rumsitzen“, antwortet Herr Blaschke auf meine Frage nach seiner Motivation, sich bei der Tafel zu engagieren. Er macht einen hanseatisch zurückhaltenden, eher unaufgeregten Eindruck und lenkt den Transporter sicher durch das Schneetreiben. Seine Frau arbeitet als Beamtin bei der Stadt und er fährt ein- bis zwei Mal die Woche für die Tafel. Die Schicht dauert in der Regel von acht Uhr früh bis nachmittags um vier. Herr Blaschke und Herr Plein sind ein langjährig eingespieltes Team.

Die Hörnchen zu krumm, die Brote zu lang: nur „schöne“ Ware geht in den Verkauf

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Der eine fährt, der andere notiert Art und Menge der eingeladenen Lebensmittel. Die erste Station ist der Handelshof. Zügig rückwärts vor die Rampe fahren, Herr Plein springt raus, öffnet die hinteren Türen und dann ganz ran bis an die Kante. Foto©Stefan Pallmer

Dort stehen schon die Kisten mit Tomaten, Paprika, roten Zwiebeln und frischem Knoblauch. Beide inspizieren die Ware, packen in die grünen Stapelkisten um und sortieren einige wenige schadhafte Gemüse aus, ansonsten, erstklassige Ware. Die Kisten werden hoch gestapelt, damit genügend Stauraum für den nächsten „Schatz“ vorhanden ist. Wir fahren zum wichtigsten „Kunden“ der Kölner Tafel, dem REWE-Hauptlager. Eine Schranke mit Wärterhäuschen verweist darauf, dass hier nicht jeder reinkommt. Das Handy von Herrn Blaschke klingelt und der Fahrer des zweiten Wagens – die REWE wird normalerweise von zwei Fahrzeugen wegen der großen abzuholenden Mengen angefahren – meldet, dass es ein Problem gibt. Die Dame bei der REWE, die den „Ausschuss“ koordiniert und freigibt, ist heute krank und sonst findet sich niemand, der den Überblick hat. Auch lässt sich die Rampe, die normalerweise vorgesehen ist, nicht anfahren, da ist eine Baustelle. Wir können zwar mehrere Rollcontainer mit Frischware sehen, von denen wir vermuten, dass sie für die Tafel bestimmt sind, aber heute können wir sie nicht mitnehmen. Schade! Enttäuscht fahren wir zur Molkereihalle der REWE und bunkern Joghurts, Milch, Sahne und Frischkäse. Es ist keine Ware, deren Mindesthaltbarkeit gefährdet wäre, es ist „Bruch“, also Verpackungskartons, die beschädigt oder vom Container gefallen sind. Diese Lebensmittel gelangen erst gar nicht in die Filialen, alles tiptop frisch. „Manchmal bekommen wir auch Waren, die einfach von den LKWs hierhin falsch geliefert wurden“, sagt Herr Blaschke. „Da wäre es zu aufwändig sie wieder umzudisponieren.“ Morgen braucht die Kölner Tafel wahrscheinlich drei Fahrzeuge, um dann alles in Empfang zu nehmen. Nächste Station ist die Großbäckerei Kraus. Herr Blaschke erzählt, da gebe es eine Frau von der Kölner Tafel, die jeden Morgen um sechs Uhr dort den Ausschuss der Backwaren liebevoll in Kisten sortiert und

vorbereitet und dann fährt sie zu ihrer regulären Büroarbeit. Tatsächlich, als wir vorfahren sehen wir die Brötchen und Brote, das Hefegebäck und die Hörnchen ordentlich in Reih und Glied. Wir stibitzen uns jeder eins, soviel darf sein. Frischer als frisch geht nicht, nur sind die Brötchen vielleicht nicht ganz so ebenmäßig, die Hörnchen zu krumm und die Brote zu lang, so ganz habe ich keine Erklärung für ihr Ausscheiden aus dem Verkaufsprozess. Sei´s drum, zwei ALDI-Filialen warten schließlich noch auf uns. In Bickendorf empfängt uns ein Mitarbeiter der Filiale persönlich und übergibt uns kistenweise vakuumierte Fleischwurst. Herr Blaschke sagt, das sei seine Lieblingswurst, die kaufe er selber gern. Das Datum auf der Verpackung weist eindeutig darauf hin, dass die Wurst ihre Mindesthaltbarkeit erst in acht Tagen erreicht. Sie wird aber jetzt schon aus dem Regal geräumt, weil die neue Lieferung da ist. Ergänzt wird die neue „Beute“ durch eine Kiste mit frischem Parmesankäse. Wie passend, denke ich und habe die Nudeln, Tomaten, den Knoblauch und die Zwiebeln im Kopf, beziehungsweise hinter mir im Transporter, der jetzt zu einem Drittel gefüllt ist. Zu wenig für die Ausgabestationen, die eigentlich angefahren werden sollen: das Mutter-Kind-Wohnheim, die Jugendhilfeeinrichtung, der Kindergarten und das Wohnheim in der Boltensternstraße, wo sich auch eine Ausgabestation für bedürftige Familien befindet. Während der Fahrt überlegen Herr Blaschke und Herr Plein, was sie jetzt tun

Sich für die Tafel zu engagieren ist besser als zu Hause herumzusitzen können. Entweder bekommen alle ein bisschen, womit eigentlich niemanden geholfen ist oder einer alles. Eine wirklich schwierige Situation für beide. Sie entscheiden sich für die Boltensternstraße. So ungerecht es auch ist, hier kommen Alleinerziehende, wirklich bedürftige Familien und Rentner; der Kindergarten und die anderen Institutionen gehen heute leider leer aus. „Die Warteliste der Einrichtungen, die etwas von der Tafel bekommen möchten, ist lang“, sagt Herr Blaschke. Die Boltensternstraße hat einen so großen Bedarf, sie wird montags oft zweimal angefahren. Ich traue mich kaum noch die Frage zu stellen und druckse ein wenig herum. Was er denn von der Kritik an den Tafeln halte, sie wären Lückenbüßer für mangelnde sozialstaatliche Sicherung und würden so die Ungleichheit der Gesellschaft nur noch befördern? Sehr ruhig antwortet er, es gebe doch immer noch viel zu wenig Hilfe. Bei 110.000 Menschen in Köln, die auf soziale Leistungen angewiesen sind, sei ihre Arbeit nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Man erwartet uns in der Boltensternstraße schon sehnlichst. Viele Helfer kommen herbei geeilt

und innerhalb weniger Minuten ist der Transporter geleert. Die ersten Rentner stehen erwartungsvoll mit ihren Rollies vor der Treppe zum Eingang. Es ist noch nicht Mittag und die Tour ist schon beendet. Ungewöhnlich, aber es ist heute halt so. Man weiß eben bei der Tafel nicht vorher, was einem gegeben wird. Aber übermorgen, da sei ein Großeinsatz, da findet eine Lebensmittelmesse statt und dann werden wieder alle Mann und Frau gebraucht - bei jedem Wetter.

Kölner Tafel e.V. 80.000 Kilogramm Lebensmittel im Durchschnitt werden von den 90 ehrenamtlichen Helfern der Kölner Tafel jeden Monat vor der Vernichtung gerettet. 180 soziale Einrichtungen geben sie an Bedürftige weiter. Neben den Ausgabestellen für Einzelpersonen und Familien werden Kinder-Und Jugendeinrichtungen, Notschlafstellen, Mutter-Kind-Wohnheime und Beratungsstellen für Menschen in schwierigen Lebenssituationen beliefert. Die Grundidee des 1995 gegründeten Vereins ist: Verteilen statt Vernichten. Er arbeitet ohne öffentliche Zuschüsse und agiert ausschließlich durch Spenden. Unterstützt wird die Kölner Tafel seit 2007 durch die Kölner Tafel Stiftung, die sich um die Beschaffung finanzieller Mittel kümmert, um die Arbeit des Vereins auch langfristig zu sichern. Weitere Aufgabe der Stiftung ist die Organisation von Veranstaltungen, wie dem jährlich stattfindenden Kölner Herren Benefiz Golf-Turnier, und die Öffentlichkeitsarbeit. Anfang März ist die Kölner Tafel nach Rodenkirchen umgezogen. In den wesentlich größeren Räumen können Lebensmittel auch in großen Mengen übernommen, zwischengelagert und dann verteilt werden. Ehrenamtliche Helfer und Spenden sind immer willkommen. Kölner Tafel e.V. Kirschbaumweg 18a 50996 Köln Telefon 0221 - 351 000 E-Mail: info@koelner-tafel.de Web: www.koelner-tafel.de


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„Reparieren kann genauso viel Spaß machen wie neu kaufen!“ Ein Besuch im Repair Café Es ist Sonntag, ein sehr verregneter Sonntag. Eigentlich der perfekte Sonntag, um alte Haushalts-Schätze, die kaputt gegangen sind, zu reparieren. Sofern man sie nicht schon längst weggeworfen hat. Hand aufs Herz: Wie oft denkt man bei der zerbrochenen Zuckerdose oder dem nur noch sporadisch funktionierenden Toaster nicht: „Weg damit, lieber neu kaufen!“ Doch nachdem viele allzu oft neu gekauft haben und ich auf der Straße häufig über Elektroschrott stolpere, der darauf wartet, abgeholt zu werden, nutze ich diesen Sonntag, um etwas zu reparieren: In einem Repair Café.

Gute Idee aus Holland

Geräte gehen schneller kaputt Uta hat sich mit dem Thema Obsoleszenz (bedeutet soviel wie „Verschleiß“, „Verbrauch“) näher beschäftigt. Besonders seit Vorwürfe gegen mutwillige Obsoleszenz laut geworden sind - will heißen: die bewusste Verkürzung der Langlebigkeit von Produkten. Jährlich fallen in Deutschland mittlerweile 700.000 Tonnen Elektroschrott an. Warum? Zum einen, weil wir in einer Wohlstandsgesellschaft leben - keine Frage. Zum anderen müssen Konsumenten immer öfter feststellen, dass sich Reparaturen an Geräten, deren Garantie abgelaufen ist, nicht mehr lohnen. Schon nach zwei Jahren sind die Geräte „veraltet“, die Ersatzteile nicht mehr verfügbar, ein wirtschaftlicher Totalschaden. Selbst beim Elektro-Fachhändler „um die Ecke“ lautet das Urteil meist: Neukauf – da die Reparatur schlichtweg zu teuer wäre. Foo©K.Mansi

Die Idee „Repair Café“ haben wir unseren Lieblingsnachbarn, den Holländern, zu verdanken. Genau genommen war es die Journalistin Martine Postma, die das Repair Café im Jahr 2009 ins Leben gerufen hat. Nun ist die Bewegung, wie man die Verbreitung der Repair Cafés mittlerweile schon nennen kann, auch in Deutschland angekommen. Die Dingfabrik in Köln Deutz veranstaltet seit April 2012 Repair Cafés – fünf solcher Sessions haben seitdem stattgefunden. „Die Resonanz ist enorm“, berichtet Alexander Speckmann, Vorstandsmitglied der Dingfabrik. Der Maschinenbauingenieur arbeitet hauptberuflich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FH Köln und macht dort parallel seinen Master. „Wir wissen vorher nie genau, wie viele Teilnehmer kommen und organisieren die Repair Cafés immer unverbindlich. So bleibt es auch für die ehrenamtlichen Helfer und Tüftler stressfrei“, so Speckmann, der sich über den großen Erfolg und die wachsende

Als ich mit meiner zerbrochenen Porzellan-Zuckerdose den Raum betrete, merke ich jedoch schnell, dass hier an ganz anderen „Wehwehchen“ hantiert wird. An zwei großen Tischen sitzen und stehen an die 50 Personen, die allesamt mit technischen Geräten beschäftigt sind. Uta, 52 Jahre, wartet gemeinsam mit ihrem Mann darauf, dass einer der ehrenamtlichen Reparier-Experten sich ihrer Espressomaschine annimmt. Schon zweimal musste Uta die Maschine einschicken und hatte Glück: Das Unternehmen war selbst nach dreijähriger Nutzung noch so kulant, die Maschine umzutauschen. Doch nun ist es wieder mal so weit und Uta glaubt nicht daran, dass sie noch einen Umtausch außerhalb der Gewährleistungsfrist „durchboxen“ kann. Verzichten möchte das Ehepaar trotzdem nicht auf die Espressomaschine. Noch besteht Hoffnung, auch wenn heißer Kaffee bei ihnen in letzter Zeit zur Seltenheit geworden ist.

