Stell dir vor, von jetzt auf gleich ist alles anders
Magazin der Semperoper Dresden
Versöhnung
Es wird ein großer Stern in meinen Schoß fallen … Wir wollen wachen die Nacht,
In den Sprachen beten, Die wie Harfen eingeschnitten sind.
Wir wollen uns versöhnen die Nacht –So viel Gott strömt über.
Kinder sind unsere Herzen, Die möchten ruhen müdesüß.
Und unsere Lippen wollen sich küssen, Was zagst du?
Grenzt nicht mein Herz an deins –Immer färbt dein Blut meine Wangen rot.
Wir wollen uns versöhnen die Nacht, Wenn wir uns herzen, sterben wir nicht.
Es wird ein großer Stern in meinen Schoß fallen.
Else Lasker-Schüler war eine deutsche Dichterin und Zeichnerin.
Sie gilt als Vertreterin der avantgardistischen Moderne und des Expressionismus in der Literatur. Dieses Gedicht wurde im Programmheft Brennender Friede abgedruckt, ein Ballett, das im Rahmen der Wiedereröffnung der Semperoper am 15.02.1985 uraufgeführt wurde.
Stell dir vor,
1
Heul doch! S. 42 ... ein Moment der Stille, ein Blick, eine Melodie –und die Welt verändert sich. Unser Magazin erkundet, was uns als Menschen verbindet. Die Oper Innocence zeigt, wie Erinnerungen und Traumata verwoben sind. Gounods Roméo et Juliette thematisiert die tiefen Emotionen, die uns verbinden oder trennen. Lassen Sie sich auf diese Entdeckungsreise ein und erleben Sie in zehn Geschichten, wie in der Musik die Grenzen zwischen Freude und Schmerz, Liebe und Verlust verschwimmen.
Begegnungen durchs Aquarium weil Worte nie ganz ausreichen S. 14
2
Regisseur Lorenzo Fioroni spricht über Schuld und Unschuld S. 22
3
Kaija Saariaho – Balance zwischen Form und intuitiv-effektvollen Klängen S. 24
4
Seelische und gesellschaftliche Wunden S. 25
5
Starre Familienstrukturen in Roméo et Juliette S. 26
6
Herbert Blomstedt und die Sächsische Staatskapelle Dresden S. 30
7
Zu Mahlers Wunderhorn-Liedern S. 33
8
Gustav Mahlers Auferstehungssinfonie S. 34
9
Das Semperoper Ballett feiert sein 200-jähriges Jubiläum S. 38
10
In unserer Vorstellung
Stell dir vor, niemand darf dich beim Namen nennen Lohengrin zählt in der Inszenierung von Christine Mielitz zu den Klassikern des Repertoires.
Richard Wagner erzählt die Tragödie einer Frau, die um Anerkennung und Erkenntnis kämpft. Die Geschichte handelt von Elsa, die zu Unrecht des Mordes beschuldigt wird und hilflos ihren Gegnern am Hof von Brabant ausgesetzt ist, bis sie schließlich vom geheimnisvollen Schwanenritter gerettet wird. Doch ihr berechtigter Wunsch zu erfahren, wem sie ihr Glück verdankt, führt letztendlich zu dessen Zerstörung. In der Titelrolle debütiert Pavol Breslik, der zu Beginn der Saison in Boitos Mefistofele den Faust verkörperte.
Dürfen wir vorstellen?
1
Neu im Ensemble Rosalia Cid
Die spanische Sopranistin Rosalia Cid feierte ihr Debüt an der Semperoper in La sonnambula, inszeniert von Rolando Villazón. Ab dieser Saison gehört sie zum Ensemble des Hauses. Ihr Repertoire reicht von Klassik (Haydn, Mozart) bis zu Belcanto des 19. Jahrhunderts und Puccini. Auf die Frage nach ihrem Lieblingsstil antwortete sie, dass sie sich von allen Stilen, mit denen sie sich beschäftigt hat, stimuliert fühlte. Erleben Sie die junge Sopranistin in La bohème, Innocence, dem 9. Sinfoniekonzert und Candide, wo sie ihre vielseitige Stimme eindrucksvoll zur Geltung bringt.
4
Titelheldin Pretty Yende
Donizettis Lucia di Lammermoor ist ein packender Opernkrimi des Belcanto. Die südafrikanische Sopranistin Pretty Yende wird erstmals an der Semperoper Dresden zu erleben sein. Sie singt an den größten Opernhäusern der Welt. Bei der Krönung von Charles III. trat sie in der Westminster Abbey mit Sacred Fire und Händel-Arien auf. Tief berührend gestaltete sie Amazing Grace bei der Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame in Paris. Yende verleiht Donizettis Lucia di Lammermoor selbst im Wahnsinn Würde und Anmut.
2 Tenorissimo
Joseph Calleja
Der in Malta geborene Joseph Calleja ist für seine Stimme bekannt, die an die Klangqualität vergangener Zeiten erinnert. Häufig wird er mit großen Sängern wie Jussi Björling, Beniamino Gigli und Enrico Caruso verglichen. Seine umfangreiche, bei Decca Classics erschienene Diskografie reicht von großer Oper bis zu Klassikern des Entertainments. An der Seite von Maria Agresta wird er in Puccinis Tosca den Maler Cavaradossi verkörpern, der den Kampf zwischen Liebe und politischen Idealen mit seinem Leben bezahlt.
5 Dirigentin Anna Rakitina
In der Saison 2024/25 wird Anna Rakitina ihr Debüt u.a. beim City of Birmingham Symphony Orchestra, den Göteborgs Symfoniker, dem Sønderjyllands Symfoniorkester und dem Norrköpings Symfoniorkester geben. Im Mai 2025 leitet sie das erste Schostakowitsch-Festival in Leipzig, das einen einzigartigen Einblick in das Werk des Komponisten bietet. In Dresden wird sie mit der Sächsischen Staatskapelle im 3. Aufführungsabend mit einer Uraufführung von Florian Frannek sowie Werken von Richard Strauss und Jean Sibelius zu erleben sein.
3 Zeitgenössisch Paula Murrihy
Die irische Mezzosopranistin Paula Murrihy hat sich als gefragte Sängerin auf bedeutenden Bühnen in Europa und den USA etabliert. In der Rolle der Waitress in der Oper Innocence gastiert sie erstmals an der Semperoper Dresden. In dem Werk von Kaija Saariaho ist die Figur der Tereza sowohl als Beobachterin als auch als Vermittlerin von Emotionen aktiv. Sie verkörpert eine Stimme der Menschlichkeit inmitten des komplexen Geschehens, das von Erinnerungen und Verlust geprägt ist. Ihre Interaktionen mit den anderen Charakteren spiegeln Themen wie Isolation und den Wunsch nach Verbindung wider.
6 Debüt Maxime Pascal
Der im französischen Nantes geborene Maxime Pascal ist künstlerischer Leiter und Mitgründer des Pariser Orchesters Le Balcon. Er dirigierte Aufführungen an Häusern wie der Mailänder Scala, der Berliner Staatsoper, dem Grand Théâtre de Genève und der Opéra de Paris. Zudem ist er seit August 2024 Chefdirigent des Helsingborg Symphony Orchestra. Er war bereits beim Festival d’Aix-enProvence und bei den Salzburger Festspielen zu Gast. Mit Kaija Saariahos Innocence wird Maxime Pascal sein Debüt an der Semperoper bestreiten.
Unsere Fundstücke der Saison
Kosmos Candide
Unsere Eröffnungspremiere war die Oper Mefistofele, die auf dem berühmten Faust-Stoff basiert. Demnächst wird Gounods Roméo et Juliette aufgeführt, und auch Leonard Bernsteins Candide ist auf interessante Weise mit Charles Gounod verbunden: Ein zentrales Element in Gounods Faust ist die Juwelenarie, in der Margarete die Schönheit und den Wert von Juwelen besingt. In Candide wird diese Thematik auf eine ironische und karikierende Weise behandelt, wenn Cunegonde ihr rasantes „Glitter and be gay“ anstimmt. Zur Einstimmumg sei die Ouvertüre zu Candide empfohlen, die die Sächsische Staatskapelle beim letztjährigen Festkonzert zum Jahreswechsel musizierte, abrufbar in der ZDF-Mediathek.
Hi, ich bin Giacomo Puccini und liebe es, Musik zu komponieren. Ich suche jemanden, der sich nicht daran stört, wenn ich laut vor mich hin summe oder Klavier spiele. Aber auch jemanden, mit dem man gemeinsam Kaffee schlürfen, neue Ideen für die WG zusammenbasteln und Quatsch, aber auch Deep Talk machen kann. Dein Zimmer ist, wie meines auch, eher klein und bescheiden. Wir haben einen Ofen, den wir mit Holz und Kohle beheizen können. Die Wohnung befindet sich im Stadtteil Milanese Quartiere oder auch Città Studi, der für seine künstlerische und kulturelle Atmosphäre bekannt ist. Via Santa Teresa … Ich freue mich auf deine Nachricht!
Zusammengewohnt hat Puccini schließlich mit dem Komponisten Pietro Mascagni.
Romantischer Oper in drei Akten, sondern auch ein beliebter Schokoriegel. Mit einer Länge von 11 Zentimetern und einem Gewicht von 34 Gramm ist er in silbernes Papier gehüllt und wird von einer roten Banderole umschlossen. Dieser Schokoriegel besteht aus dunkler Schokolade und ist mit einer Rumcreme gefüllt.
Ausstellung
Am Ende jeder Vorstellung von Tag Team hat das Publikum die Möglichkeit, sich von einer historischen Installation inspirieren zu lassen, die die letzten 200 Jahre des Semperoper Ballett feiert. Diese fungiert auch als Teil des Bühnenbilds von Tag Team.
The First American Wer hätte es für möglich gehalten – die Glasharmonika wurde im 18. Jahrhundert von Benjamin Franklin erfunden. Er war nicht nur einer der Gründungsväter der Vereinigten Staaten, sondern auch der Initiator der ersten Leihbibliothek des Landes und der Erfinder des Blitzableiters. In Lucia di Lammermoor ist sie mehr als nur ein musikalisches Instrument; sie ist ein bedeutendes Symbol für die innere Zerrissenheit der Protagonistin. Durch ihre klanglichen Eigenschaften und ihre Assoziationen mit dem Übernatürlichen trägt die Glasharmonika entscheidend zur dramatischen Wirkung der Oper bei.
Liebe & Heartbreak Sound
Von unerfüllten Sehnsüchten bis zu stürmischen Romanzen – diese Playlist ist dein
Soundtrack für jede Gefühlslage.
Lass
dich von Songs über Liebe, Trennung und Leidenschaft mitreißen.
This Guy’s In Love With You
Endless Love
Nothing Compares 2 U
I Will Always Love You
Un-Break My Heart
Die Oper Innocence wird in 9 Sprachen gesungen. In welcher Sprache möchten Sie eine Liebesbotschaft übermitteln?
Herb Alpert 1968
Diana Ross & Lionel Richie 1981
Sinéad O’Connor 1990
Whitney Houston 1992
Toni Braxton 1996
Don’t Let Go (Love) En Vogue 1997
Bye Bye Bye NSYNC 2000
wollte nie
Steintor Herrenchor 2023
Ich liebe dich evtl. für immer Fuffifuffzich 2024
Lust reinzuhören? ♥
Alle Songs gibt es hier als Spotify-Playlist
Englisch
Finnisch
Tschechisch
Französisch
Rumänisch
Dragoste Kärlek
Schwedisch
Deutsch
Spanisch
Stell dir vor, deine turbulente Welt besteht aus Eifersucht, Liebe und Verrat Puccinis Oper Tosca feierte bereits 1902 in Dresden ihre deutsche Erstaufführung. Im aktuellen Repertoire gelingt Regisseur Johannes Schaaf mit seiner zeitlosen Erzählweise, die komplexen Emotionen von Liebe, Eifersucht, Verrat und Willkür eindringlich zu vermitteln. An der Seite von Ensemblemitglied Oleksandr Pushniak, der zuletzt in Die Frau ohne Schatten einen großen Erfolg gefeiert hat, sind die Opernstars Joseph Calleja und Maria Agresta zu erleben.
Begegnungen durchs Aquarium 1
Über den feiertäglichen Esstisch als Kampfzone, über Adoleszenz als Selbstermächtigungsphase, den Liebestod als ultimatives Happy End und darüber, dass wir nur deshalb miteinander kommunizieren, weil die Worte nie ganz ausreichen.
Text
Olga Hohmann
Fotos
Etienne Buyse
Premiere Roméo et
Im Jahr 2005 hält David Foster Wallace die Rede für den Abschlussjahrgang eines US-amerikanischen Colleges. Er beginnt seine Rede mit einem melancholischen Scherz: „Schwimmen zwei junge Fische des Weges und treffen zufällig einen älteren Fisch, der in die Gegenrichtung unterwegs ist. Er nickt ihnen zu und sagt: ‚Morgen Jungs, wie ist das Wasser?‘ Die zwei jungen Fische schwimmen eine Weile weiter, schließlich wirft der eine dem anderen einen Blick zu und sagt: ‚Was zum Teufel ist Wasser?‘.“
Die Parabel, die David Foster Wallace erzählt, ist programmatisch für die Graduierenden: Es geht darum, wie unsichtbar das für uns ist, was uns am selbstverständlichsten vorkommt, das, was uns umgibt. Es ist schwer, sich eine Welt vorzustellen, die wir noch nicht kennen. Es geht auch darum, sich zu trauen, buchstäblich „gegen den Strom“ zu schwimmen. Und darum, dass das etwas ist, was man lieber in einer Gemeinschaft tut als allein. Denn: Was passiert, wenn man auf einmal die Augen öffnet für das, was man vorher, vielleicht aus Gründen der persönlichen Funktionalität, ignoriert hat. Wenn einem „wie Schuppen von den Augen fällt“, was vorher im Bereich des Unbewussten, wenn nicht sogar Verdrängten, gespeichert worden war?
Es gibt eine eindrückliche Szene der Filmgeschichte Hollywoods, die die meisten von uns kennen: Romeo, dargestellt von Leonardo DiCaprio, und Julia, dargestellt von Claire Danes, erblicken sich zum ersten Mal und verlieben sich sofort, auf den ersten Blick, wie man sagt. Sie stehen sich aber nicht, von Angesicht zu Angesicht, gegenüber: Zwischen ihnen befindet sich ein Aquarium mit bunten Zierfischen. Der erste Blick ist ein Blick durchs Wasser. In fast kindlicher Manier schauen sie sich fasziniert in die Gesichter, ab und zu schwimmt ein Fisch von links nach rechts, verdeckt Nase, Mund oder Auge und gibt es dann wieder frei. Das Spiel mit dem noch unbekannten Menschen wirkt im Film zwar unverhältnismäßig infantil, ist es aber, historisch betrachtet, in keinster Weise: Romeo und Julia waren, zur Zeit ihrer Begegnung, noch kaum Teenager.
