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Wie unser Sehen beginnt

Forschende am Paul Scherrer Institut haben den molekularen Vorgang entschlüsselt, der als Allererstes im Auge abläuft, wenn Licht auf die Netzhaut trifft. Die Vorgänge, die in einem Bruchteil einer billionstel Sekunde ablaufen, sind die Voraussetzung dafür, dass wir sehen können.

Es ist nur eine winzige Veränderung eines Proteins in unserer Netzhaut: Diese Änderung findet innerhalb einer unglaublich kleinen Zeitspanne statt und ist der Auslöser dafür, dass wir Licht wahrnehmen und sehen. Dies ist auch der einzige vom Licht abhängige Schritt. Was genau nach der allerersten billionstel Sekunde der visuellen Wahrnehmung passiert, haben Forschende nun mithilfe des Schweizer Freie-Elektronen-Röntgenlasers «Swissfel» am PSI untersucht. Die Studie ist im Fachjournal Nature erschienen.

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Im Mittelpunkt des Geschehens steht unser Lichtrezeptor, das Protein Rhodopsin. Im menschlichen Auge wird es von spezi - alisierten Sinneszellen hergestellt, den Stäbchenzellen, die Licht wahrnehmen. In der Mitte des Rhodopsins ist ein kleines geknicktes Molekül gebunden: Retinal, Abkömmling des Vitamin A. Trifft Licht auf das Protein, absorbiert Retinal einen Teil der Lichtenergie. Blitzschnell verändert es dann seine dreidimensionale Gestalt. Der Schalter im Auge wird so von «Aus» auf «Ein» umgelegt. Daraufhin läuft eine Kaskade von Reaktionen ab, die letztendlich damit endet, dass wir einen Lichtblitz wahrnehmen.

Mit fallender Katze vergleichbar

Was aber passiert im Detail, wenn sich Retinal von der sogenannten «11-cis-Form» in die «All-trans-Form» umwandelt? «Ausgangspunkt und Endprodukt der Retinalumwandlung sind schon lange bekannt, aber noch nie hat jemand in Echtzeit beobachtet, wie genau die Veränderung am Sehpigment Rhodopsin abläuft», sagt Valérie Panneels, Wissenschaftlerin im Forschungsbereich Biologie und Chemie am PSI.

Panneels vergleicht das Geschehen mit einer Katze, die mit dem Rücken voran vom Baum fällt und am Ende unbeschadet auf ihren Füssen landet. «Die Frage ist: Welche Zustände nimmt die Katze während ihres Falls ein, also während sie sich vom Rücken auf den Bauch dreht?»

Wie die PSI-Forschenden herausfanden, beginnt die Retinal-Katze sich zuerst mit ihrer Körpermitte zu drehen. Der «WowEffekt» war für Valerie Panneels der Moment, als sie realisierte, was ausserdem passiert: Das Protein nimmt einen Teil der Lichtenergie auf, um sich kurzzeitig minimal aufzublähen − «ähnlich wie unser

Brustkorb, der sich beim Einatmen ausdehnt, um sich kurz darauf wieder zusammenzuziehen.»

Während dieses «Aufatmens» verliert das Protein vorübergehend den grössten Teil seines Kontakts zum Retinal, das in seiner Mitte sitzt. «Retinal ist an seinen Enden zwar noch immer über chemische Bindungen ans Protein gebunden, aber es hat nun Platz genug, um sich zu drehen.» Das Molekül ähnelt in dem Moment einem Hund, der nur locker angeleint ist und einen Satz macht.

Kurze Zeit später zieht das Protein sich wieder zusammen und hat auch sein Retinal erneut fest im Griff, jetzt aber mit einer anderen, eher verlängerten Form. «So schafft das Retinal es, sich zu drehen –ganz unbehelligt von dem Protein, in dem es steckt.»

Eines der schnellsten Naturereignisse

Die Umwandlung des Retinals von der geknickten 11-cis-Form in die verlängerte Alltrans-Form dauert nur eine Pikosekunde, also ein millionstel Teil einer millionstel Sekunde. Damit ist es einer der schnellsten Vorgänge in der Natur überhaupt. So schnelle biologische Vorgänge lassen sich mit einem Freie-Elektronen-Röntgenlaser wie dem Swissfel aufzeichnen und analysieren. «Der Swissfel erlaubt uns, grundlegende Prozesse unseres Körpers − wie den Sehprozess − im Detail zu studieren», sagt Gebhard Schertler, Leiter des PSI-Forschungsbereichs Biologie und Chemie und gemeinsam mit Valérie Panneels Letztautor der Studie.