Die Anhänger des Repair Cafés wehren sich bewusst gegen jede Form der Wegwerfmentalität und sind begeistert von dem einfachen Prinzip „Hilfe zur Selbst-

20 Jahre Tafeln in Deutschland „Vertafelt“ unsere Gesellschaft? Foto©Stefan Pallmer

VON STEFAN PALLMER Die einen feiern das 20-jährige Bestehen als eine der größten sozialen Bewegungen im Lande, die anderen sehen in ihnen einen Seismograph für die Armut und die Ungerechtigkeit in Deutschland. Mehr als 900 Tafeln gibt es und über 50.000 Menschen engagieren sich ehrenamtlich für sie. Doch nun melden sich die Kritiker in einem „Kritischem Aktionsbündnis 20 Jahre Tafeln“ zu Wort und sehen so gar keinen Grund zum Feiern. Unter dem Motto „Armgespeist – 20 Jahre Tafeln sind genug“ hat sich rund um Professor Selke von der Universität Furtwangen ein illustrer Kreis von Gegnern formiert. Dazu zählen unter anderem die Caritasverbände der Stadt Köln und Diözese Limburg, der Deutsche Frauenrat und das Armutsnetzwerk. In ihren Kernaussagen bemängeln sie, die Tafeln hätten sich von einer Nothilfe zu einer Dauereinrichtung etabliert. Ihre existenzunterstützenden

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mediale Aufmerksamkeit an der Repair-Bewegung freut.

VON KATHARINA MANSI

hilfe“. Die ehrenamtlichen Tüftler, von denen viele aus technischen Berufen kommen, verbringen ihren Sonntag natürlich nicht nur aus Liebe zum Reparieren beim Repair-Café, sondern um zu helfen. Und diese Hilfe wird dankbar angenommen.

Toasterreparatur im Tausch gegen leckeres Essen Uta, die schon seit Jahren eine Liste führt, in der Neukäufe samt Quittung und Dauer der Garantie vermerkt sind, könnte sich vorstellen, selbst ein kleines Repair Café ins Leben zu rufen: Im Tausch gegen Hilfe bei Reparaturarbeiten, würde sie dann beispielsweise kochen und die „Repairisten“ verköstigen. Oder ihre Nähkünste anbieten. Hilfe erhalten, helfen – man könnte meinen, es handle sich dabei um ein „aus der Mode“ gekommenes Gut. Vor allem die früher so selbstverständliche Nachbarschaftshilfe geht immer mehr zurück. Hand auf Herz: Wer kennt wirklich die Menschen, die über oder unter der eigenen Wohnung leben, oder gar die Bewohner des Hauses nebenan? Sollte das nicht gerade in Köln mit seinen hochgepriesenen 86 Veedeln eine Selbstverständlichkeit sein? Fragt man Uta, Alexander Speckmann oder die übrigen Besucher des Repair Cafés (dort gibt es natürlich auch Kaffee und Kuchen), so ist die Antwort einstimmig: Das Repair Café bringt Menschen zusammen, ist eine Antwort auf mutwillige Obsolenz und führt zudem vor Augen, dass eben nicht alles „Defekte“ gleich „Schrott“ ist! Vor allem für Uta war dieser Sonntag ein voller Erfolg: Die Espressomaschine tut es wieder!

Momentan muss das Repair Café in der Dingfabrik leider eine Pause einlegen, da der Coworking Space „Gasmotorenfabrik“ umgezogen ist und dadurch die Räumlichkeiten nicht mehr zur Verfügung stehen. Es wird intensiv daran gearbeitet, neue Räumlichkeiten zu finden. Infos unter: http://dingfabrik.de/repaircafe/ oder unter: http://repaircafe.de

Angebote trügen zu einer Spaltung der Gesellschaft und sozialen Ausgrenzung bei. Arme dürften nicht zu „Müllverwertern“ degradiert und durch öffentliches Schlangestehen vor Tafel-Ausgabestellen systematisch beschämt und diskriminiert werden. Die steigende Nutzung von Tafeln – 2005 waren es noch ca. 500.000, jetzt sind es etwa 1,5 Millionen Menschen, die die Tafeln in Anspruch nehmen – sei kein Erfolg, sondern Symbol einer mangelhaften Armutsbekämpfung. So müssten die Daten zur Verbreitung und Nutzung von Tafeln künftig im Armutsund Reichtumsbericht der Bundesregierung erhoben werden. Gerd Häuser, der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V., wandte sich gegen die Polemik, in deren Fokus die gemeinnützigen Einrichtungen stehen. Die Tafeln forderten seit Jahren als Mitglied der Nationalen Armutskonferenz grundlegende Reformen in der Sozial-, Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik. Es

könne gar nicht genug Initiativen gegen Armut und unzureichende Sozialpolitik geben. Die Tafeln seien auch kein Ersatz für sozialstaatliche Leistungen. Daseinsvorsorge sei Aufgabe des Staates und solle es bleiben. Gemeinnützige Initiativen könnten Armut nicht beseitigen, sie könnten nur bei einem Teil der Betroffenen ihre Folgen lindern. In der Stellungnahme des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V. vom 23. April sagt Gerd Häuser: „Wir wissen, was wir leisten können – und wo Politik, Wohlfahrt, Gewerkschaften und andere gefragt sind.“ Aber, so führt er weiter aus: „Ohne bürgerschaftliches Engagement wäre unser Land kulturell und menschlich viel ärmer.“


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Einmal Köln von oben? Interview mit einem Sky-Tours Piloten Alles was Sie für einen Ballonflug brauchen

Seconds: Hallo Herr Grüter - Ballonfliegen ist Ihre große Leidenschaft, wie kamen Sie zu dem Sport? Ballonfahren kann zur Leidenschaft werden, wenn man alle Hürden der Ausbildung überstanden und den Gesundheitscheck absolvierte hat. Ich selbst kam über eine Aushilfstätigkeit als Rückholer zum Ballonfliegen. Ist es Hobby oder Sport? Ist der Unterhalt kostspielig? Für uns ist es ein Beruf, wir sind ein genehmigtes Luftfahrtunternehmen für Passagierfahrten. Der Unterhalt ist teuer. Es beginnt beim Ballonkauf, je nach Ballongröße zwischen 20.000 und 120.000 Euro. Dazu kommen Anschaffungen wie Anhänger, Zugfahrzeug, zum Beispiel ein Geländewagen, dann die gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen und auch die laufenden Kosten, zum Beispiel für Propangas für den Ballon, Treibstoff für das Zugfahrzeug. Hinzu kommen Rücklagen für eventuelle Schäden am Ballon. Und nicht zu vergessen die Personalkosten für die Rückholer (das sind die, die den Ballon verfolgen und zum Startplatz zurückbringen). Braucht man einen Pilotenführerschein?

Vita Klaus Grüter: Ich bin Jahrgang 1940, habe spät in Oldenburg mit der Ballonfahrerei angefangen, meine Ausbildung habe ich in Bayern gemacht, habe dort zwei Winter und einen Sommer als Pilot gearbeitet. Während dieser Zeit bin ich in den Wintermonaten ca. 15 Mal mit dem Ballon über die Alpen nach Italien gefahren. Weitere Stationen meines Ballonfahrerlebens waren Oldenburg, Berlin, Frankreich, Dominikanische Republik und bis heute Köln. 2005 habe ich gesetzesgemäß meine Laufbahn

Alle Ballonfahrer haben eine Pilotenausbildung, mit Zusatzprüfungen für die einzelnen Ballongrößen und den Passagiertransport. Sie fliegen bereits mit viel Erfahrung, was sollten die Gäste bei ihrem ersten Flug beachten? Sie sollten sich vor allem auf die Fahrt freuen! Freizeitkleidung und festes Schuhwerk sind wichtig, empfehlenswert ist auch ein Baseball Cap wegen der Hitze, die vom Brenner, der sich über den Köpfen der Passagiere befindet, abstrahlt.

Mit dem Ballon geht es hoch hinaus, welche größte Höhe haben Sie bisher erreicht? Und wie hält man es dort oben aus? Skibrille, Winterkleidung? Meine größte Höhe lag bei etwa 6.500 Metern über dem Alpenhauptkamm, in sehr guter Winterkleidung, angezogen nach dem Zwiebelprinzip. Dicke Stiefel und Sonnenbrille, viel Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor und natürlich Sauerstoff – jeder Ballon hat bei einer Alpenüberquerung Sauerstoff an Bord.

Warum bleibt es straffrei, zum Beispiel auf einem Autobahnkreuz zu landen? Was war Ihre skurrilste Landung?

Sind die Mythen der Ballonfahrt eigentlich wahr? In 80 Tagen um die Welt? Wie lang ist die längste Strecke, die Sie bisher zurückgelegt haben?

Es ist grundsätzlich nicht straffrei, sondern ein Eingriff in den Straßenverkehr. Eine solche Landung kommt ja nicht aus heiterem Himmel, es bleibt für den Piloten immer die Zeit für ein Telefonat mit der Autobahnpolizei, die dann die Bahn sperren kann. Da Ballone nicht, oder nur sehr wenig, steuerbar sind, gibt es eine allgemein Landeerlaubnis, aber der Pilot hat eine Sorgfaltspflicht, jede Art von Schädigungen zu vermeiden. Meine skurrilste Landung war auf dem Anhänger meines Verfolgerfahrzeugs.

Um das Ballonfahren spinnen sich eine Menge Geschichten, das ja klar! Aber der Fantasie werden durch die Technik Grenzen gesetzt: Ein Heißluftballon hat nur eine bestimmte Menge Gas an Bord, das für eine vorher berechnete Strecke oder Zeit ausreicht. Meine längste Fahrt war vom Chiemgau nach Italien, bis kurz vor Venedig.

als kommerzieller Pilot beenden müssen und bin noch einige Jahre just for fun gefahren und war als Prüfer tätig. Heute arbeite ich nur noch am Rechner, mache für unsere Piloten die Vorab-Wetteranalyse, kümmere ich mit um die Fahrtenplanung und helfe dort, wo mein Wissen und meine Erfahrung gefragt ist. Skytours Ballooning GmbH Tel. 0221-35 55 60 info@skytours-ballooning.de

So ein Ausflug mit Fahrgästen, wie lange ist man unterwegs?


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Kunst Musik Suppe GEWINNEN SIE EINE BALLO NFAHRT ÜBER KÖLN WIR VERLOS EN ZUSAMM EN MIT SKY-TOURS ZWEI TICKET S Zur Teilnahm e senden Sie bitte eine E-Mail an unsere A dresse: balloon@se conds.de

Im Normalfall zwischen einer und zwei Stunden – im Winter eventuell etwas länger, weil dann der Gasverbrauch geringer ist. Wir garantieren unseren Fahrgästen mindestens eine Stunde in der Luft. Kann man bestimmte Ziele anfliegen ober entscheidet allein der Wind über das Ziel der Fahrt? Das Maß aller Dinge ist für uns der Wind. Die Route zu planen setzt eine genaue Vorbereitung der Ballonfahrt voraus. Wie viele Fahrgäste passen in einen Korb? Das ist sehr unterschiedlich, wir haben Ballonkörbe für vier, sechs, acht und 12 Passagiere, dementsprechend ist auch die Hüllengröße des Ballons. Warum heißt es eigentlich Fahren und nicht Fliegen? Dafür gibt es bislang immer noch keine vernünftige Erklärung. Diese Bezeichnung gibt es übrigens nur im deutschsprachigen Raum: In allen anderen Sprachen „fliegt“ ein Ballon, und viele ausländische Kollegen können sich ein mitleidiges Lächeln häufig nicht verkneifen. Was sind die größten Herausforderungen bei einer Reise? Die Passgiere sollten körperlich fit sein und mindestens eine Stunde im Ballonkorb stehen können. Eine gute Verfassung und Gesundheit sind also Voraussetzungen, bei Zweifeln empfehlen wir immer eine Rücksprache mit dem Hausarzt vor der Buchung. Alle Piloten stehen unter ständiger ärztlicher Kontrolle, sie müssen jährlich zu Flugtauglichkeitsuntersuchungen.

