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PRODUKTE

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Chemiker analysieren Kinos

In rauchfreien Räumen raucht man mit

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Menschen geben gefährliche Teer- und Nikotinablagerungen aus Tabakrauch in Nichtraucherumgebungen ab. Tabakrauch ist gesundheitsschädlich. Er besteht aus Feinstaub und flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) wie Nikotin oder Acetonitril, für die es keinen Schwellenwert gibt, unter dem sie harmlos wären. Rauchverbote verringern zwar das Passivrauchen, aber bei einer weltweiten Raucherquote von 22 Prozent bleiben die gefährlichen Schadstoffe aus Tabakrauch ein grosses gesundheitliches Risiko.

Ein internationales Team von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Chemie und Yale University entdeckte, dass Raucher und Passivraucher Tabakablagerungen und somit Schadstoffe mit sich transportieren. Die Menge der Schadstoffe, die sie abgeben, entspricht sogar derjenigen mehrerer Zigaretten. Dies bedeutet, dass selbst wenn sich jemand in einem Raum befindet, in dem noch nie geraucht wurde, diese Person möglicherweise vielen gefährlichen chemischen Verbindungen ausgesetzt ist, aus denen Zigarettenrauch besteht. Abhängig ist das davon, wer den Raum betreten oder ihn zuvor besucht hat, denn Tabakrückstände an Oberflächen wie Kleidern, Wänden, Haut oder Möbeln beinhalten Nikotinreste und verschiedene andere schädliche Chemikalien. Durch Ausdünstungen von diesen Oberflächen gelangen die Chemikalien in die Umgebungsluft und gefährden somit die Gesundheit von Nichtrauchern.

Erstmals quantitativ überprüft

Obwohl es bereits Vermutungen gab, dass Rauchrückstände auf Oberflächen in rauchfreie Orte übertragen werden kön nen, haben die Forscher aus Mainz und Yale jetzt erstmalig die Emissionen von Menschen in Nichtraucher-Umgebungen erfasst und überwacht. Dazu haben sie die flüchtigen organischen Verbindungen von mit Tabakrauch belasteten Oberflächen in rauchfreien Umgebungen gemessen. «Bei Tests unter realen Bedingungen konnten wir feststellen, dass Personen, die zuvor Tabakrauch ausgesetzt waren, beim Betreten eines zuvor strikt rauchfreien Raums konzentrierte Emissionen gefährlicher Gase abgaben», erläutert Drew Gentner, Associate Professor of Chemical & Environmental Engineering an der Yale Universität und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Alexander-Humboldt-Stiftung. «Somit ist die Vorstellung, dass man als Nichtraucher in einem rauchfreien Raum vor Passivrau chen geschützt wäre, ein Trugschluss», ergänzt der Autor der im Forschungsmagazin «Science Advances» erschienenen Studie.

Massenspektrometer detektiert 35 Verbindungen

Die Forscher führten ihre Experimente in einem Kino durch, in dem Rauchverbort herrscht. An vier aufeinander folgenden Tagen identifizierten sie während der Filmvorführung mithilfe eines hochauflösenden Massenspektrometers deutliche Konzentrationen von 35 verschiedenen chemi schen Verbindungen, die aus Ausdünstungen von Tabakablagerungen stammen. Das Überraschende: Die Emissionen waren vergleichbar mit dem Rauch von ein bis zehn Zigaretten. Eine noch grössere Menge organischer Verbindungen aus Zigarettenrauch stellten sie in Luftproben aus dem Kino fest, die sie anschliessend im Labor untersuchten. «Wir gehen davon aus, dass die Kinobesucher die Zigarettenrauchrückstände mit ihrer Kleidung und ihrem Körper in den geschlossenen Raum transportiert haben. Diese Beobachtung stimmt mit vorherigen Vermutungen überein, die aber bisher noch nicht bewiesen werden konnten», fasst Jonathan Williams, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Chemie und Co-Autor der Studie, zusammen. Die Ergebnisse der Studie lassen sich auf andere, weniger gut belüftete Standorte

Auch wenn heutzutage niemand mehr im Kino raucht, eine beachtliche Menge an Tabakrauch kann dennoch nachgewiesen werden.

übertragen. «In schlecht belüfteten engen Räumen wie beispielsweise Autos, Bars, Zügen oder Wohnungen werden die gefährlichen Emissionen vermutlich deutlich höher sein», erklärt Williams Kollege Gentner.

Originalpublikation Roger Sheu, Christof Stönner, Jenna C. Ditto, Thomas Klüpfel, Jonathan Williams, Drew R. Gentner, «Human transport of thirdhand tobacco smoke: A prominent source of hazardous air pollutants into indoor non-smoking environments», Science Advances (2020)

Kontakt Prof. Dr. Jonathan Williams Max-Planck-Institut für Chemie Hahn-Meitner-Weg 1 D-55128 Mainz +49 6131 305 4500 jonathan.williams@mpic.de www.mpic.de

Placebos helfen nachweislich, chronische Rückenschmerzen zu lindern.

Chronische Rückenschmerzen

Placebos gezielt einsetzen

Eine Studie der Universitätsmedizin Essen zeigte: Patienten mit chronischen Rückenschmerzen profitieren von einer Therapie mit Placebos. Der Schmerz war gelindert, ausserdem fühlten sie sich «fitter» und weniger depressiv – und das, obwohl die Studienteilnehmer wussten, dass sie Placebos Einnahmen. Der schmerzlindernde Effekt der Placebos war in etwa so hoch wie der eines nichtsteroidalen Antirheumatikums.