Wie viele andere Teenager sah ich also den Film über die Teenager Romeo and Julia von Baz Luhrmann noch einige Jahre, bevor Shakespeares Stück zur Schullektüre wurde. Ein Drama über die verbotene, politische Dimension der Liebe und das Aufbegehren gegen die Strukturen – passend zu dem Alter, in dem wir Rezipient*innen selbst waren und in dem, typisch für die Adoleszenzphase, ein kleiner persönlicher Paradigmenwechsel stattfindet: nicht selten die erste Liebe (auf den ersten oder zweiten Blick) und ein Bruch, oder zumindest ein Infragestellen der Elterngeneration. Ich war zwar, als ich den Film sah, in einem ähnlichen Alter wie die dargestellten Protagonist*innen selbst, nicht aber wie die viel älteren Darsteller*innen, von denen man später zum Entsetzen aller erfuhr, dass sie einander spinnefeind waren.
Ist es nahezu tragisch, dass meine Generation die tragische Geschichte von Romeo und Julia durch einen Hollywoodfilm kennenlernt? Oder war das eine legitime Vermittlungsform? Das Bild des Aquariums zwischen den zwei Liebenden wird mich jedenfalls nicht mehr loslassen – und damit die Frage, inwieweit man sich immer (nur) durch eine Art Aquarium, durch Schichten von Wasser und Glas hindurch, „erkennt“.
„Und sie erkannten sich“ heißt es bei Adam und Eva im Alten Testament – das „erkennen“ ist hier ein Synonym für die erwachende Sexualität. Begehren, das doch, wie die New Yorker
Psychoanalytikerin Jamieson Webster schreibt, eigentlich ohnehin im Bereich des Fluiden sein sollte, beweglich und nicht-normativ, wie die Textur von Süßwasser.
Ich frage mich also: Inwieweit ist jede Begegnung, jedes „Erkennen“, jedes Begehren in Wirklichkeit ein Sich-Begegnen von zwei Seiten eines Aquariums, also von einer mehr oder weniger sicheren Distanz aus? Ein Aquarium ist ein Gefäß, das man selbst nicht betreten kann, ein Gefäß, in dem man meint, sich zu spiegeln, bis man erkennt, dass es nicht das eigene Spiegelbild ist, das einem entgegenblickt, sondern wie bei Romeo und Julia, das Gesicht eines Noch-Fremden. Ein Aquarium ist ein Gefäß, das exotische Tiere enthält, die außerhalb des Gefäßes in unseren Breitengraden nicht lebensfähig wären. Ein Gefäß, das eine ganze kleine Welt enthält – mit Miniaturgrotten, Ruinen in den MikroDimensionen des Glaskastens selbst: Die modellhafte Abbildung einer Welt, die es so nie gegeben hat und nie geben könnte.
Vielleicht brauchen wir profanen
Alltagswesen dafür die Oper: Um zu begreifen, dass die allzu private Dimension der Liebe eine dramatische, eine zutiefst politische, eine befreiende ebenso wie zerstörerische, regelrecht gefährliche Komponente haben kann.
Man betrachtet sich von zwei Seiten aus, fasziniert über die Andersartigkeit der anderen Person – ab und zu schwimmt ein buntes Lebewesen durchs Bild und unterstreicht die Fremdartigkeit. Unterstreicht, was, zumindest in der Liebe, unmöglich ist zu begreifen: Nämlich, dass es sich um zwei unterschiedliche Menschen mit ganz unterschiedlichen Universen handelt, die aufeinandertreffen – und die niemals ganz „eins“ werden, so sehr sie es auch versuchen. Es gibt immer eine Differenz, die bleibt – und die notwendig ist für die Fluidität des Begehrens. So wie Planeten, die ihre physikalische „Einflusssphäre“ immer nur im Verhältnis zueinander entwickeln – und sich dennoch gegenseitig zerstören, wenn sie aufeinander treffen, das heißt, gegeneinander stoßen und zu Staub zerfallen.
Vielleicht brauchen wir profanen Alltagswesen dafür die Oper: Um zu begreifen, dass die allzu private Dimension der Liebe eine dramatische, eine zutiefst politische, eine befreiende ebenso wie zerstörerische, regelrecht gefährliche Komponente haben kann. In der Oper werden aus Liebe Morde und (wie im Fall von Romeo und Julia) Suizide begangen. Eine Technik, die man nicht nachahmen sollte –dafür hat man ja stellvertretend die kathartische Kunstform der Oper, die sich in alle Bereiche des Unvorstellbaren erhebt und einen die „ganz großen Gefühle“ vom Zuschauer*innenraum erleben lässt.
Premiere Roméo et Juliette Innocence
David Foster Wallace erzählt also einen Witz über Fische und löst ihn dann selbst im nächsten Schritt auf und ein, indem er den Fisch begreifen lässt, worin er sich befindet: Das hier ist also Wasser. Es geht dabei um Systeme, es geht um Ideologie, es geht darum, erstmalig das zu sehen, was so selbstverständlich, so offensichtlich (um einen herum) ist, dass man es leicht übersieht. So wie das, in Shakespeares Drama, der Kontext der eigenen Familie ist.
Familie ist ein seltsames, fast anachronistisches Modell. Wir alle kennen es von den Feiertagen: Man begegnet sich am Esstisch, man versucht, radikale Distanz zu wahren, aber es gelingt nicht, denn man ist, ob man will oder nicht, radikal aufeinander bezogen, obwohl man doch meint, sich emanzipiert zu haben, autonom geworden zu sein. Man teilt weder Sprache noch Interessen, aber manchmal, aus Versehen, Humor. Man kleidet sich dezidiert in Abgrenzung zueinander und offenbart sich gerade darin als zugehörig. Man gleicht sich sogar buchstäblich in vielen Dingen, in Gesichtszügen, in Ausdruck, Haltung und Stimme. Fast immer offenbaren sich in diesen geteilten Feiertagen düstere Geheimnisse, nicht obwohl, sondern weil man versucht, sie zu unterdrücken, sie nicht ans Tageslicht gelangen zu lassen.
Was ist einem so nahe, so vertraut, und so fremd gleichzeitig wie die eigene Familie? Premiere
Wie Fische im Aquarium sitzt sich also die Großfamilie an Weihnachten am Esstisch gegenüber, schaut sich fassungslos an, während es ihnen wie Schuppen von den Augen fällt: Das also ist Wasser. Eine sogenannte „dramatische Situation“, wie sie gerne im Theater- oder in Opernszenarien gebraucht wird, zeichnet sich dadurch aus, dass alle beteiligten Parteien etwas voneinander wollen, das sie nicht bekommen können, weil ihre jeweiligen Motive einander widersprechen. Das führt zu einem endlosen Konflikt, der die Handlung vorantreiben soll. Das Dramatische gründet also auf der Annahme, dass Subjekte mit ihrem Handeln etwas auslösen, etwas verändern können. Es gibt eine Auseinandersetzung zwischen mehreren Parteien und am Ende ist meistens mindestens eine der Parteien tot – ausgelöst durch die Handlung oder durch das Innehalten einer der anderen Parteien.
Die Familie liegt als Dispositiv, als Plattform, für die Konstruktion einer dramatischen Situation nahe – es ist diese fremde Verbundenheit, diese Bezogenheit trotz radikaler Trennung, die sie als Grundlage für die dramaturgische Konstruktion eines komplexen Beziehungsgeflechts ideal macht. Denn: Was ist einem so nahe, so vertraut und gleichzeitig so fremd wie die eigene Familie? Im exemplarischen Falle von Romeo und Julia ist es der oder die Geliebte.
Serielle Monogamie ist Schizophrenie – man entscheidet, einen fremden Menschen zu seinem nächsten Vertrauten zu machen, näher noch als die eigenen Eltern es sind, obwohl man, erfahrungsgemäß davon ausgehen kann, dass man sich eines Tages, früher oder später, wieder voneinander trennen wird – und dass das sehr, sehr weh tun wird. Da begeht man vielleicht lieber den Liebestod, den gemeinsamen romantischen Suizid, bevor das dröge Stadium der Desillusion einsetzt. Der Liebestod – das ultimative Happy End. Das wussten wohl auch schon Romeo und Julia, die beiden verliebten, aufsässigen Teenager.
In Thomas Vinterbergs Das Fest sehen wir einer Großfamilie dabei zu, wie sich bei einer Festivität zu Ehren des Familienvaters Stück für Stück ein düsteres Geheimnis um jenen Familienvater herum entfaltet. Schicht für Schicht werden die schon lange zurückliegenden, aber unmöglich verjährenden Verbrechen des Vaters aufgedeckt und ans Tageslicht gebracht. Leider gibt es hier keine oder wenig gemeinschaftliche Basis unter den Kindern, die in ihrer Kindheit und Jugend alle auf die eine oder andere Art Opfer des tyrannischen Patriarchen geworden sind. Im Gegenteil – sie weisen sich weiterhin gegenseitig die Schuld zu.
Deutlich wird auch hier, ebenso wie in der Oper Innocence von Kaija Saariaho, dass es keine Reinheit, keine Unschuld gibt –Leben heißt immer, sich schuldig zu machen. Die Frage ist nur, wie, das heißt, wodurch und wie sehr man Schuld auf sich geladen hat – und auf welche Weise man im Nachhinein mit der Schuld umgeht. Nicht alle Schuldbewussten werden durch ihr Schuldbewusstsein zu besseren Menschen – im Gegenteil.
Diese mehr oder weniger drastischen Schuldigkeiten (mal ist es echte „Schuld“ im juristischen Sinne, mal ist nur „eine Rechnung offen geblieben“), angesammelt über eine ganze Lebenszeit hinweg, verfolgen einen, holen einen und suchen einen heim. Heimsuchungen, das heißt auch, ein Heim zu suchen – die Schuldigkeiten suchen ein Zuhause – nicht selten im Zuhause der Schuldigen. Ob nachts im Traum oder am Esstisch, im trauten oder nicht so vertrauten Kreise der Großfamilie.
Schuld und Unschuld sind in unseren Biografien so dicht geschichtet, rhizomatisch verästelt und unterirdisch versteckt, dass sich häufig gar nicht mehr so leicht identifizieren lässt, wer wem was und warum schuldig geblieben ist. Übergenerationale Traumata verschränken sich mit Diskursen, die mit der Zeit fortschreiten, unerwartete Wiederholungshandlungen vollziehen sich häufig überraschend.
Fast wie durch ein Aquarium hindurch begegnet man sich also im Kreise der Familie – die Geräusche gedämpft, die Sprache nur als Sprechhandlung, als Sprechakt, als gedämpfter Subtext zu erkennen. Der Abendbrottisch ist eine Kampfzone innerhalb des Mikrokosmos einer Familie, die unter Umständen auch eine ganze Welt abbilden kann. Normativität, verschiedene Grade der Unangepasstheit und unausgesprochene Erwartungen spielen immer eine Rolle. Vielleicht ist deshalb die Phase der Adoleszenz eine so besonders wichtige – es ist die Phase, in der man langsam versteht, dass die durch den Mikrokosmos der Familie vermittelte Normativität nicht verbindlich ist oder sein muss: Das hier ist also Wasser.
Scham ist ein merkwürdiges Phänomen: Was man versucht zu verdecken, wird besonders sichtbar – das sieht man nicht zuletzt daran, dass Menschen, die versuchen, etwas zu verschweigen, häufig rot anlaufen. Der Körper findet seine eigene Sprache, um
auszudrücken, was der Mensch, der ihn bewohnt, sprachlich umkreist, auslässt, verdrängt, rhetorisch umgeht.
Dinge, die uns widerfahren sind, begleiten uns für immer –das gilt sowohl für die Momente, in denen wir selbst uns schuldig gemacht haben, als auch für die Momente, in denen wir selbst zu einem sogenannten „Opfer“ geworden sind. Obwohl der Begriff des Opfers selbst durchaus einer ist, den man infrage stellen muss –ist er doch ein erneuter Übergriff gegenüber den ohnehin übergriffig Behandelten.
Im Gegensatz zu Zuschreibungen wie dem des Opferbegriffes stehen die diversen Techniken der Selbstermächtigung: Zum Beispiel die Wiederaneignung bestimmter Begriffe und Symbole wie die des Kopfs der Medusa, der Schlangen anstelle von Haaren aus dem Kopf wachsen und bei dessen Anblick man zu Stein erstarrt. Das Symbol einer misogynen Missbrauchserzählung aus der griechischen Mythologie ist seit einigen Jahren ein Erkennungszeichen von Menschen, die Übergriffe erlebt haben und mit den Folgen umgehen, die Konsequenzen tragen. Die Medusa ist ein Symbol, das häufig am Körper getragen wird, zum Beispiel als Tattoo.
Manche Erinnerungen haben wir
selbst im Kopf editiert, lektoriert oder gar zensiert, manche orientieren sich an dem, was uns erzählt wurde oder an Fotos, die wir gesehen haben.
Auch Strategien der Selbstermächtigung finden häufig in der Phase der Adoleszenz statt – ein Bruch mit den bestehenden, ausgesprochenen und unausgesprochenen Regeln, die bis dahin als selbstverständlich gegolten hatten – nicht zuletzt deshalb ist Romeo und Julia eine Coming of Age-Tragödie. Erinnerung funktioniert nicht linear. Woran wir uns erinnern und auf welche Weise, bleibt selbst für das sich erinnernde Individuum enigmatisch. Mal ist es ein Geruch, der eine Erinnerung hervorruft, mal ist es ein Wort, mal eine Begegnung, mal ein Musikstück oder nur eine gesummte Melodie. Manche Erinnerungen haben wir selbst im Kopf editiert, lektoriert oder gar zensiert, manche orientieren sich an dem, was uns erzählt wurde oder an Fotos, die wir gesehen haben. Viele der Narrative, die wir im Kopf abgespeichert haben, sind Narrative, mit denen wir ganz einfach besser leben können als mit anderen – Versionen des Erlebten, die uns im Nachhinein eher weniger als mehr Schmerz zufügen. „Die Zeit heilt alle Wunden“, sagt man – und so ist es häufig die eigene Erzählung von einem selbst, die sich schützend über die Realität legt. Manchmal erinnern wir uns dann an die Version einer anderen Protagonistin, ganz plötzlich. Das Narrativ zu ändern
kann ein Einschnitt sein, der nicht immer angenehm ist. Es kann durch eine neue Erfahrung ausgelöst werden oder durch eine Wiederholung – eine Re-Traumatisierung. Die Sprache des Sich-Erinnerns ist rätselhaft, aber es ist bewiesen, dass Traumatisierte ihr Trauma häufig (unbewusst) immer und immer wiederholen.
Man sagt, dass sich alle großen, weltgeschichtlichen Ereignisse zweimal ereignen – einmal als Tragödie und einmal als Farce. Vielleicht ist das mit den privatgeschichtlichen Ereignissen ebenso. Man erlebt, man erinnert sich, man wiederholt, man vermeidet, weist Schuld zu und bekennt sich, eignet sich an, ermächtigt sich, schämt sich, errötet, gesteht, veröffentlicht, verdrängt. Und man verändert – sich, die eigene Erinnerung, die der anderen, die Welt. Und manchmal lacht man am Ende darüber. lm besten Fall gemeinsam mit anderen.