Aufruhr in KölnZollstock

Zollstock – ein Ort, an dem Kunst geboren wird, an dem sich die freie Kunstszene trifft und austauscht: Das ist eine Vision, die noch befremdlich klingt, gilt der Stadtteil in Sachen Kunst eher als unbeschriebenes Blatt. Dennoch behauptet sich seit zwei Jahren in der „Halle Zollstock“ eine Veranstaltungsreihe mit dem Namen „Kunst Musik Suppe“. Man muss schon etwas Entdeckergeist mitbringen, um zu „Kunst Musik Suppe“ zu gelangen: Gottesweg 79, in der Dunkelheit schimmert eine unspektakuläre Eisentür. Wer hindurchgeht, gelangt auf den Hof eines Fliesenstudios, durchquert man diesen und biegt um eine Ecke, steht man vor der „Halle Zollstock“. „Ja, die Halle liegt versteckt und wir dürfen freundlicherweise den Hof als Zugang nutzen. Aber es finden immer genug Leute zu uns, die sich für Kunst jenseits von Galerien, Museen und Clubs interessieren“, betont Initiatorin Ellen Muck. Sie veranlasste bereits die „Artemiade“ im Indianerdorf, leitete selbst jahrelang eine Galerie und weiß, wie schwer es für Künstler – egal ob Maler oder Musiker – sein kann, Öffentlichkeit zu bekommen. Deshalb gibt es das Projekt in der Halle. Ein „Off-Space“, ein Ort, an dem Kunst nicht starr wie in Museen oder etablierten Galerien gezeigt wird. Keine Hemmklischees für Künstler und Besucher Ellen Muck ist auch Mitbegründerin des Vereins „Zollstockkultur“, der sich ein Mal im Monat mit „Kunst Musik Suppe“ präsentiert. Ziel ist es, die Kultur in Zollstock zu fördern, ins Veedel hinein- und herauszutragen. „Es gibt so viele Ideen, die darauf warten, entdeckt zu werden. Vieles, das im Atelier entsteht, bleibt dort meist auch. Das ist schade“, erzählt die Künstlerin. Daher gibt sie Künstlern ein Mal im Monat die Gelegenheit, sich in ihrem Atelier zu präsentieren. Nebenbei sieht man auch Mucks „Altäre“, die sich nicht einfach wegräumen lassen: In Regalen ruhen Kellen, Püppchen, Insekten aus Metall. Alles allerlei Alltagsdinge, die sich bei näherem Hinsehen als erschreckend morbide entpuppen. Zusätzlich zu ihrem Atelier investiert Muck viel Energie und Zeit in das Projekt: „Egal, denn ich liebe es, wenn so viele Menschen unkompliziert zusammenkommen.“ Schüler, Studenten, Angestellte oder Rentner, unterschiedlichste Kulturen und Stile kommen zu Kunst, Musik und Suppe in der Halle zusammen. „Genau dann wird Kunst geboren, im Austausch und in der Gemeinsamkeit. Das ist jedes Mal äußerst spannend.“ Drei Räume umfasst das Forum. Schon im Eingangsraum sorgt schummriges Kerzenlicht für eine stimmungsvolle Atmosphäre. Im zentralen Ausstellungsraum steht ein Sofa in der Mitte, das dazu einlädt, den Blick schweifen zu lassen. Im Moment sind gerade Werke der Konzeptkünstlerin Martina Biesenbach

Keine Hemmklischees für Künstler und Besucher zu sehen. Ihre Bilder setzten Alltägliches in ein außergewöhnlichen Kontext. Wie etwa das Schloss einer Klarsichtbox, zu der der Schlüssel fehlt. Oder Texte über Menschen, die Biesenbach verärgert haben: Wild übereinandergeschrieben, sodass man die Sätze schwer entziffern kann. Aus der Entfernung betrachtet, erahnt man in dem Wirrwarr allerdings einen Kopf oder ein Gesicht. „Meine Kunst entsteht aus dem Alltag und dem Erleben“, erklärt die Konzeptkünstlerin. „Deshalb bin ich hier genau richtig. Leute treten mit mir in Kontakt, entwickeln Ideen und geben mir Inspiration. Keiner hat Hemmungen, über meine Arbeiten zu sprechen, egal ob Experte, Laie oder Banause. Es ist einfach unkompliziert“, freut sie sich. Selbst ist der Mensch – und mittendrin Auch im letzten Raum für Musik und Suppe hängen Kunstwerke. Menschen sitzen auf Sofas oder umringen die Theke in der Ecke, Schüsseln klappern, Gläser klirren, eine Live-Band baut auf. Im Mai heizte Besuchern das „Allewelt-Trio“ mit Folk und Groove und Einflüssen aus Georgien und dem Balkan ein, während im Juni „The Lucky Bag Band“ das Publikum von den Sofas lockte. Im Anschluss an die Auftritte der jeweilige Bands haben sich Jam-Sessions etabliert: Jeder kann mit dem eigenen Instrument mitspielen – gelegentlich bis tief in die Nacht. Und die Suppe? Direkt neben der Band dampft es aus einem riesigen Topf, der auf einer kleinen Kochstelle steht. Zu jeder Veranstaltung kommt ein neuer Koch mit neuer Suppe. „Das ist ‚qianma‘, eine asiatische Gemüsesuppe, die ich frisch gekocht habe“, erzählt Morris Mühlpointner. Für den Schüler ist kochen Kunst: „Immer neue Gewürze und Zutaten so zu kombinieren, dass sie ideal harmonieren, ist kreativ.“ Daher kommt auch der Veranstaltungsname: „Suppe ist die schmackhafte Ergänzung zu den bisher angesprochenen Sinnen Hören und Sehen“, erläutert Ellen Muck. Auch Adrian Wellmer, Musiker und Lehrer, ist für das Konzept entbrannt. „Jedes Mal neue Gesichter. Die Leute wollen sich treffen, sich mitteilen und etwas von sich zeigen“, sagt er. Gerade das Unkonventionelle und Lebendige gefällt ihm, das könne sich in Zollstock weiter verbreiten. Einen Ehrenfeld-Effekt will er allerdings nicht: „Was da unkonventionell anfing, hat sich etabliert, kommerzialisiert und erstarrt langsam.“ Kommerziell ist „Kunst Musik Suppe“ nicht. Wem es gefällt, der kauft Suppe, spendet für die Band oder kauft ein Kunstwerk direkt vom Künstler. „Die Einnahmen aus Suppe und Getränken reichen meist zur Kostendeckung“, sagt Ellen Muck. „Wir bringen Menschen zusammen und Kultur nach Zollstock. Genau so soll es sein.“

Ist eine Ballonfahrt jederzeit möglich? Nein, wir sind wetterabhängig, „no go“ für uns sind Gewitter – Regen, Schnee, Starkwind und eine schlechte Sicht.

Nächste Veranstaltung „Kunst Musik Suppe“: Freitag, 12.07.2013, ab 20 Uhr Halle Zollstock Gottesweg 79 50969 Köln www.halle-zollstock.de /Andrea Neuhoff


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seconds Kleinkunst-Olympiade im Pantheon: die Gewinner stehen fest

Bereits zum 18. Mal hat das Pantheon den Deutschen Kabarett-, Comedy- und Satirepreis - PRIX PANTHEON 2013 vergeben. In einer offen ausgetragenen Auseinandersetzung, einer regelrechten „Kleinkunst-Olympiade“ zwischen 12 geladenen Kabarettisten, (Musik-)Komikern, Solokünstlern und Duos wurden in dem Bonner Theater am 23. Und 24. April die Preisträger ermittelt. Der Preis gliedert sich in vier Kategorien und ist mit insgesamt 15.000 Euro dotiert. Den 3000 Euro schweren Jurypreis in der Kategorie „Frühreif und Verdorben“ holte 28-jährige gebürtige Allgäuer Maxi Schafroth gemeinsam mit seinem Gitarristen Markus Schalk. Der Kabarettist und Schauspieler überzeugte die Jury des Prix Pantheon mit einem Ausschnitt aus seinem ersten Soloprogramm „Faszination Allgäu“, das er parallel zu seiner Tätigkeit als Bankangestellter entwickelte. In der Laudatio der Jury zu Maxi Schafroth heißt es: „Was an Maxi Schafroth als erstes auffällt, ist die Natürlichkeit, mit der er die Bühne betritt. Ein sympathischer junger Mann aus dem Allgäu, man hört seine Herkunft, er ist aufgewachsen im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern. Und während wir noch überlegen, welche Geschichte von Heidi und dem Ziegenpeter uns jetzt wohl erwartet, führt uns der Bayer in überraschend perfektem Hochdeutsch in den Alltag der Finanz- und Bankenwelt, in der dazugehörigen Sprache, Bankendeutsch voller Anglizismen und perfider Freundlichkeit. Die Leichtigkeit, mit der der Künstler es schafft eine eigene Welt zu kreieren, lädt den Zuschauer und die Zuschauerin ein, hineinzublicken in diesen Kosmos. Seine Phantasie füttert unsere Neugier und lässt uns schauen, ob wir es sind, von denen er redet. Seine Kritik kommt charmant daher, ist in der Beobachtung genau und trifft ins Schwarze. Leichtigkeit in der Spielfreude - Kreativität im Denkansatz: Er schafft es, eine sinnliche Atmosphäre herzustellen. Musikalisch eine Freude für die Ohren, spielerisch ein Fest für die Augen. Maxi Schafroth ist eine Entdeckung. Das junge, kritische, vielseitige Kabarett von heute, so sieht es aus. In den Worten Schafroths Figuren eine Win-Win Situation für das Kabarett.“ Die weitere Prix Pantheon-Preiskategorie TV-Publikumspreis „Beklatscht & Gevotet“ wird über die Stimmen der Zuschauer im Zusammenhang mit den TV-Ausstrahlungen des Prix Pantheon im WDR-Fernsehen ermittelt. Alle 12 im Vorfeld nominierten Kandidaten des Prix Pantheon 2013 haben die Chance auf diesen weiteren Preis: Daltons Orckestrar, Fee Badenius, Kirsten Fuchs, Anton Grübener, Sarah Hakenberg, Hortkind, Thomas Lienenlüke, Maxi Schafroth, Senkrecht & Pusch, Torsten Sträter, Team + Struppi, Martin Zingsheim. Eine Stimmabgabe für den TV-Publikumspreis „Beklatscht & Gevotet“ ist mit der 1. TV-Sen-

dung zum Prix Pantheon 2013 ab 19. Mai online möglich unter: www.prixpantheon.wdr.de Außer Konkurrenz wird das Pantheon in Kürze auch die Preisträger des Sonderpreises „Reif & Bekloppt“ und des Wohltäterpreises „Geben & Nehmen“ bekanntgeben. Die Preisübergabe an alle 4 Preisträger erfolgt bei der großen Prix Pantheon-Gala 2013 am 15.6. im Bonner Brückenforum, die in diesem Jahr von Georg Schramm moderiert wird und bei der neben den Preisträgern u.a. Dieter Hildebrandt, Jochen Malmsheimer, Piet Klocke, Florian Schroeder, Gernot Hassknecht, Fritz Eckenga und Pause & Alich auftreten werden. Der Prix Pantheon ist aktuell einer der renommiertesten Satirepreise im deutschsprachigen Raum und ein relevanter Gradmesser der gesamten Kleinkunstszene. Preisträger waren bisher u.a. Georg Schramm, Frank-Markus Barwasser alias „Erwin Pelzig“, Michael Mittermeier, Robert Gernhardt, Georg Kreisler, Gerhard Polt, Dieter Hildebrandt, Hagen Rether, René Marik, Rainald Grebe, Serdar Somuncu oder das Schweizer Duo „ Ohne Rolf“. Zuletzt erhielten 2012: Konstantin Wecker den Sonderpreis der Jury, Roger Willemsen den Sonderpreis „Geben & Nehmen“, Christine Prayon und Michael Hatzius („Die Echse“) den geteilten Jurypreis „Frühreif & Verdorben“), Maybebop den TV-Publikumspreis. Jury), Roger Willemsen (Sonderpreis „Geben & Nehmen“); Christine Prayon und Michael Hatzius („Die Echse“) (geteilter Jurypreis „frühreif & Verdorben“); Maybebop (TV-Publikumspreis).