In Analogie mit der Katze wäre das so, als würde man deren Fall mit einer Hochgeschwindigkeitskamera filmen. Allerdings: Die Swissfel-Kamera filmt sogar noch Milliarden Mal schneller. Auch gehört bei Grossforschungsanlagen etwas mehr dazu, als auf den Auslöseknopf zu drücken. So verbrachte Doktorand Thomas

Gruhl, später Postdoktorand am Institute for Structural and Molecular Biology in London, Jahre damit, eine Methode zu entwickeln, um hochqualitative Rhodopsinkristalle zu gewinnen, welche höchstaufgelöste Daten lieferten. Nur mit diesen war es schliesslich möglich, die nötigen Messungen am Swissfel und − vor dem Bau des Swissfel − am Freie-ElektronenRöntgenlaser «Sacla» in Japan durchzuführen.

Dieses Experiment zeigt erneut, wie bedeutsam der Swissfel für die Forschung in der Schweiz ist. «Wir werden mit ihm wahrscheinlich noch viele andere Fragen lösen», sagt Gebhard Schertler. «Unter anderem entwickeln wir Methoden, um auch dynamische Prozesse in Proteinen zu untersuchen, die normalerweise nicht mit Licht aktiviert werden.» Die Forschenden machen solche Moleküle künstlich lichtaktivierbar: Entweder verändern sie die Bin -

So wird den Sehvorgang in Gang gesetzt: Das Molekül 11-cis-Retinal nimmt ein Lichtquant auf und lagert sich zum all-transIsomer um. (Bild: RicHard-59, CC BY-SA 3.0) dungspartner entsprechend oder aber sie mischen Proteine mit Bindungspartnern im Kristall so schnell, dass sie sich am Swissfel untersuchen lassen. In jedem Fall ist es auch hier komplizierter, als nur die Kamera auf eine vom Baum stürzende Katze zu richten. www.psi.ch

PSI-Forscherin Valérie Panneels reinigt das rote Protein Rhodopsin, um es später am FreieElektronen-Röntgenlaser «Swissfel» zu untersuchen. (Bild: Scanderbeg Sauer Photography)

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Augenheilkunde

Katarakt-OP: Effizienter und sicherer

Oertli Instrumente arbeitet mit der Hochschule Luzern an neuen Instrumenten, die Katarakt-Operationen sicherer und effizienter machen. 1,5 Millionen Mal im Jahr wird die im Volksmund als Grauer Star bezeichnete Krankheit mit Instrumenten des Rheintaler Unternehmens weltweit durchgeführt.

Der Graue Star trübt die Linse des Auges. Wird Krankheit nicht behandelt, kann sie schlimmstenfalls zur Erblindung führen. Doch eine sogenannte Katarakt kann operiert werden: Rund 15 Millionen Mal wird diese Operation weltweit jedes Jahr durchgeführt. Dabei wird die eingetrübte Linse im Auge zerkleinert und entfernt, worauf eine künstliche Ersatzlinse implantiert wird. Um die natürliche Linse zu zerkleinern, werden heute Ultraschall- oder Lasertechnologie eingesetzt. Beide Methoden sind sehr sicher und zeigen niedrige Komplikationsraten.

Die Oertli Instrumente AG entwickelt und produziert Instrumente für Augenoperationen. Dabei konzentriert sich das Unternehmen auf die Entfernung der Linse mit Hilfe von Ultraschall. Diese Technologie ist vergleichsweise günstig und kann mit einem tragbaren Gerät durchgeführt werden. Besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern gilt das als wichtiger Aspekt.

Kürzere Operationszeiten

In einem von Innosuisse geförderten Projekt haben Oertli Instrumente und die

Hochschule Luzern (HSLU) untersucht, wie sich die Effizienz der Operation bei gleichbleibender oder gar höherer Sicherheit steigern lässt. «Eine Verkürzung der Operationsdauer bedeutet immer, dass weniger am Auge manipuliert wird. Damit wird auch das Risiko des Eingriffes verringert», erklärt Prof. Dr. Silvio Di Nardo, Projektleiter am Institut für Medizintechnik der Hochschule Luzern. Darüber hinaus senkt eine kürzere Operationszeit die Kosten.

Zunächst ging es darum herauszufinden, was eigentlich im Auge während einer Operation geschieht. Bisher hat man versucht, der Antwort durch den Aufbau und die Untersuchung experimenteller Modelle auf die Spur zu kommen. Die Forschenden am Institut für Medizintechnik der Hochschule Luzern wollten jedoch vor einer solchen aufwändigen Arbeit zunächst die Physik der Katarakt-Operation in numerischen Modellen abbilden und simulieren. Deshalb haben sie die beiden HSLU-Kompetenzzentren Autonomous Systems and Robotics sowie Fluidmechanik und Numerische Methoden zur Unterstützung herbeigezogen.