Menschen sprechen nicht obwohl, sondern gerade weil man sich nie ganz versteht. Unsere Worte, unsere rhetorischen Ausdrucksformen haben einen hohen Grad an Ausdifferenzierung angenommen, weil wir wissen, dass sie, zum Glück, nie ganz ausreichen. Die Unmöglichkeit des direkten Ausdrucks ist der Grund dafür, dass wir mit Sprache kommunizieren – von einer Seite des Aquariums zur anderen ist es manchmal nur ein „Blub Blub“, das wir voneinander hören und verstehen. Aber darum geht es manchmal: Im Drama ist jede Äußerung ein Sprechakt, eine Handlung. Jemand macht den Mund auf, möchte sich mitteilen, sich austauschen, möchte streiten oder sich versöhnen. Manchmal geht es nur um die einfache Geste selbst, einander etwas mitteilen zu wollen. Und manchmal ist allein dieser Gesprächsversuch schon tröstlich.
Und Georg Simmel schreibt: „Der Mensch ist ein Trost-suchendes Wesen. Trost ist etwas anderes als Hilfe – sie sucht auch das Tier; aber der Trost ist das merkwürdige Erlebnis, das zwar das Leiden bestehen lässt, aber sozusagen das Leiden am Leiden aufhebt. Dem Menschen ist im Großen und Ganzen nicht zu helfen. Darum hat er die wundervolle Kategorie des Trostes ausgebildet –der ihm nicht nur aus den Worten kommt, wie Menschen sie zu diesem Zwecke sprechen, sondern den er aus hunderterlei Gegebenheiten der Welt zieht.“
Olga Hohmann studierte Theaterregie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin sowie Freie Kunst am Piet Zwart Institute in Rotterdam. Ihre poetischen, häufig musikalisch begleiteten Lecture Performances weisen Aspekte des Rituals sowie der Salonkultur auf. Als Archäologin ihrer eigenen Biografie widmet sie sich Alltagsphänomenen, die sich immer an der Grenze zwischen persönlicher Erfahrung und philosophischer Überlegung befinden.
Premiere Roméo et Juliette Innocence
So packend wie poetisch 2
Regisseur Lorenzo Fioroni spricht über Schuld und Unschuld und über die Dresdner Erstaufführung von Kaija Saariahos Oper Innocence.
„Innocence“ bedeutet übersetzt „Unschuld“. Wie näherst du dich den Begriffen „Schuld“ und „Unschuld“ auch im Hinblick auf Saariahos Oper?
Rein auf das Gefühl horchend bereiten mir die Begriffe eher Unbehagen. Vielleicht ist der Anteil an religiösem Bodensatz von Schuld und Sühne oder Sünde an diesen Begriffen noch ausreichend groß, dass er für mich ein Gefühl von Unfreiheit und Beklemmung hervorruft? In Bezug auf menschliches Verhalten sind mir Begriffe wie „Verantwortung“ oder „Verantwortungslosigkeit“ wohl lieber.
Unabhängig von ethischen und philosophischen Fragen nach vielleicht grundsätzlicher existenzieller Schuld oder Unschuld von Menschen sind es aber zunächst einmal natürlich auch juristische Begriffe, die über Strafbarkeit, Rechtswidrigkeit, Vorwerfbarkeit – oder ihr jeweiliges Gegenteil – von Handlungen entscheiden.
Gespräch
Dorothee Harpain
Genau dort aber setzt das wunderbare Werk von Kaija Saariaho und ihrer Librettistin Sofi Oksanen an: Dem Dazwischen von Gewissheit einerseits und dem Eingeständnis von eben der Unsicherheit darüber andererseits, wer was wie warum als richtig oder falsch betrachtet, wer zum Täter und wer zum Opfer wird oder gemacht wird.
Faszinierend ist für mich, dass die Autorinnen sowohl den rationalen, juristischen Definitionen dieser Begriffe, als auch denjenigen der Irrationalität und fast mythischen, welche den Boden der Gewissheit aufreißen und in die Furchen schauen lassen, ihre volle Berechtigung zugestehen, ohne dass die konträren Sichtweisen gegeneinander ausgespielt werden würden.
Innocence ist eine zeitgenössische Oper, die nicht auf einem antiken Mythos beruht, sondern aktuelle Themen wie die Folgen eines Amoklaufs an einer Schule aufgreift. Da ist die Frage nach Schuld und Unschuld natürlich sehr komplex …
Regisseur Lorenzo Fioroni inszeniert die Dresdner Erstaufführung von Innocence.
Der Reiz dieses Werkes ist dessen Zugriff auf das Thema: Die Aufarbeitung eines Amoklaufs an einer Schule wäre auch in dem Genre einer kriminalistischen Dokumentation mit Zeugenbefragungen, Vor-Ort-Untersuchungen, Hintergrundberichten denkbar und ist so auch schon oft gesehen und rezipiert worden.
Auf diese Fährte lenkt uns der Text und die Atmosphäre des Stückes zunächst auch, es scheint alles klar und zwar enorm tragisch, aber doch vorhersehbar zu sein. Und dann werden Abzweigungen genommen und Figuren erscheinen schillernd in einem anderen Licht, sodass eine scheinbar allseits bekannte Geschichte sich in eine unbekannte Landschaft entwickelt, in der man sich verirrt.
So zeichnet das Stück eigentlich auch in seiner strukturellen Machart genau sein Thema nach: Der Weg von der Stabilität in Bezug auf die Beurteilung eines Ereignisses sowie der daran beteiligten Menschen und ihrer Beziehungen zueinander hin zu ungeklärten Verhältnissen, die alles unsicherer und wohl noch schmerzlicher machen für alle, allerdings wohl auch wahrhaftiger. So gesehen erwirbt die im Stück verhandelte aktuelle Thematik, welche man so auch aus den Abendnachrichten kennt, durchaus die Tragweite eines antiken Mythos’
Neben der Rekapitulation der traumatischen Erfahrung des Amoklaufs gibt es noch eine andere Handlungsebene: eine Hochzeit, die im Finnland der Gegenwart stattfindet. Erst nach und nach wird offenbar, wie sehr beide Ebenen miteinander verknüpft sind … Das ist dramaturgisch ebenso anspruchsvoll wie interessant. Die erste Ebene, die Haupthandlung der Hochzeit, gehört der Gegenwart an, in welcher die Hochzeitsgäste sich aufhalten. Sie lassen Erinnerungen an das Vergangene sowie aber auch Konsequenzen für die Zukunft nicht hinein, sondern wollen sich im Abfeiern dieses ja fast Inbegriffs eines bürgerlichen Rituals Sicherheit und Bestätigung holen. Die zweite Ebene – die Figuren, die bei dem Amoklauf zugegen waren – kann sich zunächst kaum entfalten gegenüber dieser Hochzeitshandlung, rankt sich quasi um sie herum. Diese Ebene ist frei flottierend in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, als habe sie ihre Heimat und Herkunft verloren. Allerdings wird sie
zunehmend präsenter, erhebt ihre Stimme und drängt sich unaufhaltsam in die Hauptstruktur der Geschichte hinein, die dadurch aus dem scheinbar klar definierten Rahmen gesprengt wird.
Bemerkenswert ist auch die rein strukturell unterschiedliche Behandlung dieser zwei Ebenen: Während die erste Ebene ausschließlich getragen ist von Gesang, verwendet die zweite Ebene unterschiedlichste Formen vom reinen Sprechtext über rhythmisches Sprechen bis hin zum Gesang der toten Schülerin Markéta, der vom indigenen Volk der Samen inspiriert ist und beinahe direkt aus Tuonela, dem Totenreich der finnischen Mythologie, zu kommen scheint.
Innocene kurz gefasst Lässt sich die Vergangenheit leugnen, die Erinnerung auslöschen?
Nach einem Amoklauf an einer internationalen Schule bleiben Mitschüler*innen, Eltern, Lehrer*innen fassungslos und traumatisiert zurück. Der minderjährige Täter wird in die Psychiatrie eingewiesen. Zehn Jahre später feiert Stela mit ihrem Bräutigam Tuomas, den sie in ihrem Heimatland Rumänien kennengelernt hat, seinen Eltern und dem Priester ihre Hochzeit. Sie ist glücklich und fragt nicht, warum so wenige Gäste da sind. Doch die Kellnerin deutet an, dass es etwas gibt, das Stela nicht weiß – dass der Bräutigam noch einen Bruder hat.
Warum sollte das Dresdner Publikum Innocence auf keinen Fall verpassen?
Es ist ein Werk, welches die Zuschauer*innen und Zuhörer*innen sicher ganz unmittelbar berührt und im positiven Sinne „stören“ kann. Die Themen, die verhandelt werden, sind uns in unserer Gegenwart in keinster Weise fremd, sondern entspringen unmittelbar dieser. Ebenso die Vorhersehbarkeit oder eben Unvorhersehbarkeit von Ereignissen wird hier erörtert und beleuchtet. In den Überlegungen zu Gewalt, Kriminalität und vielleicht auch terroristischer Bedrohung ist dies als Thema brennend akut und wird permanent diskutiert. Innocence liefert zu dieser Diskussion seinen wichtigen Beitrag in theatral sowohl packender wie poetischer Form.
Kaija Saariaho Innocence
Premiere 15.3.2025, 19 Uhr
Musikalische Leitung
Maxime Pascal Inszenierung
Lorenzo Fioroni
Mit
Paula Murrihy
Rosalia Cid
Anu Komsi
Mario Lerchenberger
Markus Butter
Jukka Rasilainen
Frederika Brillembourg
Venla Blom
Jessica Elevant
Nusch Batut
Simon Jensen
Carlo Nevio Wilfart
Olga Heikkilä
Sächsischer Staatsopernchor Dresden
Sächsische Staatskapelle Dresden
Um dem Publikum die Möglichkeit zum Austausch zu geben, findet ab der 2. Vorstellung immer im Anschluss an die jeweilige Vorstellung ein Nachgespräch mit Ensemblemitgliedern und externen Gästen im Opernkeller statt.
Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Semperoper – Förderstiftung
Kaija Saariaho
Die engagierte Individualistin
Text
Tomi Mäkelä
Kaija Saariaho war eine Künstlerin, die die Erwartungen anderer immer wieder infrage stellte. Geboren wurde sie am 14. Oktober 1952 in Helsinki, legte ihr Abitur an der Waldorfschule ab und studierte Kunstgewerbe, wobei sie sich mit ästhetischen Kategorien vertraut machte. Schließlich wurde sie Komponistin – in einer Zeit, in der die Mehrheit noch immer stutzte, wenn Frauen komponierten. Die Balance zwischen durchdachten Formen und intuitiv-effektvollen Klängen beherrschte sie wie kaum ein*e andere*r Künstler*in unserer Zeit – gleichwohl die Synthese der digitalen Klangerzeugung und der urmenschlichen Art des Musizierens. Am 2. Juni 2023 starb sie in Paris, von einer schweren Krankheit gebrochen. Mit ihrem Schicksal ging sie gelassen um. Tatsächlich hatte sie viel erreicht: Seit Jahren schon war sie eine der weltweit am meisten geschätzten und aufgeführten Tonschaffenden der Gegenwart. 2019 stellte die BBC auf der Basis einer seriösen Umfrage unter Fachleuten fest, dass Saariaho zu den 20 „größten Komponist*innen“ des Abendlandes zählte: auf Platz 17 zwischen Joseph Haydn und Johannes Brahms! Aus einer Meisterin der (Live-)Elektronik mit viel Klangfantasie – man denke an Verblendungen (1984) für Orchester und Tonband und NoaNoa (Wohlgeruch 1992) für Flöte und Elektronik nach Paul Gauguins Holzgravierung und Tahiti-Bericht – war längst eine engagierte Opernkomponistin geworden. Während es um 1990 noch so aussah, als ob der Kern ihrer Kreativität an den grafischen Skizzen erkennbar würde, die sie zu Beginn eines
Projekts machte – dazu passten Begriffe wie Klangspektrum, Traumlogik etc. –, wurde zunehmend klar, dass das Interesse für Poesie die tragende Kraft ihrer Kunst war. In den Opern L’amour de loin (Die Liebe aus der Ferne, Uraufführung in Salzburg 2000), Adriana Mater (Uraufführung in Paris 2006), La Passion de Simone (Uraufführung in Wien 2006) und Émilie (Uraufführung in Lyon 2010) orientierte sie sich an der gedanklichen Brillanz des libanesisch-französischen Schriftstellers Amin Maalouf (*1949). Es folgten die Nō-Theater-Adaption von Ezra Pound Only the Sound Remains (Uraufführung in Amsterdam 2016) und die Umarbeitung der frühen Miniaturoper Study of Life für Sopran, Elektronik und Licht nach T. S. Elliot (1981/2019). Für ihr letztes Großprojekt, die Oper Innocence (Uraufführung in Aix-en-Provence 2021), entdeckte sie die Literatursensation aus Finnland, Sofi Oksanen (*1977).
Kämpferisch, aber differenziert fasste sie die Lage der finnischen Frauen 1988 zusammen: „Einerseits sind alle gleichwertig, andererseits ist das System patriarchalisch: Alle Bereiche brauchen eine Vaterfigur, Kekkonen oder Kokkonen … das ist wie vorprogrammiert, die ganze Erziehung führt dahin.“ Urho Kekkonen (1900–1986) war 1956–1982 finnischer Staatspräsident, Joonas Kokkonen (1921–1996) ein prominenter Komponist, Essayist und Kulturpolitiker – und einer der Pioniere der neueren Operngeschichte Finnlands, von denen sich die Generation von Saariaho distanzierte.
Wichtiger als die Politik war für Saariaho ihre ästhetische Empfindsamkeit. Sie lebte urban, doch auch die Natur nahm sie komplex wahr und formulierte dazu 2006: „Ich bewundere den magischen Augenblick, wenn sich im Wald, nach dem Regen, die Vögel durch die feuchten Blätter bewegen und singen. Oder wenn es sehr kalt und der Schnee wie feiner weicher Puder ist – es verursacht eine ganz besondere Stille. Und dann die Akustik des feuchten, schweren Schnees: Alles ist tönende Atmosphäre.“ Sie setzte alle Mittel der Technologie und der Musizierpraxis ein, um die Ausdruckskraft ihrer Musik zu erhöhen. Sie benutzte Computerprogramme und experimentierte mit Live-Elektronik (d.h. mit der digitalen Erweiterung von gewöhnlichen Klängen im Moment des Musizierens), doch sie schätzte auch die Energie der Orchesterprofis auf der Bühne – so etwa in Ciel d’hiver (2013; das relativ einfache Stück, das auf dem mittleren Satz der Orchestersuite Orion von 2002 basiert, wurde im letzten November 2024 von der Staatskapelle u.a. in Dresden mit großem Erfolg vorgestellt) – sobald sie gelernt hatte, die Methoden der Strukturfindung zu beherrschen, machte sie sich von diesen frei. Dass der Drang nach Freiheit in ihrer Musik hörbar wird, erklärt ihren sensationellen Erfolg weltweit.
Tomi Mäkelä ist Professor an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Autor von Werken wie Klang und Linie (2004), Poesie in der Luft (2007), Jean Sibelius und seine Zeit (2013) sowie Play it again, Sam! (2025).
Sich gegenseitig Trost spenden
Georg Pieper beleuchtet die seelischen und gesellschaftlichen Wunden eines Amoklaufs
betroffen sind und so weiter. Und auch hier ist wieder das oberste Ziel, einen Weg zu finden um nachzuvollziehen, was passiert ist und gemeinsam zu trauern.