Die Sendungen der TV-Aufzeichnung vom Prix Pantheon 2013 in WDR-Fernsehen und Hörfunk: „Wettkampftage“ mit allen nominierten Kandidaten: WDR-Fernsehen: in 4 Teilen jeweils sonntags: 19.5./26.5./2.6./9.6. um 23:15, im WDR5-Hörfunk, den 19. und 20.5 jeweils um 20:05 Die Sendetermine für die große Prix Pantheon-Gala: WDR-Fernsehen: 15.6., 21:45 Uhr WDR5-Hörfunk: 15.6., 22:05 Uhr Infos zum PRIX PANTHEON im Internet unter: www.pantheon.de Die Internetseite des Jury-Preisträgers: www.maxischafroth.de Voting für den TV-Publikumspreis „Beklatscht & Gevotet“ (ab 19.5.) unter: www.prixpantheon.wdr.de


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Termine: Leverkusen Sonntag, 26. Mai 2013, 14 Uhr und 15.15 Uhr Abenteuer Zukunft Deutschland 2011, 40 Minuten, ohne Altersbeschränkung Kostenfreie Tickets unter 0214 30-50100 oder unter www.baykomm.bayer.de MO 27.05 I 19:30 I Erholungshaus, Leverkusen DI 28.05 I 20:00 I Historische Stadthalle, Wuppertal Anna Vinnitskaya I MUSIK Franz Schubert: Klaviersonate a-Moll D 784 Johannes Brahms: Zwei Rhapsodien op. 79 Claude Debussy: Suite bergamasque, L’isle joyeuse Sergej Prokofjew: Klaviersonate Nr. 2 f-Moll www.kultur.bayer.de Karten- und Abonnementbüro von Bayer Kultur Erholungshaus, Nobelstraße 37 Tel. 0214.30-41283, 30-41284 Fax 0214.30-41285 E-Mail: kartenbuerokultur@bayer.com 12.05. Bild- und kostümreiches Schauspiel um den legendären Lügen-Baron „Münchhausen“ in der Festhalle Opladen Münchhausen Schauspiel von Johanna Schall und Grit van Dyk nach dem Drehbuch von Erich Kästner Sonntag, 12. Mai 2013, 18.00 Uhr bis 20.30 Uhr Festhalle Opladen Thomas Grünfeld – homey Werke von 1981 bis 2013 Die Eröffnung der Ausstellung findet am Sonntag, dem 26. Mai 2013, um 12 Uhr im Spiegelsaal von Museum Morsbroich statt. www.museum-morsbroich.de Kunstgenuss in der Ausstellung HANS SALENTIN Durch die aktuelle Ausstellung führt Sie die Kunsthistorikerin Sigrid Ernst-Fuchs. Bei anschließendem Kaffee und Kuchen besteht die Gelegenheit zum angeregten

Termine: Bergisch Gladbach Donnerstag, 16. Mai 2013 Kunstgenuss (Kunst, Kaffee und Kuchen) „Georg Dittrich - Ortstermin“ Ort: Städtische Galerie Villa Zanders, Beginn: 15:00 UhrLeitung: Sigrid Ernst-Fuchs, M.A. Teilnahmegebühr 7 Euro. Anmeldung erforderlich. Freitag, 17. Mai 2013 Party und Cocktailabend im Big food in Bensberg Ort: Saalerstrasse 100, 51429 Bergisch Gladbach Beginn: 17:00 Uhr den ganzen Abend Partymusik sowie 2 Cocktails egal welche Grösse bis 3l zum Preis von einem. Samstag, 18. Mai 2013 Bensberger Kinderfest Kinderfest der IG Bensberger Handel Dienstag, 21. Mai 2013 „Leben und Trauer im Zeichen der Lyrik“ Ort: Städtische Galerie Villa Zanders Beginn: 19:30 Uhr Im Rahmen der Ausstellung „Pas de deux ins Jenseits-Totentänze aus der Sammlung Fritz Roth“ hält an diesem Abend der Kabarettist Nikolaus Kleine eine Lesung zum Thema „Leben und Trauer im Zeichen der Lyrik“. Mehr über die Ausstellung und das weitere Rahmenprogramm erfahren Sie unter: www.villa-zanders.de Samstag, 25. Mai 2013 Führung in Herkenrath: Bergbauspuren in der Hardt Datum: 25.05.2013 Zeitraum: 14:00 - 16:00 Uhr Das „Naturfreundehaus Hardt“ ist als ehemaliges Steigerhaus nicht das einzige Relikt aus der Bergbauepoche der Hardt. Das Waldgebiet birgt noch einiges an Spuren den letzten Jahrhunderten... 5 Euro, Kontakt: Silke Junick, 0179-4351771

17. Ausgabe | 25 Austausch. Dabei beantwortet sie gerne weitere Fragen. Die Führungen sind auf die Bedürfnisse älterer Besucher abgestimmt. Dienstags-Termine: 28. Mai - 14:30 Uhr Kosten: 8,50 € pro Person für Eintritt, die Führung und Kaffee und Kuchen. Eine Anmeldung ist erforderlich. Telefon: 0214-85556-15 Los Angeles Guitar Quartet John Dearman, Matthew Greif, William Kanengiser & Scott Tennant Donnerstag, 16. Mai 2013, 19.30 Uhr Forum (Großer Saal) Forum Kulturstadt Leverkusen:www.kulturstadtlev.de Schlebuscher Bauernmarkt immer Donnerstags Ort: Arcadenplatz/Fußgängerzone Leverkusen-Schlebusch Beginn: 9.00 - 13.00 Uhr Telefon: 02 14/9 45 65 Komödie im Dunkeln Freitag, 24. Mai 2013 - 20:00 Uhr matchbox theater Hitdorfer Straße 169 51371 Leverkusen-Hitdorf Luminaden Cup 2013 Samstag, 25. Mai 2013 - 11:00 Uhr www.levschach1919.de Bei der Gesundheits- und Wellnessmesse Leverkusen dreht sich alles um das persönliche Wohlbefinden. Dann präsentieren die Aussteller die Welt der Gesundheit und Wellness für die ganze Familie. Samstag, 25. Mai 2013 - Sonntag, 26. Mai 2013 Ort: Landrat-Lucas-Schule 51379 Leverkusen-Opladen Beginn: 11.00 - 17.00 Fahrtag Dampfbahn Leverkusen Fahrtag der Dampfbahn Leverkusen e. V. im Stadtpark Leverkusen-Wiesdorf (hinter der Schule im Stadtpark). Sonntag, 5. Mai 2013 - Sonntag, 6. Oktober 2013 (jeden 1. Sonntag im Monat, monatlich)

Die kluge Bauerntochter Rubrik: Theater Datum: 25.05.2013 Ort: Puppenpavillon Bensberg, Kaule (Gelände Johannes-Gutenberg-Realschule / Schulhof), Kaule 36, 51429 Bergisch Gladbach - Bensberg - Beginn: 15:00 Uhr Viel besitzt der arme Bauer Jacob ja nicht – aber er hat eine sehr kluge Tochter. Sie verhilft ihm zu einem wunderbaren Acker, in dem er einen goldenen Mörser findet, den er als ehrliche Haut auch direkt zum König bringt. Doch der verlangt auch den passenden Stößel dazu und lässt den Bauern in den Kerker werfen. Wie es der Bauerntochter mit Klugheit und Mut gelingt, ihren Vater zu befreien und auch noch den jungen König als Gemahl zu bekommen, das alles erzählt Euch dieses Handpuppenspiel. Puppenspiel für Kinder ab drei Jahren Karten bitte unter 02204 / 5 46 36 reservieren! Eintritt: 6,- Euro (Kinder) / 7,- Euro (Erwachsene) Theater im Puppenpavillon & Piccolo Puppenspiele Leitung Gerd J. Pohl www.puppenpavillon.de www.piccolo-puppenspiele.de Millowitsch Theater: Für eine Handvoll Flönz Datum: 25.05.2013 Ort: Bergischer Loewe Beginn: 20:00 Uhr Der Fernsehkoch und sein mörderisches Rezept Schwank in zwei Akten von Barbara Schöller und Peter Millowitsch Dienstag, 28. Mai 2013 Fotoessay von Georg Dittrich Datum: 28.05.2013 Ort: Städtische Galerie Villa Zanders, Konrad-Adenauer-Platz 8, 51465 Bergisch Gladbach Beginn: 19:30 Uhr Die Poesie des Raumes – oder der Traum vom Raum

Abo Service: 10 Ausgaben (1 Jahr) 30,- EUR Stadt[er]leben - Seconds Ihr Stadtjournal mr@seconds.de


seconds Aktuell im Kino: „Ginger & Rosa”

Theater|Film

26 | Theater | Film VON VIKTORIA LANGENHUISEN

Ein eindrucksvolles, aber auch beängstigendes Bild: die Explosion einer Atombombe. Ein Schnitt und der Blick richtet sich von oben hinab auf einen Kreißsaal. Am Tag des Abwurfs der Atombombe über Hiroshima werden Ginger und Rosa im gleichen Krankenhaus geboren. Noch ahnt niemand, dass diese Katastrophe symbolhaft ihr Leben bestimmt. Aber: Wie soll man seine Jugend unbeschwert genießen, wenn die Welt zu explodieren droht? In „Ginger und Rosa“ inszeniert die britische Regisseurin und Drehbuchautorin Sally Potter das Leben der beiden Londoner Teenager auf einer zeitgeschichtlichen Bühne. Sie wählt dafür eine streckenweise sehr schematische und unterkühlte Darstellung. Nicht nur mit der Anfangseinstellung, sondern auch 17 Jahre später: Das Umfeld von Ginger und Rosa, die beste Freundinnen geworden sind, in einem heruntergekommenen Londoner Stadtteil in den 60er Jahren wirkt ebenso grau und trostlos wie ihr Alltag. Zwar unternehmen sie alles gemeinsam, aber schon zu diesem Zeitpunkt ist es nicht zu übersehen, dass beide ohne Ziel alleine umher stolpern. Sie schwänzen die Schule, rauchen in den verkommensten Ecken der Stadt und knutschen mit wildfremden Jungen. Ein waschechtes Familiendrama Auch die Generation ihrer Eltern ist unglücklich. Gingers Mutter („Mad Man“Star Christina Hendricks) hat die Nase von ihrem Hausfrauendasein voll und würde sich lieber der Kunst widmen. Sie lebt im Dauerstreit mit Gingers Vater Roland (Allessandro Nivola), einem untreuen friedensbewegten Autor, dem jenseits aller bürgerlichen Werte sowieso alles egal ist. Und Rosas Mutter? Sie nimmt kaum wahr, was um sie herum passiert, denn die alleinerziehende Putzfrau ist heillos überfordert. Bei all der Tristesse und Unzufriedenheit ist klar, dass es zu einem waschechten Familiendrama kommen muss. Doch der Weg dorthin scheint endlos. Unter den ruhigen, dunklen Bildern wirken manche Momentaufnahmen, als seien sie einem Dokumentarfilm entnommen. Wir sehen, wie sich Ginger und Rosa im-

mer weiter voneinander entfernen. Rosa sucht Bestätigung durch Männer. Vielleicht, weil ihr immer ein Vater gefehlt hat. Ginger merkt, dass ihr müdes Dahinvegetieren sie nicht weiterbringt. Sie denkt über die Welt nach, über Politik, die Menschen und ihre eigene Zukunft. Auf keinen Fall möchte sie so unglücklich werden wie ihre Mutter. Sie will etwas im Leben erreichen, am liebsten Autorin werden. Aber sie hat Angst. Angst vor dem Erwachsensein, vor dem Leben und vor der Atombombe! Sie schließt sich den Rüstungsgegnern an, findet dort Freunde und beteiligt sich aktiv an Demonstrationen. Diese neue Aufgabe und das Gefühl, endlich einmal Teil von etwas Wichtigem zu sein, geben ihr Kraft. Die Freundschaft zerbricht Diese Angst vor der Atomkatastrophe angesichts der Kubakrise dominiert die Mitte des Films inhaltlich extrem. Leider. Es strengt an, Ginger immer und immer wieder auf einen Protestmarsch „zu begleiten“. Denn ihr Gerede über die atomare Krise ist letztendlich nur ein Alibi, um sich nicht mit dem Zerbrechen der Freundschaft zwischen ihr und Rosa und dem angespannten Verhältnis zu ihrem Vater zu beschäftigen. Die Konflikte zwischen den Personen sind komplex. Auf dem Weg zum familiären