«Es lohnt sich, den Placeboeffekt in bestehende Therapiekonzepte Einzubinden», so der Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener. Placebos können in der Schmerztherapie helfen – sogar, wenn die Studienteilnehmer sich darüber im Klaren sind, dass es sich um Placebos handelt – so lässt sich in Kürze das Ergebnis einer Studie des Universitätsklinikums Essen an 127 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen zusammenfassen.

«Subjektive» und «objektive» Merkmale

Die Patienten, die mindestens 12 Wochen lang unter Rückenschmerzen gelitten hatten, wurden in zwei Gruppen unterteilt. Die eine Gruppe (n=60) erhielt die gleiche Behandlung wie zuvor, die zweite (n=67) erhielt zusätzlich 21 Tage lang zweimal täglich ein Placebo. Vor Studienbeginn war allen Studienteilnehmern ein Video vorgeführt worden, das über den sogenannten Placeboeffekt und die neueste Studienlage zu möglichen positiven Effekten einer offenen Placebogabe informierte. Die Patienten waren also informiert, dass sie eine wirkstofffreie Substanz einnehmen. Den Patienten in der Vergleichsgruppe wurde versichert, dass sie nach Ablauf der Studie ebenfalls eine Placebo-Anwendung erhalten können. Die Gruppen unterschieden sich nicht signifikant in Alter, Geschlecht und Schmerzintensität zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses, allerdings war der BMI in der Gruppe, die zusätzlich mit Placebo behandelt wurde, höher (28,18 vs. 25,72). Die Studie untersuchte zum einen die von den Patienten berichteten Behandlungserfahrungen wie Schmerzlinderung und funktionelle Beeinträchtigung im Alltag («patient reported outcomes»), aber auch objektive Kriterien wie die Beweglichkeit der Wirbelsäule im Hinblick auf Bewegungsausmass und -geschwindigkeit, die mit Sensoren auf der Wirbelsäule gemessen wurden. Die Schmerzintensität stellte als subjektiver Parameter den primären Endpunkt dar, sekundäre Endpunkte waren die schmerzbedingte Einschränkung, Depression, Angst und Stress, die mittels standardisierter Fragebögen erhoben wurden.

Starke Reduktion der Schmerzen

Im Ergebnis zeigte sich, dass die Gruppe, die mit Placebos behandelt worden war, eine signifikant stärkere Abnahme der Schmerzintensität aufwies (p=0,001), sich funktionell weniger eingeschränkt fühlte (p=0,02) und angab, weniger depressiv zu sein (p=0,01). Auch fragten die mit Placebo behandelten Patienten im Trend weniger häufig nach einer Notfallmedikation, also zusätzlichen Schmerzmitteln. Die objektiv erhobenen Parameter

waren hingegen zwischen den Gruppen nicht unterschiedlich. Wie aber ist es zu erklären, dass Placebos das subjektive Befinden signifikant verbessern konnten, obwohl den Studienteilnehmern sogar klar war, dass sie Placebos, also völlig wirkstofffreie Kapseln, erhalten hatten?

Aufklärungsvideo fördert Placeboeffekt

Dr. Julian Kleine-Borgmann, Erstautor der Studie, und Frau Prof. Ulrike Bingel, die Projektleiterin, führen an, dass die Mechanis men einer offenen Placebo-Anwendung noch nicht hinreichend erforscht sind. Patienten könnten durch das Informationsvideo unbewusste positive Erwartungen im Hinblick auf das Placebo entwickelt haben, obwohl die gemessene Erwartung in der Placebo-Gruppe in keinem signifikanten Zusammenhang mit der Schmerzlinderung stand. Eine weitere Hypothese ist die Umdeutung sogenannter natürlicher Fluktuationen: Es ist bekannt, dass chronische Rückenschmerzen in ihrer Intensität über den Verlauf schwanken. Möglicherweise führen schmerzärmere Phasen dazu, dass positive Erwartungen im Sinne einer selbstfüllenden Prophezeiung erfüllt werden, wodurch der Glaube an einen po sitiven Effekt der Placebos weiter bestärkt wird. Kleine-Borgmann und Kollegen sind der Überzeugung, dass das therapeutische Potenzial von Placebos weiter untersucht werden sollte – Hans-Christoph Diener geht noch einen Schritt weiter: «Es lohnt sich, den Placeboeffekt stärker in bestehende Therapiekonzepte einzubinden. Dazu gehört eine positive Darstellung des zu erwartenden Therapieerfolges.» Der Mediziner hebt hervor, dass bei chronischen Schmerzerkrankungen die Psyche eine wichtige Rolle spielt und auf das subjektive Schmerzempfinden Einfluss nehmen kann. «Wenn wir die subjektive Schmerzlast der Patienten – und sei es auch nur bei einem Teil der Patienten – durch ein Aufklärungsvideo und die Ergänzung des Placeboeffektes nennenswert senken können, sollten wir diese Option nutzen. Chronische Schmerzpatienten haben einen enormen Leidensdruck, der sie körperlich und seelisch zermürbt, eine Therapie, die zu einer subjektiven Verbesserung führt, hat Berechtigung – auch wenn wir die dahinterliegenden Mechanismen noch nicht vollständig verstehen.»

Originalpublikation J. Kleine-Borgmann, K. Schmidt, A. Hellmann, U. Bingel, «Effects of open-label placebo on pain, functional disability, and spine mobility in patients with chronic back pain: a randomized controlled trial», Pain (2019); 160 (12): 2891–2897. DOI: 10.1097/j. pain.0000000000001683.

Kontakt Deutsche Gesellschaft für Neurologie Reinhardtstrasse 27 C D-10117 Berlin +49 30 531 43 79 30 info@dgn.org www.dgn.org

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