Gespräch
Dorothee Harpain
Der Traumaexperte Georg Pieper betreute u. a. die Betroffenen nach dem Mord an einer Lehrerin in Meißen. 2002 koordinierte er die Nachsorge nach dem Amoklauf in Erfurt, 2011 unterstützte er das Kriseninterventionsteam nach dem Attentat in Oslo und Utøya.
Sie sind ein international anerkannter Spezialist für Krisenintervention und Traumatherapie –wie unterstützen Sie die Betroffenen und Angehörigen unmittelbar nach einer solchen Tat?
Nach einer solchen Tat geht es um eine Notfallpsychologische Versorgung. Es ist erstmal ganz wichtig, die Betroffenen aus der Situation, zum Beispiel aus der Schule, rauszuholen an einen sicheren Ort und ihnen sehr deutlich zu machen, du bist jetzt hier wieder in Sicherheit, das Ereignis ist vorbei. Das ist etwas, was Betroffene am Anfang gar nicht nachvollziehen können.
Wir müssen die Betroffenen auch darüber aufklären, – das ist die sogenannte psychische Edukation – dass bestimmte psychische Folgen nach solchen Ereignissen angemessen und normal sind. Wenn Menschen merken, sie zittern, sie können nicht mehr schlafen, sie haben keinen Appetit mehr, sie sind nur noch am Weinen, dann müssen wir ihnen sagen: Das ist eine normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis. Außerdem bieten wir ihnen die Möglichkeit zusammenzukommen, Emotionen zu teilen, also gemeinsam zu weinen oder sich gegenseitig Trost zu geben. Wichtig ist, dass wir homogene Gruppen bilden, die Gleiches oder Ähnliches erlebt haben: Dass man zum Beispiel betroffene Schüler, die die Tat selber gesehen haben, in eine Gruppe tut, in eine andere Gruppe vielleicht nur Schüler, die die Tat ausschließlich von außen mitbekommen haben, wieder eine andere Gruppe wären dann zum Beispiel Angehörige, Lehrer, die
Den Autor*innen von Innocence war es wichtig, den Fokus vom Täter und dem Gewaltakt selbst wegzulenken und viel mehr die Betroffenen ins Zentrum zu stellen … Man muss tatsächlich sagen, dass wir in den Reaktionen auf solche schweren Ereignisse mehr eine Täterkultur als eine Opferkultur in Deutschland hatten und auch immer noch haben. Das heißt, es wird sehr viel über den oder die Täter berichtet und relativ wenig über die Opfer. Und dieses Vorgehen kann dann auch andere Menschen reizen, das nachzuahmen. Insofern muss man tatsächlich sagen: Journalisten müssen sehr aufpassen, dass sie nicht zu Helfershelfern des Attentäters werden.
Wie hat sich Deutschland seit Geschehnissen wie in Erfurt, Meißen, Magdeburg usw. verändert? Es hat sich in den letzten 35 Jahren, in denen ich in diesem Bereich tätig bin, viel verändert! Das Bewusstsein, auf solche Ereignisse adäquat zu reagieren und Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen bereitzustellen, ist sehr stark gewachsen. Bei den ersten Katastrophen, die ich betreut habe, musste man noch sehr dafür kämpfen und Überzeugungsarbeit leisten, dass Gelder für Hilfsmaßnahmen bereitgestellt werden. Oft mussten wir darauf auch verzichten. Heute gibt es auch im prophylaktischen Bereich viele gute Initiativen. Es gibt Lehrer, die sich notfallpsychologisch fortgebildet haben. Es gibt Notfallteams von Psychologen und weiteren Personen, die darin geschult sind, wie man bei solchen schlimmen Ereignissen die Betroffenen auffängt, wie man sie begleitet. In den Schulen gibt es Notfallpläne, was zu tun ist, wenn ein Amoklauf passiert. Und es gibt auch ein größeres Bewusstsein dafür, dass man sehr genau darauf achtet, wer in der Lage sein könnte, eine Amoktat durchzuführen. Das ist in meinen Augen sehr wichtig. Eine sogenannte „Null-Toleranz-Haltung“. Das heißt, wenn Schüler sich in sozialen Medien äußern und ankündigen, etwas Schlimmes tun zu wollen, dann muss man sofort aktiv werden und sich mit diesen Menschen zusammensetzen und nicht einfach darüber hinwegsehen. Auch auf diese Art und Weise können weitere Taten verhindert werden.
Premiere Roméo et Juliette
Die Befreiung aus dem Dreivierteltakt 5
Text
Benedikt Stampfli
Illustrationen
Nenae
Anlässlich der Premiere Roméo et Juliette von Charles Gounod wird dem bekanntesten aller Liebespaare nachgefühlt: Warum wollen sie die Ketten der Tradition und ihrer starren Familienstrukturen sprengen?
Wer kennt die tragische, herzzerreißende Liebesgeschichte nicht? Ein Mann und eine Frau lieben sich, doch das Schicksal will es, dass ihre Familien verfeindet sind. Dennoch ist ihre Liebe größer und bedingungsloser. Doch die beiden müssen ihren Mut mit dem Tod bezahlen. Sie wollen mehr als nur das Verbotene tun, sie wollen leben, frei sein und lieben: Romeo und Julia. Der englische Schriftsteller William Shakespeare (1564–1616) packte die Geschichte von Romeo und Julia in eine Tragödie, die erstmals 1597 gedruckt wurde und Ausgangspunkt für eine Fülle an Adaptionen
in Theater, Ballett, Film, Musical und Oper wurde; so auch für Charles Gounods fünfaktige Oper Roméo et Juliette mit dem Libretto von Jules Barbier und Michel Carré. William Shakespeare, der bis heute zweifelsfrei zu den bedeutendsten Schriftstellern weltweit gehört, genoss schon zu seinen Lebzeiten viel Ruhm. Bereits Anfang 1595 war Shakespeare Mitglied der Schauspieltruppe „Lord Chamberlain’s Men“, die sich bald danach als führende Theatergruppe etablierte –Shakespeare soll eher kleine Rollen gespielt, dafür jedoch Werke verfasst haben. Als 1603 Jakob I. auf den englischen Thron gekommen war, stand Shakespeares Schauspieltruppe sogar unter dessen Schirmherrschaft und damit im Dienst der Krone. Kurz davor schrieb Shakespeare seine Tragödie Romeo und Julia. Als Vorlage diente ihm u.a. die antike Sage um Pyramus und Thisbe, die Ovid in den Metamorphosen ausführlich schildert. Pyramus und Thisbe leben beide in Babylon und sind ineinander verliebt, doch aufgrund der Feindschaft ihrer Eltern dürfen sie sich nicht sehen. Daher treffen sie sich heimlich nachts außerhalb der Stadt unter einem Maulbeerbaum, wo es schließlich zum Doppelselbstmord kommt. Es ist nicht das einzige Liebespaar, das seine Liebe verschweigen und schließlich mit dem Tod bezahlen muss, so kennt man aus der griechischen Mythologie auch die Sage von Hero und Leander und die Liebespaare aus dem Mittelalter: Tristan und Isolde, Flore und Blanscheflur und Francesca da Rimini und Paolo. Die Geschichte von Troilus und Cressida, aufgeschrieben in Homers Ilias, inspirierte auch Shakespeare zum gleichnamigen Theaterstück.
Die Sagen und teilweise historisch belegten Geschichten sind schmerzhaft und wiederholen sich, wenn auch in veränderter Version, in unserer Gemeinschaft bis zum heutigen Tag. „An der Geschichte von Romeo und Julia interessiert mich, dass sie zeitlos ist, und bis heute an Aktualität nichts eingebüßt hat. Ihr Schicksal – zwei Menschen, die sich zwar lieben, aber aus ganz unterschiedlichen Gründen getrennt leben müssen – ist Teil unserer Gemeinschaft“, sagt Barbara Wysocka. Die polnische Regisseurin und ausgebildete Schauspielerin findet bemerkenswert, dass die beiden mit dem Ist-Zustand sich nicht zufriedengeben, sondern für etwas Besseres kämpfen: „Obschon Romeo und Julia durch die Zwänge und Familientradition determiniert sind, wirken sie aktiv.
Premiere Roméo et Juliette
Sie treffen Entscheidungen und nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand – auch wenn dies leider in der Konsequenz ihren eigenen Tod bedeutet. Aber ihre aktive Haltung bewundere ich zutiefst.“ Doch das Schicksal von Romeo und Julia kann auch als Zustand der Gesellschaft verstanden werden. Denn sie leben in einer Gemeinschaft, die nach dem Recht des Stärkeren trachtet. Es fühlt sich an, als wäre es ein Tanz auf dem Vulkan; ein Damoklesschwert schwebt über den Menschen und es stellt sich nur die Frage, wann es fällt und wen es dann trifft. „Aus einem giftigen Blick kommt es zur Massenschlägerei. Man spürt von Beginn an, welche Spannungen zwischen den beiden Familien vorhanden sind und inwiefern nur ein Funke das Feuer entfachen kann“, so die Regisseurin im Gespräch.
An der Geschichte von Romeo und Julia interessiert
„
mich, dass sie zeitlos ist, und bis heute an Aktualität nichts eingebüßt hat.“
Barbara Wysocka
Der Walzer als tonangebende Chiffre
Diese Gewaltspirale ist jedoch in der Komposition von Charles Gounod nicht zu hören. Im Gegenteil, die im lyrischen Duktus gehaltene Musik mit ihren zauberhaften Melodien, den Koloraturarien, und den ergreifenden Chorpassagen vermittelt eher Harmonie und Befriedung; wahrscheinlich auch in Anlehnung an die poetische Sprache bei Shakespeare: „So grenzenlos ist meine Huld, die Liebe so tief ja wie das Meer. Je mehr ich gebe, je mehr auch hab ich: Beides ist unendlich“, sagt Julia. Auffällig viele Nummern hat Gounod im Dreivierteltakt komponiert, denn zu seiner Zeit war der Walzer modern. Dies hatte sicher auch damit zu tun, dass er bei der Pariser Weltausstellung – zu diesem Anlass wurde am 27. April 1867 das Werk am Théâtre-Lyrique uraufgeführt – vor einem internationalen Fachpublikum als moderner Komponist verstanden werden wollte. Roméo et Juliette war ein überwältigender Erfolg, 89 Aufführungen wurden nur in einem Jahr gezählt – während beispielsweise Giuseppe Verdis Don Carlos nach relativ kurzer Zeit wieder abgesetzt wurde. Übrigens kam bereits ein Halbjahr nach der Uraufführung von Roméo et Juliette die Deutsche Erstaufführung am Königlichen Hoftheater in Dresden zustande. Doch vielleicht wollte Charles Gounod nicht nur modern sein, sondern hatte noch andere Absichten? Der Walzer, ursprünglich aus dem „Bauerntanz“ hervorgegangen und erst später als höfische Tanzform etabliert, dient in Roméo et Juliette als ein Korsett, aus dem Roméo und Juliette sich befreien wollen. So finden wir in der sehr bekannten Auftrittsarie von Juliette „Je veux vivre“, im 3/4-Takt gehalten, träumerisch im Charakter, auch die Sehnsucht, die sie verspürt, auszubrechen aus den Zwängen ihrer Familie. Im Zentrum der Oper sind vier große Liebesduette zwischen Roméo und Juliette, in welchen deutlich wird, dass sich die
beiden aus dem 3/4-Takt lösen wollen, doch es gelingt ihnen nicht. Sie sind stets gefangen in einer patriarchalen Familienstruktur, die von Hass und Gewalt geprägt ist – für eine Liebe über die Clanstrukturen hinaus ist jedoch kein Platz. Doch genau das ist die Liebe von Roméo und Juliette; Frère Laurent, der den Segen für ihre Liebe schenkt, bringt es auf den Punkt: „Mag eure junge Liebe löschen den ewigen Hass eurer beiden Häuser.“ Woher nehmen die beiden inbrünstig Liebenden ihre Kraft? Ist es die Lust am Verbotenen, blinde Naivität oder doch der utopische Glaube, damit die Welt verändern zu können? Roméos und Juliettes Kampf für Leidenschaft, für Liebe, für Freiheit wird im Gegensatz zur Shakespeare’schen Vorlage – denn dort kommt es zur Versöhnung der beiden Familien – bei Gounod nicht belohnt, denn die Oper endet mit dem schicksalhaften Tod der beiden. Barbara Wysocka möchte jedoch in ihrer Inszenierung der martialischen vorherrschenden Gewaltspirale etwas entgegensetzen, sodass man das Gefühl bekommt, dass Roméos und Juliettes Drang nach selbstbestimmtem Leben nicht vergebens war – ein utopischer Entwurf, um in den schwierigsten Momenten des Lebens die Kraft in der gemeinsamen Hoffnung zu finden oder wie es der deutsche Philosoph Ernst Bloch in seinem Hauptwerk Das Prinzip Hoffnung formuliert hat: „Wenn wir zu hoffen aufhören, kommt, was wir befürchten, bestimmt.“
Charles Gounod
Roméo et Juliette
Premiere 3.5.2025, 19 Uhr
Musikalische Leitung Robert Jindra Inszenierung
Barbara Wysocka Mit Tuuli Takala Liparit Avetisyan
Georg Zeppenfeld
Danylo Matviienko
Valerie Eickhof
Oleksandr Pushniak
Michal Doron Claude Eichenberger
Brian Michael Moore
Gerrit Illenberger
Anton Beliaev Jongwoo Hong
Tilmann Rönnebeck
Sächsischer
Staatsopernchor Dresden
Sächsische
Staatskapelle Dresden
Die Liebe, die nicht sein darf
Tristan und Isolde, Francesca da Rimini und Paolo, Romeo und Julia … so einige Paare durften sich nicht lieben. Auch aus der neueren
Zeit gibt es Beispiele, so auch bei den Royals.
Eduard und Wallis Simpson
Eduard, sein Vater Georg V. war übrigens aus dem Haus SachsenCoburg und Gotha, hätte eigentlich das Privileg gehabt, seinen Papa nach dessen Tod am 20. Januar 1936 zu beerben und König des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland sowie Kaiser von Indien zu werden. Doch wie es das Schicksal wollte, war er nicht einmal ein Jahr auf dem Thron, denn er verliebte sich im Sommer dieses Jahres an der kroatischen Adriaküste in die zweimal geschiedene bürgerliche US-Amerikanerin Wallis Simpson. Das britische Königshaus gab dem Druck der konservativen Regierung nach und so dankte Eduard VIII. am 11. Dezember 1936 ab; eine Krone trug er übrigens nie, denn zu einer Krönung war es in seiner kurzen Regentschaft nicht gekommen. Eduard und Wallis Simpson heirateten schließlich im Sommer 1937 und den Thron an Eduards Stelle durfte Georg VI. besteigen, der Vater von Queen Elizabeth, die anschließend über 70 Jahre der britischen Monarchie vorstand.