Showdown streitet sich jeder mit jedem. Ginger, die schon länger weiß, dass Rosa eine Affäre mit ihren Vater Roland hat, ist kurz davor, an diesem Geheimnis zu zerbrechen. Sie öffnet sich gegenüber ihrem Onkel (Timothy Spall) und einer Freundin der Familie (Annette Bening). Diesen Erwachsenen vertraut Ginger, da sie sich ebenfalls an den Atomprotesten beteiligen. Beide bringen ihr viel Verständnis entgegen. So kommt es also doch noch zu einer „Explosion“: Ginger eröffnet vor allen Beteiligten und beiden Müttern sämtliche Details, die sie über die Beziehung zwischen Rosa und Roland weiß. Sie ist enttäuscht, denn die wichtigsten Menschen in ihrem Leben haben sie in einer schweren Zeit hintergangen. In dieser „Verrat-Szene“ wird deutlich, dass die Probleme eben nicht nur in der großen Welt, sondern in den eigenen vier Wänden lauern. Ein Emotionshagel aus Wut, Verzweiflung, Angst und Scham prasselt auf den Zuschauer herab. Wer zuerst nur beobachtete, ist nun mit gefangen in Staub und Verwüstung – ausgelöst durch die Bombe. Einer Bombe gefüllt mit Wahrheit. Super gute Elle Fanning Ginger-Darstellerin Elle Fanning („Super 8“, „“Somewhere“) überzeugt nicht nur

in dieser wichtigen Szene. Nein! Die Fünfzehnjährige ist das Herzstück des Films und hält ihn regelrecht am Leben. Sie verleiht ihrer Figur so viel emotionale Tiefe. Close-up-Bilder von Fannings melancholisch, nachdenklichem Gesicht erzeugen eine intime Nähe zwischen Betrachter und Figur. Ein großes Talent, das mit den Großen in Hollywood mithalten kann! Alice Englert (zurzeit zu sehen im Fantasy-Film, „Beautiful Creatures- Eine Unsterbliche Liebe“) steht dagegen völlig im Abseits. Dafür, dass Rosa ihre erste große Rolle ist, zeigt sie eine gute Leistung, verglichen mit Elle Fanning ist ihr Spiel allerdings schwach. Sicherlich liegt dies mit daran, dass auf Rosas Hintergrund und Probleme insgesamt nicht genug eingegangen wird. Letztendlich bekommt man das Gefühl als sei Rosa, ob sie will oder nicht, nur die jüngere Version ihrer deprimierten Mutter. Positiv erwähnen sollte man hingegen die herausragenden Nebendarsteller Christina Hendricks und Timothy Spall („Harry Potter“). Der Film schafft es nur schwer, die Zuschauer für sich zu begeistern. Dafür wirkt er leider viel zu kalt und durchgeplant. Doch zum Glück gibt es Elle Fanning. Sie erweckt nicht nur ihre Figur, sondern die gesamte Geschichte zum Leben und fesselt die Kinobesucher doch noch an ihre Sitze!

SOMMERBLUT – das vielseitige, umfassende Festival der Multipolarkultur

Musik, Ausstellung, Film, Tanz, Mixed, Literatur, Theater, Performance – alles ist vertreten auf dem vielseitigen Festival. Vom 9. Bis zum 26. Mai sind etwa 70 Veranstaltungen an 40 Orten in Köln und der Region zu sehen. Mehr als 400 nationale und internationale Künstler greifen das zentrale Thema „Flucht“ auf die unterschiedlichste Art und Weise auf und stellen ein bemerkenswertes Programm auf die Beine. Zum Beispiel zaubert Bridge Markland „Faust in the Box“, Faust aus der Kiste, in einem Ein-Frau Theater-Stück mit Handpuppen und Popmusik von Rammstein über Freddy Quinn bis Madonna. Rollen und

Stimmen im rasanten Wechsel. Im „Museum für verwandte Kunst“ zeigt der Kunstverein 68elf Gemälde, Zeichnungen, Fotografien und Videos, die auch die Flucht vor sich selbst thematisieren. Bernd. A. Hartwig eröffnet in seiner Ausstellung „M/Deine Heimat“ in der Galerie Lehm neue Perspektiven in der Auseinandersetzung mit Flucht und Heimat. Die Compania Barracuda Carmela & Corporation Juridica Libertad bringt mit „Wiedergutmachung“ lebende Bilder auf die Bühne, in denen drei SchauspielerInnen mit den Gemälden des Kolumbianers F. Sanchez Caballero in einen Dialog treten. Georgette Dee und Terry Truck singen und spielen „Schöne Lieder“, sie lassen die Grenzen zwischen Lust und Verzweiflung verschwimmen, zeigen, dass es Herzenswärme, spielerische Phantasie und Pragmatismus zugleich braucht, um das Leben zu bestehen. Das Inklusive Filmfestival der Aktion Mensch zeigt fünf Spiel- und Dokumentarfilme, die sich mit Inklusion beschäftigen. Und Christina Bacher (siehe Interview, Urban Art in dieser Ausgabe) liest aus dem fünften Band

der Jugendkrimireihe „Bolle und die Bolzplatzbande“. Dazu wird die Kölner Band „Blootsbröder“ den Hörsaal der Uni rocken. Es gibt viel zu entdecken, das Kunstund Kulturprogramm ist sehr breit gefächert. SOMMERBLUT, das „Festival der Multipolarkultur“, versteht sich als inklusives Kulturfestival. Es möchte die unterschiedlichen gesellschaftlichen, sozialen und politischen Standpunkte und Identitäten miteinander verbinden. Unterschiedliche Sichtweisen nähern sich aneinander an, sie können verstören, dann auch wieder verbinden oder versöhnen. Eine Einladung zu einem Wechsel der Perspektiven, in Richtung einer grenzüberschreitenden, mutigen – eben einer multipolaren Kunst und Kultur. Seit 2002 bietet SOMMERBLUT den Menschen in Köln, aus der Region und der ganzen Welt ein alternatives und genreübergreifendes Kulturprogramm. In diesem Jahr wird das Schwerpunktthema „Flucht“ in sehr unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen umgesetzt.


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Kino jenseits des Mainstreams

Das Allerweltskino engagiert sich für Filme aus fremden Kulturen

VON IRIS THEN Sie treffen sich hin und wieder für die Programmplanung oder auch mal nach einem Film auf ein Bier. Den Mitgliedern des Kölner Allerweltskinos steht weder ein eigenes Kino noch ein Büro für ihre Arbeit zur Verfügung. Filme aus fremden Kulturen zu zeigen, die im Programmkino keine oder fast keine Chance haben, das hält den Verein zusammen. Seit 1986 verfolgen die engagierten Cineasten mit ihrem ehrenamtlichen Einsatz kontinuierlich dieses Ziel. „Damals“, sagt Joachim Steinigeweg, der zu den ersten Mitgliedern des Allerweltskinos zählt, „gab es in den Kinos hierzulande fast keine Filme aus der sogenannten Dritten Welt.“ Dem wollten die Filmliebhaber entgegenwirken. Bezuschusst durch drei Kölner Bildungseinrichtungen zeigten sie unter dem Namen „Gruppe Allerweltskino“ Filme aus Afrika, Asien und Lateinamerika und ermöglichten so einem interessierten Publikum Einblicke in fremde Bilderwelten. 1998 stellten die Bildungsveranstalter die Finanzierung jedoch weitgehend ein. Um Fördergelder bei der Stadt beantragen zu können, wurde aus der Initiative ein Verein. Seit nunmehr zwölf Jahren kümmert sich das Off-Broadway um dessen Filmbeschaffung, denn jeden Dienstagabend ab 20 Uhr wird dort das Programm des Allerweltskinos gezeigt. Das Kino in der Zülpicher Straße trägt zur Hälfte auch das finanzielle Risiko des Vereins. Die Filmauswahl wurde inzwischen auf europäische Spiel- und Dokumentarfilme mit Migrationsthemen erweitert und das inhaltliche Spektrum durch interkulturelle Themen sowie durch Filme über die Problematik urbanen Lebens und der Globalisierung ergänzt. Die Besucherzahlen hängen stark vom Thema ab. Im Schnitt kommen zwischen 40 und 50 Zuschauer in die Vorstellungen. Manchmal sitzen dort auch nur drei Leute und eine andere Vorstellung ist dafür ausverkauft. So war es zum Beispiel bei „The Brussels Business. Who runs the European Union?“ einem Doku-Thriller, der auf Wunsch des Publikums jetzt noch einmal am 11. Juni läuft. Meistens wird nach den Filmen noch eine Diskussion angeboten. Manchmal kommt auch ein Referent hinzu. Das alles zu organisieren ist nicht gerade wenig Arbeit. 13 ehrenamtliche Mitglieder kümmern sich um die Programmplanung des Allerweltskinos. Sie besuchen Filmfestivals, treten mit

Programm und Informationen auf 2013.sommerblut.de Bridge Markland, Faust in the Box, Mittwoch, 2205-2013, 20:00 Uhr, Bürgerhaus Stollwerck, Dreikönigenstr. 23, 50678 Köln, 0221-9911080, VVK 14 (ERM. 10)/AK 17 (ERM. 13) 68elf e.V. Kunstverein, Freitag, 10-05-2013 bis Sonntag, 26-05-2013, 00:00 Uhr, Museum für verwandte Kunst, Genter Str. 6, 50672 Köln, 02219321723, EINTRITT FREI, 10. Mai 18:00 bis 22 Uhr, Öffnungszeiten: Do bis So jeweils 15:00 bis 18:30 Bernd. A. Hartwig, M/Deine Heimat, Freitag, 10-052013 bis Montag, 20-05-2013, 15:00 Uhr, Galerie Lehm, Auenweg 173, Köln, 0151-23012323, EINTRITT FREI, Vernissage: Freitag, 10.05.2013, 18 Uhr, Midisage: Montag, 13.05.2013, 18 Uhr, Finissage: Montag 20.05.2013, 18 Uhr

Verleihern in Kontakt und suchen nach sach- oder länderkundigen Referenten. Jeder betreut dabei die von ihm vorgeschlagenen Filme oder Filmreihen und moderiert im Anschluss an die Vorführung das Gespräch zwischen Publikum und Referent. Jeder kann hier seine Stärken einbringen „Das Schöne an der Arbeit bei uns ist ja, dass man seine eigenen Interessen einbringen kann“, sagt Joachim Steinigeweg. Das sei der Lohn für das ehrenamtliche Engagement. Manchmal erfordere dies aber auch etwas Courage, denn es gebe auch Filme, mit denen man beim Publikum anecken kann. So erinnert er sich noch gut an die heftige Diskussion nach dem 1996 von ihm präsentierten Film „Baby, I will make you sweat“. Der Film der Kölner Regisseurin Birgit Hein, die damals auch als Referentin eingeladen war, handelte vom weiblichen Sextourismus in Jamaika. Sie veröffentlichte darin sehr intime Details ihrer eigenen Person. Mit großer Aufrichtigkeit erzählte sie in einer Art filmischem Reisetagebuch von ihren Schwierigkeiten mit dem Älterwerden, ihrem Bedürfnis nach Zärtlichkeit und ihren Erlebnissen mit ihrem jamaikanischen „Lover“. Nach der Vorführung warfen ihr die Feministinnen vor, sich freiwillig auszubeuten. Die Ökos regten sich darüber auf, dass die Menschen in Jamaika so oder so nur ausgenutzt würden und die religiös Gesinnten fanden das ganze ohnehin hochgradig unmoralisch. Joachim Steinigeweg hatte große Mühe die hitzige Diskussion zu moderieren. Trotzdem glaubt der engagierte Cineast, dass gerade dieser Abend in seinem Ergebnis sehr fruchtbar war. Nach wie vor setzen sowohl er wie auch seine Kollegen sich für schwierige Themen ein. So wird zum Beispiel am 21. Mai der Film „Süßes Gift – Hilfe als Geschäft“ laufen. Ein brandaktueller Film über die Problematik der Entwicklungshilfe in Afrika. Oder am 28. Mai die Kölner Erstaufführung von „The Ambassador“, eine Dokumentation des dänischen Filmemachers Mads Brügger, der mit Hilfe einer versteckten Kamera die bizarre Welt der Diplomaten in Afrika beleuchtet und die Machenschaften zwischen korrupten Politikern und den zwielichtigen Gestalten des Diamantenhandels zeigt. Mindestens ein halbes Jahr Vorlauf braucht die Planung für das Filmprogramm des Allerweltskinos, denn je nachdem, aus welchem Land ein Film kommt, ist die Filmbeschaffung nicht immer einfach. Wie bei jedem Verein, der auf finanzielle

