WERKSTOFFE
Treibstoff dank Biotemplating
Mini-Kraftwerke aus beschichteten Blaualgen
Sie tummelten sich bereits vor über zwei Milliarden Jahren in der «Ursuppe» unseres Planeten und helfen seither, die Atmosphäre mit Sauerstoff anzureichern. Heutzutage leben Blaualgen praktisch überall – in Gewässern, auf der Rinde von Bäumen oder an unwirtlichen Berggipfeln. Sie haben die effiziente Nutzung von Sonnenlicht zur Photosynthese derart perfektioniert, dass sie sogar in düsteren Grotten überleben können. Empa-Forschende um Laetita Philippe vom «Mechanics of Materials and Nanostructures»-Labor in Thun haben die genügsamen Blaualgen der Gattung Spirulina nun mit der Technologie des «Biotemplating» so beschichtet, dass sie zur Produktion von Biokraftstoffen eingesetzt werden können und photokatalytisch wirken.
Vollendete Architektur Für einen besonders effizienten und gleichzeitig nachhaltigen Prozess wurde das Verfahren des «Biotemplating» genutzt, bei dem eine von der Natur vorgegebene Architektur als Schablone dient, um neue Oberflächenbeschichtungen anzubringen. Die Blaualge Spirulina, deren Form an einen winzigen Tauchsieder erinnert, eignete sich dafür besonders, da ihre kompakte Wendel-Struktur zur effizienten Nutzung des Sonnenlichts beiträgt. Die Forschenden beschichteten die rund vier Mikrometer dünnen geschraubten Schnüre der konservierten Spirulina-Einzeller zunächst mit einer feinen Hülle aus Nickel. Einer Zwiebelschale gleich folgten darauf zarte Schichten aus Zinkoxid und Zinksulfid-Nanopartikeln. «Während die Blaualgen als Strukturgeber fungieren, 3/2021
Bild: Empa
Blaualgen gehören zu den ältesten Lebewesen dieser Erde und haben die Nutzung von Sonnenlicht über Milliarden Jahre perfektioniert. Materialforschende der Empa haben die genügsamen Einzeller nun mittels Halbleiter-Beschichtung zu Mini-Kraftwerken ausgerüstet, die Biokraftstoffe liefern und im Sonnenlicht photo katalytisch aktiv werden. Und obendrein fügen sich die Reaktionen zu einem raffinierten Rohstoffkreislauf zusammen.
Künstlich hergestellte Mikrofarne wurden mit Zinkoxid, Zinksulfid und Nickel beschichtet. Elektronenmikroskopische Aufnahme, nachkoloriert.
sorgt die magnetische Nickelbeschichtung für eine einfache Möglichkeit, die kleinen Alleskönner wieder zurückzugewinnen», sagt Laetitia Philippe. Die darüber aufgetragene Beschichtung mit Zinkverbindungen weist eine beeindruckende photokatalytische Aktivität auf. Einerseits führt die Kombination zweier Zinkverbindungen zu einer längeren Leistungsfähigkeit der Photokatalyse-Reaktion. Zum anderen kann so aber auch ein grösserer Wellenlängenbereich des Sonnenlichtspektrums genutzt werden. «Mit Zinkoxid lässt sich lediglich die UV-Strahlung des Sonnenlichts für Reinigungsprozesse nutzen», erklärt Empa-Forscher Albert Serrá. «Mit der photokatalytischen Aktivität der beschichteten Algen sollte ein nachhaltiger, einfacher und günstiger Prozess für die Wasseraufbereitung genutzt werden können», erklärt Laetitia Philippe. Seit 2015 gehört die Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser für alle Menschen zur Globalen Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen (UN).
Das Dreckige Dutzend Unter dem Begriff «Das Dreckige Dutzend» sind die zwölf ursprünglichen Giftstoffe versammelt, die durch die sogenannte POP-Konvention der Vereinten Nationen seit 2001 weltweit verboten sind. Unter den Chemikalien befinden sich Pflanzenschutzmittel und Insektizide wie etwa DDT, Industriechemikalien und Nebenprodukte von Verbrennungsprozessen. Es handelt sich um persistente organische Schadstoffe (englisch: persistent organic pollutants), die sich in der Umwelt und in Lebewesen, und somit auch in der Nahrungskette, anreichern. Sie stehen im Verdacht, Krebs auszulösen, den Hormonhaushalt und das Erbgut zu schädigen. Bei der herkömmlichen Wasseraufbereitung lassen sich die Schadstoffe kaum abbauen. Entsprechend dieser Zielvorgabe suchte die Forscherin mit ihrem Team nach einer Technologie, die sauberes Wasser weltweit 47