Prinzessin Margaret und Peter Townsend
Die jüngere Schwester von Queen Elizabeth war Margaret, die sich in den königlichen Stallmeister Peter Townsend verliebte. Bei ihrer ersten Begegnung war sie gerade einmal 14 Jahre jung und er mehr als doppelt so alt. Außerdem war er verheiratet und Vater von zwei Söhnen. Auf Druck des Premierministers Winston Churchill und der englischen Kirche, und da erst ein paar Jahre davor aus ähnlichem Grund Onkel Edward VIII. abdanken musste, verweigerte Queen Elizabeth den Segen für die Heirat zwischen Margaret und Peter Townsend. Erst wenn Margaret älter als 25 Jahre gewesen wäre, hätte sie heiraten dürfen, doch auf jegliche royalen Privilegien verzichten müssen. Zur Heirat mit dem Stallmeister, der später RoyalAir-Force-Pilot wurde, wird es jedoch nie kommen, da Margaret sich kurz vor der Vermählung dagegen entschied.
Prinzessin Mako und Kei Komuro
Auch im japanischen Kaiserhaus darf nicht immer zusammenleben, was sich liebt. Während Prinzessin Mako, die älteste Tochter des Kronprinzen Akishino, in Tokio studierte, lernte sie den bürgerlichen Studenten Kei Komuro kennen. Doch ihrer Liebe wurden viele Steine in den Weg gelegt. Hauptsächlich waren es die NegativSchlagzeilen zu Kei Komuro und seiner Familie: Kei Komuros Mutter schuldete ihrem Ex-Partner Geld für das Studium ihres Sohnes und man befürchtete, dass Makos Mitgift in Höhe von rund umgerechnet einer Million Euro (mitfinanziert durch Steuereinnahmen aus Japan) dafür genutzt werde. Mako und Keis Liebe war aber größer: Mako gab ihr Leben in der Kaiserfamilie auf, zog aus dem kaiserlichen Palast für immer aus, zugunsten eines Lebens mit ihrer Liebe. Anstelle einer prunkvollen Zeremonie kam es in einem Standesamt zur schlichten Trauung.
… und übrigens in der Verfilmung William Shakespeares Romeo + Julia (1996) von Baz Luhrmann konnten sich die Schauspieler von Romeo (Leonardo DiCaprio) und Julia (Claire Danes) so gar nicht ausstehen. Claire Danes fand, dass sich Leonardo DiCaprio zu unreif und kindisch am Set verhalten hat, der Crew immer wieder Streiche spielte, während sie nur arbeiten wollte. Doch beide waren so professionell, dass im Film nur ein Liebespaar zu sehen ist, das sich Hals über Kopf liebt.
„Immer wenn ich zurückkomme, ist es etwas ganz Besonderes.“
Herbert Blomstedt ist Dresden und der Sächsischen Staatskapelle seit 1969 von Herzen verbunden.
Gespräch
Julia Spinola
Ein Gespräch mit dem schwedischen Dirigenten
Herbert Blomstedt über seine mehr als ein halbes Jahrhundert währende Verbundenheit mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden
Vor 56 Jahren haben Sie das erste Mal die Sächsische Staatskapelle Dresden dirigiert. Wie kam es dazu?
Ich bin eingesprungen, weil das Orchester ein Jahr zuvor seinen Chefdirigenten Martin Turnovský durch die Niederschlagung des „Prager Frühlings“ verloren hatte. In Prag rollten damals nicht nur sowjetische Panzer ein, sondern auch die DDR war beteiligt. Turnovský war Tscheche und legte daraufhin sofort sein Amt nieder. Ich war einer der Dirigenten, die in Dresden einsprangen. Herbert Kegel war ein anderer. Mit ihm hatte die Kapelle 1968 eine Tournee nach Schweden unternommen, die Turnovský nicht mehr dirigiert hat. Auf dieser Tournee hat das Orchester von mir erfahren und so wurde ich gebeten, ein Konzert im April 1969 zu übernehmen. Ich zögerte erst, weil ich noch nie hinter dem Eisernen Vorhang gewesen war. Aber andererseits schwärmte ich doch so für die Kapelle, seitdem ich sie als Teenager zum ersten Mal gehört hatte. Das war bei meinen Großeltern in Värmland. Ich hörte damals aus dem kleinen Telefunken-Rundfunkapparat aus Bakelit, den sie besaßen, die Mozart-Variationen von Max Reger, gespielt von der Staatskapelle unter der Leitung von Karl Böhm. Das war so unfassbar schön, dass die Kapelle für mich seitdem im Himmel schwebte. Dieses wunderbare Orchester selber zu dirigieren, aber in diesem fremdartigen Land der geistigen und politischen Unterdrückung, das mir unheimlich war, war ein großer Widerspruch. Der Kommunismus war meine Sache nicht.
Sie reisten mit dem Zug von Stockholm nach Dresden. Wie waren Ihre Eindrücke auf dieser ersten Reise in die DDR?
Mitten in der Nacht kamen die Zollbeamten mit Hunden zu mir ins Schlafabteil. Sie waren nicht unfreundlich, aber es war sehr unheimlich. So etwas war ich aus Schweden nicht gewohnt. In Ost-Berlin musste ich frühmorgens den Zug wechseln. Es war noch dunkel und der große Bahnhof war ganz leer. Plötzlich entdeckte ich hoch oben auf einer Rampe doch einen Menschen – es war ein Soldat mit einem Gewehr. All das hat mich sehr beunruhigt. Es war kalt und es roch im Zug auch so fremd, weil in der DDR andere Reinigungsmittel benutzt wurden als bei uns. Der Bahnhof in Dresden schien mir völlig verkommen, alles war kaputt, die Gleise
überwuchert von Gras, alles geschwärzt von Ruß. Aber mitten in diesem düsteren Szenario tauchte dann ein sehr freundlicher Mann auf. Es war der Orchesterdirektor Dieter Uhrig, der mich persönlich abholte und zu diesem wunderbaren Orchester brachte. Der Kontrast zwischen der deprimierenden Umgebung und der Kapelle und ihrem Spiel hätte nicht größer sein können.
„Das musst du unbedingt akzeptieren, das wird dein Leben verändern.“
Wie verliefen die Proben und das erste Konzert?
Wir spielten von Paul Hindemith das Konzert für Holzbläser, Harfe und Orchester sowie das Violinkonzert von Johannes Brahms mit Ricardo Odnoposoff. Den zweiten Teil des Abends konnte ich selber gestalten und wählte die 5. Symphonie von Carl Nielsen. Die ist hundeschwer, auch rein spieltechnisch, für die Streicher, und wir hatten insgesamt nur drei Proben. Zu meinem größten Erstaunen war es aber schon nach einer Probe fast perfekt. Ich war wie vom Donner gerührt, dass so etwas möglich ist. Nach diesem Konzert hat die Kapelle mich sofort wieder eingeladen, und schon im nächsten Jahr, 1970, haben sie mich gebeten, ihr Chef zu werden.
Warum haben Sie die Position dann erst 1975 angetreten?
Ich habe jahrelang mit einer Zusage gezögert, weil ich nicht in dieses Land kommen wollte, dessen Politik mir so verhasst war. Aber die Musiker haben mich sehr klug und geschickt umworben. Das haben sie nicht nur durch Überredungskünste getan, sondern vor allem auch, indem sie mir zeigten, was ich verpassen würde, wenn ich nicht käme. Sie fuhren zum Beispiel mit mir nach Freiberg, wo es eine prächtige Silbermann-Orgel gibt. Die Botschaft war klar. Sie lautete: Wie können Sie auch nur zögern, in unser wunderbares Dresden zu kommen?
Nach einem Gastdirigat kam hinter der Bühne der Solopauker Peter Sondermann auf mich zu und beschwor mich: „Herr Professor, Sie müssen kommen. Wir beten jeden Tag dafür.“ Ich habe damals auch Igor Markevitch um Rat gefragt, der einige Male als Gastdirigent in Dresden gewesen war. Auch er sagte: „Das musst du unbedingt akzeptieren, das wird dein Leben verändern.“ Ich zögerte immer noch. Ich fürchtete, in einer Diktatur unglücklich zu sein. Andererseits fühlte ich mich ja ungeheuer wohl mit dem Publikum und mit diesem Orchester, das mir wie eine Insel der Seligen erschien. Nach zweieinhalb Jahren konnte ich schließlich nicht mehr widerstehen.
„Das Orchester war geballte Energie, wie ein Kernkraftwerk. Dresden bewegt mich bis heute.“
Was hat den Ausschlag gegeben?
Dem Orchester glückte damals ein Coup. Herbert von Karajan war in Dresden gewesen, um Wagners Meistersinger von Nürnberg aufzunehmen. Die Semperoper war noch nicht wiederaufgebaut worden. Wir spielten im Schauspielhaus, das aber zu klein war, um große WagnerOpern zu spielen. Auch ich habe die Kapelle ja damals schon regelmäßig dirigiert. Das Opernrepertoire musste warmgehalten werden, damit es nicht verloren geht. Daher kam die Idee, die großen Opern für die Schallplatte aufzunehmen. Karajan machte Wagners Meistersinger. Es gab 18 Aufnahmetermine für die Meistersinger, aber nach neun Terminen war bereits alles fertig. Beim neunten Termin fehlte 15 Minuten vor Schluss nur noch die Ouvertüre. Karajan dankte also dem Orchester und verabschiedete sich bis zum nächsten Tag. Die Musiker aber fragten: „Wir haben doch noch 15 Minuten Zeit. Warum nehmen wir nicht noch die Ouvertüre auf?“ Karajan willigte ein, es zu versuchen, gab rotes Licht für die Aufnahme, sie spielten die Ouvertüre einmal durch – und genau so ist das auf der Platte gelandet. Ohne eine einzige
Staatskapelle
Änderung. Karajan hielt daraufhin eine kurze Ansprache an das Orchester. Er sagte sinngemäß: „Als ich nach Dresden kam, merkte ich vom ersten Moment an, dass hier etwas ganz anders ist. In Dresden gibt es so viele Ruinen und tote Monumente. Sie aber, meine Herren, sind ein lebendiges Monument. Bleiben Sie so. Wenn ich nicht in Berlin gebunden wäre, würde ich zu Ihnen kommen.“ Karajans Worte wurden aufgenommen und das Orchester schenkte mir die Aufnahme zu Weihnachten 1972. Ohne weiteren Kommentar.
Danach mussten Sie natürlich zusagen. Ja, das war der letzte Tropfen. Ich sagte zu, und ich habe das nie bedauert. Diese Geschichte verrät viel über die Mentalität der Kapelle. Die Kapelle ist im besten Sinne stur. Wenn diese Musiker etwas wollen, dann lassen sie nicht locker, bis sie es bekommen. Trotzdem dauerte es noch weitere zweieinhalb Jahre, bis ich den Vertrag unterzeichnete, denn auch der Staat musste noch überzeugt werden. Die Kapelle war in Ost-Berlin nicht sehr beliebt. Sie war nur insofern beliebt, als sie Devisen brachte durch ihre Auslandskonzerte. Von den erspielten Gagen erhielt die Kapelle selbst nur einen Bruchteil. Das meiste Geld floss in die Staatskasse. Abgesehen davon, dass sie Geld einbrachte, war die Kapelle dem DDR-Regime aber viel zu selbstbewusst und zu eigenwillig. So war es auch in diesem Falle wieder. Das Orchester bestand hartnäckig darauf, diesen jungen Mann aus dem kapitalistischen Ausland als Chefdirigenten zu bekommen, wo es doch nach offizieller Staatsmeinung die besten Dirigenten im eigenen Land gab. Aber das Orchester stellte sich stur. Dazu gehörte damals viel Mut. Der Eigensinn der Kapelle konnte manchmal auch unbequem sein, aber er hatte immer einen künstlerischen Hintergrund. Wenn man etwas Ungewöhnliches will von der Kapelle, dann kann es passieren, dass die Musiker zwar freundlich sind, aber die Sache boykottierten, indem sie einfach nicht mitmachen, sich nicht bewegen. Aber die Spielmoral der Kapelle war zu meiner Zeit einzigartig. Ich hatte so etwas vorher noch nie erlebt und auch danach nicht mehr in dem gleichen Sinne. Das Orchester war geballte Energie, wie ein Kernkraftwerk. Dresden bewegt mich bis heute. Immer wenn ich zurückkomme, ist es etwas ganz Besonderes.
8. Sinfoniekonzert
Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60
Jean Sibelius
Sinfonie Nr. 5 Es-Dur op. 82
23.3.2025, 11 Uhr
24. & 25.3.2025, 19 Uhr
Dirigent
Herbert Blomstedt
Sächsische Staatskapelle Dresden
Bewusste Brüche
Ein
Gespräch
mit Christian Gerhaher über
Gustav Mahlers WunderhornLieder
Text und Gespräch
Melissa Maria Korbmacher
„Ich bin der Meinung, dass die Wunderhorn-Lieder zusammen mit den sechs Liedern aus dem Lied von der Erde die avanciertesten Vokalkompositionen Gustav Mahlers sind. In dem Sinn, dass sie etwas anderes vorgeben, als sie dann tatsächlich sind – etwa, dass sich hier einem oft eine konkrete Erzählung aufdrängt, die bei genauerem Hinsehen aber viele innere Widersprüche zeigt, dann doch eher eine lyrische Kunst mit vielen offenen Andeutungen bleibt“, beschreibt Bariton Christian Gerhaher, Solist des 7. Sinfoniekonzerts, die Wunderhorn-Vertonungen, die immanent zwischen Vertrautem und Befremdlichem changieren. Die von Achim von Arnim und Clemens Brentano Anfang des 19. Jahrhunderts herausgegebene Volksliedsammlung Des Knaben Wunderhorn stellte für Mahler mehr als ein Jahrzehnt das zentrale Textcorpus seines Schaffens dar: Bis in das Jahr 1901 entstanden nicht nur Klavierund Orchesterlieder, sondern auch seine sogenannten „Wunderhorn-Symphonien“ Nr. 2-4, in denen unter anderem Liedtexte aus der Heidelberger Sammlung verarbeitet wurden.