Compania Barracuda Carmela & Corporation Juridica Libertad, Wiedergutmachung, Freitag, 24-052013, 20:00 Uhr, Bühne der Kulturen – Arkadas Theater, Platenstr. 32, 50825 Köln, 0221-9559510, VVK/AK 15 (ERM. 11) EURO Georgette Dee und Terry Truck, Schöne Lieder, So. 26-05-2013, 19:00 Uhr, Gloria Theater, Apostelnstraße 11, 50667 Köln , VVK 25 / AK 30 EURO Das Inklusive Filmfestival der Aktion Mensch, Fr. 1005-2013, Fünf Filme ab 18:00 Uhr, Filmforum NRW im Museum Ludwig, Bischofsgartenstr. 1, 50667 Köln, 0221-16875139, VVK / AK 6 (ERM. 5) EURO Christina Bacher und die Kölner Band „Blootsbröder“, Donnerstag, 23-05-2013,15:00 Uhr, Uni Klinik / Hörsaal in der Klink und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Gebäude 26, Kerpener Straße 62 / 50937 Köln, VVK / AK 5 EURO

Unterstützung durch Fördergelder angewiesen ist, machen Haushaltskürzungen oder zu spät erlassene Haushalte so eine langfristige Planung oft schwierig. „Dann gibt es Haushaltsstopps und man muss in Vorleistung treten“, sagt Joachim Steinigeweg, der auch für die Finanzen des Allerweltskinos zuständig ist. Dass man dann auch noch sein eigenes Kapital vorschießen soll, nur weil die Stadt Köln ihren Haushalt nicht auf die Reihe bekommt, hält der Ehrenamtler für eine Zumutung. Ideen werden immer gesucht Zum Glück gibt es aber auch hin und wieder ideenreiche Sponsoren, die dem Verein unter die Arme greifen. So hat zum Beispiel im letzten Jahr eine bekannte Drogeriemarktkette die Idee gehabt, den Gewinn des zusätzlichen Tages eines Schaltjahrs für ein besonderes Sponsoring zu nutzen. Am 29. Februar überließen sie Mitarbeitern des Allerweltskinos in einer ihrer Filialen eine der Kassen. Das Allerweltskino rief seine Fans auf zu kommen. Für die Drogeriemarktkette wurde Werbung gemacht und der Erlös aus den Einnahmen des Tages wurde dem Kino zur Verfügung gestellt. So hatten beide etwas davon. Doch nicht nur einfallsreiche Sponsoren kann das Allerweltskino gebrauchen. Auch neue Mitglieder sind immer willkommen. Vor allem junge Leute oder jung gebliebene mit frischen Ideen werden gesucht. Natürlich sollten die Ideen zu der inhaltlichen Ausrichtung des Allerweltskinos passen. Wer neu hinzukommt, kann eingearbeitet werden. „Aber“, sagt Joachim Steinigeweg, „formelle Treffen gibt es bei uns nicht. Das soziale Aufgefangenwerden,

das manche bei so einer freiwilligen Arbeit suchen, können wir nicht leisten.“ Weder die Räume noch die Zeit für solch regelmäßige Treffen haben die Mitglieder zur Verfügung. Alle sind schließlich auch berufstätig. Nur ihre große Liebe zum Kino fremder Kulturen und ihre unermüdliche Bereitschaft, sich dafür in ihrer Freizeit ehrenamtlich zu engagieren hält sie zusammen. Nicht zuletzt dafür wurde der Verein 2012 mit dem Ehrenamtspreis der Stadt Köln belohnt. Allerweltskino e.V. jeden Dienstag um 20 Uhr im Off-Broadway Zülpicher Straße 24 - 50674 Köln Eintritt: 6,00€ - Infos: www.allerweltskino.de Programm im Mai und Juni 7.05. 14.05. 21.05. 28.05. 04.06. 11.06. 18.06. 25.06.

Karen Ilora en un bus, Kol. 2011 Das verborgene Gesicht, Kol./Sp. 2011 Süßes Gift – Hilfe als Geschäft, D 2012 Deutsche Erstaufführung: The Ambassador, Dänemark 2011 Revision, D 2012 The Brussels Business. Who runs the European Union?, Österreich/Belgien 2012 Der atmende Gott – Reise zum Ursprung des modernen Yoga, Deutschland 2011 Fuck for Forest, Deutschland/Polen 2012

Veranstaltungen im Filmforum NRW im Museum Ludwig 10.-12.05. überall dabei – Das inklusive Filmfestival 29.-30.06. Filmretrospektive Michail Kalatosow


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Musik

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„Nu Aber“ –

auf Tour mit Fabian Harloff VON DIRK CONRADS Es gibt viele Schauspieler in Deutschland und anderswo, die neben der Schauspielerei Musik machen. Es gibt aber nur sehr wenige, die auch beides wirklich können. Zu diesen Ausnahmen gehört mit Sicherheit Fabian Harloff, geboren 1970 in Hamburg und mit vier Jahren durch die Fürsprache seines Vaters schon in der „Sesamstraße“ im Fernsehen zu sehen. Jetzt ist Fabian Harloff dreiundvierzig und kann auf 40 Jahre Berufserfahrung zurückblicken. Eine lange Zeit mit einer erstaunlichen Filmografie. Die bereits erwähnte „Sesamstraße“, „TKKG“, „SK Babies“, „Die rote Meile“ und zur Zeit die TV-Serie „Notruf Hafenkante“ sind nur eine kleine Auswahl seines filmischen Schaffens. Bekannt ist auch Fabian Harloffs Stimme. In weit über einhundert Serien verlieh er sie unter anderem an „Bob der Baumeister“ oder an den Offsprecher der „Teletubbies“. Aber er setzt seine Stimme nicht nur als Synchronsprecher oder Offsprecher ein. Bereits seit seinem 15. Lebensjahr ist er als Musiker unterwegs. Er spielte mit seinem Bruder Marek und Jan Plewka von Selig in Bands wie „Perplex“ und „Boss Barnes“. Fabian Harloff brachte zwischen den Jahren 1989 und 1995 sechs CDs auf den Markt und war ein echter Teeniestar. Als Komponist schrieb er den Titelsong zum Film „Ein verhexter Sommer“ im Jahr 1989 und zusammen mit Lukas Hilbert den RTL Song für Wimbledon 1995. Obwohl er der Musik treu geblieben war – er spielte von 1998 bis 2001 die Titelrolle im Erfolgsmusical „Buddy Holly“ – widmete er sich in den Jahren darauf doch eher seiner Fernsehkarriere. Im Seconds Interview berichtet er über seine Anfänge als Schauspieler: „Mein Vater hat damals als Regisseur beim NDR Fernsehen gearbeitet und der NDR hat die Sesamstraße aus Amerika gekauft. Mit anderen Kindern von Kollegen meines Vaters haben wir dann die Sesamstraße angeschaut und mit drei Jahren gehörte ich zur Zielgruppe. Im anschließenden Interview wurden wir Kinder dann gefragt, ob wir das verstanden haben, was wir gesehen haben. Das war mein erster TV-Auftritt überhaupt. Bis zu meinem

zehnten Lebensjahr habe ich dann in kleinen Szenen in der Sesamstraße mitgewirkt. “ Beeindruckt hat ihn die deutsche Version der Sesamstraße nie wirklich. „Ich fand die amerikanische Ausgabe immer viel besser“, erklärt Fabian Harloff. Er ist aber ein großer Fan der Muppets: „Ich mag die Muppets-Geschichten sehr gerne und bin ein großer Fan. Die Muppets-Weihnachtsgeschichte ist für mich einer der wichtigsten Filme überhaupt.“ Eigene Kinder hat Fabian Harloff nicht, aber er wünscht sich auf jeden Fall noch seine „Vaterrolle“. Zurzeit ist er gerne Onkel und ein richtig guter, wie er findet: „ich bin dreifacher Onkel und ich glaube, ein sehr guter. Als „Bob der Baumeister“ komme ich auch bei Jüngeren sehr gut an. Aber ich wünsche mir noch meine Vaterrolle. Ich werde dann ein etwas älterer Vater sein, aber ich möchte das auf jeden Fall.“ Auf die Frage, ob es etwas gibt, das ihn im Fernsehen aufregt und was er seinen Kindern nie zeigen würde, reagiert Fabian Harloff sofort: „Ja, so ziemlich alles, was zurzeit im TV läuft. Fangen wir mal beim Nachmittagsprogramm an. Sämtliche Gerichtsshows, wo die Leute zu Recht verhaftet werden. Ganz schlimm finde ich Berlin Tag und Nacht, was die Kinder schon gucken dürfen. In Köln habt ihr ja auch so was..... Köln 50667. Wenn so was weiterhin im Fernsehen läuft, muss man sich nicht wundern, dass die Kinder total verblöden. Das ist für mich ethische Vergewaltigung. Deshalb habe ich auch den Song ‚Aso TV’ für mein neues Album geschrieben, getreu dem Motto je blöder du bist, desto mehr wollen dich sehen “

Von der Teenie-Popmusik zu Musik mit hohen Ansprüchen „Ich habe früher mit meinem Bruder auf kleinen Schulbühnen gestanden“, erzählt Fabian Harloff, „was wir damals gemacht haben, nenne ich heute Öko-Rock.

Wir haben meinen großen Vorbildern BAP nachgeeifert. Was dann kam, passierte immer parallel. Ich wurde zum Teeniestar, habe Filme gedreht, zu denen ich auch die Musik geschrieben habe. Dann kamen die großen Plattenfirmen, die dann dachten, das ist das richtige Thema um damit Geld zu verdienen. In den sechs, sieben oder acht Jahren habe ich mit vielen großen Produzenten zusammen gearbeitet und englischsprachigen Teenie-Pop gemacht, der nie so richtig erfolgreich wurde.“ Erstaunlich ist auch, welche Bands oder Musiker Fabian Harloff inspiriert haben. Auf die Frage, mit wem er gerne mal live auf der Bühne stehen würde, antwortet Fabian Harloff sehr schnell und spontan: „Natürlich mit meinem beiden Vorbildern Udo Lindenberg und Wolfgang Niedecken. Bruce Springsteen oder die Foo Fighters wären auch nicht schlecht. Aber lassen wir mal die Kirche im Dorf. Udo und Wolfgang wären schon klasse. Mit Udo habe ich ja schon mal im Studio gearbeitet, ich bin am Lindenberg Song ‚Mein Body und ich’ beteiligt. Aber nur beteiligt, nicht das man das falsch versteht. So auch bei dem Song der Prinzen ‚Du musst ein Schwein sein’. Und Wolfgang Niedecken bin ich zumindest schon mal begegnet.“ Fabian Harloff mag aber auch Musik der härteren Gangart: „Meine musikalische Wurzeln liegen zur Zeit außer Deutschrock bei Green Day, den Foo Fighters oder Blink 182. Klasse finde ich im Moment auch Billy Talent, also der ‚angepunkte’ Rock. Das wird auch in meinem nächsten Album mit einfließen. Punkrock mit deutschen Texten.“

Die Texte zu seinen Songs sind das, was er in den letzten zehn Jahren erlebt hat „Die Songs drücken das aus, was ich in den letzten zehn Jahren erlebt und gefühlt habe“, erklärt Fabian Harloff und weiter: „das ist alles. Aber es ist immer alles mit einem Augenzwinkern. Das ist für mich ganz wichtig, denn man darf sich selber nie zu ernst neh-


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men. Gerade in dieser Branche, sonst hat man sowieso schon verloren. So ist da auch bei meinen Texten, die ich mache. Da ist nie etwas komplett ernst genommen. Es gibt zwei, drei Songs, dass sind einfach die ehrlichen Liebeslieder, die wirklichen Liebeslieder, wo man weiß, Mensch, da steht genau dahinter, für wen ich sie geschrieben habe. Die sind ernst gemeint.“