Erkenntnisse dank Simulationsmodellen

Die Forschenden aus dem Bereich Fluidmechanik und numerische Methoden sind darauf spezialisiert, Simulationsmodelle zu erstellen, mit deren Hilfe sich komplexe Strömungen simulieren lassen. Diese Modelle helfen nicht nur beispielsweise bei der Entwicklung von Wasserkraftwerken, sondern können auch auf das menschliche Auge angewandt werden. Dank ihnen können nicht nur bestehende Zustände simuliert werden, sondern auch das Verhalten unter veränderten Umständen und Einflüssen – zum Beispiel, wenn die Grösse oder Form der medizinischen Instrumente sich ändern. Im Projekt wurden zwei Methoden zur Simulation der Fluidik verwendet und die Resultate beider Modelle immer wieder experimentell validiert. Die Hauptergebnisse dieses Teilprojektes sind einerseits ge - prüfte, stabile Simulationsmodelle der Fluidik und andererseits aus diesen Modellen abgeleitete Vorschläge für optimierte Instrumente, die eine effizientere Entfernung der Linse ermöglichen.

Die Zertrümmerung der Linse erfolgt mit Hilfe von Ultraschall. Hier waren die Experten des Kompetenzzentrums Autonomous Systems and Robotics gefragt. Sie erstellten Simulationsmodelle, mit denen sich die Ausbreitung des Ultraschalls im Auge untersuchen lässt. Diese Informationen sind sehr wichtig für die Beurteilung der Sicherheit dieses Eingriffes: der Ultraschall soll ja die Linse zertrümmern, dabei jedoch nicht noch weiteres Gewebe schädigen. In einem weiteren Teilprojekt untersuchten die Forscher in einer Kombination von Simulationen und Experimenten, wie genau die Zertrümmerung der Linse abläuft. Dabei zeigte sich: Die Zerkleinerung der trüben Linse erfolgt auf rein mechanische Weise – ganz ähnlich wie ein Presslufthammer funktioniert. Diese Erkenntnis ermöglicht nun, die Katarakt-Operation mit noch weniger Ultraschall-Energie durchzuführen.

Effizienz senkt Risiken und spart Geld

Dank der erstellten Modelle gewannen die Forschenden ein präziseres Wissen über die Geschehnisse während einer Augenoperation. Vor allem aber können sie mit Hilfe der Simulation berechnen, wie sich veränderte Instrumente oder eine veränderte Ansteuerung der Instrumente auf das Geschehen im Auge während der Operation auswirken werden. Silvio Di Nardo, Leiter des Forschungsprojektes,

Das Oertli Ophtha Lab an der Hochschule Luzern

Das Oertli Ophtha Lab dient mit seiner biomedizinischen Expertise als Ideenlieferant für die Forschung und Entwicklung bei Oertli Instrumente. In den spezialisierten biomedizinischen Laboren des Instituts für Medizintechnik an der Hochschule Luzern (HSLU) werden Entwicklungs-, Verifizierungs- und Validierungstätigkeiten wahrgenommen. Das Lab verknüpft dabei Forschung und Ausbildung: Studierende aus verschieden technischen, medizinischen und biologischen Fachrichtungen erhalten die Möglichkeit, ihre Bachelor- und Masterarbeiten in einem innovativen, kollaborativen und spannenden Forschungslabor durchzuführen.

Beispiel für eine Strömungssimulation während einer Katarakt-Operation. (Bild: HSLU) und sein Team haben auf Basis der Simulationen Lösungsvorschläge für effizientere und sicherere Instrumente erarbeitet. Ein Team aus Biologen hat die Ergebnisse aus dem Projekt in die Sprache und Denkweise der Medizinerinnen übersetzt und ein Verfahren entwickelt, mit dem eine Entfernung der Linse experimentell nachgestellt wird. Mit Hilfe dieses Verfahrens können jetzt die tatsächlich erreichten Effizienzsteigerungen von neuen Instrumenten nachgewiesen werden. Denn so wichtig die rechnerische Grundlage ist, so wenig kann sie die experimentelle und die klinische Überprüfung der Resultate ersetzen. Aktuell prüft Oertli Instrumente mehrere Optimierungsvorschläge, die aus dem Projekt entstanden sind. Das Unternehmen rechnet damit, diese Innovationen in den nächsten zwei Jahren auf den Markt zu bringen. www.hslu.ch www.oertli-instruments.com www.ramseyer.ch

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