Anders als der Untertitel „Alte deutsche Lieder“ vermuten lässt, handelt es sich bei den im Wunderhorn abgedruckten Liedtexten keineswegs um eine reine Verschriftlichung mündlich überlieferten Liedguts, vielmehr wurden die aus verschiedenen handschriftlichen und gedruckten Quellen gesammelten Texte von den Herausgebern im Sinne romantischen Dichtens und Weiterdichtens mitunter erheblichen Bearbeitungen unterzogen. Jene inszenierte Ursprünglichkeit zu einem sogenannten „Volkston“ wurde von Mahler aufgrund der textlichen Simplizität als besonders geeignet zur weiteren Bearbeitung empfunden. Betrachtet man die Form- und Textbehandlung von Mahlers Wunderhorn-Vertonungen, öffnen sich jedoch vollkommen neue Bedeutungshorizonte, die bewusst mit einer naiv-verklärenden Volkstümlichkeit brechen. Eine Vielzahl der Texte ist militärischen Inhalts, in deren Zentrum nicht militärisches Heroentum, sondern der Schmerz von Kriegsleid und Armut betroffener Individuen steht: „Ich glaube, der zusammenhängende Teil aller dieser Lieder ist die Beschreibung des menschlichen Elends“, konstatiert Gerhaher, „und zwar aus der Sicht der Minderprivilegierten. Man sieht ein Kind, das verhungert. Man sieht die Mutter dazu, die ihr sterbendes Kind nicht retten kann. Man sieht Soldaten, die im Krieg fallen, weil sie in der Schlacht sind, während die Gottesgläubigen, die gottgegeben Herrschenden, nicht getötet werden können. Man sieht Menschen, die an ihrer Umwelt leiden, aber aus ihrer Situation heraus nichts daran ändern können. Im Grunde sehe ich bei Mahlers Liedern so viel wie bei fast keinem anderen Komponisten ein gesellschaftspolitisches Engagement – ohne dass dies etwa aus seiner Musik eine agitative politische Kunst machen würde. Die verschiedensten
Zugänge zu Mahlers Werken bleiben natürlich offen und vielfältig.“
Der Umgang Mahlers mit den Vorlagen entspringt seinen persönlichen Interpretationen der Texte, denen er durch selbst gedichtete Einfügungen, Kürzungen oder neue Anordnungen eine eigene, häufig mehrdeutige Lesart zueignet. So überlagern sich etwa in dem aus zwei Texten zusammengefügten Lied Wo die schönen Trompeten blasen eine lebens- und liebesbejahende und eine militärische, von Todesahnungen durchsetzte Sphäre, wodurch Mahler die zunächst stereotyp anmutende Stelldichein-Situation aufbricht:
„Die Tatsache, dass dieses Lied insgesamt so konsistent wirkt, obwohl die inhaltlichen Brüche bei näherer Betrachtung eindeutig sind, zeugt von Mahlers Arbeitsweise, der verschiedene Teile sowohl musikalisch als auch durch Überblendung und musikverbundene Nebeneinanderstellung inhaltlicher Motive in einer Art assoziativer Kombinationstechnik miteinander verwebt. Es hat etwas, das sowohl befremdet als auch Verbindung schafft. Das ist meiner Ansicht nach die spezifisch Mahlersche Kunst, aus der Tradition der Romantik kommend, aber schon mit einem Bein in der Welt der Moderne.“
7. Sinfoniekonzert
Gustav Mahler Lieder aus
Des Knaben Wunderhorn: Der Schildwache Nachtlied
Das irdische Leben
Lied des Verfolgten im Turm Wo die schönen Trompeten blasen Revelge
Der Tamboursg’sell
Sinfonie Nr. 4 G-Dur
2.3.2025, 11 Uhr
3. & 4.3.2025, 19 Uhr
Dirigent
Daniele Gatti
Mit
Sara Blanch
Christian Gerhaher
Zwischen Tod und Erlösung
Dirigent aufzutreten. Erst beim Royal Concertgebouw Orchestra, das seit dem frühen 20. Jahrhundert unumstritten das MahlerOrchester ist, wurde dies anders: Nachdem Gatti dort schon als Gast mehrfach Mahler dirigiert hatte, setzte er sich unmittelbar nach seinem Amtsantritt als Chefdirigent in Amsterdam mit der Zweiten, der berühmten Auferstehungssinfonie, auseinander.
Auch in Dresden setzt der Italiener mit der Musik des Österreichers Akzente. Ein Mahler-Zyklus wird realisiert: Schon in seiner ersten Saison als Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle dirigiert Gatti hier Mahlers erste vier Sinfonien. Geschickt verbindet er diese Serie zudem mit einer Dresdner Tradition – den Palmsonntagskonzerten. Sie reicht bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück. Ein Höhepunkt war Richard Wagners Aufführung von Beethovens Neunter im Jahr 1849 kurz vor der Mairevolution. Die jährliche Reihe findet am Palmsonntag 2025 mit der Aufführung der Auferstehungssinfonie ihre Fortsetzung.
Die Entstehungsgeschichte dieser Sinfonie ist eng mit ihrer Vorgängerin verknüpft. Schon während der Arbeit am Erstling brachte Mahler Skizzen für ein neues Werk zu Papier. „Das wahre Ende der Ersten kommt in der Zweiten“, schrieb er 1888. Anders als Beethoven, der sinfonische Neuerungen in den Folgewerken stets kritisch reflektierte, baute Mahler seine ersten vier Sinfonien aufeinander auf – formal, musikalisch und thematisch. Dass Gatti genau diese vier Werke in seiner ersten Dresdner Saison aufführt, ist darum folgerichtig.
Mahler, der Programmmusik eigentlich ablehnte, lieferte in mindestens drei Fällen ein Programm zur Zweiten. Am detailliertesten war jenes für die Dresdner Erstaufführung 1901. Über den Eingangssatz schrieb er damals: „Wir stehen am Sarg eines geliebten Menschen. Sein Leben zieht noch einmal an unserem geistigen Auge vorüber. Und nun greift eine ernste Stimme an unser Herz: Was ist dieses Leben und dieser Tod? Gibt es für uns eine Fortdauer? Ist dies alles nur ein wüster Traum?“
Gustav Mahlers 2. Sinfonie, die Auferstehungssinfonie, ist ein Werk der Ambivalenzen. Für Daniele Gatti, der die Zweite im Rahmen seines Mahler-Zyklus’ an die traditionsreiche Palmsonntags-Position rückt, ist es ein besonderes Werk.
Schon mit 14 Jahren hatte Daniele Gatti die Sinfonien Gustav Mahlers für sich entdeckt. Sein Vater kaufte damals Schallplatten mit den Werken des Österreichers und hörte sie gemeinsam mit dem Sohn. Seitdem hat diese Musik den heute 63-Jährigen nie mehr losgelassen. Und doch scheute er sich lange, als expliziter Mahler-
Man ahnt es bereits: Der Held, der hier zu Grabe getragen wird, ist der gleiche, der am Ende der ersten Sinfonie stirbt. Tatsächlich ist dieser Satz zunächst eine eigenständige Komposition, von Mahler Todtenfeier betitelt – ein Verweis auf den gleichnamigen Dramenzyklus des polnischen Dichters Adam Mickiewicz. Im Gegensatz zu den programmatischen Werken von Franz Liszt und Richard Strauss basiert Todtenfeier aber nicht direkt auf einer literarischen Vorlage. Vielmehr harmoniert Mickiewiczs Idee von der Wirkung der Seelen Verstorbener auf die Lebenden mit dem Weltbild des jungen Komponisten. Mehr noch als in seiner Ersten stellt Mahler in seiner Zweiten grundlegende philosophische Fragen: Vier Sätze lang werden sie beleuchtet, bevor der Schlusssatz Antworten gibt. Das erinnert an Beethovens Neunte. Auch dort werfen die ersten Sätze Fragen auf, die dann im Finale mit Hilfe von Vokalmusik beantwortet werden.
Ein entscheidender Wendepunkt in der gesamten Gattungsgeschichte vollzieht sich zwischen dem dritten und vierten Satz (Urlicht) von Mahlers Zweiter Sinfonie. Während das Orchester stets leiser wird und sogar verstummt, erklingt aus dem Nichts eine menschliche Stimme. Doch anders als in Beethovens Neunter, wenn der Bariton „O Freunde, nicht diese Töne“ ruft, ist dies kein Bruch. Vielmehr strahlt der vierte Satz aus Mahlers Zweiter tiefe Ruhe aus, bevor das Finale dann wirklich Antworten liefert. Auf der Suche nach einem passenden Text für das Finale, das bis dahin
nur als Idee in Mahlers Kopf existierte, geriet der Komponist bei der Arbeit an der Zweiten ein Jahr lang ins Stocken. Erst als im Februar 1894 der Dirigent Hans von Bülow starb, hatte er die entscheidende Inspiration: Auf Bülows Trauerfeier erklang der Choral „Aufersteh’n, ja aufersteh’n“, er wurde zur Keimzelle des Finales. Ein jäher Akkord fegt die Idylle des Urlichtes beiseite. Ein neues Thema, die „Auferstehungsidee“, tritt vor und prägt den Satz bis in die Schlusstakte hinein – eine aufsteigende Linie, die an das auch von Wagner verwendete Dresdner Amen erinnert. Mehr denn je experimentiert der Komponist in diesem Finale zudem mit Klangwirkungen. So setzt er etwa ein Fernorchester ein und führt damit frühere Raumklangideen fort.
Gerade diese machen jede Aufführung der Auferstehungssinfonie zu einem außergewöhnlichen Ereignis. „Ich denke, jedes gute Orchester kann einen guten Mahler aufführen. Das ist Musik, die im Inneren sehr theatralisch ist“, betonte Daniele Gatti unlängst in einem Radiointerview. Dass Mahler gerade in den Schlusstakten der Zweiten sein Publikum regelrecht überwältigt, gehört für den italienischen Dirigenten zum Wesenskern dieser Musik: „Die Sinfonien von Mahler kennen kein Limit, weil das, was er sagen möchte, grenzenlos ist.“
9. Sinfoniekonzert
Palmsonntagskonzert
Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 2 c-Moll
Auferstehungssinfonie
13. & 14.4.2025, 19 Uhr
Dirigent
Daniele Gatti
Mit Rosalia Cid
Christa Mayer
Sächsischer
Staatsopernchor Dresden
Sächsische
Staatskapelle Dresden
Daniele Gatti setzt Mahlers 2. Sinfonie bewusst an die Palmsonntagsposition.
Stell dir vor, Tanz ist dein Leben
John Neumeiers choreografische Annäherung an den Jahrhunderttänzer Vaslaw Nijinsky ist eine Hommage an das Jubiläum des Semperoper Ballett und wird auch kommende Saison wieder zu sehen sein.
Das 200-jährige Jubiläum wird mit einem Begleitprogramm gewürdigt, das neben den Premieren und dem Repertoire der laufenden Saison einige besondere Ballettmomente bietet.
200 Jahre Seperoper Ballett
Zurück in die Zukunft 9
Text und Gespräch
Das Semperoper Ballett feiert sein 200-jähriges Jubiläum – und ganz Dresden feiert mit. Ein Programm voller Highlights: Mitreißende Open-Air-Events, innovative Tag Team-Premieren und inspirierende TanzTalks würdigen die Geschichte und Zukunft des Ensembles.
So einiges ist im Jahr 1825 in der europäischen Kulturlandschaft geschehen: Franz Schubert komponiert sein ikonisches Kunstlied Ave Maria, das abgebrannte Moskauer Petrowski-Theater wird am 18. Januar als Bolschoi-Theater wiedereröffnet, Bayern bekommt am 13. Oktober mit König Ludwig I. einen neuen kunstsinnigen Monarchen, und Franz Liszts
einzige Oper Don Sanche ou Le château d’amour gelangt am 17. Oktober an der Pariser Oper zur Uraufführung. In Dresden sind die für das 200-jährige Jubiläum des Semperoper Ballett entscheidenden Schlagzeilen ruhigerer Natur, deren Tragweite dafür umso größer: Am 1. April 1825 werden nach einem Jahrzehnt Vorarbeit – u.a. auf Anregung des königlichen Hofkapellmeisters
Carl Maria von Weber drei Damen mit einschlägig fachlicher Ausbildung für tänzerische Tätigkeiten am Königlichen Hoftheater engagiert und fortan mit einer fixen Besoldung honoriert. Die Geburtsstunde des Semperoper Ballett hat geschlagen und gilt es in dieser Spielzeit nach Kräften zu zelebrieren!
Das Jubiläumsdatum des Semperoper Ballett wird am 1. April gleich mehrfach geehrt: Um 19 Uhr begegnen sich 200 Tänzerinnen und Tänzer des Semperoper Ballett und der Palucca Hochschule für Tanz Dresden auf der gigantischen Freilichtbühne des Theaterplatzes und werden zur mitreißenden Livemusik des zürich saxophone collective (Leitung: Lars Miekusch) mit 13 Saxofonist*innen den Theaterplatz zum Beben bringen. Im Anschluss geht es weiter in Semper Zwei, wo am 1., 11. und 23. April die drei Premieren sowie weitere Vorstellungen vom Tag Team stattfinden:
Anhand von je zwei historische Fotografien, die verschiedene Meilensteine der 200-jährigen Geschichte des Semperoper Ballett symbolisieren, erarbeiten drei von Kinsun Chan beauftragte Choreograf*innen ihre eigenen choreografischen Interpretationen, die anhand der nachfolgenden Adaptionen Veränderungen erfahren. Hiermit erhält das jeweils 50-minütige Stück eine fortwährende Fortschreibung als Hommage an die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Semperoper Ballett. Darüber hinaus lädt das Bühnenbild der Produktion dazu ein, sich von der spannenden Ballettgeschichte inspirieren zu lassen. Der Begriff „Tag Team“ selbst ist dem amerikanischen Wrestling entlehnt und bezeichnet eine Mannschaft, die aus zwei oder mehr Mitgliedern besteht, die in wechselnden Konstellationen am Match teilnehmen können. Das Dresdner Tag Team umfasst die Choreograf*innen Francesca Frassinelli, Julian Nicosia und Giovanni Insaudo. Flankiert wird die Veranstaltungsreihe von TanzTalks, bei denen teils performativ, teils in bunt besetzter Gesprächsrunde Highlights in der Geschichte der Company eine Vertiefung erfahren.
Im Gespräch teilt Kinsun Chan seine Gedanken zum Konzept der Jubiläumsfeierlichkeiten und verrät seine Visionen für die Zukunft des Ensembles:
Anna Beke
2025 feiern wir 200 Jahre Semperoper Ballett – ein großes Jubiläum. Welche Highlights erwarten uns?
Kinsun Chan: Ja, 200 Jahre sind etwas Besonderes. Ich denke, das sagt auch viel über die Kultur in Dresden aus, dass hier bereits vor so langer Zeit eine erste Ballettcompany etabliert werden konnte. Klar wollen wir das auf eine einzigartige Weise zelebrieren, und mir war es wichtig, dass man die historische Vergangenheit der Company ebenso ehrt und wertschätzt, wie deren Zukunft. Am 1. April startet die Jubiläumsfeier mit unserer Veranstaltung 200x200. Hier ist unser Ziel, 200 Tänzerinnen und Tänzer auf dem Theaterplatz zusammenzubringen, als dem kulturellen Herzen unserer Stadt. Am Ende der Choreografie ist auch das Publikum als integraler Bestandteil der Performance miteingeplant.
Nach der Eröffnungsfeier auf dem Theaterplatz geht es weiter in Semper Zwei mit der ersten Premiere des dreiphasigen Tanzabends Tag Team. Für den kreativen Schaffensprozess konnten drei Choreograf*innen gewonnen werden, die sich dem Tanz-Match stellen. Wie kam es zu dieser Auswahl?
Die drei Choreograf*innen haben bereits in anderen Formaten mit mir gearbeitet. Mir scheint die Konstellation dieser Künstler*innen gelungen, da sie auf individuelle Weise die tänzerische Zukunft und ihre eigene Handschrift repräsentieren. Spannend finde ich, dass sie für ihre choreografische Arbeit unterschiedliche Raumebenen bevorzugen: Julian Nicosia arbeitet gerne mit Tänzerinnen auf Spitze, Francesca Frassinelli favorisiert die mittlere Ebene und Giovanni Insaudo betrachtet Bodenarbeit als sein zentrales Gebiet. Diese Differenz fasziniert mich, weil sie für eine spezifische choreografische Haltung einsteht. Daher war mir die Reihenfolge der Künstler*innen wichtig: Wir haben es räumlich gesehen mit einer Evolution zu tun – nur umgekehrt, auch wenn der Tanzstil zeitgenössischer wird. Zudem war für mich bedeutsam, dass ich die drei Künstler*innen gut kenne, denn diese schöpferische Situation eignet sich nicht für jeden. Es muss sich um Choreograf*innen handeln, die nicht nur kreativ sind, sondern auch ein Gemeinschaftsbewusstsein besitzen. Es gilt, ein Verständnis für das gesamte Kunstwerk zu haben, nicht nur für den eigenen Teil. Das heißt, man akzeptiert, dass sich die eigene Arbeit aus einer anderen entwickelt und Veränderungen von fremder Hand erfährt. Aber alle finden das Konzept einzigartig und wollen unbedingt dabei sein. Ich habe hier die richtigen Leute gefunden.