Zur falschen Zeit am falschen Ort Fabian Harloff macht erdigen und mit Sicherheit keinen modernen Rock. Es sagt dazu: „Ich bin wohl zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Inzwischen will jeder auf Deutsch singen. Auch Leute, die so tolle Stimmen haben, dass ich denke, denen würde Englisch besser bekommen. Was ich mache ist erdiger und mit Sicherheit auch kein moderner Rock. Insofern ist das schon eine Lücke. Ich finde das toll und es ist echt lobenswert, dass es Bands gibt, die auf Deutsch singen. Das wird auch so weitergehen. Ich persönlich höre gerne Deutsch-Rock, aber ich muss sagen, es gibt leider auch ganz viel schlechten und es gibt leider ganz viel schlechte deutsche Musik, weil plötzlich jeder denkt, ich kann texten. Aber das ist nicht so. Manchmal höre ich Songs im Radio, wo ich denke, Mensch geh’ doch noch mal ins Studio oder erlebe noch mal fünf weitere Jahre, damit du weißt, worüber du schreibst. Viele versuchen Jan Plewka von Selig nachzuahmen und reden dabei in Phrasen, die keinen Sinn ergeben. Das finde ich echt traurig.“

Singende Schauspieler haben mit Vorurteilen zu kämpfen Schauspieler, die Musik machen, haben mit Vorurteilen zu kämpfen. Fabian Harloff bildet da keine Ausnahme: Er sagt dazu: „Noch schlimmer ist es mit den singenden Schauspielern. Ich mache das schon mein Leben lang und habe das auch gelernt. Aber ich habe bei je-

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dem Liveauftritt und bei jedem Interview zu Recht mit den Vorurteilen zu kämpfen, oh Gott bitte nicht schon wieder so ein profilneurotischer, singender Schauspieler. Leider gibt es viele, die das nicht können. Der Rest, der übrig bleibt, es ist wohl eine Handvoll, hat die schwierige Aufgabe um zu beweisen, dass es nicht so ist und das es sehr wohl Schauspieler gibt, die Vollblutmusiker sind und die auch rocken.“ Fabian Harloff war mit seiner Band seit Februar im Bundesgebiet auf Tour. Bis auf wenige größere wurden bewusst nur kleinere Städte für die Auftritte ausgesucht. Das hat seinen guten Grund, wie Fabian Harloff erklärt: „Wir wussten, dass wir mehr oder weniger wieder von vorne anfangen müssen. In den kleineren Städten ist es einfacher, Aufmerksamkeit zu bekommen. In den großen Städten ist das musikalische Angebot so was von übergroß, so dass wir Städte wie Köln, München oder Berlin komplett weggelassen haben. In meiner Heimatstadt Hamburg haben wir unsere CD-Release Party gemacht, da war es auch echt voll, aber vor so großen Städten habe ich einfach noch ein bisschen Angst.“ Fabian Harloff hatte in Köln trotzdem eine tolle Zeit, wie er versichert: „Das ist die Stadt, in der ich am zweitmeisten und super gerne gewohnt habe. Ich habe hier „SK Babies“ gedreht und das in meiner Sturm-und Drangzeit. Nach dem Dreh sind wir immer irgendwo gelandet, meistens im Roxy. Ziel war es so lange wach zu bleiben, bis es im Hotel Frühstück gab. Dann noch ein leckeres Kölsch hinterher und ab ins Bett. Das waren geile, wilde Zeiten in Köln und ich finde, die Stadt hat immer noch super viel zu bieten. Das einzige, was mich an Köln stört, ist das meistens zu warme Wetter.“ Fabian Harloffs neue CD heißt „Nu Aber“. Dreizehn Songs auf einem gut gemachten Album. Im Booklet dankt er allen großen Labels, die zu viel Schiss hatten und ihn zu diesen wundervollen „Hypertensions“ geführt haben. Ganz besonders aber dankt er noch mal allen Zweiflern. Deswegen macht er erst recht weiter. Recht hat er, der Fabian.

Infos zu Fabian Harloff im Netz unter: www.fabianharloff.de oder bei Facebook Fotocredits: Redaktion & mit freundlicher Genehmigung von Sub SoundS, Booking & Promotion, 30449 Hannover


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Eisregen + Belphegor Die Werkstatt 10.05.13 / 19:31Uhr Russkaja Underground 10.05.13 / 20Uhr Deafheaven & The Secret MTC 10.05.13 / 20:30 Uhr Ghostpoet GEBÄUDE 9 10.05.13 / 20:30 Uhr Junip Bürgerhaus Stollwerck 10.05.13 / 21 Uhr Finntroll Underground 11.05.13 / 18:30 Uhr Eva & Manu YARD CLUB / Die Kantine 11.05.13 / 20Uhr Flosstradamus & Dillon Francis Bootshaus 11.05.13 / 22 Uhr History Of Apple Pie MTC 12.05.13 / 21 Uhr Phosphorescent BLUE SHELL 12.05.13 / 21Uhr Root Mission Festival 2013 Underground 13.05.13 / 19:30 Uhr Agalloch Werkstatt 13.05.13 / 20 Uhr Agalloch - Metal vom Feinsten! Sóley Kulturkirche -NIPPES 13.05.13 / 20 Uhr Die Isländische Ausnahmekünstlerin kommt nach Deutschland! Treetop Flyers BLUE SHELL 13.05.13 / 21 Uhr Widowspeak GEBÄUDE 9 13.05.13 / 21 Uhr Samtweicher Shoegaze-Zauber von Widowspeak Unknown Mortal Orchestra LUXOR

impressum

14.05.13 / 20 Uhr Außergewöhnliche US-Indie-Band live in Deutschland - Jetzt sichern! 77 Bombay Street Underground 14.05.13 / 20 Uhr We Are The Ocean LUXOR 15.05.13 / 20 Uhr

Eifelstraße 24 50667 Köln Telefon: 0221 / 82 82 00 57 Telefax: 0221 / 82 82 00 56 Herausgeber: Andreas Bastian Redaktionen: Lebensraum: Anne Siebertz Kultur: Corinna Güsken Musik: Dirk Conrads Urban Art, Biolance, Originell: Andreas Bastian, Stefan Pallmer Online Redaktion: Corinna Güsken Fotografien: Dieter Speelmanns - www.dsp.de Katja Wendlandt - www.katjawendlandt.de Stefan Pallmer, Andreas Bastian, Corinna Güsken, Anne Siebertz, Dirk Conrads Satz-Layout: Katja Wendlandt/ Andreas Bastian Web: www.seconds.de Facebook: www.facebook.com/Stadtjournal

Heffron Drive Feat. Kendall Schmi... Underground 15.05.13 / 20 Uhr Kendall Schmidt kommt mit seiner Band Heffron Drive auf Tour Theesatisfaction Studio 672 15.05.13 / 20:30 Uhr Zwei Powerfrauen nehmen Sie mit auf ihre Reise Jonathan Kluth Stereo Wonderland 16.05.13 / 20 Uhr The Pigeon Detectives LUXOR 16.05.13 / 20 Uhr She Past Away MTC 16.05.13 / 20:45 Uhr Kadavar + Support: Spirits Of The... Underground 16.05.13 / 21 Uhr Savages GEBÄUDE 9 16.05.13 / 21 Uhr Fabian von Wegen MTC 17.05.13 / 20:30 Uhr The Story So Far MTC 18.05.13 / 20:30 Uhr Bart B More & Haezer Bootshaus 18.05.13 / 22 Uhr Gliss Die Werkstatt 19.05.13 / 20 Uhr Tim Burgess LUXOR 19.05.13 / 20 Uhr Satellite Stories Die Werkstatt 20.05.13 / 20 Uhr Tanzlaune plus Indie-Pop: Satellite Stories aus Finnland kommen zu uns In The Valley Below Studio 672 20.05.13 / 20:30 Uhr Okta Logue Studio 672 21.05.13 / 20:30 Uhr Okta Logue endlich auf Tour - schnell sichern! Jim Kroft BLUE SHELL 21.05.13 / 21 Uhr The Fume Underground 23.05.13 / 20 Uhr Alin Coen Band Die Werkstatt 23.05.13 / 20 Uhr

Ready, Set, Fall! Underground 23.05.13 / 20 Uhr RDGLDGRN GEBÄUDE 9 23.05.13 / 21 Uhr Geheimtipp! Roller Trio Studio 672 24.05.13 / 20 Uhr Dear Reader GEBÄUDE 9 24.05.13 / 20:30 Uhr Kong Underground 26.05.13 / 20 Uhr Neko Case GEBÄUDE 9 26.05.13 / 20 Uhr The Dream Syndicate Stadtgarten 26.05.13 / 20:30 Uhr Makeshift Innocence Club Bahnhof Ehrenfeld 27.05.13 / 20 Uhr Chet Faker LUXOR 27.05.13 / 20 Uhr

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Brokencyde & Millionaires Underground 27.05.13 / 20 Uhr Glasperlenspiel Gloria-Theater 27.05.13 / 20 Uhr Erleben Sie Carolin Niemczyk und Daniel Grunenberg auf der Deutschlandtour zum neuen Album live Wolf People GEBÄUDE 9 27.05.13 / 21 Uhr Jonas & The Massive Attraction Underground 28.05.13 / 20 Uhr Weiter LUXOR 28.05.13 / 20 Uhr Erleben Sie den Sound der Münchner Band WEITER rund um das Frontduo Martine-Nicole Rojina und Oliver Wrage live! Prag Die Werkstatt 28.05.13 / 20:15 Uhr Cowboys On Dope Underground 29.05.13 / 20 Uhr Rocky Votolato im Duo mit Cody Vo... GEBÄUDE 9 29.05.13 / 20:30 Uhr Rakede LUXOR 30.05.13 / 20 Uhr

Seconds-Autoren-Team: Dirk Maschin, Carina Thomann, Björn Thomann, Dieter Speelmanns, Dirk Conrads, Andreas Schwann, Mirjam Dröge, Michéle Hentschel, Merle Ullrich, Peter Köster, Nadja Sobotzik, Nadine Stellmacher, Sabine Teichmann, Corinna Güsken, Sarina Brechmann, Magrid Weicholt, Anne Siebertz, Andreas Bastian, Stefan Pallmer, Katharina Mansi, Cora Meyer, Daniela Lukaßen, Marie-Charlotte Maas, Katharina Litz, Iris Then, Viktoria Langenhuisen, Christiane Martin, Andrea Neuhoff, Jacqueline Stoimanova

Es gilt die Anzeigenpreisliste 02-2013 Anzeigenschluss: der 20. des laufenden Monats

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The Soft Hills Wandern durch magische Landschaften VON DIRK CONRADS Bunte Vogelmenschen reisen durch die Zeit und pferdähnliche Kreaturen laufen über samtene Felder. Das Mädchen Louise ist unglücklich und ein schizophrener Zeitgenosse wird aus dem Paradies vertrieben. Zu all dem gesellen sich noch ein Himmels-Radio und eine ozeanische Traumtherapie. Das sind die Geschichten, die auf dem neuen Album „Chromatisms“ von The Soft Hills zu finden sind. Reflexionen über den Tod, gemischt mit Wahnsinn und Euphorie. Es ist die halluzinatorische Wahrnehmung farbiger Lichter Das neue Album „Chromatisms“ der Jungs aus Seattle ist mehr als kontrastreich. Themen wie Licht und Schatten, Yin und Yang, Geburt und Tod finden darauf ihren Platz. Kein leichter Stoff. „Die Texte greifen tief ins Unbewusste“, wie Garret Hobba erklärt und weiter: „Wir hatten total viele Ideen für den Albumtitel. Es ist in der Tat kein sehr häufiges Wort. Es bedeutet Sinnestäuschung oder Vision und wir haben die Idee aus einem Gedicht. Es gefiel uns und wir waren uns sofort einig. Die Musik der Band hat eindeutige Impulse und Einflüsse aus der Psychedelic-Rock Musik der 60-er Jahre, vereint aber auch die zarte Unmittelbarkeit des Folks mit der Kraft und Größe des Post-Rock und Einflüssen des Ambient. Doch die Psychedelic-Elemente überwiegen. Der Song „Louise“ zum Beispiel macht das mehr als deutlich. „Zudem hatten wir eine Liste mit hundert Bandnamen, zum Teil mit sehr wilden Namen“, erzählt Garret Hobba, „wir entschieden uns dann für The Soft Hills. Das Wort ‚soft’ ist ein sehr schönes Adjektiv. Es ist sehr anschaulich und hat diese surreale Qualität. Es vermittelt ein bestimmtes Gefühl, wie eine sanfte Bekanntmachung.“ Extrem harmoniesüchtige Arrangements Die Arrangements auf dem neuen Album sind wie beim Debüt extrem harmoniesüchtig, aber dennoch experimentierfreudig und die Band nutzt eine extrem breite Palette an musikalischen Farben. Hier treffen tief in sich verschlungene Synthesizer-Linien und Moog-Klänge auf verhallte Gitarren und verzerrte Riffs. Lyrische Basslinien treffen auf ein Trommelgewitter. Klänge der Lapsteel Gitarre legen ein filigranes Gewebe um den Gesang – nur mit dem einen Ziel, üppige Klangcollagen und wunderschöne Harmonien zu schaffen. Hier offenbart sich die Verwandlungskunst einer Band, die auf dem Weg ist, die dunkleren Bereiche des Sonischen und Lyrischen zu er-