Als dramaturgische und visuelle Klammer für Tag Team entwickelst du einen Bühnenraum, der eine Art Ausstellungsgedanken in sich birgt. Wie kann man sich das vorstellen?
Mir war wichtig, dass ich einen Verbindungspunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft finde. Schnell kam ich zu dem Gedanken, dass Papier immer aktuell war. Papier wird als Plakat verwendet, dient als Kritik in der Zeitung oder als Tagebuch. Papier findet bis heute vielfältige Verwendung und besitzt Aktualität. Es fasziniert mich, große Städte zu besuchen, in denen riesige Litfaßsäulen stehen: Hier werden Ausstellungen oder Vorstellungen der nächsten Wochen angekündigt; mit der Zeit klebt man aber immer wieder neue Schichten übereinander, was eine spannende Optik hat. Dabei sollte das Bühnenbild nicht nur eine flexibel zu gestaltende künstlerische Landschaft für
jede*n Choreograf*in darstellen, sondern gewissermaßen als Ausstellungsraum funktionieren. Bevor die Vorstellung anfängt, blickt man auf eine weiße Fläche, die anhand von Videoprojektionen lebendig wird und einen persönlichen Moment vermittelt. Als visueller Mensch begeistert mich die Arbeit mit Kontrasten, hier die Farben Schwarz und Weiß, die einen stark grafischen Effekt haben. Die Idee von „weißem Papier“ steht dafür, dass wir auch heute dabei sind, eine neue Geschichte unserer Kunstform zu schreiben. Das Medium Papier wurde mir zum „roten Faden“ der letzten 200 Jahre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hier am Haus.
„Es gilt, ein Verständnis für das gesamte Kunstwerk zu haben, nicht nur für den eigenen Teil.“
Kinsun Chan
Francesca Frassinelli übernimmt in Phase 2 die Choreografie von Nicosia, um diese weiterzuentwickeln.
Julian Nicosia entwickelt die Choreografie für den ersten Match Abend – Tag Team Phase 1.
Semper Zwei wurde bislang häufig für zeitgenössische Opernproduktionen, das Jugendprogramm der Semperoper oder auch für vielfältige Tanzprojekte als Spielstätte einbezogen. Was reizt dich persönlich an diesem Ort?
Für mich hat Semper Zwei sowohl auf die Darsteller*innen als auch auf das Publikum eine besondere Wirkung. Man erhält dort eine komplett andere Perspektive, als wenn man auf der Bühne der Semperoper steht. Erfährt man dort eine riesige Distanz, erlebt man in Semper Zwei eine ganz intime Situation. Diese ungewohnte Nähe beeinflusst die Choreografie und den Blick der Zuschauer*innen auf das präsentierte Kunstwerk. Mich persönlich interessiert es immer sehr, Tanz mit unterschiedlichen Sehgewohnheiten zu konfrontieren, diesen für andere Räume zu erschließen. Mir ist auch nicht zwingend wichtig, dass Tanz immer in einem Theater gezeigt werden muss – es kann sich auch einfach um eine spannende Architektur handeln. Darüber hinaus erschien mir an Semper Zwei ideal, dass hier nicht nur die Vorstellungen gezeigt, sondern auch das gesamte Raumprogramm entwickelt werden konnte – alles kommt hier an einem Ort zusammen.
Du verantwortest als Ballettdirektor des Semperoper Ballett – das Ensemble einer Stadt voll bewegter Tanzgeschichte. Wofür stehen dieser Neuanfang und diese Neuschreibung für dich persönlich?
Für mich als Direktor dieser wunderbaren Company ist es wichtig, dass wir immer offen sind für neue Erfahrungen und Kreativität. Das betrifft die Art und Weise wie wir arbeiten, miteinander proben und kommunizieren, aber auch, dass wir neue Stücke entwickeln, die für und mit unserem Ensemble entstanden sind. Diese Stücke sind unsere Zukunft, sie bestimmen unser einzigartiges Repertoire, das es nur hier gibt und nirgendwo anders – das ist unser Aushängeschild, unsere Identität.
Darüber hinaus ist es mir seit jeher ein großes Anliegen, Menschen für eine gemeinsame Sache zu begeistern. Vor über einem Jahr kam mir die Idee zu DRESDANCE 2025 – die Vision, die Institutionen dieser tanz- und kulturreichen Stadt an einem Abend zusammenzubringen: das Ballett der Staatsoperette Dresden, das Tanzensemble der Landesbühnen Sachsen, die Palucca Hochschule für Tanz Dresden, das TanzNetzDresden, die Tänzerin und Choreo -
grafin Katja Erfurth, die Dresden Frankfurt Dance Company, The Saxonz sowie das Semperoper Ballett. Da ich viele verantwortliche Leitungen noch von früherer Arbeit kenne, war es schnell möglich, die Zusagen für diese kollektive Veranstaltung zu erhalten. Auch Kathrin Kondaurow, die Intendantin der Staatsoperette Dresden, zeigte sich nach einem Gespräch sofort von der Idee begeistert und erklärte sich bereit, ihre Bühne im Kraftwerk Mitte für den gemeinsamen Tanzabend zur Verfügung zu stellen – dieser kommt am 29. März um 19.30 Uhr zur Aufführung.
Dieser Abend wird also ebenfalls etwas ganz Besonderes sein und ein wichtiges Signal setzen – etwas, was es so in dieser Stadt noch nicht gab. Hierbei geht es nicht um Ballett oder eine bestimmte Art von Tanz, sondern um ein gemeinsames Zelebrieren unserer großartigen Kunstform in all ihren Facetten und Schattierungen. Schöner könnte das Vorglühen zu den Jubiläumsfeierlichkeiten des Semperoper Ballett für mich eigentlich nicht beginnen, als mit einem Fest des Tanzes für alle und mit allen!
Choreografie Giovanni Insaudo 23., 24. & 25.4.2025, 19 Uhr
Semperoper Ballett
TanzTalks in Semper Zwei, je 19.30 Uhr Frauenpower – die Ballerina im 19. Jahrhundert, 24.3.2025
Dialoge – die Kunst des Pas de deux 3.4.2025
Üben. Üben. Üben. Die Probensituation im Bühnentanz, 9.4.2025
Dresden. Deutscher Ausdruckstanz. DDR – Erfahrungen und Erinnerungen, 15.4.2025
DRESDANCE 2025
Tanz-Gala
Unter dem Dach der Staatsoperette vereinen sich erstmals das Ballett der Staatsoperette Dresden, das Tanzensemble der Landesbühnen
Sachsen, die Palucca Hochschule für Tanz Dresden, das TanzNetzDresden, die Dresden Frankfurt Dance Company, The Saxonz sowie das Semperoper Ballett. 29.3.2025, 19.30 Uhr
200 × 200 1.4.2025, 19 Uhr, Theaterplatz
Giovanni Insaudo steigt in den „Ring“, um in Phase 3 die Choreografie erneut umzuwandeln.
Heul doch!
Der Musiktheaterclub ACT NOW II zeigt, wie Theater hilft, Emotionen zu verstehen und auszudrücken.
Laut, leise, wütend oder glücklich – jede Emotion hat ihren Platz, ob auf der Bühne oder im Alltag.
„Schau nicht so genervt!“—„Wieso knallst du die Tür so wütend hinter dir zu?“ — „Kannst du dich vielleicht ein bisschen leiser freuen? Die Leute gucken schon …“
Diese oder ähnliche Sätze haben wir sicher alle schon einmal gehört. Manchmal kann es ganz schön schwierig sein, die eigenen Gefühle zu erkennen oder einen Umgang damit zu finden. Noch schlimmer ist es, wenn jemand dir sagt, deine Emotion sei falsch, unangebracht oder zu viel.
Wie das aussehen kann? Das haben die Jugendlichen in einer Bildstrecke festgehalten. Ihr Fazit: Alle Emotionen sind wichtig und dürfen herausgelassen werden. Deshalb: Lasst uns laut schreien vor Glück, Türen wütend zuschlagen und unseren eigenen Emotionen auf vielfältige Art und Weise näherkommen! Heulen ausdrücklich erwünscht!
Die Jugendlichen aus dem Musiktheaterclub ACT NOW II haben sich intensiv mit Emotionen auseinandergesetzt. Sie sind sich einig: Selber Theaterspielen kann helfen, im Umgang mit sprudelnden Gefühlen besser zurechtzukommen. So können sie sich in andere Emotionen hineinversetzen oder ihre eigenen nutzen, um eine Figur zu erschaffen. In improvisierten Szenen können sie Gefühle verhandeln und ihren eigenen Emotionen durch diese Kunstform auf ganz andere Weise begegnen.
Du bist zwischen 13 und 17 Jahren und möchtest auch mal bei einem Musiktheaterclub mitmachen?
Dann melde dich bei Semperoper Aktiv! aktiv@semperoper.de
Wie fühlst du dich?
Gefühle können unterschiedliche Farben haben, aber wir können ihnen auch eine eigene Form geben. Manchmal sind sie groß oder klein, düster und unheimlich oder winzig und kaum zu erkennen. Andere wiederum sind hell und groß.
Trauer · Greta, 8 Jahre
Semperoper Aktiv!
Versuche selbst, deinen Gefühlen eine Form zu geben, und gestalte deine eigene Gefühl-Figur! Du kannst die Gefühle malen oder Collagen mit verschiedenen Materialien erstellen.
Material
Papier
Farbige Stifte
Eventuell weiteres Material
Dankbarkeit · Sofia, 10 Jahre
Verzweiflung · Nele, 12 Jahre
Entspanntheit · Tamya, 11 Jahre
· Alma, 9 Jahre
Wut · Vida, 8 Jahre
Freude
Stell dir vor, Klang erfüllt den Raum
Die legendäre Akustik der Semperoper Dresden konnte nur durch die originalgetreue Wiederherstellung des Innenraums gewährleistet werden. Auf dem historischen Foto ist eine Akustikprobe vor der Wiedereröffnung der Semperoper zu sehen. Zunächst nahmen Soldaten der NVA im Zuschauerraum Platz, damit der Raumklang des Saales mit Publikum getestet werden konnte. Während einer Probe mit Richard Wagners Lohengrin hielten 90 ausgewählte Testpersonen, darunter Raumakustiker, Tonmeister, Musiker*innen und Sänger*innen der Staatsoper ihre Höreindrücke in Protokollen fest. Über Mikrofone in Kunstköpfen wurden ihre subjektiven Beurteilungen durch Messungen bestätigt.
Service
Lust auf mehr Semper?
Sie möchten das Magazin der Semperoper viermal im Jahr kostenlos per Post erhalten? Hier können Sie die Hefte von Semper direkt abonnieren sstlink.de/semperempfangen
Lust auf mehr News?
Mit unserem Newsletter bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Anmeldung unter: semperoper.de
Fragen, Anregungen, Wünsche? Schreiben Sie uns Ihr Anliegen semper@semperoper.de
Tageskasse
Semperoper Dresden
Vertrieb und Service Theaterplatz 2 01067 Dresden +49 351 4911 705 bestellung@semperoper.de
Öffnungszeiten
Mo bis Fr 10–18 Uhr Sa 10–17 Uhr
(Januar bis März 10–13 Uhr) Sonntag und Feiertag geschlossen
Alles ist noch möglich, die Einbildungskraft grenzenlos: In Das Kind und der Zauberspuk, der Oper für die ganze Familie von Maurice Ravel, erwacht das Kinderzimmer zum Leben.
Februar
15 Sa 11 Uhr
Kalendarium
Semper Matinée – Zum 40. Geburtstag
19 Uhr Der Freischütz
16 So 11 Uhr
Verleihung des Friedenspreises Dresden 2025 11 Uhr Kammerkonzert der Giuseppe-Sinopoli-Akademie Semper Zwei
17 Uhr Das Kind und der Zauberspuk Premiere
18 Di 10 Uhr
Gestatten, Monsieur Petipa!
19 Mi 10 Uhr Gestatten, Monsieur Petipa!
19 Uhr Der Freischütz
20 Do 19 Uhr Nijinsky Ballett
21 Fr 19 Uhr Der Freischütz
22 Sa 11 Uhr
Das Kind und der Zauberspuk
19.30 Uhr Madama Butterfly
23 So 11 Uhr
Das Kind und der Zauberspuk
19 Uhr Nijinsky Ballett
27 Do 19 Uhr Madama Butterfly
28 Fr 16.30 Uhr Aktenzeichen Spezial – Führung durch die Ausstellung 40 Jahre Semperoper
19 Uhr Der Freischütz
Als Susanna in Le nozze di Figaro debütiert die russisch-libanesische Sopranistin Anna El-Khashem an der Semperoper Dresden.
März
1 Sa 19 Uhr La bohème
2 So 11 Uhr 7. Sinfoniekonzert
19.30 Uhr Madama Butterfly
3 Mo 19 Uhr 7. Sinfoniekonzert
4 Di 19 Uhr 7. Sinfoniekonzert
6 Do 13 Uhr Öffentlicher Meisterkurs Christa Mayer & Junges Ensemble Hochschule Carl Maria von Weber
7 Fr 19 Uhr
Madama Butterfly
8 Sa 19 Uhr Schwanensee Ballett
19 Uhr Liederabend – Meisterstücke im Meisterkurs Semper Zwei
9 So 14 Uhr Das Kind und der Zauberspuk
18 Uhr Das Kind und der Zauberspuk
10 Mo 18 Uhr Kostprobe Innocence
12 Mi 19 Uhr Schwanensee Ballett
13 Do 20 Uhr 5. Kammerabend
14 Fr 19 Uhr Schwanensee Ballett
15 Sa 19 Uhr Innocence Premiere
16 So 18 Uhr Madama Butterfly
17 Mo 13 Uhr Schwanensee Ballett
19 Mi 11 Uhr Das Kind und der Zauberspuk
19 Uhr Innocence Dresdentag
20 Do 19 Uhr Le nozze di Figaro
21 Fr 19 Uhr Schwanensee Ballett
22 Sa 19 Uhr Le nozze di Figaro
23 So 11 Uhr 8. Sinfoniekonzert
19 Uhr Innocence
24 Mo 19 Uhr 8. Sinfoniekonzert
19.30 Uhr TanzTalk Semper Zwei
25 Di 16.30 Uhr Aktenzeichen Spezial – Führung durch die Ausstellung 40 Jahre Semperoper
19 Uhr 8. Sinfoniekonzert
26 Mi 19 Uhr Innocence
28 Fr 19 Uhr Schwanensee Ballett
29 Sa 19 Uhr Le nozze di Figaro
19.30 Uhr DRESDANCE 2025 in der Staatsoperette
30 So 16 Uhr Lohengrin
31 Mo 19 Uhr Innocence Dresdentag
Die finnische Sopranistin Marjukka Tepponen ist Ensemblemitglied der Semperoper Dresden. Nach Mefistofele und La bohème ist sie nun in der Titelpartie von Madama Butterfly zu erleben.