forschen. Die Texte versuchen dem Magischen und dem Realen einen Sinn zu geben, an einem geheimen Ort zwischen Wahnsinn und Euphorie. „Jeder Song auf dem Album ist quasi eine Annäherung an sich selbst und erzeugt eine gewisse Dunkelheit auf dem Album“, so Garret Hobba weiter im Interview. „Mein bester Freund ist verstorben. Das versuche ich in den Songs zu verarbeiten. Er stand mir sehr nah. So entsprechen viele Songs der Realität. Und ich denke, wir alle fühlen eine gewisse Verbindung zu dem großen Geheimnis im Universum. Wir graben sehr tief, um all die kleinen Elemente dieses Geheimnisses zu lüften. Darüber schreibe ich. Außerdem träume ich sehr viel und oft, so entstehen diese seltsamen Kreaturen in den Songs. Das alles ist eine wilde Mixtur aus surrealen Visionen und psychedelischen Erfahrungen.“ Über allem schwebt das Präfix Soft Auch live ist die Band aus Seattle, die 2007 von Singer-Songwriter Garrett Hobba gegründet wurde, ein absoluter Ohrenschmaus. Beim kleinen und mehr als intimen Klubkonzert im „Theater der Wohngemeinschaft“ in Köln überzeugten die Jungs das Publikum vollends. Man kann die Band, ohne übertrieben zu klingen, als eine der talentiertesten Bands der Jetztzeit bezeichnen. Das aktuelle Line-Up besteht aus Garret Hobba an Gitarre und Gesang, Randall Skrasek hämmert am Schlagzeug, was das Zeug hält und bedient gleichzeitig den Moog, Matthew Brown bedient Lapsteel und Gitarre, Brett Massa an Bass und Gesang. Inspiriert und beeinflusst sind die Herren aus Seattle von Psychedelic Bands wie „Kaleidoscope“ aus England und natürlich „Pink Floyd“ oder den „Beatles“ in ihrer psychedelischen Phase. Dabei kopieren sie aber nicht diese Art von Psychedelic Rock der späten 60-er Jahre, sondern haben ihren ganz eigenen Stil entwickelt. Beeindruckend sind die gezielt eingesetzten Rückkopplungen – optisch wird dies noch unterstützt, wenn die Herren an den Gitarren sich beim Spielen bücken oder in die Knie gehen und an den Reglern der Effektgeräte auf dem Boden drehen. In Köln war eine Band zu Gast, die mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Verdient haben The Soft Hills aus Seattle das allemal. Vielleicht beim nächsten Mal, denn die Band versprach, auf jeden Fall wiederzukommen. Köln hat den Herren richtig gut gefallen. Und das lag nicht nur am „lecker German Bier“. Infos zu Band im Netz unter: www.thesofthills.com oder bei Facebook: Fotocredits: Nick Tobin und Dirk Conrads


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CRYPTEX

Animiert eure Beine und geht hin VON DIRK CONRADS

Fritz (und nicht Paul) Kalkbrenner

Mit einem Altersdurchschnitt von fünfundzwanzig Jahren ist CRYPTEX noch eine sehr junge Band. Doch die drei Jungs aus dem Raum Hannover wissen genau, was sie wollen. Seit 2009 sind sie jetzt unterwegs und sie spielten im Frühjahr 2012 als Support eine Tour durch vierzehn Länder. Die europäische Fachpresse in Sachen Musik war absolut begeistert. Doch in diesem Jahr sind CRYPTEX als Headliner unterwegs. Die „Animate Your Legs“ Tour führt die Band quer durch die Republik bis in die Schweiz und den Niederlanden.

kommen. Das war schon unheimlich. Darauf sind wir natürlich sehr stolz, wobei man nicht vergessen darf, das Plattenkritiken auch einen subjektiven Eindruck vermitteln können“, erzählt Simon Moskon. Die Songs von CRYPTEX sind balladesk, melodiös und manchmal brachial. Ebenfalls geeignet für Romantiker, Fantasten, hoffnungslose Melancholiker, frisch Verliebte und Partywütige. Aber warum muss man alle gleichzeitig bedienen? Die Antwort gibt Martin Linke, Gitarrist der Band: „Wir dachten uns, wenn wir so ein Statement von uns abgeben, dann liest das jemand und kommt dann auch. Irgendwie müssen wir ja unsere Konzerte voll bekommen.“

Spurensuche im Kölner Untergrund Patentrezept für den Wiedererkennungswert Doch welches Geheimnis verbirgt sich hinter dem Namen CRYPTEX? Wir von Seconds begaben uns auf Spurensuche und förderten Erstaunliches ans Tageslicht. Im legendären Kölner Underground, diesem geheimnisumwitterten Ort, spielten die Jungs im April ihr Köln-Konzert. Alle Pressemitteilungen der Band steht beginnen mit CRYPTEX – der lächelnde Wahnsinn. Warum das so ist, erklärte Simon Moskon, der Sänger der Band: „Dieses Statement hat sich unser Produzent mal 2010 ausgedacht. Wir produzierten gerade unser Album ‘Good morning, how did you live?’ Wir fanden das zu dieser Zeit ganz witzig als Promospruch. Mittlerweile ist das eher abgedroschen. Es wird langsam Zeit, dass wir uns einen neuen Spruch einfallen lassen müssen.“ Geheime Codes für den Bandnamen

Früher hatten Headliner Vorbands, die für eine gute Stimmung im Konzertsaal sorgen sollten. Heute wird einfach nur das Lap-Top getauscht, zumindest bei Electronic-Konzerten. Fritz Kalkbrenner, Headliner in der deutschen Electronic-Szene, versteht es, mit gut remixten Stücken sein Publikum in Wallung zu bringen. Die Hits seiner Karriere, kombiniert mit neuen Elementen, erinnern in den instrumentalen Parts ein wenig an Snap, Cameo und die ganz Großen der Italo-Disco. Der verfeinerte Soundteppich verflechtet Soul-, Funk- und Discoelemente zu einem humanoiden Soultechno. Im Gesangsbereich brauchte Fritz ein wenig länger, die Balance zwischen Lautstärke, Beats und Headset zu finden. Zu Beginn baumelten Instrumentalisierung und Gesang

etwas orientierungslos nebeneinander. Das änderte sich jedoch spätestes bei den Blockbustern, die Interaktion mit dem Publikum war aller erste Sahne. Etwas zu voll, ein paar Facebook-Fotohandys zu viel, aber auf jeden Fall laut und groovig. Einige Lichteffekte waren fehl am Platz, aber worauf soll man sonst achten, wenn auf der Bühne ein Musiker nebst Lap-Top für Laune sorgt. Mit der Vielseitigkeit der Melodien schafft es der ehemalige Journalist aus der Hip-Hop Szene, im Lounge-Bereich um 15 Uhr und bei der Technodisco am Abend gespielt zu werden, das macht ihm so schnell keiner nach. Wir sind gespannt auf neue Veröffentlichungen. Der Höhepunkt ist noch lange nicht erreicht. Ausverkauftes Haus hieß es am 05.04.2013 im E-Werk.

Doch woher kommt der Bandname? Hat das ganze irgendwas mit dem Bestseller „Der Da Vinci Code – Sakrileg“ von Dan Brown zu tun? Sind die Jungs Mitglieder einer geheimen Loge? Wir wollten es genau wissen. Dazu Simon Moskon: „Klar haben wir das aus dem Film. Wir fanden die Idee cool. Wir finden, dass man sich diese prägnanten zweisilbigen Bandnamen besser merken kann. Außerdem müssen Bandnamen doch nicht immer diese fundamentalen Bedeutungen haben. Aber bei uns ist das manchmal ein bisschen irreführend, denn die Leute assoziieren vielfach etwas ganz anderes mit dem Bandnamen als das, was sie zu hören bekommen.“ Die Strukturen in den Songs könnten aus einem Chemiebaukasten stammen, so experimentierfreudig sind die Jungs. Die Männer von CRYPTEX sind progressive Folk-Rock Musiker, die ihren ganz eigenen Stil gefunden haben. Bei dem Video-Trailer und Song „Hicksville, Habitus and Itchy Feet“ zur „Animate Your Legs“ Tour werden sogar Erinnerungen wach. Das liegt mit Sicherheit zum Teil an Simon Moskon, der bei diesem Song die Tasten bedient. Der Sound klingt an sich schon sehr progressiv, hat was von den alten Atomic Rooster Stücken, macht Vincent Crane alle Ehre und klingt ein bisschen wie Atomic Roosters Black Snake.

Klingt alles ein wenig verwirrend und wie ist das mit dem Wiedererkennungswert? Viele Bands haben da ihr ganz eigenes Patentrezept. So auch CRYPTEX. Wie das funktioniert, weiß ebenfalls Martin Linke: „Vielleicht ist das ja unser Wiedererkennungswert. Das ist ja das Interessante in Bezug auf das genannte Statement. Nehmen wir zum Beispiel ein 90-minütiges Konzert von uns. Da sind jedes Mal viele unterschiedliche Charaktere anwesend, aber jeder findet was für sich an unserem Set.“ Da stellt sich die Frage, ob das die Bands auf der Bühne überhaupt mitbekommen. Im Falle von CRYPTEX mit Sicherheit. „Wir können sogar das Alter der Leute im Publikum einschätzen. Wir finden das interessant und cool, das zu beobachten. Bei uns findest du den Mittfünfziger, junge Kids um die Sechzehn und sogar Mütter mit ihren Kindern. Mit unserer Musik muss man schon warm werden, wie man so schön sagt. Aber schwer verdaulich ist sie mit Sicherheit nicht, wie uns auch die Presseleute und Geschäftspartner immer versichern“, bestätigt Simon Moskon. Eine epische Klangwand für Köln „Good Morning, How Did You Live?“ ist ein wirklich toll produziertes Album einer Band, von der man noch viel hören wird. Sehenswert ist ebenfalls die 2012 erschiene Live-DVD „Live At The Bosul“ der „Over The Hills And Stones Tour“ aus dem letzten Jahr. Auch live überzeugt die Band, wie sie in Köln bewiesen hat. Die Kölner bekamen im Underground eine perfekte Symbiose aus fetten Gitarrenriffs, satten Basslinien und groovigen Drums geboten. Das war wirklich eine epische Klangwand mit tollem Rock`n Roll, grandiosen Keyboardarrangements und experimentellen Elementen voller unglaublicher Spielfreude. CRYPTEX hat bei den Kölnern mit Sicherheit einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Das letzte Geheimnis hat uns wieder Simon Moskon verraten. Wir wollten wissen, wer die Bandfotos gemacht hat. Die Antwort: „Martin Huch.“ Hut ab, Martin.

Irgendwie muss man die Konzerte voll bekommen Seit 2009 ist die Band zusammen und hat mit ihrem Debüt-Album 2011 auf sich aufmerksam gemacht. „Die Resonanz auf unser Debüt war sehr gut, schon fast überwältigend. Wir hatten händeringend nach einer Möglichkeit zum Veröffentlichen dieses Albums gesucht und haben unseren Labelpartner in Hannover gefunden. Die Info zum Albumrelease erschien in Musikzeitschriften von zwölf oder dreizehn europäischen Ländern. Und wir haben fast überall sagenhafte Kritiken be-

Infos zur Band im Netz unter: www.cryptexmusic.com und bei Facebook


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