Als Elsa von Brabant kehrt Johanni van Oostrum in Richard Wagners Lohengrin auf die Bühne der Semperoper zurück. Mit einer klaren, berührenden Stimme singt sie auf eine Weise, die tief bewegt und überwältigt.
April
1 Di 19 Uhr 200 × 200 Semperoper Ballett Theaterplatz
20 Uhr 3. Aufführungsabend
20 Uhr Tag Team – Phase 1 Ballett Semper Zwei Premiere
2 Mi 19 Uhr Schwanensee Ballett
19 Uhr Tag Team – Phase 1 Ballett Semper Zwei
3 Do 18 Uhr Lohengrin
18 Uhr Aktenzeichen – 200 Jahre Semperoper Ballett A
19.30 Uhr TanzTalk Semper Zwei
4 Fr 19 Uhr Innocence
5 Sa 19 Uhr Tosca
6 So 16 Uhr Lohengrin
8 Di 18 Uhr Aktenzeichen – 200 Jahre Semperoper Ballett A
9 Mi 19.30 Uhr TanzTalk Semper Zwei
10 Do 19 Uhr Tosca
11 Fr 19 Uhr Tag Team – Phase 2 Ballett Semper Zwei Premiere
20 Uhr Innocence
12 Sa 16 Uhr Tag Team – Phase 2 Ballett Semper Zwei 19 Uhr Tag Team – Phase 2 Ballett Semper Zwei
19.30 Uhr Tosca
13 So 19 Uhr 9. Sinfoniekonzert
14 Mo 19 Uhr 9. Sinfoniekonzert
19.30 Uhr Wonderful World Ballett
15 Di 19.30 Uhr Wonderful World Ballett
19.30 Uhr TanzTalk Semper Zwei
16 Mi 19.30 Uhr Wonderful World Ballett
17 Do 19 Uhr Schwanensee Ballett
18 Fr 19 Uhr Tosca
19 Sa 19 Uhr Schwanensee Ballett
20 So 19 Uhr Lucia di Lammermoor
21 Mo 17 Uhr Tosca
22 Di 19 Uhr Schwanensee Ballett
23 Mi 19 Uhr Tag Team – Phase 3 Ballett Semper Zwei Premiere
24 Do 18 Uhr Kostprobe Roméo et Juliette
19 Uhr Tag Team – Phase 3 Ballett Semper Zwei
25 Fr 19 Uhr Lucia di Lammermoor
19 Uhr Tag Team – Phase 3 Ballett Semper Zwei
26 Sa 19 Uhr Lange Nacht der Theater
27 So 19 Uhr Schwanensee Ballett
29 Di 19 Uhr Lucia di Lammermoor Dresdentag
30 Mi 20 Uhr 6. Kammerabend
Mai
1 Do 19 Uhr Tosca
2 Fr 19 Uhr Schwanensee Ballett
3 Sa 19 Uhr Roméo et Juliette Premiere
4 So 19 Uhr Lucia di Lammermoor
5 Mo 19 Uhr Classics Ballett
6 Di 19 Uhr Roméo et Juliette
7 Mi 19 Uhr Classics Ballett Dresdentag
8 Do 19 Uhr Lucia di Lammermoor
9 Fr 9.30 Uhr Kapelle für Kids Semper Zwei
11.30 Uhr Kapelle für Kids Semper Zwei
19 Uhr Roméo et Juliette
10 Sa 11 Uhr Kapelle für Kids Semper Zwei
14 Uhr Kapelle für Kids Semper Zwei
19 Uhr Schwanensee Ballett
11 So 11 Uhr Kapelle für Kids Semper Zwei
14 Uhr Kapelle für Kids Semper Zwei
19 Uhr Candide Premiere
Herausgeberin
Semperoper Dresden
Sächsische Staatstheater –Staatsoper Dresden und Staatsschauspiel Dresden
Theaterplatz 2
01067 Dresden semperoper.de
Intendantin
Nora Schmid
Kaufmännischer Geschäftsführer
Wolfgang Rothe
Semper Magazin
Magazin der Semperoper Dresden
Theaterplatz 2, 01067 Dresden semperoper.de
Redaktion & Produktion
Unter der Gesamtleitung von Jörg Rieker (v.i.S.d.P.)
Anna Beke, Dorothee Harpain, Hannah Kawalek, Sophie Östrovsky, Benedikt Stampfli, Andrea Streibl-Harms, Stefan Wollmann
Konzept
Sarah-Maria Deckert
Gestaltung
Bureau Johannes Erler, Julia Pidun
Druckerei
Konradin Druck GmbH
Anzeigenvertrieb actori GmbH
Redaktionsschluss
29. Januar 2025
Staatschauspiel, Kleines Haus
A Historisches Archiv, Ostra-Allee 9, Zugang Malergäßchen
Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sächsischen Staatsoper Dresden. Änderungen vorbehalten. Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird in dieser Publikation auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung z. B. Besucher*innen an einigen Stellen verzichtet. Entsprechende Nennungen gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Menschen. Überdies wurde in historischen Texten die Rechtschreibung angepasst. Bildnachweise
Cover, S. 26, 29: Nenae, S. 6/7: Daniel Koch, S. 8: Sebastian Hoppe, Decca, Babara Aunmüller, Graff, Julia Piven, Orchestra della Rai, S. 10: Nora Burkhardt, R. Berger, alamy, S. 11: Endless love (Motown Records, 1981) S. 12/13, 30: Matthias Creutziger, S. 14, 17, 19, 20: Etienne Buyse etiennebuyse.eu, S. 22: Semperoper Dresden, S. 24: Olivier Roller, S. 25: Andreas Klein, S. 35: Markenfotografie, S. 26/27, 38: Admill Kuyler, S. 40: Dominik Mentzos, Francesca Frassinelli, S. 41: Ana Yñañes, S. 42/43, 44/45: Semperoper Aktiv!, S. 46/47: Erwin Döring, S. 49: D.Kanev De-Da Productions, Sebastian Hoppe, S. 50: Chloé Desnoyers
Carla Zumpe leitet die Heinrich-Schütz-Residenz in Dresden und ist Ansprechpartnerin für alle Fragen rund ums Wohnen
Darf’s ein bisschen Luxus sein?
– Wohnen an Dresdens Top Adresse –
Wohnen Sie in 5-Sterne-Lage direkt an der Frauenkirche in historischem Gemäuer!
Genießen Sie die familiäre Atmosphäre, das stilvolle Ambiente und die Unabhängigkeit einer Privatwohnung. Unser engagiertes Team sowie der Concierge Service stehen Ihnen jederzeit zur Verfügung.
Der hauseigene Wellnessbereich Henricus Spa hält exklusive Verwöhnmomente für Sie bereit!
Heinrich-Schütz-Residenz I Frauenstraße 14 I 01067 Dresden I Telefon: 0151 25 33 29 22
www.heinrich-schuetz-residenz.de
LAUREN ALVING
„Zu wissen, dass jemand an mich glaubt, spornt mich enorm an.“
Die Stiftung Semperoper fördert mit ihrem Stipendienprogramm herausragende künstlerische Talente. In der Spielzeit 2024/2025 erhält die US-Amerikanerin Lauren Alving das Ballettstipendium der Stiftung Semperoper – Förderstiftung. Im Interview erzählt die 21-Jährige, warum dies eine große Ehre für sie ist – und welche Ziele sie verfolgt.
Als junges Talent haben Sie das Stipendium der Stiftung Semperoper – Förderstiftung erhalten. Was bedeutet Ihnen das?
Es bedeutet mir unglaublich viel. Dabei geht es mir nicht nur um die finanzielle Unterstützung. Für mich ist das Stipendium auch eine Anerkennung meines Potenzials. Es gibt mir das Gefühl, unterstützt und wertgeschätzt zu werden. Gleichzeitig bedeutet es auch Verantwortung, denn es gibt hohe Erwartungen, die ich erfüllen möchte. Aber genau das motiviert mich, noch härter zu arbeiten. Zu wissen, dass jemand an mich glaubt und mir diese Möglichkeit gibt, spornt mich enorm an.
Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere am Ballettensemble der Dresdner Semperoper?
Das Ensemble in Dresden ist wirklich besonders, weil wir eine große Vielfalt an Stilen und Repertoires tanzen – von klassischen Balletten auf Spitzenschuhen bis hin zu zeitgenössischen Stücken. Ich schätze auch die innovative Herangehensweise der künstlerischen Leitung. Sie bringt neue Perspektiven ein, was
die Arbeit spannend und frisch macht. Teil einer solch kreativen Umgebung zu sein, hilft mir, sowohl als Tänzerin als auch als Künstlerin zu wachsen.
Wie würden Sie Ihren persönlichen Tanzstil beschreiben?
Ich denke, es ist eine Mischung aus starker technischer Präzision und ausdrucksstarker Kunst. Ich versuche immer, technisch so genau wie möglich zu sein, aber für mich ist die Verbindung zum Publikum das Wichtigste. Ich möchte, dass meine Auftritte lebendig und fesselnd wirken. Mein Tanzstil ist kraftvoll und dynamisch. Ich setze meine ganze Energie ein, um mich ausdrücken zu können.
Und wenn wir uns jetzt vorstellen, Sie stehen auf der Bühne, alles läuft so, wie Sie es sich wünschen. Das Publikum ist begeistert. Wie fühlt sich dieser Moment an?
Es ist ein unbeschreibliches Gefühl. Man verbringt so viel Zeit und Energie damit, auf diesen Moment hinzuarbeiten, man perfektioniert sein Handwerk, bringt Opfer und überwindet He-
Bild: Miguel Morna Freitas
rausforderungen – und dann kommt plötzlich alles zusammen. Ich denke in einem solchen Moment an all die Dinge, die ich aufgegeben habe – von zu Hause wegziehen zum Beispiel, Zeit mit der Familie verpassen – und fühle, dass sich all das gelohnt hat. Auf der Bühne zu stehen, das Publikum zu sehen und zu realisieren, dass ich etwas erreicht habe, wovon ich jahrelang geträumt habe, ist unglaublich bewegend.
Sie sind jetzt schon seit einigen Monaten in Dresden, was gefällt Ihnen an der Stadt besonders?
Ich liebe den historischen Charme Dresdens. Die alten Gebäude
„Es ist eine Bereicherung, junge Talente wachsen zu sehen.“
In der Stiftung Semperoper kommen Kulturförderinnen und -förderer zusammen, um die Weiterentwicklung des weltberühmten Opernhauses aktiv zu unterstützen und mitzugestalten. Eine Unterstützerin der ersten Stunde ist die Dresdner Unternehmerin Angelika Bettenhausen
Frau Bettenhausen, über die Stiftung Semperoper unterstützen Sie das weltberühmte Opernhaus in Dresden. Was sind Ihre Beweggründe dafür?
Die Begeisterung für die Semperoper Dresden wurde mir gewissermaßen in die Wiege gelegt. Mein Großvater und mein Vater waren leidenschaftliche Opernliebhaber, und diese Faszination hat sich in unserer Familie fortgesetzt. Als ich nach der Wende nach Dresden kam, führte mich mein Weg ganz selbstverständlich in die Semperoper. Eine Fidelio-Inszenierung war mein erster Besuch, und ich war sofort begeistert – von der prachtvollen
sind so beeindruckend und wunderschön. Dresden ist einfach eine Stadt zum Genießen. Dass hier viele junge Leute leben, Studenten und Familien, macht die Stadt auch sehr lebendig.
Ihre Karriere hat gerade erst begonnen, aber verraten Sie uns, was bisher Ihr persönlicher Höhepunkt war?
Einer meiner größten Höhepunkte war, „Der Nussknacker“ hier in Dresden zu tanzen. Man mag es kaum glauben, aber ich habe dieses Stück vorher noch nie getanzt, obwohl es so ein Klassiker ist. Es hier aufzuführen, hat mir geholfen, viel Bühnenerfahrung zu sammeln und in relativ kurzer Zeit selbstbewusster zu werden.
Architektur des Hauses und dem großen Engagement, das spürbar war. Für mich war schnell klar: Ich möchte nicht nur regelmäßiger Gast sein, sondern mich auch aktiv für dieses beeindruckende Opernhaus engagieren.
Ihr Engagement besteht seit mehr als 30 Jahren. Aktuell unterstützen Sie gemeinsam mit der Goldene Nuss Stiftung die junge Ballett-Tänzerin Lauren Alving. Warum liegt Ihnen diese Förderung besonders am Herzen? Das hat für mich mehrere Gründe. Zum einen habe ich eine besondere Verbindung zum Ballett, da ich selbst als junges Mädchen getanzt habe – zunächst Ballett, später Jazz Dance und Modern Dance. Zum anderen sehe ich mich grundsätzlich als „Ermöglicherin“. Es bereitet mir große Freude, jungen Talenten wie Lauren Alving die Chance zu geben, ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Dieses Fördern und das Unterstützen liegen mir sehr am Herzen.
Die Stiftung Semperoper freut sich immer, neue Unterstützerinnen und Unterstützer in die Stiftungsfamilie aufnehmen zu können. Was meinen Sie: Warum sollte man Kuratoriumsmitglied werden?
Ich bin überzeugt, dass ein Engagement in der Stiftung Semperoper eine große
Bereicherung ist. Zum einen erhält man einzigartige Einblicke in das Opernhaus und kommt dem Geschehen viel näher. Zum anderen ist es eine menschliche Bereicherung: Innerhalb der Stiftung trifft man auf Gleichgesinnte, die die Leidenschaft für Kunst und Kultur teilen – und das verbindet auf eine besondere Weise.
Gemeinsam für die Semperoper
Sie begeistern sich für Oper, Ballett und Musik? Bei uns finden Sie Gleichgesinnte – und unterstützen die Dresdner Semperoper aktiv. Als Mitglied im Kuratorium der Stiftung Semperoper –Förderstiftung werden Sie Teil der Opernhaus-Familie und erhalten Zugang zu einer Welt, die dem Publikum sonst verborgen bleibt.
Haben wir Ihr Interesse geweckt?
Dann besuchen Sie uns auf www.stiftung-semperoper.de
Unter dem Pseudonym Tschief macht Sebastian Becker Kunst aus Worten. Für Semper gestaltet er ab jetzt immer die letzte Seite mit einem Wortkunst-Schlussakkord.
Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt des Musiktheaters. Wir laden Sie ein, nicht nur als begeisterter Besucher, sondern als Freund oder Freundin der Semperoper Teil unserer Gemeinschaft zu werden.
Proszenio
... ist eine Initiative der Semperoper für Opern- und Ballettbegeisterte! ... ein aktives Netzwerk bürgerschaftlichen Engagements, das finanzielle Spielräume insbesondere für musikpädagogische Nachwuchsprojekte ermöglicht!
... die Gelegenheit, das gesellschaftliche und kulturelle Geschehen der Semperoper aktiv mitzuerleben und unvergessliche Momente mit Menschen zu teilen, die die gleiche Leidenschaft haben! ... überzeugt durch eigens konzipierte Veranstaltungen, persönliche Betreuung und individuellen Service! ... ist Förderung erstklassiger Kunst verbunden mit exklusiven Vorteilen rund um den „Kosmos Oper“!